OLG Düsseldorf
Beschluss
vom 29.05.2024
Verg 35/23
1. Die Zuschlagskriterien spiegeln wider, wie der Auftraggeber im jeweiligen Vergabeverfahren das Preis-Leistungs-Verhältnis bewerten möchte, wenn sich bei den Angebotspreisen einerseits und der Qualität des Angebots andererseits unterschiedliche Rangfolgen ergeben. Hierfür ist ihm ein weiter Beurteilungs- und Handlungsspielraum eröffnet.
2. Der Auftraggeber verstößt gegen das Gebot, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, wenn er bezüglich eines Kriteriums vorsieht, dass der Bewerber mit dem besten Wertungsergebnis in diesem Kriterium 5 Punkte und der Bewerber mit dem schlechtesten Wertungsergebnis 0 Punkte erhält - unabhängig davon, welchen Punkteabstand sein Angebot zu dem am besten bewerteten Angebot hat.
3. Das gilt nicht nur dann, wenn zwei Angebote eingegangen sind, sondern auch, wenn das Bewertungssystem unabhängig von der Anzahl der eingegangenen Angebote die Bewertung des schlechtesten Angebots mit null Punkten vorsieht und diese Bewertung mit null Punkten unabhängig davon erfolgt, welchen Punkteabstand dieses Angebot zu den anderen Angeboten hat.
4. Auch Wertungssysteme, welche null Punkte für den schlechtesten Bieter in einem Wertungskriterium vorsehen, können eine transparente und wettbewerbskonforme Auftragsvergabe gewährleisten. Voraussetzung dafür ist aber, dass nicht das schlechteste Angebot völlig unabhängig von seinem Punkteabstand zu den anderen Angeboten mit null Punkten bewertet wird.
vorhergehend:
VK Bund, Beschluss vom 07.12.2023 - VK 2-82/23
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch das in Ziff. 5 der "EU-Aufforderung zur Erstangebotsabgabe/Verhandlung" festgelegte Wertungssystem zum Kriterium 2 sowie die auf dieser Grundlage getroffene Wertungsentscheidung in ihren Rechten verletzt ist.
Der Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 07.12.2023 (VK 2-82/23 BKartA) ist gegenstandslos.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin als Gesamtschuldner zu tragen.
Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Antragstellerin hat von den Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin 2/3 zu tragen. Die Antragsgegnerin hat von den Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin 1/3 der Kosten zu tragen. Die Antragstellerin hat zudem die Kosten der notwendigen Rechtsverteidigung der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren zu tragen.
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin machte mit Absendung vom 05.06.2023 die beabsichtigte Vergabe der "Entwurfsplanung für drei Überführungsbauwerke in schneller Bauweise" (Bekanntmachungsnummer ...) im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb europaweit bekannt. Der zu vergebende Auftrag betrifft drei in die Zuständigkeit der Antragsgegnerin fallende Brückenbauwerke über die A43 zwischen dem Autobahnkreuz C. und der Anschlussstelle C.1 (I., P. sowie A.). Nach Ziff. II.2.9 der Bekanntmachung sollten mindestens drei und höchstens fünf Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Die Antragsgegnerin forderte mit Angebotsaufforderung vom 07.08.2023 (Anlage ASt 2) nach Auswertung der Teilnahmeanträge drei Unternehmen - neben der Antragstellerin und der Beigeladenen einen weiteren Teilnehmer - zur Abgabe eines Erstangebots bis zum 20.09.2023 auf.
Der Preis war nicht das einzige Zuschlagskriterium (vgl. Ziff. II.2.5 der Bekanntmachung). Nach Ziff. 5 der "EU-Aufforderung zur Erstangebotsabgabe/Verhandlung" (Aufforderungsschreiben) waren neben dem Preis mit 40% Gewichtung die Erläuterungskonzepte "Projektspezifische Lösungsansätze mit dem Schwerpunkt Brückenbau in schneller Bauweise" mit 60% Gewichtung weiteres Zuschlagskriterium.
Im Kriterium 1 "Honorar/Preis" sollte bei der Wertung das günstigste Angebot 5 Punkte, ein fiktives Angebot mit dem 2,0-fachen des niedrigsten Preises sollte null Punkte erhalten und bei den dazwischenliegenden Angeboten sollte eine Interpolation mit bis zu drei Nachkommastellen erfolgen.
Im Kriterium 2 "Projektspezifische Lösungsansätze mit dem Schwerpunkt Brückenbau in schneller Bauweise" sollte die Wertung wie folgt erfolgen:
" ...
Die Erläuterungskonzepte mit dem Schwerpunkt "Brücken in schneller Bauweise" werden wie folgt gewertet:
...
Die Wertung der Einzelkriterien erfolgt in einer Spanne von 0-5 Punkten, wobei nur volle Punktzahlen vergeben werden.
Die Wertung erfolgt unabhängig voneinander durch drei Ingenieure der Bauabteilung. Aus der Gesamtsumme der drei Einzelwertungen wird das arithmetische Mittel gebildet.
Der Bewerber mit der höchsten Punktzahl erhält 5 Punkte. Der Bewerber mit der niedrigsten Punktzahl erhält 0 Punkte. Dazwischen wird linear interpoliert und mathematisch auf volle Punkte aufgerundet."
Die Leistungsbeschreibung enthält Bauwerkskenndaten zu allen drei Brückenbaumaßnahmen. Danach ist ein maximaler Vorfertigungsgrad der Unterbauten und des Überbaus vorzusehen und die Planung von innovativen Bauverfahren zur Erreichung des Ziels ausdrücklich erwünscht. Schließlich heißt es dort zu jedem der drei Bauprojekte:
"Die Entwurfsplanung darf keine patent- oder urheberrechtlich geschützten Bauverfahren, Bauelement oder Bauteile beinhalten, die bei der späteren Vergabe der Bauleistung einen Auftragnehmer-Bau bevorzugt, oder diesem einen Vorteil gegenüber anderen Mitbietern gewährt."
Nur die Antragstellerin und die Beigeladene gaben ein Angebot ab. Das Angebot der Antragstellerin war das preisgünstigste und erhielt beim Zuschlagskriterium Preis die volle Punktzahl. Bei der Wertung des Kriteriums 2 "Lösungsansätze mit dem Schwerpunkt Brückenbau in schneller Bauweise" wurde das Angebot hingegen schlechter bewertet als das der Beigeladenen und erhielt null Punkte. Die Antragsgegnerin verzichtete auf eine Interpolation, weil es - angesichts des Umstands, dass nur zwei Angebote abgegeben worden waren - die niedrigste Gesamtpunktzahl erlangt hatte.
Mit Bieterinformationsschreiben vom 12.10.2023 (Anlage ASt 3) teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin gemäß § 134 GWB mit, dass sie beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Zugleich teilte sie ihr die von ihr in den Kriterien Preis und "Projektspezifische Lösungsansätze" erlangten Punkte sowie die erreichte Gesamtpunktzahl der Beigeladenen mit.
Nachdem die Antragstellerin um Aufklärung gebeten hatte (vgl. Anlage ASt 4), aus welchem Grund sie in dem Zuschlagskriterium "Projektspezifische Lösungsansätze" nur null Punkte erlangt habe, übersandte die Antragsgegnerin ihr die "Angebotswertung Kriterium 2 - Zusammenfassung" ihres Angebots (vgl. Anlage ASt 5).
Mit Rügeschreiben vom 13.10.2023 (Anlage ASt 6) rügte die Antragstellerin sowohl die Wertung ihres Angebots im Wertungskriterium 2 "Projektspezifische Lösungsansätze" als auch die Bewertungsmethodik. Die Antragstellerin machte geltend, die Juroren hätten in den Unterkriterien 1 und 3 unzutreffend angenommen, es handle sich bei den eingereichten Plänen um ein Plagiat der I. Schnellbaubrücke und das entsprechende Bauverfahren sei patent- beziehungsweise urheberrechtlich geschützt. Im Unterkriterium 2 ginge die Antragsgegnerin fehlerhaft davon aus, dass die Antragstellerin die Stützweite von 43 m nicht erkannt habe. Vielmehr sei die Stützweite von 43 m in der Bauweise mit bewehrter Erde kombinierbar. Ein Widerlager aus KBE benötige entgegen den Ausführungen der Wertung keine Zulassung im Einzelfall (ZiE), was die Antragsgegnerin auch im Unterkriterium 5 verkannt habe. Schließlich sei auch die Behauptung im Unterkriterium 4, Bauformsteine seien eine veraltete Bauweise, falsch. Vielmehr handle es sich um eine effiziente, vielfach erprobte und angewandte Bauweise. Darüber hinaus sei die angewandte Bewertungsmethodik zur Qualitätsbewertung im Kriterium 2 "Projektspezifische Lösungsansätze" insgesamt vergaberechtsfehlerhaft, weil es an einer linearen Interpolation fehle.
Die Antragsgegnerin half der Rüge mit Schreiben vom 19.10.2023 (Anlage ASt 8) nicht ab. Sie erklärte jedoch, dass sie die mit der Rüge vorgebrachten Punkte zum Anlass genommen habe, die Dokumentation des Bewertungsergebnisses noch einmal zu überdenken. Zu den einzelnen Unterpunkten führte sie aus, dass im Unterkriterium 1 mit der Einschätzung der Juroren, das Angebot der Antragstellerin stelle ein Plagiat dar, lediglich zum Ausdruck habe gebracht werden sollen, dass es dem Konzept der Antragstellerin an Eigenständigkeit fehle und die Ursprünglichkeit des Konzepts nicht nachvollziehbar sei. Teil der erwartbaren bepunkteten Analyse im Unterkriterium 2 wäre gewesen, die geforderte Stützweite von 43 m mit den eingereichten 36 m abzugleichen und überzeugend darzustellen, dass eine solche Kombination mit bewehrter Erde möglich sei. Insoweit sei für diese Bauweise eine Zulassung im Einzelfall (ZIE) einzuholen. Die zu Unterpunkt 3 gemachten Rügen seien richtig, hätten jedoch keinen Einfluss auf die vorgenommene Wertung genommen. Entscheidend für die Angebotswertung sei gewesen, dass im vorgelegten Konzept nicht auf die aktuellen Fragestellungen eingegangen worden sei. Betreffend Unterpunkt 4 könnten sich auch erprobte, angewendete und bewährte Bauweisen als nicht das beste Konzept herausstellen. Betreffend die Bewertungsmethodik sei eine Interpolation unterblieben, weil nur zwei Angebote eingereicht worden seien.
Mit ergänzendem Rügeschreiben vom 19.10.2023 (Anlage ASt 9) rügte die Antragstellerin, dass das Wertungssystem in Bezug auf das Kriterium 2 in denjenigen Fällen vergaberechtswidrig sei, in denen - wie hier - tatsächlich nur zwei Bieter Angebote abgeben, denn das unterlegene Angebot erhalte selbst bei geringsten qualitativen Unterschieden zum führenden Angebot insgesamt nur null Punkte.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 20.10.2023 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag gestellt zu dessen Begründung sie ihre Rügen in Bezug auf die Wertung ihres Angebots im Wertungskriterium 2 "Projektspezifische Lösungsansätze" und betreffend die Bewertungsmethodik - keine Interpolation bei zwei eingereichten Angeboten - wiederholt hat.
Die Antragstellerin hat - was sich aus dem Beschluss der Vergabekammer, nicht aber dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ergibt - beantragt,
1. die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 160 ff. GWB gegen die Antragsgegnerin anzuordnen;
2. der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen und die Antragsgegnerin stattdessen zu verpflichten, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht die Prüfung und Wertung des Angebots der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen;
hilfsweise:
die Antragsgegnerin zu verpflichten bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Verfahren zurückzuversetzen und die Wertungsmatrix für die Angebotswertung zu ändern und das Verhandlungsverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen;
3. der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen;
4. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin notwendig war;
5. Akteneinsicht gemäß § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren;
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
2. die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin der Antragstellerin aufzuerlegen;
3. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin für notwendig zu erklären.
Die mit Beschluss vom 23./30.10.2023 hinzugezogene Beigeladene hat keine Anträge gestellt.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben die Ansicht vertreten, der Nachprüfungsantrag sei, soweit er gegen die Bewertungsmethode im Kriterium 2 gerichtet sei, bereits unzulässig, da er nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB präkludiert sei. Die Bewertungsmethodik sei den Bietern spätestens mit Erhalt der Aufforderung zur Abgabe des Erstangebots vom 07.08.2023 bekannt gewesen, so dass etwaige Vergaberechtsfehler bereits zu diesem Zeitpunkt erkennbar gewesen seien. Jedenfalls sei der Nachprüfungsantrag unbegründet. Die von der Antragstellerin zugrunde gelegte Wertungsmatrix sei vergaberechtskonform. Die Auswahl und Festlegung der Zuschlagskriterien sowie deren Gewichtung unterfielen einem weiten Bestimmungsrecht des Auftraggebers. Jedenfalls wäre auf das Angebot der Antragstellerin auch dann nicht der Zuschlag zu erteilen gewesen, wenn eine Interpolation der Wertungspunkte stattgefunden hätte. Dann hätte die Antragstellerin 2,25 Punkte erreicht, so dass ausgeschlossen werden könne, dass der Antragstellerin durch den von ihr behaupteten Vergaberechtsverstoß ein Schaden entstanden sei.
Die konkrete Angebotswertung durch die Juroren sei zudem frei von Beurteilungs- und Ermessensfehlern erfolgt. Die im Vergleich zur Beigeladenen schlechtere Bewertung des Konzepts der Antragstellerin sei maßgeblich darauf zurückzuführen, dass diese keine projektspezifischen Lösungen vorgeschlagen, sondern sich auf allgemeingültige Vorschläge beschränkt habe, wie sich aus der mit Schriftsatz vom 27.10.2023 im Nachprüfungsverfahren eingereichten Tabelle ergebe, welche die in der Bewertung niedergeschlagenen qualitativen Unterschiede der beiden Konzepte zueinander deutlich mache.
Die Vergabekammer hat mit dem angefochtenen Beschluss den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei insgesamt zulässig aber unbegründet. Die Rüge der Bewertungsmethodik sei nicht bereits nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Selbst wenn für die Antragstellerin die Vergaberechtswidrigkeit der Bewertungsmethodik erkennbar gewesen sein sollte - was die Vergabekammer im Ergebnis offen lässt -, habe ihr im Zeitpunkt der Angebotsabgabe jedenfalls die Tatsachenkenntnis gefehlt, dass lediglich zwei Angebote abgegeben werden würden, wodurch das "Alles-Oder-Nichts-Prinzip" überhaupt erst zum Tragen gekommen sei. In der Sache habe der Nachprüfungsantrag keinen Erfolg. Zwar sei die seitens der Antragstellerin gerügte Wertungsmethodik vergaberechtswidrig, der Antragstellerin sei hierdurch jedoch kein Schaden entstanden. Das Angebot hätte selbst im Falle einer Interpolation keine Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt. Die Wertungsentscheidung habe die Antragsgegnerin in Bezug auf die gerügten Wertungsgesichtspunkte insgesamt beurteilungs- und ermessensfehlerfrei getroffen.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 19.12.2023 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, das Bewertungssystem sei fehlerhaft und rechtswidrig. Die Antragsgegnerin als öffentlicher Auftraggeber missachte die Selbstbindung an die von ihr bekannt gemachte Gewichtung der Kriterien, wenn dasjenige Angebot, welches in dem Kriterium 2 die niedrigste Punktzahl erlangt, mit null Punkten bewertet werde. Es sei - wenn nur zwei Angebote eingingen - offensichtlich, dass das "Alles oder Nichts"-Prinzip zu einer nicht hinnehmbaren Disproportionalität führe, denn einen Qualitätsnachteil könne das preislich günstigste Angebot niemals aufholen. Die bekannt gegebene Gewichtung der Zuschlagskriterien werde dadurch zur Makulatur. Dies sei auch nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil der Antragstellerin - wie die Vergabekammer vorliegend annimmt - kein Schaden entstanden sei, und das Angebot der Antragstellerin auch bei einer fiktiven Interpolation keine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Auf eine fiktive Interpolation dürfe nicht abgestellt werden, denn eine Wertung auf Grundlage einer nicht bekannt gemachten und die Gewichtung verändernden Wertungsmatrix sei unzulässig. Der öffentliche Auftraggeber sei an die im Vorhinein festgelegten und bekanntgemachten Zuschlagskriterien und deren Gewichtung gebunden. Eine fehlerhafte Wertungsmatrix sei zu ändern und das Verhandlungsverfahren mit richtiger Wertungsmatrix erneut durchzuführen. Die Wertung sei darüber hinaus ermessensfehlerhaft, denn die Juroren hätten in nahezu allen Unterkriterien ihre niedrige Bewertung mit der unrichtigen Annahme begründet, dass die Antragstellerin unberechtigter Weise die I.1-Schnellbaubrücke, die urheberrechtlich geschützt sei, als Plagiat verwende. Diese falsche Annahme bezüglich Plagiat und Urheberrechtsverletzung stehe in unmittelbaren Zusammenhang mit der geringen Punktzahl, die sie, die Antragstellerin erlangt habe. Gleiches gelte für die - aus ihrer Sicht - fehlerhafte Annahme, dass die Antragstellerin bei ihrem Angebot die Zustimmung im Einzelfall (ZiE) für das Widerlager mit KBE übersehen habe, sowie die angeblich von der Beschwerdeführerin nicht berücksichtigte Stützweite von 43 m.
Nachdem die Antragsgegnerin am 04.01.2024 über die Vergabeplattform den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt hatte, hat die Antragstellerin hierzu ausgeführt, die Zuschlagserteilung sei nach § 134 GWB unwirksam. Sie habe mit der sofortigen Beschwerde inzident beziehungsweise ausdrücklich einen Antrag auf Verlängerung des Zuschlagsverbots nach § 173 Abs. 1 S. 3 GWB gestellt, was sowohl aus dem Antrag selbst als auch aus der Begründung der am 19.12.2023 eingereichten sofortigen Beschwerde erkennbar sei. Der gestellte Sachantrag, die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht zurückzuversetzen, die Wertungsmatrix zu ändern und das Verhandlungsverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Vergabesenats zu wiederholen, mache nur Sinn, wenn das Zuschlagsverbot verlängert werde. Einen ausdrücklichen Sachantrag auch mit Blick auf § 173 Abs. 1 S. 3 GWB müsse die Beschwerdeschrift nicht enthalten, wenn sich einwandfrei aus der Beschwerdebegründung ergebe, welches Ziel der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde verfolge.
Die Antragstellerin beantragt,
1. den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 07.12.2023 aufzuheben;
2. ihrem Nachprüfungsantrag vom 20.10.2023 stattzugeben und die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin zu verpflichten bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren zurückzuversetzen, die Wertungsmatrix für die Angebotswertung zu ändern und das Verhandlungsverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Vergabesenats zu wiederholen;
3. der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;
sowie hilfsweise,
1. festzustellen, dass sie durch die ermessensfehlerhaft getroffene Wertung der Vergabestelle in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt sei;
2. festzustellen, dass ihr wegen dieser Verletzung Schadensersatzansprüche gegen die Antragsgegnerin zumindest in Höhe des negativen Interesses zustehen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
1. die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu verwerfen, jedenfalls zurückzuweisen;
2. die Feststellungsanträge zurückzuweisen;
3. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Antragsgegnerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufzuerlegen.
Die Beigeladene beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Zu den Hilfsanträgen stellt sie keine Anträge.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, eine Beschwerde der Antragstellerin sei bereits mangels form- und fristgerecht eingelegter Beschwerde unzulässig. Der Beschwerdeschrift fehle die erforderliche qualifizierte elektronische Signatur.
Jedenfalls habe sich nach Ansicht der Antragsgegnerin und der Beigeladenen das Verfahren durch die Zuschlagserteilung vom 04.01.2024 erledigt. Der erteilte Zuschlag und der Vertragsschluss seien mit Übersendung der Vertragsdokumente an die Beigeladene am 15.01.2024 erneut beiderseitig bestätigt worden.
Die Antragsgegnerin verteidigt zudem die Entscheidung der Vergabekammer. Der Nachprüfungsantrag habe keine Aussicht auf Erfolg gehabt.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat teilweise - mit dem Hilfsantrag zu 1) - in der Sache Erfolg.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
a. Richtige Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin ist die B. des Bundes. Zwar hat die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag und die sofortige Beschwerde gegen die C.2 gerichtet und die Vergabekammer die C.2 als Antragsgegnerin im Rubrum aufgeführt. Insoweit handelt es sich um eine zu korrigierende Falschbezeichnungen. Die C.2 war zu keinem Zeitpunkt Partei des hiesigen Verfahrens.
Seit dem 01.01.2021 wird die Verwaltung der Bundesautobahnen gemäß Art. 90 Abs. 2 S. 1 GG in Bundesverwaltung geführt. Nach § 1 Abs. 1 InfrGG hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur die Planung, den Bau, den Betrieb, die Erhaltung, die Finanzierung und die vermögensmäßige Verwaltung von Bundesautobahnen, soweit es sich um Aufgaben des Bundes handelt, zur Ausführung auf eine Gesellschaft privaten Rechts übertragen. Das ist die am 13.09.2018 gegründete B des Bundes, der die vorgenannten Aufgaben vollständig übertragen worden sind. Damit ist seit dem 01.01.2021 grundsätzlich die B des Bundes die richtige Antrags- und Beschwerdegegnerin (Senat, Beschl. v. 19.05.2021 - VII Verg 13/21, NZBau 2021, 694; vgl. auch Herber, in: NZV 2021, 57). Dementsprechend ist die B des Bundes auch in Ziff. I.1. der öffentlichen EU-weiten Bekanntmachung als öffentlicher Auftraggeber benannt worden.
b. Die Antragstellerin hat am 19.12.2023 form- und fristgerecht nach §§ 171, 172 GWB sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer vom 07.12.2023 eingelegt. Das elektronische Dokument ist formgerecht nach §§ 175 Abs. 2, 72 Nr. 2 GWB i. V. m. § 130a Abs. 3 Alt. 2, Abs. 4 Nr. 2 ZPO von der verantwortenden Verfahrensbevollmächtigten signiert worden und auf einem sicheren Übermittlungsweg - über das besondere elektronische Anwaltspostfach nach § 31a Bundesrechtsanwaltsordnung - der elektronischen Poststelle des Gerichts übermittelt worden. § 130a Abs. 1 ZPO ist nicht nur auf vorbereitende Schriftsätze, sondern auch auf Anträge und Erklärungen anzuwenden und findet - auch wenn § 172 GWB keine unmittelbare Verweisung enthält - über die Verweisungsnorm der §§ 175 Abs. 2, 72 Nr. 2 GWB Anwendung.
Die einfache elektronische Signatur ist bei Übersendung auf einem sicheren Übertragungsweg ausreichend (BGH, Beschl. v. 07.09.2022 - XII ZB 215/22, NJW 222022, 3512; BSG, Beschl. v. 16.02.2022 - 5 B R 198/21 B, NJW 2022, 1334 Rn. 10; OLG Hamm, Beschl. v. 28.04.2022 - 30 U 32/22, NJW-RR 2022, 1423; von Stelle, in: BeckOK ZPO, 50. Aufl., § 130a Rn 16 ff. mwN.). Die einfache Signatur im Sinne des § 130a Abs. 3 S. 1 Alt. 2 ZPO meint die Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer gescannten Unterschrift. Die einfache Signatur soll - ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur - die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (BGH, Beschl. v. 07.09.2022 - XII ZB 215/22, NJW 222022, 3512; BSG, Beschl. v. 16.02.2022 - 5 B R 198/21 B, NJW 2022, 1334 Rn 10; BAGE 172, 186 = NJW 2020, 3476 Rn. 19 mwN). Dazu muss die Namenswiedergabe so entzifferbar sein, dass sie von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person als Verantwortlicher zugeordnet werden kann (BGH, Beschl. v. 07.09.2022 - XII ZB 215/22, NJW 222022, 3512; BSG, Beschl. v. 16.02.2022 - 5 B R 198/21 B, NJW 2022, 1334 Rn 9). Fehlt es hieran, ist das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht. Die einfache Signatur soll gerade sicherstellen, dass die von dem Übermittlungsweg beA ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt (BGH, Beschl. v. 07.09.2022 - XII ZB 215/22, NJW 222022, 3512; BSG, Beschl. v. 16.02.2022 - 5 B R 198/21 B, NJW 2022, 1334 Rn 9; BAGE 172, 186 = NJW 2020, 3476 Rn. 16 mwN). Vorliegend enthält der per beA eingereichte Schriftsatz den maschinenschriftlichen Namenszug des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin.
2. Die sofortige Beschwerde ist nur teilweise und zwar mit dem Hilfsantrag zu 1) begründet. Der von der Antragstellerin verfolgte Fortsetzungsfeststellungsantrag (Hilfsantrag zu 1) ist nach § 178 S. 3 und 4 GWB i.V.m. § 168 Abs. 2 GWB zulässig und begründet. Im Übrigen hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg. Dies gilt für den Hauptantrag zu 1) und 2), mit dem die Antragstellerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung begehrt und ihren ursprünglichen Nachprüfungsantrag weiterverfolgt. Auch der hilfsweise zu 2) gestellte Antrag auf Feststellung des Bestehens von Schadensersatzansprüchen gegen die Antragsgegnerin hat mangels Zulässigkeit keinen Erfolg.
a. Der auf Primärrechtsschutz gerichtete Hauptantrag zu 1) und 2) ist nicht (mehr) zulässig, nachdem sich das Nachprüfungsverfahren durch wirksame Zuschlagserteilung an die Beigeladene erledigt hat.
Ein wirksam erteilter Zuschlag kann gemäß § 168 Abs. 2 S. 1 GWB nicht mehr aufgehoben werden. Der seitens der Antragsgegnerin auf das Angebot der Beigeladenen erteilte Zuschlag ist weder wegen eines Verstoßes gegen das gesetzliche Zuschlagsverbot der §§ 169 Abs. 1, 173 Abs. 1 S. 2 GWB i.V.m. § 134 BGB noch wegen eines Verstoßes gegen ein auf Antrag der Antragstellerin verlängertes Zuschlagsverbot der §§ 169 Abs. 1, 173 Abs. 1 S. 3 GWB i.V.m. § 134 BGB nichtig.
aa. Ein Verstoß gegen das gesetzliche Zuschlagsverbot (§§ 169 Abs. 1, 173 Abs. 1 S. 2 GWB i.V.m. § 134 BGB) liegt nicht vor.
Zwar konnte der Zuschlag am 04.01.2024 noch nicht wirksam erteilt werden, weil die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde nach § 173 Abs. 1 S. 2 GWB erst zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist, mithin erst mit Ablauf des 04.1.2024, endete und bis dahin das in § 169 Abs. 1 GWB geregelte Zuschlagsverbots galt. Die Antragsgegnerin hat der Beigeladenen aber nach Ablauf des 04.1.2024 den Zuschlag auf ihr Angebot erneut erteilt. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin hat sie der Beigeladene am 15.01.2024 die Vertragsdokumente übersandt und den Vertragsschluss im Einvernehmen mit der Beigeladenen bestätigt. Die Beigeladene hat bereits mit der Ausführung der Arbeiten und damit mit der Erfüllung des geschlossenen Vertrags begonnen.
bb. Das mit Ablauf des 04.01.2024 endende Zuschlagsverbot ist nicht nach §§ 169 Abs. 1, 173 Abs. 1 S. 3 GWB verlängert worden.
Nach § 173 Abs. 1 S. 2 GWB endet die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Das Beschwerdegericht kann auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern. Ein solcher auf die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung gerichteter Beschluss nach § 173 Abs. 1 S. 3 GWB liegt nicht vor. Er kann nur auf Antrag des Beschwerdeführers erlassen werden (§ 173 Abs. 1 S. 3 GWB). Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren einen entsprechenden Antrag nicht gestellt. Ein solcher Antrag kann auch nicht als mit der Einlegung der sofortigen Beschwerde automatisch mitgestellt angesehen werden, weil - wie die Antragstellerin meint - der Nachprüfungsantrag nur Sinn mache, wenn das Zuschlagverbot verlängert werde. Das widerspräche der eindeutigen gesetzlichen Regelung, die ein Entfallen der aufschiebenden Wirkung zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist vorsieht. Diese von Gesetzes wegen eintretende Wirkung kann nur verhindert werden durch ein gerichtliches Eingreifen. Eine dementsprechende Entscheidung des Beschwerdegerichts darf aber nicht von Amts wegen ergehen, sondern muss gemäß § 173 Abs. 1 S. 3 GWB von dem Beschwerdeführer gesondert beantragt werden (Senat, Beschl. v. 06.11.2000 - Verg 20/00). Es kann durchaus sachliche Gründe für einen Bieter geben, von einem Verlängerungsantrag, der zusätzliche Kosten auslöst, abzusehen, etwa, wenn er selbst die Erfolgsaussichten der Beschwerde als gering ansieht oder weil er der anstehenden Beschaffung "nicht mehr im Weg stehen" will (vgl. Vavra/Willner, in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl., § 173 Rn 12).
b. Der hilfsweise zu 1) gestellte Antrag auf Feststellung, dass die Antragstellerin durch die Wertung in ihren Rechten verletzt ist, ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
aa. Der Nachprüfungsantrag ist als Fortsetzungsfeststellungsantrag zulässig.
(1) Nach § 178 S. 4 GWB i.V.m. § 168 Abs. 2 S. 2 GWB stellt der Senat auf Antrag eines Beteiligten fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat, wenn sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise erledigt hat. Voraussetzung für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag ist dabei, dass sich das Nachprüfungsverfahren nach Eingang des Nachprüfungsantrags erledigt hat, der Nachprüfungsantrag also ursprünglich statthaft war (BGH, Beschl. v. 19.12.2000 - X ZB 14/00, NJW 2001, 1492). Hingegen kommt es für die Frage der Erledigung nicht darauf an, ob der Nachprüfungsantrag ursprünglich zulässig und begründet war (Senat, Beschl. v. 11.05.2011 - VII Verg 8/11). Das Vergabenachprüfungsverfahren hat sich vorliegend durch wirksame Zuschlagserteilung nach § 168 Abs. 2 Var. 1 GWB erledigt.
(2) Das erforderliche Feststellungsinteresse der Antragstellerin liegt vor. Das Feststellungsinteresse rechtfertigt sich grundsätzlich durch jedes gemäß vernünftigen Erwägungen und nach Lage des Falls anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition des Antragstellers in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern (Senat, Beschl. v. 01.12.2021, VII-Verg 54/20, NZBau 2022, 605 Rn. 26; Beschl. v. 29.01.2014, VII-Verg 28/13, BeckRS 2014, 4285; Beschl. v. 11.05.2011, VII-Verg 8/11 und Beschl. v. 04.05.2009, VII-Verg 68/08 m. w. N.). Ein solches Feststellungsinteresse kann insbesondere gegeben sein, wenn der Antrag der Vorbereitung einer Schadensersatzforderung dient. In geeigneten Fällen kann mit einem Feststellungsantrag auch der Gefahr einer Wiederholung begegnet werden. Es soll dadurch sichergestellt werden, dass dem Antragsteller die Früchte des von ihm angestrengten Nachprüfungsverfahrens nicht verloren gehen (Senat, Beschl. v. 01.12.2021, VII-Verg 54/20, NZBau 2022, 605 Rn. 26). Da mit § 168 Abs. 2 S. 2 GWB gerade erreicht werden soll, dass die im Nachprüfungsverfahren erarbeiteten Ergebnisse für einen späteren Schadenersatzprozess gesichert werden, genügt für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags die nicht auszuschließende Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches des Bieters gegen den Auftraggeber (OLG München, Beschl. v. 19. 7. 2012 - Verg 8/12, NZBau 2012, 658, 660). Dabei reicht es bereits aus, dass der Antragsteller vorträgt, er beabsichtige, Schadensersatzansprüche gegen den Auftraggeber geltend zu machen (OLG Jena, Beschl. v. 30. 3. 2009 - 9 Verg 12/08, BeckRS 2010, 04965; OLG Koblenz, Beschl. v. 4. 2. 2009 - 1 Verg 4/08, BeckRS 2009, 5152). Die Antragstellerin, die nicht ausdrücklich vorgetragen hat, vor den Zivilgerichten Schadensersatzansprüche geltend machen zu wollen, hat dies jedoch durch ihren hilfsweise zu 2) gestellten Antrag, mit dem sie die Feststellung des Bestehens von Schadensersatzansprüchen gegenüber der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren geltend macht, hinreichend zum Ausdruck gebracht.
bb. In der Sache hat die Antragstellerin mit ihrem Fortsetzungsfeststellungsbegehren (Hilfsantrag zu 1) Erfolg. Ohne das erledigende Ereignis wäre der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin erfolgreich gewesen.
(1) Wie die Vergabekammer zu Recht angenommen hat, war der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zulässig.
(a) Die Antragstellerin ist antragsbefugt (§ 160 Abs. 2 GWB). Sie hat durch die Abgabe ihres Angebots ihr Interesse an dem öffentlichen Auftrag zum Ausdruck gebracht. Zudem macht sie geltend, sowohl aufgrund einer - wegen Verstoßes gegen § 127 Abs. 1 S. 1 GWB - Vergaberechtswidrigkeit der Wertungsmatrix als auch aufgrund einer vergaberechtswidrigen Wertung an sich in ihren subjektiven Rechten verletzt worden zu sein (§ 97 Abs. 6 GWB), wodurch ihr ein Schaden aufgrund einer verringerten Zuschlagschance entstanden sei.
(b) Die Antragstellerin hat die Rügefrist des § 160 Abs. 3 Nr. 1, 3 GWB gewahrt und den Nachprüfungsantrag innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB eingereicht.
(aa) Die Antragstellerin ist mit ihrer Rüge, die in den Vergabeunterlagen enthaltene Wertungsmethodik im Kriterium 2 "Projektspezifische Lösungsansätze mit dem Schwerpunkt Brücken in schneller Bauweise" (null Punkte oder volle Punktezahl) sei vergaberechtswidrig, nicht nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 GWB präkludiert.
Gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller einen Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichung des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat. Nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Vergaberechtsverstöße, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Die Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften ist objektiv zu bestimmen. Eine die Rügeobliegenheit auslösende Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften ist - immer bezogen auf den konkreten Einzelfall - zu bejahen, wenn der Verstoß von einem durchschnittlichen fachkundigen Bieter des angesprochenen Bieterkreises bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden kann (Senat, Beschl. v. 03.04.2019 - VII Verg 49/18; Beschl. v. 26.07.2018 - VII Verg 23/18; Beschl. v. 28.03.2018 - VII Verg 54/17 und Beschl. v. 15.01.2020 - VII Verg 20/19, BeckRS 2020, 1327 Rn 37). Dabei muss sich die Erkennbarkeit sowohl auf die den Verstoß begründenden Tatsachen als auch auf deren rechtliche Beurteilung beziehen (Dicks, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 160 Rn 49). In Bezug auf die zu rügenden Vergaberechtsverstöße, welche sich aus den Vergabeunterlagen ergeben (§ 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB) ist für eine Präklusion mithin erforderlich, dass der Inhalt der Unterlagen bei laienhafter rechtlicher Bewertung, also ohne Bemühung besonderen Rechtsrats, auf einen Vergaberechtsverstoß hindeutet. Das setzt regelmäßig voraus, dass die Rechtsvorschriften, gegen die verstoßen wird, zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der beteiligten Bieterkreise gehören (Senat, Beschl. v. 26.07.2018 - VII Verg 23/18; Beschl. v. 15.01.2020 - VII Verg 20/19, BeckRS 2020, 1327 Rn 37; OLG München, Beschl. v. 22.10.2015 - Verg 5/15,). Eine Rügepräklusion kommt damit in der Regel nur für auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhende und ins Auge fallende Rechtsverstöße in Betracht (vgl. Dicks, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 160 Rn 49). Der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebotes beziehungsweise seiner Bewerbung auffallen muss (Senat, Beschl. v. 03.08.2011 - VII Verg 16/11, ZFBR 2021, 72, 74). Daher genügt es nicht, wenn die gerügten Verstöße gegen das Transparenz- und Wirtschaftlichkeitsgebot bereits in der Leistungsbeschreibung angelegt waren (Senat, Beschl. v. 02.05.2018 - VII Verg 3/18). So können etwa von einem durchschnittlich fachkundigen Bieter, auf den abzustellen ist (vgl. Wiese, in: Kulartz / Kus / Portz / Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Auflage, § 160 GWB Rn. 157 mwN), etwa vertiefte Rechtskenntnisse, die es erlauben, die Vergaberechtskonformität eines Bewertungssystems zu beurteilen, nicht zu erwartet werde (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.04.2015, VII-Verg 35/14). So liegt der Fall hier. Von der Antragstellerin, kann auch als fachkundiger Bieterin des angesprochenen Bieterkreises keine vertiefte Rechtskenntnis in Bezug auf die Vergaberechtskonformität eines Bewertungssystems verlangt werden. Das gilt insbesondere für die vorliegende rechtlich komplexe Problematik der Ungeeignetheit eines Bewertungsschemas mit einer Interpolation, das für den schlechtesten Bieter - unabhängig von seinem Abstand zum Bestbieter - nur null Punkte vorsieht (Alles-oder-Nichts-Prinzip). Zudem hat der Antragsteller unwiderlegt erst im Nachprüfungsverfahren erfahren, dass sich nur zwei Bieter mit Angeboten beteiligt haben (Senat, Beschl. v. 22.01.2014 - VII Verg 26/13), was die Auswirkungen des Bewertungsschemas zumindest verschärft hat.
(bb) Soweit die Antragstellerin darüber hinaus die Vergaberechtswidrigkeit der Wertungsentscheidung an sich aufgrund von unrichtigen Sachverhaltsannahmen und Ermessensfehlern gerügt hat, hat sie die Rüge unmittelbar nach Erhalt des Bieterinformationsschreibens vom 12.10.2023 und Übermittlung der Angebotswertung (Anlage ASt 5) mit Rügeschreiben vom 13.10.2023 innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB ausgesprochen.
(2) Der Nachprüfungsantrag hätte ohne das erledigende Ereignis in der Sache Erfolg gehabt. Die von der Antragsgegnerin verwendete Bewertungsmatrix ist vergaberechtswidrig, weil sie nicht geeignet ist, eine Angebotswertung gemäß den bekannt gegebenen Zuschlagskriterien und deren vorgesehener Gewichtung vorzunehmen und damit gegen das Gebot, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen (§ 127 Abs. 1 S. 1 und 3 GWB), verstößt, indem zum Kriterium 2 "Projektspezifische Lösungsansätze" vorgesehen ist, dass der Bewerber mit dem besten Wertungsergebnis in diesem Kriterium 5 Punkte und der Bewerber mit dem schlechtesten Wertungsergebnis 0 Punkte erhält - unabhängig davon, welchen Punkteabstand sein Angebot zu dem am besten bewerteten Angebot hat. Die Antragstellerin ist hierdurch in ihren Rechten (§ 97 Abs. 6 GWB) verletzt.
(a) Der Zuschlag ist auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Dieses bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis (§ 127 Abs. 1 S. 1 und 3 GWB). Grundlage dafür ist eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers, ob und inwieweit die Angebote die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllen (§ 127 Abs. 1 S. 2 GWB). Die Zuschlagskriterien spiegeln dementsprechend wider, wie der Auftraggeber im jeweiligen Vergabeverfahren das Preis-Leistungs-Verhältnis bewerten möchte, wenn sich bei den Angebotspreisen einerseits und der Qualität des Angebots andererseits unterschiedliche Rangfolgen ergeben. Hierfür ist ihm ein weiter Beurteilungs- und Handlungsspielraum eröffnet; der Auftraggeber muss seinen Beschaffungsbedarf in den Schranken wirtschaftlicher und fiskalischer Vernunft und den aus § 97 GWB abzuleitenden Regeln für den Vergabewettbewerb frei definieren können; zu dieser Definition gehört auch, welche Qualität die Leistung vorzugsweise haben soll (BGH, Beschl. v. 04.04.2017 - X ZB 3/17 - Postdienstleistungen, Rn 34).
(b) Vorliegend hat die Antragsgegnerin den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten. Das von ihr gewählte Bewertungssystem steht einer transparenten und wettbewerbskonformen Auftragsvergabe (§ 97 Abs. 1 S. 1 GWB) entgegen, weil es nicht geeignet ist, eine Angebotswertung gemäß den bekannt gegebenen Zuschlagskriterien und deren vorgesehener Gewichtung vorzunehmen und verstößt damit gegen das Gebot, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen (§ 127 Abs. 1 S. 1 und 3 GWB), weil zum Kriterium 2 "Projektspezifische Lösungsansätze" vorgesehen ist, dass der Bewerber mit dem besten Wertungsergebnis in diesem Kriterium 5 Punkte und der Bewerber mit dem schlechtesten Wertungsergebnis 0 Punkte erhält - unabhängig davon, welchen Punkteabstand sein Angebot zu dem am besten bewerteten Angebot hat.
(aa) Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 22.01.2014 (VII Verg 26/13) ein solches Wertungssystem als vergaberechtswidrig beurteilt. Wesentliche Gründe der Entscheidung waren, dass durch ein solches Bewertungssystem die Kriterien Preis und Leistung (Qualität) in Bezug auf die Bieter verschieden und mithin gleichheitswidrig bewertet würden. Beim schlechtesten Angebot wird dabei die Leistung (Qualität) unterbewertet, nämlich gar nicht, beim besseren Angebot wird sie demgegenüber regelgerecht gewertet. Damit wird die bekannt gegebene Gewichtung von Preis und Leistung (Qualität) beim schlechtesten Angebot aufgegeben und zu seinem Nachteil verändert. Das Leistungskriterium erhält praktisch einen unverdienten, ausschlaggebenden Rang, wenn man davon ausgeht, dass ein Angebot, das im Wertungssystem des öffentlichen Auftraggebers allein beim Preiskriterium Wertungspunkte erlangt, realistischer Weise nicht in die engere Wahl für einen Zuschlag gelangen kann. Zudem missachte die öffentliche Auftraggeberin bei einem derartigen Wertungssystem ihre eigene Selbstbindung an die Gewichtung des Zuschlagskriteriums Leistung (hier: Kriterium 2 "Projektspezifische Lösungsansätze") mit 60 Prozent bei der Wertung, weil sie dieses auf die Wertung der Angebote nicht übertragen hat, wenn das Kriterium Leistung in Bezug auf das in diesem Punkt am schlechtesten bewertete Angebot tatsächlich nicht gewertet wird.
(bb) An diesen zutreffenden Ausführungen hält der Senat auch in vollständig anderer Besetzung fest, wobei klarstellend hervorzuheben ist, dass die obigen Erwägungen nicht nur für den Fall gelten, dass - wie in dem der Entscheidung des Senats (Beschl. v. 22.01.2014 - VII Verg 26/13) zugrundeliegenden Fall - zwei Angebote eingegangen sind, sondern auch dann, wenn das Bewertungssystem unabhängig von der Anzahl der eingegangenen Angebote die Bewertung des schlechtesten Angebots mit null Punkten vorsieht und diese Bewertung mit null Punkten unabhängig davon erfolgt, welchen Punkteabstand dieses Angebot zu den anderen Angeboten hat.
Zwar können grundsätzlich auch Wertungssysteme, welche null Punkte für den schlechtesten Bieter in einem Wertungskriterium vorsehen, eine transparente und wettbewerbskonforme Auftragsvergabe gewährleisten (Senat, Beschl. v. 22.01.2014 - VII Verg 26/13) - wie etwa vorliegend im Kriterium 1 "Honorar/Preis". Voraussetzung dafür ist aber, dass nicht das schlechteste Angebot völlig unabhängig von seinem Punkteabstand zu den anderen Angeboten mit null Punkten bewertet wird. In diesen Fällen ist das Bewertungssystem nicht geeignet eine Angebotswertung gemäß den bekannt gegebenen Zuschlagskriterien und deren vorgesehener Gewichtung vorzunehmen und führt zu einer gleichheitswidrigen Bewertung. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass dann - auch bei einer Vielzahl eingegangener Angebote - ein Bieter null Punkte erlangt, obwohl sein Angebot - wenn es auch das schlechteste ist - von den erlangten Punkten lediglich minimal hinter denen der anderen Bieter liegt und alle Angebote tatsächlich eng beieinander liegen. Gleichwohl würde sein Angebot dennoch nicht bewertet werden.
(c) Schließlich kann - anders als es die Vergabekammer in der angefochtenen Entscheidung angenommen hat - nicht festgestellt werden, dass der Antragstellerin durch die vergaberechtswidrige Wertungsmatrix kein Schaden entstanden wäre.
Zutreffend ist zwar, dass die Feststellung einer mindestens nicht ausschließbaren Beeinträchtigung der Auftragschancen des Antragstellers neben einer Rechtsverletzung für den Erfolg eines Nachprüfungsantrags unerlässlich ist (Senat, Beschl. v. 15.06.2010 - VII Verg 10/10; Senat, Beschl. v. 14.04.2010 - VII Verg 60/09). Eine solche nicht ausschließbare Beeinträchtigung der Auftragschancen des Antragstellers kann vorliegend aber nicht festgestellt werden. Sofern die Antragsgegnerin an dem Beschaffungsvorhaben festgehalten hätte, hätte sie das Verfahren in den Stand vor Angebotsabgabe und Übersendung korrigierter Vergabeunterlagen zurückzuversetzen müssen. Eine bloße Wiederholung der Angebotswertung wäre nicht ausreichend gewesen, um den in den Vergabeunterlagen liegenden Fehler zu beheben. Dem öffentlichen Auftraggeber steht aber ein Entscheidungsspielraum zu, in welcher Weise er das Wertungssystem korrigieren will (vgl. Senat, Beschl. v. 22.01.2014 - VII Verg 26/13). Wie die Antragsgegnerin diesen Spielraum vorliegend ausgefüllt hätte und zu welchem Wertungsergebnis sie dann gekommen wäre, kann indes nicht beurteilt werden.
(d) Ob darüber hinaus die auf der Grundlage des vergaberechtsfehlerhaften Wertungssystems getroffene Wertungsentscheidung vergaberechtswidrig war, bedarf nach alledem keiner Entscheidung.
c. Der hilfsweise zu 2) gestellte Antrag auf Feststellung, dass der Antragstellerin wegen der Verletzung ihrer Rechte aus § 97 Abs. 6 GWB Schadensersatzansprüche gegen die Antragsgegnerin zustehen, ist nicht statthaft und daher unzulässig. Nach § 168 Abs. 2 S. 2 GWB kann nach Erledigung des Nachprüfungsverfahrens auf Antrag eines Beteiligten lediglich das Vorliegen einer Rechtsverletzung festgestellt werden. Für die Entscheidung über das Bestehen von Schadensersatzansprüchen sind die Zivilgerichte zuständig.
III.
Die Kostenentscheidung betreffend das Beschwerdeverfahren beruht auf § 175 Abs. 2 i.V.m. § 71 GWB. Demnach entspricht es der Billigkeit, dass die Antragstellerin, die mit ihrem ursprünglichen Nachprüfungsantrag und dem hilfsweise zu 2) gestellten Feststellungsantrag unterlegen ist, 2/3 der Kosten einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin trägt und die Antragsgegnerin 1/3 der Kosten einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Antragstellerin trägt.
Die Antragstellerin hat darüber hinaus die notwendigen Auslagen der Beigeladenen zu tragen. Ein Beigeladener ist kostenrechtlich dann wie der Antragsteller oder Antragsgegner eines Nachprüfungsverfahrens zu behandeln, wenn er die durch die Beiladung begründete Stellung im Verfahren auch nutzt, indem er sich mit einer sachlichen Stellungnahme an diesem beteiligt (BGH, Beschl. v. 26.09.2006 - X ZB 14/06, NZBau 2006, 800 Rn 63; OLG Celle, Beschl. v. 27.08.2008 - 13 Verg 2/08; Frister, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 175 GWB Rn 26). Dies ist vorliegend im Beschwerdeverfahren in Bezug auf den weiter verfolgten Nachprüfungsantrag geschehen, mit dem die Antragstellerin unterlegen ist. In Bezug auf die Feststellungsanträge hat die Beigeladene weder eigene Anträge gestellt noch sich mit einer eigenen Stellungnahme beteiligt, so dass die Beigeladene nicht unterlegen ist und es der Billigkeit entspricht, dass die Antragstellerin die notwendigen Auslagen der Beigeladenen insgesamt trägt.
Über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die dort zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Verfahrensbeteiligten ist, nachdem sich das Vergabenachprüfungsverfahren durch Aufhebung des Vergabeverfahrens erledigt hat, gemäß § 182 Abs. 3 S. 5, Abs. 4 S. 1-3 GWB nach billigem Ermessen zu befinden. Demnach tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene die Kosten als Gesamtschuldner (§ 182 Abs. 3 S. 2 GWB), da sie voraussichtlich unterlegen gewesen wären. Die Beigeladene ist vorliegend im Nachprüfungsverfahren kostenrechtlich wie die Antragsgegnerin des Nachprüfungsverfahrens zu behandeln, da sie die durch die Beiladung begründete Stellung im Verfahren auch nutzte, indem sie sich mit einer sachlichen Stellungnahme an diesem beteiligt hat (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, NZBau 2006, 800 Rn. 63; OLG Celle, Beschluss vom 27. August 2008, 13 Verg 2/08; Frister in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 175 GWB Rn. 26), auch wenn sie keinen Verfahrensantrag gestellt hat.
Im Nachprüfungsverfahren sind gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG auch die Gebühren und Auslagen der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin erstattungsfähig, da deren Hinzuziehung im Verfahren vor der Vergabekammer in Anbetracht der dort aufgetretenen Schwierigkeiten im Ergebnis notwendig war. Hierüber ist nicht schematisch, sondern auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls zu entscheiden (BGH, Beschl. v. 26.09.2006 - X ZB 14/06, NZBau 2006, 800 Rn 61 - Polizeianzüge; Senat, Beschl. v. 16.03.2020 - VII-Verg 38/18, BeckRS 2020, 29123 Rn 34; Senat, Beschl. v. 15.05.2018 - VII-Verg 58/17; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 02.11.2017 - 11 Verg 8/17, ZfBR 2018, 198, 199). Entscheidend ist, ob der Beteiligte unter den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen und hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen (BGH, Beschl. v. 26.09.2006, X ZB 14/06, NZBau 2006, 800 Rn 61 - Polizeianzüge). Das kann vorliegend nicht angenommen werden. Es stellten sich schwierige Fragen in Bezug auf die Vergaberechtskonformität eines Bewertungssystems mit Blick auf die rechtlich komplexe Problematik der Ungeeignetheit eines Bewertungsschemas, das für den schlechtesten Bieter - unabhängig von seinem Abstand zum Bestbieter - null Punkte vorsieht (Alles-oder-Nichts-Prinzip).
Der Beschwerdewert wird auf bis 50.000,00 EUR festgesetzt. Die Entscheidung über die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Demnach beträgt der Gegenstandswert fünf Prozent des Bruttoauftragswerts des Angebots des Antragstellers (Senat, Beschl. v. 10.02.2021, VII-Verg 22/20, BeckRS 2021, 8801 Rn. 56).
Aktuelle Entscheidungen
Vergaberecht ist ein spannendes und anspruchsvolles Thema. Behalten Sie jederzeit den Überblick: Hier finden Sie interessante vergaberechtliche Entscheidungen der letzten 14 Tage.
Archiv
Gewusst, wo: Vergaberechtsentscheidungen, die älter als 14 Tage sind, können Sie bei unserem Partner vpr-online - der Datenbank für Vergabepraxis und Vergaberecht - abonnieren.
Wertung nach "Alles-oder-nichts-Prinzip" ist vergaberechtswidrig!
Wertung nach "Alles-oder-nichts-Prinzip" ist vergaberechtswidrig!
Noch auszuschreibende Eignung kann nicht geliehen werden!
Noch auszuschreibende Eignung kann nicht geliehen werden!
Siehe auch: Zugehörige Dokumente
Melden Sie sich jetzt an unter www.vpr-online.de, um sämtliche Entscheidungen im Volltext lesen zu können.
vpr-online ist DIE Datenbank für öffentliche Auftraggeber und Bieter sowie für alle Berater auf den Gebieten des Vergaberechts.
Mit vpr-online haben Sie außerdem jederzeit und überall Zugriff auf über 5.800 VPR-Beiträge nach dem 1-Seiten-Prinzip, über 12.019 Entscheidungen im Volltext, Arbeitshilfen, Materialien und vieles mehr.
OLG Düsseldorf
Urteil
vom 21.06.2023
2 U 1/22 (Kart)
1. Eine Gemeine darf keine Konzessionsvergabe an ein Unternehmen befürworten, das auf Grund gesicherter Erkenntnisse nicht fachkundig und/oder nicht leistungsfähig oder aus rechtlichen Gründen gehindert ist, die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen.
2. Mit der Pflicht der konzessionsvergebenden Gemeinde zur Eignungsprüfung korrespondiert das Recht, die Vorlage von Eignungsnachweisen eigenverantwortlich festzulegen. Dabei ist es den Bewerbern grundsätzlich zuzugestehen, Leistungen des Netzbetriebs durch ein Tochter- oder Drittunternehmen erbringen zu lassen und insofern auch eine Eignungsleihe vorzunehmen.
3. Seine Eignungsprognose darf der öffentliche Auftraggeber in der Regel auf Eigenerklärungen stützen. Er ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Richtigkeit der Eigenerklärungen zu überprüfen. Nur wenn sich objektiv begründete und konkrete Zweifel an der Richtigkeit von Eigenerklärungen ergeben, ist der öffentliche Auftraggeber gehalten, weitere Nachforschungen anzustellen und in eine erneute Eignungsprüfung einzutreten.
4. Umstände, die Zweifel an der Eignung des Bewerbers oder Bieters begründen, sind grundsätzlich bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens, also bis zur (rechtswirksamen) Zuschlagserteilung, berücksichtigungsfähig. Wenn neue Tatsachen auftreten oder bekannt werden, die Zweifel an der Eignung eines Bieters begründen, ist die Vergabestelle nicht gehindert, sondern unter Umständen sogar verpflichtet, (erneut) in die Prüfung der Eignungsanforderungen und Ausschlussgründe einzutreten.
5. Eine Verpflichtungserklärung bietet keine hinreichende Gewähr der Beauftragung, wenn die erforderliche Beauftragung erst in einem öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschrieben werden muss.
vorhergehend:
LG Düsseldorf, 28.04.2022 - 14d O 7/21
Tenor
I. Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 28. April 2022 verkündete Urteil der 14d. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (14d O 7/21) abgeändert.
II. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, letztere zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter, untersagt,
1. mit der X. oder einem anderen Unternehmen den von ihr im Bundesanzeiger vom ... ausgeschriebenen Wegenutzungsvertrag zum Betrieb des Stromversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung im Konzessionsgebiet I. abzuschließen, bevor sie nicht der mit Schreiben der Antragstellerin vom 18. Juni 2021 erhobenen und in der Antragsschrift weiterverfolgten Rüge 4 abgeholfen und eine neue Auswahlentscheidung unter Ausschluss der X. getroffen hat;
2. mit der X. oder einem anderen Unternehmen den von ihr im Bundesanzeiger vom ... ausgeschriebenen Wegenutzungsvertrag zum Betrieb des Gasversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung im Konzessionsgebiet I. abzuschließen, bevor sie nicht der mit Schreiben der Antragstellerin vom 18. Juni 2021 erhobenen und in der Antragsschrift weiterverfolgten Rüge 4 abgeholfen und eine neue Auswahlentscheidung unter Ausschluss der X. getroffen hat.
III. Die Anschlussberufung der Antragsgegnerin ist gegenstandslos.
IV. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Streithelferin zu tragen. Die Streithelferin trägt ihre notwendigen Auslagen selbst.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin machte am ... über den Bundesanzeiger das Auslaufen des Strom- und des Gaskonzessionsvertrags für ihr Stadtgebiet mit der Antragstellerin zum 31. Dezember 2021 bekannt und forderte qualifizierte Unternehmen zur Interessenbekundung auf. Dabei teilte sie mit, dass sie den Abschluss einer energiewirtschaftlichen Kooperation erwäge, falls der im Rahmen des einstufigen Verfahrens ebenfalls auszuwählende Kooperationspartner das auf der Grundlage der für das Konzessionsverfahren festgelegten Auswahlkriterien beste Angebot abgebe.
Neben der Antragstellerin bekundete auch die Streithelferin ihr Interesse an den zu vergebenden Konzessionen und der energiewirtschaftlichen Kooperation. Die Streithelferin ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der G.. Mehrheitsgesellschafterin der G. ist mit einem Gesellschaftsanteil von 70 Prozent die T., deren Alleingesellschafterin wiederrum die T. ist. Minderheitengesellschafterinnen mit Anteilen von jeweils 15 Prozent sind die F., deren Mehrheitsgesellschafterin mittelbar über die F 1. die Stadt N ist, und die E., deren Mehrheitsaktionärin mittelbar über die E.1 die Stadt E. ist.
Die Antragsgegnerin übersandte der Antragstellerin und der Streithelferin den 1. Verfahrensleitbrief vom 17. September 2019 in beiden Konzessionsvergabeverfahren mit dem Kriterienkatalog, dessen Ausgestaltung Gegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens 14d O 14/19 vor dem Landgericht Düsseldorf war, das zur Anpassung des Kriteriums "Reaktionszeiten" führte. Dort wird gleichlautend für die Konzessionsvergaben Strom und Gas in Bezug auf die Eignung der Bieter unter anderem ausgeführt:
" Zur Erfüllung der Eignungskriterien darf der Bieter Kapazitäten anderer Unternehmen einbeziehen ("Eignungsleihe"). ln diesem Fall ist zusätzlich zu den betreffenden Eignungsnachweisen der jeweiligen Unternehmen mit Einreichung des indikativen Angebotes darzulegen und nachzuweisen, dass die Einbeziehung der betreffenden Kapazitäten im Rahmen der Leistungserbringung sichergestellt ist. (...)"
Die Eignungskriterien legen unternehmensbezogene Anforderungen fest, die seitens des Bieters zwingend erfüllt und nachgewiesen werden müssen. Sofern die Eignung nicht spätestens mit Einreichung des verbindlichen Angebotes nachgewiesen ist, wird der Bieter vom weiteren Verfahren ausgeschlossen. (...)"
Außer der Streithelferin gab auch die Antragstellerin fristgemäß am 3. Juli 2020 indikative Angebote für beide Konzessionen sowie fakultative Kooperationsvorschläge ab. In der Folgezeit fanden Bietergespräche statt. Dabei waren Gegenstand jedenfalls beider mit der Antragstellerin geführter Bietergespräche sowohl deren Konzessionsangebote als auch deren Kooperationsvorschläge. Der Personenkreis der Verhandler war identisch, eine personelle Trennung in Bezug auf Verhandlungen über die Konzessionsangebote und die Kooperationsvorschläge fand auf Seiten der Antragsgegnerin nicht statt.
Mit 3. Verfahrensleitbrief vom 30. Oktober 2020 wurden die Antragstellerin und die Streithelferin zur Abgabe verbindlicher Konzessionsangebote für Strom und Gas bis zum 23. November 2020 12.00 Uhr und zeitgleich zur Abgabe finaler Kooperationsangebote aufgefordert. Dabei sollten die Kooperationsangebote von einem Notar entgegengenommen werden und bei diesem in einem verschlossenen Umschlag verbleiben. Die Antragstellerin reichte fristgerecht finale Konzessionsangebote bei der Antragsgegnerin und nach ihrem eigenen Vortrag am 20. November 2020 finale Kooperationsangebote bei dem Notar ein.
Auch die Streithelferin reichte finale Konzessionsangebote ein. Ob beim Notar finale Kooperationsangebote liegen und ob die Antragsgegnerin darum weiß, ist streitig. Da die Streithelferin bisher weder Strom- noch Gasnetze betreibt, sieht ihr Konzept einen Netzbetrieb durch die S.im Rahmen mit dieser im Falle der Zuschlagserteilung zu schließenden Netzpachtverträge vor. Sie hat zwei gleichlautende Verpflichtungserklärungen der S. bezüglich ihrer Angebote zum Abschluss des Strom- und des Gaskonzessionsvertrages vorgelegt. Danach verpflichtet sich die S. Dienstleistungen für die Netzbetriebsaufgaben gegenüber der Streithelferin zu erbringen, sämtliche Aufgaben als Netzbetreiber zu erfüllen und an der Ausgestaltung des Netzpachtvertrags als echter Vertrag zugunsten Dritter mitzuwirken. Die als Anlagen ASt 56 und Ast 58 vorgelegten Verpflichtungserklärungen, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, lauten auszugsweise wie folgt:
" Die S.("S.") verpflichtet sich rechtsverbindlich gegenüber der X.("X") im Fall der Konzessionierung (...) Dienstleistungen für die Netzbetriebsaufgaben, wie im Rahmen eines künftig zu schießenden Konzessionsvertrags zwischen der Stadt I. und der X. geregelt, gegenüber der X. zu erbringen und die hierfür notwendigen Mittel der X. zur Verfügung zu stellen. (...)
Die S. ist verpflichtet, sämtliche Aufgaben als Netzbetreiber nach Maßgabe des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und weiterer einschlägiger gesetzlicher und untergesetzlicher Vorschriften sowie als Pächterin auf Grundlage eines zwischen der X. und der S. noch zu schließenden Netzpachtvertrags, der die vertraglichen Regelungen des Konzessionsvertrags zwischen der Stadt I. und der X. (...) in angemessener und den Interessen der Stadt I. Rechnung tragender Weise berücksichtigt, zu erfüllen.
Die S. wird (...) sicherstellen, dass die Rechte und Pflichten aus dem Konzessionsvertrag einschließlich etwaiger besonderer Anforderungen an die Durchführung des Netzbetriebes von der X. vollumfänglich gegenüber der S. durchgesetzt werden können. (...)
Auf Wunsch der Stadt I. wird die S. darüber hinaus darauf hinwirken, dass der oben genannte Netzpachtvertrag zwischen ihr und der X. ausdrücklich als echter Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet wird, so dass die Stadt I. dadurch neben der X. als Verpächterin ausdrücklich berechtigt wird, von der S. unmittelbar mit oder ohne Beteiligung der X. die Erfüllung sämtlicher vertraglichen Pflichten der S. zu verlangen."
Mit Informationsschreiben vom 21. April 2021 unterrichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin, dass aufgrund des Stadtratsbeschlusses vom 14. April 2021 die Streithelferin den Zuschlag erhalten soll, da deren Angebot im Stromkonzessionsverfahren 679 Punkte erreicht habe, das der Antragstellerin hingegen nur 638, und im Gaskonzessionsverfahren 676 Punkte, das der Antragstellerin nur 614 Punkte. Es sei beabsichtigt, in die Konzessionsverträge mit der Streithelferin die S. als Unterauftragnehmerin einzubeziehen.
Mit Schreiben vom 26. April 2021 beantragte die Antragstellerin Akteneinsicht, woraufhin sie Zugang zu einem virtuellen Datenraum mit teilgeschwärzten Auszügen aus den Angeboten der Streithelferin für die Strom- und die Gaskonzession und den ebenfalls teilgeschwärzten Auswertungsgutachten für die Strom- und die Gaskonzession erhielt, wobei die Antragsgegnerin die Schwärzungen mit dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen begründete.
Mit Anwaltsschreiben vom 18. Juni 2021 rügte die Antragstellerin die Akteneinsicht als aufgrund der Schwärzung wesentlicher Teile unzureichend, worin eine unbillige Behinderung liege. Der Vermerk über die Auswahlentscheidung sei vollständig offenzulegen, um eine Überprüfung zu ermöglichen. Die rechtlichen Anforderungen an eine Einschränkung des Akteneinsichtsrechts des unterlegenen Bieters seien hoch, im Regelfall habe das Geheimhaltungsinteresse des obsiegenden Bieters zurückzutreten (Rüge 1). Zudem seien ihr keinerlei Unterlagen betreffend die Auswahl des Kooperationspartners offengelegt worden, ihr müsse die Möglichkeit zur Überprüfung gegeben werden, ob die Zusage, dass es keinen unmittelbaren Zusammenhang der beiden Verfahren gebe und etwaige Kooperationsvorschläge keinerlei Berücksichtigung bei der Auswertung gefunden hätten, eingehalten worden sei (Rüge 2). Intransparent sei auch die Eignungsprüfung. Ihr lägen keinerlei Eignungsunterlagen der Streithelferin vor, was insbesondere aufgrund der speziellen Bewerberkonstellation mit der S. als Unterauftragnehmerin besonders relevant sei (Rüge 4). Desweiteren habe die Antragsgegnerin gegen das Neutralitätsgebot verstoßen, indem sie die Auswahl des Konzessionärs mit der Abfrage von Kooperationsangeboten verknüpft habe (Rüge 6). Zudem drohe mit der Annahme des Kooperationsangebots des obsiegenden Bieters ein unzulässiger Bieterwechsel (Rüge 7). Auch müsse bei der Auswertung berücksichtigt werden, wer im Verhältnis der Streithelferin und der S. für die Einhaltung des jeweiligen Konzepts und der jeweiligen Zusage verantwortlich sei (Rüge 9). Im Übrigen sei eine Vielzahl von Einzelwertungen fehlerhaft. Wegen der weiteren Einzelheiten und der insgesamt 64 Rügen wird auf die die Strom- und die Gaskonzession betreffenden Schreiben Bezug genommen (Anlagen ASt 49 und ASt 51).
Die Antragsgegnerin wies die Rügen mit Schreiben vom 12. Juli 2021 zurück, das Akteneinsichtsrecht werde durch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der anderen Bieter beschränkt, zu deren Wahrung sie verpflichtet sei. Die Auswahl des Kooperationspartners erfolge strikt getrennt. Sie wisse bislang nicht einmal, ob überhaupt ein Kooperationsangebot eingereicht worden sei. Der erhobenen Rüge 4 half die Antragsgegnerin ab, indem sie der Antragstellerin die von der Streithelferin zum Eignungsnachweis vorgelegten Unterlagen übermittelte, darunter die vorstehend auszugsweise wiedergegebenen Verpflichtungserklärungen der S. GmbH.
Die Antragstellerin hat daraufhin am 26. Juli 2021 den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht, zu dessen Begründung sie ihre Rügen 1, 2, 4, 6, 7 und 9 bis 64 wiederholt und vertieft hat. Die Auswahlentscheidung sei schon deswegen rechtsfehlerhaft, weil keine genügende Eignungsprüfung durchgeführt worden sei. Aus den nunmehr übermittelten Unterlagen zur Eignung der Streithelferin ergebe sich, dass diese mangels nachgewiesener Eignung aus dem Verfahren ausgeschlossen werden müsse. Aus der Verpflichtungserklärung der S. folge, dass diese sämtliche Aufgaben als Netzbetreiber nach Maßgabe des Energiewirtschaftsgesetzes, weiterer einschlägiger gesetzlicher und untergesetzlicher Vorschriften sowie des noch zu schließenden Netzpachtvertrags zu erfüllen habe. Dieser Pacht- und Dienstleistungsvertrag bestehe noch nicht; für die Bewertung der Eignung der Streithelferin seien dessen konkrete Festlegungen aber unerlässlich. Zudem hat sie zur Rüge 6 vorgetragen, in dem der Abgabe finaler Angebote vorangegangenen Bietergesprächen sei es schwerpunktmäßig um ihren Kooperationsvorschlag und weniger um ihre indikativen Konzessionsangebote gegangen.
Mit Beschluss vom 26. Juli 2021 hat das Landgericht der Antragsgegnerin den Abschluss von Wegenutzungsverträgen für Strom und Gas im Konzessionsgebiet vorläufig bis zur instanzabschließenden Entscheidung untersagt.
Die Antragstellerin hat beantragt,
der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen,
1. mit der X. oder einem anderen Unternehmen den von ihr im Bundesanzeiger vom ... ausgeschriebenen Wegenutzungsvertrag zum Betrieb des Stromversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung im Konzessionsgebiet I. abzuschließen, bevor sie nicht sämtlichen, mit Schreiben der Antragstellerin vom 18. Juni 2021 erhobenen und in der Antragsschrift weiterverfolgten Rügen abgeholfen und eine neue Auswahlentscheidung getroffen hat,
2. mit der X. oder einem anderen Unternehmen den von ihr im Bundesanzeiger vom ... ausgeschriebenen Wegenutzungsvertrag zum Betrieb des Gasversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung im Konzessionsgebiet I. abzuschließen, bevor sie nicht sämtlichen, mit Schreiben der Antragstellerin vom 18. Juni 2021 erhobenen und in der Antragsschrift weiterverfolgten Rügen abgeholfen und eine neue Auswahlentscheidung getroffen hat,
Die Antragsgegnerin und ihre Streithelferin hatten beantragt,
die Anträge der Antragstellerin unter Aufhebung der Zwischenverfügung vom 26. Juli 2021 zurückzuweisen.
Das Landgericht hat der Antragsgegnerin mit Urteil vom 28. April 2022 unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags den Abschluss der ausgeschriebenen Wegenutzungsverträge zum Betrieb des Gas- und zum Betrieb des Stromversorgungsnetzes bei Meidung vor Ordnungsmitteln untersagt. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar sei die Rüge der Intransparenz der Auswahlentscheidung wegen unzureichender Akteneinsicht unbegründet, weil eine unzureichende Akteneinsicht keine Rechtsverletzung im Sinne von § 47 Abs. 2 EnWG darstelle, da die Akteneinsicht der Vorbereitung von Rügen diene. Allerdings sei das Akteneinsichtsrecht der Antragstellerin nach § 47 Abs. 3 EnWG verletzt; hierin liege ein Verstoß gegen das Transparenzgebot, der eine unbillige Behinderung begründe. Die Antragsgegnerin habe den Umfang des Akteneinsichtsanspruchs grundsätzlich verkannt. Ausweislich der Entscheidung "Gasnetz Rösrath" des Bundesgerichtshofs sei dem unterlegenen Bieter grundsätzlich eine ungeschwärzte und vollständige Kopie des Auswertungsvermerks zu überlassen. Dies sei nicht geschehen, eine eingehende und tragfähige Begründung zur ausnahmsweisen Notwendigkeit jeder einzelnen Schwärzung sei nicht erfolgt. Ein darüberhinausgehendes Akteneinsichtsrecht bestehe allerdings derzeit nicht, denn es erfordere Vortrag der Antragstellerin dazu, weshalb der vollständige Auswertungsvermerk nicht ausreiche. Ein Anspruch auf Einsicht in die Akte des Kooperationsverfahrens sei nicht gegeben, da dies organisatorisch getrennt vom Konzessionsvergabeverfahren laufe. Konkrete Anhaltspunkte für eine Beeinflussung trage die Antragstellerin nicht vor. Auch die Rüge einer fehlerhaften Eignungsprüfung der Streithelferin sei unbegründet, diese könne sich auf die Eignung der S. stützen. Die Grundsätze der sogenannten Eignungsleihe seien im Interesse eines möglichst umfassenden Wettbewerbs auf das Konzessionsvergabeverfahren zu übertragen. Die Rüge einer Verletzung des Neutralitätsgebots durch eine Verknüpfung der Konzessions- und der Kooperationsverfahren sei bereits unzulässig, weil dies nicht erfolgreich innerhalb von 14 Tagen nach Bekanntmachung gerügt worden sei. Sie sei aber auch unbegründet, weil die Verfahren getrennt liefen und der Notar eidesstaatlich bestätigt habe, die Antragsgegnerin nicht vor Abschluss des Konzessionsverfahrens über die Kooperationsangebote informiert zu haben. Die Rüge eines Austauschs des Vertragspartners sei ebenfalls unbegründet, weil die beabsichtigte Kooperation keinen Einfluss auf ihre Stellung als Vertragspartnerin des Konzessionsvertrags habe. Die Einzelheiten des Pachtvertrags müssten auch nicht feststehen oder in die Bewertung einfließen. Eine Vorhaltung von Mitarbeitern und Ausstattung vor Vergabe sei unzumutbar. Die weiteren, die Einzelwertungen bettreffenden Rügen 10 bis 64 seien nur unter dem Gesichtspunkt unzureichender Akteneinsicht und der daraus folgenden Intransparenz der Auswahlentscheidung begründet. Es handele sich um potenzielle Rechtsverstöße, deren Begründetheit ohne vollständige Kenntnis des Auswertungsvermerks nicht bewertet werden könne.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Berufung, soweit ihr Antrag zurückgewiesen worden ist. Eine unzureichende Akteneinsicht sei nicht unter dem Gesichtspunkt des Fehlens einer Nachvollziehbarkeit der Auswahlentscheidung rügefähig, sondern stelle eine isoliert rügefähige Rechtsverletzung dar. Zudem habe das Landgericht die Reichweite ihres Akteneinsichtsrechts verkannt, das sich nicht auf den Auswertungsvermerk beschränke. Die aus dem allgemeinen Transparenzgebot abgeleitete Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs in "Gasnetz Rösrath" sei auf den neugeschaffenen § 47 Abs. 3 EnWG nicht zu übertragen. Danach bestehe ein Anspruch auf Einsicht in die Akten, wozu sämtliche Aktenbestandteile gehörten. Nur dann könne der unterlegene Bieter die Auswahlentscheidung umfassend und effektiv prüfen. Dabei erstrecke sich der Akteneinsichtsanspruch aus § 47 Abs. 3 EnWG vorliegend auch auf das Kooperationsverfahren, weil dieses gerade nicht vollständig von dem Konzessionsverfahren getrennt durchgeführt worden sei. So seien die Angebote parallel erarbeitet und abgegeben worden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe die Streithelferin den Nachweis ihrer Eignung mit den vorgelegten Verpflichtungserklärungen der S. nicht geführt, da sie sich nicht freihändig eine Eignungsleihgeberin suchen, sondern diesen Auftrag aufgrund ihrer mehrheitlich kommunalen Anteilseignerstruktur als Sektorenauftraggeberin vergeben müsse. Beschaffungsgegenstand seien die im angestrebten Pacht- und Dienstleistungsvertrag mitumfassten Netzbetriebsleistungen. Der Netzbetrieb solle vollständig von der S. übernommen werden. Der sich nach dem 48-fachen Monatswert bestimmende Schwellenwert sei bei Weitem überschritten, denn ihre für die 3. Regulierungsperiode genehmigten operativen Kosten hätten 1.859.419 Euro (Strom) beziehungsweise 1.036.779 Euro (Gas) betragen. Auch mit ihrer Rüge eines Verstoßes gegen die Neutralitätspflicht sei sie nicht präkludiert, da sie nicht die Verfahrensgestaltung, sondern die Nichtumsetzung der festgelegten Trennung der Verfahren beanstande. Wirtschaftliche Überlegungen in Bezug auf gesellschaftsrechtliche Beteiligungen dürften Konzessionsvergabeentscheidung nicht beeinflussen, was eine strikte organisatorische und personelle Trennung von Konzessions- und Kooperationsverfahren erfordert hätte. Mit dem Abschluss des Kooperationsvertrags gehe zudem ein Austausch des Vertragspartners einher. Hinsichtlich ihrer Rüge einer mangelnden Berücksichtigung der konkreten Bewerbersituation gehe es um eine Prüfung der Plausibilität des Angebots. Preisgünstigkeit und Versorgungssicherheit könnten aber nicht losgelöst von den Verhältnissen bei der tatsächlichen Netzbetreiberin und damit im Falle der Streithelferin unabhängig von den Bedingungen des Unterauftrags beurteilt werden. Ihre Rügen zu 10 bis 64 seien auch nicht im Hinblick auf die mangelnde Transparenz, sondern auch inhaltlich begründet. Soweit wegen der teilweisen Schwärzung des Auswertungsvermerks der zu prüfende Sachverhalt nicht vollständig bekannt sei, habe das Landgericht die die Antragsgegnerin insoweit treffende sekundäre Darlegungslast verkannt.
Die Antragstellerin hat ursprünglich beantragt,
das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 28. April 2022 (Az. 14d O 7/21) aufzuheben, soweit das Landgericht ihre Verfügungsanträge hinsichtlich der Rügen 1), 2), 4), 6), 7), 9) und 10) bis 64) (Strom) beziehungsweise der Rügen 1), 2), 4), 6), 7), 9) und 10) bis 62) (Gas) zurückgewiesen hat und
1. der Antragsgegnerin zu untersagen, mit der X. oder einem anderen Unternehmen den von ihr im Bundesanzeiger vom ... ausgeschriebenen Wegenutzungsvertrag zum Betrieb des Stromversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung im Konzessionsgebiet I. abzuschließen, bevor sie nicht sämtlichen, mit Schreiben der Antragstellerin vom 18. Juni 2021 erhobenen und in der Antragsschrift weiterverfolgten Rügen abgeholfen und eine neue Auswahlentscheidung getroffen hat,
2. der Antragsgegnerin zu untersagen, mit der X. oder einem anderen Unternehmen den von ihr im Bundesanzeiger vom ... ausgeschriebenen Wegenutzungsvertrag zum Betrieb des Gasversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung im Konzessionsgebiet I. abzuschließen, bevor sie nicht sämtlichen, mit Schreiben der Antragstellerin vom 18. Juni 2021 erhobenen und in der Antragsschrift weiterverfolgten Rügen abgeholfen und eine neue Auswahlentscheidung getroffen hat,
3. der Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Verpflichtungen ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen, wobei die Ordnungshaft am gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerin zu vollziehen ist.
Mit Schriftsatz vom 24. April 2023 hat die Antragstellerin ihr auf die Rüge 4 (mangelnder Eignungsnachweis der Streithelferin) gestütztes Unterlassungsbegehren vorangestellt, während sie ihr Unterlassungsbegehren im Übrigen nur noch hilfsweise weiterverfolgt.
Die Antragstellerin beantragt nunmehr,
das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 28. April 2022 (Az. 14d O 7/21) aufzuheben, soweit das Landgericht ihre Verfügungsanträge hinsichtlich der Rügen 1), 2), 4), 6), 7), 9) und 10) bis 64) (Strom) beziehungsweise der Rügen 1), 2), 4), 6), 7), 9) und 10) bis 62) (Gas) zurückgewiesen hat und folgende einstweilige Verfügung zu erlassen:
1. Der Antragsgegnerin wird es im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, mit der X. oder einem anderen Unternehmen den von ihr im Bundesanzeiger vom ... ausgeschriebenen Wegenutzungsvertrag zum Betrieb des Stromversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung im Konzessionsgebiet I. abzuschließen, bevor sie nicht der mit Schreiben der Antragstellerin vom 18. Juni 2021 erhobenen und in der Antragsschrift weiterverfolgten Rüge 4 abgeholfen und eine neue Auswahlentscheidung unter Ausschluss der X. getroffen hat.
2. Hilfsweise wird es der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, mit der X. oder einem anderen Unternehmen den von ihr im Bundesanzeiger vom ... ausgeschriebenen Wegenutzungsvertrag zum Betrieb des Stromversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung im Konzessionsgebiet I. abzuschließen, bevor sie nicht sämtlichen, mit Schreiben der Antragstellerin vom 18. Juni 2021 erhobenen und in der Antragsschrift weiterverfolgten Rügen abgeholfen und eine neue Auswahlentscheidung getroffen hat.
3. Der Antragsgegnerin wird es im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, mit der X. oder einem anderen Unternehmen den von ihr im Bundesanzeiger vom ... ausgeschriebenen Wegenutzungsvertrag zum Betrieb des Gasversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung im Konzessionsgebiet I. abzuschließen, bevor sie nicht der mit Schreiben der Antragstellerin vom 18. Juni 2021 erhobenen und in der Antragsschrift weiterverfolgten Rüge 4 abgeholfen und eine neue Auswahlentscheidung unter Ausschluss der X. getroffen hat.
4. Hilfsweise wird es der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, mit der X. oder einem anderen Unternehmen den von ihr im Bundesanzeiger vom ... ausgeschriebenen Wegenutzungsvertrag zum Betrieb des Gasversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung im Konzessionsgebiet I. abzuschließen, bevor sie nicht sämtlichen, mit Schreiben der Antragstellerin vom 18. Juni 2021 erhobenen und in der Antragsschrift weiterverfolgten Rügen abgeholfen und eine neue Auswahlentscheidung getroffen hat.
5. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Verpflichtungen ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft am gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerin zu vollziehen ist.
Die Antragsgegnerin und ihre Streithelferin beantragen,
1. die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen,
2. im Wege der Anschlussberufung, das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 28. April 2022 (Az. 14d O 7/21) abzuändern, soweit das Landgericht erkannt hat, dass
i. die Antragsgegnerin das Akteneinsichtsrecht der Antragstellerin aus § 47 Abs. 3 EnWG verletzt und damit gegen die Grundsätze der transparenten und diskriminierungsfreien Führung des Auswahlverfahrens zum Nachteil der Antragstellerin verstoßen hat;
ii. die Antraggegnerin den Umfang des Einsichtsanspruchs der Antragstellerin grundsätzlich verkannt hat;
iii. die Antragsgegnerin die Antragstellerin durch die unvollständige Erfüllung des Anspruchs aus § 47 Abs. 3 EnWG grundsätzlich unbillig behindert hat;
iv. die Auswahlentscheidung unwirksam ist;
v. die Antragsgegnerin die Schwärzungen auch in konkretem Zusammenhang mit den einzelnen Auswertungskriterien nicht ausreichend begründet hat;
vi. eine mögliche fehlerhafte Bewertung der Antragsgegnerin ohne vollständige Kenntnis des Auswertungsvermerks nicht im Sinne des § 47 Abs. 2 S. 3 EnWG in vollem Umfang aus der Mitteilung der Auswahlentscheidung erkennbar ist;
3. die im Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 28. April 2022 (Az: 14d O 7/21) im Urteilstenor (dort Ziffern: I. 1., l. 2. und ll.) ausgesprochene einstweilige Verfügung aufzuheben;
4. den Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Juli 2021 (Az: 14d O 7/21; Zwischenverfügung) aufzuheben.
Die Antragstellerin beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin verteidigt das angefochtene Urteil, soweit das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hat. Eine unzureichende Akteneinsicht könne nicht im Sinne eines generellen Transparenzverstoßes gerügt werden. Das Akteneinsichtsrecht diene zur Vorbereitung der Rüge nach § 47 Abs. 2 Satz 2 EnWG und sei daher dem Rügeverfahren vorgelagert. Eine Intransparenz wegen unzureichender Akteneinsicht hinsichtlich des Kooperationsverfahrens scheide schon deswegen aus, weil diese Akten nicht die des Konzessionsverfahrens seien. Auch eine unzureichende Eignungsprüfung, für die die Antragstellerin darlegungs- und beweisbelastet sei, sei nicht gegeben. Der neue Vortrag zu einer etwaigen Ausschreibungspflicht sei gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zuzulassen. Es sei aber auch keine Ausschreibungspflicht gegeben. Die S. erbringe die operativen Tätigkeiten nicht für die Streithelferin, sondern für sich selbst zur Erfüllung ihrer eigenen Netzbetreiberaufgaben. Zumindest aber sei eine solche Ausschreibungspflicht im Rahmen der Eignungsleihe von ihr nicht zu überprüfen. Für sie habe keine Veranlassung bestanden, an der Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der Erklärung der Unterauftragnehmerin zu zweifeln. Letztendlich sei aber auch der Verpflichtungserklärung als Minus zur tatsächlichen Leistung die Verpflichtung zur Beteiligung an der Ausschreibung zu entnehmen, so dass kein Risiko bestünde, dass der ausgeschriebene Pachtvertrag hinter den Inhalten der Verpflichtungserklärung zurückbleibe. Eine vorherige Ausschreibungspflicht sei der Streithelferin auch nicht zumutbar und im Rahmen der Angebotsfristen auch gar nicht umsetzbar. Die Behauptung eines Verstoßes gegen die Neutralitätspflicht erfolge "ins Blaue hinein". Eine Konkurrenzsituation zwischen der mit einer Eigengesellschaft am Wettbewerb teilnehmenden Gemeinde und den übrigen Bietern sei vorliegend nicht gegeben. Es drohe auch kein Austausch des Vertragspartners. Die konkrete Bewerberkonstellation der Streithelferin sei angemessen berücksichtigt. Eine Festlegung sämtlicher bezüglich der Eignungsleihe erforderlichen Vertragsverhältnisse könne von Newcomern nicht verlangt werden.
Zu Unrecht habe das Landgericht allerdings einen generellen Transparenzverstoß und eine unbillige Behinderung der Antragstellerin unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO festgestellt. Der Umfang des Akteneinsichtsrechts sei nicht isoliert rügefähig. Die Antragstellerin habe ihre Anträge ausschließlich im Verfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG angestrengt. Über die gegenständlichen Rügen hinausgehende Feststellungen seien daher nicht umfasst. Die prozessuale Beschränkung auf das Verfahren nach § 47 Abs. 5 EnWG hindere die von den Rügen losgelöste Feststellung eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Das Landgericht habe allerdings auch Akteneinsicht zu Unrecht für unzureichend erachtet. Zum einen habe sie alle erforderlichen Informationen bereits mit den Bieterinformationsschreiben übermittelt. Zum anderen sei die von ihr vorgenommene Abwägung zwischen dem Interesse des obsiegenden Bieters an der Wahrung seiner Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen und denen des unterlegenen Bieters nicht zu beanstanden. Soweit das Landgericht einen Transparenzverstoß bezüglich der Rügen 10 bis 64 festgestellt habe, fehle es an den erforderlichen Ausführungen zu den einzelnen Rügen.
Mit nachterminlichem Schriftsatz vom 10. Mai 2023 ist die Antragsgegnerin den neuen Hauptanträgen der Antragstellerin entgegengetreten. Diese könnten schon deswegen keinen Erfolg haben, weil die Antragstellerin kein einklagbares subjektives Recht auf Ausschluss der Angebote der Streithelferin habe. Das kartellrechtliche Behinderungsverbot sei auf Unterlassung des Vertragsschlusses oder Feststellung der Nichtigkeit des geschlossenen Vertrages gerichtet. Jedenfalls aber laufe eine Verpflichtung zum Ausschluss mit der Folge einer faktischen Kontrahierungspflicht mit der Antragstellerin als dann einziger verbliebener Bieterin auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache hinaus. Dabei werde auch der Rechtsschutz der Streithelferin unangemessen beeinträchtigt, weil diese sich wegen der Interventionswirkung nach § 68 ZPO nicht effektiv gegen ihren Ausschluss wehren könne.
Die Streithelferin hat mit nachterminlichen Schriftsätzen vom 15. Mai und 20. Juni 2023 die Auffassung vertreten, Konsequenz der Annahme einer Ausschreibungspflicht könne nicht die faktische Verpflichtung zum Abschluss mit der Bestandskonzessionären sein, durch die Wettbewerb ums Netz gerade verhindert werde. Die verfahrensleitende Antragsgegnerin müsse das Ermessen haben, das Verfahren wegen unklarer Vergabeunterlagen zurückzuversetzen.
II.
Die zulässige Berufung der Antragstellerin, über die das Oberlandesgericht Düsseldorf nach §§ 93, 92 Abs. 1 GWB i. V. m. § 2 Kartellsachen-Konzentrationsverordnung zu befinden hat, hat in der Sache Erfolg. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist bereits mit seinen nunmehr gestellten Hauptanträgen zulässig und begründet.
1. Der auf Untersagung des Abschlusses der am ... ausgeschriebenen Wegenutzungsverträge zum Betrieb des Strom- und des Gasversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung, bevor die Antragsgegnerin nicht Rüge 4 abgeholfen und eine neue Auswahlentscheidung unter Ausschluss der Streithelferin getroffen hat, gerichtete Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig.
a) Der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben. Abgesehen davon, dass bei der Geltendmachung der gerügten Rechtsverletzungen nach § 47 Abs. 5 Satz 3 EnWG ein Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht zu werden braucht, droht der Antragstellerin ohne die erstrebte einstweilige Verfügung ein endgültiger Rechtsverlust, da die Antragsgegnerin ihre Absicht, mit der Streithelferin Wegenutzungsverträge über den Betrieb eines Stromverteilernetzes und eines Gasverteilernetzes der allgemeinen Versorgung für ihr Stadtgebiet abzuschließen, mit Schreiben vom 21. April 2021 angekündigt hat.
b) Es handelt sich nicht um eine die Hauptsacheentscheidung vorwegnehmende Leistungsverfügung, die nach dem Sinn und Zweck des Eilverfahrens grundsätzlich nicht zuzulassen ist und nur angenommen werden kann, wenn die Realisierung des Hauptanspruchs für den Gläubiger von existenzieller Bedeutung ist (OLG Hamburg, Beschluss vom 16. November 2018, 12 W 6/18, BeckRS 2018, 37434 Rn. 17; Musielak/Voit/Huber, 18. Aufl. 2021, ZPO § 940 Rn. 18; Zöller-Vollkommer, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 940 Rnrn. 6, 8.3), weshalb ihre Ablehnung zu einer Rechtsverweigerung führen würde (OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2004, VI-U (Kart) 35/03, MMR 2004, 618, 619; OLG München, Endurteil vom 20. Juni 2018, 7 U 1079/18, BeckRS 2018, 13312 Rn. 30). Mit den Hauptanträgen wird der Antragsgegnerin nur der Abschluss der Wegenutzungsverträge für das Strom- beziehungsweise das Gasversorgungsnetz untersagt. Die Antragsgegnerin genügt dem Titel folglich schon dadurch, dass sie schlicht nicht handelt. Es handelt sich somit um eine reine Unterlassungsverpflichtung.
Die nachfolgende Formulierung "bevor sie nicht der (...) Rüge 4 abgeholfen und eine neue Auswahlentscheidung unter Ausschluss der X. getroffen hat" stellt nur eine Inhaltsbegrenzung der begehrten Unterlassungsverpflichtung dar. Eine vollstreckbare Verpflichtung auf Ausschluss des Angebots der Streithelferin oder Treffen einer neuen Auswahlentscheidung wird hierdurch nicht begründet. Mehr als das reine Nichthandeln der Antragsgegnerin kann die Antragstellerin auf der Grundlage des vorliegend erstrebten Titels nicht durchsetzen.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass wegen der durch die Regelungen des § 46 Abs. 1 bis 4 und Abs. 6 EnWG begründeten gesetzliche Pflicht, den Wettbewerb um das Netz in der gebotenen Weise jedenfalls alle 20 Jahre rechtzeitig zu eröffnen und nach ordnungsgemäßer Durchführung des Verfahrens eine Vergabeentscheidung zu treffen, die konzessionsvergebende Gemeinde anders als im Vergaberecht weder ihre Vergabeabsicht schlicht aufgeben noch beliebig hinauszuschieben kann, weil die Bewerber ein subjektives Recht darauf haben, dass die Gemeinde nach ordnungsgemäßer und fehlerfreier Durchführung des Verfahrens auch tatsächlich eine Vergabeentscheidung trifft (BGH, Urteil vom 9. März 2021, KZR 55/19, NZBau 2021, 625, Rnrn. 37, 38). Dies ist nicht Folge der von der Antragstellerin vorliegend erstrebten Unterlassungsverpflichtung, sondern der gesetzlichen Besonderheiten bei Konzessionsvergaben. Für die Abgrenzung der Unterlassungs- von der Leistungsverfügung ist allein entscheidend, dass die Antragstellerin eine Vergabeentscheidung zu ihren Gunsten nicht auf der Grundlage der vorliegend erstrebten Unterlassungsverpflichtung erzwingen kann, sondern zur Durchsetzung eventueller Ansprüche aus § 46 Abs. 1 bis 4 EnWG erst noch Hauptsacheklage auf Beendigung der laufenden Konzessionsverfahren durch Abschluss der Konzessionsverträge mit ihr erheben müsste (BGH, Urteil vom 9. März 2021, KZR 55/19, NZBau 2021, 625, Rn. 35).
Dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt von dem des Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 25. Mai 2023, 2 U 201/22, das die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 20. Juni 2023 vorgelegt hat. Die dortige Verfügungsklägerin hatte nicht nur eine Verurteilung zur Unterlassung beantragt, sondern mit ihrem vom Oberlandesgericht für unzulässig erachteten Verfügungsantrag zu 2. bereits die Verpflichtung der Verfügungsbeklagten zur Erteilung des Zuschlags an sie erstrebt.
Die Untersagung des Vertragsschlusses hindert die Antragsgegnerin im Übrigen nicht, die Konzessionsvergabeverfahren aufzuheben und neu einzuleiten oder in ein früheres Stadium zurückzuversetzen, wenn dafür ein gewichtiger Grund vorliegt; etwa weil die Nichterfüllung der verfahrensgegenständlichen Anforderungen durch die Streithelferin in Zusammenhang mit Mängeln des Vergabeverfahrens steht (BGH, Urteil vom 9. März 2021, KZR 55/19, NZBau 2021, 625 Rnrn. 44, 58). Grenzen für die Entschließungsfreiheit der Antragsgegnerin ergeben sich insoweit nicht aus der vorliegend begehrten Unterlassungsverpflichtung, die auf der Grundlage des derzeitigen Sachverhalts zu ergehen hat, sondern aus den rechtlichen Vorgaben für Konzessionsvergaben. Soweit sich durch eine zulässige Rückversetzung Änderungen in Bezug auf den Nachweis der Eignung der Streithelferin im laufenden Vergabeverfahren ergeben sollten, kann die Antragsgegnerin eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände nach §§ 927 Abs. 1, 936 ZPO beantragen.
Die sich aus einer Bejahung eines unzureichenden Nachweises der Eignung der Streithelferin ergebenden Beschränkungen für ihre eigene Rechtsverteidigung gegen einen von der Antragsgegnerin danach in Umsetzung ihrer gesetzlichen Pflicht zur Fortführung des Konzessionsvergabeverfahrens - und gerade nicht in Umsetzung der vorliegend begehrten Unterlassungsverpflichtung - erfolgten Ausschlusses ihrer Angebote sind Folge der gesetzlichen Regelung des § 68 ZPO und können schon von daher keine ungerechtfertigte Beeinträchtigung ihrer Rechtsschutzmöglichkeiten darstellen. Soweit die Streithelferin durch die Antragsgegnerin an der Wahrung ihrer Rechte gehindert sein sollte, sind die Voraussetzung der Interventionswirkung gemäß § 68 ZPO gerade nicht gegeben. Ohnehin wäre die Streithelferin nicht gehindert, einen Zusammenhang der Nichterfüllung der sie treffenden verfahrensgegenständlichen Anforderung mit Mängeln des Vergabeverfahrens geltend zu machen, die eine Rückversetzung gebieten. Ob derartige Mängel des Vergabeverfahrens gegeben sind, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.
c) Dem geltend gemachten Unterlassungsanspruchs steht auch nicht ein etwaig vorrangig zu berücksichtigender Anspruch auf Akteneinsicht entgegen, auf den sich die Streithelferin in der mündlichen Verhandlung berufen hat.
Ein solcher genereller Vorrang kann dem Urteil des Senats vom 17. August 2022, VI-2 U (Kart) 4/21, nicht entnommen werden. Zwar heißt es dort, dass die Akteneinsicht der Überprüfung der Auswahlentscheidung prozessual vorgelagert ist, weil sie gerade der Vorbereitung einer Rüge nach § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG dient. Diese Ausführungen betrafen jedoch die als fehlerhaft gerügte Wertung der Angebote anhand der vorgesehenen Wertungskriterien und Wertungsmethode. Über die Eignung der dortigen Zuschlagsprätendentin hat der Senat unabhängig von der unzureichend erteilten Akteneinsicht entschieden (Rnrn. 49 ff). Die Wertung ist ein einheitlicher Vorgang, bei dem die Wertung der jeweiligen Angebote in sich aber auch im Vergleich zu den anderen Angeboten konsistent sein muss. In einem solchen Fall ist es daher nicht angezeigt, über einzelne die Wertung betreffende Rügen vorab zu entscheiden, bevor der Auswertungsvermerk im Rahmen der zu gewährenden Akteneinsicht nicht in dem gebotenen Umfang offengelegt ist.
Überdies ist es der Antragstellerin aufgrund der im Zivilprozess geltenden Dispositionsmaxime möglich, einzelne Aspekte herauszugreifen. Danach kann der Kläger sein Rechtsschutzbegehren dahin fassen, dass aus einem bei natürlicher Betrachtungsweise einheitlichen Lebenssachverhalt nur bestimmte Teile zur Beurteilung herangezogen werden sollen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2017, I ZR 78/16, BeckRS 2017, 141118 Rn. 16). Der Antragstellerin kann es daher nicht verwehrt werden, einzelne Rügen vorrangig zu verfolgen, bezüglich derer es einer weiteren Sachverhaltsaufklärung durch ergänzende Akteneinsicht ihrer Auffassung nach nicht bedarf.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet. Die Antragstellerin hat gegenüber der Antragsgegnerin aus §§ 33 Abs. 1, Abs. 2, 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB einen Anspruch auf Untersagung des Abschlusses des am ... ausgeschriebenen Wegenutzungsvertrags über den Betrieb eines Stromverteilernetzes und des Abschlusses des am ... ausgeschriebenen Wegenutzungsvertrags über den Betrieb eines Gasverteilernetzes der allgemeinen Versorgung im Konzessionsgebiet I. mit der Streithelferin. Durch die beabsichtigte Vergabe der Konzessionen droht eine unbillige Behinderung der Antragstellerin im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB und damit ein Verstoß gegen das Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von § 19 Abs. 1 GWB, weil die Antragsgegnerin die Eignung der Streithelferin zu Unrecht bejaht hat.
Nach § 33 Abs. 1, Abs. 2 GWB kann derjenige, der gegen eine Vorschrift des ersten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder gegen Artikel 101oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößtoder zu verstoßen droht, vom Betroffenen auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Zu diesen Vorschriften gehört § 19 GWB, der den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verbietet, der nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 GWB insbesondere dann vorliegt, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
a) Die Antragsgegnerin ist ein marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Marktbeherrschend ist gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB ein Unternehmen, wenn es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne Wettbewerber ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Gemeinden, die beim Abschluss von Konzessionsverträgen als Unternehmen im Sinne des Kartellrechts handeln (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013, KZR 65/12, NZBau 2014, 303 Rn. 18 - Stromnetz Heiligenhafen; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013, KZR 66/12, NVwZ 2014, 807 Rn. 19 - Stromnetz Berkenthin), haben auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt für Wegenutzungsrechte zur Verlegung und zum Betrieb eines Stromverteilernetzes im Gemeindegebiet eine Monopolstellung; sie sind dort ohne Wettbewerber (OLG Düsseldorf, Urteil vom 4. November 2020, I-27 U 3/20, NZBau 2021, 283 Rn. 25). Auf diesem auf das Gemeindegebiet beschränkten relevanten Markt stehen sich Gemeinden als Anbieter des Wegerechts und Stromversorgungsunternehmen als Nachfrager gegenüber (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013, KZR 65/12, NZBau 2014, 303 Rn. 21 - Stromnetz Heiligenhafen; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013, KZR 66/12, NVwZ 2014, 807 Rn. 22 - Stromnetz Berkenthin; Senatsurteil vom 21. März 2018, 2 U (Kart) 6/16, BeckRS 2018, 11739 Rnrn. 26-28; OLG Düsseldorf, Urteil vom 4. November 2020, I-27 U 3/20, NZBau 2021, 283 Rn. 26). Der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin steht nicht entgegen, dass eine Stromnetzkonzession oder eine Gasnetzkonzession nicht nur die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, sondern weitergehend auch die Strom- beziehungsweise der Gasversorgung umfasst. Dass der nachgelagerte Markt der Strom- beziehungsweise Gasversorgung nicht auf das Gemeindegebiet beschränkt sein muss, ändert nichts daran, dass Städte und Gemeinden auf dem vorgelagerten Markt der Wegenutzungsrechte auf ihrem Gebiet jeweils Monopolisten sind (OLG Düsseldorf, Urteil vom 4. November 2020, I-27 U 3/20, NZBau 2021, 283 Rn. 27).
b) Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin als Nachfragerin von Wegenutzungsrechten über den Betrieb eines Strom- und eines Gasverteilernetzes zur allgemeinen Versorgung unbillig nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 GWB behindert, indem sie die Eignung ihrer Mitbewerberin, der Streithelferin, auf der Grundlage der von dieser vorgelegten Verpflichtungserklärung der S. bejaht hat.
aa) Ob ein Auswahlverfahren Bewerber um eine Konzession im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 1, Var. 1 GWB unbillig behindert, bestimmt sich anhand einer Gesamtwürdigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielrichtung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die auf die Sicherung des Leistungswettbewerbs und insbesondere die Offenheit der Marktzugänge gerichtet ist (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013, KZR 65/12, NZBau 2014, 303 Rn. 51 - Stromnetz Heiligenhafen; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013, KZR 66/12, NVwZ 2014, 807 Rn. 55 - Stromnetz Berkenthin; OLG Brandenburg, Urteil vom 22. August 2017, 6 U 1/17 Kart, EnZW 2017, 457 Rn. 159). Eine unbillige Behinderung von Bewerbern um eine Konzession liegt vor, wenn deren Chancen auf den Abschluss des Konzessionsvertrags dadurch beeinträchtigt werden, dass die Auswahlentscheidung die an sie zu stellenden verfahrensbezogenen und materiellen Anforderungen nicht erfüllt (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013, KZR 65/12, NZBau 2014, 303 Rn. 50 - Stromnetz Heiligenhafen; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013, KZR 66/12, NVwZ 2014, 807 Rn. 54 - Stromnetz Berkenthin). Grundlage für die an die Auswahlentscheidung zu stellenden verfahrensbezogenen und materiellen Anforderungen sind außer dem kartellrechtlichen Behinderungs- und Diskriminierungsverbot des § 19 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 GWB der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Form des Willkürverbots (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006, 1 BvR 1160/03, NJW 2006, 3701 Rn. 64) und jedenfalls die Vorschriften der §§ 46 und 47 EnWG, welche die vorgenannten Grundsätze für den Teilbereich der Konzessionsvergabe im Energieversorgungsbereich konkretisieren (Senatsurteil vom 18. Mai 2022, VI-2 U (Kart) 2/21, unter II.2.a.dd(1); Senatsurteil vom 17. August 2022, VI-2 U (Kart) 4/21).
bb) Zu den danach an die Auswahlentscheidung zu stellenden materiellen Anforderungen gehört die Prüfung der Eignung der Bewerber. Die Gemeinde darf keine Konzessionsvergabe an ein Unternehmen befürworten, das auf Grund gesicherter Erkenntnisse nicht fachkundig und/oder nicht leistungsfähig oder aus rechtlichen Gründen gehindert ist, die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (Senatsbeschluss vom 17. April 2014, VI-2 Kart 2/13, NZBau 2014, 577, 580; OLG Celle, Urteil vom 17. März 2016, 13 U 141/15, BeckRS 2016, 12413 Rn. 126).
Dass ein Netzbetreiber die erforderliche Eignung haben muss, das heißt personell, technisch und wirtschaftlich leistungsfähig sowie zuverlässig sein muss, ergibt sich energiewirtschaftsrechtlich mittelbar aus § 4 Abs. 1 und Abs. 2 EnWG, wonach die Aufnahme des Betriebs eines Energieversorgungsnetzes einer behördlichen Genehmigung bedarf, die nur versagt werden darf, wenn der Antragsteller ungeeignet im vorgenannten Sinn ist (Senatsbeschluss vom 17. April 2014, VI-2 Kart 2/13, NZBau 2014, 577, 581; KG, Urteil vom 24. September 2020, 2 U 93/19, BeckRS 2020 27566 Rn. 161).
Die Verpflichtung der konzessionsvergebenden Gemeinde, die Eignung der Bewerber zu prüfen und nur einen geeigneten Bewerber auszuwählen, ergibt sich aber auch unmittelbar aus § 46 EnWG. Wie bereits vorstehend im Rahmen der Zulässigkeit ausgeführt, begründen die Regelungen des § 46 Abs. 1 bis 4 und Abs. 6 EnWG eine gesetzliche Pflicht, den Wettbewerb um das Netz in der gebotenen Weise jedenfalls alle 20 Jahre rechtzeitig zu eröffnen und nach ordnungsgemäßer Durchführung des Verfahrens eine Vergabeentscheidung zu treffen, aus der ein subjektiver Anspruch der Bewerber resultiert (BGH, Urteil vom 9. März 2021, KZR 55/19, NZBau 2021, 625, Rnrn. 37, 38). Zu den betreffenden Regelungen gehört § 46 Abs. 4 Satz 1 EnWG, der inhaltsgleich aus § 46 Abs. 3 Satz 5 in der bis zum 2. Februar 2017 geltenden Fassung übernommen worden ist. Danach ist die Gemeinde bei der Auswahl des Unternehmens den Zielen des § 1 Absatz 1 verpflichtet (Senatsbeschluss vom 17. April 2014, VI-2 Kart 2/13, NZBau 2014, 577, 580). Zu den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG gehört eine möglichst sichere Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas. Dabei ist gerade der sichere Netzbetrieb mit den Teilaspekten Zuverlässigkeit der Versorgung und Ungefährlichkeit des Betriebs der Verteilungsanlagen von fundamentaler Bedeutung (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013, KZR 66/12, NZBau 2014, 514 Rn. 84 u. Verw. a. BT-Drs. 13/7274, S. 14 - Stromnetz Berkenthin). Dies schließt die Auswahl eines Bewerbers, der hierfür nicht die Gewähr bietet, aus.
Mit der Pflicht der konzessionsvergebenden Gemeinde zur Eignungsprüfung korrespondiert das Recht, die Vorlage von Eignungsnachweisen eigenverantwortlich festzulegen (Senatsbeschluss vom 17. April 2014, VI-2 Kart 2/13, NZBau 2014, 577, 581). Dabei ist es den Bewerbern grundsätzlich zuzugestehen, Leistungen des Netzbetriebs durch ein Tochter- oder Drittunternehmen erbringen zu lassen und insofern auch eine Eignungsleihe vorzunehmen (Anmerkung Dr. Mirko Sauer zu KG Berlin, Urteil vom 4. April 2019, 2 U 5/15 Kart, EWeRK 2019, 143, 159). In Anlehnung an die Grundsätze des § 47 VgV darf sich ein Bieter zum Nachweis der Leistungsfähigkeit und Fachkunde der Fähigkeiten eines anderen Unternehmens bedienen, und zwar ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesem Unternehmen bestehenden Verbindungen (OLG Celle, Urteil vom 17. März 2016, 13 U 141/15, BeckRS 2016, 12413 Rn. 126). Es besteht keine Veranlassung, das bei der Vergabe öffentlicher Aufträge jedem Wirtschaftsteilnehmer zuerkannte Recht, sich für einen bestimmten Auftrag auf die Kapazitäten anderer Unternehmen zu stützen, sofern gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber nachgewiesen wird, dass dem Bieter die Mittel dieser Unternehmen, die für die Ausführung dieses Auftrags erforderlich sind, tatsächlich zur Verfügung stehen und das nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände eingeschränkt werden kann (EuGH, Urteil vom 7. April 2016, C-324/14, NZBau 2016, 373 Rnrn. 33, 39 - Apelski Dariusz), nicht auch im Bereich der nicht Teil 4 des GWB unterfallenden Konzessionsvergaben anzuwenden.
cc) Bei der durchzuführenden materiellen Eignungsprüfung steht dem Auftraggeber darüber hinaus eine Einschätzungsprärogative zu, weil die Entscheidung, ob das Unternehmen für die Vertragsausführung geeignet ist oder nicht, prognostische Elemente aufweist. Der der Gemeinde bei der Prognoseentscheidung über die Eignung eines Unternehmens zustehende Beurteilungsspielraum kann nur daraufhin überprüft werden, ob sie die selbst aufgestellten Vorgaben beachtet, das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, den zu Grunde gelegten Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat (Senatsbeschluss vom 17. April 2014, VI-2 Kart 2/13, NZBau 2014, 577, 581; OLG Celle, Urteil vom 17. März 2016, 13 U 141/15, BeckRS 2016, 12413 Rn. 126). Dies gilt auch bei der Frage der Geeignetheit von Referenzen (OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 26. Juli 2018, VII-Verg 28/18, ZfBR 2019, 826, 827). Hier gilt nichts anderes als im Vergaberecht (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 26. Juli 2018, VII-Verg 28/18, ZfBR 2019, 826, 827; OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 12. August 2021, VII-Verg 27/21, BeckRS 2021 56263 Rn. 35).
Seine Eignungsprognose darf der öffentliche Auftraggeber in der Regel auf Eigenerklärungen stützen. Er ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Richtigkeit der Eigenerklärungen zu überprüfen. Für die Entscheidung, ob Bewerber oder ein Bieter auf Grund seiner Eigenerklärungen als geeignet bzw. ungeeignet zu beurteilen ist, ist demnach nicht erforderlich, dass der öffentliche Auftraggeber sämtliche in Betracht kommenden Erkenntnisquellen ausschöpft, um die gemachten Angaben zu verifizieren (OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 12. August 2021, VII-Verg 27/21, BeckRS 2021 56263 Rn. 35). Er darf seine Entscheidung auf eine methodisch vertretbar erarbeitete, befriedigende Erkenntnislage stützen und von einer Überprüfung von Eigenerklärungen absehen, wenn und soweit sich keine objektiv begründeten, konkreten Zweifel an der Richtigkeit ergeben (OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 2. Dezember 2009, VII-Verg 39/09, NZBau 2010, 393, 398).
Nur wenn sich objektiv begründete und konkrete Zweifel an der Richtigkeit von Eigenerklärungen ergeben, ist der öffentliche Auftraggeber gehalten, weitere Nachforschungen anzustellen und in eine erneute Eignungsprüfung einzutreten (OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 12. August 2021, VII-Verg 27/21, BeckRS 2021 56263 Rn. 35; OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 2. Dezember 2009, VII-Verg 39/09, NZBau 2010, 393, 398). Ansonsten ist die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers über die Eignung eines Bewerbers (oder Bieters) bereits dann hinzunehmen, wenn sie unter Berücksichtigung der schon bei Aufstellung der Prognose auf Grund zumutbarer Aufklärung gewonnenen Erkenntnisse (noch) vertretbar erscheint (OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 2. Dezember 2009, VII-Verg 39/09, NZBau 2010, 393, 398; Scharen, GRUR 2009, 345, 348).
Allerdings kann sich der Auftraggeber nicht auf den Standpunkt zurückziehen, im Zeitpunkt seiner Auswahlentscheidung hätten noch keine objektiv begründeten, konkreten Zweifel an der Richtigkeit der Eigenerklärung des Bewerbers bestanden. Umstände, die Zweifel an der Eignung des Bewerbers oder Bieters begründen, sind grundsätzlich bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens, also bis zur (rechtswirksamen) Zuschlagserteilung, berücksichtigungsfähig. Wenn neue Tatsachen auftreten oder bekannt werden, die Zweifel an der Eignung eines Bieters begründen, ist die Vergabestelle nicht gehindert, sondern unter Umständen sogar verpflichtet, (erneut) in die Prüfung der Eignungsanforderungen und Ausschlussgründe einzutreten (Opitz in Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, § 122 Rnrn. 29, 31), wenn sich der zur Beurteilung stehende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt geändert hat (OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 14. November 2018, VII-Verg 31/18, ZfBR 2019, 510, 514). Dies gilt erst recht, wenn sich der Sachverhalt gar nicht geändert hat, sondern der Auftraggeber aufgrund einer Rüge erkennen muss, dass er aufgrund mangelnden Problembewusstseins die im konkreten Fall ausnahmsweise gebotene Prüfungstiefe hat vermissen lassen.
dd) Ausgehend von diesen Grundsätzen durfte die Antragsgegnerin die Eignung der Streithelferin gestützt auf die Verpflichtungserklärung der S. nicht bejahen. Sie ist von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, denn sie hat verkannt, dass sich die Streithelferin nicht auf die Eignung der S. im Wege der Eignungsleihe berufen kann, weil im Falle der Zuschlagserteilung an die Streithelferin keinesfalls sicher ist, dass die S. mit dem Betrieb des Strom- beziehungsweise des Gasnetzes beauftragt werden wird. Die Antragsgegnerin hat verkannt, dass die Streithelferin die erforderliche Beauftragung eines geeigneten Dritten mit dem Netzbetrieb EU-weit ausschreiben muss und diese Ausschreibung nicht die Gewähr einer Beauftragung der S. bietet. Vor diesem Hintergrund stellen die Verpflichtungserklärungen der S. vorliegend keinen belastbaren Umstand dar, der mit Blick auf den zukünftigen Zeitpunkt der Leistungserbringung die Annahme rechtfertigt, dass die Streithelferin zur Auftragserfüllung in der Lage sein wird. Damit leidet ihre Eignungsprognose am Fehler eines unvollständig beziehungsweise unrichtig ermittelten Sachverhalts.
Dabei kann dahinstehen, ob diese Verpflichtungserklärungen als Minus eine Verpflichtung der S. enthalten, sich mit einem ihrer Verpflichtungserklärung entsprechenden Angebot an der Ausschreibung zu beteiligen, weshalb im Falle einer Ausschreibung mindestens die von dieser garantierten Verpflichtungen zu realisieren seien. Abgesehen davon, dass die Verpflichtung zur Beteiligung an einer Ausschreibung kein Minus zur Verpflichtung ist, einen freihändig vergebenen Auftrag anzunehmen, sondern ein Mehr, weil durch die Beteiligung an einer Ausschreibung einem Unternehmen zusätzliche Kosten entstehen, ohne dass ein Erfolg gewiss ist, ist die Eignungsprüfung ihrem Wesen nach auf ein konkretes Unternehmen bezogen. Geprüft wird die Eignung des Bieters und im Falle der Eignungsleihe die des Eignungsleihgebers. Diese muss sicher sein, was eine von einem konkreten Unternehmen losgelöste Prüfung ausschließt. Ein Vorgehen, bei dem sich der erfolgreiche Bewerber erst danach seinen Eignungsleihgeber im Rahmen einer Ausschreibung sucht, ist hiermit nicht zu vereinbaren..
(1) Als Nachweis für die Eignung im Wege der Eignungsleihe wären die vorgelegten Verpflichtungserklärungen der S. zwar grundsätzlich geeignet, wäre die Streithelferin in der Wahl ihrer Vertragspartnerin frei. Die für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen geltenden Bestimmungen der §§ 47 Abs. 1 Satz 1 VgV und 47 Abs. 1 Satz 1 SektVO, wonach der Nachweis durch Vorlage beispielsweise einer entsprechenden Verpflichtungserklärung dieser Unternehmen geführt werden kann, lassen sich auf Konzessionsvergaben übertragen. Auch hier bedarf es eines fertig ausgehandelten und unter der Bedingung der Konzessionserteilung geschlossenen Vertrags nicht. Angesichts des bestehenden Wettbewerbs ist es keinem Bieter zumutbar, entsprechende Dispositionen auf die reine Vermutung eines Zuschlags zu treffen. Vielmehr reicht es für die Eignung grundsätzlich aus, dass belastbare Umstände gegeben sind, die mit Blick auf den zukünftigen Zeitpunkt der Leistungserbringung die Annahme rechtfertigen, dass der Bieter zur Auftragserfüllung in der Lage sein wird (OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 4. Februar 2013, VII Verg 52/12; OLG Jena, Beschluss vom 24. Februar 2016, 2 Verg 1/16, BeckRS 2016, 19212 Rn. 156). Es genügt, dass die Eignung des Bieters, insbesondere der Umstand, dass er zu den ausgeschriebenen Leistungen in der Lage ist, im Zeitpunkt der Vergabeentscheidung geklärt ist und in diesem Zeitpunkt bejaht werden kann. Über die eignungsrelevanten Mittel muss er, sofern sich der öffentliche Auftraggeber nicht in der Bekanntmachung einen anderen Zeitpunkt vorbehält, in der Regel erst zum Zeitpunkt der Leistungserbringung verfügen (OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 12. Juni 2019, VII-Verg 52/18, NZBau 2020, 258 Rn. 39; BayObLG, Beschluss vom 9. April 2021, Verg 3/21, BeckRS 2021, 9135 Rn. 65).
(2) Die Streithelferin ist in der Wahl ihrer Vertragspartnerin aber nicht frei. Für den Fall, dass zwischen der Streithelferin und der Antragsgegnerin ein Wegenutzungsvertrag über den Betrieb eines Strom- und/oder Gasversorgungsnetzes zustande kommt, ist die Streithelferin bei der anschließenden Beschaffung von Netzbetriebsdienstleistungen zu einer Vergabe nach dem 4. Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verpflichtet.
(aa) Die Streithelferin ist im Falle der Bezuschlagung Sektorenauftraggeberin nach § 100 Abs. 1 Nr. 2 lit. b GWB. Nach dieser Vorschrift sind Sektorenauftraggeber natürliche und juristische Personen des privaten Rechts, die Sektorentätigkeit gemäß § 102 GWB ausüben, wenn öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nr. 1 bis 3 GWB auf diese Personen einzeln oder gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben können.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Zu den Sektorentätigkeiten im Bereich Elektrizität gehört nach § 102 Abs. 2 Nr. 1 GWB die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Erzeugung, der Fortleitung und der Abgabe von Elektrizität, zu den Sektorentätigkeiten im Bereich Gas gehört nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 GWB die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Erzeugung, der Fortleitung und der Abgabe von Gas.
Öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB sind nach Nr. 1 auch Gebietskörperschaften. Dabei können die hinter der Streithelferin stehenden Kommunen auf diese auch einen beherrschenden Einfluss ausüben. Die Streithelferin ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der G.. Mehrheitsgesellschafterin der G. ist mit einem Gesellschaftsanteil von 70 Prozent die T., deren Alleingesellschafterin wiederrum die Stadt T.1 ist. Minderheitengesellschafterinnen mit Anteilen von jeweils 15 Prozent sind die F., deren Mehrheitsgesellschafterin mittelbar über die F 1. die Stadt N. ist, und die E. 2, deren Mehrheitsaktionärin mittelbar über die E.1 die E.2 ist.
Sektorenauftraggeber i.S.d. § 102 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 GWB ist auch, wer Elektrizitätsnetze beziehungsweise Gasnetze betreiben will (OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 9. Januar 2013, VII-Verg 26/12, NZBau 2013, 120, 121).
Es ist unschädlich, dass die Antragstellerin erst im Berufungsrechtszug zur Gesellschafterstruktur der Streithelferin vorgetragen hat, weil dieser Vortrag in tatsächlicher Hinsicht unbestritten geblieben ist. Unstreitige Tatsachen, die erstmals im Berufungsrechtszug vorgetragen werden, sind stets zu berücksichtigen und können nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen werden (BGH , Beschluss vom 13. Januar 2015, VI ZR 551/13, r + s 2015, 212 Rn. 5). Ob sich hieraus eine Ausschreibungspflicht für die Streithelferin ergibt, ist eine Rechtsfrage, die ohnehin nicht § 531 Abs. 2 ZPO unterfällt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 9. Dezember 2021, 2 U 12/21, GRUR-RS 2021, 41553 Rn. 40).
(bb) Der zwischen der Streithelferin und der S. geplante Vertragsschluss über den Betrieb des Strom- beziehungsweise Gasnetzes ist ein öffentlicher Auftrag gemäß § 103 Abs. 1 GWB. Es handelt sich um einen entgeltlichen Vertrag zwischen einer Sektorenauftraggeberin und einem Unternehmen, der die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand hat.
(aaa) Der Vertrag hat die Beschaffung von Dienstleistungen zum Gegenstand, auch wenn er in den Verpflichtungserklärungen als "Netzpachtvertrag" bezeichnet wird. Maßgeblich für das Verständnis eines Dienstleistungsauftrag i.S. des § 103 Abs. 1 ist der Zweck des Vierten Teils des GWB, der gemäß § 97 Abs. 1 GWB darin besteht, die Beschaffung von Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber zu erfassen und zu regeln. Sobald der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber einen tatsächlich bestehenden Bedarf erkennt oder auch nur meint, einen durch Dienstleistung zu befriedigenden Bedarf zu haben, den er nicht selbst decken will, kommt deshalb die Einordnung eines zu diesem Zweck geschlossenen Vertrags als Dienstleistungsauftrag i.S. des § § 103 Abs. 1, Abs. 4 GWB in Betracht (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2005, X ZB 27/04, NZBau 2005, 290, 292 - Altpapierverkauf).
Nach Teil II § 4 Abs. 1 der von der Streithelferin angebotenen, als Anlage ASt 38 und ASt 46 vorgelegten Strom- und Gaskonzessionsverträge obliegen ihr unter anderem der Betrieb, die Wartung, die Überwachung und die bedarfsgerechte Optimierung des Netzes im Rahmen der geltenden gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben. Im Interesse einer Minimierung von Versorgungsstörungen hat sie nach § 5 Abs. 1 eine hochmoderne und rund um die Uhr erreichbare Leitwarte, nach Abs. 3 eine technische Betriebstätte und nach Abs. 10 einen 24 Stunden Bereitschaftsdienst zu unterhalten; § 6 verpflichtet sie zur Unterhaltung eines Kundencenters. Bei der Erfüllung dieser Verpflichtungen will die Streithelferin nach § 2 Abs. 4 die Dienstleistungen der S.in Anspruch nehmen.
Zu diesem Zweck beabsichtigt die Streithelferin den Abschluss von Netzpachtverträgen über das Strom- und das Gasnetz mit der S., die sich ihr gegenüber bezüglich beider Verträge im Rahmen ihrer Verpflichtungserklärungen rechtsverbindlich verpflichtet hat, Dienstleistungen für die Netzbetriebsaufgaben, wie im Konzessionsvertrags geregelt, zu erbringen. Die S. hat sämtliche Aufgaben als Netzbetreiber nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften sowie als Pächterin auf Grundlage des noch zu schließenden Netzpachtvertrags zu erfüllen, wobei der Netzpachtvertrag die vertraglichen Regelungen des Konzessionsvertrags zwischen der Antragsgegnerin und der Streithelferin angemessen zu berücksichtigen hat und zwar so, dass sicherzustellen ist, dass die Rechte und Pflichten der Streithelferin aus dem Konzessionsvertrag einschließlich etwaiger besonderer Anforderungen an die Durchführung des Netzbetriebes vollumfänglich ihr gegenüber durchgesetzt werden können.
Danach hat die S. sämtliche Dienstleistungen zur Durchführung des Netzbetriebs nach Teil II der Konzessionsverträge im Rahmen der Netzpachtverträge zu erfüllen. Die Streithelferin will diese Netzbetriebsaufgaben gerade nicht selbst erbringen, sondern von der S. erbringen lassen. Da diese Pflichten nach den Konzessionsverträgen aber der Streithelferin obliegen, erbringt die S. diese nicht, jedenfalls nicht ausschließlich im eigenen Interesse, sondern insoweit für die Streithelferin. Im Verhältnis zur Antragsgegnerin erfüllt sie damit Verpflichtungen der Streithelferin, da diese vertraglich dieser zugeordnet sind. Aufgrund der konzessionsvertraglichen Zuordnung der Netzbetriebsaufgaben zur Streithelferin besteht bei dieser ein durch Dienstleistungen zu befriedigender Bedarf, den sie nicht selbst decken will. Wer aber konzessionsvertraglich ihm obliegende Verpflichtungen nicht selbst erfüllt, sondern von einem Dritten erfüllen lässt, beauftragt diesen damit. Damit kann eine Beschaffung der Netzbetriebsdienstleistungen durch die Streithelferin nicht verneint werden, weil die Netzpachtverträge die S. ihr gegenüber zu den genannten Dienstleistungen, mit anderen Worten zu operativen Tätigkeiten bei den Netzdiensten, verpflichten würden (vgl. OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 9. Januar 2013, VII-Verg 26/12, NZBau 2013, 120, 121).
Ob eine Ausschreibung gleichwohl ausnahmsweise dann keine Dienstleistungen betrifft, wenn die von dem Unternehmen zu erbringende Leistung wegen des rechtlichen und wirtschaftlichen Schwerpunkts des Vertrags nicht ins Gewicht fällt, braucht nicht entschieden zu werden. Mit Rücksicht darauf, dass öffentliche Beschaffungen, soweit sie nicht ausdrücklich vom Vergaberechtsregime ausgenommen sind, umfassend unter geregelten Wettbewerbsbedingungen stattzufinden haben, ist eine solche Ausnahme jedenfalls nur zu überlegen, wenn die Pflicht zur Dienstleistung völlig untergeordneter Art und deshalb auszuschließen ist, dass ihretwegen ein Vertrag eingegangen werden soll (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2005, X ZB 27/04, NZBau 2005, 290, 293 - Altpapierverkauf; OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 9. Januar 2013, VII-Verg 26/12, NZBau 2013, 120, 122). Das ist im Streitfall zu verneinen, die in Teil II der Konzessionsverträge geregelten Dienstleistungen zur Durchführung des Netzbetriebs haben ein erhebliches Gewicht.
Am Beschaffungscharakter ändert auch der Umstand nichts, dass die Netzpachtverträge als echte Verträge zugunsten Dritter ausgestaltet werden sollen. Nach den gleichlautenden Verpflichtungserklärungen der S. für das Strom- und Gasnetz wird diese auf Wunsch der Antragsgegnerin darauf hinwirken, dass der Netzpachtvertrag als echter Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet wird, so dass die Antragsgegnerin dadurch neben der Streithelferin als Verpächterin ausdrücklich berechtigt wird, von der ihr unmittelbar mit oder ohne Beteiligung der Streithelferin die Erfüllung sämtlicher vertraglichen Pflichten zu verlangen. Entscheidend ist allein, dass die Netzbetriebsaufgaben in den Konzessionsverträgen der Streithelferin zugewiesen werden und die Streithelferin ihren insoweit bestehenden Beschaffungsbedarf durch die diesbezügliche Beauftragung der S. im Rahmen der Netzpachtverträge deckt. Das Recht der Antragsgegnerin, diese Leistungen unmittelbar von der S. zu fordern, ändert nichts daran, dass es die Streithelferin ist, die ihren aufgrund ihrer konzessionsvertraglichen Verpflichtungen bestehenden Bedarf an Netzbetriebsdienstleistungen bei der S. beschafft. Vertragspartnerin sowohl des Konzessions- als auch des Netzpachtvertrages ist allein die Streithelferin, eine Vertragsbeziehung zwischen Antragsgegnerin und S. wird nicht begründet (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 2006, IV ZR 205/04, NJW 2006, 1434 Rn. 39).
(bbb) Auch die nach § 103 Abs. 1 GWB erforderliche Entgeltlichkeit ist gegeben. Der Begriff der Entgeltlichkeit ist weit zu verstehen und nicht auf die Zahlung eines Geldbetrags beschränkt. Entgeltlichkeit setzt weder eine synallagmatische Verknüpfung der Gegenleistung mit der Leistung des Auftragnehmers noch eine Leistungsgewährung unmittelbar aus eigenen (Haushalts-)Mitteln des öffentlichen Auftraggebers voraus. Ausreichend ist jeder vom Auftragnehmer für die Leistung erlangte geldwerte Vorteil (OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 7. März 2012, VII-Verg 78/11, NZBau 2012, 382, 383; Ziekow in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 103 Rn. 41; Hüttinger in Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, § 103 Rn. 96), der auch in der Überlassung werthaltiger Sachen (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2005, X ZB 27/04, NZBau 2005, 290, 293 - Altpapierverkauf; OLG Celle, Beschluss vom 8. September 2014, 13 Verg 7/14, BeckRS 2014, 17965 Rn. 16) oder geldwerten Zuwendungen bestehen kann (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011, X ZB 4/10, NZBau 2011, 175 Rn. 31 - Abellio Rail). Dabei muss der Auftraggeber als Nachfrager von Güter- und/oder Dienstleistungen auftreten (BayObLG, Beschluss vom 27. Februar 2003, Verg 1/03, ZfBR 2003, 511, 512) an denen für ihn ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse besteht (EuGH, Urteil vom 15. Juli 2010, C-271/08, ECLI:EU:C:2010:426, NZBau 2010, 574 Rn. 75).
Die beabsichtigte Verpachtung des Strom- und des Gasnetzes an die S. stellt eine einen geldwerten Vorteil begründende Überlassung eines werthaltigen Objekts dar. Dabei ist Entgeltlichkeit bei einem Pachtmodell nicht erst anzunehmen, wenn feststeht, dass und gegebenenfalls, inwieweit beim Pachtzins die Pflicht zu Dienstleistungen preismindernd berücksichtigt worden ist. Das Pachtvertragsmodell ist lediglich das rechtliche Mittel, dessen sich der Auftraggeber bedient, um die von ihm angestrebten Dienstleistungen zu beschaffen. Ist es - wie hier - Mittel zur Beschaffung der Dienstleistung, ist der pachtrechtliche Aspekt ohne Bedeutung. Diese Betrachtungsweise entspricht dem Zweck des Vergaberechts. Es soll alle Beschaffungsvorgänge erfassen, die für den öffentlichen Auftraggeber mit einem geldwerten Aufwand verbunden sind (OLG Düsseldorf, Vergabesenat, Beschluss vom 9. Januar 2013, VII-Verg 26/12, NZBau 2013, 120, 122).
Von daher ist für die Beurteilung der Frage der Entgeltlichkeit gleichgültig, dass in Ermangelung eines abgeschlossenen oder auch nur vorbereiteten Netzpachtvertrags noch nicht feststeht, inwiefern die von der vorgesehenen Netzpächterin S. für die Streithelferin zu erbringenden Netzbetriebsdienstleistungen beim Pachtzins preismindernd berücksichtigt werden sollen. Es reicht vollkommen aus, dass die Streithelferin an deren Erbringung durch die S. ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse hat, weil sie diese im Rahmen der Konzessionsverträge im Verhältnis zur Antragsgegnerin schuldet, und die S. zu deren Erbringung bereit ist, um Netzbetreiberin zu werden, da sie sich hiervon einen geldwerten Vorteil verspricht.
Im Übrigen ist die Frage, wer die Netzbetriebsdienstleistungen zu erbringen hat, in wirtschaftlicher Hinsicht von Relevanz für den Pachtzins. Würde die Streithelferin diese Dienstleistungen selbst erbringen oder durch einen Dritten erbringen lassen, könnte sie nach der Lebenserfahrung einen höheren Pachtzins erzielen, da der Netzpächter sich dann den entsprechenden, mit Kosten verbundenen Aufwand ersparen könnte. Dementsprechend liegt in dem demgegenüber niedrigeren Pachtzins im Falle der Erbringung der Netzbetriebsdienstleistungen durch den Netzpächter dessen geldwerter Vorteil für die Erbringung dieser, im wirtschaftlichen Interesse der Streithelferin liegenden Leistungen.
(cc) Das Auftragsvolumen überschreitet den Schwellenwert. Nach § 106 Abs. 2 Nr. 2 GWB i. V. m. Art. 15 lit. a der Sektorenrichtlinie 2014/25/EU unterfallen öffentliche Liefer- und Dienstleistungsaufträgen, die von Sektorenauftraggebern zum Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit vergeben werden, dem Vergaberecht, wenn ihr geschätzter Wert ohne Mehrwertsteuer 431.000 Euro nicht unterschreitet. Der im Ausschreibungszeitraum einschlägige, bis zum 31. Dezember 2019 geltende Schwellenwert lag bei 443.000 Euro. Maßgeblich bei Aufträgen mit mehr als vierjähriger Laufzeit ist insoweit nach § 2 Abs. 11 Nr. 2 SektVO der 48-fache Monatswert.
Die Antragstellerin hat vorgetragen, ihre von der Bundesnetzagentur für die 3. Regulierungsperiode genehmigten operativen Kosten hätten 1.859.419 Euro für das Stromnetz beziehungsweise 1.036.779 Euro für das Gasnetz betragen. Diesen Zahlen sind weder die Antragsgegnerin noch ihre Streithelferin substantiiert entgegengetreten, weshalb diese als unstreitige Tatsachen im Berufungsrechtszug zu berücksichtigen sind. Auch wenn die 3. Regulierungsperiode von 2018 bis 2022 fünf und nicht vier Jahre betragen hat, scheidet damit eine den Schwellenwert unterschreitende Auftragswertschätzung für den maßgeblichen 48-fachen Monatswert aus. Anderes behaupten auch die Antragsgegnerin und ihre Streithelferin nicht. Ihre diesbezügliche Verteidigung beschränkte sich auf das Argument, die S. erbringe diese Leistungen nicht für die Streithelferin, sondern für sich selbst, was - wie vorstehend unter (bb) ausgeführt - nicht zutrifft.
3. Die Anschlussberufung der Antragsgegnerin ist gegenstandslos. Da die Antragstellerin bereits mit ihren Hauptanträgen Erfolg hat, ist die Entscheidung des Landgerichts zu ihrem nunmehr nur noch als Teil ihrer Hilfsanträge weiterverfolgten Begehren hinfällig geworden (BGH, Beschluss vom 13. September 2016, VII ZR 17/14, ZfBR 2017, 50 Rn. 14).
Die Antragstellerin hat ausdrücklich nicht die Ergänzung der erstinstanzlichen Verurteilung, sondern den Erlass einer neuzufassenden einstweiligen Verfügung beantragt, wobei sie ihre ursprünglichen Anträge insgesamt nur noch hilfsweise zur Entscheidung stellt. Mit dem Erfolg ihrer Hauptanträge ist die teilweise Verurteilung der Antragsgegnerin auf die in erster Instanz gestellten, nunmehrigen Hilfsanträge daher aufzuheben. Dies geschieht von Amts wegen. Da die Entscheidung insoweit unter der auflösenden Bedingung steht, dass dem Hauptantrag nicht stattgegeben wird, fehlt es ihr nunmehr an einer verfahrensrechtlichen Grundlage (BGH, Urteil vom 19. Januar 2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127, 1130; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. Januar 2015, I-20 U 192/13, GRUR-RS 2015, 13327 Rn. 41).
Unter diesen Umständen bedarf es keiner Entscheidung über die unselbstständige Anschlussberufung, mit der sich die Antragsgegnerin gegen ihre teilweise Verurteilung auf die nunmehrigen Hilfsanträge gewandt hat. Da mit ihr eine Verurteilung nur auf einen Hilfsantrag hin angegriffen wird, ist die Anschlussberufung der Antragsgegnerin so zu verstehen, dass sie ebenfalls nur für den Fall eingelegt ist, dass die gegen die Abweisung des Hauptantrags gerichtete (Haupt-)Berufung ohne Erfolg bleibt. Da zumindest die unselbstständige Anschlussberufung von innerprozessualen Vorgängen abhängig gemacht werden kann, ist es zulässig, sie unter die Bedingung des Misserfolgs des Hauptrechtsmittels zu stellen. Es ist unschädlich, dass die Antragsgegnerin diese Bedingung nicht ausdrücklich erklärt hat. Zu ihren Gunsten ist davon auszugehen, dass sie im Zweifel mit ihrer Prozesshandlung das bezweckt, was nach Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht. Es ist aber weder vernünftig noch im Interesse der Antragsgegnerin, ihre Anschlussberufung auch für den Fall einzulegen, dass das Hauptrechtsmittel Erfolg hat und damit die angefochtene Verurteilung nach dem Hilfsantrag ohnehin von Amts wegen aufzuheben ist (BGH, Urteil vom 19. Januar 2001, V ZR 437/99, NJW 2001, 1127, 1131). Damit ist die Anschlussberufung der Antragsgegnerin gegenstandslos (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. Januar 2015, I-20 U 192/13, GRUR-RS 2015, 13327 Rn. 41).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO. Die Antragstellerin hat ihr Verfahrensziel einer einstweiligen Untersagung des Abschlusses der Wegenutzungsverträge erreicht. Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, die Sache ist kraft Gesetzes nicht revisibel, § 542 Abs. 2 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Übereinstimmung mit der unbeanstandet gebliebenen erstinstanzlichen Festsetzung auf bis 200.000,00 Euro festgesetzt.
Bewerbungsfrist abgelaufen: Teilnahmeantrag nicht mehr änderbar!
Bewerbungsfrist abgelaufen: Teilnahmeantrag nicht mehr änderbar!
Melden Sie sich jetzt an unter www.vpr-online.de, um sämtliche Entscheidungen im Volltext lesen zu können.
vpr-online ist DIE Datenbank für öffentliche Auftraggeber und Bieter sowie für alle Berater auf den Gebieten des Vergaberechts.
Mit vpr-online haben Sie außerdem jederzeit und überall Zugriff auf über 5.800 VPR-Beiträge nach dem 1-Seiten-Prinzip, über 12.018 Entscheidungen im Volltext, Arbeitshilfen, Materialien und vieles mehr.
VK Rheinland
Beschluss
vom 07.10.2024
VK 32/24
1. Besteht in einem Angebot ein Widerspruch zwischen einer vorformulierten Erklärung des Bieters und von ihm dem Angebot beigefügten, inhaltlich von den Vergabebedingungen abweichenden Unterlagen, ist eine Aufklärung seitens des Auftraggebers insbesondere dann geboten, wenn dieser es für überwiegend wahrscheinlich halten muss, dass die Abweichung auf einem Missverständnis oder auf Nachlässigkeit beruht.*)
2. Nach Ablauf der Bewerbungsfrist kann ein Teilnahmeantrag inhaltlich nicht mehr verändert werden, selbst wenn die Vergabebedingungen eine solche Möglichkeit vorsehen sollten.*)
3. Der Wortlaut von Vergabebedingungen darf zur Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Transparenzgebots weder erweiternd noch einengend ausgelegt werden, sofern nicht ausnahmsweise die ausdrücklich getroffene Regelung ersichtlich sinnlos ist.*)
4. Für die Auslegung von Vergabeunterlagen sind bieterspezifische Vorkenntnisse aus einem vorangegangenen Vergabeverfahren ohne Bedeutung.*)
5. Wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes können Vergabeunterlagen die auftraggeberseitige Zulassung eines Bewerbers zur Angebotsabgabe nicht zu Lasten eines Konkurrenten dem Primärrechtsschutz entziehen, jedenfalls sofern nicht die Eignung des Bewerbers in Rede steht.*)
6. Zum Aufgreifen von Vergabeverstößen durch die Vergabe-Nachprüfungsinstanzen von Amts wegen.*)
Tenor:
1. Dem Antragsgegner wird untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, und aufgegeben, das Vergabeverfahren in den Stand vor der Wertung der Angebote zurückzuversetzen und bei fortbestehender Beschaffungsabsicht die Angebotswertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner schrieb mit Bekanntmachung vom 24.03.2023 die Bereitstellung eines Polizeidienstgebäudes nebst Grundstück im Wege der Planung und Neuerrichtung (alternativ der Sanierung und/oder des Umbaus eines Bestandsgebäudes) sowie anschließender Vermietung an den Auftraggeber für 15 Jahre (mit optionaler Verlängerung um weitere fünf Jahre) im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb EU-weit aus.
Abschnitt II.2.4 der Auftragsbekanntmachung sah vor, dass der Auftraggeber für die anstehende Bauaufgabe kein Grundstück bereitstellt. Die Bewerber würden daher im Teilnahmewettbewerb aufgefordert, mit den Bewerbungsunterlagen mindestens ein, höchstens jedoch drei Grundstücke anzubieten. Der Auftraggeber werde nur solche Bewerber zur Abgabe des ersten Angebotes auffordern, die bereits mit ihrem Teilnahmeantrag durch Abgabe des Vordrucks 2 nachweisen könnten, dass sie über ein passendes Grundstück verfügen können; andere Bewerber würden vom weiteren Verfahren ausgeschlossen. Dabei sollten sich die Anforderungen an die Lage des Grundstücks unter anderem aus der Anlage 1 - Auswahlgebiet - ergeben, die den Vergabeunterlagen zum Teilnahmewettbewerb beigefügt sei. Damit die Bewerber nicht frühzeitig Ressourcen binden müssten, werde ihnen allerdings gestattet, das im Teilnahmewettbewerb benannte Grundstück im Laufe des Verfahrens durch ein anderes geeignetes Grundstück zu ersetzen.
Nach Abschnitt III.1.3 der Bekanntmachung ("Technische und berufliche Leistungsfähigkeit") war eine Darstellung der Erfüllung der Mindestanforderungen in einem Konzept einzureichen, wobei auf die zugehörigen Angaben unter "Möglicherweise geforderte Mindeststandards" verwiesen wurde. In dem dortigen Unterabschnitt "Zu III.1.3)3." wurde unter der Überschrift "Mindestanforderungen an das Grundstück und die Darstellung im Konzept" unter Buchstabe a ausgeführt, das Grundstück müsse innerhalb der Gebietsgrenzen zur Standortwahl gemäß den Vorgaben in der Anlage 1 - Auswahlgebiet - liegen.
In Abschnitt 5.1 der Teilnahmebedingungen hieß es, berücksichtigt würden nur Teilnahmeanträge von Bewerbern, welche die folgenden Anforderungen erfüllen. Im nachfolgenden Text findet sich der Passus, der Bewerber habe mit dem Teilnahmeantrag eine Darstellung vorzulegen, dass die Mindestkriterien gemäß Ziffer 5.2.1 erfüllt werden unter Darlegung der dort geforderten Nachweise. Bestünden aus Sicht der Vergabestelle Zweifel an der Darstellung des Bewerbers, dass die Mindestkriterien erfüllt seien, habe der Bewerber Anlagen auf Verlangen der Vergabestelle nachzureichen und zu erläutern. Würden die Angaben nicht nachgereicht und die Erfüllung der Mindestkriterien nicht dargestellt, führe dies zum Ausschluss vom Verfahren.
In Abschnitt 5.2 der Teilnahmebedingungen wurde ausgeführt:
"Inhaltliche Mindestkriterien
Es werden nur Teilnahmeanträge von Bewerbern berücksichtigt, die anhand der eingereichten Unterlagen Folgendes nachweisen:
5.2.1 Grundstück
Das zur Projektverwirklichung angebotene Grundstück muss die nachfolgenden Vorgaben erfüllen. Ist eine der Vorgaben nicht erfüllt, wird das Grundstück nicht gewertet. Die folgenden Anforderungen (Mindestkriterien) sind in dem vom Bieter gemäß Ziffer 5.1 vorzulegenden Konzept darzustellen.
Das Grundstück muss vollständig innerhalb der Gebietsgrenzen zur Standortwahl (gemäß den Vorgaben in der Anlage 1 - Auswahlgebiet) liegen ("Lagenachweis"). ..."
In Abschnitt 5.3 der Teilnahmebedingungen wies der Auftraggeber darauf hin, dass die Bieter im weiteren Verfahren berechtigt sein würden, das Grundstück mit seiner Zustimmung auszutauschen. Er werde die Zustimmung nur aus wichtigem Grund verweigern. Ein wichtiger Grund liege insbesondere vor, wenn das neue Grundstück die Mindestkriterien unter 5.2.1 nicht erfülle.
Die Antwort auf die Bewerberfrage 1 enthielt unter anderem den Hinweis, hinsichtlich des vom Investor bereitzustellenden Grundstücks seien einzige verbindliche Voraussetzungen die Lage im Auswahlgebiet und das Nichtvorliegen der definierten Ausschlussgründe.
In Anlage 1 ("Auswahlgebiet") hieß es:
"Als Auswahlgebiet wurde von der Kreispolizeibehörde ... eine für die Polizeiwache ... polizeieinsatzfachlich geeignete sowie ausreichend große Fläche im Stadtgebiet von ... ausgewählt.
Das Auswahlgebiet wird von den nachfolgend benannten Begrenzungen umschlossen.
Als definierte Grenze für ein neues Dienstgebäude wird folgender Bereich unter Berücksichtigung der Straßenführung festgelegt:
Beschreibung von Norden beginnend in Richtung Osten nach Straßen, beginnend Ecke ... [es folgt sodann eine Auflistung von Straßennamen]
...
Die ausgewählte Fläche orientiert sich ganz erheblich an der Nähe zum Haupteinsatzgeschehen und ist daher aus einsatztaktischen Gründen festgelegt worden. Zugleich wurde die vorgesehene Fläche so groß wie möglich festgesetzt, um eine Verfügbarkeit potentiell bebaubarer Grundstücksflächen sicherzustellen.
Die Einzelheiten des Gebiets sind dem nachfolgend unter 2. dargestellten Kartenausschnitt zu entnehmen."
In dem darunter abgedruckten Kartenausschnitt ist das Auswahlgebiet durch eine dem Verlauf der zuvor namentlich benannten Straßen folgende rote Linie gekennzeichnet.
Gemäß Bekanntmachung und Teilnahmebedingungen mussten die Bewerber außerdem bereits mit dem Teilnahmeantrag plausibel darstellen, dass eine Bebauung des Grundstücks planungsrechtlich grundsätzlich möglich erscheine und die Nutzungsanforderungen dort grundsätzlich realisiert werden könnten. Es war ein überschlägiger geometrisch-räumlicher Nachweis der grundsätzlichen Machbarkeit zu führen, wobei eine planerische Darstellung ausreichend war.
Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge war laut Auftragsbekanntmachung der 19.06.2023.
Mit Änderungsbekanntmachung vom 08.05.2023 wurde ergänzend mitgeteilt, die in dem von der Stadt durchgeführten Ideenwettbewerb "..." entwickelten städtischen und städtebaulichen Ideen seien für die Beschaffung nicht verbindlich und berücksichtigten auch nicht die konkreten Bedürfnisse der Polizei. Als Grund für die Änderung wurde im Vergabevermerk Teil II angegeben, die Stadt habe in dem Ideenwettbewerb ohne Abstimmung mit der Polizei auch eine Polizeiwache mitplanen lassen. Diese Pläne entsprächen jedoch in keiner Hinsicht den aktuellen Anforderungen des Betriebs der Polizeiwache ....
Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene beteiligten sich am Teilnahmewettbewerb. Andere Bewerber gab es nicht.
Die Beigeladene reichte mit ihrem Teilnahmeantrag einen von ihr ausgefüllten Vordruck 2 ein, in dem ein konkretes Grundstück angegeben war. Beigefügt war unter anderem ein entsprechender Flurkartenausschnitt. Die dem Teilnahmeantrag ebenfalls beigefügte Machbarkeitsstudie enthielt überdies ein Luftbild mit zusätzlich eingetragenen Straßennamen, aus dem sich ergab, dass das Grundstück nicht in dem in Anlage 1 von der dortigen roten Linie umschlossenen Bereich liegt, sondern auf der äußeren Seite einer der das Gebiet umgrenzenden Straßen, von dieser Straße durch eine Splissparzelle getrennt und angrenzend an eine von dieser Straße abgehende andere Straße.
Der Antragsgegner hielt in einem Vermerk vom 27.06.2023 ("Formale Prüfung der Teilnahmeanträge vor Nachforderung") fest:
"Das Grundstück grenzt unmittelbar an das Auswahlgebiet, liegt aber auf der anderen Straßenseite. Fraglich ist, ob die Ausrücksituation durch andere Gründe wie Sackgasse und Verkehrsbehinderung beeinträchtigt sein könnte. Aufzuklären."
In dem Vermerk war angekreuzt, die ausgefüllte Grundstückserklärung gemäß Vordruck 2 erfülle nicht die Anforderungen.
Mit Schreiben vom 10.07.2023 wies der Antragsgegner die Beigeladene auf Folgendes hin:
"In den Vergabeunterlagen sind unter Ziffer 5.2.1 Mindestkriterien bzgl. des mit dem Teilnahmeantrag zu benennenden Grundstückes festgelegt. Dort ist u.a. festgelegt, dass das Grundstück innerhalb der Grenzen des in der 'Anlage 1 - Auswahlgebiet' festgelegten Auswahlgebietes liegen muss. Wird diese Voraussetzung nicht erfüllt und auch kein alternatives Grundstück angeboten, dann liegt aus Sicht des Auftraggebers ein Ausschlussgrund vor. Sie haben mit Ihrem Teilnahmeantrag das Grundstück ... benannt, das nach erster Einschätzung außerhalb des Auswahlgebietes liegt."
Außerdem weise die Machbarkeitsstudie Unklarheiten auf. Es werde um Erläuterung gebeten.
Daraufhin reichte die Beigeladene einen neuen Vordruck 2 ein, in den ein anderes Grundstück eingetragen war. Der beigefügte Lageplan ließ erkennen, dass dieses Grundstück an eine der das Auswahlgebiet umschließenden Straßen auf deren äußerer Seite unmittelbar angrenzt. In einer begleitenden Nachricht vom 14.07.2023 teilte die Beigeladene mit, nach weiterer genauer Prüfung des zunächst benannten Grundstücks sehe sie ebenfalls ein Problem hinsichtlich der Machbarkeit. Sie biete deshalb an, das Grundstück durch ein näher bezeichnetes anderes zu ersetzen. Darüber hinaus führte die Beigeladene Folgendes aus:
"Laut der Aussage unter '1. Lage des Grundstücks' in Ihrem Schreiben liegt das bisherige Grundstück außerhalb des Auswahlgebietes. Aufgrund dessen gehen wir davon aus, dass Sie vorerst auch dieses Grundstück als 'außerhalb des Auswahlgebietes' einstufen. Diesbezüglich möchten wir wie folgt argumentieren: Aus bisherigen Vergabeverfahren des Neubaus von Polizeidienststellen ist uns bekannt, dass üblicherweise Grundstücke auf beiden Seiten der Grenze des Auswahlgebietes zugelassen sind. Aus unserer Sicht ist dies sinnvoll, da die Erreichbarkeit und das Ausrücken der Polizei nicht eingeschränkt ist, nur weil sich das Grundstück auf gegenüberliegender Seite befindet. Wir bitten um Kenntnisnahme und Prüfung. Sollten Sie das Grundstück als geeignet ansehen, würden wir uns über eine kurze Rückmeldung freuen, um in die weitere Planung einsteigen zu können."
Der Antragsgegner führte sodann in einem Vermerk vom 27.07.2023 ("Formale Prüfung der Teilnahmeanträge nach Nachforderung") als "angebotenes Grundstück" das von der Beigeladenen ursprünglich benannte Grundstück an. Es folgte der Satz: "Der Bieter bietet ein alternatives Grundstück innerhalb des Auswahlgebiets an." Anschließend wurde als Eigentümer der Eigentümer des von der Beigeladenen benannten zweiten Grundstücks angegeben. Außerdem war angekreuzt, dass die ausgefüllte Grundstückserklärung gemäß Vordruck 2 die Anforderungen erfülle.
Im Vergabevermerk Teil II schrieb der Antragsgegner unter dem 30.07.2023 zu dem Vorgang Folgendes:
"Die Bewerber reichten fristgemäß die nachgeforderten Unterlagen nach. Dabei bietet der Bewerber ... [die Beigeladene] mit seiner Nachreichung ein anderes als das bisherige Grundstück an. Dieser Austausch ist zulässig, weil ein Grundstückstausch im gesamten Verfahren zulässig ist, solange das Grundstück geeignet ist. Bei dem zuerst angebotenen Grundstück bestanden hieran Bedenken, weil es nur unmittelbar an das Auswahlgebiet angrenzte. Allerdings war dies - auch im Vergleich mit anderen Polizeiverfahren - nicht unmissverständlich ausgeschlossen. Hinzu kommt, dass die Ausrücksituation im Rahmen der Vorbereitung des Verfahrens als Argument für die Festlegung des Auswahlgebiets herangezogen worden [ist]. Insofern wäre es nunmehr widersprüchlich, das Grundstück nicht zuzulassen, obwohl es dieselbe Ausrücksituation aufweist wie das gegenüberliegende Grundstück auf der anderen Straßenseite hat, das im Auswahlgebiet liegt. Vor diesem Hintergrund wäre ein Ausschluss des Teilnahmeantrags, obwohl das angebotene Grundstück nicht eindeutig als auszuschließendes Grundstück zu Lasten des Bewerbers bewertet werden darf, eine unangemessene Entscheidung, die den Bieter in seinen Rechten verletzen dürfte. Die überwiegenden Gründe sprechen für einen Verbleib des Teilnahmeantrags in der Wertung. Die Einzelheiten der Prüfung der nachgereichten Unterlagen können den Protokollen der formalen Prüfung nach Nachforderung entnommen werden, die ebenfalls Bestandteil der Vergabeakte sind."
Danach forderte der Antragsgegner die Antragstellerin und die Beigeladene zur Angebotsabgabe auf. Beide Bieter gaben ein indikatives und ein (erstes) verbindliches Angebot ab. Wegen einer Unklarheit überarbeitete der Antragsgegner die Vergabeunterlagen.
In Abschnitt 4.2.2 dieser "Vergabeunterlagen - Allgemeiner Teil - Zweite verbindliche Angebote -" wird - im Wesentlichen textlich übereinstimmend mit Abschnitt 3.2.2 der vorausgegangenen Fassungen der Vergabeunterlagen - ausgeführt:
"Die Mindestanforderungen an das anzubietende Grundstück sind zu beachten. Dabei gelten die gleichen Anforderungen wie im Teilnahmewettbewerb. Insofern wird auf die Teilnahmeunterlagen ausdrücklich Bezug genommen. Es werden nur Angebote mit Grundstücken zugelassen, die diesen Anforderungen genügen. Bereits im Teilnahmewettbewerb zugelassene Grundstücke erfüllen diese Anforderungen. Im Falle eines Grundstückstausches ist die Eignung des neuen Grundstückes entsprechend den Anforderungen im Teilnahmewettbewerb mit dem verbindlichen Angebot darzulegen."
Die den Bewerbern im Teilnahmewettbewerb zur Verfügung gestellte Bewertungsmatrix hatte lediglich die Angabe und Gewichtung der Zuschlagskriterien enthalten. Danach sollten in die Bewertung eingehen der Preis mit 45%, Qualität und Effizienz mit 25% und die Funktionalität mit 30%. Für das Angebotsverfahren wurde die Matrix hinsichtlich des Preiskriteriums um eine Methode zur Berechnung des Punktwerts und in Bezug auf die anderen Kriterien jeweils durch Unterkriterien, deren Gewichtung und Vorgaben für die Punktbewertung ergänzt. Das Kriterium "Qualität und Effizienz" wurde untergliedert nach den Unterkriterien 2a "Gebäudevolumen (Nettorauminhalt) im Verhältnis zur Fläche nach Raumliste" (30%), 2b "Energiekonzept hinsichtlich des Energieeinsparpotentials" (30%), 2c "Technische Qualität der geplanten ELT und HKLS gemäß Fabrikatsliste" (20%) und 2d "Baukonstruktion und Ausstattungsqualität gemäß Fabrikatsliste" (20%). Das Funktionalitätskriterium wurde aufgespalten in die Unterkriterien 3a "Einhaltung der Raumliste" (40%), 3b "Äußere Erschließung" (20%), 3c "Innere Erschließung" (20%) und 3d "Umsetzung der Muster-Funktionsskizzen bzw. funktionalen Gebäudeanforderungen/Kommunikationsbeziehungen" (20%).
Laut der letztgültigen Fassung der Vergabeunterlagen sah der Antragsgegner nach Abgabe der ersten verbindlichen Angebote keinen Anlass zu erneuten Verhandlungen, behielt sich solche jedoch zur Reduzierung des Bieterkreises vor. Außerdem war dort ein "Abschlussgespräch mit dem vorgesehenen Zuschlagsempfänger" für den 30.04.2024 vorgesehen.
Bestandteil der Vergabeunterlagen war als Anlage 10 ein Mietvertrag. Gemäß dessen Ziffer 24.1 waren wesentlicher Bestandteil des Mietvertrages als Anlage Nr. 1 die Bieterfragen-Antworten-Liste und als Anlage Nr. 9 das verbindliche Angebot des Vermieters. Ziffer 24.2 des Vertrages sah vor, dass, wenn und soweit Regelungen in den Anlagen in Widerspruch zu Regelungen im Text dieses Mietvertrages stünden, die Regelung im Text des Mietvertrages vorrangig gälten. Wenn und soweit die Inhalte der Anlagen in Widerspruch zueinander stünden, würden diese in der Rangfolge der Reihenfolge gelten, in der die Anlagen in Ziffer 24.1 aufgeführt waren.
In Abschnitt 3.4 der Vergabeunterlagen - Allgemeiner Teil - für die zweiten verbindlichen Angebote (dort Seite 7) wurde - hervorgehoben durch rote Schrift und Unterstreichung - zu dem Mietvertrag angemerkt, dass die bereitgestellte Fassung zwingend so beachtet werden müsse. Dies wurde in Abschnitt 4.2.1 derselben Vergabeunterlagen (dort S. 13 f.) wiederholt.
Am 04.04.2024 schrieb die Antragstellerin dem Antragsgegner, bezüglich der innerhalb des Mietvertrags enthaltenen Festlegungen bestünden ihrerseits vor verbindlicher Zustimmung einige Fragen. Nachfolgend fragte die Antragstellerin an, ob bestimmte Änderungen des Vertragstextes möglich seien. Drei dieser Fragen (Bieterfragen Nr. 71, 73, 74) beantwortete der Antragsgegner dahingehend, eine solche Anpassung des Vertragstextes werde nicht vorgenommen. Die Antwort des Antragsgegners auf die am 11.04.2024 ebenfalls von der Antragstellerin gestellte Bieterfrage Nr. 75 enthielt den Hinweis, der Mietvertrag müsse nicht mit dem zweiten verbindlichen Angebot eingereicht werden. Es sei hingegen unzulässig und würde einen Ausschlussgrund begründen, wenn ein Bieter den Mietvertrag mit dem Angebot einreichen und in dieses Exemplar Änderungen außerhalb der für Eintragungen freigegebenen Stellen einarbeiten würde.
Antragstellerin und Beigeladene reichten nunmehr jeweils ein zweites verbindliches Angebot ein.
Das Angebot der Antragstellerin enthielt im Vordruck 7 unter anderem die vorformulierte Erklärung, die Antragstellerin biete die beschriebenen Leistungen auf der Grundlage der Vergabeunterlagen, insbesondere des Mietvertrages und seiner Anlagen und den in Bezug genommenen Unterlagen an. Das dem Angebot beigefügte Exemplar des Mietvertrages wies gegenüber dem in den Vergabeunterlagen enthaltenen zahlreiche Änderungen und Ergänzungen auf. Zum Teil handelte es sich lediglich um die Ausfüllung im Mietvertragsvordruck offengelassener Leerräume, die die Person des Vermieters und das von ihm angebotene Objekt betrafen. Die Antragstellerin hatte im Vertragstext insoweit auch entsprechende textliche Anpassungen vorgenommen, ohne dabei in den Regelungsgehalt des Vertragsentwurfes einzugreifen. Zum Teil stellten die Textänderungen jedoch auch inhaltliche Modifikationen des Mietvertrages dar, etwa betreffend Abweichungen von der Beschaffenheitsvereinbarung, eine Haftungsbeschränkung und die Zustimmung des Vermieters zu nachträglichen baulichen Veränderungen des Mietobjekts durch den Mieter. Die drei vom Antragsgegner abgelehnten Änderungen waren in dem dem Angebot beigefügten Mietvertragsexemplar ebenfalls enthalten.
Bestandteil des Angebots der Beigeladenen war ein Vordruck 2, in dem das von ihr bereits am 14.07.2023 angegebene (zweite) Grundstück benannt war.
Am 17.06.2024 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, der Zuschlag solle - nicht vor dem 28.06.2024 - auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden. Das Angebot der Antragstellerin sei nicht das wirtschaftlichste gewesen. Der Preis sei signifikant höher als der Wertungspreis des Angebots der Beigeladenen. Der dadurch bedingte Wertungsrückstand habe mit den anderen Wertungskriterien nicht aufgeholt werden können. Das Angebot der Antragstellerin sei allerdings bezogen auf das Zuschlagskriterium "Qualität und Effizienz" insgesamt gut und damit sogar geringfügig besser als das für den Zuschlag vorgesehene Angebot bewertet worden. Zwar weise die Planung der Antragstellerin hinsichtlich des Unterkriteriums 2a nicht den niedrigsten Faktor auf. Jedoch beinhalte ihr Energiekonzept ein relevantes zusätzliches Energieeinsparpotential gegenüber den gesetzlichen Vorgaben und den Anforderungen der Vergabeunterlagen. Hinsichtlich des Unterkriteriums 2c sei eine normale Qualität im Vergleich zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik festgestellt worden. Baukonstruktion und/oder Ausstattungsqualität entsprächen den funktionalen Anforderungen der Vergabeunterlagen. Auch bezogen auf das Zuschlagskriterium Funktionalität erziele das Angebot der Antragstellerin insgesamt eine gute Bewertung. Das Unterkriterium 3a sei als gut bewertet worden, wobei allerdings die Überschreitung der geforderten Programmflächen deutlich höher als bei dem Angebot der Beigeladenen liege. Vergleichbar gut sei das Angebot der Antragstellerin mit Blick auf das Unterkriterien 3b und 3c. Die äußere und die innere Erschließung wiesen (nur) geringfügige Abweichungen gegenüber den funktionalen Anforderungen der Vergabeunterlagen auf. Zu Abzügen in der Wertung führten allerdings insbesondere die Stellplätze für die Einsatzfahrzeuge und die Besucher, die nicht den Anforderungen der Vergabeunterlagen entsprächen. Zu (geringen) Abzügen führten die Verbindungsbeziehungen bei einzelnen Büros im dritten Obergeschoss sowie das Fehlen von Teeküche und Druckerräumen. Auch in Bezug auf das Unterkriterium 3d seien verschiedene Abweichungen festgestellt worden. Die Beigeladene hingegen habe bei dem Kriterium Funktionalität die bestmögliche Wertung erzielt.
Mit Anwaltsschreiben vom 21.06.2024 rügte die Antragstellerin, diese Begründung erfülle nicht die Anforderungen des § 134 GWB. Die Vorabinformation müsse den unterlegenen Bieter in die Lage versetzen, die Sinnhaftigkeit des Nachprüfungsverfahrens zu prüfen. Daher müssten in ihr die vom Adressaten und vom Zuschlagsprätendenten erreichten Gesamtpunktzahlen und die Zwischenergebnisse in den Unterkriterien einander gegenübergestellt werden. Daran fehle es hier. Unabhängig davon gebe es nach der Planung der Antragstellerin durchaus Teeküchen, beispielsweise in der zweiten Etage. Überdies widerspreche es den Vorgaben der Ausschreibung, das Angebot der Antragstellerin wegen Abweichungen von den Muster-Funktionsskizzen abzuwerten.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.06.2024 wies der Antragsgegner die Rügen zurück. § 134 GWB fordere lediglich, dass der Auftraggeber die tragenden Gründe für die Ablehnung eines Angebots mitzuteilen habe, damit der Bieter die Erfolgsaussichten eines Nachprüfungsverfahrens abschätzen könne. Dafür bedürfe es jedoch nicht der Mitteilung konkreter erzielter Punkte. In der Vorabinformation seien der Antragstellerin die Bewertungen ihres Angebots in den einzelnen Unterkriterien mitgeteilt worden. Soweit dies verbal geschehen sei, sei auf dieser Grundlage eine Ermittlung der entsprechenden Wertungspunkte möglich. Informationen zum Angebot des erfolgreichen Bieters seien entbehrlich; eine Mitteilung genauer Zahlen sei wegen der gebotenen Wahrung von Geschäftsgeheimnissen sogar unzulässig. Eine Prüfung des Angebots der Beigeladenen habe keine Anhaltspunkte für dessen Unauskömmlichkeit ergeben; bezogen auf den Quadratmeterpreis sei das Angebot der Antragstellerin sogar geringfügig niedriger. Der Preisvorteil der Beigeladenen ergebe sich vielmehr aus einer wesentlich effizienteren Planung mit einer optimierten und dadurch geringeren Mietfläche. In der Planung der Antragstellerin fehle in Abweichung von der Leistungsbeschreibung eine Teeküche im dritten Geschoss. Die Muster-Funktionsskizzen müsse ein Bieter zwar nicht 1:1 umsetzen; Mängel führten jedoch zu einer niedrigen Bewertung.
Hierauf entgegnete die Antragstellerin unter dem 27.06.2024, hinsichtlich des Preiskriteriums könne sie, die Antragstellerin, anhand der Vorabinformation nicht transparent nachvollziehen, wieso ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste dargestellt habe, da sie nicht beurteilen könne, inwieweit die Mietfläche im Angebot der Beigeladenen tatsächlich geringer gewesen sei. Bei den Zuschlagskriterien "Qualität und Effizienz" und "Funktionalität" werde nicht transparent, in welchem Verhältnis die ihr Angebot betreffenden Abzüge zu dem konkurrierenden Angebot der Beigeladenen stünden. Wenn ihr Angebot nicht den niedrigsten Faktor zu dem Unterkriterium 2a aufgewiesen habe, sei nicht nachvollziehbar, warum das Angebot eine bessere Bewertung erhalten haben solle. Unabhängig davon habe der Antragsgegner die Zuschlagskriterien nicht diskriminierungsfrei bekanntgegeben. Die Einführung von Unterkriterien erst in der Angebotsphase verstoße gegen den Transparenzgrundsatz, da potentielle Bieter bei der Vorbereitung ihrer Angebote ihre Erfolgschancen kennen müssten. Da im vorliegenden Verfahren schon mit der Bewerbung konkrete Angebotsbestandteile (z.B. Pflichtangaben zum Grundstück) abgefragt worden seien, habe der Antragsgegner die nachträglich eingefügten Unterkriterien auf die ausgewählten Bewerber anpassen können. Die Bewerber hätten zunächst davon ausgehen dürfen, dass nur die in der ersten Phase des Verfahrens bekanntgegebenen Kriterien wertungsrelevant sein sollten. Der Antragsgegner habe ausweislich der Vorabinformation entgegen den Vergabeunterlagen die funktionalen Anforderungen gewichtet, was für sie, die Antragstellerin, nicht erkennbar gewesen sei. Ihr Energiekonzept übertreffe die in der funktionalen Leistungsbeschreibung enthaltenen Mindestanforderungen deutlich. Es sei nicht nachvollziehbar, anhand welcher messbaren Kennzahlen der Antragsgegner zu dem Ergebnis gelangt sei, ihr Angebot weise nur ein relevantes zusätzliches Energiesparpotenzial auf, und deshalb ihr Konzept nicht mit der vollen Punktzahl bewertet worden sei. Bei dem Unterkriterium 2c habe sie sich im Detail mit den Anforderungen auseinandergesetzt und gemessen daran höhere Qualitäten angeboten. Da in den Vergabeunterlagen keine messbaren Kennzahlen zur Erreichung eines höheren Standards formuliert seien, müsse jedes Angebot, das wie ihr eigenes die allgemein anerkannten Regeln der Technik auch nur wenig überschreite, mit der Höchstpunktzahl bewertet werden. Bezüglich des Unterkriteriums 3a werde aus den Ausführungen in der Rügeerwiderung deutlich, dass auch ein "Mehr" an Raumfläche negativ bewertet werde, ohne dass dies den Bietern mitgeteilt worden sei. Das Unterkriterium sei dem Zuschlagskriterium Funktionalität zugeordnet, welche bei einer größeren Fläche nicht abnehme. Im Hinblick auf die innere Erschließung werde in der Vorabinformation ausgeführt, es fehle eine Teeküche; eine solche habe sie aber für die zweite Etage geplant. Die Abzüge bei dem Unterkriterium 3d widersprächen der Aussage, es sei nur eine Muster-Funktionsskizze vorgegeben worden. Nach den Ausführungen in den Vergabeunterlagen stehe zu befürchten, dass entgegen den Vorgaben der Bekanntmachung und der Unterlagen zum Teilnahmewettbewerb die planungsrechtliche Zulässigkeit nicht gewertet worden sei. Ausweislich der Bieterfragen müsse zumindest befürchtet werden, dass ein angebotenes Gebäude derzeit planungsrechtlich nicht zulässig sei, aber dennoch gewertet worden sei.
Ebenfalls am 27.06.2024 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag gestellt mit dem hauptsächlichen Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen, hilfsweise, den Antragsgegner zu verpflichten, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren in den Stand vor Veröffentlichung der Auftragsbekanntmachung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zurückzuversetzen. Über ihren Rügevortrag hinaus macht die Antragstellerin zur Begründung des Nachprüfungsantrags geltend, die nachträgliche Festlegung von Unterkriterien sei diskriminierend, da der Antragsgegner sie in Kenntnis der von den einzelnen Bietern geplanten genauen Positionierung der Gebäude und Stellplätze sowie der äußeren Erschließung zu ihrem, der Antragstellerin, Nachteil habe vornehmen können. Bei dem Zuschlagskriterium "Qualität und Effizienz" sei der Hinweis des Antragsgegners in der Vorabinformation, ihr Angebot sei insgesamt mit "gut" bewertet worden, mindestens irreführend und entspreche nicht den bekanntgegebenen Zuschlagskriterien. Die Berechnung des Punktwerts ihres Angebots bei dem Unterkriterium 2a könne nicht nachvollzogen werden; ihre eigene Berechnung des Netto-Rauminhalts ergebe einen besseren als den vom Antragsgegner ermittelten Wert. Ihr Energiekonzept sei beurteilungsfehlerhaft nicht mit der Höchstpunktzahl bewertet worden. Die von ihr angebotene (im Nachprüfungsantrag näher beschriebene) Form der Energieversorgung sei umweltschonend; das ihrem Konzept angelastete Defizit sei bei der von ihr gewählten Versorgungsart kein Mangel. Zudem sei mit dem im Rahmen der Angebotswertung berücksichtigten Effizienzhausstandard ein im Vergabeverfahren nicht kommuniziertes Unter-Unterkriterium geschaffen worden. Bei dem Unterkriterium 2c werde die Annahme einer normalen Qualität den von ihr eingeplanten hochwertigen und langlebigen Fabrikaten nicht gerecht. Auch für die Baukonstruktion habe sie höherwertige Materialien gewählt. Bei Unterkriterium 3a könne die Überschreitung der Programmfläche nicht negativ bewertet werden. Zum einen werde in den Zuschlagskriterien auf "Abweichungen" abgestellt, zum anderen seien Aspekte der Wirtschaftlichkeit, auf die der Antragsgegner abhebe, nicht hier, sondern bei dem Zuschlagskriterium 1 zu werten, und schließlich halte ihr Angebot das geforderte Raumprogramm ein. Ausführungen in der "Klärungs- und Verhandlungsliste" seien insoweit irrelevant. Hinsichtlich der äußeren Erschließung würden das von ihr vorgeschlagene Grundstück und die geplanten Besucherstellplätze aufgrund der Art ihrer Lage in sachwidriger Weise schlechter bewertet. Die von ihr vorgesehene innere Erschließung weiche von den Anforderungen der Vergabeunterlagen nicht ab. Insoweit gebe es Widersprüche zwischen der Vorabinformation und der Wertungsdokumentation. Die Entfernung des Aufenthaltsraums vom Wachraum und von den Schreibräumen erfülle die Vorgaben. Auch bei dem Unterkriterium 3d könne eine schlechtere Bewertung nicht, wie geschehen, auf Kommunikationsprobleme wegen der Entfernung zwischen Aufenthaltsraum und Wachraum gestützt werden, da sich aufgrund der Abhängigkeit von der Positionierung der Sachbearbeiterbüros zwangsläufig eine gewisse Weglänge ergebe. Ob im Rahmen des "Abschlussgesprächs" mit der Beigeladenen unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch Änderungen an deren verbindlichem Angebot vorgenommen worden seien, müsse geprüft werden. Ein "Abschlussgespräch" diene der Finalisierung eines Projekts und nicht etwa der bloßen Aufklärung. Die grundsätzliche planungsrechtliche Bebaubarkeit des angebotenen Grundstücks sei ein Mindestkriterium, dessen Nichteinhaltung zum Angebotsausschluss führen müsse. Der Antragsgegner habe jedoch in seiner Antwort auf die Bieterfrage Nr. 69 diese Stringenz relativiert. Ausweislich dessen sei zumindest ein angebotenes Gebäude derzeit planungsrechtlich nicht zulässig. Eine Untersuchung durch die Antragstellerin während des Nachprüfungsverfahrens habe überdies ergeben, dass in dem zugelassenen Radius im überplanten oder im Zusammenhang bebauten Bereich kein für die Bebauung mit einer Polizeiwache geeignetes Grundstück vorhanden sei. Ein Bebauungsplan für Außenbereichsflächen befinde sich zurzeit nicht im Aufstellungsverfahren. Vor diesem Hintergrund müsse der Antragsgegner prüfen, ob das von der Beigeladenen angebotene Projekt innerhalb des vorgegebenen Zeitplans bauplanungsrechtlich tatsächlich umgesetzt werden könne. Deren Angebot wäre auszuschließen, wenn ein Bebauungsplan notwendig, aber noch nicht aufgestellt worden sei.
Der Antragsgegner beantragt in der Hauptsache, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen. Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig. Soweit er sich gegen das Bieterinformationsschreiben richte, drohe der Antragstellerin kein Schaden, da sie rechtzeitig ein Nachprüfungsverfahren habe einleiten können. Die Beanstandung der Angebotsprüfung erfolge vollständig ins Blaue hinein. Die Antragsbefugnis fehle auch im Hinblick auf eine angeblich unrichtige Preiswertung; insoweit beruhe der Antragstellervortrag auf nachweislich unwahren und wider besseres Wissen aufgestellten Tatsachenbehauptungen. Die Rüge der Bekanntgabe von Unterkriterien erst in der Angebotsphase sei wegen Erkennbarkeit des etwaigen Vergabeverstoßes präkludiert. Jedenfalls sei der Nachprüfungsantrag unbegründet. Die Vorabinformation vom 17.06.2024 genüge den Anforderungen des § 134 GWB. Auf eine Mitteilung von Geschäftsgeheimnissen der Beigeladenen wie deren Angebotspreis und der von ihr angebotenen Mietfläche habe die Antragstellerin keinen Anspruch. Bei den Unterkriterien 2b bis 3d werde ein Angebot ohnehin ausschließlich nach dem von ihm selbst erreichten Erfüllungsgrad gewertet. Die Aussagen in der Vorabinformation seien unmissverständlich und nachvollziehbar; überdies könne ein diesbezüglicher Mangel mit der Rügeerwiderung geheilt werden. Dass die im Teilnahmewettbewerb bekanntgegebenen Zuschlagskriterien noch in Unterkriterien unterteilt werden sollten, sei aus der - zudem ausdrücklich als "Entwurf" bezeichneten - seinerzeitigen Fassung der Bewertungsmatrix eindeutig hervorgegangen. Das bereits im Teilnahmewettbewerb anzugebende Grundstück sei nicht Gegenstand der Bewertungsmatrix gewesen. Die im Unterkriterium 3c bewertete äußere Erschließung habe zwar Grundstücksbezug, betreffe jedoch die Funktionalität des finalen konkreten Entwurfs des Gebäudes und der Außenanlagen. Hierzu seien im Teilnahmewettbewerb keine Angaben abgefragt worden; auch der einzureichende Machbarkeitsnachweis habe nur eine erste grobe Darstellung der grundsätzlichen Realisierbarkeit des Gebäudes auf dem Grundstück enthalten sollen. Zudem habe das im Teilnahmewettbewerb benannte Grundstück im Laufe des Verfahrens durch ein anderes geeignetes Grundstück ersetzt werden dürfen. Die Gewichtung der funktionalen Anforderungen habe sich aus der Bewertungsmatrix ergeben. Soweit die Bewertungsmatrix einen Vergleich der verschiedenen Angebote erfordert habe (so bei dem Unterkriterium 2a), sei ein solcher im Rahmen der Angebotswertung erfolgt. Bei den übrigen qualitativen Unterkriterien habe die Antragstellerin keinen Anspruch darauf, die Bewertung des Antragsgegners durch ihre eigene zu ersetzen. Dass bei dem Unterkriterium 3a eine Abweichung der im Angebot geplanten Ist-Fläche von der in der Raumliste festgelegten Soll-Fläche negativ bewertet werde, ergebe sich aus der Formulierung "Abweichungen in der Ist-Fläche" in der Bewertungsmatrix. Der der Antragstellerin im Vergabeverfahren auch erläuterte Grund hierfür sei, dass mit einer größeren Fläche regelmäßig höhere Nebenkosten einhergingen. Bei dem Unterkriterium 3d würden ausweislich der Bewertungsmatrix die Einhaltung der funktionalen Gebäudeanforderungen und der Kommunikationsbeziehungen bzw. Abweichungen hiervon bewertet. Dabei komme es beispielsweise auf die Lage verschiedener Arbeitseinheiten zueinander an, je nach der Häufigkeit ihrer Zusammenarbeit. Diese Anforderungen seien auch in den Verhandlungen mit der Antragstellerin thematisiert worden. Das Abschlussgespräch sei kein Verhandlungsgespräch, sondern diene allein der Klärung etwa verbliebener Fragen ohne Änderung des Angebots. Im Abschlussgespräch mit der Beigeladenen habe diese lediglich zwei Aufklärungsfragen des Auftraggebers beantwortet. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Dienstgebäudes sei weder Mindest- noch Bewertungskriterium gewesen. Gefordert gewesen sei lediglich die Darlegung, dass eine Bebauung planungsrechtlich grundsätzlich möglich erscheint. Insoweit komme etwa ein vorhabenbezogener Bebauungsplan in Betracht, der erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens beantragt werden müsse. Eine entsprechende Änderung des Bauplanungsrechts sei in bisherigen Fällen nie auf Schwierigkeiten gestoßen. Außerdem habe dargestellt werden sollen, dass der Bedarf des Auftraggebers auf dem angebotenen Grundstück machbar erscheine, also vor allem, dass der angemeldete Flächenbedarf auf das Grundstück passt. Mit diesen Anforderungen hätten lediglich von vornherein völlig undenkbare Planungen frühzeitig ausgeschieden werden sollen. Demgegenüber betreffe die Antwort auf die Bieterfrage Nr. 69 etwaige Verzögerungen aufgrund von Problemen bei der Genehmigungsfähigkeit des Gebäudes. Die Beigeladene habe die Anforderungen in Bezug auf die Bebaubarkeit des Grundstücks und die baurechtliche Genehmigungsfähigkeit des Gebäudes vollständig erfüllt.
Die Kammer hat die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen, dass der Nachprüfungsantrag teilweise zulässig und überdies im Ergebnis begründet sein dürfte, weil das Angebot der Beigeladenen wegen der Belegenheit des von ihr benannten Grundstücks außerhalb des in Anlage 1 festgelegten Auswahlgebiets zwingend auszuschließen sein dürfte. Diesen Umstand habe die Kammer von Amts wegen auch noch während der Angebotsphase zu berücksichtigen, da die in den Vergabeunterlagen enthaltene Regelung, wonach bereits im Teilnahmewettbewerb zugelassene Grundstücke die Lageanforderung erfüllten, wegen Verstoßes gegen das aus den Rechtsmittelrichtlinien folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes unwirksam sein dürfte.
Daraufhin hat die Antragstellerin ihren Hauptantrag neu gefasst und beantragt nunmehr, dem Antragsgegner zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, und ihn zu verpflichten, die Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu bewerten. Zur Begründung schließt sich die Antragstellerin den Ausführungen in der Hinweisverfügung der Kammer im Wesentlichen an. Hilfsweise macht sie geltend, unter den konkreten Umständen sei ein etwaiges Vertrauen der Beigeladenen auf den Bestand ihrer Zulassung zur Angebotsabgabe nicht schützenswert.
Der Antragsgegner trägt demgegenüber vor, das von der Beigeladenen in ihrem Angebot benannte Grundstück erfülle die Mindestanforderungen. Die Lage im Auswahlgebiet richte sich allein nach der Anlage 1. Soweit gemäß Ziffer 5.2.1 der Teilnahmebedingungen das Grundstück "vollständig" innerhalb der in dieser Anlage bezeichneten Grenzen liegen müsse, widerspreche dies den in der Vergabebekanntmachung [offenbar gemeint: Auftragsbekanntmachung] aufgestellten Anforderungen, wobei die Bekanntmachung vorgehe. Für die Festlegung des Auswahlgebiets sei, wie eingangs der Anlage 1 mitgeteilt, die polizeieinsatzfachliche Eignung entscheidend gewesen. Zwar besage die Anlage, dass die in ihr benannten Straßen das Auswahlgebiet umschlössen. Anders lasse sich jedoch ein an konkreten Straßen orientiertes Auswahlgebiet nicht beschreiben. Weder durch die Benennung der Straßen noch anderweit werde in der Anlage 1 definiert, dass das Grundstück innerhalb dieser Begrenzungen liegen müsse, also nur auf der ins Innere des Auswahlgebiets gerichteten Straßenseite liegen dürfe. Die Anlage 1 enthalte auch keine Angabe dazu, ob die Begrenzung einseitig oder zweiseitig der benannten Straßen erfolge. Eine solche Beschränkung habe nie der Absicht des Antragsgegners entsprochen, weil sie seinen Interessen offen zuwiderlaufe. Stattdessen nehme die Anlage 1 an mehreren Stellen Bezug auf einsatztaktische Erwägungen und die Nähe zum Haupteinsatzgeschehen. Gleichzeitig habe die vorgesehene Fläche ausweislich der Anlage 1 so groß wie möglich festgesetzt werden sollen, um eine Verfügbarkeit potentiell bebaubarer Grundstücksflächen sicherzustellen. Die Vorgaben der Anlage 1 seien - auch für einen objektiv mit der Sache befassten Bewerber bzw. Bieter - in dieser Zusammenschau und vor dem Hintergrund der einsatztaktischen Erwägungen, auf deren Grundlage das Auswahlgebiet festgelegt worden sei, zu verstehen. Es sei offensichtlich und für jedermann verständlich, dass es für die Polizei einsatztaktisch nicht entscheidend sei, ob das Polizeigebäude auf der rechten oder linken Straßenseite liege. Maßgeblich sei allein, ob von dem Grundstück das Haupteinsatzgeschehen gut erreicht werden könne. Dass es dem Antragsgegner gerade auf die fußläufige und verkehrliche Erschließung ankomme - die auf beiden Straßenseiten identisch sei -, ergebe sich auch aus der an die Bewerber gerichteten Aufforderung, die fußläufige und verkehrliche Erschließung darzustellen. Auch im von den Bewerbern auszufüllenden Vordruck 2 werde auf die Ein- und Ausfahrten vom Grundstück und dessen Verkehrsanbindung Bezug genommen. Überdies sei in Anlage 1 ausdrücklich mitgeteilt worden, dass das Auswahlgebiet "so groß wie möglich" habe festgesetzt werden sollen, was ebenfalls für eine zweiseitige Betrachtung der ausdrücklich benannten Straßen spreche. Nach Sinn und Zweck der Festlegung eines Auswahlgebiets sei es sachlich in keiner Weise gerechtfertigt, ein Grundstück auf der einen Seite der Straße als geeignet und ein solches auf der anderen Seite als nicht geeignet anzusehen, wenn die Ausfahrten beider Grundstücke ohne Ausfahrtbeschränkungen auf die gleiche Straße führten.
Hilfsweise macht der Antragsgegner geltend, im Verhandlungsverfahren werde mit der positiven Eignungsprüfung ein Vertrauenstatbestand für die zum Verfahren zugelassenen Unternehmen begründet. Vorliegend sprächen gute Argumente dafür, dass es sich bei der Bereitstellung eines Grundstücks im Auswahlgebiet um eine Eignungsanforderung handele. Der in § 6a EU Nr. 3 Buchst. h VOB/A verwendete Begriff der Ausstattung könne dahingehend ausgelegt werden, dass er die grundlegenden Mittel des Unternehmens umfasse, welche im Rahmen der Auftragsbearbeitung benötigt werden. Somit bilde das Grundstück als Ausstattung ein Eignungskriterium, und die Beigeladene genieße ein schützenswertes Vertrauen.
Unabhängig davon beruft sich der Antragsgegner nunmehr darauf, der Antragstellerin fehle die Antragsbefugnis, da ihr zweites verbindliches Angebot (ebenso wie das erste) einen inhaltlich mit Änderungen - unter anderem wesentlicher Haftungsregelungen - versehenen Text des Mietvertrages enthalte und deshalb wegen unzulässiger Änderung der Vergabeunterlagen zwingend auszuschließen sei. Auf die Unzulässigkeit einer Änderung des Mietvertragstextes seien die Bewerber durch die zwischen den beiden finalen Angeboten erfolgte Änderung der Vergabeunterlagen sowie durch die Antwort auf eine Bieterfrage auch hingewiesen worden. Zudem habe die Antragstellerin eine der von ihr eigenmächtig vorgenommenen Änderungen zuvor ausdrücklich zum Gegenstand einer Bieterfrage gemacht gehabt, woraufhin ihr mitgeteilt worden sei, diese Anpassung werde nicht vorgenommen.
Hierzu hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung eine Verspätung des Vortrags wegen Verstoßes gegen die Verfahrensförderungspflicht beanstandet. Darüber hinaus hat sie zunächst vorgetragen, sie habe in dem ihrem Angebot beigefügten Mietvertragsexemplar Textänderungen nur an "für Eintragungen freigegebenen Stellen" vorgenommen; eine technische Sperrung gegen Änderungen habe es dort nicht gegeben. Zu einem späteren Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hat sie sich darauf berufen, für den Antragsgegner sei zu erkennen gewesen, dass sie das bereits ihrem ersten verbindlichen Angebot beigelegte textlich geänderte Vertragsexemplar nur versehentlich auch dem zweiten verbindlichen Angebot beigefügt habe. Eine bewusste Abweichung von den Vorgaben des Antragsgegners sei gerade in Anbetracht der Antwort auf die Bieterfrage Nr. 75 fernliegend gewesen.
Der Antragsgegner hat in der mündlichen Verhandlung über seinen schriftsätzlichen Vortrag hinaus ausgeführt, das von der Beigeladenen in ihrem Teilnahmeantrag benannte Grundstück erfülle nicht die Lageanforderungen, da es auf der Außenseite der in Anlage 1 durch die rote Linie markierten Straßen liege und an keine dieser Straßen unmittelbar angrenze, sondern, was aus polizeifachlicher Sicht unerwünscht sei, die Zufahrt von einer anderen Straße außerhalb des Auswahlgebiets her erfolgen solle. Aufgrund dieser Tatsache habe er, der Antragsgegner, im Teilnahmewettbewerb den Lagenachweis für dieses Grundstück letztlich nicht als erbracht angesehen. Das zweite von der Beigeladenen benannte Grundstück hingegen liege unmittelbar an einer der in Anlage 1 aufgeführten Straßen, wenn auch auf deren äußerer Straßenseite; dieses Grundstück sei berücksichtigungsfähig.
Mit nachgelassenem Schriftsatz macht die Antragstellerin geltend, Ziffer 24.2 Satz 1 des Mietvertrages enthalte der Sache nach eine sogenannte "Abwehrklausel". Aufgrund des dort formulierten Vorrangs der Regelungen des vom Antragsgegner vorgegebenen Mietvertrags könnten die von ihr vorgenommenen Textänderungen nicht Vertragsbestandteil werden, sodass sie insoweit von vornherein nichts anderes habe anbieten können als vom Antragsgegner nachgefragt. Zudem stünden die Textänderungen im Widerspruch zu der Bieterfragen-Antworten-Liste, die gemäß Ziffer 24 des Mietvertrages vorrangig sei, sowie zu der im Vordruck 7 abgegebenen Erklärung, die Leistungen auf der Grundlage der Vergabeunterlagen und insbesondere des Mietvertrages und seiner Anlagen anzubieten. Dementsprechend sei ihr Angebot im fraglichen Punkt lediglich nicht eindeutig gewesen mit der Folge einer Aufklärungspflicht des Antragsgegners. Im Übrigen habe sich dem Antragsgegner geradezu aufdrängen müssen, dass sie vor dem Hintergrund der Antworten auf ihre Bieterfragen auf den von ihr angefragten Vertragsanpassungen nicht habe beharren wollen, sondern ihrem zweiten verbindlichen Angebot nur versehentlich die bereits ihrem ersten verbindlichen Angebot beigefügte Fassung des Vertragsentwurfs beigegeben habe. Die Annahme einer bewussten Aufrechterhaltung der Änderungen sei lebensfremd und abwegig; auch mit Rücksicht hierauf sei der Antragsgegner zu einer Angebotsaufklärung verpflichtet gewesen, in deren Zuge sie klargestellt hätte, die Regelungen des vom Antragsgegner vorgegebenen Mietvertrages selbstverständlich zu akzeptieren. Vorsorglich stelle sie ausdrücklich klar, den Mietvertrag in dieser Fassung ausdrücklich zu akzeptieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakte und die Vergabeakte Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig.
1. Soweit die Antragstellerin einen Verstoß gegen § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB rügt, fehlt ihr die Antragsbefugnis. Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist für die Antragsbefugnis darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Ein solcher Schaden ist hier auszuschließen.
Nach § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB haben öffentliche Auftraggeber Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, insbesondere über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots vollständig zu informieren. Ob die Mitteilung der Antragsgegnerin vom 17.06.2024 diesen Anforderungen genügte, kann dahinstehen. Selbst bei mangelhafter Vorabinformation droht der Antragstellerin kein Schaden im Sinne einer verringerten Chance auf den Zuschlag, da sie rechtzeitig einen Nachprüfungsantrag eingereicht hat und die von ihr zulässigerweise geltend gemachten Vergaberechtsverstöße im Nachprüfungsverfahren überprüft werden können. Eine etwaige Fehlerhaftigkeit der Information würde einer Zuschlagserteilung nach Abschluss des Nachprüfungsverfahrens nicht entgegenstehen, s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 27.10.2010 - VII-Verg 47/10 -; Beschl.v. 06.09.2017 - VII-Verg 9/17 -; OLG Karlsruhe, Beschl.v. 14.08.2019 - 15 Verg 10/19 -; VK Rheinland, Beschl.v. 26.02.2021 - VK 51/20-L -; Beschl.v. 17.05.2023 - VK 11/23-L -, BA S. 9 f.; VK Baden-Württemberg, Beschl.v. 05.08.2021 - 1 VK 37/21 -; VK Bund, Beschl.v. 01.06.2022 - VK1-49/22 -; Beschl.v. 07.12.2022 - VK1-95/22 -; VK Niedersachsen, Beschl.v. 14.11.2023 - VgK-31/2023 -.
Ob darüber hinaus ein möglicher Verstoß gegen § 134 GWB durch die von der Antragsgegnerin nachgereichten Informationen geheilt worden ist,
vgl. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 16.10.2019 - VII-Verg 6/19 -, bedarf danach keiner Entscheidung.
2. Ebensowenig antragsbefugt ist die Antragstellerin im Hinblick auf ihre Ausführungen zum Preiskriterium. Insoweit macht sie schon keine über eine Mangelhaftigkeit der Vorabinformation hinausgehende Verletzung eigener Rechte geltend, sondern wirft lediglich die Frage auf, wieso ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste dargestellt habe. In diesem Zusammenhang stellt sie die Mitteilungen des Antragsgegners einander gegenüber, der von ihr angebotene Preis sei signifikant höher als der Angebotspreis der Beigeladenen, ihr Quadratmeterpreis allerdings geringfügig niedriger. Die letztgenannte Zusatzinformation stellt entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine Relativierung dar, da der wertungsrelevante Gesamtpreis sich als Produkt von Mietfläche und Quadratmeterpreis ergibt und der Antragsgegner ausdrücklich darauf hingewiesen hat, die Beigeladene habe mit einer geringeren Mietfläche geplant. Letzteres bestreitet die Antragstellerin nicht; vielmehr möchte sie genauere Zahlen zur von der Beigeladenen angebotenen Mietfläche erfahren. Auch damit macht sie keine Rechtsverletzung geltend. Allenfalls stellt sie spekulative Andeutungen in den Raum, der Antragsgegner könnte die Angebote hinsichtlich des Preiskriteriums womöglich unzutreffend gewertet haben. Nachvollziehbare konkrete Anhaltspunkte dafür trägt sie nicht vor. Es handelt sich hier um bloße Ausführungen aufs Geratewohl, die prozessual unbeachtlich sind,
s. BGH, Beschl.v. 26.09.2006 - X ZB 14/06 -; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 29.06.2017 - VII-Verg 7/17 -; Beschl.v. 25.09.2017 - VII-Verg 19/17 -; Beschl.v. 09.01.2020 - VII-Verg 10/18 -; Beschl.v. 14.12.2022 - VII-Verg 11/22 -, und daher eine Antragsbefugnis nicht begründen können,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 11.02.2009 - VII-Verg 69/08 -; Beschl.v. 15.01.2020 - VII-Verg 20/19 -; Beschl.v. 17.05.2024 - VII-Verg 30/23 -, BA S. 20 f.; Beschl.v. 21.08.2024 - VII-Verg 17/24 -, BA S. 9.
Die Kammer hat sich gleichwohl durch Einsichtnahme in die Vergabeakte davon überzeugt, dass die preisliche Bewertung der beiden genannten Angebote durch den Antragsgegner den Vorgaben der Bewertungsmatrix entspricht.
3. Die Antragsbefugnis fehlt der Antragstellerin teilweise auch für ihr die qualitative Bewertung ihres Angebots betreffendes Vorbringen.
a) Dies gilt zunächst für ihre Beanstandung, bei den Zuschlagskriterien "Qualität und Effizienz" und "Funktionalität" werde nicht transparent, in welchem Verhältnis die ihr Angebot betreffenden Abzüge zu dem konkurrierenden Angebot der Beigeladenen stünden. Auch insoweit wird eine über eine etwaige Unzulänglichkeit der Vorabinformation hinausgehende Rechtsverletzung von der Antragstellerin nicht substantiiert geltend gemacht.
Für eine fehlerhafte Bewertung spricht nicht der Vortrag der Antragstellerin, der Antragsgegner habe in der Vorabinformation darauf hingewiesen, ihr Angebot sei bezogen auf das Kriterium "Qualität und Effizienz" insgesamt mit "gut" bewertet worden, was nicht den bekanntgegebenen Zuschlagskriterien entspreche. Diese Behauptung der Antragstellerin ist schon in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend. Laut Vorabinformation wurde das Angebot bezogen auf das genannte Zuschlagskriterium "insgesamt gut bewertet und erhielt nur relativ geringfügige Abzüge". Von einer mit den Zuschlagskriterien unvereinbaren Bewertung mit einer Note "gut" ist in der Vorabinformation keine Rede.
Zweifel an der Angebotswertung werden auch nicht dadurch begründet, dass das Angebot der Antragstellerin nicht den niedrigsten Faktor zu dem Unterkriterium 2a aufwies, das Angebot aber gleichwohl bei dem Kriterium "Qualität und Effizienz" eine bessere Bewertung als dasjenige der Beigeladenen erhielt. Die Bewertung dieses Kriteriums wird nicht nur durch das Unterkriterium 2a bestimmt, sondern auch durch die Unterkriterien 2b, 2c und 2d, durch die ein Bewertungsrückstand bei dem Unterkriterium 2a kompensiert werden kann.
Soweit die Antragstellerin eine Überprüfung der vom Antragsgegner anhand des Unterkriteriums 2a vorgenommenen Bewertung ihres Angebots durch die Kammer im Hinblick darauf begehrt, ob die vom Antragsgegner in der Berechnung angesetzte Fläche des Angebots mit dem niedrigsten Faktor dem insoweit vorliegenden Angebot entspreche, liegt dem ebenfalls keine substantiierte Beanstandung eines Vergabeverstoßes zugrunde, sondern bloße Spekulation, die eine Prüfungspflicht der Kammer nicht auslöst, s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 07.07.2010 - VII-Verg 22/10 -; Beschl.v. 19.05.2021 - VII-Verg 13/21 -; VK Rheinland, Beschl.v. 29.04.2020 - VK 4/20-L -.
Nicht hinreichend substantiiert ist auch das Vorbringen der Antragstellerin, sie habe für ihr Angebot einen niedrigeren Nettorauminhalt ermittelt als den vom Antragsgegner angegebenen. Die Antragstellerin legt nicht dar, welchen Rauminhalt sie errechnet hat und auf welche Weise. Dafür hätte es einer - von der Antragstellerin vermissten - vorherigen Darlegung der vom Antragsgegner angewandten Ermittlungsmethode nicht bedurft. Gemäß der Bewertungsmatrix sollte der Nettorauminhalt nach der DIN 277 ermittelt werden. Eine entsprechende Berechnung für ihre Planung hätte die Antragstellerin ohne weiteres durchführen und zur Nachprüfungsakte reichen können.
Entsprechendes gilt für die Beanstandung der Bewertung ihres Angebots in den Unterkriterien 2c und 2d durch die Antragstellerin. Die Antragstellerin beschränkt sich hier auf den pauschalen Vortrag, sie habe hochwertige und langlebige Fabrikate bzw. höherwertige Materialien gewählt. Nähere Ausführungen hierzu fehlen.
b) Antragsbefugt ist die Antragstellerin hingegen hinsichtlich ihrer Beanstandung, ihr Angebot habe bei den Unterkriterien 2b und 3a bis 3d eine bessere Bewertung verdient als erfolgt. Die Antragstellerin begründet dies mit konkreten Darlegungen, deren rechtliche Richtigkeit keine Frage der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ist, sondern eine solche der Begründetheit. Denn die Antragsbefugnis erfüllt lediglich die Funktion eines groben Filters, dem die Aufgabe zukommt, eindeutige Fälle auszusondern, in denen eine Auftragsvergabe an den Antragsteller von vornherein ausgeschlossen ist, s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 20.09.2017 - VII-Verg 33/16 -; Beschl.v. 13.12.2017 - VII-Verg 33/17 -; Beschl.v. 30.09.2020 - VII-Verg 16/20 -; Beschl.v. 25.10.2023 - VII-Verg 50/22 -, BA S. 11.
Zwar könnte das Angebot der Antragstellerin isoliert betrachtet selbst dann nicht den Punktrückstand gegenüber dem Angebot der Beigeladenen aufholen, wenn es bei den Unterkriterien 2b und 3a bis 3d jeweils die bestmögliche Bewertung erhielte. Jedoch steht dies der Antragsbefugnis der Antragstellerin hier nicht entgegen. Zur Nachprüfung gestellte Auswahlentscheidungen sind - unter Beachtung des dem Auftraggeber insoweit zustehenden Beurteilungsspielraums - insbesondere auch daraufhin überprüfbar, ob die jeweiligen Punktzahlen im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden, s. BGH, Beschl.v. 04.04.2017 - X ZB 3/17 -, Rdnr. 53; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 16.08.2019 - VII-Verg 56/18 -; Beschl.v. 16.10.2019 - VII-Verg 6/19 -; Beschl.v. 27.04.2022 - VII-Verg 25/21 -; Beschl.v. 27.04.2022 - VII-Verg 47/21 -.
Greift ein Bieter im Nachprüfungsverfahren die Bewertung seines eigenen Angebots an, hat die Nachprüfungsinstanz daher auch die entsprechende Bewertung des Angebots des Zuschlagsprätendenten zu betrachten, auch wenn der antragstellende Bieter - wie im Regelfall - zur Bewertung des Konkurrenzangebots nicht näher vortragen kann, weil die Akteneinsicht der Verfahrensbeteiligten sich zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen nicht auf den Inhalt konkurrierender Angebote erstreckt, s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 09.05.2018 - VII-Verg 13/18 -; Beschl.v. 27.04.2022, a.a.O..
Dabei darf die Bewertung der konkreten Angebote durch den Auftraggeber nicht von den zuvor festgelegten Zuschlagskriterien abweichen und muss in sich widerspruchsfrei sein, s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 24.03.2021 - VII-Verg 34/20 -.
Welche Auswirkungen eine diesen Maßstäben entsprechende Überprüfung der Bewertung der Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen durch die Kammer auf die Wertungsreihenfolge hätte, lässt sich im Rahmen der Prüfung der Antragsbefugnis nicht prognostizieren. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang nicht auszuschließen, dass Ergebnis einer entsprechenden Überprüfung nicht nur eine Besserbewertung des Angebots der Antragstellerin sein könnte, sondern darüber hinaus eine schlechtere Bewertung des Angebots der Beigeladenen. In welchem Verhältnis dann die Gesamtpunktzahlen der beiden Angebote zueinander stünden, ist derzeit offen.
4. Die Antragsbefugnis fehlt hingegen, soweit die Antragstellerin die Frage aufwirft, ob unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen des Abschlussgesprächs mit der Beigeladenen Änderungen in deren verbindlichem Angebot vorgenommen worden seien. Auch hier wird keine Rechtsverletzung geltend gemacht, sondern lediglich ohne begründeten Verdacht gemutmaßt. Eine Aufklärungspflicht der Kammer wird dadurch nicht begründet, s. wiederum OLG Düsseldorf, Beschl.v. 07.07.2010, a.a.O., Rdnr. 26; Beschl.v. 19.05.2021, a.a.O., Rdnr. 64; VK Rheinland, Beschl.v. 29.04.2020, a.a.O., Rdnr. 80.
Dessen ungeachtet hat die von der Kammer durchgeführte Überprüfung der Aktenlage keine bewertungsrelevanten Änderungen des Angebots der Beigeladenen im Zuge des vom Antragsgegner mit ihr geführten Abschlussgesprächs erkennen lassen.
5. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist die Antragstellerin nicht mit der Rüge präkludiert, die Einführung von Unterkriterien erst in der Angebotsphase verstoße gegen den Transparenzgrundsatz und sei überdies diskriminierend.
Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Dabei bezieht sich die Erkennbarkeit auf die einen Rechtsverstoß begründenden Tatsachen und auf deren rechtliche Bewertung als Vergaberechtsverstoß, s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 20.12.2017 - VII-Verg 8/17 -; Beschl.v. 26.07.2018 - VII-Verg 23/18 -; Beschl.v. 19.09.2018 - VII-Verg 37/17 -; Beschl.v. 15.05.2019 - VII-Verg 61/18 -; Beschl.v. 26.01.2022 - VII-Verg 23/21 -; Beschl.v. 17.08.2022 - VII-Verg 54/21 -.
Die Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften ist objektiv zu bestimmen. Eine die Rügeobliegenheit auslösende Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften ist - immer bezogen auf den konkreten Einzelfall - zu bejahen, wenn der Verstoß von einem durchschnittlich fachkundigen Bieter des angesprochenen Bieterkreises bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden kann. Im Hinblick auf Vergabeunterlagen wird damit als Voraussetzung einer Rügepräklusion gefordert, dass der Inhalt der Unterlagen bei laienhafter rechtlicher Bewertung, also ohne Bemühung besonderen Rechtsrats, auf einen Vergaberechtsverstoß hindeutet. Das setzt regelmäßig voraus, dass die Rechtsvorschriften, gegen die verstoßen wird, zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der beteiligten Bieterkreise gehören. Eine Rügepräklusion kommt in der Regel nur für auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhende und ins Auge fallende auftragsbezogene Rechtsverstöße in Betracht. Der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots bzw. seiner Bewerbung auffallen muss. Einer exakten rechtlichen Einordnung des Vergaberechtsverstoßes durch den Bieter bedarf es aber nicht, s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 03.04.2019 - VII-Verg 49/18 -; Beschl.v. 15.01.2020 - VII-Verg 20/19 -; Beschl.v. 05.05.2021 - VII-Verg 11/21 -; Beschl.v. 26.01.2022, a.a.O., Rdnr. 39 f.; Beschl.v. 17.08.2022, a.a.O., Rdnr. 35 f.; Beschl.v. 28.09.2022 - VII-Verg 16/22 -, BA S. 19 f.; Beschl.v. 16.11.2022 - VII-Verg 12/22 -, BA S. 17 f.
Nach diesen Maßstäben war der von der Antragstellerin nunmehr geltend gemachte etwaige Vergabeverstoß nicht im Sinne des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB erkennbar. Die Antragstellerin verkennt nicht, dass gemäß § 127 Abs. 5 GWB die Zuschlagskriterien entweder in der Auftragsbekanntmachung (von ihr abweichend von §§ 37 Abs. 1 Satz 1, 39 Abs. 1 VgV "Vergabebekanntmachung" genannt) oder in den Vergabeunterlagen aufgeführt werden können. Sie meint allerdings, im streitbefangenen Vergabeverfahren seien konkrete Angebotsbestandteile bereits mit der Bewerbung abgefragt worden, sodass die nach der Bewerberauswahl eingefügten Unterkriterien hätten "auf die ausgewählten Bewerber angepasst" werden können. Damit gründet sie ihre rechtliche Einschätzung auf Besonderheiten des vorliegenden Falles, deren Auswirkungen auf die Rechtslage von einem durchschnittlichen Bieter nicht eingeschätzt werden können. Inwieweit die Antragstellerin als eine aus zwei öffentlichen Auftraggebern bestehende Bietergemeinschaft vertiefte Kenntnisse im Vergaberecht hatte, wie der Antragsgegner meint, kann offenbleiben; derartige individuelle Kenntnisse eines einzelnen Bieters sind für die Erkennbarkeit im Sinne des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ohne Bedeutung, s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 20.12.2017 - VII-Verg 8/17 -; Beschl.v. 15.05.2019 - VII-Verg 61/18 -; anderes gilt für tatsächliche Kenntnisse mit einem Bezug auf das laufende Vergabeverfahren, s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 11.07.2018 - VII-Verg 24/18 -.
6. Im Hinblick auf die von der Antragstellerin angesprochene Frage der Bebaubarkeit des angebotenen Grundstücks liegt die Antragsbefugnis vor. Die Antragstellerin macht insoweit substantiiert eine Rechtsverletzung geltend. In rechtlicher Hinsicht führt sie an, das Angebot der Beigeladenen wäre auszuschließen, wenn ein Bebauungsplan notwendig, aber noch nicht aufgestellt worden sei. Dazu trägt die Antragstellerin in tatsächlicher Hinsicht vor, im in Anlage 1 der Vergabeunterlagen gekennzeichneten Auswahlgebiet sei im überplanten oder im Zusammenhang bebauten (§ 34 BauGB) Bereich kein geeignetes Grundstück vorhanden. Das würde bedeuten, dass die Beigeladene nur ein im Außenbereich gelegenes Grundstück benannt haben kann. Hierzu weist die Antragstellerin darauf hin, ein Bebauungsplan für Außenbereichsflächen befinde sich zurzeit nicht im Aufstellungsverfahren. Ohne Bebauungsplan wäre aber ein Außenbereichsgrundstück aufgrund der ständigen Rechtsprechung zu § 35 Abs. 2 BauGB zumindest grundsätzlich nicht mit einem nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Vorhaben bebaubar. In der Gesamtschau ihres Vorbringens macht die Antragstellerin also geltend, das Angebot der Beigeladenen sei mangels Bebaubarkeit des von ihr benannten Grundstücks auszuschließen. Das genügt für die Antragsbefugnis.
Insoweit ist auch keine Rügepräklusion eingetreten. Nach dem unwiderlegten Vortrag der Antragstellerin hat diese erst während des Nachprüfungsverfahrens festgestellt, dass für andere Bieter innerhalb des Auswahlgebiets kein geeignetes Grundstück im überplanten Bereich oder im unbeplanten Innenbereich verfügbar ist. Aus der Auftragsbekanntmachung und den Vergabeunterlagen war dies ohnehin nicht erkennbar. Die Geltendmachung dieses Aspekts während des Nachprüfungsverfahrens war daher rechtzeitig.
7. Antragsbefugt ist die Antragstellerin ferner, soweit sie sich die in der Hinweisverfügung der Kammer niedergelegten Erwägungen zu eigen macht und auf dieser Grundlage den Ausschluss des Angebots der Beigeladenen wegen unzulässiger Änderung der Vergabeunterlagen begehrt.
8. Schließlich liegt die Antragsbefugnis auch vor, soweit die Antragstellerin die vom Antragsgegner nunmehr geltend gemachte Ausschlussreife ihres eigenen Angebots bestreitet. Der Frage, ob das Angebot tatsächlich auszuschließen ist, ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht bei der Prüfung der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags nachzugehen, sondern erst im Rahmen der Begründetheitsprüfung.
III.
Der Nachprüfungsantrag ist im Rahmen seiner Zulässigkeit begründet.
1. Das Angebot der Antragstellerin ist nicht aufgrund von Änderungen an den Vergabeunterlagen nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A auszuschließen.
a) Die Antragstellerin hat freilich ihrem zweiten verbindlichen Angebot ein Exemplar des Mietvertrages beigefügt, in dem der in den Vergabeunterlagen enthaltene Vertragstext in verschiedener Hinsicht inhaltlich abgeändert oder ergänzt worden ist. Dies widersprach der Regelung in den Vergabeunterlagen, wonach die bereitgestellte Fassung des Mietvertrages zwingend zu beachten war, und überdies den Antworten auf die Bieterfragen Nr. 71, 73, 74 und 75.
b) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der die Ausschlussreife ihres Angebots betreffende Vortrag des Antragsgegners nicht wegen Verspätung präkludiert. Zwar kann gemäß § 167 Abs. 2 Satz 2 GWB eine Vergabekammer den Verfahrensbeteiligten Fristen setzen, nach deren Ablauf weiterer Vortrag unbeachtet bleiben kann. Eine derartige Fristsetzung ist im Streitfall jedoch nicht erfolgt. Daher könnte das Vorbringen des Antragsgegners bei der Entscheidung der Kammer nur dann vor dem Hintergrund der in § 167 Abs. 2 Satz 1 GWB geregelten Verfahrensförderungspflicht unberücksichtigt bleiben, wenn der Antragsgegner es unter Missachtung dieser Pflicht derart spät angebracht hätte, dass der Antragstellerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eine Erwiderung unter zumutbaren Bedingungen nicht mehr möglich gewesen wäre, s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 19.11.2003 - VII-Verg 22/03 -; Beschl.v. 01.12.2015 - VII-Verg 20/15 -; Beschl.v. 09.08.2023 - VII-Verg 3/23 -.
An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Ohne die urlaubsbedingte Vertretung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin durch einen mit der Sache bislang nicht befassten anderen Rechtsanwalt der betreffenden Kanzlei hätte die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf den Vortrag des Antragsgegners ausreichend inhaltlich erwidern können. Der Schriftsatz des Antragsgegners ist immerhin eine Woche vor der mündlichen Verhandlung bei der Kammer eingegangen und am folgenden Tag der Antragstellerin übermittelt worden. Das neue Vorbringen betraf auch nur einen tatsächlich einfach gelagerten Gesichtspunkt, dessen rechtliche Würdigung keine umfangreichen Recherchen erforderte. Lediglich die Vertretung in der Person des verfahrensführenden Bevollmächtigten hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung veranlasst, der Antragstellerin in Ansehung des rechtlichen Gehörs Schriftsatznachlass zu gewähren. Dieser Vertretungsfall kann unter dem Blickwinkel der Verfahrensförderungspflicht nicht dem Antragsgegner entgegengehalten werden.
c) Die Kollisionsklauseln in Ziffer 24.2 des Mietvertragsentwurfes stünden im Falle einer Auftragserteilung einer Geltung der von der Antragstellerin vorgenommenen Textänderungen nicht entgegen. Aus den genannten Klauseln ergibt sich, dass der Text des Mietvertrages dessen Anlagen vorgeht und im Verhältnis der Anlagen zueinander die Bieterfragen-Antworten-Liste gegenüber dem verbindlichen Angebot des Vermieters den Vorrang besitzt. Da mit einem vergaberechtlichen Zuschlag nur das Angebot des Zuschlagsbieters unverändert angenommen werden kann, würde, wenn das Angebot der Antragstellerin den Mietvertrag mit dem von ihr veränderten Text beinhaltete, im Zuschlagsfall dieser geänderte Text zum maßgeblichen Text des Mietvertrages, der gemäß Ziffer 24.2 Satz 1 des Vertrages gegenüber den Regelungen in den Anlagen zum Mietvertrag und damit auch gegenüber den Antworten auf die Bieterfragen vorrangig ist.
d) Welches inhaltliche Gewicht die von der Antragstellerin im Vertragsentwurf vorgenommenen Änderungen haben, kann hier offenbleiben. Für einen Angebotsausschluss nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A genügt bereits eine formale Abweichung, ohne dass es auf deren Wettbewerbsrelevanz, Wesentlichkeit oder Geringfügigkeit ankäme, s. OLG München, Beschl.v. 02.03.2009 - Verg 1/09 - (zu § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. d VOL/A 2006); Beschl.v. 21.04.2017 - Verg 1/17 -, Rdnr. 64 (zu § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV); Beschl.v. 08.07.2019 - Verg 2/19 - (zu § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV); OLG Karlsruhe, Beschl.v. 10.06.2011 - 15 Verg 7/11 - (zu § 19 EG Abs. 3 Buchst. d VOL/A 2009); OLG Frankfurt, Beschl.v. 26.06.2012 - 11 Verg 12/11 - (zu § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b VOB/A 2009 i.V.m. § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A 2009); OLG Celle, Beschl.v. 19.02.2015 - 13 Verg 12/14 - (zu § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b VOB/A 2012 i.V.m. § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A 2012); OLG Düsseldorf, Beschl.v. 30.09.2015 - VII-Verg 32/15 - (zu § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A 2012); BayObLG, Beschl.v. 17.06.2021 - Verg 6/21 - (zu § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A); OLG Bremen, Beschl.v. 04.11.2022 - 2 Verg 1/22 - (zu § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV).
Der in § 97 Abs. 1 Satz 2 GWB niedergelegte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ändert hieran im Streitfall nichts. Dabei bedarf keiner Klärung, ob dieser Grundsatz einem Angebotsausschluss nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A überhaupt entgegenstehen kann, offengelassen von BayObLG, Beschl.v. 17.06.2021, a.a.O., Rdnr. 57.
Die von der Antragstellerin vorgenommenen Änderungen am Text des Mietvertrages sind - jedenfalls in ihrer Gesamtschau - nicht derart untergeordnet, dass unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit von einem Angebotsausschluss abgesehen werden müsste.
e) Auch ist ein Angebotsausschluss nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A zwingend; ein Ermessen oder Beurteilungsspielraum des Auftraggebers besteht nicht, s. OLG Celle, Beschl.v. 19.02.2015, a.a.O., Rdnr. 76, 87; OLG München, Beschl.v. 20.01.2020 - Verg 19/19 -,; BayObLG, Beschl.v. 17.06.2021, a.a.O., Rdnr. 57; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 06.04.2022 - VII-Verg 32/21 -; Beschl.v. 08.02.2023 - VII-Verg 17/22 -.
f) Jedoch hat die Antragstellerin im Vordruck 7 formularmäßig erklärt, die Leistungen auf der Grundlage der Vergabeunterlagen, insbesondere des Mietvertrages anzubieten. Damit war nach Wortlaut ("insbesondere") und erkennbarem Zweck der Regelung ersichtlich die in den Vergabeunterlagen enthaltene Fassung des Vertrages gemeint.
Besteht zwischen einer vorformulierten Erklärung eines Bieters und von ihm dem Angebot beigefügten Unterlagen ein Widerspruch, ist grundsätzlich eine Aufklärung seitens des Auftraggebers geboten, s. BGH, Urt.v. 18.06.2019 - X ZR 86/17 -, Rdnr. 21.
Dies gilt insbesondere, wenn der Auftraggeber es für überwiegend wahrscheinlich halten muss, dass die Abweichung von den Vergabebedingungen entweder auf einem Missverständnis oder auf Nachlässigkeit beruht, vgl. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 01.04.2020 - VII-Verg 30/19 -.
So liegt es hier. Der Antragsgegner hatte an optisch hervorgehobener Stelle in den Vergabeunterlagen sowie in seiner Antwort auf die Bieterfrage Nr. 75 dezidiert auf die Unzulässigkeit von Änderungen des Mietvertrages hingewiesen und überdies in seinen Antworten auf die Bieterfragen Nr. 71, 73 und 74 einige der von der Antragstellerin in den Vertragstext eingearbeiteten Änderungen ausdrücklich abgelehnt. Wenn die Antragstellerin gleichwohl den Mietvertrag nebst Textänderungen ihrem Angebot beifügte, durfte eine verständige Vergabestelle dies nicht ohne Weiteres dahin verstehen, dass die Antragstellerin auf ihren Änderungsvorschlägen beharren und sehenden Auges einen Ausschluss ihres Angebots in Kauf nehmen wollte. Im Gegenteil ist einem Bieter regelmäßig zu unterstellen, dass er wirtschaftlich vernünftige Absichten verfolgt, den Zuschlag erhalten und deshalb im Zweifel ein ausschreibungskonformes Angebot abgeben will, s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 27.09.2006 - VII-Verg 36/06 -; OLG Frankfurt, Beschl.v. 26.06.2012 - 11 Verg 12/11 -; OLG Rostock, Beschl.v. 09.10.2013 - 17 Verg 6/13 -; OLG Celle, Beschl.v. 19.02.2015 - 13 Verg 12/14 -; OLG Schleswig, Beschl.v. 11.05.2016 - 54 Verg 3/16 -.
Vorliegend kommt hinzu, dass die Antragstellerin die geänderte Vertragsfassung bereits ihrem ersten verbindlichen Angebot beigefügt hatte und die Annahme nahelag, dass sich die mit der Zusammenstellung der Anlagen zu ihrem zweiten verbindlichen Angebot betraute Person an diesem ersten verbindlichen Angebot orientierte und dabei übersah, dass der (geänderte) Mietvertrag nunmehr nicht mehr beigefügt werden durfte. Das zweite verbindliche Angebot wäre im Übrigen gemäß der Antwort auf die Bieterfrage Nr. 75 auch dann vollständig und nicht etwa lückenhaft gewesen, wenn die Antragstellerin von der Beifügung des Mietvertrages abgesehen hätte, vgl. BGH, Urt.v. 18.06.2019, a.a.O., Rdnr. 26.
Nachdem die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung und dem nachgelassenen Schriftsatz ausdrücklich erklärt hat, den Mietvertrag in der vom Antragsgegner vorgegebenen Fassung zu akzeptieren, erübrigt sich nunmehr eine weitere Angebotsaufklärung.
2. Das Angebot der Beigeladenen ist dagegen zwingend auszuschließen.
a) Die Beigeladene hätte bereits nicht zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden dürfen, da das von ihr im Teilnahmeantrag angegebene Grundstück sich nicht innerhalb der Gebietsgrenzen zur Standortwahl gemäß Anlage 1 der Vergabeunterlagen befindet.
Nach den Ziffern II.2.4 und III.1.3 der Auftragsbekanntmachung sowie den Abschnitten 5.1, 5.2 und 5.2.1 der Teilnahmebedingungen musste das vom Bewerber benannte Grundstück zwingend innerhalb dieser Grenzen liegen. Daran ändert die aus dem Standardformular für die Vergabe öffentlicher Aufträge stammende Formulierung "Möglicherweise geforderte Mindeststandards" nichts, s. dazu OLG Düsseldorf, Beschl.v. 28.06.2023 - VII-Verg 48/22 -, BA S. 14.
Liegt das vom Bewerber bezeichnete Grundstück außerhalb der in Anlage 1 dargestellten Grenzen, durfte es nicht gewertet werden und war der Bewerber vom weiteren Verfahren auszuschließen. Diese Anforderung an die Belegenheit des Grundstücks wurde während des Teilnahmewettbewerbs durch die Antwort auf die Bewerberfrage 1 ausdrücklich bekräftigt.
Lage und Größe des Auswahlgebiets sind in Anlage 1 eindeutig bestimmt. Zum einen geschieht dies graphisch durch eine dem Verlauf von Straßen folgende rote Linie. Zum anderen sind die Namen dieser Straßen in der Anlage 1 im Einzelnen aufgeführt. Das von der Beigeladenen in ihrem Teilnahmeantrag benannte Grundstück liegt eindeutig außerhalb des Auswahlgebiets. Es grenzt (entgegen der im Vermerk des Antragsgegners "Formale Prüfung der Teilnahmeanträge vor Nachforderung" in den Anmerkungen zu der laufenden Nummer 2 sowie im Vergabevermerk Teil II auf Seite 17 unten enthaltenen Darstellung) nicht einmal an eine durch die rote Linie gekennzeichnete Straße an, sondern ist von einer solchen durch eine Splissparzelle räumlich getrennt. Der Antragsgegner sieht dieses Grundstück daher zu Recht als nicht anforderungsgerecht an.
Die Entscheidung des Antragsgegners, die Beigeladene gleichwohl mit Rücksicht auf das von ihr am 14.07.2023 benannte andere Grundstück zur Angebotsabgabe aufzufordern, ist mit Vergaberecht nicht vereinbar. Grundlage der Entscheidung über die Zulassung zur Angebotsabgabe sind gemäß § 3b EU Abs. 3 Nr. 1 Satz 3 VOB/A die von den Bewerbern mit dem Teilnahmeantrag übermittelten Informationen. Dementsprechend war in Abschnitt II.2.4 der Auftragsbekanntmachung geregelt, dass der Auftraggeber nur solche Bewerber zur Abgabe des ersten Angebots auffordern werde, die "bereits mit ihrem Teilnahmeantrag" nachweisen könnten, über ein passendes Grundstück verfügen zu können; andere Bewerber würden vom weiteren Verfahren ausgeschlossen. Im Teilnahmeantrag der Beigeladenen war aber nicht das vom Antragsgegner seiner Zulassungsentscheidung zugrunde gelegte Grundstück genannt, sondern lediglich das die Lageanforderung - auch nach nunmehriger eigener Auffassung des Antragsgegners - nicht erfüllende. Nach Ablauf der Bewerbungsfrist am 19.06.2023 konnte die Beigeladene ihren Teilnahmeantrag aus Gründen der Gleichbehandlung der Bewerber und der Transparenz des Vergabeverfahrens inhaltlich nicht mehr verändern,
s. OLG München, Beschl.v. 17.09.2015 - Verg 3/15 -; VK Thüringen, Beschl.v. 20.09.2017 - 250-4004-6659/2017-E-034-WE -; VK Bund, Beschl.v. 24.10.2017 - VK1-109/17 -; Beschl.v. 25.10.2017 - VK1-119/17 -; Beschl.v. 24.01.2020 - VK1-97/19 -;
insoweit gilt nichts anderes als bei Angeboten,
s. dazu z.B. EuGH, Urt.v. 29.03.2012 - C-599/10 - ("SAG ELV Slovensko u.a."); Urt.v. 03.06.2021 - C-210/20 - ("Rad Service u.a."); OLG Düsseldorf, Beschl.v. 08.02.2023 - VII-Verg 17/22 -.
Die Grundstücksbenennung durch die Beigeladene vom 14.07.2023 stand zum Inhalt ihres Teilnahmeantrages in einem sachlichen Widerspruch. Um eine bloße Nachreichung oder Erläuterung von Anlagen im Sinne des Abschnitts 5.1 der Teilnahmebedingungen handelte es sich nicht. Das nachträglich benannte Grundstück war daher im Teilnahmewettbewerb nicht berücksichtigungsfähig.
Hieran ändert nichts - entgegen der im Vergabevermerk Teil II (dort S.17) niedergelegten Auffassung des Antragsgegners - die in Abschnitt II.2.4 der Auftragsbekanntmachung und in Abschnitt 5.3 der Teilnahmebedingungen vorgesehene Möglichkeit, das im Teilnahmewettbewerb benannte Grundstück im Laufe des Verfahrens durch ein anderes geeignetes Grundstück zu ersetzen. An die in § 97 Abs. 1 und 2 GWB niedergelegten Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung ist ein Auftraggeber bei Abfassung der Vergabebedingungen gebunden. Solche Bedingungen können daher eine rückwirkende inhaltliche Änderung eines Teilnahmeantrags nach Ablauf der Bewerbungsfrist nicht rechtswirksam vorsehen, sondern allenfalls eine Auswechslung des Grundstücks mit Wirkung für die Zukunft. Die Ersetzungsmöglichkeit ist insoweit vergaberechtskonform auszulegen, zur vergaberechtskonformen Auslegung von Vergabebedingungen s. BGH, Urt.v. 11.03.1999 - VII ZR 179/98 -,; Urt.v. 11.05.2009 - VII ZR 11/08 -, Rdnr. 20; Urt.v. 10.09.2009 - VII ZR 152/08 -, Rdnr. 20; Urt.v. 25.11.2010 - VII ZR 201/08 -, Rdnr. 18; Urt.v. 06.09.2012 - VII ZR 193/10 -, Rdnr. 21; Urt.v. 03.07.2020 - VII ZR 144/19 -, Rdnr. 29; OLG München, Beschl.v. 09.08.2012 - Verg 10/12 -,; OLG Naumburg, Beschl.v. 30.04.2014 - 2 Verg 2/14 -; OLG Frankfurt, Beschl.v. 23.12.2021 - 11 Verg 6/21 -; OLG Koblenz, Beschl.v. 12.12.2022 - Verg 3/22 -.
b) Das zweite verbindliche Angebot der Beigeladenen ist gemäß § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen von der Wertung auszuschließen.
aa) Gemäß Abschnitt 4.2.2 der "Vergabeunterlagen - Allgemeiner Teil - Zweite verbindliche Angebote -" sind die im Teilnahmewettbewerb geltenden Mindestanforderungen an das anzubietende Grundstück auch in der Angebotsphase zu beachten und werden nur Angebote mit Grundstücken zugelassen, die diesen Anforderungen genügen. Das von der Beigeladenen in ihrem Angebot benannte Grundstück erfüllt ebenfalls nicht die Anforderung einer Lage im in Anlage 1 beschriebenen Auswahlgebiet.
Entgegen der im Nachprüfungsverfahren vertretenen Auffassung des Antragsgegners und der im Vergabeverfahren geäußerten Ansicht der Beigeladenen sind unmittelbar an den in Anlage 1 aufgeführten Straßen, jedoch außerhalb des durch die rote Linie umgrenzten Bereichs gelegene Grundstücke nicht berücksichtigungsfähig. Der Erklärungswert von Vergabeunterlagen ist anhand der für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. Maßgeblich ist danach der objektive Empfängerhorizont der potentiellen Bewerber bzw. Bieter,
s. BGH, Urt.v. 10.06.2008 - X ZR 78/07 -, Rdnr. 10; Urt.v. 22.12.2011 - VII ZR 67/11 -, Rdnr. 14; Urt.v. 03.04.2012 - X ZR 130/10 -, Rdnr. 10; Urt.v. 20.11.2012 - X ZR 108/10 -, Rdnr. 9.
Danach kann es am Regelungsgehalt der Anlage 1 keinen vernünftigen Zweifel geben. In dieser Anlage heißt es ausdrücklich, das Auswahlgebiet werde von den nachfolgend benannten Begrenzungen "umschlossen". Dies entspricht auch dem allgemeinen Verständnis einer Begrenzungslinie, wie sie in Anlage 1 zeichnerisch darstellt ist; Grundstücke jenseits der Begrenzungslinie liegen danach gerade nicht innerhalb der definierten Grenzen. Textliche Formulierung und graphische Darstellung in Anlage 1 stimmen also inhaltlich überein.
Zusätzlich bestätigt wird dieser Regelungsinhalt durch die Festlegung in Abschnitt 5.2.1 der Teilnahmebedingungen, das Grundstück müsse "vollständig" innerhalb der Gebietsgrenzen liegen; die Grenzziehung sollte also ersichtlich strikt zu verstehen sein. Der vom Antragsgegner geltend gemachte Widerspruch zwischen den Teilnahmebedingungen und der Auftragsbekanntmachung besteht nicht; das Wort "vollständig" verdeutlicht und konkretisiert lediglich das mit der textlichen Formulierung und der zeichnerischen Darstellung in Anlage 1 objektiv ausdrücklich Geregelte.
Gegenüber diesem klaren Auslegungsbefund sind die Hinweise des Antragsgegners und - im Teilnahmewettbewerb - der Beigeladenen auf polizeieinsatzfachliche und einsatztaktische Erwägungen unbehelflich. Zwar muss sich ein Bewerber bzw. Bieter bei der Auslegung fragen, was die Vergabestelle aus ihrer Interessenlage heraus wirklich gewollt hat,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 14.09.2016 - VII-Verg 7/16 -; OLG Frankfurt, Beschl.v. 08.08.2019 - 11 Verg 3/19 -; Beschl.v. 05.11.2019 - 11 Verg 4/19 -; VK Rheinland, Beschl.v. 22.04.2021 - VK 54/20-L -; Beschl.v. 18.11.2022 - VK 35/22-L -.
Jedoch darf der Wortlaut von Vergabebedingungen weder erweiternd noch einengend ausgelegt werden,
s. OLG München, Beschl.v. 20.03.2014 - Verg 17/13 -; VK Bund, Beschl.v. 24.01.2011 - VK3-150/10 -,; Beschl.v. 02.02.2011 - VK3-168/10 -; VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschl.v. 21.02.2012 - 1 VK 07/11 -,; Beschl.v. 07.01.2016 - 1 VK 1/15 -; Beschl.v. 07.05.2019 - 1 VK 4/18 -, VERIS, sub II B 2; VK Hessen, Beschl.v. 12.08.2014 - 69d VK-11/2014 -; VK Sachsen, Beschl.v. 28.11.2017 - 1/SVK/024-17 -; Beschl.v. 11.06.2021 - 1/SVK/006-21 -; VK Rheinland, Beschl.v. 20.05.2022 - VK 7/22-L -,.
Die herausgehobene Bedeutung des Wortlauts bei der Auslegung von Vergabeunterlagen dient der Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Transparenzgebots,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 15.06.2000 - Verg 6/00 -; OLG Naumburg, Beschl.v. 30.09.2009 - 9 Verg 12/08 -; Beschl.v. 18.02.2013 - 9 Verg 4/12 -,.
Sind wie hier der Wortlaut und die zeichnerische Darstellung in Vergabebedingungen, die Anforderungen an den Teilnahmeantrag oder das Angebot aufstellen, eindeutig und werden sie auch nicht durch andere Bestandteile der Vergabebedingungen inhaltlich infrage gestellt, sind sie zur Sicherstellung der Gleichbehandlung aller Bewerber bzw. Bieter maßgeblich, sofern die ausdrücklich getroffene Regelung nicht ersichtlich sinnlos ist,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 19.12.2001 - Verg 42/01 -; ferner VK Rheinland-Pfalz, Beschl.v. 08.03.2012 - VK2-49/11 -
Letzteres ist hier nicht der Fall. Die in Anlage 1 enthaltene Definition des Auswahlgebiets verliert, anders als der Antragsgegner nunmehr geltend macht, bei genauer Beachtung der dortigen Vorgaben keineswegs ihren Sinn. Den Bewerbern wird damit in der erforderlichen Weise vorgegeben, in welchem Gebiet sich das von ihnen zu benennende Grundstück befinden muss. Für die Bewerber war auch keineswegs erkennbar, dass die in Anlage 1 vorgegebene konkrete Gebietsabgrenzung eindeutig sachwidrig wäre. Die in Anlage 1 festgelegte Abgrenzung hat objektiv gegenüber anderen vorstellbaren Grenzziehungen durchaus ihren guten Sinn. Sie besitzt den Vorteil einfacher Handhabbarkeit und lässt die Bewerber ohne Schwierigkeiten erkennen, ob ein Grundstück berücksichtigungsfähig ist oder nicht. Dies ist gerade bei einem Ausschlusskriterium vergaberechtlich von erheblicher Bedeutung, da ein Angebotsausschluss eine entsprechende eindeutige und unmissverständliche Grundlage in den Vergabebedingungen voraussetzt,
s. BGH, Urt.v. 06.10.2020 - XIII ZR 21/19 -, Rdnr. 8; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 26.01.2022 - VII-Verg 23/21 -.
Außerdem wird die bauplanungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit von Vorhaben bei einer Lage des Grundstücks auf der Innenseite der in Anlage 1 gezogenen roten Linie tendenziell dadurch erleichtert, dass je nach den Verhältnissen in der Örtlichkeit die Straße eine räumliche Zäsur zum Außenbereich darstellen und damit das Grundstück auch bei Fehlen eines Bebauungsplans eher dem planungsrechtlichen Innenbereich zugerechnet werden kann als ein Grundstück jenseits der Straße, dessen Bebauung - beispielsweise aufgrund negativer Vorbildwirkung - eine ungeordnete Siedlungsentwicklung in den Außenbereich hinein befürchten lässt.
So hat denn auch der Antragsgegner selbst im Teilnahmewettbewerb die in Anlage 1 niedergelegte Gebietsabgrenzung ersichtlich zunächst im oben dargestellten strikten Sinne verstanden. Er ging nach Eingang der Teilnahmeanträge in tatsächlicher Hinsicht irrig - weil offenbar die trennende Splissparzelle übersehend - davon aus, das von der Beigeladenen in ihrem Teilnahmeantrag benannte Grundstück grenze "unmittelbar" an das Auswahlgebiet, liege aber "auf der anderen Straßenseite" (so ausdrücklich der Vermerk vom 27.06.2023); noch im Vergabevermerk Teil II vom 30.07.2023 wurde wiederholt, das Grundstück grenze "unmittelbar" an das Auswahlgebiet an. Gleichwohl war der Antragsgegner zunächst der Auffassung, dieses Grundstück erfülle nicht die Anforderungen (so der Vermerk vom 27.06.2023) bzw. liege nach erster Einschätzung außerhalb des Auswahlgebietes (so das Schreiben vom 10.07.2023). Auch die Formulierung "auf der anderen Straßenseite" im Vermerk vom 27.06.2023 ist nur auf der Grundlage der Vorstellung erklärlich, das Auswahlgebiet beschränke sich auf eine Straßenseite; denn würde das Auswahlgebiet beide Seiten der Straße umfassen, gäbe es keine "andere" Straßenseite. Erst im Vermerk vom 27.07.2023 ("Formale Prüfung der Teilnahmeanträge nach Nachforderung") sowie ausführlicher im Vergabevermerk Teil II vom 30.07.2023 änderte der Antragsgegner seine Auslegung der Anlage 1 und kam unter Berücksichtigung der Ausrücksituation zu der Einschätzung, die "überwiegenden Gründe" sprächen für einen Verbleib des Teilnahmeantrags in der Wertung (wobei sich diese Ausführungen bei objektiver Auslegung nach dem Textzusammenhang auf beide von der Beigeladenen benannten Grundstücke zu beziehen scheinen). Die vom Antragsgegner im Vermerk vom 27.06.2023 und auch noch im Schreiben vom 10.07.2023 vertretene Auffassung wäre unverständlich, wenn die Sinnlosigkeit einer solchen engen Abgrenzung des Auswahlgebiets derart eindeutig wäre und sich damit ein anderer Regelungsinhalt der Anlage 1 aufdrängen würde, wie es der Antragsgegner nunmehr darstellt. Wandelt sich aber die Regelungsinterpretation sogar des Auftraggebers selbst im Zeitablauf, kann von einer für die Bewerber erkennbaren offenbaren Sachwidrigkeit der in Anlage 1 niedergelegten Grenzziehung keine Rede sein.
Kommen demzufolge von der Sache her verschiedene Abgrenzungen des Auswahlgebiets in Betracht, muss der Auftraggeber abwägen, welche Bedeutung er polizeifachlichen und anderen Aspekten zumessen will, und die Abgrenzung danach vornehmen. An das in den Vergabeunterlagen niedergelegte Ergebnis dieser Abwägung ist er im Vergabeverfahren gebunden, sofern er nicht - anders als hier - die Vergabebedingungen in einem für die Bewerber bzw. Bieter transparenten Verfahren ändert. Bloße Motive des Auftraggebers können unter diesen Umständen nicht als Auslegungsmaßstab dienen, mit deren Hilfe der Auftraggeber eine von ihm getroffene klare Regelung nachträglich - überdies erst in Kenntnis der Teilnahmeanträge - uminterpretieren kann, zutreffend VK Rheinland-Pfalz, Beschl.v. 08.03.2012, a.a.O., Rdnr. 57 ff.
Nach den vorstehenden Darlegungen ist das Auswahlgebiet in Anlage 1 derart eindeutig abgegrenzt, dass auch für Erwägungen eines Bewerbers, welche von den unmissverständlichen Vorgaben der Ausschreibungsunterlagen abweichende Regelung alternativ von einer Zwecksetzung des Auftraggebers getragen sein könnte, kein Raum bleibt. Es ist nicht Sache der Bewerber oder Bieter, Anforderungen des Auftraggebers an den Beschaffungsgegenstand unter dem Blickwinkel vermeintlicher Zweckmäßigkeit zu modifizieren,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 14.01.2009 - VII-Verg 59/08 -; OLG Schleswig, Beschl.v. 28.03.2024 - 54 Verg 2/23 -.
Vielmehr unterfällt es grundsätzlich der Freiheit des Auftraggebers, die aus seiner Sicht notwendigen Eigenschaften des zu beschaffenden Gegenstandes zu bestimmen, sofern nicht vergaberechtliche Normen diese Freiheit ausdrücklich einschränken,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 31.05.2017 - VII-Verg 36/16 -, oder der Auftraggeber seine Gestaltungsmacht missbraucht,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 17.08.2022 - VII-Verg 50/21 -.
Vorschriften des Vergaberechts, die der in Anlage 1 vorgenommenen Bestimmung des Auswahlgebiets entgegenstünden, sind nicht zu erkennen. Für einen Rechtsmissbrauch ist hier ebenfalls nichts ersichtlich. Die in Anlage 1 festgelegte Definition des Auswahlgebiets lässt sich wie dargelegt objektiv durchaus gut begründen.
Ob die Abgrenzung des maßgeblichen Gebiets bei früheren Ausschreibungen des Neubaus von Polizeidienststellen des Antragsgegners anders gehandhabt worden ist, wie die Beigeladene im Teilnahmewettbewerb geltend gemacht hat, und ob jenen Vergabeverfahren überhaupt inhaltlich vergleichbare letztverbindliche Vergabebedingungen zu Grunde lagen, kann hier offenbleiben. Bieterspezifische Vorkenntnisse aus einem vorangegangenen Vergabeverfahren sind für die Auslegung der Vergabeunterlagen ohne Bedeutung, da es auf den Empfängerhorizont eines Durchschnittsbieters ankommt,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 15.06.2000, a.a.O., Rdnr. 59; Beschl.v. 16.11.2022, a.a.O., BA S. 13 f.; OLG Naumburg, Beschl.v. 30.04.2014, a.a.O., Rdnr. 76.
Auch ist das Vertrauen auf ein vergaberechtswidriges Verhalten eines Auftraggebers grundsätzlich rechtlich nicht schützenswert; insbesondere ist die Handhabung eines zwingenden Ausschlussgrundes keiner Selbstbindung des Auftraggebers aus früheren Vergabeverfahren zugänglich,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 05.05.2004 - VII-Verg 10/04 -; Beschl.v. 16.11.2011 - VII-Verg 60/11 -,; VK Bad.-Württ., Beschl.v. 14.07.2017 - 1 VK 20/17 -; VK Bund, Beschl.v. 04.01.2023 - VK1-105/22 -.
Eine Ausnahme mag gelten für eine gegenüber dem gesamten als Auftragnehmer in Betracht kommenden Bieterkreis ausgeübte ständige Praxis eines Auftraggebers, die ungeschriebener Bestandteil der Vergabebedingungen ist, s. dazu OLG Düsseldorf, Beschl.v. 15.03.2010 - VII-Verg 12/10 -.
Ein solcher Fall liegt hier jedoch schon deshalb nicht vor, weil der Bewerber- und Bieterkreis im streitbefangenen Vergabeverfahren über denjenigen hinausgehen konnte (und auch tatsächlich hinausgegangen ist), der sich an früheren Ausschreibungen der vorliegenden Art für Polizeigebäude in anderen geographischen Regionen beteiligt hat. Unabhängig davon widerspricht die von Antragsgegner und Beigeladener vertretene Interpretation der Anlage 1 - wie oben dargelegt - dem für die Bewerber bei Ablauf der Bewerbungsfrist erkennbaren objektiven Willen des Antragsgegners und kann daher nicht ungeschriebener Bestandteil der für den Teilnahmewettbewerb geltenden Bedingungen geworden sein.
bb) Die Lage des im Angebot der Beigeladenen benannten Grundstücks außerhalb des in Anlage 1 festgelegten Auswahlgebiets ist nicht deshalb unbeachtlich, weil in Abschnitt 4.2.2 der "Vergabeunterlagen - Allgemeiner Teil - Zweite verbindliche Angebote -" geregelt ist, "bereits im Teilnahmewettbewerb zugelassene Grundstücke" würden diese Anforderungen erfüllen.
Es ist schon zweifelhaft, ob das von der Beigeladenen in ihrem Angebot benannte Grundstück überhaupt in diesem Sinne "im Teilnahmewettbewerb zugelassen" worden ist. In ihrem Teilnahmeantrag hatte die Beigeladene nur ein anderes Grundstück benannt. Soweit sie dieses Grundstück auf das Schreiben des Antragsgegners vom 10.07.2023 hin durch das später vom Angebot erfasste ersetzt hat, konnte diese Auswechslung - wie oben zu a dargelegt - wegen des zwischenzeitlichen Ablaufs der Bewerbungsfrist nicht rückwirkend den Inhalt des Teilnahmeantrags verändern. Wenn aber das im Angebot benannte Grundstück von der Beigeladenen nicht im Teilnahmeantrag wirksam zur Prüfung im Teilnahmewettbewerb gestellt worden ist, konnte es auch nicht Gegenstand einer Zulassung im Teilnahmewettbewerb werden.
Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, dass das von der Beigeladenen in ihrem Angebot benannte Grundstück vom Antragsgegner "im Teilnahmewettbewerb zugelassen" worden sei, weil es - auf welcher vermeintlichen Rechtsgrundlage auch immer - Gegenstand einer die Erfüllung der Lageanforderungen bejahenden Prüfung durch den Antragsgegner im Teilnahmewettbewerb geworden sei, müsste dieses Grundstück nicht allein aus diesem Grunde im Nachprüfungsverfahren als anforderungsgerecht betrachtet werden, denn die entsprechende Regelung in den Vergabeunterlagen ist vergaberechtswidrig und demzufolge unwirksam.
Bei Gültigkeit dieser Bestimmung würde in der Angebotsphase die Erfüllung der Anforderungen durch das benannte Grundstück allein aufgrund seiner auftraggeberseitigen Zulassung im Teilnahmewettbewerb unwiderleglich fingiert werden. Da es bei Abschluss eines Teilnahmewettbewerbs an einer Vorabinformation nach Art. 2a Abs. 2 der Rechtsmittelrichtlinien 89/665/EWG bzw. 92/13/EWG (i.d.F. des Art. 46 bzw. des Art. 47 RL 2014/23/EU; im Folgenden: Rechtsmittelrichtlinien) fehlt, kann ein Bieter erst danach erfahren, ob der Antragsgegner auch konkurrierende Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert hat. Erst dann kann sich für den Bieter die Frage stellen, ob ein solches Konkurrenzunternehmen überhaupt den geforderten "Lagenachweis" erbracht hat oder seine Zulassung zur Angebotsabgabe zu Unrecht erfolgt ist, und erst dann ist der Bieter in der Lage, einen etwaigen diesbezüglichen Vergabeverstoß des Auftraggebers im Wege einer Rüge und gegebenenfalls eines Nachprüfungsantrags geltend zu machen, zutreffend OLG München, Beschl.v. 21.09.2018 - Verg 4/18 -.
Greift zu diesem Zeitpunkt die zitierte Fiktion ein, wird die Zulassungsentscheidung des Auftraggebers insoweit einer Überprüfung durch die Vergabe-Nachprüfungsinstanzen gänzlich entzogen. Das läuft im Ergebnis auf eine materielle Rügepräklusion hinaus, ohne dass die dafür nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB notwendigen Voraussetzungen gegeben sind. Der Auftraggeber schließt dann durch eine Regelung in den Vergabeunterlagen einen erfolgversprechenden Primärrechtsschutz gegen seine Beurteilung der Lage des Grundstücks unter dem Blickwinkel der Anforderungen der Anlage 1 von vornherein aus.
Das ist mit dem aus den Rechtsmittelrichtlinien folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes,
s. dazu z.B. EuGH, Beschl.v. 14.02.2019 - C-54/18 - ("Cooperativa Animazione Valdocco"), Rdnr. 28; Urt.v. 24.02.2022 - C-532/20 - ("Alstom Transport SA"),Rdnr. 22; Urt.v. 14.07.2022 - C-274/21 und C-275/21 - ("EPIC Financial Consulting"), Rdnr. 88,
unvereinbar.
Gemäß Art. 1 Abs. 1 UAbs. 4 der Rechtsmittelrichtlinien haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Entscheidungen der Vergabebehörden wirksam nach Maßgabe der Art. 2 bis 2f der Richtlinien auf Vergaberechtsverstöße nachgeprüft werden können. Eine Rügepräklusion kommt daher nach Unionsrecht nur in Betracht, wenn der Antragsteller eines Nachprüfungsantrags zuvor von dem geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen,
s. EuGH, Urt.v. 14.02.2019, a.a.O., Rdnr. 31 ff., 44 f.; Urt.v. 24.02.2022, a.a.O., Rdnr. 32.
An dieser Voraussetzung fehlt es hier jedoch. Entscheidungen wie diejenige des Antragsgegners über die Zulassung zur Angebotsabgabe, die keiner besonderen Mitteilungspflicht unterliegen, müssen ebenfalls innerhalb einer Frist von mindestens zehn Kalendertagen ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der betreffenden Entscheidung bzw. der Mitteilung ihrer einschlägigen Gründe durch Nachprüfungsantrag angegriffen werden können,
s. EuGH, Urt.v. 24.02.2022, a.a.O., Rdnr. 24, 37.
Zudem muss unionsrechtlich jede Entscheidung eines Auftraggebers, die unter die unionsrechtlichen Vorschriften über das öffentliche Auftragswesen fällt und gegen sie verstoßen kann, der in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Rechtsmittelrichtlinien vorgesehenen gerichtlichen Kontrolle unterworfen sein, gerade ohne dass dabei nach dem Zeitpunkt ihres Erlasses unterschieden werden dürfte,
s. EuGH, Urt.v. 05.04.2017 - C-391/15 - ("Marina del Mediterráneo u.a."), Rdnr. 26 ff., ausdrücklich zur Zulassung eines Unternehmens zur Teilnahme an einem Vergabeverfahren; Urt.v. 25.10.2018 - C-260/17 - ("Anodiki Services EPE"), Rdnr. 42; Urt.v. 07.09.2021 - C-927/19 - ("Klaipedos regiono atlieku tvarkymo centras"), Rdnr. 105.
Zwar begründet ein Auftraggeber, der im Teilnahmewettbewerb die Eignung eines Bewerbers bejaht, damit zugunsten dieses Bewerbers einen Vertrauenstatbestand. Grundsätzlich muss der Bewerber nicht damit rechnen, der ihm durch die Erstellung seines Angebots entstandene Aufwand könnte dadurch nachträglich nutzlos werden, dass der Auftraggeber die Eignung des Bewerbers auf gleichbleibender tatsächlicher Grundlage abweichend beurteilt,
s. OLG Naumburg, Beschl.v. 23.12.2014 - 2 Verg 5/14 -, zur VOL/A 2009; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 29.03.2021 - VII-Verg 9/21 -,, zur VgV; Beschl.v. 10.11.2021 - VII-Verg 50/20 -, BA S. 9 f., zur SektVO; vgl.a. BGH, Beschl.v. 07.01.2014 - X ZB 15/13 -, zur VOB/A 2012.
Gegen die daraus in Teilen der Rechtsprechung abgeleitete Annahme, aufgrund des gesetzten Vertrauenstatbestandes müsse auch ein anderer Bieter im Rahmen eines von ihm angestrengten Nachprüfungsverfahrens einen Vergaberechtsverstoß, der in der fehlerhaften Bejahung der Eignung eines konkurrierenden Unternehmens durch den Auftraggeber am Ende des Teilnahmewettbewerbs liegt, grundsätzlich hinnehmen, so OLG Düsseldorf, Beschl.v. 29.03.2021, a.a.O., Rdnr. 47; Beschl.v. 10.11.2021, a.a.O., BA S. 11; OLG Karlsruhe, Beschl.v. 21.05.2021 - 15 Verg 4/21 -,; dem folgend VK Bund, Beschl.v. 06.10.2021 - VK2-45/21 -; Beschl.v. 31.01.2024 - VK1-99/23 -,; im Grundsatz auch OLG Düsseldorf, Beschl.v. 27.04.2022 - VII-Verg 25/21 -; Beschl.v. 27.04.2022 - VII-Verg 47/21 -,; a.A. jedoch OLG München, Beschl.v. 17.09.2015 - Verg 3/15 -, hat die Kammer bereits früher unter Hinweis auf die oben zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erhebliche Bedenken geäußert, wenngleich ohne sich eine abschließende Meinung zu bilden,
s. VK Rheinland, Beschl.v. 28.06.2022 - VK 39/21-L -.
Die Rechtsfrage bedarf auch im Streitfall keiner Entscheidung. Vorliegend steht nicht eine Eignungsanforderung in Rede, deren Erfüllung nach §§ 51, 52 Abs. 1 VgV grundsätzlich bereits im Teilnahmewettbewerb zu prüfen ist, sondern - auch wenn das Kriterium in der Auftragsbekanntmachung unter anderem im Abschnitt III.1.3 "Technische und berufliche Leistungsfähigkeit" aufgeführt ist - eine leistungsbezogene Anforderung, deren Prüfung der Antragsgegner lediglich in den Teilnahmewettbewerb vorverlagert hat. Die Eignungsprüfung ist eine unternehmensbezogene Untersuchung, mit der prognostiziert werden soll, ob ein Unternehmen nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung zur Ausführung des Auftrags in der Lage sein wird. Die Eignung bezieht sich, anders als die Wirtschaftlichkeit, nicht auf Eigenschaften der angebotenen Leistung, sondern auf solche des Anbieters,
s. BGH, Urt.v. 15.04.2008 - X ZR 129/06 -, Rdnr. 12; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 29.04.2015 - VII-Verg 35/14 -; Beschl.v. 21.10.2015 - VII-Verg 28/14 -; Beschl.v. 03.08.2018 - VII-Verg 30/18 -, Rdnr. 51.
Im Rahmen der streitbefangenen Ausschreibung geht es bei der Lage des vom Bewerber bzw. Bieter benannten Grundstücks aber nicht darum, über welche Grundstücke das betreffende Unternehmen überhaupt verfügen kann, sondern allein darum, welches von diesen Grundstücken das Unternehmen bei Ausführung des Auftrags dem Auftraggeber für das Polizeigebäude zur Verfügung stellen will. Die Anforderung an die Lage des angegebenen Grundstücks ist also leistungsbezogen, nicht unternehmensbezogen und dementsprechend der Sache nach kein Eignungskriterium. Die vom Antragsgegner angeführte Bestimmung des § 6a EU Nr. 3 Buchst. h VOB/A ändert daran nichts. Nach dieser Vorschrift kann der Auftraggeber zum Nachweis der beruflichen und technischen Leistungsfähigkeit eine Erklärung verlangen, aus der hervorgeht, über welche Ausstattung, welche Geräte und welche technische Ausrüstung das Unternehmen für die Ausführung des Auftrags verfügt. Damit sind ausschließlich die dem Unternehmen zur Verfügung stehenden bei der Leistungserbringung einzusetzenden Hilfsmittel angesprochen. Vorliegend stellt das zu benennende Grundstück aber kein bloßes Mittel zur Leistungserbringung dar, sondern ist selbst Leistungsgegenstand.
Könnte ein Auftraggeber die Prüfung solcher leistungsbezogenen Ausschlusskriterien nach Gutdünken in den Teilnahmewettbewerb vorverlagern und eine spätere Überprüfung der Einhaltung der Kriterien durch die Vergabe-Nachprüfungsinstanzen im Wege einer Fiktionsklausel wie der hier vorliegenden in den Vergabebedingungen ausschließen, stünde der Primärrechtsschutz insoweit zur Disposition des Auftraggebers. Dass dies mit dem unionsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren ist, liegt auf der Hand, selbst wenn man, wie in Teilen der Rechtsprechung vertreten, bei Eignungskriterien einen Vertrauensschutz zugunsten eines zur Angebotsabgabe aufgeforderten Bieters auch im Nachprüfungsverfahren eingreifen lassen will.
Im Übrigen differenziert im fraglichen Zusammenhang auch die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen zwischen Eignungskriterien und Anforderungen an die zu erbringende Leistung. Während im Verhandlungsverfahren der Auftraggeber (!) bei Eignungskriterien nach Aufforderung zur Angebotsabgabe nur Umstände berücksichtigen darf, die nach diesem Zeitpunkt Zweifel an der Eignung des Bieters begründen (§ 16b EU Abs. 3 VOB/A), sind, worauf die Antragstellerin zu Recht hinweist, Mindestanforderungen an die Leistung nach § 3b EU Abs. 3 Nr. 10 Satz 2 VOB/A bis zur Zuschlagserteilung zu beachten. Die letztgenannte Vorschrift dürfte allerdings davon ausgehen, dass diese Mindestanforderungen - anders als vorliegend - im Teilnahmewettbewerb noch nicht Gegenstand auftraggeberseitiger Prüfung waren, da gemäß § 3b EU Abs. 3 Nr. 1 Satz 3 VOB/A die Bewerber mit dem Teilnahmeantrag (nur) die vom Auftraggeber geforderten Informationen für die Prüfung der Eignung und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen zu übermitteln haben.
Ohne dass es nach dem Vorstehenden noch entscheidungserheblich darauf ankäme, ist der vorliegende Sachverhalt überdies dadurch gekennzeichnet, dass der Antragsgegner die in Abschnitt 4.2.2 der Vergabeunterlagen enthaltene Fiktionsregelung den Bietern erst nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs bekanntgegeben hat, also in Kenntnis der von den Bewerbern im Teilnahmewettbewerb benannten Grundstücke und damit auch in Kenntnis des Umstands, dass die Erfüllung des Lagekriteriums durch die von der Beigeladenen angegebenen Grundstücke zumindest fraglich ist und demgemäß die Zulassung der Beigeladenen zur Angebotsabgabe möglicherweise rechtswidrig. Dem Antragsgegner war demzufolge bei Bekanntgabe der Fiktionsbestimmung klar oder musste jedenfalls klar sein, dass er mit dieser Regelung eine vergaberechtlich bestenfalls fragwürdige Zulassungsentscheidung zugunsten der Beigeladenen einer Überprüfung durch die Vergabe-Nachprüfungsinstanzen entziehen würde. Die Fiktionsregelung hatte daher jedenfalls objektiv einen die Beigeladene begünstigenden und die Antragstellerin diskriminierenden Charakter.
Der Beigeladenen ihrerseits war ausweislich ihrer Mitteilung vom 14.07.2023 ebenfalls klar, dass das von ihr angebotene Grundstück (d.h. das zweite) womöglich die Anforderungen der Ausschreibung nicht erfüllte. Unter diesen Umständen konnte ein schutzwürdiges Vertrauen der Beigeladenen dahingehend, im Falle eines Nachprüfungsverfahrens würden sich die Vergabe-Nachprüfungsinstanzen der Einschätzung des Antragsgegners in jedem Falle anschließen, nicht entstehen. Schon allgemein ist die Schutzwürdigkeit des Vertrauens eines Bewerbers oder Bieters darauf, die Nachprüfungsinstanz werde das Verhalten der Vergabestelle unbeanstandet lassen, mehr als zweifelhaft, da es gerade Zweck des Nachprüfungsverfahrens ist, das Vergabeverfahren auf Vergabeverstöße zu überprüfen und bei deren Vorliegen eine Verletzung von Rechten des Antragstellers gemäß § 168 Abs. 1 GWB zu beseitigen, und die Nachprüfungsinstanz unter diesem Blickwinkel selbstredend an die tatsächliche und rechtliche Beurteilung des Auftraggebers nicht gebunden sein kann. Der Bundesgerichtshof hat denn auch lediglich ein Vertrauen dahingehend für schutzwürdig erklärt, dass nicht der Auftraggeber die Eignung auf gleichbleibender Grundlage abweichend beurteilt,
s. BGH, Beschl.v. 07.01.2014, a.a.O., Rdnr. 33.
Erst recht darf ein Bieter nicht darauf vertrauen, die Nachprüfungsinstanz werde der Beurteilung des Auftraggebers folgen, wenn wie vorliegend dem betroffenen Bieter die rechtliche Problematik der in Rede stehenden Entscheidung der Vergabestelle durchaus bekannt ist. Dass eine Überprüfung von Entscheidungen eines Auftraggebers im Teilnahmewettbewerb im Nachprüfungsverfahren selbst bei Eignungskriterien jedenfalls dann auch noch während der Angebotsphase möglich ist, wenn besondere Umstände die Entstehung eines schutzwürdigen Vertrauens auf Seiten des betroffenen Bieters ausschließen, dürfte im Übrigen allgemeiner Auffassung entsprechen,
s. etwa OLG Düsseldorf, Beschl.v. 27.04.2022, a.a.O., Rdnr. 43; Beschl.v. 27.04.2022, a.a.O., Rdnr. 46.
c) Die vorstehend beschriebenen Vergabeverstöße sind von der Antragstellerin bis zu der entsprechenden Hinweisverfügung der Kammer allerdings nicht beanstandet worden. Die Kammer hat diese Rechtsverstöße jedoch von Amts wegen aufgegriffen.
Zwar führt - ausgehend vom Vorbringen der Verfahrensbeteiligten und der hierdurch veranlassten Durchsicht der Vergabeakte - die Vergabekammer keine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle und keine ungefragte Fehlersuche durch. Erkenntnisse, die sich aus Anlass der Prüfung behaupteter Rechtsverstöße aufdrängen, dürfen - nach rechtlichem Gehör für die Beteiligten - jedoch nicht unberücksichtigt gelassen werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Zugang zur vergaberechtlichen Nachprüfung durch einen zulässigen Nachprüfungsantrag eröffnet ist und der Verstoß, der von Amts wegen aufgegriffen werden soll, schwerwiegend und offenkundig ist,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 12.06.2019 - VII-Verg 54/18 -; Beschl.v. 18.09.2019 - VII-Verg 10/19 -; Beschl.v. 28.09.2022, a.a.O., BA S. 19.
Freilich können Vergabefehler dann nicht von Amts wegen berücksichtigt werden, wenn eine entsprechende Rüge nach § 160 Abs. 3 GWB präkludiert wäre, da die Rügepräklusion andernfalls ihren Sinn verlöre,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 23.06.2010 - VII-Verg 18/10 -; Beschl.v. 08.06.2011 - VII-Verg 49/11 -; Beschl.v. 13.05.2019 - VII-Verg 47/18 -; Beschl.v. 18.09.2019, a.a.O., Rdnr. 38; Beschl.v. 28.09.2022, a.a.O., BA S. 19; Beschl.v. 11.11.2022 - VII-Verg 46/21 -, BA S. 8.
Nach diesen Maßstäben war im vorliegenden Fall ein Aufgreifen der in Rede stehenden Vergabeverstöße verfahrensrechtlich geboten:
Die von Antragstellerin und Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren geführte Diskussion über die bauplanungsrechtlichen Anforderungen an das zu benennende Grundstück hat die Kammer veranlasst, anhand des letztverbindlichen Angebots der Beigeladenen und ihres vorausgegangenen Teilnahmeantrags die Lage des von ihr angebotenen Grundstücks zu ermitteln, um dessen bauplanungsrechtliche Situation einzuschätzen. Dabei ist der Kammer der fragliche Vergabeverstoß unmittelbar aufgefallen, da die von der Beigeladenen eingereichten Pläne und Fotos die Lage der von ihr benannten Grundstücke außerhalb des in Anlage 1 der Vergabeunterlagen gekennzeichneten Auswahlgebiets schon auf den ersten Blick erkennen lassen.
Der Nachprüfungsantrag war - wie oben unter II. dargelegt - schon zu diesem Zeitpunkt mit verschiedenen Beanstandungen auch zulässig. Dass er nicht in vollem Umfang zulässig war, verschlägt im vorliegenden Zusammenhang nichts,
s. BayObLG, Beschl.v. 17.06.2021, a.a.O., Rdnr. 36.
Im Hinblick auf die Ausschlussreife des Angebots der Beigeladenen wegen Nichterfüllung der Lageanforderungen bestand auch keine Rügepräklusion. Weder hat die Antragstellerin den fraglichen Rechtsverstoß im Sinne des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB erkannt, noch hat sie ihn entsprechend § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder 3 GWB aus Auftragsbekanntmachung oder Vergabeunterlagen erkennen können. Teilnahmeantrag und Angebote der Beigeladenen sind der Antragstellerin nicht bekannt. Die Vergaberechtswidrigkeit der oben dargestellten Fiktionsregelung in Abschnitt 4.2.2 der "Vergabeunterlagen - Allgemeiner Teil - Zweite verbindliche Angebote -" war für einen Durchschnittsbieter nicht erkennbar. Etwaige prozessrechtliche Folgen der Fiktionsklausel und deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht in dessen Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof muss sich ein durchschnittlicher Bieter, der mit der Erstellung eines Angebots befasst ist, nicht vergegenwärtigen. Zwar sieht § 3b EU Abs. 3 Nr. 10 Satz 2 VOB/A vor, dass im Verhandlungsverfahren der Auftraggeber sich vor Zuschlagserteilung vergewissert, dass die endgültigen Angebote den Mindestanforderungen entsprechen. Für einen durchschnittlichen Bieter war jedoch schon nicht erkennbar, dass die genannte Bestimmung einschlägig ist. In der Auftragsbekanntmachung war die Anforderung an die Lage des Grundstücks unter anderem im Abschnitt "Technische und berufliche Leistungsfähigkeit" als Eignungskriterium aufgeführt. Dass es sich dabei der Sache nach gar nicht um ein Eignungskriterium handelte, ergibt sich erst aus der Vergaberechtsprechung, die ein Bieter nicht kennen muss. Ein Durchschnittsbieter durfte dementsprechend von einer Anwendbarkeit des § 16b EU Abs. 3 VOB/A ausgehen, wonach beim Verhandlungsverfahren nach Aufforderung zur Angebotsabgabe nur eignungsrelevante Umstände zu berücksichtigen sind, die nach diesem Zeitpunkt Zweifel an der Eignung des Bieters begründen. Überdies wird die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit der Fiktionsregelung durch den oben erwähnten Streit in der Rechtsprechung erschwert, ob bei Eignungskriterien der Vertrauensschutz auch die Überprüfungsmöglichkeiten im Nachprüfungsverfahren beschränkt.
Der Vergabeverstoß ist schließlich auch schwerwiegend, weil das Angebot der Beigeladenen zwingend auszuschließen ist,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 19.08.2020 - VII-Verg 14/20 -, BA S. 13,
und überdies offenkundig, da die Lage des von der Beigeladenen benannten Grundstücks außerhalb des maßgeblichen Auswahlgebiets ins Auge fällt und die Unvereinbarkeit der in den Vergabeunterlagen enthaltenen Fiktionsregelung mit den europäischen Rechtsmittelrichtlinien sich einem Vergaberechtskundigen angesichts der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aufdrängt.
Rechtliches Gehör ist den Verfahrensbeteiligten durch die Verfügung der Kammer vom 21.08.2024 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 10.09.2024 gewährt worden.
3. Gemäß § 168 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Verletzung des Antragstellers in seinen Rechten zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Die Vergabekammer ist an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Auf dieser Grundlage erscheinen der Kammer die in der Hauptsache tenorierten Anordnungen geboten.
Von einer Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor der Prüfung der eingereichten Teilnahmeanträge hat die Kammer abgesehen. Zwar war wie dargelegt bereits die Zulassung der Beigeladenen zur Angebotsabgabe vergaberechtswidrig. Die Rechte der Antragstellerin werden jedoch durch eine Wiederholung der Angebotswertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer hinreichend gewahrt.
IV.
Die von der Antragstellerin beantragte Akteneinsicht war über die ihr von der Kammer zur Verfügung gestellte, um Geschäftsgeheimnisse anderer Bieter bereinigte Wertungsdokumentation hinaus nicht zu gewähren.
Eine Akteneinsicht kommt von vornherein nur in solche Unterlagen in Betracht, die im Nachprüfungsverfahren entscheidungserheblich sind,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 29.06.2017, a.a.O., Rdnr. 38; Beschl.v. 25.09.2017, a.a.O., Rdnr. 8; Beschl.v. 17.04.2019 - VII-Verg 36/18 -,; Beschl.v. 09.01.2020, a.a.O., Rdnr. 25; Beschl.v. 19.02.2020 - VII-Verg 2/19 -; Beschl.v. 29.03.2021 - VII-Verg 9/21 -; Beschl.v. 22.12.2021 - VII-Verg 16/21 -; Beschl.v. 26.10.2022 - VII-Verg 18/22 -; Beschl.v. 14.12.2022, a.a.O., Rdnr. 81.
Ein Akteneinsichtsanspruch besteht auch dann nicht, wenn ein Bieter aufs Geratewohl mögliche Vergabeverstöße in der Hoffnung rügt, mithilfe von Akteneinsicht zusätzliche Informationen zu erhalten, da derartiger Vortrag ins Blaue hinein im Vergabe-Nachprüfungsverfahren unzulässig und daher unbeachtlich ist,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 29.06.2017, a.a.O., Rdnr. 43; Beschl.v. 25.09.2017, a.a.O., Rdnr. 9; Beschl.v. 09.01.2020, a.a.O., Rdnr. 26; Beschl.v. 12.08.2021 - VII-Verg 27/21 -; Beschl.v. 28.09.2022, a.a.O., BA S. 21; Beschl.v. 26.10.2022, a.a.O., Rdnr. 106; Beschl.v. 16.11.2022, a.a.O., BA S. 23 f.; Beschl.v. 14.12.2022, a.a.O., Rdnr. 81; Beschl.v. 25.10.2023, a.a.O., BA S. 20.
Im Übrigen ist gemäß § 165 Abs. 2 GWB die Einsicht in Unterlagen zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, geboten ist. Danach ist eine Einsichtnahme in konkurrierende Teilnahmeanträge oder Angebote in der Regel ausgeschlossen,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 29.12.2001 - Verg 22/01 -; Beschl.v. 22.12.2021, a.a.O., Rdnr. 77.
Gleiches gilt für Unterlagen, die Schlüsse auf den Inhalt solcher Teilnahmeanträge und Angebote erlauben,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 29.06.2017, a.a.O., Rdnr. 50; Beschl.v. 27.04.2022 - VII-Verg 25/21 -; Beschl.v. 26.10.2022, a.a.O.
Die nach diesen Maßstäben vom Akteneinsichtsrecht umfassten Unterlagen liegen der Antragstellerin vor.
Ein gesonderter Beschluss über die (teilweise) Versagung der Akteneinsicht war nicht erforderlich,
s. BGH, Beschl.v. 31.01.2017 - X ZB 10/16 -,Rdnr. 67.
V.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 182 GWB.
1. Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens sind vom Antragsgegner zu tragen.
a) Die Kostentragungspflicht des Antragsgegners ergibt sich aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB, da er in vollem Umfang unterlegen ist. Ob und inwieweit ein Verfahrensbeteiligter im kostenrechtlichen Sinne unterliegt, richtet sich in erster Linie nach dem wirtschaftlichen Begehren des Antragstellers, nicht dagegen nach dem Erfolg oder Misserfolg einzelner von diesem erhobener Rügen,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 03.08.2011 - VII-Verg 16/11 -
Die Antragstellerin hat ihr Verfahrensziel, eine Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen zu verhindern und eine Neubewertung der Angebote zu erwirken, uneingeschränkt erreicht. Es ist daher kostenrechtlich ohne Bedeutung, dass der Nachprüfungsantrag in Bezug auf einige Beanstandungen, wie oben in Abschnitt II dieses Beschlusses dargelegt, unzulässig war.
Der Antragsgegner genießt zwar Gebührenfreiheit nach § 8 VwKostG (in der am 14.08.2013 geltenden Fassung, die gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB weiterhin Anwendung findet). Seine Haftung für etwaige Auslagen der Kammer bleibt davon jedoch unberührt (§ 10 Abs. 2 VwKostG).
b) Die Beigeladene auf Seiten des Antragsgegners an der Kostentragung zu beteiligen entspricht nicht billigem Ermessen im Sinne des § 182 Abs. 3 Satz 5 GWB. Bei Obsiegen eines Antragstellers entspricht es der Billigkeit, einen Beigeladenen mit den Kosten der Vergabekammer zu belasten, wenn er sich aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt und ein Interessengegensatz zum Antragsteller besteht,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 10.05.2012 - VII-Verg 5/12 -.
Eine aktive Beteiligung am Nachprüfungsverfahren liegt vor, wenn sich der Beigeladene - sei es schriftsätzlich oder in der mündlichen Verhandlung - zu den streitigen Rechtsfragen geäußert und die Zulässigkeit und Begründetheit des Nachprüfungsantrags verneint hat,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 10.05.2012, a.a.O.,
Im vorliegenden Verfahren hat die Beigeladene sich inhaltlich weder schriftsätzlich noch mündlich eingelassen.
2. Die Pflicht des Antragsgegners zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin folgt aus § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.
3. Die Hinzuziehung von Bevollmächtigten durch die Antragstellerin war angesichts der sachlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Falles notwendig.
VI.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf - Vergabesenat - einzulegen.
Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Die Beschwerde ist bei Gericht als elektronisches Dokument einzureichen. Dieses muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Dies gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind. Ist die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig.
Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.
Nachprüfungsverfahren ist kein Bauprozess!
Nachprüfungsverfahren ist kein Bauprozess!
Melden Sie sich jetzt an unter www.vpr-online.de, um sämtliche Entscheidungen im Volltext lesen zu können.
vpr-online ist DIE Datenbank für öffentliche Auftraggeber und Bieter sowie für alle Berater auf den Gebieten des Vergaberechts.
Mit vpr-online haben Sie außerdem jederzeit und überall Zugriff auf über 5.800 VPR-Beiträge nach dem 1-Seiten-Prinzip, über 12.022 Entscheidungen im Volltext, Arbeitshilfen, Materialien und vieles mehr.
VK Rheinland
Beschluss
vom 29.04.2024
VK 40/23
1. Als Rechtsgrundlage für einen Angebotsausschluss wegen früherer Schlechtleistungen kommen nur § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB, § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A 2019 in Betracht.*)
2. Im Vergabe-Nachprüfungsverfahren ist keine förmliche Beweisaufnahme über solche Schlechtleistungen angebracht, schon weil der Auftraggeber zu einer solchen weder tatsächlich noch rechtlich in der Lage und dementsprechend nicht verpflichtet ist und die Nachprüfungsinstanz lediglich zur Überprüfung des Vergabeverfahrens auf Vergabeverstöße berufen ist. Maßgeblich ist vielmehr allein, was eine verständige Vergabestelle den Akten entnehmen kann oder ihr sonst bekannt sein muss.*)
3. Im Rahmen seiner Ermessensausübung nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB hat der Auftraggeber das betreffende Unternehmen anzuhören und eine Vertragserfüllungsprognose anzustellen.*)
4. Eine vollständig unterbliebene Ermessensbetätigung kann im Rügeverfahren nachgeholt werden. Danach etwa verbliebene Ermessensfehler sind im Nachprüfungsverfahren heilbar.*)
5. Bei einer Heilung von Ermessensfehlern erst im Nachprüfungsverfahren fallen die Verfahrenskosten und die notwendigen Aufwendungen der Beteiligten grundsätzlich dem Auftraggeber zur Last.*)
Tenor:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
4. Die Gebühr für die Tätigkeit der Vergabekammer wird auf ... Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner schrieb mit am 04.09.2023 abgesendeter Bekanntmachung Innenputzarbeiten im offenen Verfahren EU-weit aus.
Innerhalb der hierfür gesetzten Frist gingen mehrere Angebote ein, darunter eines der Antragstellerin.
Unter dem 24.11.2023 informierte der Antragsgegner die Antragstellerin, es sei beabsichtigt, den Zuschlag am 05.12.2023 auf das Angebot einer anderen Bieterin zu erteilen. Das Angebot der Antragstellerin könne nicht berücksichtigt werden, da das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, Schadensersatz oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt habe.
Mit Anwaltsschreiben vom 29.11.2023 rügte die Antragstellerin ihren Ausschluss aus dem Verfahren. Ihr sei - erst auf Nachfrage - mitgeteilt worden, um welchen früheren Auftrag (eine Revitalisierungsmaßnahme) es sich handele. Bei diesem Bauvorhaben sei sie jedoch noch tätig. Angezeigte Mängel würden bearbeitet. Eine Auftragskündigung liege nicht vor. Es mangele daher bereits an den tatsächlichen Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB. Zudem sei sie vor dem Ausschluss vergaberechtswidrig nicht angehört worden. Auch fehle jeder Vortrag zu der gebotenen Prognoseentscheidung, ob von dem Bieter unter Berücksichtigung der festgestellten früheren Schlechtleistung zu erwarten ist, dass er den nunmehr zu vergebenden Auftrag nicht gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführen werde.
Am 01.12.2023 erwiderte der Antragsgegner, auf das Angebot eines fachlich nicht geeigneten Bieters dürfe der Zuschlag nicht erteilt werden. Er habe einen früheren der Antragstellerin erteilten Auftrag für einen Ersatzneubau nach mehreren Mängelrügen und teilweise erfolglosen Nachfristsetzungen unter dem 13.10.2023 fristlos gekündigt. Ein anderer Auftrag betreffend eine Revitalisierung sei nach mehrfachen Inverzugsetzungen ebenfalls im Jahr 2023 teilweise gekündigt worden; die Weiterführung des Auftrags im Übrigen beruhe allein auf dem Ausbleiben eines akzeptablen Angebots für eine Ersatzvornahme. Einen dritten Auftrag für eine Grundinstandsetzung habe er, der Antragsgegner, nach mehrfachen Abmahnungen wegen unzureichender Förderung der Baumaßnahme unter dem 03.05.2023 gekündigt. Eine Anhörung der Antragstellerin vor dem Ausschluss sei nicht erforderlich gewesen, da eine solche lediglich bezwecke, die Sichtweise des Bieters bei der Prognoseentscheidung des Auftraggebers, ob der Bieter auch zukünftig mangelhaft leisten werde, zu berücksichtigen. Da die genannten Auftragskündigungen alle aus dem laufenden Jahr datierten, hätte eine Anhörung nur das Ergebnis haben können, dass die Antragstellerin derzeit unzuverlässig handele und demzufolge gemäß § 16b EU VOB/A wegen mangelnder Leistungsfähigkeit als nicht geeignet eingestuft werden könne. Die fortwährende Schlechterfüllung vertraglicher Hauptpflichten der drei angeführten Aufträge und die Häufigkeit der erforderlichen Mängelrügen mit Nachfristsetzungen erfülle zudem den Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB. Mit Blick auf die erst kürzlich bei mehreren Baumaßnahmen gemachten Erfahrungen mit der Antragstellerin bestünden berechtigte Zweifel daran, dass eine ordnungsgemäße, gesetzestreue und sorgfältige Ausführung des öffentlichen Auftrags zu erwarten sei.
Am 04.12.2023 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag gestellt mit dem hauptsächlichen Begehren, ihren Ausschluss aufzuheben und den Antragsgegner anzuweisen, ihr Angebot wieder in die Wertung einzubeziehen. Es sei keinesfalls zu besorgen, dass sie wesentliche Anforderungen bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt habe und dies zu einer vorzeitigen Beendigung geführt hätte. Der Ersatzneubau sei aufgrund verzögerter Lieferung der Fenster um ein Jahr in Verzug gewesen. Sie habe die Arbeiten weitgehend erledigt und angezeigte Mängel, deren Anzahl nicht das übliche Maß überschritten habe, abgearbeitet. Sie habe dann wunschgemäß ein nachträgliches Angebot für das Verputzen der Fensterlaibungen erstellt, was allerdings aufgrund erheblicher Preissteigerungen nicht zum ursprünglichen Preis möglich gewesen sei. Der Antragsgegner habe das Angebot jedoch nicht bearbeitet, sondern das Auftragsverhältnis gekündigt, wogegen sie Widerspruch eingelegt habe. Bei dem Revitalisierungsvorhaben arbeite sie aufgrund nach wie vor bestehenden Auftragsverhältnisses weiter. Dies liege nicht etwa am Fehlen eines akzeptablen Angebots für eine Ersatzvornahme. Vielmehr sei es auch hier zu Verzögerungen gekommen, da der Antragsgegner Bereiche für das Verputzen nicht freigegeben habe. Sie habe mehrere Behinderungsanzeigen und Bedenkenanmeldungen getätigt und ihre Bereitschaft zur sofortigen Arbeitsaufnahme erklärt, sobald die vertragsgemäßen Zustände hergestellt würden. Zudem sei der Antragsgegner dort mit einer Abschlagsrechnung in Zahlungsverzug. Auch bei dem Bauvorhaben zur Grundinstandsetzung habe sich der Antragsgegner ihr gegenüber mit Zahlungen in Verzug befunden, weshalb die Abmahnungen wegen angeblich unzureichender Förderung der Baumaßnahme ins Leere gegangen seien, da sie die Arbeiten mangels Zahlung habe verweigern können. Der Zahlungsrückstand werde dadurch belegt, dass der Antragsgegner nach erfolgter Kündigung noch rund 250.000 Euro an die Antragstellerin gezahlt habe. Da mithin ein angeblich vertragswidriges Verhalten ihrerseits keinesfalls so deutlich sei wie vom Antragsgegner behauptet, sei ihre Anhörung vor dem Ausschluss erforderlich gewesen.
Der Antragsgegner beantragt in der Hauptsache, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen. Der Antrag sei unbegründet, der Ausschluss der Antragstellerin rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB lägen vor. Insoweit reiche es aus, wenn der Auftraggeber Tatsachen und/oder Indizien vorträgt, die aus einer seriösen Erkenntnisquelle stammen und den Ausschluss nachvollziehbar erscheinen lassen. Es sei dem Auftraggeber nicht zuzumuten, mit der Ausschreibung bis zum Abschluss eines erfahrungsgemäß zeitintensiven Zivilverfahrens über die Rechtmäßigkeit der Vertragsbeendigung abzuwarten. Im Nachprüfungsverfahren müsse die Berechtigung der vorzeitigen Vertragsbeendigung nicht geklärt werden. Vielmehr habe die Vergabestelle eine eigene Entscheidungskompetenz, die Rechtmäßigkeit einer Kündigung festzustellen. Hierfür müssten Indizien und Tatsachen von einigem Gewicht, also konkrete und objektivierbare Anhaltspunkte für Verfehlungen sowie ein Kündigungsgrund vorliegen.
In tatsächlicher Hinsicht sei es unzutreffend, dass die Antragstellerin gegen die Kündigung betreffend den Ersatzneubau Widerspruch eingelegt habe. Die Antragstellerin sei bei diesem Auftrag für erforderliche Absprachen nicht erreichbar gewesen und habe auch an den regelmäßigen Baubesprechungen nicht teilgenommen. Mit ihrer vertraglichen Leistung, die bis zum 13.06.2022 habe fertiggestellt sein müssen, sei sie aufgrund einer Unterbesetzung auf der Baustelle in Verzug geraten. Da dies für ihn, den Antragsgegner, bereits frühzeitig erkennbar gewesen sei, habe er die Antragstellerin bereits mit E-Mails vom 19.-24.05.2022 aufgefordert, ihre Manpower vor Ort zu erhöhen. Dem sei die Antragstellerin nicht nachgekommen, sodass sie unter dem 02.06.2022 eine entsprechende Terminrüge verbunden mit der erneuten Aufforderung zur Abhilfe erhalten habe. Als sie darauf nicht reagiert habe und zum Termin vom 13.06.2022 nicht fertig geworden sei, habe sie mit Schreiben vom 14.06.2022 in Verzug gesetzt und aufgefordert werden müssen, ihre Leistung binnen einer Nachfrist bis zum 01.07.2022 zu erbringen. Die von ihr letztlich erbrachte Leistung sei äußerst mangelhaft gewesen. Trotz einer Vielzahl von Aufforderungen zur Mangelbeseitigung sei eine solche nicht erfolgt. So sei die Antragstellerin mit E-Mail vom 04.08.2022 aufgefordert worden, Rissbildungen im von ihr aufgebrachten Innenputz bis zum 26.08.2022 beizukommen. Nach ergebnislosem Verstreichen der Frist sei ihr unter dem 30.08.2022 eine Nachfrist bis zum 09.09.2022 gesetzt worden. Da auch diese Frist nicht eingehalten worden sei, sei der Antragstellerin unter Androhung der Kündigung des Auftrags eine zweite Nachfrist bis zum 05.10.2022 eingeräumt worden, jedoch ebenfalls vergeblich. Im weiteren Bauablauf habe die Antragstellerin unsaubere Dehnungsfugen und mit Putz verunreinigte Sichtbetonwände, Decken, Tür- und Fensterlaibungen hinterlassen; es habe sich eine Vielzahl von Rissen im Innenputz gebildet, der gebröckelt oder an einer Vielzahl von Stellen bereits abgeplatzt sei. Mit Schreiben vom 20.07.2023 sei der Antragstellerin unter Beifügung einer aktuellen Mängelliste eine Frist zur Mangelbehebung bis zum 04.08.2023 gesetzt worden, die ergebnislos verstrichen sei. Unter dem 18.08.2023 sei der Antragstellerin daher eine Nachfrist bis zum 01.09.2023 gesetzt und die Kündigung des Auftrags angedroht worden. Sodann sei wegen Fristversäumnisses unter dem 13.10.2023 eine Kündigung gemäß §§ 8 Abs. 3, 5 Abs. 3 VOB/B ausgesprochen worden. Der Einwand der Antragstellerin, die Mängel hätten die "übliche Anzahl an Mängel auf einer Baustelle" nicht überschritten, sei nicht nachvollziehbar; gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 VOB/B seien mangelhafte Leistungen unabhängig von ihrer Anzahl durch mangelfreie zu ersetzen. Die von der Antragstellerin gestellten Nachträge seien nicht wegen der angesetzten Preise abgelehnt worden. Vielmehr sei entweder die Antragstellerin nicht in der Lage gewesen, die Preiserhöhung nachvollziehbar und nachweisbar darzulegen - etwa unter Vorlage einer Kalkulationsgrundlage -, oder die entsprechende Leistung sei bereits im ursprünglichen Leistungsverzeichnis enthalten gewesen. Die Nachträge seien daher für ihn, den Antragsgegner, nicht prüfbar gewesen und deshalb zurückgewiesen worden. Durch die permanente Unterbesetzung der Baustelle sowie die mehrfache mangelhafte Erfüllung habe die Antragstellerin wiederholt gegen ihre vertraglichen Pflichten zur angemessenen Förderung der Baustelle sowie zur mangelfreien Erstellung des beauftragten Gewerks verstoßen. Die Verfehlungen der Antragstellerin seien erheblich und folgenreich gewesen; es sei zu erheblichen Verzögerungen anderer Gewerke gekommen.
Der die Revitalisierungsmaßnahme betreffende Auftrag habe laut Vertrag zwischen dem 09.01.2023 und dem 18.09.2023 ausgeführt werden sollen. Die einzelnen Bauabschnitte hätten nach Geschossflächen/Stufen abgerufen werden sollen. Der erste Abruf sei unter dem 06.02.2023 zum 27.02.2023 erfolgt. Zugleich sei die Antragstellerin gebeten worden, Produktdatenblätter zwecks Prüfung und Freigabe bis zum 23.02.2023 ihm, dem Antragsgegner, zu übergeben. Die Antragstellerin habe weder die Datenblätter termingerecht vollständig vorgelegt noch am 27.02.2023 ihre Arbeit auf der Baustelle aufgenommen. Unter dem 06.03.2023 sei die Antragstellerin auf ihr Versäumnis hingewiesen und hinsichtlich der Leistungsaufnahme in Verzug gesetzt sowie aufgefordert worden, ihrer Vertragspflicht bis zum 13.03.2023 nachzukommen. Die Antragstellerin habe mit einer Behinderungsanzeige und dem Hinweis auf eine vermeintlich verspätete Freigabe der Produkte durch ihn, den Antragsgegner, reagiert. Die Vorwürfe seien jedoch ins Leere gegangen. Die Antragstellerin habe die ihr gesetzte Nachfrist fruchtlos verstreichen lassen und sei mit Schreiben vom 21.03.2023 unter Androhung einer Vertragskündigung unter nochmaliger Nachfristsetzung bis zum 27.03.2023 erneut zur Aufnahme ihrer Tätigkeit aufgefordert worden. Hiernach sei die Antragstellerin zwar auf der Baustelle erschienen, allerdings in unzureichender Personalbesetzung, sodass sie die eingetretene Verzögerung nicht habe aufholen können und demzufolge erneut unter dem 28.03.2023 abgemahnt und zur Aufstockung ihrer Kapazitäten auf der Baustelle bis zum 04.04.2023 aufgefordert worden sei. Nach ergebnislosem Verstreichen der Frist habe er, der Antragsgegner, am 11.04.2023 von seinem Recht zur Teilkündigung Gebrauch gemacht und der Antragstellerin den Auftrag hinsichtlich der abgerufenen und massiv verzögerten Bauabschnitte aus wichtigem Grund entzogen. Die Verfehlungen der Antragstellerin hätten zu erheblichen Verzögerungen anderer Gewerke sowie der Gesamtfertigstellung des Objekts zu führen gedroht. Dieser Teilkündigung sei die Antragstellerin entgegengetreten; sie habe versucht, ihren Verzug mit vermeintlich fehlenden Vorarbeiten zu rechtfertigen. Dem habe er, der Antragsgegner, mit Schreiben vom 14.04.2023 entschieden widersprochen und an der außerordentlichen Teilkündigung festgehalten. Die gekündigten Leistungen seien auch nicht von der Antragstellerin ausgeführt worden, sondern von einem Ersatzauftragnehmer. Die Antragstellerin habe jedoch weiterhin auf der Baustelle nur mit unzureichenden Kapazitäten agiert und sei fortwährend in Leistungsverzug geraten. Hierbei habe sie sogar Termine nicht eingehalten, die sie ihm, dem Antragsgegner, selbst genannt habe. Er habe sie daher unter dem 30.03.2023 und dem 17.05.2023 abermals zur hinreichenden Förderung der Baustelle aufgefordert. Mit Schreiben vom 28.06.2023 sei der Antragstellerin sodann unter Androhung einer weiteren Entziehung des Auftrags eine Frist zur Gesamtfertigstellung des Gewerks bis zum 12.10.2023 gesetzt worden. Mit E-Mail vom 03.07.2023 habe die Antragstellerin eigene Fertigstellungstermine mitgeteilt und dabei für das Untergeschoss den 27.10.2023 angegeben. Aber auch diesen Termin habe sie nicht eingehalten, sodass sie unter dem 03.11.2023 aufgefordert worden sei, ihre Kapazitäten auf der Baustelle bis zum 07.11.2023 aufzustocken und die Arbeiten im Untergeschoss bis zum 16.11.2023 fertigzustellen. Nach ergebnislosem Verstreichen dieser Frist sei eine weitere Teilkündigung für das Untergeschoss vorbereitet worden, von deren Ausspruch jedoch wieder Abstand genommen worden sei, da das eingeholte Angebot für die Ersatzvornahme kostenmäßig durch das eingeplante Budget nicht zu leisten gewesen sei. Im Übrigen habe die Antragstellerin bei dieser Baumaßnahme wiederholt mit unlauteren Mitteln gearbeitet. So habe sie zur Vermeidung von Inverzugsetzungen Behinderungsanzeigen aufgesetzt, zu deren Überprüfung er, der Antragsgegner, kostenpflichtig einen Sachverständigen hinzugezogen habe. Erst nach Vorlage von dessen - die von der Antragstellerin angeführten Behinderungsgründe ausräumender - Stellungnahme habe diese ihre Arbeit auf der Baustelle wieder aufgenommen. Sodann habe sie im Untergeschoss statt des vertraglich vereinbarten Kalk-Zement-Putzes ohne vorherige Rücksprache mit ihm, dem Antragsgegner, Gipsputz aufgebracht, der für diesen Ausführungsort ungeeignet sei. Auf entsprechenden Vorhalt habe sie eingewandt, den Kalk-Zement-Putz erst bestellen zu müssen, jedoch zugesichert, dies direkt zu erledigen. Erst zwei Wochen später habe sie das entsprechende Produktdatenblatt mit der Bitte um Freigabe an ihn, den Antragsgegner, übermittelt; ohne diese Freigabe sei aber eine verbindliche Bestellung gar nicht möglich gewesen. Ferner habe ein Sachverständiger die Mangelhaftigkeit verschiedener von der Antragstellerin ausgeführter Arbeiten festgestellt, was der Antragsgegner unter Vorlage des Sachverständigengutachtens näher darlegt.
Auch im Rahmen des Auftrags für eine Grundinstandsetzung sei die Antragstellerin permanent unterbesetzt gewesen und fortwährend mit der ihrerseits zu erbringenden Leistung in Verzug geraten. So sei sie mit Schreiben vom 24.01.2022, 09.05.2022, 18.05.2022, 01.02.2023 und 13.04.2023 aufgefordert worden, mehr Personal, Material und/oder Geräte vorzuhalten, um bereits eingetretene Zeitverzüge aufzuholen und die Einhaltung weiterer Ausführungsfristen nicht zu gefährden. Mit Schreiben vom 18.04.2023 sei die erheblich verzögerte Leistungserbringung der Antragstellerin angemahnt und ihr unter Androhung der Auftragsentziehung eine Nachfrist bis zum 25.04.2023 gesetzt worden. Nachdem diese fruchtlos verstrichen sei, sei der Antragstellerin das Auftragsverhältnis unter dem 03.05.2023 aus wichtigem Grund gekündigt worden. Auch hier hätten die Verfehlungen der Antragstellerin zu erheblichen Verzögerungen anderer Gewerke sowie der Gesamtfertigstellung des Objekts zu führen gedroht. Ein Zurückbehaltungsrecht wegen Zahlungsverzugs habe die Antragstellerin seinerzeit nicht durch entsprechende Gestaltungserklärung geltend gemacht. Mangels Zahlungsverzugs hätten die Voraussetzungen des § 16 Abs. 5 VOB/B für eine berechtigte Leistungseinstellung auch nicht vorgelegen. Die Antragstellerin habe zwar unter dem 24.02.2023 erbrachte Leistungen in Rechnung gestellt. Diese Rechnung habe er, der Antragsgegner, jedoch am 01.03.2023 aus sachlichen Gründen zurückgewiesen. Anschließend habe die Antragstellerin die korrigierte Rechnung nicht, wie vertraglich vereinbart und für eine hausinterne Zahlungsfreigabe erforderlich, an die zentrale Rechnungsstelle des Auftraggebers geschickt, sondern lediglich an die den Bau betreuende Fachabteilung, der dieser Umstand jedoch zunächst nicht bekannt gewesen sei. Als sie hiervon erfahren habe, habe sie die Rechnung an die Rechnungsstelle weitergeleitet, sodass sie unter dem 05.04.2023 in das Zahlungsverkehrssystem eingespeist und am 17.04.2023 ausgeglichen worden sei. Die unter dem 13.04.2023 von der Antragstellerin ausgesprochene Kündigung sei nicht begründet gewesen. Bei dem nach der Auftragskündigung an die Antragstellerin gezahlten Betrag von 250.000 Euro habe es sich um den Ausgleich von deren Schlussrechnung vom 21.06.2023 gehandelt, mit der die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen endabgerechnet worden seien.
Bei umfassender rechtlicher Würdigung der dargestellten Sachverhalte sei zu erkennen, dass die Antragstellerin offenbar aktuell in Ermangelung ausreichender Personalstärke nicht in der Lage sei, die ihr übertragenen Aufträge vertragsgemäß auszuführen. Daher habe sie wegen mangelnder Eignung gemäß § 16b EU VOB/A zwingend ausgeschlossen werden müssen. Zudem sei allein schon im Hinblick auf den den Ersatzneubau betreffenden Auftrag der Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB erfüllt. Insoweit stehe dem Auftraggeber bei der Einordnung des Sachverhalts in Bezug auf unbestimmte Rechtsbegriffe ein nicht einschränkbarer Beurteilungsspielraum und auf der Rechtsfolgenseite ein von den Nachprüfungsinstanzen nur auf Ermessensfehler prüfbarer Ermessenspielraum zu. Mit Blick auf die erst kürzlich bei mehreren Baumaßnahmen gemachten Erfahrungen mit der Antragstellerin bestünden berechtigte Zweifel daran, dass eine ordnungsgemäße, gesetzestreue und sorgfältige Ausführung des öffentlichen Auftrags zu erwarten sei. Auch ein Ermessensfehler sei hier nicht gegeben. Eine Anhörung der Antragstellerin vor ihrem Ausschluss sei nicht erforderlich gewesen, da eine solche zu keinem anderen Ergebnis der Beurteilung ihrer Eignung geführt hätte. Denn er, der Antragsgegner, habe aufgrund eigener in jüngster Zeit gemachter Erfahrungen mit der Antragstellerin - alle Kündigungen datierten aus dem Jahr 2023 - die Überzeugung gewinnen können, dass diese mangels Leistungsfähigkeit und wegen Unzuverlässigkeit im Sinne des § 16b EU VOB/A ungeeignet sei und deshalb habe ausgeschlossen werden müssen.
Hierauf entgegnet die Antragstellerin, bezogen auf den Ersatzneubau sei der Vorwurf einer nicht vernünftigen Kommunikation unbegründet. Der dort tätige Generalplaner habe bislang auf jeder Baustelle provokativ und einseitig zugunsten des Auftraggebers agiert und sie, die Antragstellerin, mit unberechtigten Anwürfen konfrontiert; er habe Termine zur Aufmaßnahme platzen lassen, unberechtigte Kündigungen ausgesprochen und jede von ihr vorgebrachte Einwendung abgelehnt. Natürlich habe sie an den Baubesprechungen teilgenommen. Zudem sei bei wichtigen Punkten die Kommunikation über ihren Geschäftsführer gewährleistet gewesen. Die fragliche Baustelle sei ihrerseits nicht unterbesetzt gewesen. Gemäß den besonderen Vertragsbedingungen sei die Ausführungsfrist für die Zeit vom 21.04.2022 bis zum 13.06.2022 vereinbart gewesen. Aufgrund der Situation auf der Baustelle habe sie jedoch ausweislich einer E-Mail des Generalplaners vom 02.05.2022 erst am 04.05.2022 mit den Arbeiten beginnen können. Am 07.06.2022 habe der Generalplaner beanstandet, dass sie entgegen der Planung alle MW-Wände mit dem gleichen Material vorbehandele und verputze. Noch am selben Tage habe sie erwidert, sie führe ihre Leistungen so aus wie im Bietergespräch vereinbart und im Ausführungsplan vorgegeben, und für den Fall von Änderungswünschen um Übermittlung entsprechender Ausführungspläne gebeten. Der Generalplaner habe entgegnet, Betonwände und KS-Mauerwerkswände seien mit Kalkzementputz und Mauerwerkswände aus Porenbeton mit Kalkzementleichtputz zu verputzen. Mit E-Mail vom 08.06.2022 habe sie darauf hingewiesen, nach Aussage eines anderen Mitarbeiters des Generalplaners habe alles mit nur einer Putzsorte (Kalkzementputz) verputzt werden sollen, und mitgeteilt, sie werde ihre Leistungen nicht mehr weiterführen, bis ihr eine vernünftige Ausführungsplanung vorliege; sie habe nicht Gefahr laufen wollen, falsche Materialien zu verwenden. Gleichwohl seien die Arbeiten im Juli 2022 fertiggestellt gewesen. Die Baustelle sei nicht unterbesetzt gewesen. Es sei auch deshalb zu Verzögerungen kommen, weil der Putzuntergrund an einigen Stellen derart uneben gewesen sei, dass der Putz habe zweilagig aufgetragen werden müssen; die zweite Lage könne erst nach einer gewissen Trockenzeit aufgetragen werden. Ein weiterer Konfliktpunkt sei gewesen, dass der Fensterbauer die Fenster nicht fristgemäß und damit vor Abschluss ihrer eigenen Arbeiten eingebaut habe, sodass ihr ein Verputzen der Tür- und Fensterlaibungen in einem Zug nicht möglich gewesen sei. Aufgrund des dadurch bedingten Mehraufwandes habe sie unter dem 16.03.2023 einen Nachtrag geltend gemacht, der entgegen der Darstellung des Antragsgegners nachvollziehbar gewesen sei, den der Antragsgegner jedoch vertragswidrig nicht genehmigt habe. Die Vertragskündigung sei erst zum 13.10.2023 erfolgt, also mehr als ein Jahr nach dem offiziellen Fertigstellungstermin, sodass zu diesem Zeitpunkt ein etwaiges Kündigungsrecht bereits verwirkt, jedenfalls eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses dem Antragsgegner nicht unzumutbar gewesen sei. Die vom Antragsgegner behaupteten diversen Mängel seien entweder keine oder zumindest keine wesentlichen. Zum Teil seien die Monierungen auch abgearbeitet worden; so seien beispielsweise die Dehnungsfugen ausgekratzt worden. Die Rissbildungen im Innenputz seien völlig normale Setzrisse und kein Mangel. Soweit an einigen kleinen Stellen Putz abgebröckelt oder abgeplatzt sei, seien dort andere Gewerke angestoßen. Das Nachprüfungsverfahren sei aber nicht der Ort, sich mit den 50 Seiten angeblicher Mängel auseinanderzusetzen. Die Gründe des vom Antragsgegner angeführten § 5 Abs. 3 VOB/B seien nicht Gegenstand der Kündigung gewesen; die Berufung des Antragsgegners auf eine permanente Unterbesetzung der Baustelle sei nachgeschoben und konstruiert.
Auch hinsichtlich des Revitalisierungsvorhabens seien die Baustelle nicht unterbesetzt, die Leistungen der Antragstellerin nicht mangelhaft und die Teilkündigung unberechtigt gewesen. Die Produktdatenblätter seien vollständig vorgelegt worden; andernfalls hätte mit den Arbeiten gar nicht begonnen werden können. Die Vorarbeiten auf der Baustelle seien aber nicht so gewesen, dass die Antragstellerin ihre Arbeiten vernünftig habe beginnen können, sodass sie mit guten Gründen davon zunächst abgesehen habe. Entsprechend der Behinderungsanzeige vom 06.03.2023 sei bei den zu verputzenden Decken die Betonsanierung nur zur Hälfte erbracht worden. Es seien Brandlasten sowie bauseitig zu schließende Fehlstellen vorhanden gewesen. Der Antragsgegner habe die Behinderung unter dem 07.03.2023 auch eingeräumt. Am 27.03.2023 habe sich immer noch Holz in den zu verputzenden Wänden befunden. Unter dem 28.03.2023 sei dies beanstandet sowie unter Vorlage entsprechender Fotos eine weitere Behinderung angezeigt worden, wonach die Untergründe der Unterzüge, die laut Ausschreibung aus Beton mit glatter Oberfläche bestehen sollten, an der Außenfassade noch Reste von Sauerkrautplatten aufwiesen. Auf entsprechenden Hinweis vom 06.02.2023 sei der Antragstellerin von der örtlichen Objektüberwachung mitgeteilt worden, dass die Abbruchfirma beauftragt sei, die Reste vollständig abzufräsen. Zwei Wochen später sei dieser Punkt jedoch noch nicht erledigt gewesen. Mit Schreiben vom 30.03.2023 habe der Antragsgegner die Behinderungsanzeige zurückgewiesen mit der Begründung, die Heraklithreste im Bereich der Unterzüge seien bei Angebotsabgabe bereits bekannt gewesen; das Beseitigen von Hindernissen (Metalllaschen, Dübel- und Betonankern) falle in den Leistungsbereich der Antragstellerin, ebenso die Entfernung loser Teile des Herakliths etwa mit einem Spachtel; dies sei am 27.03.2023 auch so zwischen Antragstellerin und örtlicher Bauleitung abgestimmt worden; bei einem Abfräsen der Heraklithplatten würden dagegen grobe Verschmutzungen entstehen, Bewehrungseisen freigelegt und möglicherweise die Fenster beschädigt. Für die Antragstellerin stelle sich die Frage, wie bei einem derartigen Putzuntergrund der Putz vernünftig aufgebracht werden solle. Mit Behinderungsanzeige vom 17.05.2023 habe sie beanstandet, sie habe nach Erstellung der Putzmuster Q3 keine Freigabe für die Ausführung erhalten und könne daher den Putz nicht herstellen; entsprechend ihrer Bedenkenanmeldung vom 04.05.2023 könne der Gipsputz gerieben nicht hergestellt werden, da geriebene Putze nur bei Kalk- und Kalkzementputzen ausführbar seien; sie bitte um Freigabe bis zum 19.05.2023. Unter dem 30.08.2023 habe sie - wiederum anhand von Fotos - die weitere Behinderung angezeigt, aufgrund im Erdgeschoss teilweise fehlender Fenster könne der Putz durch Durchzug Schaden nehmen; im Keller seien noch die Lampen in den Decken montiert, sodass sie kein Streckmetall anbringen könne; die Treppenhäuser seien seit Wochen nicht freigegeben; da die Arbeit im ersten Obergeschoss nur noch drei Tage in Anspruch nehme, müsse sie, sollten bis dahin die Behinderungen nicht aufgehoben sein, ihre Mitarbeiter von der Baustelle abziehen. Am 02.11.2023 habe sie Behinderungen in den Treppenhäusern angezeigt, in denen Vorleistungen von Vorgewerken fehlten, obwohl mittlerweile die Freigabe vorliege; außerdem fehle die Freigabe zu dem dem Antragsgegner übermittelten Produktdatenblatt für die Ausführung der Putzarbeiten im Untergeschoss; sollte sich an diesen Umständen bis zum 03.11.2023 nichts ändern, müssten ihre Mitarbeiter von der Baustelle abgezogen werden. Des Weiteren habe sie mehrfach Bedenken angemeldet, so unter dem 28.03.2023 im Hinblick auf die vorgesehene Ausführung Drahtputz F90, bei der aufgrund der mangelhaften Entfernung der Heraklith-Platten der Brandschutz nicht gewährleistet sei. Diese Bedenkenanzeige habe der Antragsgegner mit dem bereits genannten Schreiben vom 30.03.2023 zu Unrecht zurückgewiesen. Unter dem 19.05.2023 habe sie außerdem unter Beifügung von Fotos Bedenken dahingehend angemeldet, dass einige Flächen mit einem Farbanstrich versehen seien und deshalb nicht ohne Vorbehandlung (Abfräsen der Farbe oder Einsatz eines Putzträgers) verputzt werden könnten. Auch der vom Antragsgegner erwähnte Putzsachverständige habe bestätigt, dass der Putz auf diversen Stellen nicht habe aufgebracht werden können. Soweit der Sachverständige in seinem Gutachten Mängel festgestellt habe, habe sich dies lediglich auf Musterflächen bezogen, auf denen nicht der gesamte Putz aufgebracht gewesen sei. Sie habe die qualitativen Anforderungen des Sachverständigen bei der späteren Ausführung natürlich erfüllt. Im Übrigen habe der Antragsgegner selbst die Mitarbeiter der Antragstellerin weggeschickt, als diese die Treppenhäuser hätten verputzen wollen. Die Verwendung von Gipsputz im Kellergeschoss habe der Ausführungsplanung entsprochen. Die Antragstellerin sei bereit gewesen, dem nunmehrigen Wunsch des Antragsgegners, Kalk-Zementputz zu verwenden, zu entsprechen, und habe auch ein entsprechendes Angebot für die Materiallieferung eingeholt, jedoch ohne Freigabe weder das Material bestellen noch mit der Ausführung beginnen können. Der Antragsgegner sei dementsprechend mit einer Bauzeitverlängerung einverstanden gewesen. Die erfolgte Teilkündigung sei daher unberechtigt gewesen. Auch für die vom Antragsteller erwogene weitere Teilkündigung habe es keinen rechtlichen Grund gegeben.
Betreffend den Grundinstandsetzungsauftrag habe die Antragstellerin zu Recht von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht, da ihre umfänglich erbrachten Leistungen nicht bezahlt worden seien. Die vom Antragsgegner angeführte 7. Abschlagsrechnung habe sie ebenso wie alle anderen Rechnungen an den Antragsgegner adressiert. Unter dem 31.03.2023 und dem 11.04.2023 habe sie jeweils die Zahlung angemahnt unter Setzung einer Frist bis zum 03.04.2023 bzw. bis zum 18.04.2023, nach deren ergebnislosem Ablauf sie die Arbeiten einstellen und den Bauvertrag kündigen werde, sodass es für die Arbeitseinstellung keiner Gestaltungserklärung bedurft habe. Selbst eine etwaige Fehlleitung der Rechnung im Hause des Antragsgegners könne keine erhebliche Vertragsverletzung im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB begründen. Unabhängig davon habe die Antragstellerin unter dem 27.02.2023 sowie dem 08.03.2023 dem Antragsgegner im Wege einer Behinderungsanzeige mitgeteilt, dass die Bauheizung nicht funktionsfähig sei und deshalb wegen Minustemperaturen auf der Baustelle keine Arbeiten ausgeführt werden könnten. All dies habe letztlich zu einer Kündigung des Auftragsverhältnisses durch die Antragstellerin geführt. Die Baustelle sei ihrerseits zu keinem Zeitpunkt personell unterbesetzt gewesen. Mit den diesbezüglichen Mahnschreiben habe der Antragsgegner offensichtlich den durch die vertragswidrigen bauseitigen Baubedingungen eingetretenen Zeitverzug aufzuholen beabsichtigt. Irgendwelche Mängel der Leistung der Antragstellerin seien weder vorhanden gewesen noch vom Antragsgegner beanstandet worden. Die Vertragskündigung durch den Antragsgegner vom 03.05.2023 sei daher ins Leere gegangen.
Hinsichtlich aller drei Bauvorhaben werde vorsorglich bestritten, dass die vom Antragsgegner behaupteten Verfehlungen der Antragstellerin zu erheblichen Verzögerungen anderer Gewerke sowie der Gesamtfertigstellung des Objekts zu führen gedroht hätten.
Selbst wenn bei der Antragstellerin personelle Unzulänglichkeiten vorgelegen hätten, sei dies jedenfalls jetzt nicht mehr der Fall. Sie sei aktuell weder personell unterbesetzt, noch bewege sie sich am Markt als unzuverlässige Auftragnehmerin. Sie habe in den vergangenen Monaten vier neue - von ihr namentlich benannte - Bauleiter eingestellt. Neben den Bauleitern verfüge sie über 69 Facharbeiter, davon 21 in den letzten beiden Monaten neu eingestellte. Derzeit bearbeite sie 13 Baustellen in zehn verschiedenen Städten.
In rechtlicher Hinsicht fehle es keineswegs an der Eignung der Antragstellerin gemäß § 16b EU VOB/A. Sie sei bei keinem der Bauvorhaben in Leistungsverzug und bei allen personell zu einer vertragsgemäßen Auftragsausführung in der Lage gewesen. Zumindest habe der Antragsgegner ebensolche Vertragsverletzungen begangen und sich vermeintliche Verzögerungen zurechnen zu lassen. Im Zusammenhang mit § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB habe der Antragsgegner weder aufgezeigt, sich im Rahmen eines ihm vorgeblich zukommenden Beurteilungsspielraums gehalten zu haben, noch, sein Ermessen zum Zeitpunkt der Ausschlussentscheidung überhaupt ausgeübt zu haben, was jedenfalls aus dem Kündigungsschreiben [gemeint offenbar: der Vorabinformation vom 24.11.2023] nicht ersichtlich und auch sonst nirgends dokumentiert sei. Nachträgliche Erwägungen zu einer Ermessensausübung hülfen dem Antragsgegner nicht. Auch sei entgegen der Auffassung des Antragsgegners vor dem Ausschluss eine Anhörung erforderlich gewesen. Etwaige Vertragsverletzungen oder mangelhafte Leistungen ließen nur dann den Schluss auf eine Unzuverlässigkeit des Unternehmens zu, wenn die Verfehlungen nachgewiesen seien und zu einer deutlichen tatsächlichen oder finanziellen Belastung des Auftraggebers geführt hätten. Der Antragsgegner habe weder sich mit der Argumentation der Antragstellerin zu deren vorgeblichen Vertragsverletzungen auseinandergesetzt, welche diese zumindest relativiere, wenn nicht widerlege, noch vor dem Hintergrund der von der Antragstellerin jüngst ergriffenen Maßnahmen zur Kapazitätserhöhung eine Prognoseentscheidung darüber getroffen, ob sie die Gewähr für eine künftige vertragsgerechte Leistungserbringung biete.
Der Antragsgegner entgegnet dazu, bei der im Streitfall gegebenen Kumulation von Schlechtleistungen, die im Kalenderjahr der aktuellen Ausschreibung zu drei Vertragsbeendigungen geführt hätten, liege die fehlende Eignung der Antragstellerin auf der Hand und sei deren Ausschluss gemäß § 16b EU VOB/A zwingend, ohne dass es einer vorherigen Anhörung bedürfe. Auch mit Blick auf § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB sei der Ausschluss alternativlos gewesen; eine ordnungsgemäße, gesetzestreue und sorgfältige Ausführung des ausgeschriebenen Auftrags sei angesichts der Schlechtleistungen und deren Rechtsfolgen nicht zu erwarten. Der Antragsgegner müsse für seine Bewertung im Rahmen der Eignungsprüfung die sich aus seinem Hause ergebenden Informationen als richtig unterstellen. Eine vorherige Anhörung der Antragstellerin sei nicht erforderlich gewesen, da sämtliche in Rede stehenden Pflichtverletzungen aus Projekten des Antragsgegners stammten und dieser daher den Sachverhalt selbst beurteilen könne. Allein die Tatsache, dass er sich in drei Auftragsverhältnissen mit der Antragstellerin zu Kündigungen gezwungen gesehen habe, zeige, dass diese bei der Auftragsdurchführung so erhebliche Pflichtverletzungen begangen habe, dass jedenfalls aus seiner Sicht ihm eine weitere Zusammenarbeit mit der Antragstellerin nicht zumutbar sei unabhängig davon, ob sich seine außerordentlichen Kündigungen im Ergebnis als rechtmäßig oder rechtswidrig herausstellten. Im Nachprüfungsverfahren bedürfe es insoweit weder der rechtskräftigen Entscheidung eines Zivilgerichts noch einer Beweisaufnahme durch die Vergabekammer.
In tatsächlicher Beziehung sei unzutreffend, dass bei dem Ersatzneubau der Ausführungsbeginn nicht gewährleistet gewesen sei. Mit dem avisierten Startgespräch sei termingerecht am 20.04.2022 begonnen worden. Für die vorbereitenden Maßnahmen sei der Zeitraum bis zum 03.05.2022 vorgesehen gewesen. Für die Putzarbeiten seien pro Etage jeweils 14 Tage eingeplant gewesen; Arbeitsbeginn habe laut Terminplan am 04.05.2022 sein sollen. Die Antragstellerin sei jedoch an diesem Tag nicht auf der Baustelle erschienen und habe auf telefonische Nachfrage mitgeteilt, ihre Mitarbeiter seien am Morgen in Hamburg losgefahren und würden die Arbeit spätestens am 05.05.2022 beginnen.
Das Revitalisierungsvorhaben betreffend seien die Behinderungsanzeigen der Antragstellerin sämtlich haltlos und lediglich proaktiv bei Verzugseintritt abgesetzt worden. Bedenkenanzeigen lösten keine Bauzeitverlängerungsansprüche aus; die von der Antragstellerin vorgetragenen seien überdies ebenfalls haltlos. So sei ein Abfräsen der Reste vorhandener Heraklithplatten im Bereich der äußeren Stahlbetonunterzüge aus technischer Sicht nicht erforderlich gewesen, da als Putzgrund ein Rippenstreckmetall beauftragt worden sei. Auch die Bedenken der Antragstellerin hinsichtlich des Brandschutzes seien zu Recht zurückgewiesen worden, da der Brandschutz durch die in der Ausschreibung vorgesehene Ausführung gegeben gewesen sei, was ein Brandschutzsachverständiger bestätigt habe. Laut Leistungsverzeichnis seien für die oberirdischen Geschosse ein Gips-Brandschutzputz und für Kellergeschoss und Untergeschoss ein Zement-Brandschutzputz ausgeschrieben worden. Auch die Bauleitung habe nicht zugesagt, dass im Untergeschoss Gipsputz verwendet werden könne. In diesem Zusammenhang habe sich der Antragsgegner weder mündlich noch per E-Mail mit einer Bauzeitverlängerung einverstanden erklärt. Bei einem Ortstermin am 18.10.2023 habe die Antragstellerin bestätigt, dass der im Leistungsverzeichnis vorgesehene Brandschutzputz im Untergeschoss sofort bestellt und ausgeführt werden würde. Das erforderliche Datenblatt sei dem Generalplaner allerdings erst am 02.11.2023 zur Freigabe vorgelegt worden. Am 14.11.2023 habe die Antragstellerin mitgeteilt, dass sich die Lieferung des Putzes verzögere. Eine Behinderung bei der Ausführung der Treppenhäuser könne schon deshalb nicht vorgelegen haben, weil die Antragstellerin die Leistung zu einem früheren als dem im vertraglich vereinbarten Terminplan vorgesehenen Zeitpunkt habe ausführen wollen. Auch bei vielen anderen Leistungen hätten die Mitarbeitenden der Antragstellerin auf der Baustelle schriftlich benannte Ausführungstermine komplett ignoriert. Aufgrund Unterbesetzung der Baustelle habe die Antragstellerin bislang keinen der mit dem Antragsgegner abgestimmten Termine eingehalten. Daher habe dieser die Antragstellerin vielfach zu einer Personalverstärkung aufgefordert, zuletzt mehrmals im Januar 2024. Zudem habe er (nach aktuellem Stand) etwa 225 - Ressourcen und Zeit bindende - Mängelanzeigen an die Antragstellerin gerichtet, was er nicht getan hätte, wenn deren Leistungen nicht zu beanstanden wären. Der Putzsachverständige habe sowohl die vorab erstellten Musterflächen beanstandet als auch zu einem späteren Zeitpunkt die ausgeführte Leistung der Antragstellerin im 11. und 12. Obergeschoss. Die erforderlichen Produktdatenblätter habe die Antragstellerin entweder unvollständig vorgelegt oder unrichtig, da die Produkte nicht den Anforderungen aus der Ausschreibung entsprochen hätten. Erst auf Nachforderung des Generalplaners sei die Vorlage korrekt erfolgt. Die erfolgreiche und rechtzeitige Fertigstellung des Bauvorhabens als Ganzes sei fraglich. Insbesondere infolge der unzuverlässigen Ausführung durch die Antragstellerin bestehe ein erheblicher Terminverzug. Zudem lägen zahlreiche noch nicht beseitigte Mängel an ihrem Gewerk vor. Es werde daher aktuell die Kündigung des Auftragsverhältnisses betreffend die noch nicht fertiggestellten Arbeiten erwogen, da aufgrund fehlender bzw. mangelhafter Leistungen der Antragstellerin mit den Auftragnehmern der Folgegewerke keine verlässlichen Terminabstimmungen möglich seien. Der geplante Termin der Übergabe des Objekts an den Nutzer habe sich infolgedessen bereits jetzt erheblich verschoben und könne immer noch nicht verlässlich festgeschrieben werden.
Zu dem Grundinstandsetzungsauftrag trägt der Antragsgegner auf Nachfrage der Kammer vor, er habe im dortigen Auftragsschreiben auf diesem beigefügte "Wichtige Hinweise für Rechnungen" verwiesen, in denen für schriftliche Rechnungen eine Postanschrift und für elektronische Rechnungen ein Link im Vergabeportal benannt und anschließend ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, im Falle anderweitiger Versendung von Rechnungen könnten erhebliche Verzögerungen in der Bearbeitung auftreten.
Die Antragstellerin erwidert, der Antragsgegner habe ihren Ausschluss nicht nur unzureichend geprüft, sondern auch voreingenommen mit der vorgefassten Absicht eines Ausschlusses, wie sein - von der Antragstellerin näher dargelegtes - Verhalten bei einer früheren Auftragsvergabe zeige. Bei allen drei vorangegangenen Aufträgen seien die vermeintlichen Verfehlungen der Antragstellerin im Kontext betrachtet viel zu kleinteilig, als dass sie ggfs. eine Verletzung wesentlicher Anforderungen bei der Ausführung eines früheren Bauvorhabens begründen könnten.
Hinsichtlich des Ersatzneubaus belegten die vom Antragsgegner nunmehr vorgelegten Unterlagen gerade nicht, dass dieser die vertraglich vereinbarten Ausführungsfristen eingehalten habe.
Die vom Antragsgegner betreffend das Revitalisierungsvorhaben angeführten 225 angeblichen Mängelanzeigen seien bei einem solchen Bauvorhaben völlig normal und zu einem Großteil auch bereits erledigt; zu einem Teil handele es sich um Banalitäten. Minderqualitäten des Putzes würden bestritten; die Produkte hätten den Anforderungen der Ausschreibung entsprochen. Ebenso werde bestritten, dass ein Abfräsen der Heraklithplattenreste aus technischer Sicht nicht erforderlich gewesen sei. Ihr, der Antragstellerin, sei nicht bewusst gewesen, dass im Leistungsverzeichnis ein Zement-Brandschutzputz verankert gewesen sei. Eine erhebliche Verschiebung des Übergabetermins infolge angeblicher Mangelleistungen der Antragstellerin werde ebenfalls bestritten.
Zur 7. Abschlagsrechnung für den Grundinstandsetzungsauftrag trägt die Antragstellerin vor, sie habe die Rechnungen nur (deshalb) zur zentralen Rechnungsstelle geschickt, damit sie dort hätten registriert und freigegeben werden können. Die 7. Abschlagsrechnung sei an den Antragsgegner in A adressiert gewesen, jedoch mit einem Deckblattanschreiben auch zur zentralen Rechnungsstelle geschickt worden. Dass die am 24.02.2023 erstellte Fassung dieser Abschlagsrechnung an die zentrale Rechnungsstelle gegangen sei, habe der Antragsgegner nicht in Abrede gestellt. Auch die am 02.03.2023 eingereichte Rechnung habe das Datum vom 24.02.2023 getragen und sei ebenfalls (auch) an die zentrale Rechnungsstelle gesandt worden, was ihr Projektmanager bezeugen könne. Hilfsweise trägt die Antragstellerin vor, dem vom Antragsgegner vorgelegten Auftragsschreiben sei nicht zu entnehmen, dass Rechnungen verzugsbegründend nur an die Adresse der zentralen Rechnungsstelle versandt werden könnten. Es handele sich lediglich um "Hinweise", die nicht Vertragsbestandteil geworden seien. Zudem habe der Antragsgegner die korrigierte Abschlagsrechnung unstreitig am 02.03.2023 erhalten. Sie, die Antragstellerin, sei auch nicht deshalb in Verzug gewesen, weil für sie verbindliche Ausführungsfristen festgestanden hätten. Unabhängig von Ungereimtheiten bei der Übermittlung der entsprechenden Bauzeitenpläne hätten diese keine bindenden Vertragsfristen begründen können.
Die Kammer hat die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen, sie erwäge, über den Nachprüfungsantrag wegen dessen offensichtlicher Unbegründetheit nach Lage der Akten zu entscheiden. Zur Begründung hat die Kammer Folgendes angemerkt: § 16b EU VOB/A dürfte keine Rechtsgrundlage für einen zwingenden Ausschluss der Antragstellerin bilden können. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB dürften im Streitfall erfüllt sein. Wenn auch ein Auftraggeber über die mangelhafte Erfüllung des früheren Auftrags dürfte Gewissheit erlangt haben müssen, dürfte eine Beweiserhebung über die etwaige Schlechterfüllung im Nachprüfungsverfahren nicht in Betracht kommen. Nach diesem Erkenntnismaßstab dürfte der den Ersatzneubau betreffende Auftrag aufgrund der vom Antragsgegner im Einzelnen dokumentierten Vielzahl verschiedener Mängel den Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB verwirklichen. Hinsichtlich der Revitalisierungsmaßnahme dürfte es hingegen an einer wirksamen vorzeitigen Vertragsbeendigung fehlen, da der Teilkündigungserklärung keine hinreichende Kündigungsandrohung vorausgegangen sei, sondern lediglich ein Kündigungsvorbehalt. Der Grundinstandsetzungsauftrag hingegen dürfte die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB erfüllen. Die relevanten Ausführungsfristen dürften vereinbarte Vertragsfristen geworden sein. Die Auftragskündigung durch die Antragstellerin dürfte unwirksam gewesen sein, da die letztkorrigierte Fassung der Abschlagsrechnung nach Aktenlage nicht an die vertraglich dafür vorgesehene zentrale Rechnungsstelle des Antragsgegners gesandt worden sein dürfte. Die Vertragskündigung durch den Antragsgegner aufgrund der endgültigen Arbeitseinstellung der Antragstellerin dürfte daher wirksam gewesen sein. Die von der Antragstellerin vorgetragenen Selbstreinigungsmaßnahmen dürften ihren Ausschluss nicht entgegenstehen. Die vor der Ausschlussentscheidung unterbliebene Ermessensausübung einschließlich Anhörung dürfte im Rügeverfahren nachgeholt worden sein; dabei unterlaufene Ermessensfehler dürften im Nachprüfungsverfahren geheilt worden sein. Die negative Vertragserfüllungsprognose des Antragsgegners dürfte von den der Bewertung zu Grunde zu legenden Pflichtverletzungen der Antragstellerin getragen werden.
Daraufhin trägt die Antragstellerin über ihr bisheriges Vorbringen hinaus vor, eine vor einer Ausschlussentscheidung unterbliebene Anhörung und Ermessensbetätigung sei nicht nachholbar. Davon abgesehen habe der Antragsgegner auch in seinem Schreiben vom 01.12.2023 kein Ermessen ausgeübt und sei noch im Nachprüfungsverfahren der Ansicht, dies nicht tun zu müssen. Die gebotene Prognoseentscheidung sei ein Prüfungspunkt auf der Tatbestandsseite und nicht die Ausübung des Rechtsfolgeermessens. Eine vorherige Anhörung hätte ergeben, dass sie, die Antragstellerin, noch aktuell bei zwei Bauvorhaben für den Antragsgegner tätig sei; dies hätte der Antragsgegner bei einer Ermessensausübung berücksichtigen müssen. Der Entscheidung im Nachprüfungsverfahren allein die Aktenlage zugrunde zu legen trage der den Auftraggeber treffenden Beweislast nicht Rechnung. In Bezug auf den Ersatzneubau sei eine Beweiserhebung geboten. Bei der Grundinstandsetzung seien die Ausführungsfristen im Bauzeitenplan nicht Vertragsbestandteil geworden, da es an diesbezüglichen mündlichen Verhandlungen gefehlt habe, die Voraussetzung für eine Anwendung der Grundsätze eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens seien. Selbst wenn die 7. Abschlagsrechnung nur bei dem Antragsgegner in Düsseldorf eingegangen wäre und nicht bei der zentralen Rechnungsstelle, hätte dies die Fälligkeitsfrist in Gang gesetzt. Wenn man bei den angeblichen Vertragsverstößen der Antragstellerin von den Angaben des Antragsgegners ausgehe, dagegen bei deren Behauptungen zum Rechnungsversand die Beweislast zu ihrem Nachteil werte, messe man mit zweierlei Maß. Jedenfalls liege kein vorwerfbares Verhalten der Antragstellerin vor, da sie aufgrund der vorherigen Reaktionen des Antragsgegners (Korrekturanforderung) von einem richtigen Versand ihrer Rechnung habe ausgehen dürfen. Selbst bei Annahme einer Unwirksamkeit ihrer Kündigung habe der Auftrag keine der nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB notwendigen Rechtsfolgen gezeitigt. Was Selbstreinigungsmaßnahmen angehe, hätten zum einen die vier neu eingestellten Bauleiter natürlich auch die Kompetenz, auf qualitative Aspekte zu achten. Zum anderen habe die Antragstellerin im Hinblick auf den Versand von Rechnungen ihr Qualitätsmanagement optimiert und prüfe unter Verwendung einer speziellen Unternehmenssoftware Verträge auf die Zuordnung verschiedenster Adressaten bei verschiedensten Anliegen. Vor Ergreifung von Weiterungen etwa aus unbezahlten Rechnungen sei in den Abläufen vorgegeben, den sicheren Zugang zunächst zu hinterfragen. Dies könnten ihre zuständigen Mitarbeiter bezeugen. Sofern die Kammer sich von dem vorstehenden Vortrag nicht überzeugen könne, werde um einen Hinweis gebeten; die Antragstellerin werde dann eine eidesstattliche Versicherung vorlegen.
Der Antragsgegner macht zu der Hinweisverfügung der Kammer geltend, da Maßstab für die Eignungsprüfung die Anforderungen durch die ausgeschriebenen Leistungen seien, gebiete im Streitfall § 16b EU VOB/A den Ausschluss der Antragstellerin wegen fehlender Gewähr für eine ordnungsgemäße Auftragsausführung, auch ohne dass der Auftraggeber explizit entsprechende Eignungskriterien formuliert habe. Wegen dieses zwingenden Ausschlussgrundes sei eine Anhörung der Antragstellerin entbehrlich gewesen, zumal eine solche realistischerweise kein anderes Ergebnis erbracht und daher reinen Formalismus dargestellt hätte. Die Teilkündigung des das Revitalisierungsvorhaben betreffenden Auftrags sei ordnungsgemäß gewesen, da eine Kündigungsandrohung nicht den Wortlaut der einschlägigen VOB-Bestimmungen zur Kündigung nach fruchtlosem Fristablauf enthalten müsse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakte und die Vergabeakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Nachprüfungsantrag ist unbegründet. Die Nichtberücksichtigung des Angebots der Antragstellerin ist im Ergebnis vergaberechtlich nicht zu beanstanden.
1. Als Rechtsgrundlage des Angebotsausschlusses kommt allein § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB (bzw. § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A) in Betracht.
Gemäß § 122 Abs. 1 GWB werden öffentliche Aufträge an geeignete Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 GWB ausgeschlossen worden sind. Ein Unternehmen ist geeignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt (§ 122 Abs. 2 Satz 1 GWB). Eignungskriterien sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung aufzuführen (§ 122 Abs. 4 Satz 2 GWB).
Der Antragsgegner begründete seine Entscheidung in seiner Vorabinformation vom 24.11.2023 damit, die Antragstellerin habe eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt, und dies habe zu einer vorzeitigen Beendigung, Schadensersatz oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt.
Damit zitierte er wörtlich den Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB. Nach dieser Bestimmung können öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. Eine im Wesentlichen textgleiche Regelung enthält § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A.
Darüber hinaus bestimmt § 16b EU Abs. 1 VOB/A, dass beim offenen Verfahren die Eignung der Bieter zu prüfen ist und dabei anhand der vorgelegten Nachweise die Angebote der Bieter auszuwählen sind, deren Eignung die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen notwendigen Sicherheiten bietet; dies bedeute, dass sie die erforderliche Fachkunde und Leistungsfähigkeit besitzen, keine Ausschlussgründe gemäß § 6e EU VOB/A vorliegen und sie über ausreichende technische und wirtschaftliche Mittel verfügen.
Aus § 16b EU Abs. 1 VOB/A ergibt sich - trotz dessen insoweit missverständlichen Wortlauts - keine Pflicht des Auftraggebers zum Ausschluss eines Bieters, wenn der Tatbestand der §§ 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB, 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A erfüllt ist. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB sieht ein Ermessen des Auftraggebers vor. Von der rechtlichen Notwendigkeit, dieses durch förmliches Gesetz normierte Ermessen rechtsfehlerfrei auszuüben, können die nach § 2 Satz 2 VgV lediglich im Verordnungsrang geltenden Regelungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen nicht dispensieren.
Auch lässt sich der Ausschluss der Antragstellerin wegen eines von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB erfassten Sachverhalts entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht mit der Einschätzung begründen, die Antragstellerin sei fachlich nicht geeignet. Nach § 122 GWB können, wie dargelegt, neben den in §§ 123 f. GWB vorgesehenen Ausschlussgründen Eignungsanforderungen nur dann zum Angebotsausschluss führen, wenn sie vom Antragsgegner nach Maßgabe des § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB im Einzelnen für das konkrete Beschaffungsvorhaben in der Auftragsbekanntmachung aufgeführt worden sind,
vgl.a. VK Bund, Beschl.v. 04.09.2019 - VK2-54/19 -
Im Streitfall enthält die Auftragsbekanntmachung jedoch keinen der Entscheidungsbegründung des Antragsgegners entsprechenden Ausschlussgrund. Davon abgesehen dürfte ein Auftraggeber die Anforderungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB an seine Entscheidungsfindung ohnehin nicht durch eigene Vergabebedingungen abschwächen können,
ebenso VK Bund, Beschl.v. 15.07.2021 - VK1-54/21 -
2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB liegen hier vor.
a) Dies gilt zunächst für den den Ersatzneubau betreffenden Auftrag.
Die im Mai und Juni 2022 eingetretenen Verzögerungen sind hier allerdings nicht zu berücksichtigen, da sie nicht zu einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags geführt haben. Die Kündigung vom 13.10.2023 wurde auf diesen Sachverhalt nicht gestützt; auch wurden die Bestimmungen der §§ 8 Abs. 3, 5 Abs. 3 VOB/B 2016 dort nicht zitiert. Zwar können im zivilen Baurecht objektiv im Zeitpunkt der Kündigungserklärung bestehende Kündigungsgründe im Verlauf eines Rechtsstreits nachgeschoben werden,
s. BGH, Urt.v. 25.03.1993 - X ZR 17/92 -; Urt.v. 23.06.2005 - VII ZR 197/03 -.
Vorliegend fehlt es jedoch im Hinblick auf die genannten Verzögerungen jedenfalls an einer Fristsetzung mit Kündigungsandrohung im Sinne des § 5 Abs. 4 VOB/B 2016, sodass offenbleiben kann, ob und ggfs. inwieweit sich aus der zitierten baurechtlichen Rechtsprechung Konsequenzen für die Anwendung des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ergeben könnten.
Die Arbeiten der Antragstellerin waren allerdings - nach Aktenlage aus der Perspektive einer verständigen Vergabestelle in der Situation des Antragsgegners beurteilt - in erheblichem Maße mangelhaft, ohne dass die Antragstellerin - trotz Aufforderung und Fristsetzung durch den Antragsgegner - ihrer Pflicht aus § 4 Abs. 7 VOB/B zur Mängelbeseitigung nachkam, was zu der Vertragskündigung vom 13.10.2023 führte.
Der in § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB verwendete Begriff der mangelhaften Erfüllung ist umfassend im Sinne einer nicht vertragsgerechten Erfüllung zu verstehen. Erfasst sind sowohl vertragliche Haupt- als auch Nebenpflichten,
s. OLG Karlsruhe, Beschl.v. 27.06.2018 - 15 Verg 7/17 -; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 11.07.2018 - VII-Verg 7/18 -
Vorliegend hat die Antragstellerin wiederholt ihrer Mängelbeseitigungspflicht aus § 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B 2016 nicht genügt. Dabei kann offenbleiben, ob es in diesem Zusammenhang ausreicht, dass ein Auftraggeber Indiztatsachen vorbringt, die von einigem Gewicht sind, auf gesicherten Kenntnissen aus seriösen Quellen basieren und seine Entscheidung, den Bieter auszuschließen, als nachvollziehbar erscheinen lassen,
so OLG Celle, Beschl.v. 09.01.2017 - 13 Verg 9/16 -; VK Rheinland, Beschl.v. 02.12.2019 - VK 42/109-L -
oder der Auftraggeber über die von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB verlangte Schlechterfüllung Gewissheit haben, also eine Überzeugung gewonnen haben muss, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet,
dahin tendierend OLG Düsseldorf, Beschl.v. 28.03.2018 - VII-Verg 49/17 -; Beschl.v. 11.07.2018, a.a.O., Rdnr. 49.
Im Streitfall sind beide etwaigen Anforderungen erfüllt. Der Vergabestelle des Antragsgegners liegen aus dem genannten früheren Auftrag diverse Mängelrügen und diesbezügliche Nachfristsetzungen sowie eine ca. 50 Seiten umfassende entsprechende Fotodokumentation vor. Aus diesen Unterlagen ergeben sich zahlreiche im Einzelnen dokumentierte Rissbildungen, Abbröckelungen und Abplatzungen im Innenputz, mit Fremdkörpern zugesetzte Dehnungsfugen sowie mit Putz verunreinigte Sichtbetonwände, sichtbare Decken, Tür- und Fensterlaibungen. Die Antragstellerin hat zu diesen Unterlagen, die ihr von der Kammer zugänglich gemacht worden sind, vorgetragen, die Rissbildungen seien normale Setzrisse; soweit Putz abgebröckelt oder abgeplatzt sei, seien dort andere Gewerke angestoßen. Für eine Auseinandersetzung mit 50 Seiten angeblicher Mängel sei das Nachprüfungsverfahren nicht der Ort. Zu den Verunreinigungen mit Putzresten, die nach Lage der Dinge nur von der Antragstellerin verursacht worden sein können, hat die Antragstellerin sich nicht eingelassen. Dass sie den Mängelrügen und Fristsetzungen des Antragsgegners seinerzeit widersprochen hätte, wird weder von ihr vorgetragen noch durch entsprechende Unterlagen belegt.
Vor diesem tatsächlichen Hintergrund ist es vergaberechtlich nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner in seiner Eigenschaft als Auftraggeber der verfahrensbetroffenen Ausschreibung davon ausgeht, die von ihm angeführten Mängel lägen, wie es § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB regelmäßig erfordert,
s. dazu OLG Düsseldorf, Beschl.v. 11.07.2018, a.a.O. Rdnr. 51,
im Wesentlichen im Verantwortungsbereich der Antragstellerin. Diese hat der ihr vorgelegten detaillierten Mängelauflistung einen nicht alle Arten von Mängeln erfassenden und auch nur recht pauschalen Sachvortrag entgegengesetzt. Für die Kammer besteht kein Anlass, im Rahmen der Amtsermittlung nach § 163 Abs. 1 GWB den Sachverhalt im Wege einer Beweisaufnahme weiter aufzuklären. Eine Vergabestelle kann eine derartige Beweiserhebung selbst nicht durchführen, zum einen mangels rechtlicher Befugnisse - beispielsweise zu einer zum Erscheinen und zur Aussage verpflichtenden Ladung und Vernehmung von Zeugen, die für eine ausgewogene Sachverhaltsermittlung unter Heranziehung aller in Betracht kommenden Auskunftspersonen unerlässlich ist -, zum anderen aus Zeitmangel, da eine Beweisaufnahme nebst entsprechender Vorbereitung das Vergabeverfahren und damit die Auftragsvergabe in unvertretbarer Weise verzögern würde und deshalb vom Zweck des Vergaberechts nicht mehr gedeckt wäre,
s. KG, Beschl.v. 27.11.2008 - 2 Verg 4/08 -
Auch im Nachprüfungsverfahren kann angesichts des in § 167 GWB zum Ausdruck kommenden Beschleunigungsgrundsatzes keine umfassende Klärung der Sachlage nach Art eines Bauprozesses erfolgen,
s. OLG Celle, Beschl.v. 09.01.2017, a.a.O., Rdnr. 20 f.
Eine solche ist auch deshalb nicht veranlasst, weil die Vergabe-Nachprüfungsinstanzen lediglich zur vergaberechtlichen Kontrolle des Vergabeverfahrens berufen sind. War die Vergabestelle, wie dargelegt, zu einer Beweiserhebung nicht verpflichtet, konnte sie ihrer Entscheidung nur die Aktenlage und die für sie womöglich anderweit erkennbaren Tatsachen zugrunde legen. Hat sie dies in vergaberechtlich beanstandungsfreier Weise getan, liegt kein Vergabeverstoß vor, der der Nachprüfungsinstanz Anlass zu einem Eingreifen in das Vergabeverfahren geben könnte,
vgl. Summa, in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl. 2022, § 124 GWB Rdnr. 145 f.
Damit wird entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht etwa die einen Auftraggeber treffende Beweislast infrage gestellt. Durch die beschränkten Möglichkeiten einer Vergabestelle zur Sachaufklärung und den auf Vergabeverstöße des Auftraggebers begrenzten Prüfungsauftrag der Vergabe-Nachprüfungsinstanzen wird nicht die Beweislast im Nachprüfungsverfahren beeinflusst, sondern allein das insoweit geltende Beweismaß.
Bei der hier in Rede stehenden Mängelbeseitigungspflicht aus § 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B 2016 handelt es sich um eine wesentliche Vertragspflicht im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB, insbesondere weil eine Verletzung dieser Pflicht eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B 2016 rechtfertigen kann,
s. OLG Celle, Beschl.v. 09.01.2017, a.a.O., Rdnr. 46, zur Abhilfeverpflichtung gemäß § 5 Abs. 3 VOB/B 2016.
Die erfolgten Pflichtverletzungen waren auch im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB fortdauernd. Der Antragsgegner beanstandete einen Teil der fraglichen Mängel bereits mit E-Mail an die Antragstellerin vom 04.08.2022 unter Fristsetzung für die Mängelbehebung bis zum 26.08.2022. Nach fruchtlosem Verstreichen der Frist setzte der Antragsgegner mit Schreiben vom 30.08.2022 bzw. vom 20.09.2022 Nachfristen bis zum 09.09.2022 bzw. bis zum 05.10.2022, jeweils unter Hinweis auf das Kündigungsrecht nach § 8 Abs. 3 VOB/B. Weitere - umfassendere - Mängelrügen erfolgten am 20.07.2023 und am 18.08.2023 mit Fristsetzungen bis zum 04.08.2023 bzw. bis zum 01.09.2023, letztere verbunden mit der Androhung des Entzugs des Auftrags gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B. Gleichwohl behob die Antragstellerin die beanstandeten Mängel bis zur Vertragskündigung an 13.10.2023 allenfalls zu einem geringen Teil. Diese wiederholten Fristversäumnisse stellten eine fortdauernd mangelhafte Vertragserfüllung dar,
vgl. Conrad, in: Müller-Wrede, GWB-Vergaberecht, 2. Aufl. 2023, § 124 Rdnr. 143; Ley, in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 124 GWB Rdnr. 154.
Dass es sich bei den Mängeln nur um solche kleinerer Art handelte, verschlägt hier nichts. Auch kleinere Unregelmäßigkeiten können im Falle ihrer Wiederholung Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Unternehmens wecken und dessen Ausschluss rechtfertigen (s. Erwägungsgrund 101 RL 2014/24/EU). Die Antragstellerin ist ihrer Mängelbeseitigungspflicht trotz mehrerer Aufforderungen wiederholt nicht nachgekommen.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hatte der Antragsgegner sein Kündigungsrecht aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B 2016 i.V.m. § 4 Abs. 7 VOB/B 2016 im Zeitpunkt der Kündigung am 13.10.2023 nicht verwirkt. Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde,
s. z.B. BGH, Urt.v. 14.11.2002 - VII ZR 23/02 -; Urt.v. 15.09.2010 - XII ZR 148/09 -; Beschl.v. 23.01.2018 - XI ZR 298/17 -
Im Streitfall wies der Antragsgegner jedoch die Antragstellerin wiederholt auf ein Kündigungsrecht hin, so unter dem 30.08.2022, dem 20.09.2022, dem 20.07.2023 und dem 18.08.2023. Die Antragstellerin durfte daher nicht darauf vertrauen, der Antragsgegner werde von einem etwaigen Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen.
Ob dem Antragsgegner eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses im Zeitpunkt seiner Kündigungserklärung nicht unzumutbar gewesen ist, wie die Antragstellerin meint, bedarf keiner Prüfung. Der Tatbestand des § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 VOB/B 2016 setzt für die dort ausdrücklich genannten Fälle keine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung voraus,
vgl. BGH, Urt.v. 18.10.2006 - XII ZR 33/04 - zu § 543 Abs. 2 BGB.
b) Hinsichtlich des die Revitalisierungsmaßnahme betreffenden Auftrags sind die Vorgänge nach der Teilkündigungserklärung vom 11.04.2023 an dieser Stelle ohne Bedeutung, da sie bislang zu keiner vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge im Sinne des § 124 Abs. 1 N r. 7 GWB geführt haben.
Der am 11.04.2023 ausgesprochenen Teilkündigung fehlte es nach der hier maßgeblichen Aktenlage des Antragsgegners an der rechtlichen Wirksamkeit, wie § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB sie voraussetzt,
s. dazu OLG Düsseldorf, Beschl.v. 11.07.2018, a.a.O., Rdnr. 40.
Gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B 2016 i.V.m. § 5 Abs. 4 VOB/B 2016 muss einer Kündigung unter anderem die Erklärung vorausgehen, dass der Auftraggeber nach fruchtlosem Ablauf einer von ihm dem Auftragnehmer gesetzten angemessenen Frist zur Vertragserfüllung den Vertrag kündigen werde. Die der Teilkündigung vom 11.04.2023 vorangegangenen Schreiben des Antragsgegners vom 21.03.2023 und vom 28.03.2023 enthielten insoweit jeweils lediglich die Formulierung, der Antragsgegner behalte sich vor, gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B 2016 den Vertrag nach fruchtlos abgelaufener Frist bzw. Nachfrist zu kündigen. Ein solcher bloßer Kündigungsvorbehalt reicht im Rahmen des § 5 Abs. 4 VOB/B 2016 nicht aus, da die Kündigungsandrohung den eindeutigen und unmissverständlichen Willen des Auftraggebers zum Ausdruck bringen muss, die Leistung nach erfolglosem Ablauf der Frist nicht mehr anzunehmen,
s. OLG Oldenburg, Urt.v. 18.11.2004 - 8 U 150/04 -; Urt.v. 13.12.2007 - 8 U 323/05 -; OLG Bamberg, Beschl.v. 12.03.2019 - 4 U 125/18 -; Sacher, in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB-Kommentar, Teil A/B, 8. Aufl. 2022, § 5 VOB/B Rdnr. 264; Voit, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 4. Aufl. 2022, § 5 VOB/B Rdnr. 12 in Fußn. 36; a.A. Althaus, in: Beck'scher VOB-Kommentar, Teil B, 4. Aufl. 2023, § 5 Abs. 4 Rdnr. 41.
Ebensowenig ist zu erkennen, dass durch ein schuldhaftes Verhalten der Antragstellerin der Vertragszweck so gefährdet gewesen wäre, dass dem Antragsgegner eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr hätte zugemutet werden können, was eine Fristsetzung und Kündigungsandrohung vor der Kündigungserklärung entbehrlich gemacht hätte,
vgl. dazu z.B. BGH, Urt.v. 23.05.1996 - VII ZR 140/95 -
Stützt sich nämlich ein etwaiger Vertrauensverlust des Auftraggebers auf mangelhafte oder zögerliche Arbeiten des Auftragnehmers, hat der Kündigung grundsätzlich eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung vorauszugehen, da andernfalls die Schutzmechanismen der §§ 4 Abs. 7, 5 Abs. 4 VOB/B 2016 umgangen würden,
s. OLG Düsseldorf, Urt.v. 28.05.2015 - I-22 U 173/14 -
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz lag hier schon angesichts des recht kurzen Zeitraums von wenigen Wochen zwischen vorgesehenem Arbeitsbeginn und Kündigungserklärung nicht vor, zumal vor dem Hintergrund der erfolgten Behinderungsanzeigen, unabhängig von deren inhaltlicher Berechtigung.
c) Hinsichtlich des die Grundinstandsetzung betreffenden Auftrags sind die Abhilfeverlangen des Antragsgegners vom 24.01.2022, 09.05.2022, 18.05.2022 und 01.02.2023 an dieser Stelle ohne rechtliche Relevanz, da es insoweit sowohl an einer Fristsetzung mit Kündigungsandrohung im Sinne des § 5 Abs. 4 VOB/B 2016 als auch an einer Vertragsbeendigung fehlte und vergleichbare Rechtsfolgen im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB weder vom Antragsgegner vorgetragen noch sonst ersichtlich sind. Das vom Antragsgegner in der Antragserwiderung (dort S. 8) erwähnte Abhilfeverlangen vom "13.04.2023" existiert soweit ersichtlich nicht; die dort genannte Anlage AG 29 enthält das Kündigungsschreiben der Antragstellerin vom 13.04.2023.
Im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB erheblich sind jedoch die Kündigungserklärung des Antragsgegners vom 03.05.2023 und das dieser vorausgegangene Mahnschreiben vom 18.04.2023, in dem nach Ablauf der darin genannten Ausführungsfristen eine Nachfrist bis zum 25.04.2023 gesetzt und für den Fall deren ergebnislosen Verstreichens eine Vertragskündigung gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B 2016 angekündigt worden war.
Die in dem Schreiben vom 18.04.2023 angegebenen Ausführungsfristen sind in dem Bauzeitenplan mit Stand vom 09.03.2023 enthalten (dort unter den Nummern 1125, 1351, 1543, 1751 und 1899). Nach dem von der Antragstellerin nicht bestrittenen Vortrag des Antragsgegners hatte er mit der Antragstellerin mündlich (oder telefonisch) einen Bauzeitenplan abgestimmt, wobei diese selbst die Zeiten vorgegeben hatte, zu denen sie nach eigener Einschätzung ihre Leistungen ausführen wollte; zu "Verhandlungen" im eigentlichen Sinne über die Termine war es, wie auch die Antragstellerin vorträgt, also nicht gekommen. Anschließend hatte - ebenso unstreitig - der Antragsgegner den abgestimmten Bauzeitenplan verschriftlicht und der Antragstellerin mit E-Mail vom 10.03.2023 übersandt. Für den Fall, dass die Antragstellerin die erforderlichen Kapazitäten im Ausführungszeitraum nicht zur Verfügung stellen könne, bat der Antragsgegner in der E-Mail um Rückmeldung bis zum 17.03.2023; andernfalls gelte der Terminplan als vereinbart und werde Vertragsbestandteil. Unter diesen Umständen war die Antragstellerin nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte gehalten, den Bauzeitenplan zu prüfen und im Falle des fehlenden Einverständnisses zu widersprechen, andernfalls die getroffenen Vereinbarungen als genehmigt galten. Insoweit kann keine andere Wertung Platz greifen als bei Verhandlungen über eine Vertragsergänzung, deren Ergebnis in einem Besprechungsprotokoll festgehalten wird,
vgl. dazu BGH, Urt.v. 27.01.2011 - VII ZR 186/09 -; KG, Urt.v. 18.09.2012 - 7 U 227/11 -;
die Interessenlage der Beteiligten ist die gleiche.
Mangels Widerspruchs der Antragstellerin stellten die im Bauzeitenplan enthaltenen Fristen für ihre Leistungen vereinbarte Vertragsfristen im Sinne des § 5 Abs. 1 VOB/B dar,
vgl. Gartz, in: Nicklisch/Weick/Jansen/Seibel, VOB/B, 5. Aufl. 2019, § 5 Rdnr. 15.
Unabhängig davon rechtfertigte jedenfalls die endgültige Leistungseinstellung durch die Antragstellerin, die spätestens nach ihrer Kündigungserklärung vom 13.04.2023 eintrat, die Kündigung des Auftrags durch den Antragsgegner nach erfolgter vorheriger Fristsetzung und Kündigungsandrohung, da die Antragstellerin für die Einstellung der Arbeiten mangels Wirksamkeit ihrer Vertragskündigung und mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B keinen rechtfertigenden Grund hatte und eine derartige vollständige Arbeitseinstellung den Extremfall der unzureichenden Ausstattung einer Baustelle mit Arbeitskräften im Sinne des § 5 Abs. 3 VOB/B 2016 darstellt,
s. OLG Stuttgart, Urt.v. 28.04.2020 - 10 U 294/19 -; Urt.v. 17.08.2021 - 1 U 423/20 -; OLG Karlsruhe, Urt.v. 13.12.2021 - 4 U 112/18 -; OLG Köln, Urt.v. 25.10.2023 - I-16 U 130/22 -
Die Kündigung vom 13.04.2023 war unwirksam. Die Antragstellerin stützte ausweislich der Angabe im Betreff des Kündigungsschreibens ihre Kündigung auf Zahlungsverzug hinsichtlich der 7. Abschlagsrechnung. Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B 2016 werden zwar Ansprüche auf Abschlagszahlungen binnen 21 Tagen nach Zugang der Aufstellung fällig. Das Auftragsschreiben des Antragsgegners vom 09.07.2021, der Antragstellerin per Telefax übermittelt am 13.08.2021, verwies jedoch ausdrücklich auf ihm beigefügte "Wichtige Hinweise für Rechnungen". In diesen hieß es unter Ziffer 1.2: "Zentrale Rechnungsanschrift für schriftliche Rechnungen: ..., B". Laut Ziffer 1.3 konnten elektronische Rechnungen über das Vergabeportal NRW eingereicht werden. In Ziffer 1.4 wurde ausgeführt, bei Rechnungen, die nicht an eine der genannten Rechnungsanschriften gesandt würden, könnten erhebliche Verzögerungen in der Bearbeitung auftreten. Mit dem Auftragsschreiben wurde zwar, wie sich schon aus der genannten Ziffer 1.4 ergibt, dem Auftragnehmer nicht verbindlich vorgeschrieben, seine Rechnungen dem Auftraggeber in der beschriebenen Weise zu übermitteln. Gleichwohl machte der "Hinweis" in Ziffer 1.4 einem verständigen Erklärungsempfänger deutlich, dass der Antragsgegner für Verzögerungen, die sich womöglich aus einem abweichenden Übermittlungsweg ergeben würden, nicht einstehen wollte. Trotz der Verwendung des Wortes "Hinweise" war dementsprechend für die Antragstellerin klar zu erkennen, dass das Auftragsschreiben in diesem Punkt eine Modifikation des Vertragsinhalts beinhalten sollte. Inwieweit diese Ergänzung der in den Vergabeunterlagen enthaltenen Vertragsbedingungen mit dem in § 15 EU Abs. 3 VOB/A niedergelegten Nachverhandlungsverbot vereinbar war,
zu diesem s. BGH, Urt.v. 11.05.2009 - VII ZR 11/08 -; Urt.v. 06.09.2012 - VII ZR 193/10 -; Urt.v. 03.07.2020 - VII ZR 144/19
kann offenbleiben. Denn jedenfalls ist der vom Antragsgegner im Auftragsschreiben eindeutig zum Ausdruck gebrachte vorstehend beschriebene Vertragswille vertragsrechtlich wirksamer Bestandteil des Auftragsschreibens geworden,
s. BGH, Urt.v. 06.09.2012, a.a.O., Rdnr. 21; Urt.v. 03.07.2020, a.a.O., Rdnr. 29.
Mit diesem Vertragsinhalt hat die Antragstellerin sich konkludent einverstanden erklärt, indem sie ohne einen die Vertragsergänzung ablehnenden Vorbehalt mit der Leistungserbringung begonnen hat,
s. OLG Köln, Urt.v. 27.10.2010 - I-17 U 128/09 -; OLG Schleswig, Urt.v. 30.08.2013 - 1 U 11/13 -; OLG Stuttgart, Urt.v. 10.05.2016 - 10 U 51/15 -.
Die Antragstellerin übermittelte ihre korrigierte 7. Abschlagsrechnung jedoch mit ihrer E-Mail vom 02.03.2023 nicht an die zentrale Rechnungsanschrift in B, sondern lediglich an Niederlassungen des Antragsgegners. Soweit sie vorträgt und unter Zeugenbeweis stellt, die Abschlagsrechnung sei (zusätzlich) an die zentrale Rechnungsstelle in B gesandt worden, braucht die Kammer diesem Beweisangebot nicht nachzugehen. Wie oben dargelegt, ist im Nachprüfungsverfahren für die Ermittlung des die früheren Aufträge betreffenden Sachverhalts allein maßgeblich, was eine verständige Vergabestelle in der Situation des Antragsgegners den Akten entnehmen kann oder ihr sonst bekannt sein muss, und kommt insoweit eine Beweiserhebung durch die Kammer nicht in Betracht. Die Aktenlage weist lediglich eine Übermittlung an einzelne Niederlassungen des Antragsgegners aus und lässt für einen zusätzlichen Versand an die zentrale Rechnungsstelle keinen Anhaltspunkt erkennen. Dem Antragsgegner ist nach seinem glaubhaften Vorbringen für einen Zugang der letzten Fassung der Abschlagsrechnung bei seiner Rechnungsstelle auch anderweit nichts bekannt. Überdies enthält die genannte E-Mail der Antragstellerin vom 02.03.2023 ausdrücklich die "Bitte um Prüfung und Freigabe". Nach ihrem nunmehrigen Vortrag hat die Antragstellerin Rechnungen nur deshalb zur zentralen Rechnungsstelle in B geschickt, damit sie dort registriert und freigegeben werden konnten. Dass die Antragstellerin die betreffende Fassung der Abschlagsrechnung, die sie laut E-Mail vom 02.03.2023 deren Empfängern ausdrücklich zur Prüfung und Freigabe übersandte, zusätzlich der zentralen Rechnungsstelle zur - nochmaligen - Freigabe übersandt haben sollte, ist jedenfalls nicht naheliegend.
Dementsprechend konnte die Übermittlung der korrigierten 7. Abschlagsrechnung am 02.03.2023 die in § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B 2016 genannte Frist nicht in Lauf setzen,
vgl. OLG Köln, Beschl.v. 22.03.2012 - I-19 U 162/11 -; Beschl.v. 21.05.2012 - I-19 U 162/11 -
Dass die Empfängerin der Rechnung - die den Bau betreuende Fachabteilung des Antragsgegners - ebenfalls eine Dienststelle des Antragsgegners war, genügte entgegen der Auffassung der Antragstellerin insoweit nicht,
s. OLG Köln, Beschl.v. 22.03.2012, a.a.O., Rdnr. 10 (Eingang der Rechnung bei der gerade dafür vertraglich vorgesehenen Dienststelle erforderlich; persönliche Abgabe bei anderer Dienststelle des Auftraggebers reicht nicht aus).
Anders, als die Antragstellerin meint, begründete es auch keinen Vertrauenstatbestand zu ihren Gunsten, dass der Antragsgegner frühere Fassungen der Rechnung beanstandete. Diese Fassungen hatte die Antragstellerin unstreitig gerade (auch) an die zentrale Rechnungsstelle des Antragsgegners geschickt.
Im Zeitpunkt der zweiten Mahnung wäre die Forderung nur dann bereits fällig gewesen, wenn die Abschlagsrechnung spätestens am 20.03.2023 bei einer für den Rechnungsausgleich zuständigen Stelle des Antragsgegners eingegangen wäre. Dafür ist von der Antragstellerin nichts vorgetragen und auch sonst nichts ersichtlich. Nach der Darstellung des Antragsgegners in seinem Schreiben vom 18.04.2023 ist die Rechnung erst am 05.04.2023 in sein Rechnungssystem eingegeben worden. Auch trägt die Antragstellerin vor, der Antragsgegner habe ihr am 12.04.2023 mitgeteilt, die Rechnung sei erst am 05.04.2023 "bei denen" (gemeint ist offenbar die zentrale Rechnungsstelle) eingegangen. Die Mahnschreiben der Antragstellerin vom 31.03.2023 und vom 11.04.2023 gingen daher ins Leere.
Demzufolge verletzte die Antragstellerin durch ihre Arbeitseinstellung ihre vertragliche Hauptleistungspflicht und damit eine wesentliche Anforderung im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB. Diese Pflichtverletzung war auch fortdauernd im Sinne der genannten Bestimmung, da die Antragstellerin trotz des Hinweises des Antragsgegners in seinem Schreiben vom 18.04.2023 auf die Unwirksamkeit ihrer Kündigung ihre Arbeit auf der Baustelle nicht wieder aufnahm und damit dem Antragsgegner keine andere Möglichkeit ließ, als seinerseits den Bauvertrag wirksam zu kündigen, um die noch ausstehenden Arbeiten von einem anderen Unternehmen ausführen zu lassen.
3. § 125 GWB steht dem Ausschluss der Antragstellerin nicht entgegen.
Gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 3 GWB ist ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund nach § 124 GWB vorliegt, nicht von der Teilnahme an dem Vergabeverfahren auszuschließen, wenn das Unternehmen dem Auftraggeber nachgewiesen hat, dass es konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen hat, die geeignet sind, weiteres Fehlverhalten zu vermeiden. Ein solcher Nachweis liegt hier jedoch nicht vor.
Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang im Nachprüfungsverfahren vorträgt, sie habe in den vergangenen Monaten vier neue Bauleiter und 21 neue Facharbeiter eingestellt, ist schon offen, inwieweit derartige Neueinstellungen Qualitätsmängeln wie denjenigen, die sich bei dem den Ersatzneubau betreffenden Auftrag nach Aktenlage der Vergabestelle des Antragsgegners offenbaren, nachhaltig entgegenwirken können. Unabhängig davon ist dem Vorbringen der Antragstellerin nicht zu entnehmen, ob das neu eingestellte Personal überhaupt für den hier ausgeschriebenen Auftrag zur Verfügung stünde oder auf den anderen 13 Baustellen benötigt wird, auf denen die Antragstellerin nach ihrem Sachvortrag derzeit tätig ist. Überdies hat die Antragstellerin noch im Nachprüfungsverfahren die Auffassung vertreten, bei den drei vorangegangenen Aufträgen des Antragsgegners habe sie die Baustellen nicht personell unterbesetzt. Daher ist nicht mit der gebotenen Sicherheit damit zu rechnen, dass die Antragstellerin etwa frei verfügbares Personal dafür verwenden würde, bei dem verfahrensbetroffenen Auftrag die Baustelle personell besser auszustatten, als es bei den drei fraglichen Voraufträgen der Fall war, und damit etwa aus Zeitmangel resultierenden qualitativen Defiziten zu begegnen. Vielmehr liegt die Annahme nahe, dass die Antragstellerin eine den Voraufträgen entsprechende Personalausstattung auch weiterhin für ausreichend halten und etwa verfügbares Personal für andere, neu akquirierte Aufträge einsetzen wird.
Die in der vollständigen Arbeitseinstellung bei dem Grundinstandsetzungsauftrag liegende Pflichtverletzung weist ohnehin keinen Zusammenhang mit Zahl und Befähigung der auf der Baustelle eingesetzten Arbeitskräfte auf. Der zu diesem Auftrag auf die Hinweisverfügung der Kammer hin von der Antragstellerin nachgeschobene Vortrag eines optimierten Qualitätsmanagements ist unsubstantiiert. Die Antragstellerin legt nicht näher dar, durch welche technischen Vorkehrungen unberechtigten Vertragskündigungen wegen unbezahlter Rechnungen zuverlässig vorgebeugt werden soll. Sie beruft sich lediglich pauschal auf eine "spezielle Unternehmenssoftware", die Verträge "auf die Zuordnung verschiedenster Adressaten bei verschiedensten Anliegen" prüfe und die Erkenntnisse dokumentiere; vor Ergreifung von Weiterungen aus zum Beispiel unbezahlten Rechnungen sei in den Abläufen dokumentiert und vorgegeben, den sicheren Zugang zunächst zu hinterfragen. Zur Erläuterung ihres Sachvortrags legt sie keine Unterlagen über die von ihr angeführte Software vor, sondern bietet lediglich Zeugenbeweis an, ohne allerdings Zeugen namentlich zu benennen. Ein solches Beweisangebot - selbst wenn eine Zeugenvernehmung entgegen den obigen Ausführungen hier in Betracht käme und die Antragstellerin bestimmte Zeugen bezeichnet hätte - kann aber nicht die gebotene Substantiierung eines inhaltlich mangelhaften Sachvortrags ersetzen,
s. z.B. OLG Düsseldorf, Urt.v. 27.04.2018 - I-22 U 93/17 -; OLG Oldenburg, Urt.v. 28.09.2018 - 11 U 41/17 -; KG, Urt.v. 12.06.2020 - 9 U 2/17 Baul -; OLG Frankfurt, Urt.v. 29.12.2020 - 5 U 231/19 -; Urt.v. 21.12.2023 - 15 U 211/21 -; OLG München, Urt.v. 15.06.2021 - 9 U 631/20 Bau -; zum Verwaltungsprozess s. z.B. OVG NRW, Beschl.v. 11.10.2011 - 14 A 2726/09 -; Beschl.v. 07.11.2011 - 19 A 2389/10 -
Dies gilt in gleicher Weise für die von der Antragstellerin ergänzend angebotene eidesstattliche Versicherung, sodass auch der von der Antragstellerin angeregte Hinweis der Kammer nicht veranlasst war. Davon abgesehen wäre eine Überprüfung des Rechnungszugangs beim Auftraggeber, wie sie nach dem Vorbringen der Antragstellerin in den von ihr nunmehr veränderten Abläufen vorgegeben ist, nicht nachweislich geeignet, unberechtigte Vertragskündigungen und sich daran anschließende Arbeitseinstellungen der bei dem Grundinstandsetzungsauftrag erfolgten Art zu vermeiden. Denn die Antragstellerin hat bei diesem Auftrag die von ihr beendeten Arbeiten auf der Baustelle auch dann nicht wiederaufgenommen, als ihr in dem Schreiben des Antragsgegners vom 18.04.2023 mitgeteilt worden war, die aktuelle Fassung der 7. Abschlagsrechnung sei nicht bei der zentralen Rechnungsstelle des Antragsgegners eingegangen. Durch die Mitteilung sah sich die Antragstellerin also offenbar nicht veranlasst, an der Berechtigung ihrer Vertragskündigung zu zweifeln. Dann aber hätte sie sich wohl auch durch eine vorherige Nachfrage beim Antragsgegner und deren Beantwortung nicht an einer Kündigung hindern lassen. Ein gegenteiliger Nachweis ist jedenfalls nicht geführt.
4. Das ihm nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zustehende Ermessen hat der Antragsgegner letztlich ordnungsgemäß ausgeübt.
a) Im Rahmen der Ermessensausübung hat ein Auftraggeber eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen und zu dokumentieren, ob von dem fraglichen Bieter unter Berücksichtigung der festgestellten früheren Schlechtleistung im Hinblick auf die Zukunft zu erwarten ist, dass er den nunmehr zu vergebenden Auftrag nicht gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführen werde,
s. OLG Celle, Beschl.v. 09.01.2017, a.a.O., Rdnr. 52; OLG Frankfurt, Beschl.v. 12.10.2017 - 11 Verg 13/17 -; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 20.12.2019 - VII-Verg 18/19 -; OLG München, Beschl.v. 29.01.2021 - Verg 11/20 -
Hierbei sind auch etwaige Selbstreinigungsmaßnahmen im Sinne des § 125 GWB zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund sowie in Anbetracht des in § 124 Abs. 1 GWB genannten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist ein Auftraggeber verpflichtet, vor einer Entscheidung nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB das betreffende Unternehmen zu dem Sachverhalt anzuhören,
s. OLG München, Beschl.v. 29.01.2021, a.a.O., Rdnr. 48; VK Thüringen, Beschl.v. 12.07.2017 - 250-4003-5533/2017-E-016-EF -; VK Sachsen, Beschl.v. 04.08.2022 - 1/SVK/013-22 -; zu Art. 57 Abs. 4 Buchst. g RL 2014/24/EU (bezogen auf Abhilfemaßnahmen) s. EuGH, Urt.v. 03.10.2019 - C-267/18 - ("Delta Antrepriza de Constructii si Montaj 93"); Urt.v. 14.01.2021 - C-387/19 - ("RTS infra und Aannemingsbedrijf Norré-Behaegel"); s. ferner EuGH, Urt.v. 26.01.2023 - C-682/21 - ("HSC Baltic UAB u.a.")
Die Ansicht der Antragstellerin, die gebotene Vertragserfüllungsprognose sei dem Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zuzurechnen, geht fehl. Die genannte Norm enthält kein entsprechendes Tatbestandsmerkmal; ihr Tatbestand bezieht sich allein auf den mangelhaft erfüllten früheren Auftrag. Die Notwendigkeit einer Prognose ergibt sich vielmehr aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der in § 124 Abs. 1 GWB vor den in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Tatbestandsmerkmalen ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Rechtsfolgeermessen genannt ist. Die erforderliche Vertragserfüllungsprognose ist daher Bestandteil der Ermessensausübung,
s. OLG Celle, Beschl.v. 09.01.2017, a.a.O., Rdnr. 52; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 28.03.2018, a.a.O., Rdnr. 45; Beschl.v. 20.12.2019, a.a.O., Rdnr. 49; VK Bund, Beschl.v. 17.08.2023 - VK2-56/23 -
b) Im Streitfall ist eine Ermessensbetätigung des Antragsgegners vor dem Ausschluss der Antragstellerin nicht erkennbar.
Die Vorabinformation vom 24.11.2023 beinhaltete bei der gebotenen Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§ 133 BGB) bereits eine Ausschlussentscheidung gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB und nicht lediglich deren Ankündigung,
vgl. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 08.06.2022 - VII-Verg 19/22 -, juris, Rdnr. 26.
Dieser Entscheidung ging jedoch weder eine Anhörung der Antragstellerin noch eine Vertragserfüllungsprognose oder eine andere Form der Ermessensausübung voraus. Jedenfalls ist eine solche nicht ansatzweise dokumentiert. Unter dem 24.11.2023 zitierte der Antragsgegner zur Begründung seiner Entscheidung lediglich abstrakt den Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB, ohne das durch die Vorschrift eingeräumte Ermessen auch nur zu erwähnen.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners entfiel die Notwendigkeit einer vorherigen Anhörung der Antragstellerin nicht deshalb, weil alle ausgesprochenen Vertragskündigungen im Jahr 2023 und damit in jüngster Zeit erfolgten und demzufolge eine Anhörung Ende November 2023 nach Ansicht des Antragsgegners kein anderes Ergebnis der Eignungsbeurteilung hätte liefern können. Der Antragsgegner verkennt bei seiner Argumentation bereits, dass Rechtsgrundlage seiner Ausschlussentscheidung wie dargelegt nicht § 16b EU Abs. 1 VOB/A sein kann, sondern allein die Sonderbestimmungen der §§ 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB, 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A anzuwenden sind, aus denen sich die Notwendigkeit einer einzelfallbezogenen Ermessensausübung ergibt. Die dabei unter dem Blickwinkel des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu berücksichtigenden Umstände gehen über die festgestellten Schlechtleistungen der Vergangenheit, die bereits vom Tatbestand der Norm erfasst werden, hinaus. Bei der Ausschlussentscheidung zu beachten sind auch etwaige Selbstreinigungsmaßnahmen, zu denen ein Unternehmen im Rahmen einer Anhörung vortragen können muss.
c) Die gebotene Ermessensausübung nebst vorheriger Anhörung ist allerdings im Rügeverfahren - wenn auch noch nicht fehlerfrei - nachgeholt worden.
Unstreitig teilte der Antragsgegner der Antragstellerin auf deren telefonische Anfrage mit, auf welchen Vorauftrag (den Revitalisierungsauftrag) sich das Schreiben von 24.11.2023 bezog. Die Antragstellerin hatte daraufhin Gelegenheit, sich gegenüber dem Antragsgegner zu dem geltend gemachten Ausschlussgrund zu äußern, und nutzte diese Gelegenheit im Anwaltsschreiben vom 29.11.2023 auch. Ihre Stellungnahme wurde vom Antragsgegner in seiner Rügeerwiderung vom 01.12.2023 berücksichtigt. In dieser Erwiderung führte der Antragsgegner ferner aus, § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB schütze das berechtigte Interesse des öffentlichen Auftraggebers an einer ordnungsgemäßen, gesetzestreuen und sorgfältigen Ausführung des öffentlichen Auftrags. Mit Blick auf die erst sehr kürzlich mit der Antragstellerin gewonnenen Erfahrungen in mehreren Baumaßnahmen - in der Rügeerwiderung waren zuvor die drei oben erörterten früheren Aufträge näher dargestellt worden - bestünden hier berechtigte Zweifel daran, dass eine solche (scil. eine einwandfreie Auftragsausführung) bei einer Leistungserbringung durch die Antragstellerin zu erwarten sei.
Damit ist im Rügeverfahren bezogen auf die Revitalisierungsmaßnahme eine Anhörung der Antragstellerin erfolgt. Ob diese - teilweise telefonisch vorgenommene - Anhörung inhaltlich ausreichend war, vermag die Kammer mangels Dokumentation des Telefongesprächs nicht zu beurteilen. Gleiches gilt für die Frage, ob die anschließende Vertragserfüllungsprognose vor dem Hintergrund der angeführten Voraufträge hinreichend konkret war. Jedenfalls war die Ermessensbetätigung insoweit mangels vorheriger Anhörung fehlerhaft, als zwei der drei früheren Aufträge, auf deren mangelhafte Erfüllung sich die Vertragserfüllungsprognose stützte, nicht Gegenstand der zuvor erfolgten Anhörung waren.
Der Annahme einer - wenn auch fehlerbehafteten - Ermessensausübung steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner eingangs der Rügeerwiderung ausführte, er habe bei Erteilung des Zuschlages kein Ermessen, wenn sich ein Bieter als ungeeignet erweise, da auf das Angebot eines fachlich nicht geeigneten Bieters der Zuschlag nicht erteilt werden dürfe. Wie der Hinweis auf § 16b EU VOB/A am Ende des vorletzten Absatzes auf Seite 2 des Schreibens zeigt, bezog sich die Verneinung von Ermessen auf diese Bestimmung. Erst im folgenden Absatz wurde "zudem" die Vorschrift des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB angesprochen. In diesem Zusammenhang wurde sodann die Vertragserfüllungsprognose angestellt. Die Tatsache dieser Prognose zeigt, dass der Antragsgegner bei Abfassung der Rügeerwiderung gerade nicht davon ausging, aus der Verwirklichung des Tatbestandes des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB folge zwingend ein Angebotsausschluss, denn bei einer dahingehenden Auffassung wäre die Prognose entbehrlich gewesen,
zutreffend VK Bund, Beschl.v. 17.08.2023, a.a.O., Rdnr. 100 f.
Die - obgleich nicht fehlerfreie - Nachholung von Anhörung und Ermessensausübung im Rügeverfahren, wie hier geschehen, war zulässig. Dabei kann dahinstehen, ob Anhörung und Ermessensbetätigung auch noch während eines anhängigen Nachprüfungsverfahrens erstmals durchgeführt werden können,
so offenbar OLG Düsseldorf, Beschl.v. 05.12.2006 - VII-Verg 56/06 -; für die Anhörung auch VK Thüringen, Beschl.v. 12.07.2017, a.a.O., Rdnr. 97; Opitz, in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl. 2022, § 124 GWB Rdnr. 18; vgl.a. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG.
Selbst wenn man dies unter Hinweis auf die erforderliche Ergebnisoffenheit der Entscheidung verneint,
so OLG München, Beschl.v. 29.01.2021, a.a.O., Rdnr. 53, 71,
kann eine solche restriktive Sichtweise nicht für den Zeitraum vor Stellung eines Nachprüfungsantrags gelten. Während des noch laufenden Rügeverfahrens ist grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass ein Auftraggeber nicht hinreichend ergebnisoffen urteilt. Eine dahingehende Annahme liegt nicht schon darin begründet, dass sich bei einer derartigen Fallgestaltung der Auftraggeber im Zeitpunkt von Anhörung und Ermessensausübung bereits eine Meinung zum Ausschluss des Unternehmens gebildet und diesen Ausschluss sogar bereits vorgenommen hat (freilich mit der rechtlichen Möglichkeit, ihn vor Zuschlagserteilung zu revidieren). Denn die in § 160 Abs. 3 GWB vorgesehene Rügeobliegenheit wäre sinnlos, wenn von vornherein zu unterstellen wäre, dass sich ein Auftraggeber nach getroffener (vorläufiger) Verfahrensentscheidung durch Einwände des betroffenen Unternehmens von seiner Entscheidung ohnehin nicht abbringen lassen würde. Eine entsprechende Annahme ist vielmehr nur unter besonderen Umständen gerechtfertigt (und führt auch nur dann zur Entbehrlichkeit einer Rüge),
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 01.04.2020 - VII-Verg 30/19 -; Beschl.v. 14.12.2022 - VII-Verg 11/22 -.
Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht zu erkennen.
Die dargestellte Rechtslage entspricht derjenigen im allgemeinen und im besonderen Verwaltungsprozessrecht, wo eine im Ausgangsbescheid (vollständig) unterbliebene Ermessensausübung grundsätzlich im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden kann,
s. BSG, Beschl.v. 19.10.2021 - B 3 KR 20/21 B -; Sächs. OVG, Urt.v. 15.12.2016 - 3 A 650/15 -; OVG Rh.-Pf., Beschl.v. 22.06.2017 - 2 A 10449/16 -
Die Zulässigkeit der Nachholung einer zunächst unterbliebenen Anhörung ergibt sich dort aus § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG.
d) Die Fehlerhaftigkeit der Ermessensausübung des Antragsgegners ist im Nachprüfungsverfahren geheilt worden.
In der Antragserwiderung hat der Antragsgegner eingehend dargelegt, inwiefern die Antragstellerin die nunmehr in Rede stehenden drei früheren Aufträge mangelhaft erfüllt habe. Hierauf gestützt hat er - auf der Grundlage auch des zwischenzeitlichen Vorbringens der Antragstellerin im Nachprüfungsantrag - seine negative Vertragserfüllungsprognose bekräftigt.
Der Antragsgegner hat in der Antragserwiderung sodann darauf hingewiesen, auf der Rechtsfolgenseite des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB komme dem Auftraggeber ein - durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzter - Ermessensspielraum hinsichtlich des "Ob" des Ausschlusses zu. Ein Ermessensfehler liege vor, wenn die Sachverhaltsermittlungen und -feststellungen des Auftraggebers oder die Anwendung vergaberechtlicher Rechtsbegriffe auf willkürlichen, sachwidrigen Erwägungen beruhten oder das Ermessen auf null reduziert war und der Auftraggeber das verkannt hat. Ein solcher Ermessensfehler sei hier nicht gegeben. Vielmehr habe der Antragsgegner sowohl im Vorfeld als auch während des verfahrensbetroffenen Vergabeverfahrens versucht, bereits beauftragte Projekte zu einem Abschluss zu führen, was jedoch aufgrund des Verhaltens der Antragstellerin nicht gelungen sei. Der der Ausschlussentscheidung zugrunde liegende Sachverhalt sei ausführlich und korrekt ermittelt worden. Die Anwendung der vergaberechtlichen Rechtsbegriffe habe nur auf belegbaren und im Zusammenhang mit den einzelnen genannten Maßnahmen angestellten Erwägungen beruht und sei daher weder sachwidrig noch willkürlich.
Diese Ausführungen lassen in ihrem Zusammenhang erkennen, dass dem Antragsgegner die Notwendigkeit einer Ermessensbetätigung im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB unter Berücksichtigung auch des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bewusst und er zu der Auffassung gelangt ist, das Ermessen in diesem Sinne ordnungsgemäß ausgeübt zu haben. Der Antragsgegner hält in diesem Rahmen vor dem Hintergrund seiner negativen Vertragserfüllungsprognose einen Ausschluss der Antragstellerin vom Vergabeverfahren ersichtlich für verhältnismäßig angesichts des von ihm im Einzelnen dargelegten wiederholten und schwerwiegenden Fehlverhaltens der Antragstellerin bei den früheren Aufträgen und mit Rücksicht darauf, dass auch seine Bemühungen um einen erfolgreichen Abschluss der betreffenden Arbeiten am Verhalten der Antragstellerin gescheitert seien.
In seinem weiteren Schriftsatz vom 20.02.2024 hat der Antragsgegner seine Vertragserfüllungsprognose unter Ziffer I 2 neuerlich bestätigt und unter Ziffer I 3 (auf Seite 3 des Schriftsatzes) seine in § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vorgesehene Ermessensentscheidung ausdrücklich als solche angesprochen und nochmals kurz begründet.
Im Grundsatz hält sich die vorstehend beschriebene Einschätzung des Antragsgegners im Rahmen des einem Auftraggeber zustehenden Ermessensspielraums,
s. hierzu OLG Düsseldorf, Beschl.v. 28.03.2018, a.a.O., Rdnr. 44 f.,
und ist insoweit vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Zwar erfüllt der die Revitalisierungsmaßnahme betreffende Vorauftrag, wie oben dargelegt, nicht den Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB. Jedoch wird der Ausschluss der Antragstellerin auch isoliert durch deren aktenkundiges Verhalten bei den Aufträgen betreffend den Ersatzneubau und die Grundinstandsetzung getragen. Angesichts der im Einzelnen dokumentierten anhaltenden Pflichtverletzungen der Antragstellerin bei diesen beiden Aufträgen findet sowohl die nunmehrige Vertragserfüllungsprognose des Antragsgegners als auch dessen ergänzte Ermessensbetätigung im Übrigen eine vergaberechtlich hinreichende Grundlage,
vgl. OLG München, Beschl.v. 29.01.2021, a.a.O., Rdnr. 55.
Dem steht nicht der nunmehrige Sachvortrag der Antragstellerin entgegen, sie sei aktuell bei zwei Bauvorhaben für den Antragsgegner beanstandungsfrei tätig, selbst wenn die Richtigkeit dieses Vortrags hypothetisch unterstellt wird. Ein Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB setzt nicht voraus, dass das betreffende Unternehmen den Tatbestand dieser Bestimmung bei sämtlichen in der Vergangenheit erteilten Aufträgen des Auftraggebers verwirklicht hat. Im Rahmen der Ermessensausübung mag von Bedeutung sein, ob das Unternehmen in der Vergangenheit vom Auftraggeber erteilte Aufträge ohne Mängel erfüllt hat. Die von der Antragstellerin angeführten beiden Bauaufträge sind jedoch nach ihrem eigenen Vorbringen noch gar nicht abgewickelt, sodass sich derzeit nicht feststellen lässt, ob sie insgesamt ohne Beanstandungen ausgeführt werden. Der Antragsgegner musste daher bei seiner Ermessensbetätigung die beiden Aufträge nicht zugunsten der Antragstellerin in Rechnung stellen.
Allein der Umstand, dass der Antragsgegner nicht mit allen zur Begründung seiner Ausschlussentscheidung angeführten Gesichtspunkten durchdringt, nötigt nicht zu einer Zurückversetzung des Vergabeverfahrens,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 28.03.2018, a.a.O., Rdnr. 34.
Auch die erforderliche Anhörung ist nunmehr im gebotenen Umfang erfolgt. Der Antragsteller hat im Nachprüfungsantrag zu den vom Antragsgegner in der Rügeerwiderung vorgetragenen Argumenten im Einzelnen Stellung nehmen, dabei auf alle drei vom Antragsgegner angeführten Voraufträge eingehen und etwaige Selbstreinigungsmaßnahmen darlegen können. Er hat ferner auf den Sachvortrag des Antragsgegners in der Antragserwiderung und in dessen nachfolgendem Schriftsatz replizieren können.
Die Heilung der Ermessensfehler war im Nachprüfungsverfahren möglich. Jedenfalls die bloße Ergänzung einer bereits vor Stellung des Nachprüfungsantrags erfolgten - wenn auch wie hier fehlerhaften - Ermessensentscheidung durch zusätzliche Erwägungen ist grundsätzlich noch während eines anhängigen Nachprüfungsverfahrens zulässig,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 05.12.2006, a.a.O., Rdnr. 19; Beschl.v. 26.11.2008 - VII-Verg 54/08 -: Beschl.v. 21.10.2015 - VII-Verg 28/14 -; Beschl.v. 10.02.2021 - VII-Verg 23/20 -; OLG Celle, Beschl.v. 13.01.2011 - 13 Verg 15/10 -,; Beschl.v. 18.02.2013 - 13 Verg 1/13 -; Beschl.v. 03.07.2018 - 13 Verg 8/17 -; OLG Rostock, Beschl.v. 30.10.2019 - 17 Verg 5/19 -; ferner BayObLG, Beschl.v. 13.06.2022 - Verg 6/22 -.
Dies entspricht der Rechtslage im Verwaltungsprozess, in dem gemäß § 114 Satz 2 VwGO die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen kann, soweit sie vorprozessual lediglich defizitär waren und nicht etwa Ermessen nachträglich erstmals ausgeübt werden soll,
s. BVerwG, Urt.v. 05.09.2006 - 1 C 20.05 -
In diesem Zusammenhang wird der Dokumentationspflicht aus § 8 Abs. 1 VgV hinreichend durch die im Nachprüfungsverfahren eingereichten Schriftsätze genügt,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 21.07.2010 - VII-Verg 19/10 -; OLG Celle, Beschl.v. 13.01.2011, a.a.O., Rdnr. 40.
III.
Die Kammer konnte gemäß § 166 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 GWB über den Nachprüfungsantrag nach Lage der Akten entscheiden. Der Antrag ist offensichtlich unbegründet, denn auf der Grundlage des Sachvortrags der Verfahrensbeteiligten, der von ihnen zur Verfahrensakte gereichten Unterlagen und der Vergabeakte ist die Sach- und Rechtslage eindeutig.
Im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens konnte von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da von einer solchen aufgrund des bereits schriftsätzlich vorliegenden Vortrags der Verfahrensbeteiligten zur Sach- und Rechtslage keine neuen Erkenntnisse zu erwarten wären, die insoweit zu einer anderen Bewertung führen könnten,
zu dieser Ermessenserwägung s. BayObLG, Beschl.v. 20.08.2001 - Verg 11/01 -; OLG Naumburg, Beschl.v. 09.08.2019 - 7 Verg 1/19 -
Die Verfahrensbeteiligten sind zu der Möglichkeit, nach Lage der Akten zu entscheiden, auch vorab angehört worden,
zu diesem Erfordernis s. z.B. KG, Beschl.v. 19.12.2019 - Verg 9/19 -; Frister, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 166 GWB Rdnr. 8 (beide bejahend); Summa, in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl. 2022, § 166 Rdnr. 21 (verneinend).
IV.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 182 GWB.
1. Nach § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB hat ein Verfahrensbeteiligter die Kosten des Nachprüfungsverfahrens zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt. Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden (§ 182 Abs. 3 Satz 3 GWB); darunter können auch die gesamten Verfahrenskosten fallen,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 16.03.2020 - VII-Verg 38/18 -
Die Antragstellerin ist im Nachprüfungsverfahren zwar in vollem Umfang unterlegen. Dieser Verfahrensausgang ist jedoch dadurch bedingt, dass die dem Antragsgegner anzulastenden vorprozessualen Ermessensfehler im Nachprüfungsverfahren geheilt worden sind. Jedenfalls aufgrund der unzureichenden vorprozessualen Anhörung der Antragstellerin durch den Antragsgegner war die Antragstellerin gezwungen, zur Wahrung ihrer etwaigen Rechte einen Nachprüfungsantrag zu stellen, um die aus ihrer Sicht maßgeblichen tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen in die Entscheidung über ihren Ausschluss einzubringen. Es entspricht daher der Billigkeit, die Verfahrenskosten nicht der Antragstellerin, sondern dem Antragsgegner aufzuerlegen,
vgl. OLG Karlsruhe, Beschl.v. 29.05.2020 - 15 Verg 2/20 -; VK Bund, Beschl.v. 10.12.2003 - VK2-116/03 -
2. Auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Verfahrensbeteiligten sind gemäß § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB im Grundsatz von dem im Nachprüfungsverfahren unterliegenden Beteiligten zu tragen. Die Billigkeitsregelung des § 182 Abs. 3 Satz 3 GWB findet insoweit keine Anwendung, da sie sich allein auf die Kosten des Verfahrens, d.h. die Gebühren und Auslagen der Vergabekammer bezieht,
s. OLG Düsseldorf, Beschl.v. 16.03.2020, a.a.O., Rdnr. 32; OLG Koblenz, Beschl.v. 26.08.2020 - Verg 5/20 -; vgl. ferner BGH, Beschl.v. 25.01.2012 - X ZB 3/11 -
Jedoch gelten nach § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB für die Erstattung notwendiger Aufwendungen der Beteiligten die Bestimmungen unter anderem des § 80 Abs. 1 und 2 VwVfG und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder entsprechend. Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG hat, soweit ein Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer dessen notwendige Aufwendungen zu erstatten. Dies gilt auch, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 45 VwVfG unbeachtlich ist (§ 80 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 VwVfG nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Handlungen nach § 45 Abs. 1 VwVfG können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (§ 45 Abs. 2 VwVfG). Das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen enthält unter den zitierten Vorschriftsbezeichnungen textgleiche Regelungen. Da im Streitfall die Mängel der vorprozessualen Anhörung der Antragstellerin erst im Nachprüfungsverfahren geheilt worden sind, fallen die zur Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin nach den genannten Bestimmungen dem Antragsgegner zur Last,
vgl. VK Bund, Beschl.v. 10.12.2003, a.a.O., Tenor 2 und Rdnr. 160.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin war angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität des Falles notwendig.
4. Gemäß § 182 Abs. 1 GWB werden für Amtshandlungen der Vergabekammern Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Die Höhe der Gebühren für das Nachprüfungsverfahren bestimmt sich gemäß § 182 Abs. 2 GWB nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes der Nachprüfung. Der Gebührenrahmen wurde vom Gesetzgeber für den Regelfall auf 2.500,00 Euro bis 50.000,00 Euro festgesetzt. Die Vergabekammern des Bundes haben eine Gebührenstaffel erarbeitet, die von der Vergaberechtsprechung gebilligt worden ist,
s. BGH, Beschl.v. 25.10.2011 - X ZB 5/10 -; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 06.07.2016 - VII-Verg 44/13 -; Beschl.v. 16.10.2019 - VII-Verg 6/19 -
und die die Vergabekammern des Landes Nordrhein-Westfalen im Interesse einer bundeseinheitlichen Handhabung übernommen haben. Danach orientiert sich die Gebühr der Vergabekammer grundsätzlich an der Bruttoangebotssumme des Angebots des Antragstellers als dem für die Bewertung maßgeblichen wirtschaftlichen Interesse am Nachprüfungsverfahren,
zur Berechnungsformel s. Krohn, in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl. 2022, § 182 Rdnr. 19.
Im Streitfall ergibt sich auf der Grundlage einer Bruttoangebotssumme (abzüglich ... % Nachlass) in Höhe von ... Euro eine Basisgebühr von ... Euro. Da eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat, wird die Gebühr gemäß § 182 Abs. 3 Satz 6 GWB aus Gründen der Billigkeit um ein Viertel auf ... Euro ermäßigt. Eine darüber hinausgehende Ermäßigung ist nicht angebracht, da die Kammer die Sach- und Rechtslage im Einzelnen geprüft hat.
Der Antragsgegner ist nicht von der Zahlung der Gebühr befreit. Gebührenbefreiung genießen gemäß § 182 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Verwaltungskostengesetzes in der am 14.08.2013 geltenden Fassung die Länder und die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die nach den Haushaltsplänen eines Landes für Rechnung eines Landes verwaltet werden. Nach § 8 Abs. 3 des Verwaltungskostengesetzes in der genannten Fassung besteht die Gebührenfreiheit jedoch nicht für Sondervermögen i.S.d. Art. 110 Abs. 1 GG und für gleichartige Einrichtungen der Länder. Um eine derartige Einrichtung handelt es sich bei dem Antragsgegner. Er ist nach § 1 Abs. 1 BLBG NRW ein teilrechtsfähiges Sondervermögen des Landes Nordrhein-Westfalen mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung, der von dem übrigen Vermögen des Landes getrennt zu halten ist. Dies schließt eine Gebührenbefreiung des Antragsgegners aus,
s. OVG NRW, Urt.v. 09.04.2008 - 9 A 1311/06 -
V.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf - Vergabesenat - einzulegen.
Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Die Beschwerde ist bei Gericht als elektronisches Dokument einzureichen. Dieses muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Dies gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind. Ist die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig.
Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.
Unterlagen zu spät nachgereicht: Ausschluss auch im Sektorenberei...
Unterlagen zu spät nachgereicht: Ausschluss auch im Sektorenbereich!
Melden Sie sich jetzt an unter www.vpr-online.de, um sämtliche Entscheidungen im Volltext lesen zu können.
vpr-online ist DIE Datenbank für öffentliche Auftraggeber und Bieter sowie für alle Berater auf den Gebieten des Vergaberechts.
Mit vpr-online haben Sie außerdem jederzeit und überall Zugriff auf über 5.800 VPR-Beiträge nach dem 1-Seiten-Prinzip, über 12.016 Entscheidungen im Volltext, Arbeitshilfen, Materialien und vieles mehr.
VK Bund
Beschluss
vom 22.11.2024
VK 2-97/24
1. Auch im Anwendungsbereich der SektVO dürfen nur vollständige und widerspruchsfreie Angebote gewertet werden, die den Vergabeunterlagen entsprechen.
2. Der Sektorenauftraggeber kann die Bieter unter Einhaltung der vergaberechtlichen Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung auffordern, fehlende Unterlagen nachzureichen. Dies gilt grundsätzlich nicht für leistungsbezogene Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen (hier u. a. verneint für die Angebotskalkulation und die Aufschlüsselung der Baustellengemeinkosten).
3. Der Zuschlag darf auch im Sektorenbereich trotz eines eher flexibilisierten Vergabeverfahrens nicht ohne vorangegangene Prüfung und Wertung erfolgen. Daraus ergibt sich aber keine zwingend unumkehrbare Reihenfolge der Vorgehensweise des Auftraggebers, die es ausschliesen würde, Fehler auf vorgelagerten Wertungsstufen auftraggeberseitig aufzugreifen, zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.
Tenor:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag der Antragstellerin auf erweiterte Akteneinsicht wird zurückgewiesen.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen.
4. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wird für notwendig erklärt.
Gründe:
I.
1. Die Antragsgegnerin (Ag) veröffentliche am [...] eine unionsweite Auftragsbekanntmachung für ein Vergabeverfahren zur Beschaffung von Bauleistungen für den Rückbau [...] im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb (EU-Bekanntmachung Nr. [...]. Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis.
Die ausgeschriebene Leistung umfasst in Ziff. 3.1.660 LV die Entsorgung von [...] Boden des Zuordnungswertes Z2 ("Entsorgung Boden EPP Z 2") sowie in Ziff. 3.1.750 LV den "Transport Boden EPP Z 2" im Umfang von [...].
In den bei den Vergabeunterlagen befindlichen Bewerbungsbedingungen bestimmte die Ag unter Ziff. 2 (Kommunikation), dass die Vergabe über das Vergabeportal der Ag durchgeführt wird. Es liege im Verantwortungsbereich der Unternehmen, regelmäßig Einsicht in ihr Postfach des Vergabeportals der Ag zu nehmen und dort hinterlegte Informationen/Dokumente abzurufen.
Ziff. 8.1 der Bewerbungsbedingungen (Preisermittlung, Kalkulation) enthielt die Vorgabe: "Der Bieter hat mit seinem Angebot eine detaillierte Angebotskalkulation, die Aufschlüsselung der Gemeinkosten der Baustelle (BGK-LV) und die Anlage 4.1, 4.4 und 4.6 jeweils im pdf-Format vorzulegen...."
Ziff. 8.2 der Bewerbungsbedingungen gab vor: "Die Unterlagen nach 8.1 sind in jedem Fall vollständig, in sich schlüssig und widerspruchsfrei zur Angebotskalkulation auszufüllen."
Bei den Anlagen 4.1 (Kalkulationsschlussblatt), 4.4 (Kalkulationsmittellohn) und 4.6 (Geräteliste) handelte es sich um Formulare der Ag zur Kalkulation. Gemäß Ziff. 6 des Inhaltsverzeichnisses der Vergabeunterlagen waren die "detaillierte Angebotskalkulation inkl. Aufschlüsselung der Gemeinkosten der Baustelle (zu allen Angeboten)" als dem Angebot beizulegende Unterlagen aufgeführt, ferner hierzu u.a. die Anlagen 4.1, 4.4. und 4.6.
Die Ag führte insgesamt drei Angebotsrunden durch, nach der Phase des Erstangebotes folgten zwei Verhandlungsrunden, an denen neben einem dritten Bieter und einem weiteren Bieter, der im Ergebnis die letzte Bindefrist nicht verlängerte, auch die Antragstellerin (ASt) und die Beigeladene (Bg) beteiligt waren.
ASt und Bg reduzierten ihre Preise von Angebotsrunde zu Angebotsrunde, der dritte Bieter nur von der ersten zur zweiten Angebotsrunde, welchen er bei der dritten Angebotsrunde hielt.
Zur ersten Angebotsrunde nahm die Ag eine formale Angebotsprüfung vor und dokumentierte mit dem Erstangebot vorgelegte sowie nachzufordernde und nachgereichte Unterlagen in einer "Checkliste zur formalen Angebotsprüfung" vom 6. bzw. 14. März 2024. Zu diesem Zweck forderte die Ag bei der ASt am 6. März 2024 folgende Unterlagen nach: Angebotskalkulation, Kalkulationsblätter nach den Anlagen 4.1, 4.4 und 4.6 sowie die Aufschlüsselung der Gemeinkosten Baustelle (BGK). Von der Bg forderte die Ag am 6. März 2024 die fehlende Aufschlüsselung der Gemeinkosten Baustelle (BGK) nach. Alle Unterlagen wurden fristgerecht nachgereicht.
Zur zweiten und dritten Angebotsrunde führte die Ag keine formale Angebotsprüfung durch.
Die ASt gab zur ersten Angebotsrunde ein Hauptangebot ab sowie zu den LV-Positionen 3.1.660 und 3.1.750 ein Nebenangebot, das die Ag wirksam ausschloss. Mit dem Erstangebot und dem Angebot zur zweiten Angebotsrunde gab die ASt die Anlagen 4.1, 4.4, 4.6, die Aufgliederung BGK und eine Detailkalkulation, angelehnt an das EFB-Preisblatt, ab; die Unterlagen für die zweite Verhandlungsrunde kennzeichnete die ASt mit dem Kürzel V2. Zur dritten finalen Angebotsrunde reichte die ASt diese Unterlagen aus der ersten und zweiten Runde unverändert ein. Ferner übermittelte die ASt mit ihrem finalen Angebot eine Angebotserklärung, in der sie unter Abschnitt B.1 erklärte, die Bewerbungsbedingungen der Ag beachtet zu haben (1.1.) sowie, die gemäß dem Inhaltsverzeichnis Vergabeunterlagen mit dem Angebot einzureichenden Anlagen beigefügt zu haben (1.3).
Die Bg reichte mit dem Erstangebot und zur zweiten Angebotsrunde die Anlagen 4.1, 4.4, 4.6 und ihre Angebotskalkulation (Urkalkulation) unverändert ein, ebenso zur dritten, finalen Angebotsrunde. Die Aufschlüsselung der Baustellengemeinkosten hatte die ASt in der ersten Angebotsrunde auf Nachforderung der Ag nachgereicht, diese blieb in den folgenden Angebotsrunden unverändert.
Der dritte verbliebene Bieter reichte mit dem Erstangebot und zur zweiten Angebotsrunde nur die jeweils überarbeiteten Anlagen 4.1 und 4.4 für sein Haupt- und sein Nebenangebot ein. Für die dritte Angebotsrunde reichte der dritte Bieter nochmals überarbeitete Anlagen 4.1., 4.4. sowie die Anlage 4.6 für Haupt- und Nebenangebot und eine Erläuterung zu den Gemeinkosten der Baustelle; aber keine Angebotskalkulation, ein.
In der Angebotsaufforderung zur dritten finalen Angebotsrunde am 27. Mai 2024 hatte die Ag allen Bietern, von der Ag versendet am 28. Mai 2024 über ihre Vergabeplattform, mitgeteilt, dass mit dem Angebot bestimmte Erklärungen abzugeben seien, ferner: "Bereits abgegebene unveränderte Unterlagen ihres Angebots müssen nicht erneut abgegeben werden."
Nach der dritten finalen Angebotsrunde rangierte die Bg preislich an erster Stelle, die ASt rangierte auf dem zweiten Platz.
Die ASt wandte sich mit einem zulässigen Nachprüfungsantrag im Nachprüfungsverfahren VK2- [...] gegen die von der Ag beabsichtigte Zuschlagsentscheidung an die Bg, über die die Ag die Ast nach § 134 GWB wirksam informiert hatte. Die ASt hatte in diesem Nachprüfungsverfahren eine Mischkalkulation der Bg sowie ein unauskömmliches Angebot bemängelt. Auf Hinweis der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung des Verfahrens VK2-[...], die zur Prüfung der Mischkalkulation ein Dokumentationsdefizit der Ag in der Vergabeakte sah, half die Ag ab und erklärte sich zu einer neuen Prüfung und Dokumentation der Frage, ob das Angebot der Bg eine unzulässige Mischkalkulation aufweist, bereit. Die ASt nahm daraufhin ihren Nachprüfungsantrag zurück.
Die Ag wandte sich sodann mit Schreiben vom 2. und 14. Oktober 2024 an die Bg und forderte nähere Aufklärung zur Kalkulation. Die Bg beantwortete die Schreiben der Ag mit Schreiben vom 10. und 15. Oktober 2024. Im Zuge der Aufklärung legte die Bg auch ein Angebot ihrer Verwertungsstelle für die Entsorgung von Z2-Boden vor.
Die Ag hielt daraufhin im Vergabevermerk fest, dass sie nach Aufklärung keine Anhaltspunkte für eine Mischkalkulation beim Angebot der Bg erkenne und dass der Zuschlag auf das Angebot der Bg erteilt werden solle.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2024 informierte die Ag die ASt nach § 134 GWB darüber, den Zuschlag erneut auf das Angebot der Bg erteilen zu wollen.
Die ASt wandte sich mit Rügeschreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 22. Oktober 2024 gegen die, beabsichtigte Zuschlagsentscheidung, indem sie eine Mischkalkulation und ein unauskömmlich kalkuliertes Angebot auf Seiten der Bg, ferner eine fehlerhaft unterlassene Preisprüfung durch die Ag und die fehlerhafte Fristberechnung des Zuschlagstermins in der Information nach § 134 GWB bemängelte. Die ASt berief sich für ihren Vortrag zur Unauskömmlichkeit des Angebots der Bg im Rügeschreiben u.a. darauf, dass die Bieter nach Ziff. 8.1 der Bewerbungsbedingungen zur Vorlage einer detaillierten Angebotskalkulation verpflichtet seien und die Aufschlüsselung der Baustellengemeinkosten sowie die Anlagen 4.1, 4.4 und 4.6 nach Ziff. 8.2 der Bewerbungsbedingungen in jedem Fall vollständig, in sich schlüssig und widerspruchsfrei zur Angebotskalkulation vorzulegen seien.
Die Ag wies die Rüge der ASt mit Schreiben vom 25. Oktober 2024 zurück.
Nachdem die ASt noch am 25. Oktober 2024 über ihre Verfahrensbevollmächtigten bei der Vergabekammer des Bundes einen Nachprüfungsantrag eingereicht hatte, erbat die Ag mit Bieternachrichten über die Vergabeplattform vom 28. Oktober 2024 die Verlängerung der Bindefrist bis zum 31. Dezember 2024, der die ASt mit Nachricht vom gleichen Tage über die Vergabeplattform zustimmte.
Die Ag stellte am 29. Oktober 2024 im Rahmen einer von ihr für die dritte finale Angebotsrunde auf die Rüge der ASt hin nachgeholten und in einer "Checkliste zur formalen Angebotsprüfung" dokumentierten Prüfung fest, dass alle in der Wertung verbliebenen Bieter mehrere Kalkulationsunterlagen, insbesondere die ASt und die Bg die Anlagen 4.1, 4.4. und 4.6, die Angebotskalkulation bzw. die Aufschlüsselung der Baustellengemeinkosten zur finalen Angebotsrunde in unveränderter Fassung aus den vorangegangenen Runden eingereicht hatten und forderte alle im Vergabeerfahren verbliebenen drei Bieter auf, diese innerhalb von acht Kalendertagen nachzureichen. Die Aufforderungen der Ag ergingen mit Nachricht vom Abend des 29. Oktober 2024 an alle verbliebenen Bieter, darunter die ASt und die Bg, über die elektronische Vergabeplattform der Ag. Die Ag wies in den Nachforderungsschreiben jeden Bieter darauf hin, dass das Angebot nach fruchtlosem Fristablauf vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen werde.
Diese Nachricht mit der Nachforderung unter Fristsetzung mussten die Bieter jeweils von der Vergabeplattform abrufen. Die Bieter und so auch die ASt erhielten zunächst am 29. Oktober 2024 eine automatisch generierte Nachricht, dass die Vergabestelle eine neue Nachricht zum streitgegenständlichen Vergabeverfahren gesendet habe. Die Nachricht enthielt folgenden Hinweis: "Um die Nachricht zu lesen und ggf. zu beantworten, melden Sie sich bitte mit folgendem Link... in der Vergabeplattform an und wechseln Sie in den Bieterassistenten. Wählen Sie dort Ihr Verfahren und öffnen den Arbeitsschritt Nachrichten. ... "
Die ASt rief diese Nachricht nicht ab und legte die geforderten Unterlagen nicht binnen der von der Ag darin gesetzten Frist vor. Die übrigen Bieter kamen der Nachforderung fristgemäß nach. Die Bg lieferte mit Nachricht vom 5. November.2024, 10:07 Uhr, die nachgeforderten Anlagen 4.1., 4.4 und 4.6, die Angebotskalkulation und die Aufschlüsselung der Baustellengemeinkosten nach. Die nachgereichten Unterlagen der Bg für das finale Angebot enthielten im Vergleich zu den von der Bg bis dato nur in der unveränderten Fassung der ersten und zweiten Angebotsrunde eingereichten Fassungen Änderungen in der Angebotskalkulation und in den Anlagen 4.1 und 4.6.
Der dritte Bieter übermittelte die nachgeforderten Unterlagen am 5. November 2024, 14:39 Uhr.
Am 7. November 2024 stellte die Ag fest, dass die Bg und der dritte Bieter die nachgeforderten Unterlagen fristgerecht und vollständig nachgereicht haben und die ASt die nachgeforderten Unterlagen nicht nachgereicht hat und das Angebot der ASt von der weiteren Wertung auszuschließen ist.
Zum Angebot der Bg und des dritten Bieters stellte die Ag in einer in der Vergabeakte dokumentierten Stellungnahme zu den nachgereichten Kalkulationsunterlagen am 8. November 2024 fest, dass diese der Nachforderung fristgerecht und vollständig nachgekommen seien. Die nachgereichten Unterlagen seien plausibel, rechnerisch und inhaltlich logisch und stimmten mit dem jeweiligen Angebot überein.
Hinsichtlich des Angebots der Bg seien die nachgereichten Informationen auch auf Übereinstimmung mit den Aufklärungen der Bg vom 10. und 15. Oktober 2024, insbesondere im Hinblick auf die Entsorgungs- und Transportpositionen 03.01.0660 und 03.01.0750 geprüft worden. Die Detailkalkulation entspreche der rechnerischen Darlegung der Aufklärungen der Bg; dies gelte auch für das von der Bg vorgelegte Angebot der Verwertungsstelle.
Die Ag teilte der ASt mit E-Mail vom 7. November 2024 mit, dass das Angebot der ASt von der Wertung im Hinblick auf § 51 Abs. 5 SektVO wegen einer formalen Unvollständigkeit ausgeschlossen worden ist.
2. Bereits mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 25. Oktober 2024 hatte die ASt bei der Vergabekammer die Nachprüfung der beabsichtigten Zuschlagsentscheidung der Ag zugunsten der Bg beantragt.
Die ASt trug darin detailliert vor, das Angebot der Bg sei unauskömmlich und enthalte eine Mischkalkulation.
Eine Preisprüfung bei der Bg habe die Ag ermessensfehlerhaft unterlassen. Auch im Nachprüfungsantrag berief sich die ASt auf die nach Ziff. 8.1 und 8.2 einzuhaltenden vollständigen, schlüssigen und widerspruchsfreien Kalkulationsvorgaben. Den Nachprüfungsantrag hatte die Vergabekammer der Ag noch am 25. Oktober 2024 übermittelt, die Ag hatte den Empfang am gleichen Tage bestätigt.
Die Ag teilte der Vergabekammer mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 8. November 2024 mit, dass sie das Angebot der ASt von der Wertung ausgeschlossen hat. Es sei im Lichte des Rügevorbringens der ASt aufgefallen, dass die gemäß Ziff. 8.1 der Bewerbungsbedingungen geforderten Kalkulationsunterlagen in der finalen Angebotsrunde nicht in aktualisierter Fassung vorgelegt worden seien.
Die ASt habe auf die Nachforderung nicht reagiert, daher sei das Angebot der AS zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen.
Hierzu erhielt die ASt durch die Vergabekammer die Gelegenheit zur Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren.
a) Die ASt bemängelt mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 12. November 2024; der Angebotsausschluss der ASt sei rechtswidrig und unwirksam, da der Ausschluss lediglich aus Gründen der formalen Vollständigkeit der Aktendokumentation erfolgt sei und keine inhaltliche Relevanz habe.
Die ASt räumt ein, dass die ASt die von der Ag auf der Vergabeplattform zum Abruf für die ASt am 29. Oktober 2024 abends bereit gestellte Nachricht zur Nachforderung der finalen Fassungen der Kalkulationsunterlagen unter Fristsetzung nicht abgerufen habe. Sie sei davon ausgegangen, dass es sich bei dieser Nachricht um die Eingangsbestätigung der Ag zu der am Tag zuvor von der ASt über die Vergabeplattform erklärten Bindefristverlängerung gehandelt habe. Die am 29. Oktober 2024 abends bei der ASt eingegangene automatische Benachrichtigung, es liege eine Nachricht zum Abruf für die ASt bereit, habe über den Inhalt der eigentlichen Mitteilung der Ag nichts ausgesagt. Die ASt habe aber am 29./30. Oktober 2024 nicht mehr mit einer Nachforderung zu ihrem Angebot vom 29. Mai 2024 rechnen müssen.
Die Ag habe weder im Juni zur ersten Angebotsprüfung noch nach Rückversetzung des Vergabeverfahrens Unterlagen von der ASt nachgefordert. Die ASt habe erst mit der E-Mail-Nachricht der Ag vom 7. November 2024 über den Ausschluss ihres Angebots von der Nachforderung Kenntnis erlangt, den Ausschluss des Angebotes am 8. November 2024 gegenüber der Ag gerügt und die nachgeforderten Unterlagen vorsorglich über die Vergabeplattform bei der Ag eingereicht.
Die Ag habe während des gesamten Vergabeverfahrens nicht nur über die Nachrichten in der Bieterplattform, sondern auch via E-Mail mit der ASt kommuniziert. Die Ag habe die ASt mitunter zusätzlich zu automatisch generierten inhaltslosen Benachrichtigungen auch per E-Mail informiert. Es sei der Eindruck entstanden, dass wichtige Nachrichten der ASt, die die Bieter nicht übersehen sollten, zusätzlich per E-Mail versandt würden. Bei Nachrichten, die der Ag weniger wichtig gewesen seien, habe die Ag es bei den automatisch vom System generierten Benachrichtigungen belassen und keine zusätzliche E-Mail versandt.
Schließlich hätten sich im Hauptangebot der ASt vom zweiten zum finalen Angebot nur drei LV-Positionen verändert, wodurch der Angebotspreis um eine eher niedrigere sechsstellige Summe gesunken sei. Es hätten sich entsprechend nur drei Einheitspreise in der Angebotskalkulation und damit einhergehend das Kalkulationsschlussblatt geändert. Die weiteren Anlagen 4.4, 4.6 und die Aufschlüsselung der Gemeinkosten der Baustelle BGK seien unverändert geblieben und daher schon nach der Angebotsaufforderung der Ag zur finalen Angebotsrunde nicht nachzureichen gewesen. Insofern sei bereits die Nachforderung unzulässig gewesen. Schließlich sei die Nachforderung der besagten Unterlagen für das Nebenangebot der ASt unzulässig, da dieses bereits bestandskräftig von der Wertung ausgeschlossen worden sei.
Die Nachforderung sei daher mit der von § 51 SektVO vorgesehenen Prüfungsreihenfolge unvereinbar.
Hierzu habe die Ag die Angebotswertung abgeschlossen gehabt und daher die Vergleichbarkeit und Vollständigkeit der Angebote bestätigt, was die Nachforderung von Unterlagen zur formalen Angebotsprüfung ausschließe.
Die Nachforderung sei zudem widersprüchlich und daher unwirksam: Die Ag habe mit der Angebotsaufforderung zur finalen Runde nur die Vorlage der Unterlagen gefordert, die sich im Vergleich zur vorangegangenen Runde geändert hätten. Die Nachforderung vom 29. Oktober 2024 habe dagegen alle Unterlagen, die einzureichen gewesen seien, erwähnt, also auch solche, die unverändert geblieben seien.
Dies sei augenfällig bei den Unterlagen zum Nebenangebot der ASt, das bereits wirksam ausgeschlossen gewesen sei.
Alles in allem sei die Nachforderung vor diesem Hintergrund unverhältnismäßig und daher nach § 51 Abs. 2 SektVO ermessensfehlerhaft erfolgt. Der Ag fehle es bereits - wie vorstehend aufgezeigt - an einem legitimen Zweck der Nachforderung und sei auch nicht zur Verfolgung des Zwecks der Angebotsprüfung geeignet bzw. erforderlich. Es gehe der Ag nur um den Ausschluss des Angebots der ASt, obwohl sie ihre Wertungsentscheidung bereits getroffen habe. Das Angebot der ASt sei nicht für den Zuschlag vorgesehen, die nachgeforderten Unterlagen beträfen die Zuschlagsentscheidung zugunsten der Bg nicht. Eine Nachforderung sei bei der ASt erst geboten, wenn diese für den Zuschlag vorgesehen sei. Schließlich sei der Ausschluss unangemessen, da sich bei der ASt nur drei Einheitspreise im finalen Angebot verändert hätten und demzufolge die Änderungen der nachgeforderten Unterlagen sich nur geringfügig auf den Wertungspreis auswirkten.
Die ASt beantragt zudem erweiterte Akteneinsicht in die ungeschwärzten Aufklärungsverlangen der Ag gegenüber der Bg und die Aufklärungsergebnisse der Bg.
Die ASt beantragt,
1. der Ag zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Bg zu erteilen,
2. der Ag aufzugeben, das Angebot der Bg vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen und die Angebotswertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,
3. die Vergabeakte beizuziehen und der ASt unverzüglich Akteneinsicht zu gewähren, insbesondere betreffend der Aufklärungsergebnisse nach Erledigung des vorgehenden Nachprüfungsverfahrens (VK2-[...]),
4. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der ASt für notwendig zu erklären,
5. der Ag die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
b) die Ag beantragt:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die ASt hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Ag zu tragen.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Ag wird für notwendig erklärt.
Die Ag hält den Antrag hinsichtlich der Rügen der Mischkalkulation und der Unauskömmlichkeit des Angebots der Bg sowie der fehlerhaften Berechnung der Zuschlagsfrist im Informationsschreiben nach § 134 GWB bereits für unzulässig, jedenfalls für unbegründet, ebenso die weiteren Rügen der ermessensfehlerhaft unterbliebenen Preisprüfung, wozu die Ag sämtlich näher ausführt.
Den erst im Zuge des Nachprüfungsverfahrens verfügten Angebotsausschluss der ASt hält die Ag für wirksam. Das Angebot sei zwingend auszuschließen, da die ASt die nachgeforderten Unterlagen nicht binnen der gesetzten Frist nachgereicht habe. Dies folge im Rahmen der anzuwendenden SektV0 aus den vergaberechtlichen Grundsätzen der Transparenz und der Gleichbehandlung, wonach nur solche Angebote bezuschlagt werden dürften, die den ausgeschriebenen Vorgaben vollumfänglich entsprächen. Dies sei beim Angebot der ASt mangels der vorgelegten aktualisierten finalen Kalkulationsunterlagen nicht der Fall.
Anlass für die Nachforderung der Unterlagen bei der ASt habe ihre Rüge gegeben, die bei der Ag weniger als 24 Stunden vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens eingegangen sei. Die ASt habe auf Ziff. 8 der Bewerbungsbedingungen Bezug genommen und unter Bezug darauf einen Verstoß gegen die Vergabeunterlagen durch die Bg reklamiert. Der Ag sei erst im Zuge der weiteren Prüfung vor diesem Hintergrund aufgefallen, dass alle Bieter es unterlassen hätten, die relevanten Kalkulationsunterlagen mit dem finalen Angebot vorzulegen, wonach es zu einer Nachforderung bei allen Bietern gekommen sei.
Die Notwendigkeit, die Anlagen 4.1, 4.4 und 4.6, die Angebotskalkulation und die Aufschlüsselung der Baustellengemeinkosten bei der ASt nachzufordern, ergebe sich aus Ziff. 8.1 und 8.2 der Bewerbungsbedingungen. In der Überschrift der Bewerbungsbedingungen habe die Ag klargestellt, dass der Auftraggeber sich den Ausschluss der Angebote vorbehalte, die den Bewerbungsbedingungen nicht entsprächen.
Die Ag habe zudem in der Angebotsaufforderung zur dritten und finalen Angebotsrunde informiert, dass Unterlagen mit dem finalen Angebot erneut vorzulegen seien, wenn diese eine inhaltliche Änderung erfahren haben. Dies sei grundsätzlich der Fall gewesen, wenn sich die Angebotspreise des jeweiligen Bieters im finalen Angebot verändert hätten. Dann seien auch die entsprechenden Kalkulationsunterlagen zu aktualisieren gewesen. So sei es auch bei der ASt, wie diese selbst eingeräumt habe. Die ASt habe die Unterlagen aber nicht fristgemäß nachgereicht. Da die Ag ohne Einblick in diese Unterlagen nicht habe wissen können, welche Angaben in den Kalkulationsunterlagen durch die veränderten Preise im Angebot der ASt betroffen seien, könne die Nachforderung bei der ASt nicht rechtswidrig sein. Dass die ASt die Nachforderung nicht gelesen habe, beruhe auf einem internen Organisationsdefizit. Es habe ihr oblegen, den Abruf von Nachrichten der Ag über die Vergabeplattform sicherzustellen.
Die Nachforderung bei der ASt sei rechtmäßig und wirksam nach § 51 Abs. 2 SektVO erfolgt. Ein Verstoß gegen eine von § 51 SektVO vorgegebene Prüfungsreihenfolge liege nicht vor. § 51 Abs. 1 SektVO ordne nur an, dass die Angebote geprüft würden, bevor der Zuschlag erteilt werde, was noch nicht erfolgt sei. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfe ein Auftraggeber gebotene Aufklärungsmaßnahmen und Korrekturen ergreifen.
Insofern sei zu berücksichtigen, dass die Nachforderung auf den Hinweis der ASt in ihrer Rüge zurückzuführen sei, dessen sich die Ag erst nach Übermittlung des Nachprüfungsantrags gewahr geworden sei. Die Ag habe in dieser Situation aufklären und nachfordern dürfen.
Der Antrag der ASt auf erweiterte Akteneinsicht sei unbegründet. Die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigen hält die Ag für notwendig. Eine anwaltliche Vertretung der Ag sei aufgrund der Bedeutung des Beschaffungsvorhabens erforderlich. Die Ag habe unter hohem Zeitdruck auf den Nachprüfungsantrag der ASt erwidern müssen, wobei zahlreiche rechtliche Fragen zu berücksichtigen gewesen seien. Zusätzlich sei die prozessuale Waffengleichheit zugunsten der Ag zu beachten, da auch die ASt anwaltlich vertreten gewesen sei.
c) Die mit Beschluss vom 29. Oktober 2024 förmlich zum Nachprüfungsverfahren hinzugezogene Bg stellt keine förmlichen Anträge. Sie ist der Ansicht, dass der Nachprüfungsantrag hinsichtlich der bemängelten Unauskömmlichkeit und der Mischkalkulation des Angebotes der Bg unbegründet sei, was näher ausgeführt wird.
Den Ausschluss des Angebots der ASt hält die Bg für rechtmäßig. Die ASt sei mit Schreiben der Ag vom 28. Mai 2024 wirksam aufgefordert worden, zum finalen Angebot alle Dokumente aktualisiert vorzulegen, die sich im Vergleich zu den vorangegangenen Angebotsrunden verändert hätten. Die ASt habe selbst eingeräumt, dass sich ihr finales Angebot verändert habe und damit jedenfalls Teile der Kalkulationsunterlagen, ohne dass die ASt die nachgeforderten Unterlagen nachgereicht habe. Die ASt könne sich auch nicht auf eine besondere Schutzbedürftigkeit berufen. Wegen des von der ASt betriebenen Nachprüfungsverfahrens hätte diese besondere Sorgfalt für sämtliche und vor allem über den in den Vergabeunterlagen vorgegebenen offiziellen Kommunikationsweg eingegangenen Informationen an den Tag legen müssen, was offensichtlich nicht geschehen sei.
Einen Anspruch auf erweiterte Akteneinsicht sieht die Bg bei der ASt nicht. Die von der ASt begehrte Einsicht in die Aufklärung bei der Bg betreffe deren nicht offenzulegende Geschäftsgeheimnisse. Die Forderung der ASt diene nicht dem Nachprüfungsverfahren, sondern allein einer Schädigung der Bg. Aus dem vorangegangenen Nachprüfungsverfahren VK2-[...] sei ersichtlich, dass die ASt mit einer Schädigungsabsicht gegenüber der ASt agiere. So habe die ASt dort unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der ASt eine nach Ansicht der Bg unwahre Tatsachenbehauptung aufgestellt und versucht, das Ansehen der Bg zu schädigen. Dies sei ein Indiz für eine Marktverdrängungsabsicht der ASt gegenüber der Bg. Einer erweiterten Akteneinsicht der Bg stehe entgegen, dass der Nachprüfungsantrag unbegründet sei.
Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Bg sei mit Blick auf die tatsächliche und rechtliche Komplexität der Angelegenheit und unter. Berücksichtigung der prozessualen Waffengleichheit notwendig gewesen.
3. Die Vergabekammer hat der ASt nach Anhörung und mit Zustimmung der Ag Einsicht in die Vergabeakte gewährt, soweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht betroffen waren. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die elektronische Vergabeakte; soweit sie der Vergabekammer vorgelegen hat, sowie auf die Verfahrensakte der Vergabekammer wird verwiesen.
Nachdem der Verfahrensbevollmächtigte der ASt bei der Vergabekammer am 12. November 2024 telefonisch eine vorläufige rechtliche Einschätzung zum Ausschluss des Angebots der ASt erbeten hatte, hat der hauptamtliche Beisitzer diesem in einem Telefonat am 13. November 2024 mitgeteilt, dass kammerseitig der Ausschluss bei vorläufiger Betrachtung für rechtmäßig gehalten werde.
Die mündliche Verhandlung hat am 18. November 2024 stattgefunden. Am Schluss der mündlichen Verhandlung erbat der Verfahrensbevollmächtigte der ASt eine kurze nachgelassene Schriftsatzfrist, um auf die letzte Stellungnahme des Verfahrensbevollmächtigten der Ag reagieren zu können, in der es um Fragen der Mischkalkulation ging. Die Vergabekammer hat diesem Wunsch nicht entsprochen, da diese Frage nicht länger entscheidungserheblich sei.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a) Das Nachprüfungsverfahren gemäß §§ 160 ff. GWB ist grundsätzlich statthaft.
aa) Der Anwendungsbereich des 4. Teils, des GWB ist eröffnet. Für die Vergabe der hier ausgeschriebenen streitgegenständlichen Leistungen gelten nach § 1 Abs. 1 SektVO die Vorschriften der SektVO. Zugrunde liegt ein öffentlicher Bauauftrag i.S.v. § 103 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB i.V.m. Anhang I der Richtlinie 2014/25/Ed (45.1.11 - Abbruch von Gebäuden und anderen Bauwerken) zum Zweck einer Sektorentätigkeit gemäß § 102 Abs. 4 GWB. durch die Ag als einer dem Bund zuzurechnenden Sektorenauftraggeberin nach § 100 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) GWB (vgl. VK Bund, Beschluss vom 13. Oktober 2009, VK1-173/09; ferner grundlegend VK Bund, Beschluss vom 11. März 2004, VK1-151/03), so dass die Vergabekammer des Bundes nach § 159 Abs. 1 Nr. 3 GWB für das Nachprüfungsverfahren zuständig ist.
bb) Der Schwellenwert für die unionsweite. Vergabe von Aufträgen im Bereich der SektVO ist nach der Auftragswertschätzung gemäß Ziff. 1.1 der in der Vergabeakte [...] dokumentierten Abstimmung zur Vergabe, freigegeben am 30. Oktober 2023, ohne Weiteres überschritten, § 2 Abs. 1 SektVO.
b) Die Antragsbefugnis der ASt nach § 160 Abs. 2 S. 1 GWB ist als Teilnehmerin am Vergabeverfahren zu bejahen. Sie beruft sich auf eine Verletzung der gemäß § 97 Abs. 6 GWB ohne Weiteres bieterschützenden Vorschriften zur Gewährleistung eines chancengleichen Wettbewerbs im streitgegenständlichen Vergabeverfahren. Hieraus folgt auch die nach § 160 Abs. 2 S. 2 GWB notwendige Darlegung des aus den behaupteten Rechtsverstößen zu Lasten der ASt folgenden Schadens in Gestalt der ihr entgehenden Zuschlagschance. Aus ihrer Sicht und mit ihren Möglichkeiten hat die ASt die von ihr behaupteten Vergaberechtsverstöße hinreichend substantiiert. Dies gilt erst recht für den von den Ag erst im Laufe des Nachprüfungsverfahrens verfügten Ausschluss des Angebots der ASt, gegen den die ASt sich nunmehr vorrangig wendet.
c) Die Rügen der ASt zur Mischkalkulation und der Unauskömmlichkeit des Angebots der Bg bzw. der ermessensfehlerhaft unterbliebenen Preisprüfung sowie der fehlerhaften Fristberechnung des Zuschlagstermins in der Information nach § 134 GWB sind auf das Vorabinformationsschreiben vom 17. Oktober 2024 fristgemäß im Rügeschreiben vom 22. Oktober 2024 nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB erfolgt.
Hinsichtlich des von der Ag erst im Laufe des Nachprüfungsverfahrens verfügten Angebotsausschlusses greift die Rügeobliegenheit nach § 160 Abs.3 S. 1 GWB nicht.
d) Auf das Nichtabhilfeschreiben der Ag vom 25. Oktober 2024 hat die ASt den Nachprüfungsantrag am gleichen Tage ohne Weiteres rechtzeitig binnen der Antragsfrist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB bei der Vergabekammer des Bundes anhängig gemacht.
2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet. Die Ag hat das Angebot der ASt rechtmäßig von der Wertung ausgeschlossen, nachdem die ASt die von ihr wirksam nachgeforderten Kalkulationsunterlagen nicht fristgemäß nachgereicht hat und das Angebot der ASt damit nicht vollständig war.
a) Die Rechtsgrundlage für den Ausschluss folgt im Anwendungsbereich der SektVO aus § 51 SektVO i.V.m. den vergaberechtlichen Grundsätzen des § 97 Abs. 1, 2 GWB. Daraus ergibt sich, dass auch im Anwendungsbereich der SektVO nur vollständige und widerspruchsfreie Angebote gewertet werden dürfen, die den Vergabeunterlagen entsprechen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Dezember 2009, Verg 52/09; OLG München, Beschluss vom 29. September 2009, Verg 12/09; VK Bund, Beschluss vom 10. Mai 2013, VK1-27/13).
Dies entspricht schließlich den Maßgaben der Sektorenrichtlinie 2014/25/EU, vgl. insbesondere dessen Art. 76 Abs. 5.
aa) Das Angebot der ASt war unstreitig unvollständig, da es die nach Ziff. 8.1 der Bewerbungsbedingungen auch mit dem finalen Angebot grundsätzlich abzugebenden Unterlagen (Angebotskalkulation, Aufschlüsselung der Baustellengemeinkosten und die Kalkulationsunterlagen der Anlagen 4.1., 4.4 und 4.6) nicht enthalten hat und diese auch auf die Nachforderung der Ag nicht fristgemäß von der ASt vorgelegt worden sind.
Ziff. 8.2 der Bewerbungsbedingungen sieht ausdrücklich vor, dass die Unterlagen nach Ziff. 8.1 "in jedem Fall vollständig...zur Angebotskalkulation auszufüllen" waren, Ziff. 6 des "Inhaltsverzeichnisses Vergabeunterlagen" besagt zu diesen Unterlagen ebenfalls explizit, dass eine entsprechend detaillierte Angebotskalkulation "zu allen Angeboten" und damit auch zum finalen Angebot vorzulegen war. Dass sich diese Vollständigkeitsanforderung, wie die Ag in ihrer Angebotsaufforderung vom 27. Mai 2024 konkretisiert hatte, nur auf solche Unterlagen bezog, die sich im Vergleich zum vorangegangenen Angebot verändert hatten, ändert im Fall der ASt nichts, da ebenso unstreitig ist, dass sich ihre Einheitspreise im LV und damit der finale Angebotspreis in jedem Fall verändert haben und daher jedenfalls die Angebotskalkulation der ASt und ihr Kalkulationsschlussblatt der Anlage 4.1 zu aktualisieren waren.
bb) Dass die ASt die von der Ag nachgeforderten Unterlagen - wie die ASt vorgetragen hat vorsorglich auf die Rüge des Angebotsausschlusses erst am 8. November 2024 auf die Vergabeplattform der Ag übermittelt hatte, ist unbeachtlich, weil diese Nachreichung nicht innerhalb der von der Ag mit dem Nachforderungsschreiben gesetzten Frist erfolgt ist ((1 )). Auch eine nachfristige Berücksichtigung der außerhalb der gesetzten Frist eingereichten Unterlagen kommt nicht in Betracht ((2))
Nach § 51 Abs. 4 SektVO sind nachzufordernde Unterlagen vom Bieter nach Aufforderung durch den Auftraggeber innerhalb einer von diesem festzulegenden angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vorzulegen. Die Ag hat hier eine entsprechende angemessene Frist zur Nachreichung bestimmt, die die ASt nicht eingehalten hat.
(1) Die Ag hatte in ihrer Nachforderung vom 29. Oktober 2024 der ASt, wie auch den übrigen Bietern, eine Frist gesetzt, die nachgeforderten Unterlagen "innerhalb von 8 Kalendertagen" der Ag auf die Vergabeplattform zu übermitteln. Die Frist begann danach gemäß § 187 Abs. 1 BGB am 30. Oktober 2024 zu laufen und endete gemäß § 188 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf des 6. November 2024. Damit waren die von der ASt erst am 8. November 2024 übermittelten Unterlagen ohne Weiteres verspätet.
Die ASt wurde seitens der Ag ordnungsgemäß über die Nachforderung und die Frist informiert. Sie hat die von der Vergabeplattform der Ag automatisch übermittelte Mitteilung an die ASt vom 29. Oktober 2024, dass dort eine nicht näher bezeichnete Nachricht zum Abruf bereitsteht und die ASt aufgefordert wird, diese abzurufen, unstreitig erhalten, aber diese dann nicht abgerufen. Die Bewerbungsbedingungen sehen in Ziff. 2 ausdrücklich vor, dass die Kommunikation im Vergabeverfahren über das Vergabeportal geführt wird und es im Verantwortungsbereich der Bieter liegt, regelmäßig Einsicht in ihr Postfach zu nehmen. Dies gilt umso mehr, als die ASt durch die von ihr selbst vorgelegte Mitteilung benachrichtigt worden war, dass dort eine zu lesende Nachricht der Ag zum Abruf bereit liegt. Dass die ASt bei Erhalt der Mitteilung davon ausging, es gehe um eine etwaige Eingangsbestätigung der Bindefristverlängerung, ist daher unerheblich.
Ebenso unerheblich ist, dass die ASt teilweise auch per E-Mail von der Ag benachrichtigt worden ist. Die nach Ziff. 2 der Bewerbungsbedingungen ausdrücklich statuierte Obliegenheit der Bieter, regelmäßig Einsicht in ihr Postfach des Vergabeportals der Ag zu nehmen, um dort hinterlegte Informationen abzurufen, wurde jedenfalls durch eine etwaige zusätzliche E-Mail-Kommunikation der Ag in bestimmten Fällen nicht aufgehoben, so dass die ASt auch nicht darauf vertrauen durfte, sie habe von der Nachforderung zusätzlich per E-Mail benachrichtigt werden müssen.
Überdies zeigen insbesondere die von der Ag an die ASt per E-Mail übermittelte Vorabinformation nach § 134 GWB vom 17. Oktober 2024 und die Ausschlussmitteilung vom 7. November 2024, dass die Ag den offiziellen Kommunikationsweg auch beim Versand von E-Mails nicht aufgegeben hat. Ausweislich der E-Mail der Ag an die ASt mit der Vorabinformation nach § 134 GWB vom 17. Oktober 2024 hat die Ag darin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Bieter sich bei Rückfragen an die Ag über das Bieterportal zu wenden haben, was gerade dem offiziellen Kommunikationsweg nach Ziff. 2 der Bewerbungsbedingungen entspricht.
(2) Eine nachfristige Berücksichtigung der von der ASt am 8. November 2024 übermittelten nachgeforderten Unterlagen kommt vor diesem Hintergrund nicht in Betracht und wurde von der Ag fehlerfrei nicht in Betracht gezogen. § 51 Abs. 4 SektVO räumt nur die Möglichkeit ein, eine einmalige Nachfrist für Unterlagen zu setzen, die bereits mit dem Angebot vorzulegen waren (vgl. VK Bund, Beschluss vom 10. Mai 2013, VK1-27/13). Die Ag hatte zudem jeden Bieter im Nachforderungsschreiben darauf hingewiesen, dass das Angebot nach fruchtlosem Fristablauf ausgeschlossen wird. Hieran ist sie zur Wahrung eines chancengleichen Wettbewerbs im Hinblick auf § 97 Abs. 1, 2 GWB gebunden und durfte die außerhalb der Frist übermittelten Unterlagen der ASt nicht mehr berücksichtigen.
b) Die Nachforderung der dem finalen Angebot der ASt fehlenden Kalkulationsunterlagen durch die Ag war - entgegen der Ansicht der ASt - rechtlich möglich, ohne dass eine unumkehrbare Reihenfolge der Prüfungsschritte entgegenstand (aa) und auch nicht unbeachtlich, sondern rechtmäßig (bb).
aa) Die ASt durfte die Unterlagen bei der ASt nachfordern. Entgegen der Ansicht der ASt stand einer Nachforderung zur Durchführung einer korrekten formalen Angebotsprüfung keine nach § 51 Abs. 1 SektVO zwingende Reihenfolge der Wertungsschritte entgegen.
Nach § 51 Abs. 1 SektVO werden die Angebote geprüft und gewertet, bevor der Zuschlag erteilt wird. Das bedeutet, dass der Zuschlag auch im Sektorenbereich trotz eines eher flexibilisierten Vergabeverfahrens nicht ohne vorangegangene Prüfung und Wertung erfolgen darf. Daraus ergibt sich aber keine zwingend unumkehrbare Reihenfolge der Vorgehensweise des Auftraggebers, die es ausschlösse, Fehler auf vorgelagerten Wertungsstufen auftraggeberseitig aufzugreifen, zu prüfen und ggf. zu korrigieren. Hier wurde der Zuschlag noch nicht endgültig erteilt. Die Ansicht der ASt führte gerade dazu, die von ihr in ihrer Rüge und im Nachprüfungsantrag gerade reklamierte Prüfung der Kalkulation der Bg auf Schlüssigkeit und Vollständigkeit nicht prüfen und ggf. korrigieren zu können. Dies wäre mit den vergaberechtlichen Grundsätzen des § 97 Abs. 1, 2 GWB unvereinbar.
bb) Die Nachforderung der Unterlagen der ASt war rechtmäßig. Nach § 51 Abs. 2 S. 1 SektVO kann der Auftraggeber die Bieter unter Einhaltung der vergaberechtlichen Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung auffordern, fehlende Unterlagen nachzureichen. Dies gilt nach § 51 Abs. 3 S. 1 SektVO grundsätzlich nicht für leistungsbezogene Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen.
(1) Die von der Ag bei der ASt und auch den übrigen Bietern nachgeforderten Unterlagen dienen dazu, die Schlüssigkeit bzw. Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit der hinter den im LV angebotenen Preisen stehenden Angebotskalkulationen nachvollziehen zu können. Sie sind mithin keine leistungsbezogenen Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung anhand des hier allein preislichen Zuschlagskriterium, so dass ihre Nachforderung nicht nach § 51 Abs. 3 S. 1 SektVO ausgeschlossen war.
(2) Die Nachforderung der Unterlagen bei der ASt war auch ermessensfehlerfrei. Der Ag fehlte es für die finale Angebotsrunde an der gebotenen formalen Prüfung der finalen Angebote. Insbesondere bedurfte es im Hinblick auf die Bewerbungsbedingungen der Prüfung der Vollständigkeit und Schlüssigkeit der Kalkulation, was die ASt in ihrer Rüge zu Recht angemerkt hat. Vor diesem Hintergrund war die Ag hier im Hinblick auf die vergaberechtlichen Grundsätze des § 97 Abs. 1, 2 GWB und des § 51 Abs. 1 SektVO gehalten, die entsprechenden fehlenden finalen Kalkulationsunterlagen bei allen Bietern nachzufordern.
Entgegen der Auffassung der ASt war die Nachforderung bei ihr auch nicht unverhältnismäßig, insbesondere zweckfrei. Die nachgeforderten Unterlagen dienen dazu, die Schlüssigkeit und Vollständigkeit der Kalkulation des finalen Angebots der ASt nachvollziehen zu können, ebenso wie die der übrigen Bieter.
Fehlen diese Unterlagen, ist das entsprechende Angebot somit in einem wesentlichen Punkt unvollständig.
Die ASt hat selbst in ihrer Rüge sowie im Nachprüfungsantrag auf die nach Ziff. 8.1 der Bewerbungsbedingungen einzureichenden Kalkulationsunterlagen und ihre dementsprechende Relevanz hingewiesen. Die Ag hat zudem diese fehlenden Unterlagen insbesondere bei der ASt bereits zur ersten Angebotsrunde nachgefordert, so dass klar war, dass mit entsprechenden Nachforderungen auch für die folgenden Angebotsrunden zu rechnen war, falls sich Veränderungen ergeben sollten. Damit steht im Grunde außer Streit, dass die Nachforderung nicht - wie die ASt späterhin im Hinblick auf den Angebotsausschluss vorgetragen hat der bloßen Dokumentation diente. Es ist nachvollziehbar und sachgemäß, dass die Ag auf die Rüge der ASt hin, die finalen Angebotsunterlagen aller Bieter geprüft und dabei festgestellt hat, dass zu den für die Wirtschaftlichkeitsbewertung im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung relevanten finalen Angeboten die aktualisierten Kalkulationsunterlagen fehlten. Da sich die finalen Preise im Vergleich zur vorangegangenen zweiten Verhandlungsrunde nochmals geändert hatten, war es denknotwendig, dass auch die zugrunde liegenden Kalkulationsunterlagen zu überarbeiten und dementsprechend neu einzureichen bzw. nachzureichen waren.
Gegen die Nachforderung spricht auch nicht, wie die ASt meint, dass die Ag bei ihr unterschiedslos alle beim finalen Angebot fehlenden Unterlagen nachgefordert hat, obwohl sich nicht in allen Änderungen ergeben hatten. Dies macht die Nachforderung nicht unwirksam. Denn da die Maßgabe der Angebotsaufforderung, nur die Unterlagen einzureichen, bei denen Änderungen vorzunehmen waren, unverändert galt, war ein entsprechender Hinweis im Nachforderungsschreiben auch entbehrlich und aus dem für die Auslegung maßgeblichen verobjektivierten Empfängerhorizont eines fachkundigen Bieters unmissverständlich klar, dass nur diejenigen Unterlagen einzureichen waren, bei denen sich kalkulationsbedingt Änderungen beim finalen Angebot ergeben hatten.
Die Nachforderung bei der ASt war auch nicht unverhältnismäßig, weil sie - wie die ASt meint nicht erforderlich gewesen sei, weil das Angebot der ASt bislang nicht für den Zuschlag vorgesehen sei. Die Zuschlagserteilung war wegen des laufenden Nachprüfungsverfahrens gerade noch nicht abgeschlossen, sondern stand auf dem Prüfstand. Auf die Rüge der ASt hat die Ag die Vollständigkeit und Schlüssigkeit der Kalkulation der finalen Angebote aller Bieter überprüfen wollen, wofür die fehlenden Kalkulationsunterlagen erforderlich waren. Hätten sich die Kalkulation der Bg auf die Rüge der ASt hin nach den finalen Kalkulationsunterlagen als unschlüssig erwiesen und eine von der Ag bemängelte Mischkalkulation ergeben, wäre es auf das Angebot der ASt angekommen. Vor diesem Hintergrund war es nicht unsachgemäß, die fehlenden Unterlagen aller Bieter gleichzeitig nachzufordern, um die gebotenen Prüfungen zeitnah nachholen zu können und weitere Verzögerungen im Ablauf des Nachprüfungsverfahrens zu vermeiden.
Dass die Ag auch die Kalkulationsunterlagen für das bereits bestandskräftig ausgeschlossene Nebenangebot der ASt nachgefordert hat, erscheint zwar in der Tat nicht erforderlich, machte aber, sofern die Nachforderung insoweit fehlerhaft gewesen sein sollte, was hier offen bleiben kann, die Nachforderung der Kalkulationsunterlagen des finalen Hauptangebots der ASt jedenfalls nicht unsachgemäß.
Schließlich ist auch nicht festzustellen, dass die Nachforderung der Unterlagen bei der ASt unangemessen gewesen ist, weil - wie die ASt meint - sich in ihrem finalen Angebot nur drei Einheitspreise und zwei Kalkulationsunterlagen verändert hätten. Hierauf kommt es schon deshalb nicht an, weil der Umfang der Änderungen an den Kalkulationsunterlagen für die Ag vor Kenntnis der nachgereichten Unterlagen gar nicht erkennbar war. Der Anlass für die Nachforderung ergab sich für die Ag allein sich aus dem veränderten Preis und dem Nichtvorliegen der nachgeforderten aktualisierten Kalkulationsunterlägen der ASt wie auch der übrigen Bieter zum finalen Angebot.
c) Dass die Nachforderung der Unterlagen von der ASt entgegen § 97 Abs. 2 GWB eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu ihren Lasten darstellt, ist nicht festzustellen, da alle Bieter von der Nachforderung betroffen waren und dementsprechend zur Nachreichung von nicht mit dem finalen Angebot eingereichten Kalkulationsunterlagen aufgefordert worden sind. Die übrigen Bieter haben die nachgeforderten fehlenden finalen Kalkulationsunterlagen - wie die Ag in der mündlichen Verhandlung explizit bestätigt hat -, fristgemäß auf der Vergabeplattform der Ag eingereicht.
d) Da das Angebot der ASt auszuschließen war und weitere wertungsfähige Angebote anderer Bieter verbleiben, kommt es auf die Prüfung und Entscheidung ihrer übrigen Rügen nicht mehr an.
Soweit der Verfahrensbevollmächtigte der ASt am Schluss der mündlichen Verhandlung eine zweitägige Nachlassfrist zur Reaktion auf den Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Ag vom 15. November 2024 erbeten hat, in dem die Ag auf die Frage der Mischkalkulation eingegangen ist, indem sie von ihr ermittelte Erkenntnisse zur Marktsituation der Entsorgung von Z2-Boden vorgetragen hat, lehnt die Vergabekammer dieses Begehren mit Blick auf den Beschleunigungsgrundsatz nach § 167 GWB ab. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung stand für die Vergabekammer fest, dass die Frage der Mischkalkulation nicht mehr entscheidungserheblich ist, weil der vorgreifliche Angebotsausschluss, der ASt nach Überzeugung der Vergabekammer rechtmäßig ist. Auf eine Entscheidung der übrigen Rügen kommt es somit nicht mehr an.
e) Der Antrag der ASt auf ergänzende Akteneinsicht wird nach § 165 Abs. 2 GWB abgelehnt.
Die ASt beansprucht insofern, zusätzlich Einsicht in die Aufklärung der Ag bei der Bg und deren Antwortvorgang einsehen zu dürfen. Eine Offenlegung dieser Vorgänge, insbesondere - was die ASt in der mündlichen Verhandlung explizit angesprochen hat - des Angebots der Verwertungsstelle der Bg für das Z2-Bodenmaterial, tangiert die Geschäftsgeheimnisse der Bg. Denn diese Informationen lassen Rückschlüsse auf die Inhalte und die Kalkulation des Angebots der Bg zu.
Der Offenlegung an die ASt stehen überwiegende wichtige Gründe entgegen. Das Akteneinsichtsrecht hat einen dienenden, dem Nachprüfungsbegehren akzessorischen Charakter und ist grundsätzlich durch dieses insofern begrenzt, als es zur Durchsetzung der subjektiven Rechte des Antragstellers erforderlich ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Oktober 2024, VII Verg 18/24 m.w.N. - std. Rspr.). Da es im hiesigen Nachprüfungsverfahren - wie festgestellt vorrangig um die Rechtmäßigkeit des Angebotsausschlusses der ASt geht, die gegeben ist, und die übrigen von der ASt erhobenen Rügen nicht mehr entscheidungserheblich sind, bedarf es der Offenlegung des Aufklärungsvorgangs zur Frage der Mischkalkulation der Bg nicht.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 sowie Abs. 4 S. 1, S. 2, S. 4 GWB, § 80 Abs. 1, 2 und 3 S. 2 VwVfG (Bund).
1. Die unterliegende ASt trägt nach § 182 Abs. 3 S. 1 GWB die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer (Gebühren und Auslagen) und nach § 182 Abs. 4 S. 1 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der, Ag.
2. Ebenfalls werden der ASt als unterliegender Partei des Nachprüfungsverfahrens nach § 182 Abs. 4 S. 2 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Bg auferlegt. Es entspricht der Billigkeit, diese Aufwendungen der Bg der ASt aufzuerlegen. Die vom Nachprüfungsantrag angegriffene Bg hat sich zur Sache eingelassen und so zum Nachprüfungsverfahren substantiell beigetragen.
Die Bg ist vor diesem Hintergrund ein Kostenrisiko eingegangen, das es rechtfertigt, ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der ASt aufzuerlegen.
3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag war nach § 182 Abs. 4 S. 4, § 80 Abs. 1, 2 und 3 S. 2 VwVfG (Bund) notwendig.
Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren bedarf einer einzelfallgerechten Betrachtung, abstellend auf den Zeitpunkt der Hinzuziehung (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06; vgl. ferner OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. September 2022, VII-Verg 15/22). Die Notwendigkeit der Hinzuziehung hängt davon ab, ob der jeweilige Verfahrensbeteiligte nach den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, den Sachverhalt aufgrund der bekannten bzw. erkennbaren Tatsachen zu erfassen, der im Hinblick auf eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung bzw. -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Maßgeblich ist bei der Abwägung, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war oder nicht, ob sich im Nachprüfungsverfahren für den Auftraggeber im Wesentlichen auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazugehörigen vergaberechtlichen Vorschriften gestellt haben. In diesem Fall ist es grundsätzlich nicht notwendig, dass er hierfür einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen muss. Diese Angelegenheiten betreffen den originären Aufgabenkreis des öffentlichen Auftraggebers, für die er sich selbst die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse verschaffen muss, so dass es auch im Nachprüfungsverfahren nicht geboten ist, einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten hinzuzuziehen (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Zu berücksichtigen ist ferner der Grad der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhaltes, die Komplexität oder Überschaubarkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen sowie persönliche Umstände wie u.a. die sachliche oder personelle Ausstattung des Verfahrensbeteiligten (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalt kann daher insbesondere geboten sein, wenn sich im Nachprüfungsverfahren nicht einfachgelagerte Rechtsfragen stellen, insbesondere solcher verfahrensrechtlicher Natur oder solcher Art, die auf einer höheren Rechtsebene als der der Vergabeordnungen zu entscheiden sind (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Vor dem Hintergrund dieser Maßgaben ist die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag hier als notwendig anzuerkennen. Zwar betrafen die in den Rügen und im Nachprüfungsverfahren seitens der ASt bemängelten Fragestellungen zunächst rein auftragsbezogene Aspekte, die dem originären Aufgabenkreis der Ag als Auftraggeberin zuzuordnen sind. Die nach dem Nachprüfungsantrag klärungsbedürftige Plausibilität der Kalkulation sowie einer möglichen Mischkalkulation der Bg und die Auskömmlichkeit des Angebots der Bg, die korrekte Berechnung der Zuschlagsfrist nach § 134 GWB, ferner die Prüfung der Vollständigkeit der Kalkulationsunterlagen und deren Nachforderung sowie der Ausschluss des Angebots der ASt sind ohne Weiteres originär von einem öffentlichen bzw. Sektorenauftraggeber zu prüfen. Hierfür waren die von einem Sektorenauftraggeber wie der Ag ohnehin zu beherrschenden vergaberechtlichen Vorschriften zugrunde zu legen. Hierzu ist ein Auftraggeber auch selbst in der Lage, die notwendigen rechtlichen Schlussfolgerungen in einem Nachprüfungsverfahren zu ziehen und sich dazu einzulassen.
Die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag ist im hiesigen Fall aber der besonderen Bedeutung bzw. einer besonderen Komplexität des Sachverhaltes und der zu beurteilenden Rechtsfragen geschuldet. Die Verfahrensbevollmächtigten der Ag haben diesen Aspekt zwar nur pauschal vorgetragen. Zu berücksichtigen ist aber der Gesamtzusammenhang des Nachprüfungsverfahrens. Im Einzelnen:
Die ASt hat in ihrer Stellungnahme vom 5. November 2024 vorgetragen, dass die Bg auf das Aufklärungsverlangen der Ag ein Angebot einer Verwertungsstelle zur Erklärung ihres kalkulierten Entsorgungspreises vorgelegt hat, das zivilrechtlich als Scheinangebot nach § 117 BGB zu bewerten sei.
Damit trat für die zentrale Rüge der Mischkalkulation des Angebots der Bg ein zu beurteilender rechtlicher Aspekt hinzu, der den originären Aufgabenkreis der Ag überschritt. Die zivilrechtliche Bewertung von Drittverträgen, die im Rahmen eines Aufklärungsprozesses von Bietern vorgelegt werden, stellt üblicherweise keinen auftragsbezogenen Aspekt dar, auf den ein öffentlicher bzw. Sektorenauftraggeber eingestellt sein muss.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass dem Nachprüfungsverfahren bereits das Nachprüfungsverfahren VK2-[.,.] vorausgegangen war Die bereits in diesem Nachprüfungsverfahren anwaltlich vertretene Ag hatte in Abhilfe der im Verfahren VK2-[...] von der Vergabekammer bemängelten Dokumentationsverstöße der Prüfung der Mischkalkulation behoben und eine entsprechende Aufklärung bei der Bg durchgeführt und dokumentiert, nach deren Auswertung sie den Zuschlag an die Bg beabsichtigt und auf der Grundlage ihrer Dokumentation begründet hat. Das Ergebnis ihrer Aufklärungsmaßnahmen hat die Ag der ASt in ihrem von den Verfahrensbevollmächtigten der Ag verfassten Nichtabhilfeschreiben vom 25. Oktober 2024 näher erläutert. Dem am gleichen Tag von der ASt eingereichten Nachprüfungsantrag war - was sie in ihrem Schriftsatz vom 5. November 2024 ausdrücklich hervorgehoben hat - von Anfang an zu entnehmen, dass sie gegenüber der Ag "kein Vertrauen in deren bislang vorgenommenen Aufklärungsmaßnahmen" hatte, "weil diese von zu wenig Fach- und Branchenkenntnis gerade für Verwertung und Entsorgung von Bodenmaterial oder von fehlendem Aufklärungswillen zeugen". Für die Ag ergab sich daraus - wie sie im Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigen vom 8. November 2024 ausgeführt hat - ein deutliches Misstrauen in ihre Verfahrensführung. In dieser Situation ist es nachzuvollziehen, dass die Ag auf den Nachprüfungsantrag hin ihren Rechtsanwalt hinzugezogen hat, von dem sie sich bereits im Rügeverfahren hat vertreten lassen, um sicherzustellen, dass die auftraggeberseitig unternommenen und dokumentierten Maßnahmen einer nochmaligen Prüfung durch einen externen Rechtsanwalt unterzogen werden und dem Rügevorbringen der anwaltlich vertretenen ASt im Nachprüfungsantrag in vergaberechtlicher Hinsicht qualifiziert begegnen und das zum wiederholten Male durch ein Nachprüfungsverfahren suspendierte Vergabeverfahren zügig zu Ende führen zu können:
4. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Bg war ebenfalls notwendig, § 182 Abs. 4 S. 4 GWB, § 80 Abs. 1, 2.und 3 S. 2 VwVfG (Bund). Von einem Unternehmen wie der Bg kann nicht erwartet werden, die hier gegebenen vergaberechtlichen und insbesondere die nachprüfungsverfahrensrechtlichen Fragestellungen im Nachprüfungsverfahren ohne anwaltliche Hilfe aufzuarbeiten. Die ASt hat hier einen direkten Interessengegensatz zur Bg hergestellt, indem die ASt den Ausschluss des Angebots der Bg beantragt hat.
Die Anwendung des Vergaberechts ist in erster Linie an die öffentlichen Auftraggeber adressiert und nicht unmittelbare Angelegenheit der Bieter. Hinzu tritt zugunsten des Bg der Aspekt der prozessualen Waffengleichheit im Hinblick auf die im Nachprüfungsverfahren ebenfalls rechtsanwaltlich vertretene ASt.
IV.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf - Vergabesenat - einzulegen.
Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Die Beschwerde ist bei Gericht als elektronisches Dokument einzureichen. Dieses muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Dies gilt nicht für. Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind. Ist die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig.
Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.
Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.
Selbstreinigung auch nach abgeschlossener Eignungsprüfung!
Selbstreinigung auch nach abgeschlossener Eignungsprüfung!
Melden Sie sich jetzt an unter www.vpr-online.de, um sämtliche Entscheidungen im Volltext lesen zu können.
vpr-online ist DIE Datenbank für öffentliche Auftraggeber und Bieter sowie für alle Berater auf den Gebieten des Vergaberechts.
Mit vpr-online haben Sie außerdem jederzeit und überall Zugriff auf über 5.800 VPR-Beiträge nach dem 1-Seiten-Prinzip, über 12.016 Entscheidungen im Volltext, Arbeitshilfen, Materialien und vieles mehr.
OLG Jena
Beschluss
vom 02.10.2024
Verg 5/24
1. Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen in Bezug auf die Ausschlussgründe oder Eignungskriterien eine schwerwiegende Täuschung begangen hat.
2. Es spricht einiges dafür, dass § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB als Ausschlussgrund nur bei Falschangaben bzw. unvollständigen Angaben im laufenden Vergabeverfahren zur Anwendung kommt, nicht hingegen bei Falschangaben bzw. unvollständigen Angaben aus vorangegangenen Vergabeverfahren desselben Auftraggebers oder anderer öffentlicher Auftraggeber. Eine schwerwiegende Täuschung des öffentlichen Auftraggebers in einem früheren Vergabeverfahren kann unter dem Gesichtspunkt der nachweislich schweren Verfehlung in späteren Vergabeverfahren Berücksichtigung finden und einen fakultativen Ausschlussgrund darstellen.
3. Selbstreinigungsmaßnahmen können auch nach dem Zeitpunkt der Eignungsprüfung - noch im laufenden Nachprüfungsverfahren - zu berücksichtigen sein.
4. Der öffentliche Auftraggeber hat einen Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob die Selbstreinigungsmaßnahmen des Unternehmens ausreichend sind. Dem Auftraggeber kommt auch bei dieser Prognose ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.
vorhergehend:
VK Thüringen, 25.06.2024 - 5090-250-4003/442
OLG Jena, Beschluss vom 07.05.2024 - Verg 3/24
VK Thüringen, 21.02.2024 - 5090-250-4003/442
nachfolgend:
OLG Jena, Beschluss vom 03.12.2024 - Verg 5/24
Beschluss:
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers wird der Beschluss der Vergabekammer Freistaat Thüringen vom _ - Az. _ - aufgehoben.
Die Entscheidung des Antragsgegners vom 26.09.2023 über den Ausschluss des Antragstellers von der Teilnahme am Vergabeverfahren "Winterdienst und Störungsbeseitigung 20_ - 20_ auf Bundes- und Landesstraßen im U_" und über den Ausschluss des Angebotes des Antragstellers von der Wertung in diesem Vergabeverfahren wird aufgehoben. Der Antragsgegner wird bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht verpflichtet, das Vergabeverfahren unter Beteiligung des Antragstellers und unter Berücksichtigung seines Angebots fortzuführen.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragstellers zu tragen. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers im Nachprüfungsverfahren wird für notwendig erklärt. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen des Antragstellers zu tragen.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 446.363.- Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der AG schrieb den in den Nrn. II.1.1), 1.4), 2.4) und 2.7) des Supplements zum Amtsblatt der EU vom _ (Tag der Absendung der Bekanntmachung) näher bezeichneten und im Zeitraum vom 01.10.20_bis 30.09.20_ zu erbringenden "Winterdienst und Störungsbeseitigung 20_-20_ auf Bundes- und Landesstraßen im Landkreis U_" im Rahmen eines offenen Verfahrens europaweit aus. Der AST beteiligte sich mit Angebotsabgabe vom _. Der AG teilte der zweitplatzierten T_mit Bieterinformation vom _ mit, dass beabsichtigt sei, nach Ablauf der Informationsfrist, frühestens am _, den Zuschlag auf das Angebot des AST zu erteilen; die T_ habe nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben.
Gegen die beabsichtigte Zuschlagserteilung reichte die T_ am _ einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer ein; das Nachprüfungsverfahren wird unter dem Az. _ geführt und ist bei der Vergabekammer Freistaat Thüringen weiterhin anhängig; der AST ist dort Beigeladener. Der AG teilte dem AST mit Anhörungsschreiben vom _ mit, dass beabsichtigt sei, ihn nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB wegen einer schwerwiegenden Täuschung von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen. Dem AG [Region Nord] sei bekannt geworden, dass der AST mit Schreiben vom 20.07.2023 des AG [Amtsbereich Mitte] unter anderem gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB von der Teilnahme an dem parallelen Vergabeverfahren "Winterdienst und Störungsbeseitigung auf Bundes- und Landesstraßen 20_-20_ im Landkreis I_" wegen einer schwerwiegenden Täuschung ausgeschlossen worden sei. Mit seinem Angebot habe er zum Nachweis der geforderten Mindestsolelagerkapazität von 500 m3 einen Bescheid der unteren Naturschutzbehörde der Stadt S_ vom 21.06.2021 vorgelegt, der eine Gesamtlagermenge an Salzlauge von 500 m3 ausweise. Ein solcher Bescheid vom 21.06.2021 sei von der Stadt S_ jedoch nicht erlassen worden.
Vielmehr weise der tatsächlich erlassene Bescheid der Stadt S_ vom 21.06.2021 eine Gesamtlagermenge an Salzlauge von lediglich 100 m3 aus. Damit habe der AST den öffentlichen Auftraggeber darüber getäuscht, dass die Mindestsolelagerkapazität für die Lagerstätte am Standort S_ in tatsächlicher Hinsicht nicht gegeben sei und insoweit eine Fehlvorstellung über einen erfolgreichen Nachweis der geforderten Mindestsolelagerkapazität hervorgerufen. Diese absichtliche Täuschung führe zu einem massiven Vertrauensverlust in den AST und zu erheblichen Zweifeln an einer ordnungsgemäßen und gesetzestreuen Ausführung der Leistung. Diese schwerwiegende Täuschung aus dem vorangegangenen Vergabeverfahren berechtige auch zu einem Ausschluss gemäß § 124 Nr. 8 Var.1 GWB im vorliegenden Vergabeverfahren.
Im Rahmen der Anhörung bat der AG um Mitteilung, ob und welche Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB ergriffen worden seien. Eine Stellungnahme des AST ging in der gesetzten Frist nicht beim AG ein.
Mit Schreiben vom 26.09.2023 schloss der AG den AST von der Teilnahme an dem Vergabeverfahren und sein Angebot gemäß § 42 Abs. 1 VgV i.V.m. § 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB von der Wertung aus. Der hierauf bezogenen Rüge des AST vom 28.09.2023 half der AG nicht ab.
Den mit Schriftsatz vom 16.10.2023 bei der Vergabekammer Freistaat Thüringen gestellten Nachprüfungsantrag hat die Vergabekammer mit dem nunmehr beschwerdegegenständlichen Beschluss vom 25.06.2024 zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, der zulässige Nachprüfungsantrag sei unbegründet. Der AG habe seine Entscheidung im Vergabeverfahren zu Recht auf den fakultativen gesetzlichen Ausschlusstatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB gestützt. Der AG habe das Angebot des AST im vorliegenden Verfahren zu Recht nach § 42 Abs. 1 VgV i.V.m. § 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB wegen einer schwerwiegenden Täuschung im parallelen Verfahren I_ ausschließen können.
Die Voraussetzungen für einen fakultativen Ausschluss des Angebots des AST nach §§ 124 Abs. 1 Nr. 8, 125 GWB lägen vor, weil der AST im Vergabeverfahren in Bezug auf seine Eignung im parallelen Verfahren l_ eine schwerwiegende Täuschung begangen und Selbstreinigungsmaßnahmen bis zum Abschluss des Ausschlussverfahrens nicht vorgetragen habe. Auch wenn die Täuschungshandlung im Parallelverfahren den l_ betreffend begangen worden sei, so komme wegen dieser Täuschungshandlung auch ein Ausschluss im vorliegenden Verfahren in Betracht. Eine schwerwiegende Täuschungshandlung über bieterbezogene Eignungskriterien beschränke sich nicht auf das konkrete Vergabeverfahren, sondern schlage auch auf andere Verfahren durch. Die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden. Es wird ergänzend auf den den Beteiligten bekannten Beschluss der Vergabekammer Bezug genommen.
Gegen diesen, ihm am 27.06.2024 zugestellten Beschluss richtet sich die am 04.07.2024 bei Gericht eingegangene Beschwerde des AST.
Der ASt trägt mit seiner Beschwerde vor, die Tatbestandsvoraussetzungen von § 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB lägen nicht vor. Jedenfalls sei der Ausschluss des Angebotes des Antragstellers ermessensfehlerhaft erfolgt. Darüber hinaus sei der Antragsteller auch nicht nach § 125 GWB auszuschließen, da er eine Selbstreinigung vorgenommen habe.
Die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Angebots des Antragstellers nach § 124 Abs.1 Nr. 8 Var.1 GWB lägen nicht vor, weil der Antragsteller in Bezug auf Eignungskriterien keine im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigende schwerwiegende Täuschung vorgenommen habe.
Es sei bereits strittig, ob Täuschungen aus vorangegangen Vergabeverfahren herangezogen werden können; jedenfalls bei zeitlich nachgelagerten Vergabeverfahren sei dies nicht möglich. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass bei normalem Lauf des Verfahrens der Antragsteller bereits seit fast zwei Jahren (seit dem _) in der Leistungserbringung im U_ tätig wäre. Eine nachträgliche Eignungsprüfung würde dann nur am Maßstab des § 133 GWB für eine Kündigung von öffentlichen Aufträgen in besonderen Fällen in Betracht gekommen.
Nur vorsätzliches Fehlverhalten könne einen Ausschlussgrund begründen. Vorsätzliches Verhalten, das dem Antragsteller zuzurechnen sei, liege hier jedoch nicht vor. Wichtig sei in diesem Zusammenhang im Hinblick darauf, dass die Veränderungen am Bescheid der unteren Naturschutzbehörde der Stadt S_ durch eine Mitarbeiterin vorgenommen worden seien, die Beschränkung der Haftung für Verrichtungsgehilfen, die sich auf das Auswahlverschulden beschränke (vgl. § 831 BGB). Ein Rechtsverstoß sei einem Unternehmen zuzurechnen, wenn die handelnde natürliche Person für die Leitung des Unternehmens verantwortlich gewesen sei. Hingegen sei die Zurechnung von Fehlverhalten eines sonstigen Mitarbeiters nicht möglich.
Bloßes Aufsichtsverschulden einer für das Unternehmen verantwortlich handelnden Person begründe demgegenüber keine Zurechnung des Verstoßes einer Nichtleitungsperson zum Unternehmen. Die Mitarbeiterin des Antragstellers, die die Unterlagen für die Angebotsabgabe zusammengestellt und auch die Änderungen im Bescheid vorgenommen habe, sei keine Person, die für die Leitung des Unternehmens verantwortlich sei. Die Herren W_ hätten sich auf die ordnungsgemäße Zusammenstellung der Angebotsunterlagen durch die bis dahin äußerst zuverlässige Mitarbeiterin verlassen; Herr A_ W_ habe demzufolge das Angebot entsprechend unterschrieben. Allerdings habe er nicht wissentlich und willentlich einen fehlerhaften Bescheid eingereicht, sondern sich auf die Mitarbeiterin verlassen. Vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller beabsichtigte, die Genehmigung der Gesamtlagermenge der Lagerstätte in S_ auf 500 t zu erhöhen und dass die Eignung erst zum Zeitpunkt der Auftragsausführung vorliegen müsse, könne in der Entscheidung des Antragstellers, sich am zugrundeliegenden Vergabeverfahren zu beteiligten, nichts Verwerfliches gesehen werden. Der Bieter müsse grundsätzlich erst zum Zeitpunkt der Auftragsausführung und nicht bereits zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe oder der Zuschlagserteilung über die erforderlichen Mittel und Kapazitäten für die Auftragsausführung verfügen. Für die Eignung des Bieters sei daher grundsätzlich nur erforderlich, dass belastbare Umstände vorlägen, die mit Blick auf den zukünftigen Zeitpunkt der Leistungserbringung die Annahme rechtfertigten, der Bieter sei in der Lage, die zur Auftragsausführung erforderlichen Mittel und Kapazitäten rechtzeitig zur Verfügung zu stellen.
Die Annahme der Vergabekammer, wonach eine Prognose, ob der von dem Ausschlussgrund betroffene Bewerber oder Bieter den konkreten Auftrag ordnungsgemäß ausführen werde, mithin ob eine Wiederholungsgefahr bestehe, nicht zu fordern sei, sei unzutreffend. Der Antragsgegner selbst sei davon ausgegangen, dass der Antragsteller eine sorgfältige, ordnungsgemäße und gesetzestreue Auftragsdurchführung gewährleisten werde, denn er habe den Antragsteller in anderen Vergabeverfahren als geeignet betrachtet. In dem Vergabeverfahren "Winterdienst und Störungsbeseitigung 20_-20_ auf Bundes- und Landesstraßen im Landkreis U_, Vergabe-Nr. _" habe der Antragsgegner im dortigen Verfahren das Angebot des Antragstellers vom 18. Mai 2022 (dort Beigeladener) als vollständig, fehlerfrei und zuschlagsfähig bewertet und zudem als wirtschaftlichstes Angebot. Fehler im Angebot habe er nicht angenommen, insbesondere nicht hinsichtlich der geforderten Eignungsnachweise. Der Antragsgegner habe zudem den Antragsteller für die Störungsbeseitigung 2024 in den Landkreisen G_ und I_ zur Angebotsabgabe aufgefordert. Der Antragsgegner habe also auch in diesem Verfahren (und auch in anderen Verfahren) den Antragsteller als geeignet eingestuft. Die Auffassung des Antragsgegners, dass verschiedene Sachverhalte vorliegen würden, die einen Ausschluss des Antragstellers bei den anderen Vergabeverfahren nicht gerechtfertigt hätten, sei unzutreffend. Dabei übersehe der Antragsgegner, dass § 124 GWB Tatbestände zusammenfasse, die der Teilnahme eines Unternehmens am Vergabeverfahren generell, d.h. unabhängig von der Art oder dem Umfang des auszuführenden Auftrags, entgegenstehen könnten. Die Zuverlässigkeit sei eine Eigenschaft eines Unternehmens. Sie unterscheide sich von den Fähigkeiten des Unternehmens und damit von den in § 122 Abs. 2 GWB genannten Eignungskriterien der Fachkunde und Leistungsfähigkeit. Die Zuverlässigkeit eines Unternehmens komme in seinem Verhalten (Geschäftsgebaren) zum Ausdruck. Der Vorwurf mangelnder Zuverlässigkeit gründet regelmäßig auf einem Fehlverhalten in der Vergangenheit. Es handele sich um einen "abstrakten Eignungsmangel", der losgelöst von dem konkret zu vergebenden Auftrag bestehe und auch eine Auftragssperre, d.h. den Ausschluss von einer Mehrzahl von Vergabeverfahren innerhalb eines längeren Zeitraums, rechtfertige.
Habe also der Auftraggeber - wie hier - die Zuverlässigkeit eines Unternehmens angenommen, gelte diese Feststellung unabhängig von der Art oder dem Umfang des auszuführenden Auftrages. Insofern sei der Vortrag des Antragsgegners, warum er die Eignung des Antragstellers in den anderen genannten Vergabeverfahren für Störungsbeseitigung, Reinigung und Sofortreparatur angenommen habe, widersprüchlich. Aber auch wenn der Ansicht des Antragsgegners gefolgt und davon ausgegangen werden würde, dass die Zuverlässigkeit eines Bieters bei verschiedenen (fast zeitgleichen) Vergabeverfahren unterschiedlich bewertet werden könnte, wäre auch in diesem Fall die Begründung des Antragsgegners nicht nachvollziehbar. Hier gehe es nicht darum, dass dem Antragsteller die Zuverlässigkeit aberkannt werde, weil er bestimmte Leistungen nicht ordnungsgemäß erbracht oder abgerechnet habe. Im zugrundliegenden Vergabeverfahren sei die Zuverlässigkeit des Antragstellers aus anderen Gründen verneint worden. Überwachungsmöglichkeiten bei der Leistungserbringung bzw. bei den Abrechnungen würden diesbezüglich also keine Abhilfe schaffen. Diese Begründung des Antragsgegners sei also nicht plausibel.
Der Antragsgegner habe die ergriffenen Maßnahmen des Antragstellers zur Selbstreinigung nach § 125 GWB ermessensfehlerhaft nicht berücksichtigt. Wenn der Auftraggeber für sich in Anspruch nehme, nachträglich erlangte Erkenntnisse aus anderen Vergabeverfahren zu Lasten eines Bieters zu berücksichtigen, sei er umgekehrt auch verpflichtet, nachträglich erlangte - entlastende - Erkenntnisse (wie hier die erlangten Erkenntnisse über die Durchführung von Selbstreinigungsmaßnahmen) zu Gunsten des Bieters zu berücksichtigen. Die Eignung der Bieter werde zumindest im offenen Verfahren nicht bezogen auf den Zeitpunkt der Angebotsabgabe oder den Fristablauf für die Einreichung der Nachweise, sondern bezogen auf den Zeitpunkt der Wertung bzw. des Zuschlags geprüft. Die Durchführung der Selbstreinigung führe zum Verbot des Ausschlusses. Die Versäumung der Stellungnahmefrist und die Selbstreinigungsmaßnahmen seien erläutert worden. Der Antragsteller habe den Antragsgegner über den gesamten Vorfall und seine Hintergründe bereits im Rahmen seines Rügevorbringens aufgeklärt. Er habe das Fehlverhalten der ehemaligen Mitarbeiterin im Vergabeverfahren I_ intern ermittelt. Die Person, die den Vorfall verursacht habe, ohne die Leitungsebene des Antragstellers darüber in Kenntnis zu setzen, habe das Unternehmen bereits zum __ verlassen. Er habe den gesamten Vorgang gegenüber dem Antragsgegner eingeräumt und Erläuterungen und Nachweise beigebracht. Zudem habe er, als der Vorfall bekannt geworden sei, den Nachprüfungsantrag im tatsächlich betroffenen Verfahren zum I_ direkt zurückgenommen.
Der Antragsteller habe organisatorische und personelle Maßnahmen zur Verhinderung eines vergleichbaren Vorfalls getroffen. Alle Mitarbeiter seien durch die neue Arbeitsanweisung sensibilisiert (bereits erstinstanzlich vorgelegt als Anlage ASt. 6), die allen Mitarbeitern, die mit den entsprechenden Tätigkeiten betraut seien, zur Kenntnis gegeben worden sei. Die Einübung und Einhaltung der Abläufe würden durch den Inhaber und den Prokuristen unmittelbar überwacht. Auch der Inhaber und der Prokurist selbst seien durch den Vorfall sensibilisiert und würden Angebotsunterlagen in Vergabeverfahren künftig einer noch kritischeren Prüfung unterziehen als bislang, ehe sie diese unterschreiben würden - hierfür sehe die besagte Arbeitsanweisung ausdrücklich einen zeitlichen Vorlauf bei der Vorbereitung der Unterlagen vor. Überdies würden (vgl. Schulungsnachweis, bereits erstinstanzlich vorgelegt als Anlage ASt. 12 sowie unter Ziff. 2.2) regelmäßig Mitarbeiterschulungen durchgeführt. Die mit der Angebotserstellung beschäftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Inhaber persönlich hätten am 24. November 2023 an einer Schulung zur Angebotserstellung bei öffentlichen Aufträgen teilgenommen.
Der Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 GWB bzw. der Selbstreinigung sei von dem Zeitpunkt der Nachweisführung zu unterscheiden. Wenn der Auftraggeber erst nach der Feststellung der Eignung Kenntnis von Tatsachen erlangt habe, die einen Ausschlussgrund bei dem betroffenen Bewerber begründeten, sei jedenfalls für das Offene Verfahren anzunehmen, dass die Vergabestelle in diesem Fall zugunsten des Unternehmens auch nachträglich durchgeführte Selbstreinigungsmaßnahmen berücksichtigen dürfe. Darüber hinaus gehe es hier auch nicht um eine Nachforderung von Unterlagen, sondern um die Fertigung einer Stellungnahme, ob und welche Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB ergriffen worden seien. Daher sei vorliegend der Anwendungsbereich von § 125 GWB eröffnet und nicht der von § 57 VgV. Etwas anderes würde nur gelten, wenn entsprechende Nachweise ausdrücklich bereits mit der Abgabe des Angebots gefordert worden wären und nicht wie hier der Auftraggeber erst nach der Feststellung der Eignung Kenntnis von Tatsachen erlangt habe, die einen Ausschlussgrund bei dem Antragsteller begründeten.
Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch, dass die Erweiterung tatsächlich vorgenommen worden sei (vgl. Änderungsbescheid vom 22. November 2023, bereits erstinstanzlich vorgelegt als Anlage ASt. 15). Bei der Beurteilung des Vorfalls sei weiterhin zu würdigen, dass der Vorfall mit der fehlerhaften Bescheinigung im Verfahren I_ bzw. der Ausschluss im dortigen Verfahren bereits zwei Jahre zurückliege (20. Juli 2023, vgl. Anhörungsschreiben im zugrundeliegenden Vergabeverfahren vom 21. August, bereits erstinstanzlich vorgelegt als Anlage ASt. 1) und selbst der maximale Ausschlusszeitraum bei fakultativen Ausschlussgründen von drei Jahren (§ 126 Nr. 2 GWB) zu zwei Dritteln abgelaufen sei.
Es sei nicht zu erkennen, dass die Auswirkungen des Ausschlusses für das Unternehmen des Antragstellers in die Abwägung einbezogen worden wären. Da der Beschwerdeführer das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe, habe er gute Aussichten, den Auftrag zu erhalten, wenn er nicht vom Vergabeverfahren und der Wertung ausgeschlossen werde.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer beantragt, soweit für die Beschwerdeentscheidung noch von Bedeutung:
1. Der Beschluss der Vergabekammer des Freistaates Thüringen - Az. _- vom _ wird aufgehoben.
2. Dem Antragsgegner wird untersagt, das Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung abzuschließen.
3. Dem Antragsgegner wird bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht aufgegeben, die Angebotswertung unter Berücksichtigung des Angebotes des Antragstellers nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Vergabesenats fortzuführen.
4. Hilfsweise: Der Senat wirkt unabhängig auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hin (vgl. § 168 Abs. 1 S. 2 GWB).
5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Antragsteller im Nachprüfungsverfahren wird für notwendig erklärt.
6. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsstellers zu tragen.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner beantragt,
1. die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen,
2. dem Antragsteller die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Der AG trägt vor:
Die zulässige Beschwerde sei unbegründet. Der zugrundeliegende Beschluss der Vergabekammer vom 25.06.2024 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner habe das ihm obliegende Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt und den Antragsteller gem. § 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen. Durch den Antragsteller durchgeführte Selbstreinigungsmaßnahmen seien durch diesen nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgetragen und nachgewiesen worden.
Bei dem manipulierten Bescheid im Parallelverfahren ("Winterdienst und Störungsbeseitigung auf Bundes- und Landesstraßen 20_-20_ im Landkreis I_") handele es sich eindeutig um einen Nachweis zur Bestätigung der im Verfahren geforderten Eignung. Der Verfügbarkeitsnachweis über die Mindestsolelagerkapazität sei in der Bekanntmachung unter dem Punkt 111.1.3 "zusätzliche, auftragsbezogene Eignungsanforderungen" ordnungsgemäß veröffentlicht und somit wirksam gefordert worden. Die Manipulationen an dem aIs Eignungsnachweis vorgelegten Bescheid der Stadt S_ vom _ stellten auch eine schwerwiegende Täuschung im Sinne der Norm dar. Es seien an mehreren Stellen Änderungen vorgenommen worden. Die betroffenen Passagen fänden sich teilweise innerhalb eines Textabsatzes; es sei versucht worden, die Änderungen so einzufügen, dass diese bei einer augenscheinlichen Prüfung Ieicht zu übersehen seien. Damit scheide Fahrlässigkeit aus. Die Umsetzung der Änderung habe nur in vollem Bewusstsein über eine vorsätzliche Manipulation erfolgen können. Ziel der Änderung sei eindeutig gewesen, den Nachweis über die Erfüllung des Eignungskriteriums der Mindestsolelagerkapazität zu erbringen. Dies sei ein erheblicher Eingriff in das Vergabeverfahren, welcher mit den Grundsätzen Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit nicht in Einklang zu bringen sei. Gemäß dem Vortrag des Antragstellers sei die Täuschungshandlung durch eine Iangjährige Mitarbeiterin vorgenommen worden. Dies sei dem Antragsteller gem. § 278 BGB zuzurechnen.
Die schwerwiegende Täuschung könne auch in dem vorliegenden Verfahren Berücksichtigung finden. Der Tatbestand müsse nach dem Wortlaut der Norm nicht im konkreten Vergabeverfahren erfüllt worden sein. Insgesamt sollten die Regelungen in den §§ 123 und 124 GWB sicherstellen, dass nur solche Unternehmen den Zuschlag erhielten, die Recht und Gesetz in der Vergangenheit eingehalten hätten und bei denen gesetzestreues Verhalten auch in Zukunft zu erwarten sei. Es sei darauf abzustellen, dass und inwieweit die Täuschungshandlung eine negative Prognose in Bezug auf das fragliche Unternehmen bezüglich des Iaufenden Vergabeverfahrens trage. Das hier gegenständliche Vergabeverfahren im U_ (Tag der Absendung der Bekanntmachung: _) sowie das parallele Vergabeverfahren im I_ (Tag der Absendung der Bekanntmachung: _), aus dem der Täuschungstatbestand übertragen worden sei, fielen zeitlich nicht auseinander. Gleichermaßen treffe dies auf das Vergabeverfahren im Landkreis G_ (Tag der Absendung der Bekanntmachung _) zu, in dem ebenfalls der veränderte Bescheid der Stadt S_ aIs Nachweis der Eignung herangezogen worden sei. Leistungsbeginn sei jeweils der _ gewesen. Dass das Fehlverhalten die Zuverlässigkeit des Antragstellers eindeutig in Frage stelle, werde durch den tatsächlich nachgelagerten Tatzeitpunkt (Abgabe der Eignungsnachweise mit dem Angebot im Vergabeverfahren Auftragsbekanntmachung zum Verfahren "Winterdienst und Störungsbeseitigung 20_-20_ auf Bundes- und Landesstraßen im I_" am _und damit 11 Tage nach Angebotsabgabe in dem vorstehend streitigen Verfahren) bestätigt. Der Antragsteller verfüge gemäß dem tatsächlichen 1. Änderungsbescheid der Stadt S_ vom _ über eine genehmigte Anlage mit einem Lagervolumen für Salzlauge von 100 m3, die gemäß besagter Matrix mit Gefährdungsstufe A deklariert worden sei. Eine Erhöhung des Lagervolumens auf 500 m3 führe zwangsläufig zu einer neuen Gefährdungseinstufung, die im vorliegenden Fall die Stufe B ergebe.
Gemäß § 41 AwSV verliere bspw. mit dem Wechsel der Gefährdungsstufe zu B die Anwendung des Ausnahmetatbestandes nach Absatz 2 Nummer 1 seine Wirkung, was im Ergebnis eine Eignungsfeststellung der Anlage nach § 63 Absatz 1 Wasserhaushaltsgesetz nach sich ziehe. Dies bedeute, dass der Antragsteller im vorliegenden Fall mit dieser Täuschung einen Wettbewerbsvorteil erlange, indem er einen finanziellen Vorteil aus den nicht vollzogenen, jedoch rechtlich erforderlichen Auflagen ziehe und ebenso Umweltschutz- und Sicherheitsaspekte missachte oder diese gefährde. Hier sei ebenso die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Antragsteller eine Kapazitätserhöhung ohne BeteiIigung der zuständigen Behörde vornehme.
Der Antragsgegner habe das ihm obliegende Ermessen im Rahmen der Entscheidung über den Ausschluss des Antragstellers fehlerfrei ausgeübt. Die Vergabestelle habe die ergriffenen Maßnahmen unter Berücksichtigung der Schwere sowie der besonderen Umstände der Straftat oder des Fehlverhaltens zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Schwere müsse das Vorliegen einer Straftat ebenso herangezogen werden, wie das Umgehen von Sicherheits- und Umweltschutzaspekten nach der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) und des daraus resultierenden Wettbewerbsvorteils.
Die durch den Antragsteller vorgetragenen Maßnahmen zur Selbstreinigung seien erst nach Ablauf der durch den Antragsgegner gesetzten Frist und auch erst nach erfolgtem Ausschluss bekannt geworden und hätten daher keine Berücksichtigung finden können. Die Bieter bestätigten bereits mit Abgabe ihres Angebots ihre wirtschaftliche Integrität, sodass auch mögliche Maßnahmen der Selbstreinigung jedenfalls zu diesem Zeitpunkt bereits ergriffen oder abgeschlossen sein müssten. Da alle Bieter bereits mit Angebotsabgabe wahrheitsgemäße Angaben über das Vorliegen von Ausschlussgründen machen müssten, stelle bereits das Verschweigen eines selbst erkannten aber noch nicht sanktionierten Ausschlussgrundes eine zum Ausschluss berechtigende Verfehlung dar. Eine Berücksichtigung solcher Maßnahmen nach bereits getroffener Ausschlussentscheidung würde den Bietern einen Gestaltungsspielraum über den Verlauf des weiteren Verfahrens eröffnen, der mit den Grundsätzen der Transparenz, der Verhältnismäßigkeit und des Wettbewerbs nicht in Einklang zu bringen sei. Durch die Berücksichtigung später eintretender Umstände hätte es der Bieter in den Händen, über entsprechende Rügen und Nachprüfungsverfahren das Vergabeverfahren so weit zu verzögern, bis er die Voraussetzungen der Selbstreinigung erfüllt. Zur Frage, ob der Ausschluss nach Eingang der verspäteten Unterlagen zurückzunehmen gewesen sei, werde Bezug auf § 57 Abs. 1 VgV genommen. Die Belege zur vorgenommenen Selbstreinigung seien erforderlich, um die Eignung im Rahmen der Angebotsprüfung beurteilen zu können. Bereits in den veröffentlichten Vergabeunterlagen sei aufgeführt, dass Nachweise hinsichtlich einer eventuell durchgeführten Selbstreinigung auf Verlangen der Vergabestelle des Antragsgegners vorzulegen seien. Eine weitere Nachforderung sei nicht möglich gewesen. Insofern handele es sich hier auch tatsächlich nicht um nachgeforderte, sondern um geforderte Unterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 VgV.
Der Vortrag des Antragstellers, die vorgetragenen Selbstreinigungsmaßnahmen seien nicht erst im Nachprüfungsverfahren, sondern bereits zur Zeit der Anhörung ergriffen worden, begegne hier zudem eindeutigen Zweifeln.
In anderen, späteren Vergabeverfahren habe die durchgeführte Selbstreinigung Berücksichtigung finden müssen, mit der Folge, dass der Antragsteller in anderen Vergabeverfahren wieder an den Wettbewerben beteiligt worden sei. Zudem verkenne der Antragsteller, dass es sich um verschiedene Sachverhalte handele. Im Falle von Vergabeverfahren für Störungsbeseitigung (vom Antragsteller benannt), Reinigung, Sofortreparatur usw. erfolgten seitens des Antragsgegners konkrete Teilbeauftragungen anhand der im Leistungsverzeichnis hinterlegten und vom Auftragnehmer bepreisten Leistungspositionen mit konkreten Mengenangaben mittels eines vorgegebenen Auftragsblattes. Diese würden durch den Auftraggeber mittels Aufmaß nach Leistungserbringung klar kontrollierbar und nachvollziehbar zur Abrechnung gebracht und vergütet. Ein Ausschluss vom Vergabeverfahren wäre im Rahmen der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens für diese Leistungen hinsichtlich Erforderlichkeit und Angemessenheit nicht zu bejahen, da die Überwachungsmöglichkeiten des Auftraggebers einem möglichen Missbrauch des gestörten Vertrauensverhältnisses entgegenstünden. Für die Ausschreibungen im Winterdienst Iiege die Leistungserbringung hinsichtlich Beauftragung und Abrechnung überwiegend in den Händen des Auftragnehmers, der dies nach eigenem Ermessen auf der Basis von Wetterdaten und Vorgaben nach erforderlichem Bedarf erbringe. Ferner gehe dies auf den Fahrer des Winterdienstfahrzeuges über, der im Rahmen einer Kontrollfahrt situationsbedingt festlegen könne, dass ein Streuen oder Räumen erforderlich sei. Der Auftraggeber muss darauf vertrauen, dass der Auftragnehmer im Rahmen einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung darüber entscheide, ob ein Streuen tatsächlich erforderlich sei und dass die im System erfasste Streumenge tatsächlich gestreut worden sei.
Vor diesem Hintergrund sei für eine Winterdienstausschreibung im Rahmen der Ermessensausübung der Ausschluss auf Grund des vorliegenden gestörten Vertrauensverhältnisses ein geeignetes Mittel, nur dadurch könnten insbesondere die vorgenannten vergaberechtlichen Grundsätze eingehalten werden. Es stehe kein anderes, gleich geeignetes Mittel zur Verfügung. Der Ausschluss sei angemessen, da eine Abwägung zwischen den Auswirkungen des Ausschlusses für das Unternehmen und dem Interesse des Auftraggebers an einer vertrauensvollen, gesetzestreuen und eigenverantwortlichen Ausführung der Leistung Winterdienst zu Gunsten der Interessen des öffentlichen Auftraggebers ausfalle.
Mit Beschluss vom 22.07.2024 hat der Senat auf den Antrag des AST vom 04.07.2024 die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den beschwerdegegenständlichen Beschluss der Vergabekammer bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde verlängert.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Da auch der Senat angesichts des Sach- und Streitstandes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, ergeht die Beschwerdeentscheidung im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 175 Abs. 2, 65 Abs. 1 GWB ohne mündliche Verhandlung auf Grund des Sachstands vom 19.09.2024, da die Beteiligten bis zu diesem Zeitpunkt Schriftsätze einreichen konnten.
II.
Die Beschwerde des AST ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der Vergabekammer und zur Aufhebung der Ausschlussentscheidung des Antragsgegners vom 26.09.2023 sowie dazu, den Antragsgegner bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht zu verpflichten, das Vergabeverfahren unter Beteiligung des Antragstellers und unter Berücksichtigung seines Angebots fortzuführen.
1. Die gemäß § 171 Abs. 1 GWB statthafte sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen in zulässiger Weise eingelegt worden, insbesondere nach der am 27.06.2024 erfolgten Zustellung des angefochtenen Beschlusses innerhalb der Beschwerdefrist (§ 172 Abs. 1 GWB) formgerecht am 04.07.2024 bei Gericht eingegangen und begründet worden.
2. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen der Vergabekammer im Beschluss vom 25.06.2024, Ziffer II. 1., denen der Senat beitritt, sowie ergänzend auf die den Beteiligten bekannten Ausführungen des Senats im Beschluss vom 07.05.2024 (Verg 3/24) Bezug genommen.
3. Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Die Entscheidung des AG, den AST gemäß §§ 42 Abs. 1 VgV, 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB von der Teilnahme am Vergabeverfahren und sein Angebot von der Wertung auszuschließen, ist im vorliegenden Falle ermessensfehlerhaft.
a) Nach § 122 Abs. 1 GWB werden öffentliche Aufträge an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach §§ 123 oder 124 GWB ausgeschlossen worden sind. Nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB können öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen in Bezug auf die Ausschlussgründe oder Eignungskriterien eine schwerwiegende Täuschung begangen hat.
b) Der AG ist öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 1 GWB. Der Ausschluss ist - "zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens" - grundsätzlich möglich, denn das Vergabeverfahren dauert noch an, weil der Zuschlag noch nicht erteilt worden ist (J. Ley in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. A., § 124 GWB, Rn. 199). Der Begriff des "Unternehmens" ist im unionsrechtlich vorgegebenen Sinne des "Wirtschaftsteilnehmers" zu interpretieren (J. Ley in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 124 GWB, Rn. 14), den der AST als natürliche Person durch seine Teilnahme am Wirtschaftsgeschehen erfüllt.
c) Der Begriff der Täuschung ist zu verstehen als die Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums durch Vorspiegelung falscher oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen. Ob eine Täuschung als schwerwiegend anzusehen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls; der Vergabestelle steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu (J. Ley in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 124 GWB, Rn. 13; 169, 171). Insbesondere bei der "schwerwiegenden Täuschung" des öffentlichen Auftraggebers in Var. 1 handelt es sich zudem um einen gewichtigen Verstoß, dessen Vorliegen Rückschlüsse auf die Integrität des Unternehmens über das einzelne Vergabeverfahren hinaus zulässt (BeckOK VergabeR/Friton, 32. Ed. 1.5.2023, GWB § 124 Rn. 73). Ein Ausschluss nach dieser Vorschrift kommt nur in Betracht, wenn sich die Täuschung oder die Zurückhaltung von Auskünften bzw. die nicht übermittelbaren Nachweise auf die Ausschlussgründe nach §§ 123, 124 GWB oder die Eignungskriterien nach § 122 GWB beziehen. Anderweitige Täuschungen, Auskunftsdefizite oder Unterlagen werden hiervon nicht erfasst (Ziekow/Völlink/Stolz, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, GWB § 124 Rn. 42).
aa) Umstritten ist, ob, weil es sich um eine schwerwiegende Täuschung handeln muss, in der Regel ein vorsätzliches Verhalten erforderlich ist (vgl. Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, PK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 124 GWB (Stand: 13.02.2023), Rn. 158; Ziekow/Völlink/Stolz, aaO, GWB § 124 Rn. 43), oder Fahrlässigkeit einer gewissen Schwere genügt (BeckOK VergabeR/Friton, 32. Ed. 1.5.2023, GWB § 124 Rn. 74).
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen der Vergabekammer erfolgte durch eine damalige Angestellte des AST im Vergabeverfahren "Winterdienst und Störungsbeseitigung auf Bundes - und Landesstraßen 20_ - 20_ im Landkreis I_" eine vorsätzliche Täuschung, die sich auf ein in jenem Verfahren abgerufenes Eignungskriterium bezog, nämlich den Nachweis einer Mindestsolelagerkapazität von 500 m3. Die in dem angefochtenen Beschluss konkret beschriebene Art und Weise der Manipulation des in jenem Verfahren zum Eignungsnachweis vorgelegten Bescheides der unteren Naturschutzbehörde (vgl. Ziffer II. 2. a), Seite 13, 14) tragen insoweit den Schluss auf das vorsätzliche Handeln der Angestellten und auf das schwerwiegende Gewicht der Täuschungshandlung.
bb) Umstritten ist weiter, ob der Ausschlussgrund nur dann Anwendung findet, wenn die Täuschung im laufenden Vergabeverfahren begangen wurde, oder ob dem Unternehmen entsprechende Pflichtenverstöße aus früheren oder "überholenden" später begonnenen (vgl. die generelle Bezugnahme auf "andere" Vergabeverfahren bei Burgi/Dreher/Opitz/Opitz, 4. Aufl. 2022, GWB § 124 Rn. 106) Verfahren entgegenhalten werden können.
Nach einer Auffassung spricht für letzteres Verständnis der Wortlaut der Norm, der, im Gegensatz zu den Abs. 1 Nrn. 5 und 6, nicht auf "das" Vergabeverfahren hinweist (BeckOK VergabeR/Friton, 32. Ed. 1.5.2023, GWB § 124 Rn. 73; Ziekow/Völlink/Stolz, 5. Aufl. 2024, GWB § 124 Rn. 46; Kaufmann, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Auflage 2019, § 124 GWB Rn. 86). Nach anderer Auffassung kommt 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB als Ausschlussgrund nur zur Anwendung bei Falschangaben bzw. unvollständigen Angaben im laufenden Vergabeverfahren, nicht hingegen bei Falschangaben bzw. unvollständigen Angaben aus vorangegangenen Vergabeverfahren desselben Auftraggebers oder anderer öffentlicher Auftraggeber, wohingegen eine schwerwiegende Täuschung des öffentlichen Auftraggebers in einem früheren Vergabeverfahren unter dem Gesichtspunkt der nachweislich schweren Verfehlung in späteren Vergabeverfahren Berücksichtigung finden und einen fakultativen Ausschlussgrund darstellen kann (J. Ley in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 124 GWB, Rn. 167; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, PK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 124 GWB (Stand: 13.02.2023), Rn. 152).
Die Regelungen in den §§ 123 und 124 GWB sollen sicherstellen, dass nur solche Unternehmen den Zuschlag erhalten, die Recht und Gesetz in der Vergangenheit eingehalten haben und bei denen gesetzestreues Verhalten auch in Zukunft zu erwarten ist (J. Ley in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 124 GWB, Rn. 2). Soweit es um ein schwerwiegendes berufliches Fehlverhalten geht, das die Integrität des Unternehmens in Frage stellt, ist auf der Grundlage einer Prognose zu entscheiden, ob das Fehlverhalten die erforderliche Zuverlässigkeit des Unternehmens in Frage stellt (vgl. BT-Drs. 18/6281, Seite 107).
(1) Auf Grundlage der Interpretation, dass sich § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB nur auf Verstöße im laufenden Vergabeverfahren beziehe, fehlt es vorliegend bereits an den tatbestandlichen Grundlagen für einen Ausschluss, so dass dieser bereits deshalb vergaberechtswidrig wäre.
(2) Der Senat neigt jedoch der Gegenauffassung zu, wonach von § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB erfasste Verstöße in früheren Vergabeverfahren Berücksichtigung finden können. Zudem sprechen Sinn und Zweck der Norm dafür, auch nach Beginn des Vergabeverfahrens in anderen Vergabeverfahren erfolgte Verstöße zu berücksichtigen, die vor dem Abschluss des ersteren publik werden. Andernfalls wäre ein öffentlicher Auftraggeber gezwungen, sehenden Auges ein als unzuverlässig erkanntes Unternehmen zu beauftragen und die damit einhergehenden Risiken für die Auftragsdurchführung einzugehen. Gerade hiervor soll § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB aber schützen.
Dies zugrunde gelegt, begegnet die Entscheidung über den Ausschluss des AG unter dem Gesichtspunkt Bedenken, dass der AG dem AST trotz nach Überzeugung des Senats unveränderter Sachlage, was die Frage der Zuverlässigkeit des AST mit Blick auf die Täuschungshandlung angeht, schon am _ für die Reinigung von Bundes- und Landstraßen 20_/20_ im Landkreis H_ und S_, im Landkreis S_ und im Landkreis W_ Zuschläge erteilte (Beschluss Vergabekammer vom _, Seite 9). Der AST trägt zudem unwidersprochen vor, dass in dem Vergabeverfahren "Winterdienst und Störungsbeseitigung 20_-20_ auf Bundes- und Landesstraßen im Landkreis U_, Vergabe-Nr. _" der AG das Angebot des AST vom _ als vollständig, fehlerfrei und zuschlagsfähig bewertet und zudem den AST für die Störungsbeseitigung 20_ in den Landkreisen G_ und I_ zur Angebotsabgabe aufgefordert habe.
Angesichts dieses Verhaltens des AG gegenüber dem AST in weiteren Vergabeverfahren ist der Ausschluss nur in dem hier gegenständlichen Vergabeverfahren willkürlich und damit jedenfalls ermessensfehlerhaft. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass der AST bei gegenständlich vergleichbaren Ausschreibungen mehrfach und mit unterschiedlichem zeitlichem Bezug zur unstreitig erfolgten Täuschungshandlung als zuverlässig und punktuell (hier) als unzuverlässig durch den AG angesehen wurde. Willkürlichem Verhalten der öffentlichen Gewalt steht jedoch das Rechtsstaatsprinzip als eine der zentralen verfassungsrechtlichen Anforderungen entgegen. Dieses erfordert, dass staatliche Entscheidungen uneingeschränkt nachvollziehbar sind. Hieran fehlt es vorliegend. Überdies folgt aus dem ebenfalls verfassungsrechtlich verankerten Gebot der Selbstbindung, dass Verwaltungsbehörden - und damit auch öffentliche Auftraggeber - nicht ohne sachliche Gründe abweichend von früheren Entscheidungen in vergleichbaren Sachlagen entscheiden dürfen. Zwar geht damit kein "Zwang zur gleichartigen Rechtswidrigkeit" einher, so dass eine korrigierende inhaltliche Abweichung von einer als rechtswidrig erkannten früheren bei einer nachfolgenden Entscheidung möglich und in der Sache auch geboten ist. Für eine derartige Situation liegen hier jedoch keine Anhaltspunkte vor. Vielmehr hätte der AG auch noch im vorliegenden Nachprüfungsverfahren Gelegenheit gehabt, seine in anderen Vergabeverfahren manifestierte Überzeugung von der Zuverlässigkeit der AST trotz der vormaligen Täuschungshandlung in dieses Vergabeverfahren zu transferieren.
cc) Nach § 125 Abs. 1 GWB schließen öffentliche Auftraggeber ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund nach § 124 GWB vorliegt, zudem nicht von der Teilnahme am Vergabeverfahren aus, wenn das Unternehmen dem öffentlichen Auftraggeber bestimmte Maßnahmen der Selbstreinigung nachgewiesen hat.
(1) Unter Selbstreinigung im Sinne von § 125 GWB sind Maßnahmen zu verstehen, die ein Unternehmen ergreift, um seine Integrität wiederherzustellen und eine Begehung von Straftaten oder schweres Fehlverhalten in der Zukunft zu verhindern. Ziel der Selbstreinigung ist die Wiederherstellung der Zuverlässigkeit eines Unternehmens. § 125 GWB ist im Lichte des europarechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips und des auf nationaler Ebene nunmehr auch vergaberechtlich in § 97 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GWB ausdrücklich verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu sehen. Der Ausschluss eines Unternehmens, das ausreichende Maßnahmen zur Selbstreinigung getroffen und damit seine Integrität wieder hergestellt hat, trägt nicht dazu bei, die Funktionsfähigkeit der Verwaltung und der öffentlichen Haushalte sowie den fairen Wettbewerb zu schützen oder Wirtschaftskriminalität zu bekämpfen. Der Ausschluss eines solchen Unternehmens wäre mit Blick auf die Zielsetzungen der Ausschlussgründe ungeeignet und daher unverhältnismäßig. Wirksame Selbstreinigungsmaßnahmen eines Unternehmens sind aus diesem Grund zwingend vom Auftraggeber zu berücksichtigen (J. Ley in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 125 GWB, Rn. 1, 9 m.w.N.).
(2) Der AST hat zwar nicht innerhalb der durch den AG gesetzten Anhörungsfrist, aber im Rügeschreiben vom 28.09.2023 und im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens Maßnahmen der Selbstreinigung vorgetragen, die keinen Eingang in die Ermessensausübung fanden, weil sich AG und Vergabekammer auf den Standpunkt gestellt haben, dass nur solche Maßnahmen zu berücksichtigen seien, die rechtzeitig bis zum Beschluss über den Ausschluss dargestellt worden seien.
Es ist streitig, ob Maßnahmen der Selbstreinigung zu berücksichtigen sind, die nach der Entscheidung über den Ausschluss vorgenommen werden. Nach einer Auffassung sind bei der nach § 125 Abs. 2 Satz 1 GWB vorzunehmenden Bewertung einer Selbstreinigungsmaßnahme durch den öffentlichen Auftraggeber alle während des laufenden Vergabeverfahrens und auch des Vergabenachprüfungsverfahrens durchgeführten Selbstreinigungsmaßnahmen zu berücksichtigen (J. Ley in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 124 GWB, Rn. 202). Eine Selbstreinigung kann deshalb auch noch nach dem Zeitpunkt der Eignungsprüfung im Vergabeverfahren zu berücksichtigen sein (J. Ley in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 125 GWB, Rn. 96). Der letztmögliche ausschlaggebende Zeitpunkt für die Prognoseentscheidung der Vergabestelle ist damit die letzte mündliche Verhandlung in einem Nachprüfungsverfahren (OLG München, Beschluss vom 22. November 2012 - Verg 22/12 -). Nach anderer Auffassung können später eintretende Umstände nicht mehr berücksichtigt werden, weil der Bieter es sonst in der Hand hätte, über entsprechende Rügen und Nachprüfungsverfahren das Vergabeverfahren so weit zu verzögern, bis er die Voraussetzungen der Selbstreinigung erfüllt hat (Ziekow/Völlink/Stolz, 5. Aufl. 2024, GWB § 125 Rn. 14).
Im vorliegenden Falle ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach dem unwidersprochenen Vortrag des AST die vorgetragenen Selbstreinigungsmaßnahmen nicht erst im Nachprüfungsverfahren ergriffen wurden, sondern zur Zeit der Anhörung bereits eingeleitet waren und es an ihrer Kommunikation fehlte, die aber im Nachgang erfolgte. Es ist jedoch nicht die Zielrichtung von § 125 GWB, die Zahl der in den Vergabewettbewerb einzubeziehenden Unternehmen zu beschränken; vielmehr dient die Vorschrift gerade dazu, den - nicht als Sanktionsnormen ausgestalteten (Burgi/Dreher/Opitz/Opitz, 4. Aufl. 2022, GWB § 125 Rn. 6) - Ausschlussgründen durch Maßnahmen zur Wiedererlangung der Zuverlässigkeit (MüKoEuWettbR/Jaeger, 4. Aufl. 2022, GWB § 125 Rn. 1 f.) entgegenzuwirken und dadurch neben der Wahrung der Verhältnismäßigkeit (Burgi/Dreher/Opitz/Opitz, 4. Aufl. 2022, GWB § 125 Rn. 4) auch zur Verwirklichung des Wettbewerbsgebots, § 97 Abs. 1 GWB, beizutragen (EuGH, Urt. v. 14.1.2021 - C-387/19, Rn. 29). Grundrechtlich geschützte Positionen des Bieters treten hinzu (vgl. Kaufmann, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Auflage 2019, § 125 GWB Rn 54). Korrespondierend damit ist die Regelung als zwingende Vorschrift ausgestaltet, vermittelt also gerade kein Ermessen (BT-Drs. 18/6281, 107). Zwar ist es dem öffentlichen Auftraggeber - ebenso wie dem nationalen Gesetzgeber - im Hinblick auf die Verfahrenseffizienz unbenommen, einen Zeitpunkt für den Nachweis von Selbstreinigungsmaßnahmen vorzugeben und an dessen Missachtung die Ausschlussfolge zu knüpfen (EuGH, Urt. v. 14.1.2021 - C-387/19, Rn. 27 ff.; siehe auch Ziekow/Völlink/Stolz, 5. Aufl. 2024, GWB § 125 Rn. 15). Letztere kann jedoch nach Sinn und Zweck der Norm dann nicht eintreten, wenn der öffentliche Auftraggeber gleichwohl positive Kenntnis von den Selbstreinigungsmaßnahmen erlangt und dies in zeitlicher Hinsicht derart erfolgt, dass ein ordnungsgemäßer Verfahrensgang nicht in Frage gestellt wird. Das OLG Brandenburg (Beschluss vom 14.12.2007 - Verg W 21/07) hat hierzu (noch auf Grundlage des früheren Rechts) zutreffend ausgeführt:
"Die Eignung der Bieter wird - anders als die Vollständigkeit der Angebote und der geforderten Eignungsnachweise - in Offenen Verfahren nicht bezogen auf den Zeitpunkt der Angebotsabgabe oder den Fristablauf für die Einreichung der Nachweise, sondern bezogen auf den Zeitpunkt der Wertung bzw. des Zuschlags geprüft. Würde man bei der Prüfung auf den Zeitpunkt der Angebotsabgabe allein abstellen, könnte nicht berücksichtigt werden, dass die Eignung zu diesem Zeitpunkt vorliegen, durch die weitere Entwicklung des Vergabeverfahrens jedoch entfallen sein kann. Der Auftraggeber kann jedoch nach dem gesamten Sinn und Zweck des Vergabeverfahrens - nämlich das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln - nicht dazu gezwungen werden, einem bei Angebotsabgabe zunächst geeigneten Bieter einen Auftrag zu erteilen, dessen Eignung und Zuverlässigkeit nach während des Vergabeverfahrens gewonnenen Erkenntnissen im Zeitpunkt der Wertung oder des Zuschlags nicht mehr gegeben ist. Im Umkehrschluss ergibt sich hieraus, dass der Auftraggeber, auch wenn die Eignung im Zeitpunkt der Angebotsabgabe zweifelhaft oder nicht vorhanden ist, bei der Wertung berücksichtigen kann, dass die Eignung durch während des Vergabeverfahrens eingetretene Umstände hergestellt worden ist. Das muss auch dann gelten, wenn die Eignung eines Bieters wie im vorliegenden Fall wegen schwerer Verfehlungen zunächst zweifelhaft, wegen ergriffener 'Selbstreinigungsmaßnahmen' aber als wiederhergestellt angesehen werden muss."
An dieser Einschätzung hat die gesetzliche Auskoppelung der Ausschlussgründe aus der Eignungsprüfung nichts geändert (vgl. auch BeckOK VergabeR/Friton, 33. Ed. 1.8.2023, GWB § 125 Rn. 59 ff.); vielmehr können auch von § 123 f. GWB erfasste Konstellationen während eines laufenden Vergabeverfahrens auftreten und in deren Folge Selbstreinigungsmaßnahmen ergriffen werden. Dementsprechend kann "[d]er Anspruch auf Zulassung oder Wiederzulassung zum Wettbewerb ... - wie die Ausschlussgründe - zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens geltend gemacht werden" (Burgi/Dreher/Opitz/Opitz, 4. Aufl. 2022, GWB § 125 Rn. 10). Die Nichtanerkennung der Selbstreinigungsmaßnahmen durch die AG im vorliegenden Fall wegen des nicht innerhalb der gesetzten Frist erfolgten Nachweises ist unverhältnismäßig und widerspricht der Zielsetzung des § 125 GWB. Dies gilt umso mehr, wenn ein Vergabeverfahren über lange Zeit nicht zum Abschluss gebracht werden kann, was bei ungehindertem Fortgang zum Entfall der Berücksichtigungsfähigkeit der Ausschlussgründe nach § 126 GWB führt. Auch insoweit ist daher ein Ermessensfehler gegeben.
(3) Der AST hat die ergriffenen Maßnahmen der Selbstreinigung im Einzelnen konkret vorgetragen und näher belegt. Der AG hat die Art und die Durchführung der Maßnahmen im vorliegenden Nachprüfungsverfahren inhaltlich auch nicht in Zweifel gezogen. Aus dem Schreiben des AG an die Vergabekammer vom _ ergibt sich vielmehr, dass der AG die Erklärungen und Unterlagen in den anderen genannten Vergabeverfahren für nachvollziehbar und glaubhaft erachtete.
Die Zweifel des AG daran, ob die vom AST vorgetragenen Selbstreinigungsmaßnahmen nicht erst im Nachprüfungsverfahren, sondern bereits zur Zeit der Anhörung ergriffen wurden, teilt der Senat nicht. Die Gründe für die Verspätung der Mitteilung der Selbstreinigungsmaßnahmen hat der AST im Einzelnen konkret dargelegt und mit der Vorlage des Schreibens des Rechtsanwaltes _ vom 18.09.2023 sowie der eingehenden Darlegung der weiteren rechtlichen Bearbeitung durch die im Weiteren beauftragten Verfahrensbevollmächtigten überzeugend untersetzt.
Der AST ermittelte demnach intern die Umstände, die zur Einreichung des verfälschten Bescheides der unteren Naturschutzbehörde der Stadt S_ vom _ im Vergabeverfahren I_ führten und stellte eine Verfehlung einer Mitarbeiterin fest, die das Unternehmen des AST bereits zum _ verließ. Der AST trieb das Vorhaben der Erweiterung der Gesamtlagermenge auf 500 m3 Salzlauge am Standort in S_ voran, wozu Vertreter des AST mit dem von dem AST beauftragten Rechtsanwalt K_ und Vertretern des Umwelt- und Bauaufsichtsamtes am _ an einem Vor-Ort-Termin in der Lagerstätte teilnahmen und Rechtsanwalt K_ im Auftrag des AST mit Schreiben vom _ weitere Unterlagen an die Behörde übersandte. Der AST erließ am 2_ die in Anlage AST 6 zum Nachprüfungsantrag vorgelegte Arbeitsanweisung, die die Bestellung von Vergabeunterlagen und die Abgabe von Angeboten durch geschultes Personal und deren Kontrolle im Vier-Augen-Prinzip sicherstellen soll. Der AST stellte den ermittelten Sachverhalt mit Schreiben vom _ gegenüber dem AG dar.
Zeitlich später - im November _ - nahmen die mit Angebotserstellungen beschäftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des AST an einer von den Rechtsanwälten _ - u.a. Fachanwalt und Fachanwältin im Vergaberecht - durchgeführten Schulung zur Angebotserstellung bei öffentlichen Aufträgen teil. Des Weiteren wurden mit Bescheid der Stadt S_ vom _Anlage AST 15) am Standort S_ fünf Lagerbehälter für Salzlauge mit einer Fassung von insgesamt 425 m3 unter Gefährdungsstufe B genehmigt.
4. Auf die sofortige Beschwerde des AST ist daher die angefochtene Entscheidung der Vergabekammer, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen, aufzuheben und die Ausschlussentscheidung des Antragsgegners vom _ aufzuheben sowie der Antragsgegner bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht zu verpflichten, das Vergabeverfahren unter Beteiligung des Antragstellers und unter Berücksichtigung seines Angebots fortzuführen.
a) Im Rahmen des § 124 GWB kommt dem Auftraggeber bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ein Ermessenspielraum bei der Entscheidung über den Ausschluss des Bieters zu. Der Auftraggeber hat eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen, ob von dem Unternehmen trotz des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen eines fakultativen Ausschlussgrundes zu erwarten ist, dass es den öffentlichen Auftrag gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführt. Dabei ist insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (Ziekow/Völlink/Stolz, 5. Aufl. 2024, GWB § 124 Rn. 2, beck-online). Auch bei der Bewertung und Entscheidung über die Selbstreinigung (§ 125 GWB) ist eine Prognose erforderlich.
Der öffentliche Auftraggeber hat einen Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob die Selbstreinigungsmaßnahmen des Unternehmens ausreichend sind. Dem Auftraggeber kommt auch bei dieser Prognose ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (Burgi/Dreher/Opitz/Opitz, 4. Aufl. 2022, GWB § 125 Rn. 10, 38, beck-online). Es richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere auch nach dem in Frage stehenden Ausschlussgrund, ob die ergriffenen Selbstreinigungsmaßnahmen als ausreichend angesehen werden können, um die Integrität des Unternehmens wiederherzustellen und ausreichende Garantien zu bieten, dass von ihm in Zukunft höchstwahrscheinlich keine Gefahr der Begehung von Straftaten oder eines Fehlverhaltens mehr ausgeht (Ziekow/Völlink/Stolz, 5. Aufl. 2024, GWB § 125 Rn. 16, beck-online).
b) Angesichts der - zu berücksichtigenden, s.o. - Selbstreinigungsmaßnahmen und angesichts dessen, dass auch der AG den AST in den obengenannten weiteren Vergabeverfahren bei gleich gelagertem Sachverhalt unter Berücksichtigung dieser auch im vorliegenden Verfahren vorgetragenen Selbstreinigungsmaßnahmen als geeignet und zuverlässig einschätzte, ist auch im vorliegenden Verfahren nur diese Entscheidung ermessensfehlerfrei und geboten.
5. Da der Antragsgegner im vorliegenden Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer wie auch im Beschwerdeverfahren unterliegt, entspricht es der Billigkeit, ihm die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer wie auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Ersatzes der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen des Antragstellers aufzuerlegen, §§ 182 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 GWB bzw. § 175 Abs. 2, 71 Satz 1 GWB.
Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren vor der Vergabekammer war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB für notwendig zu erklären, da im vorliegenden Fall zu den auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen weitere Rechtsprobleme des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens hinzu kamen, wie die rechtliche Problematik der Willkürfreiheit und Gleichbehandlung im Rahmen der Ermessensausübung und der Berücksichtigung von Selbstreinigungsmaßnahmen (vgl. Beckscher Vergaberechtskommentar - Krohn, 4. Aufl. 2022, GWB § 182 Rn. 64). Es ist nicht erforderlich, dass für das Beschwerdeverfahren gesondert die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts festgestellt wird, da § 80 Abs. 2 VwVfG über § 182 Abs. 4 S. 2 GWB nur für das Verfahren vor der Vergabekammer gilt (Beckscher Vergaberechtskommentar - Willner, 4. Aufl. 2022, GWB § 175 Rn. 14).
6. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Wie die Vergabekammer festgestellt hat (vgl. Seite 13 des angefochtenen Beschlusses), hat das - maßgebliche (Willenbruch - Schneevogl, Vergaberecht, 5. A., § 182 GWB, Rn. 96) - Angebot des Beschwerdeführers einen Bruttoauftragswert von 8.927.260,05 Euro.
Darf ein Bieter einen fremden E-Mail-Account nutzen?
Darf ein Bieter einen fremden E-Mail-Account nutzen?
Melden Sie sich jetzt an unter www.vpr-online.de, um sämtliche Entscheidungen im Volltext lesen zu können.
vpr-online ist DIE Datenbank für öffentliche Auftraggeber und Bieter sowie für alle Berater auf den Gebieten des Vergaberechts.
Mit vpr-online haben Sie außerdem jederzeit und überall Zugriff auf über 5.800 VPR-Beiträge nach dem 1-Seiten-Prinzip, über 12.016 Entscheidungen im Volltext, Arbeitshilfen, Materialien und vieles mehr.
VK Bund
Beschluss
vom 06.11.2024
VK 2-87/24
1. Ungenaue Angaben im Angebot des Bieters stellen eine Abweichung von Vergabeunterlagen dar und führen jedenfalls dann zum Angebotsausschluss, wenn es sich um individuelle Formulierungen des Bieters handelt und nicht um dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen (Anschluss an OLG Düsseldorf, IBR 2020, 255).
2. Ein Bieter kann sein Angebot auch von einem anderen als seinem eigenen E-Mail-Account hochladen und den Nutzer dieses Accounts als Boten einsetzen. Etwas anderes gilt, wenn die Bieter nach den Vergabeunterlagen dazu verpflichtet sind, einen eigenen E-Mail-Account zu nutzen.
In dem Nachprüfungsverfahren
(...)
wegen der Vergabe "Wachschutz und Sicherheitsdienstleistungen ..."
hat die 2. Vergabekammer des Bundes durch [...] auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2024 am 6. November 2024
beschlossen:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) und die dem Antragsgegner zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Aufwendungen.
3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners war nicht notwendig.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner (Ag) schrieb mit gemeinschaftsweiter Bekanntmachung vom ... die Vergabe "Wachschutz und Sicherheitsdienstleistungen ... nicht offenen Verfahrens mit Teilnahmewettbewerb aus. Streitgegenständlich ist Los 1, das die Dienstleistungen für .... Als Vertragsbeginn ist der 1. März 2025, als Vertragsende der 28. Februar 2029 vorgesehen; der Ag kann allerdings den Vertrag vier Mal um jeweils ein weiteres Jahr verlängern, so dass dieser spätestens zum 28. Februar 2033 enden wird.
Ausweislich der Leistungsbeschreibung (LB, Seite 6 und 14) gilt die Störfall-Verordnung (12. BlmSchV) in ausgewiesenen Bereichen.
Die Wach- und Sicherheitsdienstleistungen beinhalten Verschlusssachen nach S 4 SÜG, weshalb eine erfolgreich absolvierte Sicherheitsüberprüfung (Ü2) der eingesetzten Sicherheitsmitarbeiter nach S 9 SÜG erforderlich ist. Die Anforderungen an die auszuübenden Tätigkeiten werden in der LB detailliert beschrieben. Hervorzuheben sind:
"4. Allgemeine Leistungsanforderung
4.4 Dienstplan, Urlaubs- und Krankheitsvertretung
Über die Dienstplanung gewährleistet der AN die Personalverfügbarkeit. Der AN gewährleistet die Bewachung des Vertragsobjekts auch bei Ausfällen durch Krankheit, Urlaub und sonstiger Abwesenheit. Das eingesetzte Ersatzpersonal muss AG-seitig freigegeben werden und eine aktuelle Objekteinweisung vorweisen können ...
4.5.3 Einzusetzendes Personal
Das einzusetzende Personal muss bis 2 Wochen (14 Tage) vor Auftragsbeginn, wie auch Einsatzbeginn, dem AG persönlich vorgestellt werden. ... ... Die erforderlichen Befähigungsnachweise aller im Objekt eingesetzten SicherheitSkräfte sind dem AG spätestens vor Dienstantritt unaufgefordert vorzulegen.
4.5.4 Ein- und Unterweisung und Verfall der Einweisung
Der AN stellt sicher, dass die zum Einsatz kommenden Mitarbeiter auf dem aktuellen Wissensstand sind.
4.5.5 Einweisungsprotokoll. und Konzept
Für jeden Standort, Gebäude oder Dienststelle ist der AN verpflichtet, ein Einweisungsprotokoll zu erstellen und mit dem AG abzustimmen. Der AN ist anschließend verpflichtet, anhand dieses Einweisungsprotokolls die Einweisung / Einarbeitung durchzuführen und entsprechend aktuell zu halten. Das Einweisungsprotokoll ist vor Mitarbeitereinsatz des AN dem AG vorzulegen.
4.7. Bekleidung, Büromaterial Technik und Ausrüstung
Dienstkleidung ist gemäß [...] Vorgaben einheitlich zu tragen ...
4.7.2 Vorstellung der Arbeitsbekleidung Sicherheitskräfte
AN und AG einigen sich auf ein einheitliches Auftreten ... Die Einsatzkleidung ist dem AG 14 Tage vor Auftragsbeginn vorzustellen.
4.7.3 Vorstellung der Arbeitsbekleidung Empfang
Die Einsatzkleidung ist dem AG 14 Tage vor Auftragsbeginn vorzustellen."
Der Ag wickelte das Vergabeverfahren elektronisch über die e-Vergabe-Lösung ###. Für die Registrierung auf der Plattform wird ein gültiger E-Mail-Account benötigt. Im Zuge der Registrierung erhält der Nutzer eine sog. ###, unter der er Bieterfragen stellen, den Teilnahmeantrag sowie das Angebot nebst Anlagen elektronisch hochladen kann.
Die Teilnahmeanträge waren von den Bewerbern bis zum 3. Juni 2024 elektronisch einzureichen. Den Teilnahmeanträgen waren u.a. ein Unternehmensprofil unter Nutzung eines Formblatts sowie alle geforderten Eignungsnachweise beizufügen. Beabsichtigte ein Bewerber, Teile der Leistung im Wege der Unterauftragsvergabe von Dritten durchführen zu lassen,