OLG Karlsruhe
Beschluss
vom 18.08.2023
15 Verg 4/23
1. Auch ein negativer Preis ist ein Preis, der grundsätzlich zulässig ist.
2. Der Auftraggeber kann den Ausschluss eines Angebots mit negativen Preisen nicht darauf stützen, dass er in der Ausschreibung die HVA B-StB EU-Teilnahmebedingungen 8 - 19 zum Gegenstand der Vergabeunterlagen gemacht und damit bestimmt hat, dass Hauptangebote mit negativen Einheitspreisen von der Wertung ausgeschlossen werden, soweit negative Einheitspreise nicht ausdrücklich zugelassen sind.
3. Ein fachkundiger Durchschnittsbieter mit üblichen Vergaberechtskenntnissen muss nicht erkennen, dass das Verbot negativer Preis einen Vergaberechtsverstoß darstellt.
In Sachen
(
)
hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - Vergabesenat - durch Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht
, Richterin am Oberlandesgericht
und Richter am Oberlandesgericht
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2023
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der Vergabekammer Baden-Württemberg vom 5. Mai 2023 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren.
Die Beigeladene behält ihre Kosten auf sich.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 80.000 festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin beanstandet den Ausschluss ihres Angebots.
Der Antragsgegner schrieb den zweiten Bauabschnitt des Neubaus der Ortsumfahrung aus. Gegenstand der Vergabeunterlagen sind die HVA B-StB EU-Teilnahmebedingungen 8-19, die u. a. vorgeben, dass Hauptangebote mit negativen Einheitspreisen von der Wertung ausgeschlossen werden, soweit negative Einheitspreise nicht ausdrücklich für bestimmte Positionen in der Leistungsbeschreibung zugelassen sind. Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis.
Die Antragstellerin gab ein Angebot ab. Für die Leistungsposition 2.2.2, grobkörnigen Boden liefern, profilgerecht einbauen und verdichten, hat die Antragstellerin einen negativen Preis eingesetzt.
Der Antragsgegner schloss das Angebot der Antragstellerin mit der Begründung aus, dass es nicht zugelassene negative Einheitspreise enthalte, und teilte des Weiteren mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
Die Antragstellerin rügte den Ausschluss ihres Angebots. Das Angebot könne nicht ausgeschlossen werden, da das Verbot negativer Preise rechtswidrig sei, was sie, die Antragstellerin, erst durch ihren Verfahrensbevollmächtigten nach Ausschluss ihres Angebots erfahren habe. Sie habe einen negativen Preis kalkuliert, weil sie genau den einzubauenden Boden aus einer anderen Baumaßnahme, bei der ihr für die Verwertung eine Vergütung bezahlt werde, einsetzen könne. Der Antragsgegner berief sich darauf berufen, dass die Rüge präkludiert sei. Aufgrund einer Bieterfrage zu negativen Preisen im Vergabeverfahren zum ersten Bauabschnitt, an dem sich die Antragstellerin auch beteiligt gehabt habe, habe diese Kenntnis von der Problematik gehabt. Davon abgesehen habe sie negative Preise verbieten dürfen. Die rechtzeitige Anlieferung des Bodens sei für den Abschluss der Bauarbeiten bis spätestens Ende November 2023 essentiell. Um einer Verzögerung der Baumaßnahme vorzubeugen, sei es erforderlich, die Verwendung von Austauschmaterialien auszuschließen, die möglicherweise nicht zum erforderlichen Zeitpunkt aus anderen Baumaßnahmen beschafft werden könnten. Im Übrigen sei der von der Antragstellerin angebotene Preis unauskömmlich. Der berücksichtigte Arbeitseinsatz sei wesentlich zu gering bemessen, während der gegenzurechnende Tonnagepreis für das Einbaumaterial überproportional zum Negativpreis beitrage, wodurch eine unzulässige Mischkalkulation vorliege und das Angebot auch aus diesem Grund auszuschließen sei.
Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat die Vergabekammer das Vergabeverfahren in den Stand vor Ablauf der Angebotsfrist versetzt. Dem Antrag, den Antragsgegner anzuweisen, eine neue Angebotswertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen, ist die Vergabekammer nicht gefolgt.
Die Antragstellerin sei ihrer Rügeobliegenheit nachgekommen. Sie habe nicht bereits aus den Vergabeunterlagen einen Verstoß gegen Vergabevorschriften erkennen können. Der Antragsgegner habe nicht vorgetragen, dass in der Branche der Antragstellerin Kenntnisse über ein Verbot negativer Preise üblich sei. Der Umstand, dass die Antragstellerin bereits mehrfach sich an Vergabeverfahren beteiligt gehabt habe, besage nicht, dass das Verbot negativer Einheitspreise einen Vergaberechtsverstoß darstellen könne. Der Ausschluss des Angebots verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. Das Verbot, Angebote mit negativen Einheitspreisen einzureichen, sei unzulässig. Diese Form der Festlegung von Mindestpreisen schränke die Kalkulationsfreiheit der Bieter unrechtmäßig ein. Das Angebot eines negativen Preises sei auch kein in den Vorschriften benannter Ausschließungsgrund.
Mit seiner sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsgegner die vollständige Zurückweisung des Nachprüfungsantrags weiter. Die Antragstellerin sei mit ihrer Rüge präkludiert. Einen möglichen Vergabeverstoß hätte die Antragstellerin erkennen können. Sie hätte nicht erst nach Angebotsabgabe eine Internetrecherche zu negativen Einheitspreisen durchführen dürfen, sondern hätte die Recherche vor Angebotsabgabe durchführen können und müssen. Zu berücksichtigen sei ebenso, dass die Antragstellerin aus dem vorangegangenen Vergabeverfahren für den ersten Bauabschnitt, an dem sie sich beteiligt gehabt habe, positive Kenntnisse vom Verbot, keine negativen Einheitspreise ohne ausdrückliche Zulassung zu unterbreiten, aufgrund der dort verwendeten gleichen Teilnahmebedingungen gehabt habe. In dem bereits abgeschlossenen Ausschreibungsverfahren sei der Ansatz negativer Einheitspreise nur deshalb möglich gewesen, weil dies von ihm nachträglich aufgrund einer Bieteranfrage gestattet worden sei. Der Ausschluss negativer Preise sei auch gerechtfertigt. Der geeignete Boden müsse rechtzeitig zum Zeitpunkt des Bodeneinbaus zur Verfügung stehen. Wenn unter Umständen kein geeigneter eigener Boden zur Verfügung stehe, der den negativen Einheitspreis rechtfertigen könnte, müsse geeigneter Boden neu bzw. von dritter Seite für ein erhebliches Entgelt beschafft werden. Dieser Umstand würde einen Nachtrag für eine Zusatzvergütung rechtfertigen. Außerdem sei der Preis unauskömmlich. Insoweit liege eine unzulässige Mischkalkulation vor, die einen Ausschluss des Angebots der Antragstellerin ebenso rechtfertige.
Der Antragsgegner beantragt,
die Entscheidung der Vergabekammer vom 05.05.2023 aufzuheben und den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Die Beigeladene unterstützt die Beschwerde des Antragsgegners und beantragt ebenso,
den Beschluss der Vergabekammer aufzuheben und die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.
Sie verteidigt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die Entscheidung der Vergabekammer.
II.
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, hat aber keinen Erfolg.
Zu Recht hat die Vergabekammer entschieden, dass das Verfahren in den Stand vor Ablauf der Angebotsfrist zurückzuversetzen ist.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
Die Antragstellerin rügt den Ausschluss ihres Angebots. Die Rüge wurde gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB innerhalb einer Frist von zehn Tagen und damit rechtzeitig erhoben. Die Entscheidung über den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin gab der Antragsgegner dieser durch Schreiben vom 20.3.2023 bekannt. Schon zwei Tage später, durch Schreiben vom 23.3.2023, rügte die Antragstellerin, dass ihr Angebot nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden kann, dass sie einen negativen Preis bei der Leistungsposition 2.2.2 einsetzte.
Der Nachprüfungsantrag ist gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB innerhalb von 15 Kalendertagen gestellt worden. Nach Zurückweisung der Rüge am 28.3.2023 ging der Nachprüfungsantrag am 31.3.2023 bei der Vergabekammer ein.
2. Zu Recht hat die Vergabekammer entschieden, dass der Nachprüfungsantrag Erfolg hat und das Vergabeverfahren zurückzuversetzen ist.
a) Die Entscheidung des Antragsgegners, das Angebot der Antragstellerin gemäß §§ 16 EU Nr. 3, 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A auszuschließen, weil die Antragstellerin bei der Position 2.2.2 des Leistungsverzeichnisses einen negativen Preis angegeben hat, findet in den genannten Vorschriften keine Grundlage.
Nach den genannten Vorschriften sind Angebote auszuschließen, die nicht die geforderten Preise enthalten. Das Angebot der Antragstellerin enthält aber den geforderten Preis.
aa) Auch ein negativer Preis ist ein Preis (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.12.2010 - Verg 33/10 -; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8.6.2011 - Verg 11/11 -; vgl. auch BGH, Beschluss vom 1.2.2005 - X ZB 27/04), der grundsätzlich zulässig ist (vgl. auch Lausen in: Beckscher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., 13 VOB/A - EU Rn. 35; Planker in Kapellmann/ Messerschmidt, VOB-Kommentar, 8. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 16).
bb) Der von der Antragstellerin in der Leistungsposition 2.2.2 eingesetzte negative Preis ist ein geforderter Preis. Der Antragsgegner kann der Antragstellerin nicht vorwerfen, einen unzutreffenden Preis angegeben zu haben. Die Angabe trifft vielmehr zu. Der angegebene negative Einheitspreis entspricht nämlich vollständig der von der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren vorgelegten Urkalkulation (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8.6.2011 - Verg 11/11 -), in der für die Lieferung des grobkörnigen Bodens ein negativer Preis berücksichtigt ist. Die Antragstellerin hat im Nachprüfungsverfahren vorgetragen, dass es ihr möglich gewesen ist, einen negativen Preis für den Boden anzusetzen, weil ihr der Boden im Rahmen eines anderen Bauvorhabens zur Verwertung überlassen wird und sie für die Verwertung eine Vergütung erhält. Dadurch, dass sie diese Vergütung oder einen Teil davon an den Antragsgegner weiterreicht und der Preis der genannten Leistungsposition dadurch negativ wird, hält sie sich im Rahmen einer möglichen Kalkulation.
b) Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin ist nicht dadurch gerechtfertigt, dass der Antragsgegner in der Ausschreibung die HVA B-StB EU-Teilnahmebedingungen 8-19 zum Gegenstand der Vergabeunterlagen gemacht hat und damit bestimmt hat, dass Hauptangebote mit negativen Einheitspreisen von der Wertung ausgeschlossen werden, soweit negative Einheitspreise nicht ausdrücklich zugelassen sind.
Ein Angebotsausschluss gemäß §§ 16 EU Nr. 3, 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A ist nur dann möglich und hat dann zu erfolgen, wenn das Angebot nicht den geforderten Preis enthält. Der von der Antragstellerin angebotene negative Preis ist aber der geforderte Preis, wie unter a) ausgeführt worden ist. Die Vorgabe des Antragsgegners, dass keine negativen Preise angeboten werden dürfen, ist unwirksam.
Eine Bestimmung, dass ein Auftraggeber, soweit nicht gesetzliche Regeln zu berücksichtigen sind, den Preis für die von ihm durch eine Leistungsposition näher beschriebene Teilleistung vorgeben kann, ist den Vergaberechtsvorschriften nicht zu entnehmen. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A verlangt lediglich die Angabe korrekter Preise, weshalb zu erwarten ist, dass der Bieter zutreffend kalkuliert, also bei der Kalkulation sämtliche Leistungen berücksichtigt, die zu der betreffenden Leistungsposition gehören. Ein Auftraggeber kann für die näher beschriebenen Leistungen demnach grundsätzlich keine Mindestpreise festsetzen und einen Bieter auch nicht zwingen, bestimmte Gewinnspannen einzurechnen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.12.2010 - Verg 33/10 -). Erhält der Auftragnehmer bei der Durchführung der Arbeiten vermögenswerte Güter, kann und darf der Bieter dies bei seiner Kalkulation berücksichtigen, was zu negativen Preisen führen kann (vgl. BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O. Rn. 29). Ebenso kann ein Bieter den Auftraggeber an von Lieferanten gewährten Gutschriften partizipieren lassen (vgl. Dicks in Röwekamp/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 56 Rn. 64). Rechts- und Interessenlage sind gleich, wenn der Bieter bei den ausgeschriebenen Arbeiten Material einbauen will, das ihm zur Verwertung überlassen worden ist, er für die Verwertung ein Entgelt erhält und er dieses Entgelt oder einen Teil davon an den Auftraggeber weiterreicht. Der Umstand, dass das zu verwertende Material nicht im Rahmen desselben Leistungsverhältnisses anfällt, ist für die Zulässigkeit des Angebots eines negativen Preises unerheblich.
Ein Verbot negativer Einheitspreise kann nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass eine vertragsgerechte Leistung und fristgerechte Fertigstellung sichergestellt werden sollen. Die Frage, ob es aufgrund der Art des ausgeschriebenen Vertrags nach dessen Abschluss zu Preisänderungen kommen kann, ist zu unterscheiden von der Frage, welchem Angebot der Zuschlag gebührt; qualitativ unterschiedliche Angebote sind auf angemessene Weise vergleichbar zu machen, beispielsweise dadurch, dass der Preis nicht alleiniges Vergabekriterium ist (vgl. BGH, Urteil vom 1.8.2006 - X ZR 115/04 -).
Abgesehen davon, dass ein Auftraggeber, wie ausgeführt worden ist, dem Bieter grundsätzlich bestimmte Preise nicht vorgeben und negative Preise nicht verbieten kann, könnte ein Zeitdruck, unter dem der Antragsgegner steht, das Verbot negativer Preise nicht rechtfertigen. Das Verbot wäre nicht erforderlich, um sicherstellen, dass der einzubauende Boden rechtzeitig geliefert und eingebaut wird. Soweit sich nicht die vom Auftragnehmer zu erbringende Leistung durch von ihm nicht zu verantwortende Bauzeitverschiebung oder Weisungen des Auftraggebers ändert, müsste er, sollte ihm das zu verwertende Bodenmaterial nicht rechtzeitig überlassen werden, das Material anderweitig besorgen, um seine vertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß zu erfüllen. Wie er das Material beschafft und wie er den Preis kalkuliert, ist seine Sache; er trägt das Risiko einer auskömmlichen Kalkulation (vgl. BGH, Urteil vom 10.9.2009 - VII ZR 152/08 -). Er ist an den von ihm angebotenen und vom Auftragnehmer angenommenen Preis gebunden (vgl. § 2 Abs. 1 VOB/B). Das Interesse des Auftraggebers an einwandfreier Ausführung und Haftung für die Gewährleistungsansprüche wird grundsätzlich nicht dadurch gefährdet, dass bestimmte Einzelpositionen "zu billig" angeboten werden, sondern dadurch, dass der Auftragnehmer infolge eines zu geringen Gesamtpreises in Schwierigkeiten gerät (vgl. BGH, Urteil vom 19.6.2018 - X ZR 100/16 -). Lediglich soweit der Auftraggeber zu verantworten hat, dass die Leistung nicht entsprechend den vertraglich festgelegten Bedingungen erfolgen kann, durch Änderungen der Menge, Planänderungen oder Bauzeitverschiebung beispielsweise durch ein Vergabenachprüfungsverfahren - die Bauarbeiten hatten den Vergabebedingungen nach spätestens am 2.5.2023 zu beginnen, die Unterrichtung der Bieter erfolgte (nach Ende der Angebotsfrist am 6.3.2023) am 20. bzw. 21.3.2023, ein Vergabenachprüfungsverfahren hatte der Auftraggeber demnach nicht berücksichtigt, hat der Auftragnehmer eventuell einen Anspruch auf Preisanpassung (vgl. § 2 Abs. 5 VOB/B). Dadurch wird der Auftraggeber unter Umständen mit in dem ursprünglichen Vertragspreis nicht enthaltenen Mehrkosten belastet. Das ist aber nicht unbillig. Denn ein Vergleich mit dem ursprünglichen Preis ist in diesem Zusammenhang nicht maßgebend. Eine Bauausführung zu dem vorgesehenen Termin war nicht möglich, was auf der Entscheidung des Gesetzgebers zur Eröffnung eines Vergabenachprüfungsverfahrens beruht. Der Auftraggeber wird im Grundsatz durch die Belastung mit den Mehrkosten nicht unangemessen benachteiligt, weil er auch bei einer zeitnah zur tatsächlichen Ausführung erfolgten Ausschreibung diese Kosten in der Regel in ähnlicher Weise zu tragen gehabt hätte (BGH, Urteil vom 11.5.2009 - VII ZR 11/08 -). Dadurch, dass die Mehrvergütung ausschließlich mit dem Vertragspartner unter Ausschluss des Wettbewerbs vereinbart wird, kann zwar die Situation entstehen, dass der Auftraggeber ex post betrachtet nicht dem wirtschaftlichsten Bieter den Zuschlag erteilt hat. Dass der wirtschaftlichste Bieter sich im Nachhinein nicht als solcher erweist, ist aber nichts Außergewöhnliches. Vielmehr ist es bei einem Bauvertrag häufig so, dass sich im Verlauf der Durchführung der Arbeiten Änderungen ergeben, die auch zu Preisänderungen führen. Es ist nie ausgeschlossen, dass sich im Endergebnis im Gegensatz zum Zeitpunkt des Zuschlags der Auftragnehmer nicht mehr als der Wirtschaftlichste herausstellt. Die damit verbundene Einschränkung des Wettbewerbs ist unvermeidbar. Sie ließe sich in Fällen der vorliegenden Art nur verhindern, indem man bei jeder eingetretenen Verzögerung den Wettbewerb neu eröffnete. Dadurch würde aber der bisher wirtschaftlichste Bieter benachteiligt, weil alle anderen Bieter jetzt in Kenntnis seines Angebots neu bieten könnten; zum anderen eröffnete dies die bereits dargestellte Gefahr einer endlosen Schleife von Vergabeverfahren, die nie durch einen Vertragsschluss beendet werden könnte (vgl. BGH a.a.O.). Dies gilt unabhängig von dem Ausmaß der Änderungen der Grundlagen des Preises (vgl. BGH a.a.O.). Die Verzögerung des Vergabeverfahrens darf nicht zu Lasten des Bieters gehen, der sich im Wettbewerb durchgesetzt hat. Die Einrichtung des Vergaberechtsschutzes nach dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen soll die Rechtsstellung der Bieter gegenüber den Auftraggebern stärken, nicht schwächen (vgl. BGH a.a.O.)
c) Die Antragstellerin ist nicht gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB daran gehindert, die Unwirksamkeit des Verbots, negative Preise anzugeben, im Rahmen der Rüge des Angebotsausschlusses geltend zu machen.
aa) Zwar kann sich ein Bieter auf einen (angeblichen) Verstoß gegen Vergabevorschriften, den er nicht rechtzeitig gerügt hat, in einem Nachprüfungsverfahren auch dann nicht mehr berufen, wenn sich der Verstoß, der Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist, gleichsam als Fortsetzung des früheren Verstoßes darstellt (vgl. Summa in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 160 GWB Rn. 383 ff.; Wiese in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, § 160 GWB, 5. Aufl., § 160 Rn. 97; jeweils mwN). Der Antragstellerin ist aber kein Verstoß gegen eine Obliegenheit vorzuwerfen, vor Abgabe des Angebots zu rügen, dass das Verbot des Angebots negativer Preise unwirksam ist. Sie hätte es gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB lediglich dann rügen müssen, wenn sie vor Angebotsabgabe den Verstoß aus den Vergabeunterlagen erkannte oder hätte erkennen können und müssen. Es lässt sich aber nicht feststellen, dass die Antragstellerin vor der Entscheidung des Antragsgegners, ihr Angebot auszuschließen, Kenntnis von der Unwirksamkeit hatte, negative Preise auszuschließen, oder Kenntnis hätte haben müssen.
bb) Die Antragstellerin hat unwiderlegt vorgetragen, dass sie erst nach Erklärung des Angebotsausschlusses durch den Antragsgegner durch ihren Verfahrensbevollmächtigten bzw. aufgrund einer Internetrecherche von der Unwirksamkeit des Verbots, negative Preise anzugeben, Kenntnis erlangte.
cc) Der Antragstellerin kann auch nicht vorgeworfen werden, sie hätte nach Lektüre der Vergabeunterlagen erkennen können und müssen, dass das Verbot, negative Preise anzugeben, vergaberechtswidrig ist.
Für die Erkennbarkeit maßgeblich ist, ob Verstöße gegen Vergabevorschriften von einem fachkundigen Durchschnittsbieter bei üblicher Sorgfalt und den üblichen Kenntnissen erkannt werden können, wie die Vergabekammer zutreffend ausgeführt hat; auf die Erkennbarkeit durch den Antragsteller selbst kommt es nicht an. Die Erkennbarkeit hat sich sowohl auf die tatsächliche Grundlage als auch auf die rechtliche Beurteilung zu beziehen. Für die Möglichkeit der rechtlichen Beurteilung sind vom Durchschnittsbieter insbesondere die Kenntnis der Vergabevorschriften und der wichtigsten Regeln des Vergaberechts zu verlangen, jedoch keine Kenntnis der Literatur und keine umfassende Kenntnis der Rechtsprechung (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. auch OLG Naumburg, Beschluss vom 16.11.2016 - 7 Verg 6/16 -; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 23.6.2016 - 11 Verg 4/15 -; OLG Celle, Beschluss vom 127.2.2020 - 13 Verg 5/19 -). Ebenso wenig sind Ermittlungen durch rechtliche Recherchen oder die Einschaltung eines Rechtsbeistands gefordert (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. bspw. Beschluss vom 29.1.2021 - 15 Verg 12/20). Dies umfasst auch Recherchen im Internet. Zwar ist dieses für Bieter leicht zugänglich. Auch können in Einzelfällen sehr schnell Ausführungen zum gesuchten Rechtsproblem gefunden werden, was allerdings voraussetzt, dass das Problem als solches erkannt wurde. Es ist aber nicht in allen Fällen möglich, schnell Antworten auf eine rechtliche Fragestellung zu finden. Dies hängt auch von der Wahl der zutreffenden Suchbegriffeingabe ab. Insbesondere kann der Durchschnittsbieter nicht sicher sein, ob die von ihm gefundenen und gewählten Angaben im Internet aktuell und zuverlässig sind. Dafür ist er wiederum auf die Beratung durch einen Rechtsbeistand angewiesen, den er aber grundsätzlich für seine Erkenntnismöglichkeiten nicht in Anspruch nehmen muss.
Nach diesem Maßstab war der Vergabeverstoß für die Antragstellerin nicht erkennbar.
Die Antragstellerin räumt ein, dass das Verbot, negative Preise anzubieten, bei der - gebotenen sorgfältigen - Lektüre der Vergabeunterlagen auffiel. Sie habe das Verbot lediglich versehentlich nicht beachtet, weil sie sich bei der Kalkulation an ihrem Angebot für einen zuvor ausgeschriebenen anderen Bauabschnitt der Ortsumfahrung orientiert habe, in dem negative Preise zugelassen waren. Allein aus dem in den Vergabeunterlagen ausgesprochenen Verbot, negative Preise anzugeben, kann aber nicht dessen rechtliche Unzulässigkeit gefolgert werden. Das Verbot ergibt sich nicht unmittelbar aus den vergaberechtlichen Vorschriften. Ebenso wenig bot der Umstand, dass Straßenbauarbeiten regelmäßig unter Einbeziehung der HVA B-StB EU-Teilnahmebedingungen ausgeschrieben werden, einen ausreichenden Hinweis auf einen Vergabeverstoß. Die regelmäßige Verwendung hat nicht dazu geführt, dass das Verbot, negative Angebotspreise auszuschließen, allgemein bekannt geworden ist oder zu umfangreichen Diskussionen in der nichtjuristischen Fachliteratur geführt hat. Jedenfalls haben die Beteiligten dies nicht dargelegt, wie schon die Vergabekammer ausgeführt hat. Entscheidungen zum Verbot sind auch vereinzelt geblieben und werden nicht in sämtlicher Kommentarliteratur ausgebreitet.
Ein eventueller Vergabeverstoß wurde auch nicht dadurch indiziert, dass im genannten vorangegangenen Vergabeverfahren negative Preise zugelassen wurden. Der Antragsgegner führte auf eine Bieteranfrage lediglich aus:
"
für die Position 02.02.0006 - Baustoff liefern und Einbau - lassen wir einen negativen Einheitspreis zu".
Nicht erkenntlich wird dadurch, dass der Antragsgegner einen negativen Preis möglicherweise deshalb zuließ, weil er das Verbot für rechtswidrig hielt. Einen Verstoß gegen Vergabevorschriften stellt er auch im aktuellen Nachprüfungsverfahren in Abrede. Aus der Bieteranfrage lässt sich ebenso wenig erkennen, dass der anfragende Bieter die Vorschrift für rechtswidrig hielt. Der Bieter begehrte lediglich Klarheit und führte aus:
"
für die Kalkulation unseres Angebots zu ihrem o. g. Bauvorhaben benötigen und erwarten wir ihre eindeutige und verbindliche Angabe, ob in Position 2.2.6 - Baustoff liefern und einbauen - ein EP von 0,00/m3 bzw. ggf. ein negativer EP zugelassen ist oder zum Ausschluss des Angebots im Zuge ihrer Prüfung und Wertung führt?"
d) Der Ausschluss des Angebots verletzte somit die Antragstellerin in ihren Rechten gemäß § 97 GWB.
aa) Eine Rechtsverletzung mit der Folge einer Schadensentstehung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil auf das Angebot der Antragstellerin wegen "Unauskömmlichkeit" gemäß § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A der Zuschlag nicht erteilt werden dürfte.
Für die Prüfung, ob ein Preis unangemessen niedrig ist, ist der Gesamtpreis maßgebend. Der Antragsgegner hat nicht dargelegt, dass der Gesamtpreis unangemessen niedrig ist. Er bezieht sich lediglich auf den negativen Einheitspreis für einzubauendes Bodenmaterial in Leistungsposition 2.2.2. Den negativen Einheitspreis hat die Antragstellerin aber damit erklärt, dass sie für die Verwertung des Bodenmaterials von dritter Seite eine Vergütung erhält.
Der Verdacht eines unangemessen niedrigen Preises kann sich auch nicht aus dem Abstand zum zweitniedrigsten Gebot ableiten. Der Abstand beträgt deutlich weniger als 10 %.
Davon abgesehen wäre es einem Bieter nicht schlechthin verwertet, zu einem Gesamtpreis anzubieten, der lediglich einen Deckungsbeitrag zu den eigenen Fixkosten verspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 19.6.2018 - X ZR 100/16, Rn. 12). Das gleiche gilt, wenn der Bieter lediglich einzelne Positionen unter seinen Kosten anbietet. Maßgeblich ist das Interesse des Auftraggebers an einer einwandfreien Ausführung und Haftung für die Gewährleistungsansprüche; das Interesse wird grundsätzlich nicht dadurch gefährdet, dass bestimmte Einzelpositionen "zu billig angeboten werden", sondern dadurch, dass der Auftragnehmer infolge eines zu geringen Gesamtpreises in Schwierigkeiten gerät, wie oben schon angesprochen. Das Angebot dürfte daher nur dann ausgeschlossen werden, wenn der niedrige Preis nicht zufriedenstellend aufgeklärt werden kann (§ 16 d EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A). Der Antragsgegner hat jedoch nicht die Antragstellerin um Aufklärung gebeten; vielmehr hat diese unaufgefordert und nachvollziehbar im Nachprüfungsverfahren den negativen Einheitspreis und damit den günstigen Gesamtpreis erklärt.
bb) Es lässt sich schließlich nicht feststellen, dass die Antragstellerin den Preis zur Leistungsposition 2.2.2 deswegen nicht korrekt angegeben hat, weil sie den Preis in andere Positionen verschoben hat. Eine Preisverlagerung wird durch eine Angebotsstruktur indiziert, bei der deutlich unter den zu erwartenden Kosten liegende Ansätze bei bestimmten Positionen auffällig hohen Ansätzen bei anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses entsprechen (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 16). Eine derartige Angebotsstruktur hat der Antragsgegner nicht aufgezeigt. Eine Verschiebung kann nicht durch zu gering angesetzte Arbeits- und Maschinenkosten entstehen, da diese Leistungen Teil des Einheitspreises der Leistungsposition 2.2.2 sind. Ebenso wenig hat der Antragsgegner dargelegt, dass die Antragstellerin bei der Kalkulation eventuell erwarten konnte, dass es bei der Auftragsausführung zu Änderungen am Leistungsumfang, insbesondere zu von ihm nicht beachteten Mengenänderungen kommen könnte oder die Antragstellerin sogar damit rechnet, Leistungen überhaupt nicht zu erbringen (vgl. Dicks in Röwekamp/Kus/Marx/Portz/ Prieß, VgV, § 56 Rn. 84 f., 89).
3. Zutreffend hat die Vergabekammer das Verfahren in den Stand vor Angebotsabgabe zurückversetzt. Müsste der Antragsgegner lediglich die Wertung wiederholen, wie die Antragstellerin zunächst beantragt hat, würden die Bieter nicht gleich behandelt, da andere Bieter sich eventuell trotz Unwirksamkeit an das Verbot, negative Preise anzugeben, gehalten haben. Gegen die Rückversetzung in den Stand vor Angebotsabgabe wehrt sich auch keiner der Beteiligten.
III.
Da die sofortige Beschwerde des Antragsgegners aus den Gründen der Entscheidung der Vergabekammer keinen Erfolg hat, entspricht es der Billigkeit, dass er gemäß §§ 175 Abs. 2, 71 GWB die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin trägt.
Die Beigeladene hat ihre Kosten selbst zu tragen, da sie die erfolglose Beschwerde des Antragsgegners unterstützt hat.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt entsprechend § 50 Abs. 2 GKG.
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Auch ein negativer Preis ist ein Preis!
Auch ein negativer Preis ist ein Preis!
Mit dem Hinweis auf die eigene Kalkulation lässt sich eine Rüge n...
Mit dem Hinweis auf die eigene Kalkulation lässt sich eine Rüge nicht begründen!
Fundstelle: IBR 2023, 526
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OLG Frankfurt
Beschluss
vom 20.07.2023
11 Verg 3/23
1. Die Anforderungen an die Darlegung einer Vergaberechtsverletzung bzw. an die Rüge dürfen nicht zu hoch angesetzt werden. Ein Mindestmaß an Substanziierung ist jedoch einzuhalten. Reine Vermutungen zu eventuellen Vergaberechtsverstößen (sog. Rüge ins Blaue hinein) reichen nicht aus.
2. Eine Rüge ist hinreichend substanziiert, wenn zumindest tatsächliche Anknüpfungstatsachen oder Indizien vorgetragen werden, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen.
3. Die Vorlage der eigenen Preiskalkulation reicht zur Substanziierung von Behauptungen nicht aus, soweit sich aus ihr keine Anhaltspunkte für eine unauskömmliche Kalkulation von Mitbewerbern ergeben.
vorhergehend:
VK Hessen, Beschluss vom 26.06.2023 - 96 e 01.02/23-2023
In dem Vergabenachprüfungsverfahren
(...)
hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ###, den Richter am Oberlandesgericht ### und die Richterin am Oberlandesgericht ### am 20.07.2023 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Nichtübermittlungsbeschluss der 1, Vergabekammer des Landes Hessen vom 26.6.2023 (Az. 96 e 01.02/23-2023) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu EUR 25.000 festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsgegner schrieb im offenen Verfahren die Durchführung von Unterhaltsreinigungen sowie von Sonderreinigungsarbeiten für die Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit für verschiedene Gebäude, aufgeteilt in drei Lose, aus. Streitgegenständlich ist lediglich das Los 1.
Hierauf gab die Antragstellerin am 23.2.2023 ein Angebot ab.
Der Antragsgegner teilte ihr mit Schreiben vom 12.5.2023 mit, ihr Angebot aus preislichen Gründen nicht berücksichtigen zu können und die Zuschlagserteilung an ein anderes Unternehmen (nachfolgend auch "Bestbieterin") zu beabsichtigen (Anlage BB5).
Dies rügte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schreiben vom 16.5.2023 (Anlage BB3):
Nach dem Leistungsverzeichnis (nachfolgend "LV"), Ziff. 2.28, sei der Aufschlag für die Kosten des Objektleiters bei der Kalkulation des Stundenverrechnungssatzes anzugeben gewesen. Das LV frage zudem den Zeitbedarf des Projektleiters ab und sehe vor, dass mindestens 5 Stunden pro Monat angesetzt werden müssten (Ziff. 1.3). Diese Vorgabe entspreche auch derjenigen des allgemeinen Leistungsverzeichnisses (Ziff. 11). Diesen Vorgaben habe sie, die Antragstellerin, bei Angebotsabgabe entsprochen (vgl. LV der Antragstellerin, Anlage BB1). Sie habe für den Projektleiter einen Zeitbedarf von 5 Stunden angegeben (LV Ziff. 1.3), den Stundenverrechnungssatz mit EUR 16,65/h beziffert (LV Ziff. 1.4) und in Ziff. 2.28 des LV den Aufschlag für die Kosten des Projektleiters mit 2,75% angegeben.
Diese Vorgaben habe die Bestbieterin offensichtlich nicht erfüllt. Sie habe mindestens den Aufschlag für die Kosten des Objektsleiters in Position 2,28 des LV nicht kalkuliert und sei daher auszuschließen. Auf diese Rechtsfolge werde in Ziff. 1.3 des LV ausdrücklich hingewiesen. Gebe ein Bieter in Ziff. 2.28 den Aufschlag für die Kosten nicht an oder beziffere er ihn mit 0%, unterschritten die angesetzten Kosten die notwendigen Kosten, was nur erklärlich sei, wenn eine untertarifliche Entlohnung der Arbeitnehmer vorgesehen sei oder der Bieter nicht den Willen habe, die Leistungen vollständig zu erbringen. Jedenfalls würde eine Kalkulation von 0% in Ziff. 2.28 des LV dazu führen, dass es sich um ein ungewöhnlich niedriges Angebote iSv § 60 VgV handele. Da der Bieter Leistungen, die er zwingend anzusetzen hätte, mit 0% angebe, sei anzunehmen, dass er diese Kosten an anderer Stelle des Vertrags einspare, so dass eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung nicht sichergestellt sei.
Die Rüge wies der Antragsgegner zurück (Anlage BF6):
Die Rüge sei nicht ausreichend substantiiert begründet. Es handele sich um eine "Rüge ins Blaue hinein".
Die Antragstellerin habe das erforderliche Mindestmaß an Substantiierung der Rüge nicht erfüllt, da sie keine tatsächlichen Anhaltspunkte oder Indizien vorgetragen habe, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründeten. Die Rüge der Antragstellerin beschränke sich auf bloße Vermutungen ohne tatsächliche Sachbegründung.
Dessen ungeachtet nehme er, der Antragsgegner, wie folgt Stellung: Die Behauptungen der Antragstellerin über das Angebot der Bestbieterin träfen nicht zu. Diese habe eine Mindestanwesenheitszeit der Objektleitung von insgesamt 5 Stunden pro Monat einkalkuliert. Es beständen nach einer Aufklärung keine Anhaltspunkte für einen nicht auskömmlichen Stundenverrechnungssatz oder dafür, dass der tariflich vorgegebene Mindestlohn oder die erforderlichen Sozialversicherungsbeiträge nicht abgedeckt werden könnten. Die eingegangene Antwort sei plausibel. Es lägen keine Indizien für die Annahme vor, die Bestbieterin werde die Leistungen nicht erfüllen.
Daher sei auch der Rüge nicht zu folgen, das Angebot der Bestbieterin müsse ausgeschlossen werden, wenn der Aufschlag für die Kosten des Objektleiters (LV Ziff. 2.28) nicht kalkuliert oder mit 0% beziffert sei. Es beständen keine Zweifel, dass die Bestbieterin die vertraglich geforderten Leistungen kalkuliert habe und die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherstellen werde.
Die Rüge habe daher auch keinen Erfolg, soweit die Antragstellerin meine, es sei anzunehmen, dass entstehende Kosten im Zusammenhang mit der Projektleitung an anderer Stelle des Vertrags eingespart würden, so dass eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung nicht sichergestellt sei und der Zuschlag gemäß § 60 Abs. 3 VgV nicht erfolgen dürfe.
Die Antragstellerin stellte daraufhin unter dem 22.6.2023 einen Nachprüfungsantrag (BB 6), zu dessen Begründung sie im Wesentlichen ihre Ausführungen in der Rüge gegenüber dem Antragsgegner wiederholte:
Die Rüge werde nicht "ins Blaue hinein" erhoben. Es sei zu berücksichtigen, dass sie keinerlei Wissens- und Informationsstand über das Angebot der Bestbieterin habe; ihr ständen auch keine weiteren Erkenntnisquellen zur Verfügung, die sie noch ausschöpfen könne. Sie habe konkret gerügt, welche Position des LV die Bestbieterin nicht hinreichend bepreist habe, nämlich Ziff. 2.28. Daher sei die Rüge vom Antragsgegner ohne weiteres überprüfbar gewesen, was ja der Antragsgegner auch getan habe. Die Antragstellerin habe aufgrund ihrer eigenen Kalkulation Rückschlüsse darauf ziehen können, dass die Bestbieterin Ziff. 2.28 des LV nicht bepreist habe.
Dass die Bestbieterin entgegen Ziff. 2.28 des LV den Aufschlag für die Kosten des Objektleiters nicht kalkuliert habe, werde vom Antragsgegner in seiner Antwort zum Rügeschreiben zugestanden. Zwar werde dort ausgeführt, die Bestbieterin sei der Forderung, eine Mindestanwesenheitszahl der Objektleitung von 5 Stunden einzukalkulieren, nachgekommen. Aus den folgenden Erwägungen ergebe sich jedoch, dass die Bestbieterin den Zuschlag offensichtlich mit 0% beziffert habe. Daher sei das Angebot zwingend auszuschließen.
Der Antragsgegner habe es pflichtwidrig unterlassen, das Angebot auf der ersten Wertungsstufe auf Plausibilität zu prüfen und insbesondere, ob die Kalkulation, die auf den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen fuße, die Leistungsbeschreibung hinreichend widerspiegele. Bepreise ein Bieter zu erbringende Leistungen nicht, sei zu befürchten, dass er die erforderlichen Entgelte auf andere Weise, etwa durch unberechtigte Nachträge, generiere. Zudem bestehe die Gefahr einer Mischkalkulation.
Letztlich könne der Bieter nicht nachvollziehbar erklären, warum er entstehende Lohnkosten nicht kalkuliere.
Letztlich gewähre er einen versteckten Preisnachlass, der nicht gewertet werden dürfe. Jedenfalls sei das Angebot bei einem Kalkulationsansatz von 0% in Pos. 2.28 des LV ungewöhnlich niedrig iSv § 60 VgV. Es sei zu berücksichtigen, dass die Kalkulationsspielräume im Gebäudereinigungssektor aufgrund der zwingenden gesetzlichen Vorgaben, wie er anhand eines Beispiels ausführt (Nachprüfungsantrag S. 8), sehr begrenzt seien. Insbesondere normiere Ziff. 7 der Ergänzung zur Angebotsaufforderung, dass sich die Überprüfung des Stundenverrechnungssatzes an der Empfehlung der Abteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Bundesfinanzverwaltung orientiere. Daher könnten bei einem kalkulierten Aufschlag auf den Mindestlohn von weniger als 70% für lohngebundene Kosten die gesetzlichen Verpflichtungen zur Zahlung des Mindestlohns sowie der Sozialversicherungsbeiträge nicht erfüllt werden.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 26.6.2023 hat die Vergabekammer entschieden, den Nachprüfungsantrag nicht an den Antragsgegner zu übermitteln (Anlage BB7). Zur Begründung hat sie Folgendes ausgeführt:
Der Nachprüfungsantrag sei nicht zulässig, da die Antragstellerin nicht antragsbefugt sei. Sie habe nicht hinreichend dargelegt, dass sie durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften in ihren Rechten verletzt sei. Sowohl in ihrer Rüge gegenüber dem Antragsgegner als auch im Nachprüfungsantrag stelle sie schlichtweg die Behauptung auf, die Bestbieterin erfülle die Anforderungen der Ausschreibung nicht und sei daher auszuschließen. Anhaltspunkte oder Indizien, aus denen sie diese Erkenntnis nehme, lege sie nicht dar. Zwar dürften keine zu hohen Anforderungen an die Darlegung des Vergaberechtsverstoßes gestellt werden, da sie keinen Einblick in das Angebot der Bestbieterin habe. Ein Mindestmaß an Substantiierung sei aber einzuhalten; reine Vermutungen genügten nicht.
Die Antragstellerin habe es vollständig versäumt, darzulegen, wie sie zu der Schlussfolgerung, die Angebotskalkulation der Bestbieterin sei fehlerhaft, komme. Sie stelle lediglich die Behauptung in den Raum, die Bestbieterin habe, anders als sie selbst, die Anforderungen nicht erfüllt. Dies schließe sie lediglich aus der Tatsache, dass das Angebot der Bestbieterin offenbar preisgünstiger ist.
Zudem habe der Antragsgegner in seiner Erwiderung vom 16.6.2023 eine Aufklärung hinsichtlich der in der Rüge aufgestellten Behauptung unternommen und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Zweifel an der Erfüllung der Anforderungen der Ausschreibung durch die Bestbieterin bestünden. Auch dies habe die Antragstellerin nicht zum Anlass genommen, substantiiert darzulegen, worauf ihre anderweitige Behauptung beruhe.
Dieser Beschluss wurde der Antragstellerin am 26.6.2023 zugestellt und der Antragsgegnerin am selben Tag zur Kenntnis übersandt.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 6.7.2023 beim Oberlandesgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der sie im Wesentlichen eine Aufhebung des Nichtübermittlungsbeschlusses, die Fortsetzung des Nachprüfungsverfahrens und die Erteilung des Zuschlags auf ihr Angebot erreichen will.
Der Nachprüfungsantrag sei nicht offensichtlich unzulässig. Die Vergabekammer habe die Anforderungen an eine Substantiierung überspannt, obwohl sie, die Antragstellerin, keinen Einblick in das Angebot der Bestbieterin habe. Es handele sich nicht um reine Vermutungen zu etwaigen Vergaberechtsverstößen. Sie habe konkret hinsichtlich einer bestimmten Position des LV, Ziff. 2.28, gerügt, dass die Bestbieterin diese nicht bzw. nur ungenügend bepreist habe. Dies habe sie auch näher damit begründet, dass ergänzend zu Ziff. 2.28 des LV in Ziff. 1.3 des LV für den Objektleiter ein zwingender Zeitbedarf (5 Stunden) anzugeben gewesen sei. Dass die Rüge substantiiert sei, werde dadurch belegt, dass der Antragsgegner sich mit dieser im Schreiben vom 16.6.2023 inhaltlich befasst habe.
Es sei zutreffend, dass sie nicht positiv wisse, wie die Bestbieterin den Auftrag kalkuliert habe. Es handele sich in der Tat in der Sache um eine Vermutung, wenn sie angebe, dass die Bestbieterin Ziff. 2.28 entweder nicht bepreist oder aber den Aufschlag mit 0% angegeben habe. Die Vermutung sei jedoch durch sachliche Annahmen begründet gewesen. Sie verweist insoweit auf zwei alternativen der Berechnung des Stundenverrechnungssatzes (Anlagen BB9 und BB10). Hätte die Bestbieterin den Aufschlag für die Kosten des Objektleiters ordnungsgemäß angegeben, wäre das Angebot der Antragstellerin das wirtschaftlichste gewesen.
Da eine Vielzahl der Bestandteile des Stundenverrechnungssatzes aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Gegebenheiten determiniert sei, könne sie vortragen, dass die Bestbieterin die Kosten für den Objektleiter nicht oder mit 0% bepreist habe. Sie habe zudem im Nachprüfungsantrag (dort Ziff. 5) belegt, warum ihr Angebot das wirtschaftlichste gewesen sei.
Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Ergänzend sei auszuführe, dass dann, wenn die Bestbieterin Ziff. 2.28 des Leistungsverzeichnisses mit 0% kalkuliert hätte, sie einen Preisnachlass gewährt hätte, den sie in Formular 633 hätte angeben müssen. Andernfalls handele es sich um einen versteckten unzulässigen Preisnachlass.
Wenn der Antragsgegner den Zuschlag auf ein Angebot erteile, das Ziff. 2.28 des LV mit 0% kalkuliere, verletzte er zudem das Gleichbehandlungsgebot aller Bieter.
Die Antragstellerin beantragt,
1. den Beschluss vom 26.6.2023 aufzuheben und den Antragsgegner anzuweisen, den Zuschlag nicht auf das Angebot ###
2. den Antragsgegner zu verpflichten, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen,
hilfsweise, den Antragsgegner zu verpflichten, die Wertung zu wiederholen,
hilfsweise, die Vergabekammer anzuweisen, den Nachprüfungsantrag vom 22.6.2023 an die Vergabestelle zu übermitteln und ein Nachprüfungsverfahren gemäß den §§ 107ff. GWB wegen der Vergabe der Reinigungsleistungen einzuleiten,
3. festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war.
II.
Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Mit dieser wendet sich die Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer, mit der der Nachprüfungsantrag - über die ausdrückliche Tenorierung hinaus - wegen offensichtlicher Unzulässigkeit abschließend beschieden, nämlich als offensichtlich unzulässig verworfen wurde.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Denn der Nachprüfungsantrag ist offensichtlich unzulässig, da die Antragstellerin nicht gemäß § 97 Abs. 6 GWB antragsbefugt ist. Denn sie hat keine tatsächlichen Anknüpfungstatsachen oder Indizien vorgetragen hat, die einen hinreichenden Verdacht auf den von ihr geltend gemachten Vergaberechtsverstoß begründen und mithin nicht hinreichend dargelegt, dass iSv § 97 Abs 6 GWB Bestimmungen des Vergabeverfahrens nicht eingehalten wurden.
Die Antragstellerin hat weder in ihrer Rüge noch in ihrem Nachprüfungsantrag oder in ihrer Beschwerde Anknüpfungstatsachen oder Indizien für einen Vergaberechtsverstoß vorgetragen:
Die Antragstellerin hat gegenüber der Vergabestelle gerügt (Anlage BB3), das Angebot der Bestbieterin habe gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ausgeschlossen werden müssen, da die Bestbieterin entweder in Ziff. 2.28 des LV den Aufschlag für die Kosten des Objektleiters mit 0% angesetzt oder den Aufschlag nicht angegeben habe.
Der Senat hat Zweifel, ob dies eine ordnungsgemäße Rüge iSv § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB darstellt. Zwar ist für Rügen ein großzügiger Maßstab anzulegen. Da ein Bieter naturgemäß nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens hat, darf er im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines oft nur beschränkten - Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergaberechtsverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder wie hier - das Angebot eines Mitbewerbers betreffen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1.4.2020 - VII Verg 30/19).
Um zu vermeiden, dass Rügen ohne Substanz auf bloßen Verdacht ins Blaue hinein mit dem Ziel, etwa Einsicht in die Akten zu erlangen, erhoben werden, muss der Antragsteller zumindest tatsächliche Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen. Ein Mindestmaß an Substantiierung ist einzuhalten; reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen nicht aus (Senat, Beschluss vom 9.7.2020 11 Verg 5/10).
Letztendlich kann die Frage offenbleiben, ob das Rügeschreiben den Anforderungen des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB genügt. Denn die Antragstellerin hat auch nachfolgend im Nachprüfungsantrag und in der Beschwerdebegründung keine tatsächlichen Anknüpfungstatsachen oder Indizien für den behaupteten Vergaberechtsverstoß seitens des Antragsgegners dargetan:
Die geltend gemachten Vergabeverstöße beruhen sämtlich auf der Behauptung der Antragstellerin, die Bestbieterin habe in Ziff. 2.28 entgegen den Vorgaben des LV und insbesondere entgegen der Vorgabe Ziff. 1.3 des LV den Aufschlag für die Kosten des Objektleiters entweder mit 0% angesetzt oder einen solchen Aufschlag nicht angegeben.
Welche Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptung sprechen, hat die Antragstellerin weder in der Rüge gegenüber dem Antragsgegner noch im Nachprüfungsantrag oder in der Beschwerdebegründung dargelegt. Insoweit führt die Vergabekammer in dem angegriffenen Beschluss zutreffend aus, die Antragstellerin habe es vollständig versäumt, darzulegen, wie sie zu ihrer Schlussfolgerung bezüglich der Angebotskalkulation der Bestbieterin komme.
Insbesondere kann - worauf bereits die Vergabekammer hingewiesen hat - allein aus der Tatsache, dass das Angebot der Bestbieterin offensichtlich preisgünstiger als das der Antragstellerin ist, nicht rückgeschlossen werden, dass der geringere Angebotspreis der Bestbieterin auf der Angabe eines Aufschlags von 0% oder der fehlenden Angabe eines Aufschlags für den Objektleiter in Ziff. 2.28 des LV beruht.
Die Antragstellerin hat bereits nicht behauptet, dass die Vorgabe in Ziff. 1.3 des LV, nach der ein Zeitbedarf von mindestens 5 Stunden für den Objektleiter anzusetzen ist, es zwingend erfordert, bei der Kalkulation des Stundenverrechnungssatzes den Aufschlag für den Objektleiter in Ziff. 2.28 des LV mit 2,75% anzusetzen, wie sie es getan hat.
Sie behauptet lediglich, dass der Ansatz eines Aufschlags mit 0% vergaberechtswidrig sei. In welcher Weise sie aufgrund welcher sozialversicherungsrechtlicher oder tarifvertraglicher Vorgaben oder Vorgaben der Vergabestelle den Aufschlag für den Objektleiter in Ziff. 2.28 mit 2,75% berechnet hat, hat sie ebenfalls nicht dargelegt. Sie behauptet selbst nicht, dass sämtliche Bestandteile der anzugebenden Stundenverrechnungssätze aufgrund tarifvertraglicher, sozialversicherungsrechtlicher oder von der Vergabestelle aufgestellter Vorgaben determiniert seien; dies ist nach ihrem Vortrag nur für eine Vielzahl der Bestandteile der Fall.
Daher kann auf der Grundlage ihrer Ausführungen bereits nicht ausgeschlossen werden, dass der geringere Angebotspreis der Bestbieterin gegenüber demjenigen der Antragstellerin darauf beruht, dass die Bestbieterin vergaberechtskonform den Aufschlag für den Objektleiter in Ziff. 2.28 mit einem Wert größer 0% und kleiner 2,75% ansetzte.
Außerdem kann auf der Grundlage der Ausführungen der Antragstellerin nicht ausgeschlossen werden, dass der geringere Angebotspreis der Bestbieterin gegenüber dem Angebotspreis der Antragstellerin darauf beruht, dass die Bestbieterin in anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses vergaberechtskonform geringere Preise als die Antragstellerin angegeben hat. Insbesondere behauptet sie selbst keine zwingenden Vorgaben für die Kalkulation anderer Positionen des LV, die sich nicht auf Stundenverrechnungssätze beziehen, vorliegend etwa 2.29: Reinigungsmittel und Kleinmaterial, 2.30: Maschinen und Geräte.
Damit ergibt sich auch nicht, dass die Antragstellerin - wie sie geltend macht - aus ihrer eigenen Kalkulation schließen kann, dass die Bestbieterin Ziff. 2.28 des LV mit 0% bepreist oder keine Angaben gemacht hat.
Anhaltspunkte für die behauptete vergaberechtswidrige Kalkulation der Ziff. 2.28 seitens der Bestbieterin können insbesondere nicht aus der "Beispielsrechnung" im Nachprüfungsantrag (dort S. 8) entnommen werden. Dort führt die Antragstellerin aus, dass aufgrund gesetzlicher Auflagen für den Arbeitgeberanteil zu den Sozialversicherungsbeiträgen 23,15% kalkuliert werden müssten, für Lohnfolgekosten seien von dem Antragsgegner und tarifvertraglich 28,18% vorgegeben, so dass sich eine Zwischensumme an Lohnnebenkosten von 51,33% ergebe. Werde ein Zuschlag von 54,41% kalkuliert, verbleibe ein Rest von 3,08%. Berücksichtige man für den Objektleiter 2,75%, verblieben für alle anderen Positionen ein Zuschlag von 0,33%.
Aufgrund dieser Angaben der Antragstellerin erscheint es aber jedenfalls möglich, dass - wie bereits oben ausgeführt - das Angebot der Bestbieterin deshalb günstiger ist, weil für den Objektleiter vergaberechtskonform ein Zuschlag größer 0% und kleiner 2,75% kalkuliert wurde oder weil die Preise für "alle anderen Positionen", die keinen Bezug zum Stundenverrechnungssatz aufweisen, geringer bepreist wurden, als dies bei der Antragstellerin der Fall ist Warum dies vergaberechtswidrig sein soll, legt die Antragstellerin nicht dar.
Nichts anderes ergibt sich aus den nachfolgenden Ausführungen im Nachprüfungsantrag (S. 8): Auch dort führt sie aus, dass sich Vorgaben des Antragsgegners dahin auswirkten, dass ein mindestens 70%iger Aufschlag auf den Mindestlohn kalkuliert werden müsse, um diese Vorgaben zu erfüllen. Welche konkreten Vorgaben sich daraus für die Kalkulation des Aufschlags gemäß Ziff. 2.28 des LV ergeben, ist nicht dargetan.
Auch zu den nicht lohngebundenen Positionen verhalten sich diese Ausführungen nicht.
Schließlich ergeben sich auch aus den von der Antragstellerin im hiesigen Beschwerdeverfahren vorgelegten beiden Alternativberechnungen, Anlage BB9 und BB10, keine tatsächlichen Anknüpfungstatsachen für den behaupteten Vergaberechts-verstoß. Eine der Berechnungen legt einen Aufschlag von 2.75% für die Kosten des Objektleiters zugrunde (Anlage BB9), die andere Berechnung einen solche von 0% (Anlage BB10). Alle anderen Positionen der beiden Berechnungen BB9 und BB10 entsprechen einander. Dass sich auf dieser Grundlage bei der Berechnung BB10 ein geringerer Preis als bei der Berechnung BB 9 ergibt, lässt nicht den Schluss zu, dass das preisgünstigere Angebot der Bestbieterin gerade darauf beruht, dass sie in Position Ziff. 2.28 des Leistungsverzeichnisses einen Aufschlag von 0% angenommen haben müsste. Es gelten die obigen Ausführungen entsprechend: Auch aus den Berechnungen BB9 und BB10 ergibt sich nicht, dass die Kalkulation eines Aufschlags größer 0% und kleiner 2,75% in Ziff. 2.28 des LV vergaberechtswidrig wäre und die Positionen, die keinen Bezug zu den Stundenverrechnungssätzen aufweisen, in der von der Antragstellerin angenommenen Höhe (mindestens) bepreist werden müssten.
Schließlich hat der Antragsgegner nicht - wie von der Antragstellerin im Nachprüfungsantrag behauptet - in seiner Antwort auf die Rüge der Antragstellerin zugestanden, dass die Bestbieterin entgegen Ziff. 2.28 des LV den Aufschlag für die Kosten des Objektleiters nicht kalkuliert habe. Dies kann den dortigen Ausführungen nicht entnommen werden.
III.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen, da sie unterliegt (§§ 175 Abs. 2, 78 GWB, 91 ZPO), Außergerichtliche Kosten sind nicht entstanden, da die Beschwerde der Gegenseite nicht zugeleitet wurde.
Der Beschwerdewert errechnet sich anhand des von der Antragstellerin angesetzten Auftragswerts gemäß § 50 Abs. 2 GKG (5% des Bruttoauftragswerts).
Anforderungen an die Eignung dürfen nicht überzogen werden!
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BayObLG
Beschluss
vom 06.09.2023
Verg 5/22
1. Der Antragsteller kann mit der Rüge der fehlenden Fachlosaufteilung nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 GWB nur präkludiert sein, wenn ein durchschnittlich fachkundiger Bieter unter Anwendung der üblichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass es im maßgeblichen Fachbereich einen eigenständigen Anbietermarkt mit spezialisierten Fachunternehmen gibt.*)
2. Im Rahmen des § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB können besonders hohe Anforderungen unangemessen sein, wenn sie wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten und diese nicht mehr durch gewichtige Gründe gerechtfertigt ist.*)
vorhergehend:
VK Südbayern, 30.03.2022 - 3194.Z3-3_01-21-60
Im Nachprüfungsverfahren
betreffend die Vergabe von Projektsteuerungsdienstleistungen Realisierungsabschnitt 2 für das Projekt Sanierung des D.
(...)
erlässt das Bayerische Oberste Landesgericht - Vergabesenat - durch den Vorsitzenden Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Heinrichsmeier, den Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Niklaus, die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Muthig, die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht Willner und die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Löffler aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2023 folgenden
Beschluss
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 30. März 2022, Az. 3194.Z3-3_01-21-60, in Ziffer 1, Ziffer 2 und Ziffer 4 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerde- und des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragstellers.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 380.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Im Rahmen der Sanierung des D. Museums beabsichtigt die Antragsgegnerin die Vergabe von Projektsteuerungsleistungen für den Realisierungsabschnitt 2 im offenen Verfahren. Beauftragt werden soll ausweislich der europaweiten Bekanntmachung vom 24. August 2021 die Projektsteuerung mit Schnittstellenmanagement für das Gesamtprojekt sowie für das Teilprojekt Bau und das Teilprojekt Ausstellungen, das die Neugestaltung von fünf Einzelausstellungen umfasst. Die Bekanntmachung führte unter Ziffer II 1.6) aus:
"Aufteilung des Auftrags in Lose: nein".
Unter Ziffer III. 1.3) "Technische und berufliche Leistungsfähigkeit" forderte die Antragsgegnerin als "Mindeststandards" mindestens zwei Referenzen über Projektsteuerungsleistungen bei Bauvorhaben mit Baukosten jeweils über mindestens 100 Millionen Euro und einer Leistungszeit von mindestens fünf Jahren. Eines dieser zwei Referenzprojekte musste ein Sanierungsprojekt sein. Zusätzlich war mindestens eine Referenz zu benennen, die die Projektsteuerung der Planung und Ausführung der Neugestaltung von wenigstens drei Einzelausstellungen (Dauerausstellungen) im Rahmen der Sanierung / eines Umbaus eines Gebäudes einschließlich der Betreuung von Schnittstellen zum Bauprojekt und dem Aus- und Einzug der Ausstellungsprojekte zum Gegenstand hatte. Die Projektstufe 4 musste bei den Referenzprojekten innerhalb der letzten zehn Jahre abgeschlossen worden sein. Als weiterer Mindeststandard wurde die Beschäftigung von mindestens 80 Mitarbeitern, davon mindestens 50 Architekten und Bauingenieuren, gefordert.
Schlusstermin für die Angebotsabgabe war der 30. September 2021.
Mit Schreiben vom 7. September 2021 rügte der Antragsteller, die Forderung einer Referenz über die Projektsteuerung der Neugestaltung von Ausstellungen verstoße gegen § 75 Abs. 4 VgV, da unzulässig eine Realisierung von Objekten gleicher Nutzungsart gefordert werde. Auch die weiteren Anforderungen, drei Dauerstellungen mit Schnittstellenbetreuung sowie Umzugsmanagement seien überzogen. Eine sachliche Rechtfertigung dafür sei nicht ersichtlich. Da die Anforderungen exakt dem Beauftragungsumfang des bisher - im Realisierungsabschnitt 1 - tätigen Projektsteuerers entsprächen, dränge sich der Verdacht auf, dass eine Beschränkung des Teilnehmerkreises beabsichtigt sei.
Die Antragsgegnerin erklärte im Schreiben vom 16. September 2021, der Rüge (nur) teilweise abzuhelfen, und veröffentlichte am 21. September 2021 eine berichtigte Bekanntmachung. Danach musste eines der als Mindeststandard geforderten Referenzprojekte die Projektsteuerung der Planung und Ausführung der Neugestaltung von wenigstens drei Einzelausstellungen (Dauerausstellungen) im Rahmen des Neubaus, der Sanierung oder eines Umbaus eines Gebäudes einschließlich der Betreuung der Schnittstelle zum Bauprojekt zum Gegenstand haben. Auf die Betreuung der Schnittstelle zum Aus- und Einzug der Ausstellungsobjekte wurde verzichtet.
Mit Schreiben vom 30. September 2021 hat der Antragsteller ohne vorherige Einreichung eines Angebots die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens beantragt. Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Da der Antragsteller keine Referenz für die Projektsteuerung von Ausstellungen im Museumsbereich habe, sei er an der Teilnahme am Verfahren gehindert. Die Referenzanforderung verstoße gegen § 122 Abs. 4 GWB. Es fehle am Auftragsbezug, da es für die Leistung der Projektsteuerung nicht auf die konkrete Nutzung des Gebäudes ankomme. Außerdem seien die Anforderungen unverhältnismäßig. Die Anforderungen könnten praktisch nur vom Projektsteuerer des Realisierungsabschnitts 1 erfüllt werden, so dass ein Wettbewerb praktisch ausgeschlossen sei. Die Projektsteuerung für das fragliche Projekt unterscheide sich nicht wesentlich von der Projektsteuerung für komplexe Bauvorhaben, interdisziplinäre OP- und Diagnostikraumvorhaben oder Tierhäusern für Forschungszwecke, wie sie der Antragsteller bereits erbracht habe. Die Dokumentation leide an erheblichen Mängeln. Ferner hat der Antragsteller im Schriftsatz vom 11. November 2021 vorgetragen, die Antragsgegnerin hätte über eine Trennung der Leistungen für die Steuerung der Ausstellung einerseits und des Teilprojekts Bau andererseits zumindest nachdenken müssen, um nicht durch die Verknüpfung der Leistungen den Bietermarkt unnötig einzuschränken.
Der Antragsteller hat beantragt:
1. Das Vergabeverfahren wird aufgehoben.
2. Die Antragsgegnerin wird bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht und bei Einleitung eines neuen Vergabeverfahrens zur Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer verpflichtet.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hält die Referenzanforderungen für zulässig und angemessen. Mit der Rüge mangelnden Auftragsbezugs sei der Antragsteller schon präkludiert. Zudem bestehe ein berechtigtes Interesse, dass der Projektsteuerer vorliegend Erfahrungen mit der konkreten Nutzungsart habe, da es sich um ganz spezifische Steuerungsleistungen handle. Das Projekt beinhalte aufgrund der besonderen Nutzerstruktur und der Steuerung der inhaltlichen Entwicklungsprozesse für die Ausstellungen sehr spezifische, hoch komplexe Aufgaben. Die Nutzervorgaben müssten in einem Parallelprozess mit den Ausstellungen entwickelt und anschließend ins Gebäude integriert werden, was das Projekt ganz wesentlich von einem klassischen Bauprojekt unterscheide. Aufgrund des Projektplans bleibe keine Zeit, dass sich der Bieter die Kenntnisse für eine derartige Projektsteuerung erst während des Projekts aneigne. Eine wissenschaftliche Definition, was "eine" Ausstellung sei, kenne sie nicht, das definiere jedes Museum selbst. Sie habe mit den Referenzanforderungen hohe Hürden gesetzt. Die Anforderungen seien aber nicht spezifisch auf den Projektsteuerer des Realisierungsabschnitts 1 zugeschnitten. Es sei allgemein bekannt, dass in den letzten 10 Jahren eine Vielzahl von Projekten verwirklicht worden sei, so dass es einige Projektsteuerer geben müsse, die die Anforderungen erfüllen könnten. Die Dokumentation sei ordnungsgemäß.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Der Antragsteller sei mit der Rüge der unterbliebenen Losaufteilung nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB präkludiert. Dass die Antragsgegnerin keine Losaufteilung vorgenommen habe, sei aus der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen ersichtlich gewesen. Der Präklusion stehe nicht entgegen, dass dem Antragsteller nicht bekannt gewesen sei, aus welchen Gründen gemäß § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB die Antragsgegnerin eine gemeinsame Vergabe vorgenommen habe. Im Übrigen hält die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag für unbegründet. § 75 Abs. 5 Satz 3 VgV sei nicht anwendbar. Die Eignungsanforderungen stünden gemäß § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand. Die Notwendigkeit einer Projektsteuerungsreferenz für die Neugestaltung von mindestens drei Einzelausstellungen als Dauerausstellungen sei nicht als besonders hohe Anforderung anzusehen. Eine Einschränkung hinsichtlich der Thematik oder Größe der Ausstellung, des Schwerpunkts oder der Besucherzahl des Gebäudes sowie der Anzahl oder Beschaffenheit der Exponate werde nicht vorgenommen. Die Antragsgegnerin habe vorgetragen, dass es in den letzten Jahren eine Vielzahl an Neukonzeptionen von Ausstellungen im Zusammenhang mit dem Neubau, Umbau oder einer Sanierung von Gebäuden gegeben habe. Die Vergabekammer gehe davon aus, dass die Eignungskriterien nur einen geringen Einfluss auf den Wettbewerb hätten. Auch habe der Antragsteller nicht dargelegt, inwieweit es aufgrund einer eingeschränkten Wettbewerbssituation nicht möglich gewesen sei, Nachunternehmer zur Eignungsleihe oder andere Projektsteuerer für eine Bietergemeinschaft zu finden. Es sei auch keine unangemessene Forderung, dass der Projektsteuerer bereits Erfahrung mit der Steuerung und Koordinierung von Ausstellungsprojekten vorweisen müsse. Die Leistungen insoweit unterschieden sich signifikant von den üblichen Projektsteuerungsleistungen bei Bauprojekten.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er seinen Vortrag vertieft. Die Eignungsanforderungen verstießen gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB. Entgegen der Ansicht der Vergabekammer handele es nicht nur um geringe Anforderungen. Da mindestens drei Einzelausstellungen und Schnittstellen zum Bauprojekt gefordert seien, müsse ein entsprechend großvolumiges Projekt im Raum stehen. Zudem habe die Antragsgegnerin nicht vorab definiert, wann eine Referenz von ihr als tauglich angesehen werde. Wenn die Neugestaltung jeder Art von Ausstellungen, z. B. auch in einem "ländlichen Bauernmuseum", genügen solle, stehe das in Widerspruch zur dokumentierten Erwägung, dass die Bewältigung von Projekten mit hoher Komplexität nachzuweisen sei. Ferner fehle eine taugliche Dokumentation. Die Antragsgegnerin habe die Referenzanforderungen ohne ausreichende Kenntnis der Marktlage und sachliche Basis festgelegt. Auch fehle eine ergebnisoffene Abwägung des Für und Wider der Anforderungen. Der Auftrag hätte in ein Los zur klassischen Projektsteuerung und die besondere Projektsteuerungsleistung "Ausstellung" aufgeteilt werden müssen. Diese Rüge sei nicht präkludiert, da sich die Gründe für das Unterbleiben der Losaufteilung nicht aus den Unterlagen ergeben hätten. Zudem sei davon auszugehen, dass eine erneute Frist zur Einreichung der Teilnahmeanträge gesetzt werde, wenn nach dem Ende des Nachprüfungsverfahrens die Aussetzung des Vergabeverfahrens aufgehoben werde.
Der Antragsteller beantragt daher:
1. Der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 30. März 2022 wird aufgehoben.
2. Auf den Nachprüfungsantrag des Antragstellers hin wird das Vergabeverfahren aufgehoben.
3. Hilfsweise zu 2: Die Antragsgegnerin wird bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht zur Gestaltung der Vergabeunterlagen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Vergabesenats verpflichtet.
Die Antragsgegnerin beantragt:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin verteidigt den Beschluss der Vergabekammer und vertieft ihren Vortrag. Die Eignungskriterien seien angemessen. Die Steuerung von Ausstellungsprojekten beinhalte sehr spezielle Aufgabenstellungen wegen der besonderen Nutzerstruktur, der Steuerung der inhaltlichen Entwicklungsprozesse und deren Synchronisation mit den Planungsabläufen. Bei der Inhaltsproduktion gebe es spezielle Prozesse und Vorgehensweisen zwischen Kuratoren und Gestaltern. Zudem müssten die konservatorischen Vorgaben bekannt sein. Schließlich seien die Prozesse zur Erstellung der Begleitmedien (Vermittlung der Inhalte) sehr speziell. Die Herausforderung bestehe darin, die Prozesse der unterschiedlichen Ausstellungen mit den unterschiedlichen Anforderungen an die Exponate richtig einzuordnen, abzustimmen und die Vielzahl der fachlich Beteiligten zielgerichtet zu organisieren und zu steuern. Die Steuerung von Ausstellungsprojekten unterscheide sich daher wesentlich von der klassischen Bauprojektsteuerung. Die Forderung nach einer Referenz bezogen auf Dauerausstellungen sei gerechtfertigt, da die inhaltliche Entwicklung von Dauerausstellungen ganz andere Anforderungen stelle als die von temporären Ausstellungen. Ein Referenzprojekt mit drei Einzelausstellungen sei nötig, da unterschiedliche Ausstellungsgegenstände (z. B. Großexponate, klimasensible Exponate etc.) unterschiedliche Schwerpunkte in den einzelnen Prozessen verlangten und diese im Rahmen eines Gesamtkonzepts aufeinander abzustimmen seien. Es handle sich bei der geforderten Referenz nicht um eine unnötige Wettbewerbsbeschränkung, zumal der Einsatz von Nachunternehmern nicht ausgeschlossen werde. Eine Losaufteilung sei nicht möglich gewesen. Auf die einheitliche Verantwortung eines Projektsteuerers könne wegen der mannigfaltigen Schnittstellen und der notwendigen Synchronisation der Planungsabläufe nicht verzichtet werden. Ohnehin sei die Antragstellerin mit der Rüge präkludiert. Dem einschlägigen Bieterkreis müssten die Grundsätze der Losaufteilung bekannt sein. Aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis folge, dass ein Bieter nicht einfach annehmen dürfe, der Auftraggeber werde schon einen validen Grund für die Gesamtvergabe haben.
Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2023 verwiesen.
II.
Die gemäß § 172 GWB zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg. Die Antragsgegnerin hat bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht das Verfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen.
1. Der Nachprüfungsantrag ist insgesamt zulässig.
a) Der Antragsteller ist antragsbefugt, § 160 Abs. 2 GWB, auch wenn er kein Angebot abgegeben hat. Er trägt unbestritten vor, er habe keine Referenz für die Projektsteuerung einer Neugestaltung von Ausstellungen in Museen und sei daher an einer Angebotsabgabe gehindert. In einem derartigen Fall ist das nötige Interesse am Auftrag in ausreichender Weise durch eine Rüge nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB und die nachfolgende Stellung eines Nachprüfungsantrags dokumentiert (Horn/Hofmann in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Band 1, GWB, 4. Aufl. 2022, § 160 Rn. 28). Der Antragsteller rügt im Nachprüfungsverfahren gerade die Forderung dieser Referenz als unverhältnismäßig gemäß § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB sowie die fehlende Aufteilung in ein Los zur Projektsteuerung allgemein einerseits und ein Los zur Projektsteuerung Ausstellung andererseits und die fehlende bzw. mangelhafte Dokumentation insoweit. Diese stellen auch mögliche Rechtsverletzungen gemäß § 97 Abs. 6, § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB dar (zum bieterschützenden Charakter des § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB OLG Rostock, Beschl. v. 9. Dezember 2020, 17 Verg 4/20; Kus in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB, 5. Aufl. 2020, § 97 Rn. 223). Ferner erscheint es jedenfalls möglich, dass der Antragsteller ohne die Mindestanforderung bzw. im Fall einer Losaufteilung ein möglicherweise erfolgversprechendes Angebot hätte abgeben können, und ihm daher infolge der gerügten Rechtsverletzungen ein Schaden entstanden ist, § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB.
b) Der Antragsteller ist mit seinen Rügen nicht präkludiert, § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB.
aa) Bezüglich der Mindestanforderung einer Referenz über die Projektsteuerung der Neugestaltung von drei Ausstellungen (Dauerausstellungen) samt Schnittstellenmanagement liegt im Schreiben vom 7. September 2021 eine ausreichende und nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 GWB rechtzeitige Rüge, die auch den im Nachprüfungsverfahren ebenfalls bemängelten fehlenden Auftragsbezug der Referenz abdeckt. Ein Verstoß gegen § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB liegt ebenfalls nicht vor.
bb) Soweit der Antragsteller nunmehr die fehlende Losaufteilung nach § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB beanstandet, ist er damit ebenfalls nicht präkludiert. Zwar hat der Antragsteller die fehlende Losaufteilung weder im Rügeschreiben vom 7. September 2021 noch im Nachprüfungsantrag vom 30. September 2023 erwähnt.
(1) Ein aufgrund der Bekanntmachung oder der Vergabeunterlagen erkennbarer Verstoß im Sinn des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 GWB liegt aber nicht vor.
Die Erkennbarkeit des Verstoßes gegen eine Vergabevorschrift setzt einerseits die Erkennbarkeit der maßgeblichen Tatsachen, andererseits die Erkennbarkeit des Rechtsverstoßes voraus (OLG Frankfurt, Beschl. v. 30. März 2021, 11 Verg 18/20; OLG München, Beschl. v. 22. Oktober 2015, Verg 5/15; Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 20. Aufl. 2020, GWB § 160 Rn. 48). Dabei muss der Verstoß so deutlich zutage treten, dass er einem verständigen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots beziehungsweise seiner Bewerbung auffallen muss; übersteigerte tatsächliche und rechtliche Anforderungen dürfen diesbezüglich nicht an einen Bieter gestellt werden (OLG München, Beschl. v. 24. März 2021, Verg 12/20; vgl. auch OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 27. Oktober 2022, 54 Verg 7/22; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30. März 2021, 11 Verg 18/20; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19. September 2018, Verg 37/17).
Maßstab ist nach Ansicht des Senats ein durchschnittlich fachkundiger Bieter, der die übliche Sorgfalt anwendet. Ob für die Erkennbarkeit des Vergabeverstoßes ein objektiver, auf den durchschnittlichen verständigen Bewerber oder ein subjektiver, auf die individuellen Verhältnisse des Bieters abstellender Maßstab anzuwenden ist, wurde und wird kontrovers diskutiert (für einen objektiven Maßstab: OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 27. Oktober 2022, 54 Verg 7/22; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7. September 2022, 15 Verg 8/22, NZBau 2022, 615; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 30. März 2021, 11 Verg 18/20; OLG Rostock, Beschl. v. 21. Januar 2019, 17 Verg 8/18; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19. September 2018, Verg 37/17, NZBau 2019, 390; Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, GWB § 160 Rn. 51; Summa in jurisPK-Vergaberecht, Stand 31. Mai 2023, § 160 Rn. 305; Wiese in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, § 160 Rn. 126; für einen Vergabeverstoß bezüglich der Zuschlagskriterien auch EuGH, Beschl. v. 12. März 2015, C-538/13, NZBau 2015, 306 Rn. 52 ff.; für einen subjektiven Maßstab: Horn/Hoffmann in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Band 1, GWB § 160 Rn. 53 mit Zitaten aus der älteren Rechtsprechung; offengelassen: OLG München, Beschl. v. 24. März 2021, Verg 12/20; Beschl. v. 2. Juni 2016, Verg 15/15; OLG Celle, Beschl. v. 8. September 2011, 13 Verg 4/11). Der Senat schließt sich der ersten, inzwischen herrschenden Meinung an. Für diese spricht insbesondere die Übereinstimmung mit den Grundsätzen zur Auslegung der Vergabeunterlagen. Insoweit kommt es nicht auf das Verständnis des individuellen, konkreten Bewerbers an, sondern auf den objektiven Empfängerhorizont eines potenziellen Bieters (BGH, Beschl. v. 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31; BGH, Beschl. v. 3. April 2012, X ZR 130/10 Rn. 10; BayObLG, Beschl. v. 26. Mai 2023, Verg 2/23); maßgeblich ist, wie ein verständiger, sachkundiger und mit derartigen Beschaffungsvorgängen vertrauter Bieter die Vergabeunterlagen verstehen muss (BayObLG, Beschl. v. 3. Juni 2022, Verg 7/22; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 5. November 2019, 11 Verg 4/19). Es liegt nahe, nach denselben Grundsätzen auch die Erkennbarkeit von Vergabeverstößen aus den Vergabeunterlagen zu bewerten. Der objektive Maßstab steht ferner im Einklang mit dem Wortlaut des § 160 Abs. 3 GWB. Während der Rügetatbestand in Ziffer 1 explizit auf den Erkenntnisstand des konkreten Bieters abstellt, wird die individuelle Ausprägung in den Ziffern 2 und 3 nicht wiederholt, also keine Erkennbarkeit "für den Antragsteller", sondern nur die (generelle) Erkennbarkeit anhand der Bekanntmachung beziehungsweise der Vergabeunterlagen gefordert (so auch Dicks, a. a. O. Rn. 50).
Gemäß § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Unter dem Begriff "Fachlos" sind Leistungen zu verstehen, die von einem bestimmten Handwerks- oder Gewerbebetrieb ausgeführt werden, d. h. einem bestimmten Fachgebiet zuzuordnen sind. Für die Frage, ob die Bildung eines eigenständigen Fachloses geboten ist, kommt es darauf an, ob für die spezielle Leistung ein eigener Anbietermarkt mit spezialisierten Fachunternehmen seit längerem besteht oder sich gerade herausgebildet hat. Entscheidend ist mithin eine hinreichende Abgrenzbarkeit (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29. April 2022, 15 Verg 2/22; OLG München, Beschl. v. 9. April 2015, Verg 1/15; OLG Naumburg, Beschl. v. 14. Mär 2013, 2 Verg 8/12; Knauff in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, GWB § 97 Rn. 24; Kus in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB, § 97 Rn. 197).
Unter Anwendung dieser Grundsätze bestand vorliegend jedenfalls keine Rügepflicht des Antragstellers. Zwar war aus der Auftragsbekanntmachung ohne Weiteres ersichtlich, dass die Antragsgegnerin keine Losaufteilung vorgesehen hatte. Unter Ziffer II 1.6) ist ausdrücklich angeführt:
"Aufteilung des Auftrags in Lose: nein".
Indessen hätte für den Antragsteller nur dann eine Rügepflicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB bestanden, wenn auch erkennbar gewesen wäre, dass eine Pflicht zur Bildung eines Fachloses "Projektsteuerung Teilprojekt Ausstellungen" bestand. Dabei kann unterstellt werden, dass einem durchschnittlichen Bieter die grundsätzliche, in § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB verankerte Pflicht zur Bildung von Fachlosen bekannt ist. Indessen genügt dies nicht. Eine Rügepflicht setzt ferner voraus, dass ein durchschnittlich fachkundiger Bieter unter Anwendung der üblichen Sorgfalt auch erkennen kann, dass es einen eigenständigen Anbietermarkt mit spezialisierten Fachunternehmen im Bereich Projektsteuerung Ausstellungen gibt (vgl. OLG München, Beschl. v. 25. März 2019, Verg 10/18). Das Bestehen eines derartigen Markts kann in einzelnen Bereichen, wie etwa der Glasreinigung (vgl. Kus, a. a. O., Rn. 197; OLG München, Beschl. v. 25. März 2019, Verg 10/18) ohne Weiteres erkennbar sein. Vorliegend ist das Bestehen eines derart spezialisierten Markts aber weder nach dem Vortrag der Parteien noch sonst offensichtlich. Insbesondere war auch ein durchschnittlich fachkundiger Bieter unter Anwendung der üblichen Sorgfalt nicht verpflichtet, zunächst selbst eine Markterkundung durchzuführen, um sich Klarheit über das Bestehen eines speziellen Anbietermarkts und damit verbunden die Pflicht zur Fachlosbildung zu verschaffen. Allein aus der Tatsache, dass ein Bieter - wie vorliegend der Antragsteller - selbst über keine entsprechende Referenz verfügt, konnte und musste er auch noch nicht auf das Bestehen eines eigenen Anbietermarkts zur Projektsteuerung im Bereich Ausstellungen schließen.
Nur ergänzend sei auf Folgendes hingewiesen: Besteht nach § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB grundsätzlich eine Pflicht zur Losaufteilung, kann hiervon nach § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB abgesehen werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Ob eine Rügepflicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bzw. 3 GWB nur dann besteht, wenn auch die Gründe des Auftraggebers, von der Losbildung abzusehen, für den Bieter erkennbar waren, erscheint fraglich (abstellend auf die Erkennbarkeit der Gründe OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 14. Mai 2018, 11 Verg 4/18; Summa in jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl. Stand 31. Mai 2023, § 160 GWB Rn. 317 ff.; letztlich offengelassen von OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8. März 2017, Verg 39/16; nur auf die Erkennbarkeit der fehlenden Losaufteilung stellen ab OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 27. Oktober 2022, 54 Verg 7/22; Beschl. v. 13. Juni 2019, 54 Verg 2/19; OLG Celle, Beschl. v. 8. September 2011, 13 Verg 4/11). Dagegen spricht, dass bei Bestehen eines spezialisierten Marktes die Fachlosbildung den Regelfall und das Absehen davon die für den Auftraggeber begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, so dass nach den Umständen ein Vergabeverstoß naheliegt. Mit Sinn und Zweck der Rügepflicht erscheint es nur schwer zu vereinbaren, wenn der Bieter in einer derartigen Situation sich die Rüge des - naheliegenden - Vergabeverstoßes für den Fall vorbehalten kann, dass sein Angebot nicht zum Zuge kommen soll. Letztlich würde die Rügepflicht in erheblichem Umfang leerlaufen, wenn der Bieter erst nach Erkennbarkeit der Gründe des Auftraggebers, also häufig erst nach Einsicht in den Vergabevermerk, zur Rüge verpflichtet sein könnte. Vorliegend bedarf dies aber keiner Entscheidung.
(2) Der Antragsteller ist mit der Rüge entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB präkludiert. Der Einwand der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe nicht innerhalb von 10 Tagen nach Inanspruchnahme von Rechtsrat die fehlende Losaufteilung gerügt, überzeugt nicht. Eine Beratung durch eine Syndikusanwältin ist ebenso wie die Beauftragung einer externen Rechtsanwaltskanzlei nicht automatisch gleichzusetzen mit der Kenntnis sämtlicher denkbarer Verstöße gegen Vergabevorschriften.
(3) Mangels Präklusion kommt es weder auf die vom Antragsteller aufgeworfene Frage an, ob der Verstoß gegen die Losaufteilungspflicht von Amts wegen aufzugreifen ist, noch darauf, ob der Antragsgegner nach Beendigung der Aussetzung des Vergabeverfahrens nochmals eine Frist zur Angebotsabgabe zu setzen hat.
2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Zwar bestand keine Pflicht zur Fachlosbildung (dazu unten a]), jedoch verstößt die Forderung einer Referenz zur Projektsteuerung der Planung und Ausführung der Neugestaltung von wenigstens drei Dauerausstellungen im Rahmen des Neubaus, der Sanierung oder des Umbaus eines Museums gegen § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB (dazu unten b]).
a) Eine Pflicht zur Bildung von Fachlosen "Projektsteuerung allgemein / Teilprojekt Bau" und "Projektsteuerung Teilprojekt Ausstellungen" bestand nach § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB nicht. Wie bereits ausgeführt (siehe oben Ziffer 1 b] bb] [1]) hat eine Aufteilung in Fachlose grundsätzlich zu erfolgen, wenn sich für die konkrete Leistung ein eigener Anbietermarkt mit spezialisierten Fachunternehmen herausgebildet hat. Ein derartiger Anbietermarkt für Projektsteuerungsleistungen für die Neugestaltung von Ausstellungen ist jedoch nicht ersichtlich. Weder dem schriftsätzlichen Vortrag der Beteiligten noch den vorgelegten Unterlagen lässt sich entnehmen, dass ein solcher spezialisierter Anbietermarkt vorhanden wäre. Dass die Fachplanung für die Teilprojekte Bau und Ausstellungen unstreitig getrennt vergeben wurde, lässt nicht den Schluss darauf zu, es bestünden auch im Bereich der Projektsteuerung entsprechende spezialisierte Anbietermärkte. Die Tatsache, dass der Antragsteller zwar über Referenzen im Bereich der Projektsteuerung Bau, aber nicht über Referenzen für die Projektsteuerung Ausstellungen verfügt, bedeutet ebenfalls nicht zwingend, dass es sich insoweit um einen getrennten Markt für entsprechende Projektsteuerungsleistungen handelt. Ferner konnten in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2023 auf Nachfrage des Senats weder der Antragsteller noch die Antragsgegnerin bestätigen, dass ein entsprechender Spezialmarkt existiert.
Ob ausreichende wirtschaftliche und technische Gründe für eine Gesamtvergabe nach § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB vorlagen und ob diese dokumentiert wurden, bedarf daher keiner Entscheidung mehr.
b) Die von der Antragsgegnerin auch nach der Teilabhilfe noch als Mindeststandard geforderte Referenz einer "Projektsteuerung der Planung und Ausführung der Neugestaltung von wenigstens drei Einzelausstellungen (Dauerausstellungen) im Rahmen des Neubaus / der Sanierung / eines Umbaus eines Gebäudes einschließlich der Betreuung der Schnittstelle zum Bauprojekt" verstößt gegen § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB.
aa) Die als Mindeststandard für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit geforderte Referenz ist an § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB zu messen. Wenn eine Referenz gefordert wurde ohne Rückbezug zu eigenständig aufgestellten Eignungskriterien, definiert die Referenz konkludent auch die materiellen Eignungskriterien (BayObLG, Beschl. v. 29. Juli 2022, Verg 16/21; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 23. Dezember 2021, 11 Verg 6/21; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27. Juni 2018, Verg 4/18).
bb) Grundsätzlich steht dem Auftraggeber bei der Auswahl der Eignungskriterien ein Beurteilungsspielraum zu, der seine Grenzen in § 122 Abs. 4 GWB findet (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 23. Dezember 2021, 11 Verg 6/21; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27. Juni 2018, Verg 4/18). Es dürfen nur Eignungskriterien aufgestellt werden, die mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu ihm in einem angemessenen Verhältnis stehen. Die Eignungskriterien müssen geeignet und erforderlich sein, um die Leistungsfähigkeit in Bezug auf den ausgeschriebenen Auftragsgegenstand nachzuweisen. Dabei sind unter anderem die Komplexität des Auftrags und das Gewicht, das die ordnungsgemäße Auftragserfüllung für den Auftraggeber hat, in den Blick zu nehmen. Je komplexer der Auftragsgegenstand, desto höhere Eignungsanforderungen können gestellt werden (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 23. Dezember 2021, 11 Verg 6/21; Beschl. v. 30. März 2021, 11 Verg 18/20; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27. Juni 2018, Verg 4/18). In die Angemessenheitsprüfung einzubeziehen sind aber auch die Auswirkungen auf den Wettbewerb. Der Auftraggeber hat abzuwägen zwischen einer möglichst großen Auswahl an Angeboten und der Gefahr nicht ordnungsgemäßer Ausführung. Besonders hohe Anforderungen können unangemessen sein, wenn sie wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten, weil nur ein oder wenige Unternehmen sie erfüllen. In einem solchen Fall ist es nötig, dass die Anforderungen durch gewichtige Gründe gerechtfertigt sind. Je einschneidender der Wettbewerb beschränkt wird, desto höher sind die Anforderungen an die gewichtigen Gründe (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 30. März 2021, 11 Verg 18/20; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27. Juni 2018, Verg 4/18).
cc) Unter Anwendung dieser Grundsätze genügt die geforderte Referenz nicht mehr den Anforderungen des § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB. Zwar kann die geforderte Referenz nach Ansicht des Senats zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit als - noch - geeignet angesehen werden (dazu unten [1]). Jedoch sind die Anforderungen, soweit der Nachweis von Projektsteuerungsleistungen bezüglich dreier Dauerausstellungen gefordert wird, unter Berücksichtigung der damit notwendigerweise verbundenen Wettbewerbsbeschränkung unangemessen hoch (dazu unten [2]). Bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht obliegt es der Antragsgegnerin, im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats jedenfalls die gerügte Mindestreferenz neu zu fassen, sowie die Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Referenz zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit für die ausgeschriebene Projektsteuerungsleistung konkret und unter Berücksichtigung etwaiger wettbewerbsbeschränkender Wirkungen zu dokumentieren. Gegebenenfalls wäre auch klarzustellen, in welchem Umfang Nachunternehmer eingesetzt werden können und für welche konkreten Projektsteuerungsleistungen (z. B. in Bezug auf Teilprojekte oder das Gesamtprojekt) es der Referenz bedarf (vgl. dazu unten [2] [ee]).
(1) Die geforderte Referenz ist zwar auftragsbezogen, da sie gerade einen Teilbereich genau der Leistungen umfasst, die ausgeschrieben sind. Zugunsten der Antragsgegnerin kann auch angenommen werden, dass sie zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit geeignet ist, obwohl dies bereits gewissen Bedenken begegnet.
Zum einen bleibt mangels konkreter Definition schon unklar, wann aus Sicht der Antragsgegnerin "eine" Ausstellung und wann daher "drei" Ausstellungen vorliegen. Vorgaben zur Größe und zu den Themen der drei Ausstellungen finden sich ebenfalls nicht. Ob die Projektsteuerung der Neugestaltung von drei kleinen Einzelausstellungen beispielsweise eines Bauernhofmuseums tatsächlich den Rückschluss auf die Eignung für die Projektsteuerung im vorliegenden Großprojekt zulässt, mag zweifelhaft erscheinen, ist aber noch vom Beurteilungsspielraum gedeckt.
Zum anderen begründet die Antragsgegnerin das Erfordernis der drei Ausstellungen damit, dass Objekte mit unterschiedlichen konservatorischen Anforderungen, Klimaempfindlichkeit oder Transportgewicht wie etwa Flugzeuge oder Eisenbahnen einerseits und optische Geräte andererseits, auch zu unterschiedlichen Prozessen im Rahmen der Ausstellungsneugestaltung führten. Diese unterschiedlichen Prozesse müssten auch dem Projektsteuerer bekannt sein. Zweifelhaft erscheint indessen, ob zum Nachweis hierfür die konkret geforderte Referenz geeignet ist. Denn diese verlangt zwar die Neugestaltung von drei Ausstellungen, lässt aber offen, ob es sich tatsächlich um Ausstellungen mit deutlich unterschiedlichen Exponaten handelt. Von der Referenzanforderung gedeckt wären auch drei Ausstellungen mit Exponaten, bei denen sich z. B. die konservatorischen Anforderungen, Klimaempfindlichkeit und Transportgewicht kaum unterscheiden. Dennoch erscheint auch dies als noch vom Beurteilungsspielraum der Auftraggeberin gedeckt, zumal bei einer größeren Zahl an Ausstellungen sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es sich um Ausstellungen mit deutlich unterschiedlichen Arten von Exponaten handelt. Ferner würden weitergehende Vorgaben zu den geforderten Ausstellungen den Wettbewerb noch weiter einschränken (dazu noch unten [2]).
(2) Indessen stellt die Mindestreferenz zum Nachweis der Leistungsfähigkeit unangemessen hohe Anforderungen, insbesondere unter Berücksichtigung der damit notwendigerweise verbundenen Wettbewerbsbeschränkung.
(a) Nachvollziehbar und im Grundsatz nicht zu beanstanden ist die Vorgabe der Antragsgegnerin, dass der Bieter Erfahrungen mit der Steuerung und Koordinierung der Neugestaltung gerade von Ausstellungen in Museen vorweisen müsse.
Insoweit hat die Antragsgegnerin darauf verwiesen, dass vorliegend die konkreten Neugestaltungen der Ausstellungen in einem Parallelprozess entwickelt würden. Dazu gehörten auch die Prozesse zur Erstellung der Begleitmedien und zur Entwicklung der didaktischen Inhaltsvermittlung. Der Auftrag umfasse daher gerade auch die Organisation und Steuerung der inhaltlichen Entwicklungsprozesse in allen fünf vom Realisierungsabschnitt 2 betroffenen Ausstellungen. Hierbei seien eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Projektbeteiligter (Kuratoren, Grafikverantwortliche, Ausstellungsarchitekten, Textplaner, Ausstellungsplaner, Medienplaner, technische Planer, museumsinterne Planungs- und Ausführungsbeteiligte) mit den von ihnen verantworteten Prozessen zielgerichtet zu organisieren und zu steuern. Zudem müsse der Umgang mit konservatorischen Vorgaben bekannt sein, um eine entsprechende Organisation aufzubauen und gegebenenfalls korrigierend eingreifen zu können. Es gehe um die Synchronisierung der gesamten inhaltlichen Entwicklungsprozesse mit den übrigen Planungsabläufen und die Integration in das Bauprojekt und Gebäude.
Diese Erwägungen sind jedenfalls nachvollziehbar. Dabei verkennt der Senat nicht, dass Auftragsgegenstand nicht die Planung, sondern die Projektsteuerung ist, und dass auch im Rahmen von reinen Bauprojekten unter Umständen umfangreiche und schwierige Prozesse etwa betreffend Innenausbau einerseits und Außenaufbau andererseits zu koordinieren sind. Auch verweist der Antragsteller zutreffend darauf, dass es hochkomplexe Bauvorhaben mit ganz speziellen, sensiblen Nutzeranforderungen gibt wie etwa den Krankenhausbau, OP- und Diagnostikraumausstattungen, Tierforschungshäuser oder Museumsbau mit besonderen gestalterischen Anforderungen, bei denen ebenfalls eine Vielzahl verschiedener Projektbeteiligter samt der maßgeblichen Prozesse zu steuern sind. Indessen unterscheiden sich derartige Projekte von dem vorliegenden insoweit, als die vom Antragsteller angeführten, zu beachtenden (Nutzer-) Vorgaben wie Hygiene- oder Tierschutzvorschriften, raumklimatische, Beleuchtungs- und Akkustikanforderungen regelmäßig bereits bei Beginn des Projekts weitgehend absehbar sind oder sogar feststehen. Dagegen sind im hiesigen Projekt die Nutzervorgaben aufgrund der gleichzeitig mit der Gebäudesanierung laufenden Neugestaltung von Ausstellungen vorab nicht bekannt, sondern werden in Parallelprozessen erst entwickelt. Dadurch ist mit einer Vielzahl höchst unterschiedlicher Beteiligter und parallel ablaufenden, komplexen Prozessen zu rechnen. Dass sich daraus weitergehende Anforderungen auch an die Projektsteuerung, die Koordinierung der Prozesse und Termine, die Einhaltung von Qualitätsvorgaben und Kostenrahmen ergeben, erscheint jedenfalls nachvollziehbar.
Ferner handelt es sich um ein äußerst umfangreiches Projekt mit der gleichzeitigen Neugestaltung nicht einer, sondern von fünf Ausstellungen. Es ist aus Sicht des Senats daher per se nicht zu beanstanden, wenn als Mindestanforderung eine Referenz mit Erfahrung in der Projektsteuerung der Neugestaltung von Ausstellungen gefordert wird.
(b) Allerdings sind in der Gesamtschau die von der Antragsgegnerin geforderten Mindeststandards unverhältnismäßig hoch und geeignet, den Wettbewerb in einer Weise zu beschränken, die sich auch mit der ganz erheblichen Bedeutung des Projekts nicht mehr rechtfertigen lässt.
(aa) Die Zahl möglicher als Referenz in Betracht kommender Projekte wird bereits dadurch deutlich eingeschränkt, dass es sich um die Neugestaltung von Dauerausstellungen handeln muss. Die Projektsteuerung in Bezug auf die Neugestaltung von temporären oder Wanderausstellungen genügt hingegen nicht. Weshalb die Neugestaltung einer Dauerausstellung erforderlich sein soll, erschließt sich nicht. Die Antragsgegnerin trägt dazu vor, es gebe einen grundlegenden Unterschied zwischen temporären und Dauerausstellungen in Bezug auf die Programmatik, die Dauerhaftigkeit und Qualität, die Komplexität der technischen Anlagen, die Planungen für spätere Aktualisierungsmöglichkeiten und die konservatorischen Anforderungen. Auch würden nur bei Dauerausstellungen sogenannte "Mock-Ups" (insbesondere zum Test der Haltbarkeit) erstellt. Zwar erscheinen die angeführten Unterschiede nachvollziehbar. Jedoch vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die dargestellten Differenzen nicht nur die Planung und Gestaltung der Ausstellung, sondern auch die Projektsteuerung signifikant beeinflussen. Dass sich auf der Ebene der Projektsteuerung spürbare Unterschiede zwischen der Neugestaltung von temporären und von Dauerstellungen ergeben, hat die Antragsgegnerin auch unter Berücksichtigung ihrer ergänzenden Erläuterung in der mündlichen Verhandlung (insbesondere zu den Mock-Ups) nicht hinreichend darzustellen vermocht.
(bb) Eine weitere erhebliche Einschränkung in Bezug auf mögliche Referenzen folgt daraus, dass diese sich auf die Neugestaltung von drei Dauerausstellungen beziehen müssen. Insoweit hat die Antragsgegnerin insbesondere darauf verwiesen, dass unterschiedliche Ausstellungsgegenstände wie etwa große Maschinen oder Fahrzeuge einerseits oder klimasensible Exponate wie optische Geräte andererseits auch verschiedene Schwerpunkte in den jeweils zu koordinierenden Prozessen bedingten. Aufgabe des Projektsteuerer sei es, ganz unterschiedliche Prozesse zu verschiedenen Zeiten anzustoßen. In der mündlichen Verhandlung hat die Antragsgegnerin hierzu ergänzt, bei der Forderung nach einer Referenz mit drei Dauerausstellungen sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um Exponate mit unterschiedlichen Anforderungen gehandelt habe. Man habe aber auch keine zu spezifischen Anforderungen an den Ausstellungsinhalt festlegen wollen. Auch wenn es daher keine Vorgaben bezüglich des Inhalts der drei Dauerausstellungen (und auch nicht bezüglich der Größe und Themen) gibt, handelt es sich um hohe Anforderungen, wie die Antragsgegnerin selbst eingeräumt hat. Die Vorgabe der drei Dauerstellungen ist jedenfalls geeignet, den möglichen Bewerberkreis erheblich einzuschränken. Es mag, wie die Antragsgegnerin ausgeführt hat, eine Vielzahl an Museen geben, die innerhalb der letzten zehn Jahre Umbauten und eine Neugestaltung ihrer Ausstellungen vorgenommen und dabei Projektsteuerer beschäftigt haben. Die Eignung als Referenz erfordert aber, dass es sich um Museen handelte, die über mindestens drei Dauerausstellungen verfügten und diese gleichzeitig mit Neubau-, Umbau- oder Sanierungsmaßnahmen neu gestalteten. Erschwerend kommt hinzu, dass es auch nach dem Vortrag der Antragsgegnerin keine einheitliche Definition gibt, was überhaupt unter "einer" Ausstellung zu verstehen ist. Sofern daher ein Museum seine gesamten Exponate als eine einheitliche Sammlung und Dauerausstellung versteht, könnte ein mit der Neugestaltung beauftragter Projektsteuerer dies dennoch nicht als taugliche Referenz für die hiesige Ausschreibung angeben, selbst wenn es sich um ein großes Museum mit einer Vielzahl unterschiedlichster Arten von Exponaten handelte. Unter diesem Aspekt erscheint ferner fraglich, ob zum Nachweis der Erfahrung im Umgang mit unterschiedlichsten Exponaten es tatsächlich erforderlich ist, dass eine Referenz bezogen auf drei Dauerausstellungen nachgewiesen wird.
(cc) Die dargestellten hohen Referenzanforderungen sind schon an sich geeignet, den Wettbewerb erheblich einzuschränken. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin als weitere Mindestanforderung zwei Referenzen über eine Projektsteuerung bei Bauvorhaben mit Baukosten über mindestens 100 Millionen Euro brutto und einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren fordert. Weitere Mindestvoraussetzung ist eine Beschäftigung von mindestens 80 Mitarbeitern, davon mindestens 50 Architekten und Bauingenieure. Der Senat verkennt nicht, dass diese Mindestanforderungen vom Antragsteller nicht gerügt wurden. Indessen können bei der Prüfung, in welchem Umfang die (gerügte) Mindestanforderung einer Ausstellungsreferenz wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfaltet, die weiteren Mindestanforderungen nicht gänzlich außer Betracht bleiben. Dass es überhaupt eine nennenswerte Anzahl von Projektsteuerungsbüros dieser Größe gibt, die zudem über die geforderten Referenzen in Bezug auf die Neugestaltung dreier Dauerausstellungen verfügen, hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt. Die Behauptung, bei Internetrecherchen fänden sich allein in Berlin mindestens fünf große Museumsprojekte aus den Jahren 2010 bis 2020, die von unterschiedlichen Projektsteuerungsbüros als Referenzen angeführt würden, genügt nicht. Die Antragsgegnerin hat schon nicht dargetan, dass die Projekte in Berlin jeweils die Neugestaltung von mindestens drei Dauerausstellungen umfasst hätten. Auch ist von ihr weder ausgeführt noch sonst ersichtlich, dass die recherchierten Projektsteuerungsbüros die geforderte Zahl an Mitarbeitern, Architekten und Bauingenieuren hätten.
(dd) Etwas anderes lässt sich auch nicht aus dem tatsächlichen Verlauf des Vergabeverfahrens ableiten. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin ist nur ein Angebot (des P.) eingegangen. Dies stellt allenfalls ein Indiz für, aber nicht gegen eine erhebliche wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Referenzanforderungen dar. Dass sich fünf bis sechs Unternehmen für die Ausschreibung interessiert hätten, wie die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung weiter ausgeführt hat, ändert hieran nichts. Wenn ein Interessent nach Einblick in die Auftragsbekanntmachung von der Abgabe eines Angebots absieht, spricht dies eher dafür, dass die gestellten Anforderungen (zu) hoch waren. Jedenfalls lässt sich aus dem bloßen Interesse der Unternehmen nicht folgern, der Wettbewerb sei durch die Referenzanforderungen nicht übermäßig beschränkt worden.
(ee) Zu keinem anderen Ergebnis führt es, dass den Bietern der Einsatz von Nachunternehmern oder die Bildung von Bietergemeinschaften offen gestanden hätte. Zwar ergibt sich aus dem "Formblatt Referenzen", dass die Referenzangaben sich auch auf das jeweilige Mitglied der Bietergemeinschaft oder den Nachunternehmer beziehen können. Auch ist in der Auftragsbekanntmachung unter III. 1.3) zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit vorgesehen, dass die Anteile des Auftrags, die an Unterauftragnehmer vergeben werden sollen und der Name des jeweiligen Unterauftragnehmers samt gesonderter Eigenerklärung anzugeben sei. Ob es sich aus den Unterlagen hinreichend klar ergibt, dass - wie von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung dargestellt - nur der Teilprojektleiter Ausstellungen, nicht aber der Gesamtprojektleiter von dem Büro gestellt werden muss, das über die Ausstellungsreferenz verfügt, mag fraglich erscheinen, kann aber vorliegend zugunsten der Antragsgegnerin unterstellt werden. Denn auch dies ändert nichts daran, dass selbst bei Einsatz eines Nachunternehmers für die Steuerung des Teilprojekts Ausstellungen jedenfalls dieser die dargestellten hohen Referenzanforderungen (Projektsteuerung der Neugestaltung von drei Dauerausstellungen im Rahmen des Neubaus, des Umbaus oder der Sanierung eines Museums samt Betreuung der Schnittstellen zum Bauprojekt) zu erfüllen hätte. Im Übrigen wurde, wie ausgeführt, tatsächlich nur ein Angebot abgegeben. Dass die Möglichkeit, Nachunternehmer einzusetzen, die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der hohen Referenzanforderungen signifikant abgemildert hätte, erschließt sich daher nicht.
(ff) Der Senat verkennt nicht, dass es sich vorliegend um ein äußerst umfangreiches und komplexes Projekt handelt, das erhebliche Herausforderungen auch für die Projektsteuerung mit sich bringt und von großer Bedeutung für die Antragsgegnerin ist. Auch dies vermag jedoch die streitgegenständliche Mindestanforderung nicht mehr zu rechtfertigen.
c) Ob die Vergabedokumentation den Vorgaben des § 8 VgV genügte und in welchem Umfang etwaige Defizite durch die Erläuterungen in den Schriftsätzen und in den mündlichen Verhandlungen geheilt wurden, bedarf keiner Entscheidung.
d) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der Nachprüfungsantrag nicht deshalb unbegründet, weil es an einer (zumindest nicht ausschließbaren) Beeinträchtigung der Chance des Antragstellers auf den Zuschlag fehlte.
Wurde ein Bieter in seinem Recht auf Einhaltung der Vergabevorschriften verletzt, bleibt sein Nachprüfungsantrag dennoch ohne Erfolg, wenn ihm tatsächlich weder ein Schaden entstanden noch ein solcher wahrscheinlich ist. Die Vergabekammer und der Vergabesenat sind keine allgemeinen Kontrollinstanzen, die abstrakt für die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der objektiven Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens sorgen (BayObLG, Beschl. v. 11. Januar 2023, Verg 2/21; Beschl. v. 29. Juli 2022, Verg 13/21; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20. Dezember 2019, Verg 18/19).
Vorliegend hat der Antragsteller zwar unstreitig keine eigene Referenz für die Projektsteuerung Ausstellungen vorzuweisen, auch nicht bezogen auf nur eine temporäre oder eine Dauerausstellung. Indessen bedeutet dies nicht, dass im Fall einer Rückversetzung und Neugestaltung der Auftragsbekanntmachung in Bezug auf die Mindestanforderungen der Antragsteller keinerlei Aussichten auf den Zuschlag hätte. Dem Antragsteller stünde gegebenenfalls die Möglichkeit offen, sich eines Nachunternehmers zu bedienen oder eine Bietergemeinschaft zu bilden. Zudem kommt der Antragsgegnerin ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu, wie sie die Mindestanforderung neu fassen möchte. Zwar hat sie die Rechtsauffassung des Senats zu beachten; dies schließt aber eine deutlich umfassendere Neugestaltung nicht aus. Insbesondere ist die vorliegende Situation gerade nicht mit der Fallkonstellation vergleichbar, in der zwar eine Rechtsverletzung festzustellen ist, das Angebot des Antragstellers aber aus anderen Gründen ohnehin vom Vergabeverfahren auszuschließen wäre und somit keinerlei Chancen auf den Zuschlag hätte.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer sowie die zur Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragstellers folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 GWB. Danach trifft denjenigen die Kostenlast, der im Verfahren unterliegt. Für die Frage, ob ein Antragsteller vollständig oder teilweise obsiegt, kommt es nicht darauf an, ob er mit sämtlichen geltend gemachten Rügen durchzudringen vermag, sondern ob er bei wertender Betrachtung das Ziel seines Nachprüfungsantrags erreicht (vgl. Krohn in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Band 1, GWB § 182 Rn. 13 f.; von Werder in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, GWB § 182 Rn. 6 ff.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Antragsgegnerin die Kosten insgesamt zu tragen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Antragsteller mit seinen Beanstandungen nicht vollständig durchdringt. Weder ist die vom Antragsteller gewünschte Losaufteilung erforderlich, noch ist die Forderung nach einer Referenz von Projektsteuerungsleistungen im Rahmen der Neugestaltung einer Ausstellung per se unzulässig, wie der Antragsteller meint. Indessen ist das Verfahren von der Antragsgegnerin dennoch (bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats) in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen, was dem Antragsteller letztlich die Möglichkeit einer Beteiligung - gegebenenfalls unter Einbeziehung eines Nachunternehmers - eröffnet.
Einer Entscheidung, ob die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsteller im Verfahren vor der Vergabekammer erforderlich war, bedarf es nicht, da der Antragsteller erst im Beschwerdeverfahren durch eine externe Anwaltskanzlei vertreten wurde. Bei den unter Ziffer 3 des Tenors im Beschluss der Vergabekammer festgesetzten Gebühren hat es sein Bewenden.
Für das Beschwerdeverfahren bemisst sich die Entscheidung über die Tragung der Kosten und die notwendigen Auslagen des Antragstellers nach § 175 Abs. 2, § 71 Satz 1 GWB. Aus den oben dargestellten Erwägungen entspricht es der Billigkeit, der Antragsgegnerin auch für das Beschwerdeverfahren die Pflicht zur Tragung der Gerichtskosten und der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragstellers aufzuerlegen.
4. Für den Streitwert war mangels Angebot des Antragstellers vom voraussichtlichen Auftragswert nach dem Vergabevermerk der Antragsgegnerin auszugehen. Gemäß § 50 Abs. 2 GKG war damit der Streitwert, wie in der mündlichen Verhandlung im Einvernehmen mit den Beteiligten erörtert, auf bis zu 380.000,00 Euro festzusetzen.
Nachweis der Leistungsfähigkeit bei Eignungsleihe nicht erst nach...
Nachweis der Leistungsfähigkeit bei Eignungsleihe nicht erst nach Auftragsvergabe!
EuGH, Beschluss vom 10.01.2023 - Rs. C-469/22
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Nachprüfungsantrag unzulässig: Fortsetzungsfeststellungantrag auch!
OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.08.2023 - 11 Verg 1/23
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Verzug und/oder Mängel bei früherem Auftrag sind ein Ausschlussgrund!
VK Bund, Beschluss vom 17.08.2023 - VK 2-56/23
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Preis ungewöhnlich niedrig: Bieter muss "Seriosität" des Angebots nachweisen!
OLG Schleswig, Beschluss vom 19.07.2023 - 54 Verg 3/23
Mündliche Kommunikation mit Bietern muss hinreichend dokumentiert...
Mündliche Kommunikation mit Bietern muss hinreichend dokumentiert werden!
VK Sachsen, Beschluss vom 28.07.2023 - 1/SVK/011-23
Rüge "ins Blaue" hinein: Nachprüfungsantrag unzulässig!
Rüge "ins Blaue" hinein: Nachprüfungsantrag unzulässig!
VK Hessen, Beschluss vom 26.06.2023 - 96 e 01.02/23-2023
Ausschreibungsfreie "Schwester-Schwester-Vergabe" nur bei alleini...
Ausschreibungsfreie "Schwester-Schwester-Vergabe" nur bei alleiniger Kontrolle!
OLG Naumburg, Beschluss vom 03.06.2022 - 7 Verg 1/22
Aufhebung der Ausschreibung auch ohne Aufhebungsgrund?
Aufhebung der Ausschreibung auch ohne Aufhebungsgrund?
VK Bund, Beschluss vom 16.02.2023 - VK 1-1/23
Bieterangabe mit Zusatz "oder gleichwertig" führt zum Angebotsaus...
Bieterangabe mit Zusatz "oder gleichwertig" führt zum Angebotsausschluss!
VK Bund, Beschluss vom 16.05.2023 - VK 2-28/23
Wann erfüllt ein Angebot die geforderte Textform?
Wann erfüllt ein Angebot die geforderte Textform?
VK Westfalen, Beschluss vom 07.08.2023 - VK 1-22/23