OLG Düsseldorf
Beschluss
vom 27.04.2022
Verg 47/21
1. Hat der Bieter ein vorheriges Nachprüfungsverfahren insgesamt für erledigt erklärt, spricht viel für die Begründung eines schützenswerten Vertrauenstatbestands zu Gunsten des Auftraggebers dergestalt, dass der Bieter die nach Einschätzung der Vergabekammer für unbegründet gehaltene Beanstandung bezüglich der Eignungsleihe endgültig fallen gelassen hat. Der erneuten Rüge der Unzulässigkeit der Eignungsleihe in einem weiteren Nachprüfungsverfahren stünde dann der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen.
2. Im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüft der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Unternehmen grundsätzlich, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Dadurch wird mit der positiven Eignungsprüfung - anders als im offenen Verfahren - ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet. Etwas anderes gilt, wenn der Bieter bis zum Abschluss des Teilnahmewettbewerbs nicht alle zur abschließenden Prüfung seiner Eignung erforderlichen Unterlagen eingereicht hat (hier: Verpflichtungserklärung des Eignungsleihgebers).
3. Öffentliche Auftraggeber trifft die Pflicht, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden. Bei der Frage, welcher Erklärungswert den maßgeblichen Teilen der Vergabeunterlagen zukommt, ist im Rahmen einer normativen Auslegung auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter bzw. Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen.
4. Vor diesem Hintergrund wird der durchschnittliche Bieter von einem Ausschluss der üblicherweise zulässigen Eignungsleihe nur dann ausgehen, wenn dies klar und unmissverständlich so in den Vergabeunterlagen erklärt beziehungsweise eine Selbstausführung vorgeschrieben wird. Schweigen die Vergabeunterlagen zur Eignungsleihe, so ist diese zulässig, da nicht auf das Übliche - ihre Zulässigkeit -, sondern auf das Ungewöhnliche - ihren Ausschluss - hingewiesen werden muss.
5. Der Auftraggeber ist verpflichtet, die Gründe für seine Auswahlentscheidung eingehend zu dokumentieren. Die Bewertungsentscheidungen ist daraufhin überprüfbar, ob die jeweilige Bewertung im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden. Es muss nachvollziehbar sein, weshalb ein Mitbewerber besser bewertet wurde; die Wertungen müssen im Quervergleich mit den besser bewerteten Angeboten stimmig sein, insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten. Dabei dürfen aber im Interesse der Handhabbarkeit keine allzu hohen Anforderungen an die Bewertungsbegründung gestellt werden, eine Nachvollziehbarkeit genügt.
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 6. Oktober 2021 (VK 2 - 45/21) wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu tragen.
3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 1.850.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin schrieb mit Bekanntmachung vom 26. Juni 2020 ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb betreffend ein Telemedizinisches Versorgungsprogramm für ihre Versicherten mit den Indikationen Herzinsuffizienz und/oder chronisch obstruktive Lungenerkrankung EU-weit aus (Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, Bekanntmachungsnummer ...). Die Ausschreibung ist durch Bekanntmachungen vom ..., Bekanntmachungsnummer ..., in Bezug auf die Bewerberauswahl bei gleicher Anzahl der Referenzprojekte, und vom ..., Bekanntmachungsnummer ..., in Bezug auf die Eignungsanforderungen berichtigt worden.
Der Ausschreibungsgegenstand war die telemedizinische Versorgung von Versicherten der B. mit Herzinsuffizienz und/oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) im Rahmen eines Vertrages der Besonderen Versorgung nach § 140a Abs. 4a SGB V, wobei die Betreuung ein tägliches Telemonitoring von Zeichen und Beschwerden der behandlungsführenden Indikation bzw. Indikationen umfasst. Dafür werden die Versicherten mit indikationsspezifischen telemedizinischen Geräten ausgestattet. Die erhobenen Werte werden kontinuierlich und automatisch an den Auftragnehmer übermittelt und dort überprüft. Bei Auffälligkeiten wird ein Alarm beim Auftragnehmer ausgelöst und der Versicherte durch den Auftragnehmer kontaktiert, um die Ursache für die Auffälligkeit zu ermitteln und wenn möglich zu beheben. Neben diesen anlassbezogenen Kontakten erfolgt in regelmäßigen Abständen die Kontaktaufnahme durch den Auftragnehmer beim Versicherten zur allgemeinen Betreuung im Programm sowie zum Zweck von indikations- und gesundheitsbezogenen Schulungen.
Bewerber hatten ihre Eignung und Leistungsfähigkeit bezüglich der Organisation, Administration und Durchführung durch nach Art und Größe vergleichbare Referenzprojekte für gesetzlich Krankenversicherte in den letzten fünf Jahren nachzuweisen, wobei die Antragsgegnerin lediglich solche Bewerber als geeignet erachtet, welche wenigstens ein entsprechendes Referenzprojekt nachweisen können. Als Referenz eignete sich nach der Bekanntmachung in der Fassung der Änderungsbekanntmachung vom 23. Juli 2020 ein Projekt, bei dem gleichzeitig mindestens 5.000 Versicherte mit mindestens einer chronischen Erkrankung, darunter möglichst die Herzinsuffizienz, über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten telemedizinisch hinsichtlich mindestens einer chronischen Erkrankung betreut wurden. Die Versicherten sollten möglichst aus dem Bereich der GKV stammen. Das Referenzprojekt musste mit mindestens 20 Mitarbeitern in der telemedizinischen Betreuung durchgeführt worden sein (Ziffer VII.1.2 der Bekanntmachung in der Fassung der Berichtigung vom ... unter Änderung von Ziffer III.1.3 der ursprünglichen Bekanntmachung).
Im Fall der Bildung einer Bewerbergemeinschaft konnten die diesbezüglichen Erklärungen gemeinsam erbracht werden, wobei die Erklärungen jeweils auf den Leistungsteil zu beziehen waren, den das jeweilige Mitglied der Bewerbergemeinschaft übernommen hat. Im Fall des Einsatzes von Nachunternehmern waren die Erklärungen für Nachunternehmer insoweit zu erbringen, wie sie auf die vom Nachunternehmer zu übernehmende Leistung anwendbar sind (Ziffer III.1.3 der Bekanntmachung). Die Verpflichtungserklärung des benannten Dritt-/Nachunternehmers gegenüber dem Bieter war spätestens vor Zuschlagserteilung einzureichen (Ziffer III.1.1 der Bekanntmachung).
Der Preis war nicht das einzige Zuschlagskriterium (Ziffer II.2.5. der Bekanntmachung). Daneben sollten auch qualitative Aspekte mit maximal 60 von 100 Punkten Berücksichtigung finden (Ziffer 10 der Teilnahmebedingungen). Zu den jeweils mit 0 bis 6 Punkten zu bewertenden Qualitätskriterien gehörte als Nummer 8 auch die persönliche Präsentation der Angebotsunterlagen. Nach den Bewertungskriterien waren dabei die in der Leistungsbeschreibung zu den jeweiligen Kriterien dargestellten Beschreibungen und Anforderungen zu berücksichtigen, weil die dort aufgeführten Anforderungen Aspekte hervorheben, die der Auftraggeberin besonders wichtig sind. Insgesamt handelte es sich um 19 unterschiedlich gewichtete Einzelkriterien. 0 Punkte erhielt ein Bieter, wenn Ausführungen zu dem jeweiligen Kriterium fehlen oder in wesentlichen Punkten unzureichend oder unvollständig sind, 2 Punkte, wenn einzelne Unklarheiten bestehen, jedoch verständliche und wertbare Ansätze vorhanden sind, 4 Punkte, wenn die Anforderung voll erfüllt werden, und 6 Punkte, wenn die Anforderungen in besonderem Maße erfüllt werden. Die danach zu vergebenden Punkte konnten sich dabei durch einen Vergleich mit anderen Anbietern ergeben (Anlage B4 der Vergabeunterlagen).
Nach Ziffer III.2. der Bekanntmachung, Bedingungen für den Auftrag, Unterpunkt 1. musste der Bewerber zum berechtigten Personenkreis nach § 140a Abs. 3 Nr. 6 SGB V gehören, also Hersteller von Medizinprodukten im Sinne des Gesetzes über Medizinprodukte sein. Dementsprechend wurde in den Teilnahmebedingungen, Anlage A0, die Erklärung, Medizinproduktehersteller i.S.d. § 140a Abs. 3 Nr. 6 SGB V und damit berechtigt zu sein, mit einer gesetzlichen Krankenkasse einen Vertrag über besondere Leistungen nach § 140a Abs. 4a SGB V zu schließen, vom Bieter gefordert.
Die Antragstellerin, die Bestandsbieterin, und die Beigeladene sowie die im Parallelverfahren antragstellende, drittplatzierte Bieterin I. reichten nach erfolgreichem Teilnahmeantrag und unverbindlichem Erstangebot jeweils fristgerecht ein verbindliches Angebot ein. Mit Schreiben vom 8. Januar 2021 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen; das Angebot der Antragstellerin sei nicht das wirtschaftlichste. Mit Schreiben vom 12. Januar 2021 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Zuschlagserteilung, das Angebot der Beigeladenen sei wegen fehlender Referenzen auszuschließen, diese könnten nicht im Wege der Eignungsleihe nachgewiesen werden. Bezüglich der Bewertung sei für sie nicht nachvollziehbar, weshalb sie nur bei den Kriterien 4 und 6.2. und nicht auch bei den Kriterien 1.5., 2.2., 2.3. und 2.4. die Höchstpunktzahl erhalten habe. Diese Rüge wies die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 14. Januar 2021 zurück. Die Eignungsleihe sei nicht in Abweichung von § 47 VgV ausgeschlossen worden, bei der Bewertung sei es ihr aus Gründen der Gleichbehandlung verwehrt, auf die Kenntnisse aufgrund der bisherigen guten Zusammenarbeit zurückzugreifen.
Die Antragstellerin beantragte am 18. Januar 2021 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Die Vergabekammer erteilte den rechtlichen Hinweis, der Referenznachweis im Wege der Eignungsleihe begegne keinen Bedenken, diese sei nicht ausgeschlossen worden; allerdings sei die Wertung problematisch, es sei nicht zulässig, in wettbewerbskonformer Weise erworbene Vorteile des bisherigen Leistungserbringers nicht zu berücksichtigen, auch müsse ein Angebot von Zusatzgeräten einen Niederschlag finden. Die Antragsgegnerin hat daraufhin das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotswertung zurückversetzt und das Vergabenachprüfungsverfahren für erledigt erklärt. Die Antragstellerin hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen, weil sie ihr Rechtsschutzziel erreicht habe.
Mit Schreiben vom 18. März 2021 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin erneut mit, dass beabsichtigt sei der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Zwar habe die Neubewertung zur Bewertung des Angebots der Antragstellerin auch bei den Kriterien 1.5. und 2.3. zu der Höchstpunktzahl geführt, hierdurch ändere sich jedoch die Wertungsreihenfolge nicht. Mit Schreiben vom 24. März 2021 rügte die Antragstellerin erneut die beabsichtigte Zuschlagserteilung. Weshalb die qualitätserhöhenden Umstände nicht auch bei den Kriterien 1.1., 2.4., 2.5., 6.1. und 8. zu einer Erhöhung geführt hätten, sei nicht nachvollziehbar. Zudem sei das Angebot der Beigeladenen wegen Einbindung eines Eignungsleihgebers, der auch nicht Medizinproduktehersteller sei, auszuschließen. Diese Rüge wies die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30. März 2021 zurück, sie habe sich auf die von der Vergabekammer beanstandeten Kriterien beschränkt, eine Doppelbewertung der gleichen Punkte sei nicht erfolgt.
Die Antragstellerin beantragte daraufhin mit Anwaltsschriftsatz vom 12. April 2021 erneut die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens zu dessen Begründung sie ihr Rügevorbringen wiederholte und vertiefte. Die zu ihren Gunsten zu berücksichtigende qualitätserhöhende Aspekte müssten insgesamt berücksichtigt werden, stattdessen habe sich die Antragsgegnerin an ein vermeintliches Doppelverwertungsverbot gebunden gefühlt. Zudem müssten die qualitätserhöhenden Aspekte auch im Vergleich zu den Mitbietern berücksichtigt werden. Zudem sei das Angebot der Beigeladene wegen Einbindung eines Dritten, der nicht Medizinproduktehersteller sei, auszuschließen, zumal auch bereits die Eignungsleihe ausgeschlossen sei.
Nach Vorlage der in dem von der drittplatzierten Bieterin eingeleiteten parallelen Nachprüfungsverfahren von der Vergabekammer angeordneten Neudokumentation (Anlagenkonvolut BG 1) der Angebotsbewertung hat die Antragstellerin ihre Beanstandung der Bewertung auf das Kriterium 2.1. erweitert.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. die Antragsgegnerin anzuweisen, das Vergabeverfahren erneut in den Stand vor Beginn der Angebotsauswertung zurückzuversetzen und die Zuschlagsentscheidung unter ermessensfehlerfreier Verwendung der zuvor bekannt gemachten Zuschlagskriterien und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu treffen;
2. ihr Akteneinsicht zu gewähren;
3. die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären.
4. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin und die mit Beschluss vom 14. April 2021 hinzugezogene Beigeladene haben beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich ihrer zur zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen aufzuerlegen;
3. festzustellen, dass die Hinzuziehung anwaltlicher Verfahrensbevollmächtigter durch sie notwendig war.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben vorgetragen, die Antragstellerin sei mit dem vermeintlichen Verstoß gegen § 140a SGB V bereits wegen Erklärung des ersten Nachprüfungsverfahrens für erledigt ausgeschlossen, wegen der Unzulässigkeit der Eignungsleihe sei sie präkludiert. Die Bewertung halte sich im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums und weise keine Beurteilungsfehler auf.
Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 6. Oktober 2021 den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Zwar sei dieser insgesamt zulässig, da mit der Rückversetzung des Vergabeverfahrens und erneuter Zuschlagsentscheidung sich auch die Wertung der Beigeladenen als geeignet aktualisiert habe. Bei einem übereinstimmend für erledigt erklärten Nachprüfungsverfahren fehle es auch an einer erneuten Befassung entgegenstehenden bestandskräftigen Entscheidung der Vergabekammer. Der Antrag sei jedoch unbegründet. Die Eignungsleihe sei in § 47 VgV ausdrücklich vorgesehen. Soweit § 69 Abs. 4 Satz 3 SGB V Abweichungen gestatte, fehle es am erforderlichen Ausschluss der Eignungsleihe. Im Gegenteil spreche die Zulassung der vollständigen Leistungserbringung durch Nachunternehmer in Ziffer 6 der Teilnahmebedingungen für die Zulässigkeit auch der Eignungsleihe. Dem stehe auch nicht § 140a Abs. 4a SGB V entgegen, der Gesetzgeber habe die Eignungsleihe auch im Rahmen dieser Sonderregelung gerade nicht ausgeschlossen. Letztendlich stehe einem Ausschluss aber bereits der mit der Zulassung zum Verhandlungsverfahren begründete Vertrauenstatbestand entgegen. Die Bewertung des Angebots lasse keine Fehler erkennen, nicht jede Übererfüllung müsse zu einer Bewertung mit mehr als vier Punkten führen. Dabei sei es auch sachgerecht, Mehrleistungen schwerpunktmäßig einzelnen Wertungskriterien zuzuordnen.
Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Die Wertung des Angebots der Beigeladenen sei mit § 140a Abs. 4a SGB V unvereinbar. Der Gesetzgeber habe diese Vertragsart nur für eine bestimmte Gruppe von Vertragspartnern zugelassen, wesentliche Leistungen würden aber von der Eignungsleihgeberin erbracht, die kein Medizinproduktehersteller sei. Ein gleichwohl geschlossener Vertrag sei unwirksam, weshalb ein auf ein solches Angebot erteilter Zuschlag gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstieße. Es liefe auch dem Gleichheitsgrundsatz zuwider, einen Bieter zu bezuschlagen, der die sozialrechtlichen Vorgaben nicht einhalte. Auch gehe es nicht an, zumindest eine Unsicherheit in Bezug auf die Eignungsleihe zu schaffen. Da eine Unvereinbarkeit der Angebotskonstruktion Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit des Angebots habe, könne einem Ausschluss auch kein mit der Zulassung zum Verhandlungsverfahren begründeter Vertrauenstatbestand entgegengehalten werden. Hinsichtlich der Bewertung ihres Angebots fehle es an einer Berücksichtigung der qualitätserhöhenden Aspekte ihres Angebots bei der Bewertung aller Angebote. Zudem habe sich die Antragsgegnerin aufgrund eines zu Unrecht angenommenen Doppelbewertungsverbots an der Berücksichtigung der qualitätserhöhenden Aspekte ihres Angebots in mehreren Qualitätskriterien gehindert gesehen. Eine Schwerpunktbildung hätte in der Angebotsdokumentation deutlicher zum Ausdruck kommen müssen. Im Einzelnen sei nicht ersichtlich, dass die Erfahrungen ihres Akquise-Personals beim Kriterium 1.1. Berücksichtigung gefunden hätten. Es sei verfehlt, dass ihre seit 20 Jahren erfolgreiche zusätzliche Methodik der Akquisition der Versicherten bei 2.1. als Schwäche gewertet worden sei. Die von ihr zur Verfügung gestellten Zusatzgeräte müssten auch bei den Kriterium 2.4. und 6.1. zur Höchstpunktzahl führen, die langjährige Erprobung ihrer Mitarbeiter auch beim Kriterium 2.5. Es erschließe sich auch nicht, weshalb ihre überzeugende, auch die Zusatzgeräte ausführlich vorstellende Präsentation nicht höher bewertet worden sei.
Die Antragstellerin beantragt,
1. den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 6. Oktober 2021 - Aktenzeichen: VK 2 - 45/21 - aufzuheben;
2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Angebotswertung zu wiederholen und die Zuschlagsentscheidung unter ermessensfehlerfreier Verwendung der zuvor bekannt gemachten Zuschlagskriterien und unter Beachtung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts erneut zu treffen;
3. hilfsweise, die 2. Vergabekammer des Bundes zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über Sache neu zu entscheiden;
4. die Heranziehung ihrer Prozessbevollmächtigten für notwendig zu erklären;
5. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens vor der 2. Vergabekammer einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen der Antragstellerin sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,
die sofortige Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin, die zusätzlich eine Auferlegung der Kosten des Eilverfahrens gemäß § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB beantragt, und die Beigeladene verteidigen die Entscheidung der Vergabekammer. Die Antragsgegnerin trägt vor, die in § 47 VgV vorgesehene Möglichkeit der Eignungsleihe sei nicht ausgeschlossen worden, von der in § 69 Abs. 4 Satz 3 SGB V vorgesehenen Abweichungsbefugnis habe sie gerade keinen Gebrauch gemacht, wie sich auch aus dem internen Vergabevermerk ergebe. Einer Bezuschlagung des Angebots der Beigeladenen stehe § 140a Abs. 4a SGB V schon deswegen nicht entgegen, weil die Beigeladene als ihre vorgesehene Vertragspartnerin Medizinprodukteherstellerin sei. Im Übrigen stehe einem Ausschluss wegen mangelnder Eignung bereits der durch die Zulassung zum Verhandlungsverfahren begründete Vertrauenstatbestand entgegen. Auch ihre Bewertung der Angebote sei vergaberechtskonform. Die Hinweise der Vergabekammer seien selbstverständlich bei der zwischenzeitlichen Neubewertung unterschiedslos angewandt worden. Dabei habe sie sich auch keineswegs von einem imaginären Doppelverwertungsverbot leiten lassen, sondern bestimmte Faktoren schwerpunktmäßig einzelnen Wertungskriterien zugeordnet und dort maßgeblich einfließen lassen.
Die Beigeladene trägt ergänzend vor, die Bestimmung des § 140a Abs. 4a SGB V ziele allein auf den Vertragspartner, dessen "Helfer" müssten selbst nicht Medizinproduktehersteller sein. In Anbetracht des Regel-Ausnahme-Verhältnisses sei die Eignungsleihe auch im Anwendungsbereich des § 140a SGB V immer zulässig, wenn sie nicht explizit ausgeschlossen sei. Letztendlich sei wegen der voreiligen Erledigungserklärung des ersten Nachprüfungsverfahrens insoweit aber ohnehin materieller "Klageverbrauch" eingetreten. Bei einer "Zweitklage", die nicht auf neue Tatsachen gestützt werde, könne der Einwand der erledigten Sache entgegengehalten werden.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zu Recht zurückgewiesen.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingereicht. Die erforderliche Beschwer der Antragstellerin ist nach § 171 Abs. 1 Satz 2 GWB gegeben, weil sie am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt war und die Vergabekammer ihren Nachprüfungsantrag teils verworfen und teils zurückgewiesen hat.
2. In der Sache hat die Beschwerde der Antragstellerin jedoch keinen Erfolg, der Nachprüfungsantrag ist insgesamt zulässig, aber unbegründet.
a) Der Nachprüfungsantrag ist auch insoweit zulässig, als die Antragstellerin die Eignungsleihe als vergabe- und sozialrechtswidrig beanstandet. Die Erklärung des ersten Vergabeverfahrens für erledigt, hindert die erneute Geltendmachung der Rüge in prozessualer Hinsicht nicht.
Der Kostenbeschluss im ersten Nachprüfungsverfahren entfaltet keine Rechtskraft hinsichtlich der Hauptsache, da nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien über diese gerade nicht entschieden worden ist (BGH, Urteil vom 28. November 1991, I ZR 297/89, GRUR 1992, 203, 205 - Roter mit Genever). Die Erledigterklärung hat lediglich die Rechtshängigkeit des Antrags beendet (BGH, Urteil vom 21. Januar 1999, I ZR 135/96, NJW 1999, 1337 - Datenbankabgleich). Einer erneuten Geltendmachung der mit für erledigt erklärten Beanstandung der Eignungsleihe als vergabe- und sozialrechtswidrig steht daher in prozessualer Hinsicht nichts entgegen. Eine eventuelle Treuwidrigkeit dieses antragstellerischen Verhaltens ist eine Frage der Begründetheit.
b) Soweit die Antragstellerin den Eignungsnachweis im Wege der Eignungsleihe als vergabe- und sozialrechtswidrig beanstandet, ist ihr Nachprüfungsantrag unbegründet. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Angebot der Beigeladenen nicht wegen fehlender Eignung gemäß § 57 Abs. 1 Halbsatz 1 VgV von der Wertung auszuschließen, verletzt die Antragstellerin nicht in ihrem Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren aus § 97 Abs. 6 GWB.
aa) Es bestehen bereits erhebliche Bedenken, ob der erneuten Rüge der Unzulässigkeit der Eignungsleihe nicht der im Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, wurzelnde Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegensteht. Die Antragstellerin hat das erste Nachprüfungsverfahrens insgesamt, also auch in Bezug auf die als vergaberechtswidrig beanstandete Eignungsleihe durch die Beigeladene, für erledigt erklärt, obwohl die Antragsgegnerin vor dem Hintergrund des rechtlichen Hinweises der Vergabekammer, die allein die Wertung für problematisch erachtet hatte, das Vergabeverfahren lediglich bis vor die Angebotswertung zurückversetzt hat.
Zwar begründet das prozessuale Fallenlassen von Ansprüchen im Allgemeinen noch kein schutzwürdiges Vertrauen in einen endgültigen Verzicht auf diese. So ist das Vertrauen des Gegners in die Klagerücknahme nach § 269 Abs. 6 ZPO allein im Hinblick auf seinen Kostenerstattungsanspruch gestützt. Für den Fall des Entfallens der Rechtshängigkeit durch Erledigterklärung gilt zivilprozessual nichts anderes. Durch die Erklärung eines Anspruchs für erledigt, wird der Kläger nicht gehindert, diesen erneut gerichtlich geltend zu machen oder im Wege der Klageerweiterung wieder in das Verfahren einzuführen (vgl. zur Wiedereinführung eines für erledigt erklärten Auskunftsantrags im Wege der Klageerweiterung: BGH, Urteil vom 21. Januar 1999, I ZR 135/96, NJW 1999, 1337 - Datenbankabgleich).
Das im besonderen Maße dem Beschleunigungsgrundsatz unterliegende Vergabeverfahren begründet jedoch ein vorvertragliches Schuldverhältnis, das die Beteiligten zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet (Senatsbeschluss vom 28. Juni 2017, VII-Verg 2/17, NZBau 2018, 54 Rn. 19), woraus etwa die Pflicht des Bieters resultiert, das seinige zur zeitnahen Klärung von Zweifelsfragen beizutragen (Senatsbeschluss vom 31. Januar 2018, Verg 41/16, ZfBR 2019, 820, 825/826).
Vor diesem Hintergrund hätte die Antragstellerin, wenn sie ihre Beanstandung hinsichtlich der als unzulässig gerügten Eignungsleihe hätte aufrecht erhalten wollen, das Nachprüfungsverfahren nur teilweise für erledigt erklären und im Übrigen fortführen müssen, um diesen strittigen Punkt einer raschen Klärung durch die Vergabekammer zuzuführen. Es erscheint mit dem Beschleunigungsgrundsatz nicht vereinbar, wenn dem Bieter in einem solchen Fall gestattet wird, das Ergebnis der neuen Wertung abzuwarten und dann, wenn es nicht zu dem erhofften Ergebnis führt, erneut die mangelnde Eignung des Zuschlagsprätendenten ins Feld zu führen. Da die Antragstellerin das Nachprüfungsverfahren insgesamt für erledigt erklärt hat, weil sie erklärtermaßen mit der erneuten Angebotswertung ihr Rechtsschutzziel erreicht hat, spricht zudem viel für die Begründung eines schützenswerten Vertrauenstatbestands zu Gunsten der Antragsgegnerin dergestalt, dass die Antragstellerin die nach Einschätzung der Vergabekammer für unbegründet gehaltene Beanstandung bezüglich der Eignungsleihe endgültig fallen gelassen hat. Dies kann vorliegend letztendlich aber alles dahinstehen, da der Nachprüfungsantrag ohnehin unbegründet ist.
bb) Die Antragstellerin war nicht aus einem anderen Grund nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert, die fehlende Eignung der Beigeladenen geltend zu machen. Zwar hat die Antragsgegnerin die Beigeladene nach vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb zum Verhandlungsverfahren zugelassen und zur Angebotsabgabe aufgefordert. Hierdurch ist aber kein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beigeladenen dahingehend begründet worden, dass ihre Eignung (abschließend) bejaht worden ist und nachträglich nicht anders beurteilt wird.
Im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüft der öffentliche Auftraggeber zwar gemäß §§ 42 Abs. 1 Satz 1 und 52 Abs. 1 i.V.m. § 51 VgV die Eignung der am vorgeschalteten Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen grundsätzlich, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Dadurch wird mit der positiven Eignungsprüfung - anders als im offenen Verfahren - ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet, dass sie nicht damit rechnen müssen, der ihnen durch die Erstellung der Angebote und Teilnahme am Wettbewerb entstandene Aufwand könnte dadurch nachträglich nutzlos werden, dass der Auftraggeber ihre Eignung auf gleichbleibender tatsächlicher Grundlage später nochmals abweichend beurteilt (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 33 - Stadtbahnprogramm Gera). Dass dieser Vertrauenstatbestand im Interesse einer fairen Risikoabgrenzung zwischen öffentlichem Auftraggeber und Bieterunternehmen einer späteren Verneinung der Eignung auf gleichbleibender Tatsachengrundlage entgegensteht, ist ein letztlich in § 242 BGB wurzelnder Grundsatz, der allgemein gilt und nicht auf Bauvergabeverfahren beschränkt ist. In den Letzteren hat er mit § 16 b Abs. 3 VOB/A EU lediglich eine ausdrückliche Regelung erfahren. Mitbieter im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb haben danach einen Vergaberechtsverstoß, der in der fehlerhaften Bejahung der Eignung eines Unternehmens am Ende des Teilnahmewettbewerbs liegt, ab der Begründung des Vertrauenstatbestands hinzunehmen (Senatsbeschluss vom 29. März 2021, VII-Verg 9/21, NZBau 2021, 632 Rn. 24 m. w. Nw.).
Ein solcher Vertrauenstatbestand kann jedoch nur dann begründet werden, wenn der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Bewerber abschließend bejaht hat, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Hieran fehlt es folglich, wenn der Bieter - so wie hier - bis zum Abschluss des Teilnahmewettbewerbs nicht alle zur abschließenden Prüfung seiner Eignung erforderlichen Unterlagen eingereicht hat. Wer weiß, dass dem öffentlichen Auftraggeber im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung zum Verhandlungsverfahren die Grundlage für eine abschließende Prüfung seiner Eignung fehlte, kann legitimerweise kein Vertrauen in die Beurteilung seiner Eignung haben.
Zu den im Rahmen der Eignungsprüfung vorzulegenden Unterlagen gehört bei Inanspruchnahme einer Eignungsleihe eine ordnungsgemäße Verpflichtungserklärung des Eignungsleihgebers. Ein Bieter, der sich im Rahmen der Eignungsprüfung auf die Kapazitäten anderer Unternehmen beruft, hat nachzuweisen, dass er tatsächlich Zugriff auf deren Mittel hat, weshalb in zweistufigen Vergabeverfahren das eignungsvermittelnde Unternehmen bereits innerhalb des Teilnahmewettbewerbs benannt und auch dessen Verfügbarkeit nachgewiesen werden muss (Opitz in Burghi/Dreher Beck`scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, § 122 GWB Rn. 39, 43). Der Systematik des § 47 VgV nach muss der Nachweis erbracht sein, wenn der öffentliche Auftraggeber nach Abs. 2 im Rahmen der Eignungsprüfung überprüft, ob die entsprechenden Drittunternehmen selbst die Eignungskriterien erfüllen und ob sie Ausschlussgründe aufweisen; denn vorgelagert ist nach § 47 Abs. 1 VgV die Prüfung der Eignung des Bieters selbst, der sich im Wege der Eignungsleihe auf Dritte bezieht (Tomerius in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl. 2019, § 47 VgV Rn. 6).
Vorliegend hat die Beigeladene die Verpflichtungserklärung ihrer Eignungsleihgeberin erst im Rahmen des Verhandlungsverfahrens mit ihrem Angebot vorgelegt. Dies war zwar vergabekonform. Soweit nach § 42 Abs. 2 VgV bei Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb nur solche Bewerber zur Abgabe eines Angebots aufzufordern sind, die ihre Eignung - vollständig - nachgewiesen haben, kann hiervon nach § 69 Abs. 4 Satz 3 SGB V bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach 140a SGB V abgewichen werden, was vorliegend geschehen ist. Nach Ziffer III.1.1.b) der Auftragsbekanntmachung war die Verpflichtungserklärung des benannten Dritt-/Nachunternehmers gegenüber dem Bieter spätestens vor Zuschlagserteilung einzureichen, wobei Drittunternehmer auch der Eignungsleihgeber ist. Kehrseite der folglich zulässigen und von der Beigeladenen genutzten Möglichkeit der Vorlage erst nach Zulassung zum Verhandlungsverfahrens ist aber, dass der öffentliche Auftraggeber die Eignung ersichtlich nicht abschließend prüfen und dementsprechend auch kein Vertrauen in das Ergebnis dieser Prüfung begründet werden kann.
cc) Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Beigeladenen zu Recht nicht mangels Eignung der Beigeladenen von der Wertung ausgeschlossen. Sie durfte sich zulässigerweise der Eignungsleihe bedienen. Den Vergabeunterlagen ist weder ein Ausschluss der nach § 47 Abs. 1 VgV grundsätzlich zusätzlichen Eignungsleihe noch ein Selbstausführungsgebot im Sinne des § 47 Abs. 5 VgV zu entnehmen.
(1) Vergabeunterlagen müssen klar und verständlich sein. Aus den Vergabeunterlagen muss für Bieter eindeutig und unmissverständlich hervorgehen, was von ihnen verlangt wird (BGH, Urteil vom 15. Januar 2013, X ZR 155/10, NZBau 2013, 319 Rn. 7 - Parkhaus; BGH, Urteil vom 3. April 2012, X ZR 130/10, NZBau 2012, 513 Rn. 9 - Straßenausbau). Die Vergabestellen trifft die Pflicht, die Vergabeunterlagen klar und eindeutig zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden (BGH, Urteil vom 3. April 2012, X ZR 130/10, NZBau 2012, 513 Rn. 9 - Straßenausbau). Für die Leistungsbeschreibung ergibt sich dies ausdrücklich aus §§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB, 31 Abs. 1 VgV, wonach der Leistungsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben ist, so dass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können (Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2017, VII-Verg 19/17, NZBau 2018, 242 Rn. 37 - LKW-Mautsystem III). Infolge der übergeordneten Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB, die durch §§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB, 31 Abs. 1 VgV für einen Teilbereich nur näher ausgeformt werden, gelten die für die Leistungsbeschreibung formulierten Anforderungen für andere Teile der Vergabeunterlagen entsprechend (Senatsbeschluss vom 28. März 2018, VII-Verg 52/17, NZBau 2018, 563 Rn. 31).
Die Frage, welcher Erklärungswert den maßgeblichen Teilen der Vergabeunterlagen zukommt, ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 - Stadtbahnprogramm Gera; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18. Juli 2017, 11 Verg 7/17, BeckRS 2017, 121590 Rn. 59). Dabei ist im Rahmen einer normativen Auslegung auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter bzw. Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 - Stadtbahnprogramm Gera). Es kommt nicht darauf an, wie die Antragstellerin als einzelne Bewerberin die Unterlagen verstanden hat, sondern wie der durchschnittliche Bewerber des angesprochenen Bewerberkreises sie verstehen musste oder konnte. Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt (Senatsbeschlüsse vom 21. Oktober 2015, VII-Verg 28/14, NZBau 2016, 235 Rn. 40 - BSI, sowie vom 5 November 2014, VII-Verg 21/14, BeckRS 2015, 11625; Lampert in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, Teil 4, GWB § 121 Rn. 77). Wie Mitbieter oder -bewerber die Vergabeunterlagen verstanden haben, kann für die normativ zu bestimmende Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Bieters beziehungsweise Bewerbers von indizieller Bedeutung sein (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008, X ZR 78/07, NZBau 2008, 592 Rn. 15 - BAB-Leiteinrichtungen; Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2017, VII-Verg 19/17, NZBau 2018, 242 Rn. 37 - LKW-Mautsystem III; Lampert in Burgi/ Dreher, a. a. O.). Auf Abweichungen vom Üblichen ist hinzuweisen, da ein Bieter Ungewöhnliches grundsätzlich nicht erwarten muss (Lampert in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, Teil 4, GWB § 121 Rn. 77).
(2) Bei Anwendung dieser Grundsätze konnte den Vergabeunterlagen ein Ausschluss der Eignungsleihe nicht entnommen werden. Die Zulässigkeit der Eignungsleihe und ihr Ausschluss stehen in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis, um das der durchschnittliche Bieter weiß.
Nach § 47 Abs. 1 VgV kann ein Bewerber oder Bieter für einen bestimmten öffentlichen Auftrag im Hinblick auf die erforderliche wirtschaftliche und finanzielle sowie die technische und berufliche Leistungsfähigkeit die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch nehmen, wenn er nachweist, dass ihm die für den Auftrag erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen werden, indem er beispielsweise eine entsprechende Verpflichtungserklärung dieser Unternehmen vorlegt.
Zwar gestattet § 69 Abs. 4 Satz 3 SGB V bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach 140a SGB V den Vorgaben der §§ 15 bis 36 und 42 bis 65 der Vergabeverordnung, mit Ausnahme der §§ 53, 58, 60 und 63, abzuweichen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass § 47 Abs. 1 VgV der Umsetzung von Art. 63 Abs. 1 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU dient, weshalb das Recht eines Wirtschaftsteilnehmers, in Bezug auf die Kriterien für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit für einen bestimmten Auftrag die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch zu nehmen, nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände eingeschränkt werden kann (EuGH, Urteil vom 7. April 2016, C-324/14, NZBau 2016, 373 Rn. 39 - Partner Apelski Dariusz/Zarzd Oczyszczania Miasta). Auch im Bereich der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach § 140a SGB V stellt der Ausschluss der Eignungsleihe folglich einen zu begründenden Ausnahmefall dar.
Vor diesem Hintergrund wird der durchschnittliche Bieter von einem Ausschluss der üblicherweise zulässigen Eignungsleihe nur dann ausgehen, wenn dies klar und unmissverständlich so in den Vergabeunterlagen erklärt beziehungsweise eine Selbstausführung vorgeschrieben wird. Schweigen die Vergabeunterlagen zur Eignungsleihe, so ist diese zulässig, da nicht auf das Übliche - ihre Zulässigkeit -, sondern auf das Ungewöhnliche - ihren Ausschluss - hingewiesen werden muss. Allein die Tatsache, dass in den Vergabeunterlagen von "der Bieter" die Rede ist, erlaubt keinen Rückschluss auf einen Ausschluss der Eignungsleihe. Für die Eignungsleihe gilt nichts anderes. Es fehlte auch nicht an einem Hinweis auf den nach § 47 Abs. 1 Satz 1 VgV erforderlichen Nachweis. Nach Ziffer III.1.1. der Auftragsbekanntmachung war eine Verpflichtungserklärung des benannten Dritt-/Nachunternehmers gegenüber dem Bieter spätestens vor Zuschlagserteilung einzureichen; der Eignungsleihgeber ist ein solcher Drittunternehmer. Der Umstand, dass das Formblatt die Passage zur Verpflichtungserklärung des Eignungsleihers nicht enthielt, ändert daran schon deswegen nichts, weil diese erst zu einem späteren Zeitpunkt einzureichen war.
Dieses aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis, vor dessen Hintergrund nicht die Zulässigkeit, sondern der Ausschluss der Eignungsleihe einer unmissverständlichen Erklärung bedarf, resultierende Bieterverständnis korrespondierte im Übrigen mit der uneingeschränkten Zulässigkeit eines Nachunternehmereinsatzes, worauf die Vergabekammer zu Recht hingewiesen hat. Zwar muss der Eignungsleihgeber nach § 47 VgV nicht zwangsläufig ein Nachunternehmer nach § 36 VgV sein, auch wenn sie in der Praxis vielfach identisch sind (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Juni 2010, VII-Verg 13/10, NZBau 2011, 54, 55). Die Überlegungen, die zu einem Ausschluss der Eignungsleihe führen können, sind aber durchaus auf den Nachunternehmereinsatz zu übertragen. Sind die auszuführenden Aufgaben derart kritisch, dass die Anordnung einer Selbstausführung durch den Bieter i.S.d. § 47 Abs. 5 VgV veranlasst ist, würde die Zulassung eines Nachunternehmereinsatzes - jedenfalls bezüglich wesentlicher Teile des Auftrags - die mit dem Ausschluss einer Eignungsleihe verfolgte Zielsetzung faktisch konterkarieren.
dd) Auch der Umstand, dass die Eignungsleihgeberin der Beigeladenen nicht ebenfalls Herstellerin von Medizinprodukten im Sinne der Verordnung (EU) 2017/745 ist, berührt die Eignung der Beigeladenen nicht. Es fehlt bereits an der Festlegung eines entsprechenden Eignungskriteriums.
Die Antragsgegnerin hat die Anforderung, dass der Bewerber zum berechtigten Personenkreis nach § 140a Abs. 3 Nr. 6 SGB V gehören, also Hersteller von Medizinprodukten im Sinne des Gesetzes über Medizinprodukte sein muss, in der Auftragsbekanntmachung unter Ziffer III.2., Bedingungen für den Auftrag, und nicht als Eignungsanforderung im Sinne des § 122 GWB formuliert. Dementsprechend hat sie in Teilnahmebedingungen, Anlage A0, die Erklärung, Medizinproduktehersteller i.S.d. § 140a Abs. 3 Nr. 6 SGB V und damit berechtigt zu sein, mit einer gesetzlichen Krankenkasse einen Vertrag über besondere Leistungen nach § 140a Abs. 4a SGB V zu schließen, nur vom Bieter selbst gefordert. Dem ist die Beigeladene nachgekommen, die auch unstreitig tatsächlich Herstellerin von Medizinprodukten ist.
Eine auf das Fehlen dieser Eigenschaft bei der Eignungsleihgeberin gestützte Verneinung der Eignung scheitert folglich bereits am Fehlen einer entsprechenden Eignungsanforderung. Nach § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen, wobei sie für den verständigen Bieter auch als Eignungskriterium erkennbar sein müssen, der vorliegend die Anführung unter Ziffer III.2., Bedingungen für den Auftrag, entgegenstand.
Zudem hätte die sozialrechtliche Vertragsbeschränkung in § 140a Abs. 3 Nr. 6, Abs. 4a SGB V gar nicht als Eignungskriterium formuliert werden können. Wie sich aus dem Wortlaut des § 122 Abs. 2 Satz 2 GWB, § 42 Abs. 1 VgV ergibt, darf es sich bei den vom öffentlichen Auftraggeber herangezogenen Eignungskriterien ausschließlich um die in § 122 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 GWB genannten Kriterien handeln, die in §§ 42 ff. VgV weiter konkretisiert werden. Die Kriterien sind abschließend, für ungeschriebene Eignungskriterien, deren Verneinung zum Ausschluss des Bieters führen könnte, ist neben den normierten Ausschlusstatbeständen der §§ 123, 124 GWB kein Raum (Gnittke/Hattig in Müller-Wrede, GWB, § 122 Rn. 21 f.; Hausmann/von Hoff in Röwekamp/ Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 122 Rn. 16). Das gilt auch für das vom Senat in früherer Rechtsprechung als von Bieterunternehmen zu erfüllen geforderte Eignungsmerkmal der "rechtlichen Leistungsfähigkeit" (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 1. Dezember 2015, VII-Verg 20/15, BeckRS 2016, 2948 Rn. 23), für das nach der heutigen Gesetzessystematik über die gesetzlich geregelten Einzelaspekte hinaus kein Anwendungsbereich verbleibt (Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2020, VII-Verg 36/19, NZBau 2020, 732 Rn. 45).
Im Übrigen steht das Fehlen der Medizinprodukteherstellereigenschaft bei der Eignungsleihgeberin dem Vertragsschluss mit der Beigeladenen und dessen Wirksamkeit ohnehin nicht entgegen. § 140a Abs. 3 Satz 1 Nr. 6, Abs. 4a Satz 1 SGB V normiert lediglich eine Anforderung an den Vertragspartner der Antragsgegnerin, dieser muss Hersteller von Medizinprodukten im Sinne der Verordnung (EU) 2017/745 sein.
Dass auch vom Vertragspartner eingebundene Dritte, wie Eignungsleihgeber und/oder Nachunternehmer Hersteller von Medizinprodukten seien müssen, wenn sie wesentliche Teile des Auftrags ausführen sollen, ist weder der Norm selbst noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Die Norm stellt allein auf den Vertragsschluss und damit auf die Person des Vertragspartners ab. Auch der Begründung des Gesetzes für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation vom 9. Dezember 2019, durch dessen Art. 1 Nr. 24 in § 140a SGB V der Absatz 4a eingefügt worden ist, liefert keinen Anhalt dafür, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auch alle in die Vertragsdurchführung involvierten Unternehmen Medizinproduktehersteller sein sollten. Die Regelung nach Abs. 4a Satz 1 zielt primär auf die Schaffung eines Anreizes zur Entwicklung innovativer Angebote und der Nutzung telemedizinischer Dienstleistungen, wobei vertraglich sichergestellt werden soll, dass die diagnostische Feststellung unter ärztlicher Einbindung erfolgt (BT-Drs. 19/13438, S. 61). Mit der Vorgabe, dass der Vertragspartner Medizinproduktehersteller zu sein hat, befasst sich die Begründung nur insoweit, als es sich bei den digitalen Versorgungsprodukten aufgrund des Verweises auf die Regelung des § 140 Absatz 3 Satz 1 Nummer 6 um Medizinprodukte handelt, wobei aber eine inhaltliche Beschränkung auf Medizinprodukte, die zugleich digitale Gesundheitsanwendungen nach § 33a sind, wird nicht vorgenommen wird (BT-Drs. 19/13438, S. 61). Dem kann eine besondere Bedeutung der Eigenschaft als Medizinproduktehersteller für alle Aspekte der Vertragsdurchführung nicht entnommen werden.
c) Die Bewertung des Angebots der Antragstellerin ist nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, die Wertungsentscheidung vergaberechtsfehlerfrei durchgeführt und ihre Entscheidung nunmehr auch transparent begründet.
Gemäß § 127 Abs. 1 GWB wird der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt, wobei Grundlage eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers ist, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt.
aa) Der öffentliche Auftraggeber hat die Bewertung selbst vorzunehmen; die Wertungsentscheidung ist nicht delegierbar, die an ihr beteiligten Personen müssen Vertreter des öffentlichen Auftraggebers sein (Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 44). Diese haben zu prüfen, inwieweit die Angebote die in der Bewertungsmatrix aufgestellte Anforderung erfüllen (Senat, a. a. O. Rn. 48). Welche Anforderungen die Bewertungsmatrix aufstellt, ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 - Stadtbahnprogramm Gera; Senatsbeschluss vom 18. September 2019, VII-Verg 10/19; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18. Juli 2017, 11 Verg 7/17, BeckRS 2017, 121590 Rn. 59). Dabei ist im Rahmen einer normativen Auslegung auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 - Stadtbahnprogramm Gera). Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe erforderliche Fachwissen verfügt (Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2017, VII-Verg 19/17, NZBau 2018, 242 Rn. 41 - Lkw-Mautsystem III; Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 49).
Bei der Bewertung kommt dem öffentlichen Auftraggeber systemimmanent ein Beurteilungsspielraum zu (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 53 - Postdienstleistungen; Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 46). Es handelt sich um eine individuelle Wertungsentscheidung (Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 46), die naturgemäß immer eine subjektive Note hat, da sie auf dem Hintergrund und auf der Erfahrung der betreffenden Persönlichkeit beruht (OLG München, Beschluss vom 25. September 2014, Verg 9/14, ZfBR 2015, 195, 198).
Diese muss allerdings in sich und in Relation zu den übrigen Angebotennachvollziehbar sein. Es muss klar sein, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Bewertung eingegangen sind. Der Auftraggeber ist daher verpflichtet, die Gründe für seine Auswahlentscheidung eingehend zu dokumentieren (§ 8 Abs. 1 Satz 2 VgV). Die Bewertungsentscheidungen ist daraufhin überprüfbar, ob die jeweilige Bewertung im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 53 - Postdienstleistungen). Es muss nachvollziehbar sein, weshalb ein Mitbewerber besser bewertet wurde (OLG Düsseldorf, 2. Kartellsenat, Beschluss vom 13. Juni 2018, 2 U 7/16, BeckRS 2018, 15885 Rn. 104); die Wertungen müssen im Quervergleich mit den besser bewerteten Angeboten stimmig sein (Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 44), insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 53 - Postdienstleistungen). Dabei dürfen aber im Interesse der Handhabbarkeit keine allzu hohen Anforderungen an die Bewertungsbegründung gestellt werden, eine Nachvollziehbarkeit genügt.
bb) Diesen Anforderungen wird die im Nachgang zum Hinweis der Vergabekammer im ersten Nachprüfungsverfahren überarbeitete und in Umsetzung der Entscheidung der Vergabekammer im Parallelverfahren der drittplatzierten Bieterin neu dokumentierte als Anlagenkonvolut BG 2 vorgelegte Bewertung durch ein Bewertungsteam aus drei Mitarbeiterinnen der Antragsgegnerin gerecht.
Die Bewertungsmatrix sieht eine Bewertung anhand der in der Leistungsbeschreibung zu den jeweiligen Kriterien formulierten Anforderungen vor, wobei ein diese voll erfüllendes Angebot mit 4 Punkten zu bewerten ist. Die Höchstpunktzahl von 6 Punkten ist hingegen Angeboten vorbehalten, die hierüberhinaus die Anforderungen in besonderem Maße erfüllen. Dabei können sich die vergebenen Punkte auch im Vergleich mit den anderen Anbietern ergeben. Jedem Kriterium ist über einen Prozentwert ein bestimmtes Gewicht zugewiesen. Die Prozentangaben addieren sich zu 60 Prozent, entsprechend 60 Punkten. Die verbleibenden 40 Prozent entfallen auf den Preis, wobei der Bieter mit dem niedrigsten Preis die vollen 40 Punkte enthält und die anderen Bieter im Verhältnis ihres Preises zu diesem entsprechend weniger (sogenannte "einfachen linearen Methode", vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 53 - Postdienstleistungen).
Dabei muss nicht jedes "Mehr" gegenüber den in der Leistungsbeschreibung formulierten Anforderungen notwendiger Weise zu einer Bewertung mit der Höchstpunktzahl von 6 Punkten führen. Die Antragsgegnerin kann die Höchstpunktzahl erheblichen, das Angebot im jeweiligen Kriterium deutlich über das geforderte Maß hinaushebenden zusätzlichen Leistungen vorbehalten, wenn sie diesen strengen Maßstab gegenüber allen Bietern gleichermaßen walten lässt.
Vorliegend hat die Antragsgegnerin bei ihrer Bewertungspraxis einen solchen strengen Maßstab angewandt.
Die Antragsgegnerin war bei der Vergabe der Höchstpunktzahl durchgehend sehr zurückhaltend und hat diese bei - einschließlich der Präsentation - 19 Kriterien und damit bei drei Bietern 57 Einzelbewertungen gerade einmal acht Mal vergeben. Dabei lag allen Vergaben von 6 Punkten jeweils eine erhebliche Mehrleistung zugrunde.
Im Rahmen einer solchen strengen Bewertungspraxis ist es auch sachgerecht, Mehrleistungen, denen Bedeutung für verschiedene Kriterien zukommt, allein bei dem Kriterium zu berücksichtigen, für das sie die größte Bedeutung haben. Ausgehend hiervon ist die Bewertung des Angebots der Antragstellerin nicht zu beanstanden.
(1) So ist einsichtig, dass Zusatzleistungen wie die von der Antragstellerin über das in der Leistungsbeschreibung geforderte Geräteausstattung hinaus angebotene telemedizinisches Blutdruckmessgerät und das telemedizinisches Pulsoximeter allein im Kriterium 2.3, Telemonitoring, zu berücksichtigen, wo diese Geräte zur Erreichung der der Höchstpunktzahl geführt haben. Bei einer Berücksichtigung auch bei den Kriterien 2.4., Interventionsfall, und 6.1., Telemetriegeräte, würden zwei zusätzliche Geräte im Vergleich zu den Mitbietern vor dem Hintergrund der dann zu kumulierenden Leistungsanforderungen der drei Kriterien jedenfalls bei Anwendung eines strengen Maßstabs kein solches "Mehr" darstellen, als dass eine Vergabe von mehr 4 Punkten zu rechtfertigen wäre.
(2) Gleiches gilt für die Berücksichtigung der langjährigen Erprobung der Mitarbeiter der Antragstellerin allein im Kriterium 4, Personal, wo sie ebenfalls zur Bewertung mit 6 Punkten geführt haben. Eine zur Höchstpunktzahl führende Berücksichtigung auch im Kriterium 2.5., Coaching und Schulung, liefe auf eine Benachteiligung der ebenfalls streng bewerteten Mitbieter hinaus.
(3) Die Antragsgegnerin hat die Anforderungen im Kriterium 1.1, Einschreibung Versicherte, für voll erfüllt angesehen und dementsprechend mit 4 Punkten bewertet. Das ist unter Berücksichtigung der Leistungsbeschreibung Anlage B 2, Abschnitt II, nachvollziehbar und vom Bewertungsspielraum gedeckt.
Für die von der Antragstellerin vermisste Bewertung der Erfahrung ihres Akquisepersonals gilt das zuvor zur Berücksichtigung beim Personal Ausgeführte. Dass die Antragsgegnerin die Einbindung des Praxispersonals vor Ort als für das Kriterium nur am Rande relevant und beim Kriterium 3.1., Einbindung Leistungserbringer, berücksichtigt hat, ist sachgerecht und deckt sich mit dem Vorgehen bei der Bewertung der Angebote der Mitbieter. Ein Grund für eine zwingende Bewertung mit 6 Punkten ist auch im Übrigen im Vergleich mit den Mitbietern nicht ersichtlich.
(4) Die Antragsgegnerin hat die Anforderungen im Kriterium 2.1, Aufnahmegespräch, für voll erfüllt angesehen und dementsprechend mit 4 Punkten bewertet. Auch dies ist unter Berücksichtigung der Leistungsbeschreibung Anlage B 2, Abschnitt II, nachvollziehbar und vom Bewertungsspielraum gedeckt. Soweit die Antragstellerin die von ihr vorgeschlagene Übermittlung des ärztlichen Kooperationsvertrages durch den Teilnehmer als Schwäche beanstandet, entspricht dies der Vertragslage; nach § 4 Abs. 2 des Vertrages ist es Sache des Vertragspartners mit Einverständnis des versicherten Teilnehmers den behandelnden Arzt zu kontaktieren. Es ist allein Sache des öffentlichen Auftraggebers, die von ihm ausgeschriebene Leistung zu definieren und dabei im Interesse der sensiblen Arzt-/Patientenbeziehung auf bestimmte Akquiseformen zu verzichten.
Dabei zeigt gerade der Vergleich mit dem hier mit 6 Punkten bewerteten Mitbieter [...], weshalb eine Bewertung des Angebots der Antragstellerin mit 6 Punkten nicht veranlasst war. So sieht dessen Angebot eine Ermittlung der digitalen Affinität bei allen Teilnehmern in Vorbereitung einer eher digitalen oder eher printbasierten Gestaltung des Verfahrensablaufs und die Eruierung des Kenntnisstands des Teilnehmers hinsichtlich seiner eigenen Erkrankung vor.
(5) Die Antragsgegnerin hat die Anforderungen im Kriterium 8., Persönliche Präsentation der Angebotsunterlagen, für voll erfüllt angesehen und dementsprechend mit 4 Punkten bewertet. Auch dies ist unter Berücksichtigung der hierfür formulierten Anforderung einer vollständig sicheren, verständlichen und konsistenten Vorstellung der geplanten Vorgehensweise, der Berücksichtigung der Anforderungen und der kompetenten Beantwortung der Fragen der Auftraggeberin nachvollziehbar und vom Bewertungsspielraum gedeckt. Soweit die Antragstellerin hier die Berücksichtigung der von ihr angeboten Zusatzgeräte vermisst, kann auf die vorstehenden Ausführungen zu (1) verwiesen werden. Generell stellt die Präsentation bereits bei den Kriterien berücksichtigter Mehrleistungen kein über die in der Anforderung geforderte Präsentation der geplanten eigenen Vorgehensweise hinausgehendes "Mehr" der Präsentation dar. Gleiches gilt für die kompetente Beantwortung aller Fragen. Ein Grund für eine zwingende Bewertung mit 6 Punkten ist auch im Vergleich mit den Mitbietern nicht ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 175 Abs. 2 i.V.m. § 71 GWB. Demnach trägt die Antragstellerin die Kosten ihres unbegründeten Rechtsmittels, wobei es der Billigkeit entspricht, ihr auch die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendigen Auslagen der Beigeladenen aufzuerlegen.
Eines gesonderten Ausspruchs über die Kosten des Verfahrens nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB bedarf es nicht, diese sind Teil der Kosten des Beschwerdeverfahrens; über sie muss nur dann gesondert entschieden werden, wenn der Antrag nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB trotz Obsiegens in der Hauptsache erfolglos bleibt (Senatsbeschluss vom 1. August 2012, VII-Verg 15/12, BeckRS 2012, 18543).
Die Entscheidung über die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Demnach beträgt der Gegenstandswert fünf Prozent des Bruttoauftragswerts des Angebots der Antragstellerin (Senatsbeschluss vom 10. Februar 2021, VII-Verg 22/20, BeckRS 2021, 8801 Rn. 56) bezogen auf die vierjährige Vertragslaufzeit, wobei die Option der Vertragsverlängerung um insgesamt zwei Jahre mit der Hälfte zusätzlich zu berücksichtigen ist (Senatsbeschluss vom 29. Mai 2020, VII-Verg 26/19, BeckRS 2020, 47402 Rn. 68). Bei Verträgen mit fester Laufzeit ist für eine entsprechende Anwendung der für die Wertschätzung des öffentlichen Auftraggebers in § 3 Abs. 11 Nr. 2 VgV vorgesehenen Begrenzung auf das 48-fache des Monatswerts kein Raum (BGH, Beschluss vom 18. März 2014, X ZB 12/13, BeckRS 2014, 8155 Rn. 9).
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