VK Bund
Beschluss
vom 16.05.2025
VK 1-32/25
1. Die Aufforderung zur Abgabe eines verbindlichen Angebots in einem Verhandlungsverfahren ist unter Berücksichtigung der Bewerbungsbedingungen sowie unter Beachtung der einschlägigen Vorschriften der VgV auszulegen.
2. Der öffentliche Auftraggeber hat sicherzustellen, dass alle Bieter bei den Verhandlungen gleichbehandelt werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz schließt auch eine Verpflichtung zur Transparenz ein.
3. Der Grundsatz der Transparenz bedeutet, dass alle für das richtige Verständnis der Ausschreibung oder der Vergabeunterlagen maßgeblichen Informationen allen an der Ausschreibung beteiligten Bieter zur Verfügung gestellt werden, so dass zum einen alle gebührend informierten und mit der üblichen Sorgfalt handelnden Bieter die genaue Bedeutung dieser Informationen verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können.
4. Die Aufforderung zur Abgabe eines verbindlichen Angebots mit einem Zielpreis "von 10,9 Mio. EUR" ist intransparent, weil aus Sicht eines objektiven Bieters die Angabe 10,9 Mio. EUR nicht mit exakt 10.900.000,00 EUR gleichzusetzen ist.
VK Bund, Beschluss vom 16.05.2025 - VK 1-32/25 (nicht bestandskräftig; Rechtsmittel: OLG Düsseldorf, Az. Verg 19/25)
In dem Nachprüfungsverfahren
(...)
wegen der Vergabe ...
hat die 1. Vergabekammer des Bundes durch die Vorsitzende Direktorin beim Bundeskartellamt ###, die hauptamtliche Beisitzerin Leitende Regierungsdirektorin ### und den ehrenamtlichen Beisitzer ### aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Mai 2025 am 16. Mai 2025
beschlossen:
1 Der Antragsgegnerin wird untersagt, den Zuschlag zu erteilen. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht hat die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zurückzuversetzen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
Gründe:
1. Die Antragsgegnerin führt derzeit ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Veröffentlichung eines Aufrufs zum Wettbewerb durch. Gegenstand der Vergabe ist die ###. Erstellt werden Grundlagenmodelle als Planungsgrundlage. Die Vergabeunterlagen sehen vor, dass nach dem Teilnahmewettbewerb die Bewerber aufgefordert werden, ein Erstangebot, bestehend aus einem kaufmännischen Angebot, einem Umsetzungskonzept und einer Arbeitsprobe "Testauftrag" (siehe Ziffer 9.6 der Bewerbungsbedingungen) abzugeben. In Ziffer 14.3 "Zuschlagskriterien" der Bewerbungsbedingungen heißt es:
"Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Das wirtschaftlichste Angebot ist das, das dem "Zielpreis" am nächsten kommt.
Die Zuschlagskriterien [sind in der] Bewertungsmatrix (Anhang C2 der Bewerbungsbedingungen) detailliert aufgeschlüsselt."
Ziffer 14.4.2 "Bewertungskriterien" lautet:
"Die Bewertungskriterien sind in C2 Zuschlagskriterien genannt.
Ziffer 14.4.2.1 Arbeitsprobe "Testauftrag"
Ziffer 14.4.2.2 Mit dem Angebot ist eine Arbeitsprobe (...) einzureichen. Nur Bieter die diese erfolgreich realisiert haben (Bewertung anhand der im Kapitel 4.2 der Leistungsbeschreibung genannten Ergebnisbeschreibung und der genannten Formate) werden in den nächsten Prozessschritt überführt."
In Ziffer 10 "Besondere Vorgehensweise" der Bewerbungsbedingungen hat die Antragsgegnerin ausgeführt:
"b) Zielpreisverfahren
Der Auftraggeber treibt die Digitalisierung voran. So wurde - als Voraussetzung für digitales Planen .... Diese Pilotprojekte zeigen die Notwendigkeit der Integration von Daten aus anderen Quellen zur Erstellung eines Digitalen Zwillings.
Als Ergebnis der Entwicklung innovativer Vermessung und Erfassungsformen sind die in der Leistungsbeschreibung beschriebenen Leistungen nicht allgemein am Markt verfügbar.
Ziel der Rahmenverträge ist es, ... beauftragen zu können, sondern auch den Markt dahingehend zu ertüchtigen, dass die Leistung von mehr Anbietern erbracht werden kann und somit die Verfügbarkeit der Dienstleistung (Erhöhung der Versorgungssicherheit) und der Wettbewerb gestärkt wird.
Dazu dienen zwei Maßnahmen:
a) Es werden mehrere RV abgeschlossen. Der Auftraggeber wird dafür Sorge tragen, dass eine annähernde Gleichverteilung (max. 10% Schwankungsbreite) zwischen den RV erreicht wird. Lehnt ein RV- Partner den Abschluss eines Einzelvertrages für einen Einzelauftrag (Bestellung) ab, wird dies jedoch in der Frage der Gleichverteilung ihm als Einzelauftrag angerechnet.
b) Ein Zielpreisverfahren soll dazu dienen, die Wirtschaftlichkeit aller geschlossenen Rahmenverträge sicherzustellen und somit eine Gleichverteilung nach lit. a zu gewährleisten. Die Vergabestelle wird dafür auf Basis des ersten indikativen Angebots - den Bietern welche den Testauftrag erfolgreich bearbeitet haben einen Zielpreis auf Basis des Median ermitteln und den Bietern benennen und sie auffordern, ein Angebot unter Berücksichtigung des genannten Zielpreises abzugeben. Den Zuschlag erhalten die vier dem Zielpreis am nächsten liegenden Angebote. Hierbei ist es irrelevant, ob der Zielpreis über- oder unterschritten wird.
Der Bedarf ist erheblich höher als die garantierten Mengen. [Da] die Definition der Mengen und Örtlichkeiten erst nach weiterem Fortschreiten der Befahrungsprojekte möglich ist, werden die Rahmenverträge abgesehen von den vorstehend genannten Mengen, jeweils mengenoffen geschlossen."
In Anlage C2 heißt es:
"Vorgehensweise:
Die Bewertung der Angebote erfolgt unter Beachtung nach folgendem Verfahren:
1. Prüfung von Ausschlussgründen (z. B. wegen Erfüllungsgrad der Leistungsbeschreibung, siehe Ziffer 11.4 der Bewerbungsbedingungen)
2. Prüfung Arbeitsprobe "Testauftrag ". Nur Bieter die diese erfolgreich realisiert haben (Bewertung anhand der im Kapitel 4.2 der Leistungsbeschreibung benannten Ergebnisbeschreibung und der genannten Formate) werden in den nächsten Prozessschrittüberführt.
3. Prüfung der Angemessenheit der Preise, sofern Anlass hierzu besteht.
4. Bewertung der Angebote hinsichtlich des Erreichens des Zielpreises. Die Bieter mit der größten Nähe zum Zielpreis erhalten den Zuschlag.
[hier nicht abgebildet]
Maßgeblich für die Preisbewertung ist der Abstand zum Zielpreis. Die Bieter mit der größten Nähe zum Zielpreis erhalten den Zuschlag.
Im oben stehenden Beispiel sind das die Bieter A-D. Der Bieter E liegt zusätzlich außerhalb der Schwankungsbreite von 10% und ist auszuschließen.
Bieten mehr als vier Bieter den genauen Zielpreis an, werden mehr Rahmenverträge geschlossen. Die Verteilung der 4 sofort startenden Arbeitspakete erfolgt dann durch das Los."
Die Antragstellerin wurde nach Abgabe ihres Erstangebots durch die Antragsgegnerin zur Abgabe eines Zweitangebots aufgefordert. Ihre Angebotsendsumme lautete 10.903.925,00 EUR. Mit Nachricht vom 21. Februar 2025 wurde sie zur finalen Verhandlungsrunde und zur Abgabe eines endgültigen Angebots aufgefordert. In der Nachricht hieß es:
"Auf Basis der zugelassenen Angebote wurde der Median und somit der Zielpreis von 10,9 Mio EUR ermittelt. Wir bitten Sie um Abgabe eines Angebotes das möglichst nahe am Zielpreis liegt. Bitte verwenden Sie zur Angebotsabgabe das Angebotsformblatt (Cl Angebotsformblatt). Wir verweisen ausdrücklich auf die Bewerbungsbedingungen Ziffer 10b in der das Zielpreisverfahren beschrieben ist."
Die Antragstellerin gab am 28. Februar 2025 als endgültiges Angebot das Angebotsformblatt mit einer Summe von wiederum 10.903.925,00 EUR ab. Die Beigeladenen zu 1) bis 4) gaben jeweils ein Angebot in Höhe von 10.900.000,00 EUR ab. Mit Bieterinformation gemäß S 134 GWB vom 31. März 2025 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass deren Angebot nicht berücksichtigt werden könne, da dieses nicht das wirtschaftlichste sei. Der Zuschlag solle auf die Angebote der vier Beigeladenen erteilt werden. Die Antragsgegnerin half der Rüge des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 4. April 2025 nicht ab.
Die Angabe "10,9 Mio. EUR" sei eindeutig im Sinne von 10.900.000,00 EUR zu verstehen und allein zur besseren Lesbarkeit gewählt worden.
2. Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten am 14. April 2025 bei der Vergabekammer des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Der Antrag wurde am selben Tag an die Antragsgegnerin übermittelt.
a) Der Nachprüfungsantrag sei zulässig, die Antragstellerin sei ihrer Rügeobliegenheit nachgekommen. Es gehe darum, wie die Mitteilung des Zielpreises im Rahmen der Angebotsaufforderung zu verstehen gewesen sei bzw. verstanden werden musste. Dass die Antragsgegnerin die beiden unterschiedlichen Angaben als gleichbedeutend erachte, habe die Antragstellerin erst mit der Bieterinformation erkennen können.
Ebenfalls nicht präkludiert sei sie, soweit sie sich hilfsweise gegen das konkret zur Anwendung gebrachte Zielpreisverfahren und Wertungsvorgehen wende. Durchschnittliche Bieter dürften mit dem Zielpreisverfahren nicht vertraut sein. Auch sei bereits unklar, wie die Bewertung des Testauftrags und des Umsetzungskonzepts in die Feststellung des wirtschaftlichsten Angebots miteinfließen.
Der Antrag sei begründet, die Angebotswertung rechtsfehlerhaft, Die ausgeschriebenen Leistungen seien eher als marktgängig und weniger als innovativ zu bewerten und seien vom angesprochenen Markt auch ohne besonderes Risiko zu kalkulieren gewesen. Grund für die preisliche Spreizung der Angebote dürfte das gewählte Zielpreisverfahren gewesen sein.
Die Antragstellerin weiche mit ihrem Angebot nicht vom mitgeteilten Zielpreis ab.
Vielmehr habe sie nach anerkannten mathematischen Regeln - insbesondere DIN 1333 - den ihr mitgeteilten Zielpreis angeboten. Nach mathematischen Regeln des Rundens entspreche ihr Angebotspreis dem von der Antragsgegnerin genannten Zielpreis von 10,9 Mio. EUR. Der Zielpreis sei gerade nicht mit 10.900.000,00 EUR angegeben worden. Auch sei das Angebotsformblatt selbst nicht die geeignete Unterlage, um Zweifelsfragen bei der Angebotslegung und -wertung zu beantworten. In einer Bieterantwort habe die Antragsgegnerin eingeräumt, dass das Formblatt nicht fehlerfrei sei und Preise unter Überschreibung der Formel eingetragen werden durften. Dies dürfte den anderen Bietern erlaubt haben, eine vollständig "runde" Angebotsendsumme von 10.900.000,00 EUR abzugeben. Maßgeblich sei allein die Mitteilung des Zielpreises in der finalen Angebotsaufforderung. Wenn die Antragsgegnerin den Zielpreis exakt mit 10.900.000,00 EUR festlegen wolle, müsse sie diesen vollständigen und exakten Betrag auch angeben. Bei der Auslegung des Erklärungsgehalts der Angebotsaufforderung sei hier dem Verhalten der vier anderen Bieter keine indizielle Bedeutung beizumessen. Diese hätten sich im Unterschied zur Antragstellerin in einer anderen Ausgangslage befunden. Ihr hingegen sei ein Zielpreis mitgeteilt worden, der unter Berücksichtigung der mathematischen Rundungsregeln ihrem Angebotspreis entsprochen habe. In dem Zielpreis habe sie ihren Angebotspreis erkannt und habe sich nicht veranlasst gesehen, ihren ursprünglichen Preis anzupassen, um den Zielpreis zu "treffen". Ihr Preis habe mit dem kommunizierten Angebotspreis übereingestimmt. Dass überhaupt der Median zur Findung des Zielpreises gerundet wurde, sei eine Entscheidung der Antragsgegnerin. Sie sei dazu nicht verpflichtet gewesen. Der Geheimschutz erscheine als Grund nicht nachvollziehbar und vorgeschoben. Die Verteilung der vorab eingeteilten Arbeitspakete sei nicht überzeugend als Grund für die Rundung gegen eine Losentscheidung. Es handele sich lediglich um initiale Arbeitspakete. Der Rahmenvertrag enthalte ein viel größeres Volumen. Die Ausschreibungsbedingungen sähen es gerade vor, dass bei mehr als vier Angeboten, die nicht vom Zielpreis abweichen, dann auch mehr Bieter beauftragt werden. Eher sei es plausibel, dass sich die Antragsgegnerin von Scheingenauigkeiten habe freimachen wollen und aus diesem Grund auf mathematisches Ründen zurückgegriffen habe.
Hilfsweise trägt die Antragstellerin vor, der mit der Angebotsaufforderung mitgeteilte Zielpreis sei nicht eindeutig, sondern intransparent mitgeteilt worden. Denn die Angabe des Betrags von 10,9 Mio: EUR sei nach mathematisch anerkannten Grundsätzen nicht gleichbedeutend mit der Angabe 10.900.000,00 EUR. Diese Unklarheit gehe zu Lasten der Antragsgegnerin. Ferner weiche die Antragsgegnerin von den mitgeteilten Vorgaben ab. Danach werde der Zielpreis auf Basis des Median-Angebots ermittelt. Die Antragstellerin nimmt an, dass es ihr Erstangebot sei, das im Rang den Median eingenommen habe. Wenn das richtig sei, dann entspreche der mitgeteilte Zielpreis nicht dem Median-Angebotspreis. Dies gelte um so mehr, weil die Antragsgegnerin der Auffassung sei, dass Cent-genaue Angebotsendsummen für die Angebotswertung maßgeblich sein sollen.
Äußerst hilfsweise rügt die Antragstellerin erstmalig mit dem Nachprüfungsantrag, dass ein Zielpreisverfahren gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verstoße, wenn selbst unterhalb des Zielpreises liegende Angebote gegenüber Angeboten, die oberhalb des Zielpreises liegen, den Zuschlag nicht erhielten, weil deren Abstand zum Zielpreis geringer ausfalle als der der bezuschlagten Angebote. Dies gelte jedenfalls, wenn die von allen Bietern angebotene Leistung in qualitativer Hinsicht die gleiche sei, wie hier nach Bestehen der Testaufträge.
Die Antragstellerin beantragt über ihre Verfahrensbevollmächtigten
1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Zuschlag auf das endgültige Angebot der Antragstellerin vom 28. Februar 2025 zu erteilen und die ausgeschriebene Rahmenvereinbarung auch mit der Antragstellerin als Rahmenvertragspartner abzuschließen,
2. hilfsweise zu 1: die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren in den Stand vor Aufforderung zur Abgabe der endgültigen Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zurückzuversetzen,
3. äußerst hilfsweise zu 2: die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren in den Stand vor Veröffentlichung der Auftragsbekanntmachung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zurückzuversetzen,
4. die Vergabeakten der Antragsgegnerin beizuziehen und der Antragstellerin Akteneinsicht gemäß § 165 GWB zu gewähren,
5. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Rechtsverfolgungskosten notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen sowie
6. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragstellerin für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendig gewesen ist.
b) Die Antragsgegnerin beantragt über ihre Verfahrensbevollmächtigten,
1. den Nachprüfungsantrag als teilweise unzulässig zu verwerfen und im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen,
2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin aufzuerlegen,
3.die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin für notwendig zu erklären.
Der Nachprüfungsantrag sei bezüglich der Hilfsanträge unzulässig. Die Antragstellerin sei bezüglich ihres Vortrags, die Angebotsaufforderung sei intransparent und fehlerhaft, gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Für die Erkennbarkeit sei auf die objektive Perspektive eines mit üblicher Sorgfalt agierenden Bieters abzustellen. Die Antragstellerin hätte der Antragsgegnerin vor Ablauf der Angebotsfrist ohne weiteres darlegen können, dass die Angabe 10,9 Mio. EUR nicht eindeutig sei. Auch, dass der mitgeteilte Zielpreis nicht dem Angebot der Antragsteller entspreche, sei bei Anwendung der üblichen Sorgfalt bereits mit Erhalt der Angebotsaufforderung erkennbar gewesen. Auch liege eine Kenntnis nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB vor, so dass -innerhalb von zehn Kalendertagen hätte gerügt werden müssen. Die Kenntnis sei spätestens am 28. Februar 2025 mit Angebotsabgabe eingetreten. Präklusion liege auch bei dem erst im Nachprüfungsantrag geltend gemachten Verstoß gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz bei Über- und Unterschreitung des Zielpreises vor. In Ziffer 10. b) der Bewerbungsbedingungen sei hierauf ausdrücklich hingewiesen worden.
Der Nachprüfungsantrag sei insgesamt unbegründet. Die Antragstellerin weiche mit ihrem Angebot um 3.925,00 EUR und damit mehr als die anderen vier Bieter von dem Zielpreis ab. Es seien keine Gründe dafür erkennbar, dass die Angebote der Bieter auf die Hunderttausender-Stelle gerundet werden. Die Angebotsaufforderung sei vielmehr eindeutig so auszulegen, dass der Zielpreis exakt 10.900.000,00 EUR betrage und der exakte Angebotspreis bewertet werde. Die Auslegung der Vergabeunterlagen erfolge nach Empfängerhorizont eines verständigen objektiven Bieters. Dabei sei indiziell, wie die Mitbieter die Unterlagen verstanden hätten. Bis auf die Antragstellerin hätten alle Bieter exakt 10.900.000,00 EUR angeboten. Anderenfalls wäre es aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Bieters sinnvoll gewesen, 10.949.999,99 EUR anzubieten, da dieser Betrag im Faile einer Abrundung eine um fast 50.000 EUR höhere Vergütung eingebracht hätte. Dies spreche für die Annahme, dass ein exakter Zielpreis von 10.900.000,00 EUR gemeint gewesen sei. Aus der DIN 1333 sei nichts abzuleiten über die Frage, wann eine Zahl gerundet werde. Auch habe sich aus dem Angebotsformblatt ergeben, dass der exakte Preis für die Bewertung maßgeblich sein sollte. Hätte sie eine Rundung beabsichtigt, hätte sie diese in das Angebotsformblatt aufgenommen, Aus dem Anhang C2 ergebe sich nur eine Rundung für die Cent-Beträge. Die Antragsgegnerin habe immer von einem Zielpreis gesprochen, nicht von einem Zielpreisrahmen oder Zielpreiskorridor. Bei einem Korridor wäre die Wahrscheinlichkeit, dass alle Bieter im Zielpreiskorridor landen, größer gewesen. Dies habe sie vermeiden wollen. Eine Zuteilung habe dann durch Los erfolgen müssen.
Die Antragsgegnerin habe eindeutig und transparent den Zielpreis gefordert. Die Festlegung auf 10.900.000,00 EUR sei zutreffend und rechtmäßig. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Zielpreis auf 10.903.925,00 EUR festzulegen. Zwar habe das Angebot der Antragstellerin als Median die Grundlage für die Festlegung des Zielpreises gebildet. Die Antragsgegnerin habe aber nicht angekündigt, dass der Zielpreis exakt dem Median-Angebot entsprechen müsse, sondern auf Basis des Medians ermittelt würde. Der Zielpreis sei unstreitig auf Basis des Angebots der Antragstellerin ermittelt worden, im Hinblick auf den Geheimwettbewerb sei es aber geboten gewesen, statt des genauen Angebotspreises 10.900.000,00 EUR festzulegen.
Die Wertung sei korrekt erfolgt und verstoße nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Einschätzung, dass angemessene Preise in diesem Verfahren nur schwer vorhersehbar seien, habe sich im Verlauf des Verfahrens bestätigt.
c) Mit Beschluss vom 23. April 2025 wurden die Beigeladenen zu 1) bis 4) zum Verfahren hinzugezogen. Die Beigeladenen zu 1) bis 3) haben sich nicht zur Sache geäußert.
Die Beigeladene zu 4) hat sich mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten den Ausführungen der Antragsgegnerin vollumfänglich angeschlossen. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen zu 4) sei notwendig. Hierfür spreche der Grundsatz der "Waffengleichheit".
Sie beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag teilweise als unzulässig zu verwerfen und im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen,
2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen zu 4) aufzuerlegen,
3. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen zu 4) für notwendig zu erklären.
Die Vergabekammer hat der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren.
In der mündlichen Verhandlung am 13. Mai 2025 hatten die Beteiligten Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen und mit der Vergabekammer umfassend zu erörtern.
Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakten der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der zulässige Nachprüfungsantrag ist begründet.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Ihr Auftragsinteresse im Sinne des § 160 Abs. 2 GWB hat sie durch ihre Rügen und durch die Abgabe ihres Angebots belegt. Ihre Rechtsverletzung hat sie dadurch hinreichend begründet, dass sie die Wertung ihres finalen Angebots als fehlerhaft ansieht.
b) Die Antragstellerin hat die Zuschlagsentscheidung gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB rechtzeitig nach Erhalt der Vorabinformation i.S.d. § 134 GWB gerügt. Erst mit deren Mitteilung hat sie Kenntnis davon erlangt, dass die Beigeladenen zu 1) bis 4) wirtschaftlichere Angebote abgegeben haben im Hinblick auf den mitgeteilten Zielpreis von 10,9 Mio. EUR. Nicht präkludiert ist sie ebenfalls im Hinblick auf den Vortrag, der in der Angebotsaufforderung mitgeteilte Zielpreis sei nicht eindeutig, sondern intransparent. Dass die Antragsgegnerin die Angabe des Betrags von 10,9 Mio. EUR anders als die Antragstellerin mit exakt 10.900.000,00 EUR gleichsetzt und damit von deren Angebot als Median-Preisangebot "abweicht", konnte die Antragstellerin erst mit der Vorinformation erkennen.
Ob die Antragstellerin gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB präkludiert ist, soweit sie hilfsweise der Auffassung ist, das Zielpreisverfahren verstoße gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, da selbst unterhalb des Zielpreises liegende Angebote gegenüber Angeboten, die oberhalb des Zielpreises liegen, den Zuschlag nicht erhielten, weil deren Abstand zum Zielpreis geringer ausfalle als der der günstigeren Angebote, muss nicht abschließend entschieden werden. Allerdings spricht viel dafür, dass das Vorbringen der Antragstellerin insoweit präkludiert sein könnte. Erkennbar sind Verstöße, die von einem durchschnittlichen Unternehmen des angesprochenen Bieterkreise bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden' Die Erkennbarkeit muss sich sowohl auf die den Verstoß begründenden Tatsachen als auch auf deren rechtliche Beurteilung beziehen. Selbst wenn man erst nach vergaberechtlicher Beratung durch die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin von einem Erkennen der Vergaberechtswidrigkeit ausgehen würde, hätte die Antragstellerin wohl spätestens mit der Rüge ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 4. April 2025 diesen Verstoß gemäß
§ 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsprechend rügen müssen. In dieser Rüge ist der Verstoß allerdings noch nicht geltend gemacht. Der Verstoß wurde vielmehr erstmalig im Nachprüfungsantrag am 14. April 2025 gerügt und ist daher verspätet und damit wohl präkludiert.
Da die Antragstellerin allerdings mit ihren zulässigen Rügen durchdringt (dazu unten), kommt es auf die hilfsweise geltend gemachte Vergaberechtswidrigkeit des Zielpreisverfahrens im Ergebnis daher nicht an.
2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet.
Die Aufforderung zu Abgabe eines verbindlichen Angebots vom 21. Februar 2025 genügt gegenüber der Antragstellerin nicht den Anforderungen an die im Vergabeverfahren notwendige Transparenz und Klarheit im Hinblick auf die Aufforderung zur Abgabe eines am Zielpreis orientierten Angebots, § 97 Abs. 1 GWB.
a) Allerdings ist die Antragsgegnerin entgegen der Auffassung der Antragstellerin bei der Festsetzung des Zielpreises von 10.900.000,00 EUR nicht von den mitgeteilten Vorgaben in den Bewerbungsbedingungen abgewichen. Die Antragsgegnerin war nicht verpflichtet, den Angebotspreis der Antragstellerin, der unstreitig den Median gebildet hat, als Zielpreis zu definieren.
In den Vergabeunterlagen hat sich die Antragsgegnerin einen Spielraum bei der Festlegung des Zielpreises ("auf der Basis des ...") eingeräumt. Dabei bewegt sie sich im Rahmen ihres Leistungsbestimmungsrechts. In den Bewerbungsbedingungen Ziffer 10 "Besondere Vorgehensweise" ist' unter b) b) (Zielpreisverfahren) beschrieben, dass sie auf Basis der indikativen Angebote der Bieter, die den Testauftrag erfolgreich bearbeitet haben, ein Zielpreis auf Basis des Medians ermitteln werde. Der Zielpreis solle den Bietern benannt und diese aufgefordert werden, ein Angebot unter Berücksichtigung des genannten Zielpreises abzugeben. Aus dieser Bezugnahme lässt sich keine Verpflichtung zu einer Eins-zu-eins Umsetzung des Medians, hier also des Angebots der Antragstellerin, als Zielpreis ableiten. Im Übrigen korrespondiert die Vorgehensweise der Antragsgegnerin mit der Tatsache, dass nicht in jedem Fall ein Angebot den Median bilden muss. So unterscheidet sich die Ermittlung des Medians bei einer geraden und ungeraden Anzahl von Angeboten. Bei einer ungeraden Anzahl von Angeboten kann - theoretisch - das mittlere Angebot als (Median-)Zielpreis gesetzt werden, bei einer geraden Anzahl muss hingegen ein weiterer Rechenschritt zur Ermittlung des Medians unternommen werden.
Auch die Begründung der Festlegung auf 10.900.000,00 EUR begegnet aus Sicht der Vergabekammer keinen grundlegenden Bedenken. Die Antragsgegnerin hat sich hierfür auf die Sicherstellung des Geheimwettbewerbs berufen. Zwar ist zu bezweifeln, ob der Geheimwettbewerb durch diese Festlegung tatsächlich gesichert wird. Da den beteiligten Bewerbern die Namen der übrigen Unternehmen unbekannt sind, könnten diese auch bei einer genaueren Bekanntgabe des Medianwerts grundsätzlich keine Rückschlüsse auf einen Urheber ziehen. Darüber hinaus ist die vorgenommene "Glättung" in Höhe von 3.925 EUR im Vergleich zum eigentlichen Medianwert wertmäßig zu vernachlässigen. Tatsächlich hat dies aber dazu geführt, dass die Antragstellerin in der Angabe 10,9 Mio. EUR ihr Angebot zu Recht wiedererkannt hat.
b) Der Antragstellerin ist allerdings darin zu folgen, dass mit der Aufforderung zur Abgabe eines verbindlichen Angebots ihr gegenüber der Zielpreis ("von 10,9 Mio. EUR") nicht eindeutig, sondern intransparent mitgeteilt worden ist. Die Angebotsaufforderung vom 21. Februar 2025 in Verbindung mit den Bewerbungsbedingungen Ziffer 10 b). b) sowie Anhang C2 gibt Anlass zu Missverständnissen auf Seiten der Antragstellerin, ohne dass sie in der Lage gewesen wäre, diese durch eine Bieterfrage aufzuklären.
Die Aufforderung zur Abgabe eines verbindlichen Angebots vom 21. Februar 2025 ist hier unter Berücksichtigung der Bewerbungsbedingungen sowie unter Beachtung der Anforderungen des Verhandlungsverfahrens, § 17 Abs. 13 VgV, auszulegen. Danach stellt der öffentliche Auftraggeber sicher, dass alle Bieter bei den Verhandlungen gleichbehandelt werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz schließt auch eine Verpflichtung. zur Transparenz ein (vgl. Hausmann/Mehlitz in: Röwekamp/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2. Aufl. 2022, § 17 Rn. 29). Der Grundsatz der Transparenz bedeutet, dass alle für das richtige Verständnis der Ausschreibung oder der Vergabeunterlagen maßgeblichen Informationen allen an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligten Bieter zur Verfügung gestellt werden, so dass zum einen alle gebührend informierten und mit der üblichen Sorgfalt handelnden Bieter die genaue Bedeutung dieser Informationen verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können (vgl. Hausmann/Mehlitz, aaO.; grundsätzlich zum Transparenzgrundsatz: EuGH, Urteil vom 10. Mai 2012, C-368/10 - Max Havelaar; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. November 2017 - Verg 16/17).
Auch wenn die übrigen vier Bewerber die Angabe des Zielpreises von 10,9 Mio. EUR so verstanden haben, dass sie alle jeweils Angebote mit einem Preis in Höhe von exakt 10.900.000,00 EUR abgegeben haben, führt dies entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht dazu, dass aus Sicht eines objektiven Bieters - und damit auch zu Lasten der Antragstellerin - die Angabe 10,9 Mio. EUR eindeutig mit exakt 10.900.000,00 EUR gleichzusetzen wäre. Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung die Frage, welcher Erklärungswert dem Inhalt von Vergabeunterlagen zukommt, nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden und dabei grundsätzlich auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter abzustellen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Mai 2024 - Verg 17/23; BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13). Entscheidend ist das Verständnis aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, welches über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt. Unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen an die Gleichbehandlung und die Transparenz im Verhandlungsverfahren hat hier allerdings die Sicht der vier Wettbewerber, die nicht den Medianpreis abgebildet haben, gerade nicht die von der Antragsgegnerin angeführte Indizwirkung für die Auslegung der Aufforderung zur Angebotsabgabe. Denn die Mitteilung der Antragsgegnerin
"Auf Basis der zugelassenen Angebote wurde der Median und somit der Zielpreis von 10,9 Mio. EUR ermittelt."
war nicht hinreichend präzise. Aus dieser Formulierung war (anders als bei den übrigen Bewerbern) für die Antragstellerin jedenfalls zwanglos abzuleiten, dass ihr Angebot den Median - und nicht nur die Basis des Medians (wie in den Bewerbungsbedingungen formuliert) - bildete. Dass die Festlegung des Zielpreises auf exakt 10.900.000,00 EUR erfolgt war und die Antragsgegnerin diesen nur "auf Grund der besseren Lesbarkeit" mit 10,9 Mio. Euro bezeichnet hatte, war der Antragstellerin naturgemäß unbekannt. Sie hat vielmehr in der Angabe "10,9 Mio. EUR" aufgrund der Rundung ihr Angebot als Median wiedererkannt. Aus ihrer Sicht war es auch naheliegend, dass die Angabe des Werts von 10,9 Mio. EUR einem gerundeten Wert entspricht, denn ihr Angebot (10.903.925,99 EUR) erfüllt gerundet diesen Wert. Auch im Zusammenhang mit der gleichzeitig aufgeführten Anpassung des Schätzwerts des Rahmenvertrags auf die Summe von 11 Mio. EUR war für sie aufgrund des Ablaufs des Verhandlungsverfahrens nicht erkennbar, dass hier von einer genauen Angabe 10.900.000,00 EUR, auszugehen war. Aufgrund dieser Angaben war die Antragstellerin nicht in der Lage, anders als die übrigen Mitbewerber, deren Angebote eine deutlich größere Entfernung zum Zielpreis aufwiesen, die Angabe 10,9 Mio. EUR als ein Indiz für eine genaue, glatte Summe, sondern als eine - aus ihrer Sicht vermutlich aus Gründen des Geheimwettbewerbs - gerundete Angabe des Zielpreises zu verstehen. So hatte es auch die Antragsgegnerin als Begründung für die Glättung des Angebotspreises in der Vergabeakte vermerkt (vgl. Vergabevermerk, Seite 10).
Da auch im Übrigen die Angaben in den Vergabeunterlagen und der Aufforderung zur Angebotsabgabe an mehreren Stellen Bezug nehmen auf eine Näherung der Preisangebote der Bieter an den Zielpreis ("Wir bitten Sie um Abgabe eines Angebotes, das möglichst nahe am Zielpreis liegt.", Anhang C2 der Bewerbungsbedingungen, Zuschlagskriterien/Bewertungsmatrix: "Ziffer 4: Bewertung der Angebote hinsichtlich des Erreichens des Zielpreises. Die Bieter mit der größten Nähe zum Zielpreis erhalten den Zuschlag"), konnte die Antragstellerin aus ihrer Sicht davon ausgehen, dass die Aufforderung einen gerundeten und keinen exakten Preis enthielt.
Dagegen spricht auch nicht die von der Antragsgegnerin angeführte Rechtsprechung zur Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont eines abstrakten Adressatenkreises. Für die Auslegung der Vergabeunterlagen komme es auf den Durchschnittsbieter an. Bieterspezifische Vorkenntnisse aus einem vorangegangenen Vergabeverfahren seien für die Auslegung der Vergabeunterlagen ohne Bedeutung (so VK Rheinland, Beschluss vom 7. Oktober 2024, VK 32/24, unter Bezugnahme auf OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juni 2000, Verg 6/2000). Die Antragstellerin weist gerade keine bieterspezifischen Vorkenntnisse aus einem vorangegangenen Vergabeverfahren auf. Vielmehr durfte sie aufgrund des Ablaufs des konkreten Verhandlungsverfahrens und der vorgesehenen Zielpreisfestlegung zu Recht in der dritten Preisrunde aufgrund der Angaben in der Angebotsaufforderung schlussfolgern, dass ihr Angebot den Median bilde und dass aus diesem "der Zielpreis von 10,9 Mio. EUR ermittelt" wurde. Aufgrund der Wahl des gerundeten Betrags durfte ein verständiger Bieter in der Situation der Antragsgegnerin in der Gesamtschau aller Umstände davon ausgehen, dass sein (exakter) Preis dem Zielpreis zugrunde tag. Die Antragsgegnerin hätte die - jedenfalls gegenüber der Antragstellerin bestehende Unklarheit leicht durch eine ausgeschriebene Angabe des Zielpreises (10.900.000,00 EUR) vermeiden können. Damit hätte sie der Antragstellerin im Sinne des Transparenzgebots das richtige Verständnis von der Höhe des Zielpreises ermöglicht. Die von der Antragsgegnerin angeführte bessere Lesbarkeit des Betrags von 10,9 Mio. EUR hat stattdessen eine Unklarheit hervorgerufen. Diese Unklarheit geht zu Lasten der Antragsgegnerin.
c) Das Vergabeverfahren ist somit zurückzuversetzen und der Antragstellerin unter Mitteilung des von der Antragsgegnerin gewählten exakten Zielpreises eine neue Angebotsabgabe einzuräumen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, 5, Abs. 4 S. 1, 2, 4 GWB i.V.m. § 80 Abs..2, Abs. 3 S. 2 VwVfG.
Die Beigeladenen zu 1) bis 4) sind nicht an den Kosten des Nachprüfungsverfahrens zu beteiligen. Ein Beigeladener ist nur dann kostenrechtlich wie der Antragsteller oder Antragsgegner eines Nachprüfungsverfahrens zu behandeln, wenn er seine durch die Beiladung begründete Stellung im Verfahren auch nutzt, indem er sich an diesem Verfahren aktiv durch substantiierten Vortrag beteiligt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Juli 2024 - Verg 3/24). Dies ist vorliegend durch die Beigeladenen zu 2) und 3) nicht geschehen. Diese haben sich weder schriftsätzlich noch durch Teilnahme an der mündlichen Verhandlung beteiligt. Die Beigeladene zu 1) hat zwar an der mündlichen Verhandlung teilgenommen, aber sich nicht durch eine Stellungnahme aktiv beteiligt. Dies gilt auch für die Beigeladene zu 4), die zwar einen Verfahrensbevollmächtigten hinzugezogen hat, sich aber den Ausführungen der Antragsgegnerin schriftlich ohne weiteren Inhalt angeschlossen hat und lediglich Anträge gestellt hat. Die Beigeladene zu 4) hat sich insgesamt, auch in der mündlichen Verhandlung, nicht aktiv durch substantiierten Vortrag am Nachprüfungsverfahren beteiligt und damit kein Kostenrisiko auf sich genommen (vgl. pur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Juni 2014 - Verg 41/13).
Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig. Das Nachprüfungsverfahren hat schwierige Fragen zur Auslegung der Vergabeunterlagen zum Zielpreisverfahren und der Aufforderung zur Abgabe des finalen Angebots aufgeworfen, für die die Hinzuziehung anwaltlichen Beistands sachgerecht ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06).
IV.
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1 | Mit ihren Rechtsmitteln beantragen das Instituto Cervantes (im Folgenden: IC) und das Königreich Spanien die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 14. Juni 2023, Instituto Cervantes/Kommission (T-376/21, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2023:331), mit dem das Gericht die Klage des IC auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19. April 2021 abgewiesen hat, mit dem diese den Zuschlag für das Los Nr. 3 (Erlernen der spanischen Sprache) des Auftrags über Rahmenverträge für die Sprachausbildung für die Organe, Einrichtungen und Agenturen der Europäischen Union (HR/2020/OP/0014) der Gruppe CLL Centre de Langues-Allingua (im Folgenden: Gruppe CLL) erteilt hat und IC an die zweite Stelle gesetzt hat (im Folgenden: streitige Entscheidung). Rechtlicher Rahmen Richtlinie 2014/24/EU |
2 | Im 90. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65) heißt es: "Aufträge sollten auf der Grundlage objektiver Kriterien vergeben werden, die die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz, der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung gewährleisten, um einen objektiven Vergleich des relativen Werts der Angebote sicherzustellen, damit unter den Bedingungen eines effektiven Wettbewerbs ermittelt werden kann, welches das wirtschaftlich günstigste Angebot ist. ... ..." |
3 | In Art. 67 der Richtlinie heißt es: "(1) Die öffentlichen Auftraggeber erteilen ... den Zuschlag auf der Grundlage des wirtschaftlich günstigsten Angebots. (2) Die Bestimmung des aus der Sicht des öffentlichen Auftraggebers wirtschaftlich günstigsten Angebots erfolgt anhand einer Bewertung auf der Grundlage des Preises oder der Kosten, mittels eines Kosten-Wirksamkeits-Ansatzes ... und kann das beste Preis-Leistungs-Verhältnis beinhalten, das auf der Grundlage von Kriterien - unter Einbeziehung qualitativer, umweltbezogener und/oder sozialer Aspekte - bewertet wird, die mit dem Auftragsgegenstand des betreffenden öffentlichen Auftrags in Verbindung stehen. ... ..." Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 |
4 | Die Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. 2018, L 193, S. 1) wurde durch die Verordnung (EU, Euratom) 2024/2509 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2024 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union (ABl. L, 2024/2509) aufgehoben. Auf das in den vorliegenden Rechtssachen in Rede stehende Verfahren zur Vergabe des öffentlichen Auftrags war jedoch die Verordnung 2018/1046 anwendbar. |
5 | Der 106. Erwägungsgrund dieser Verordnung lautete: "Der Zuschlag für Verträge sollte im Einklang mit Artikel 67 der Richtlinie 2014/24/EU auf der Grundlage des wirtschaftlich günstigsten Angebots erteilt werden." |
6 | Art. 149 ("Vorlage von Antragsunterlagen") in Titel V ("Gemeinsame Vorschriften") Kapitel 2 ("Auf die direkte und die indirekte Mittelverwaltung anwendbare Vorschriften") Abschnitt 3 ("IT-Systeme und elektronische Verwaltung [e-Government]") der Verordnung bestimmte in Abs. 1: "Die Modalitäten für die Einreichung der Antragsunterlagen werden vom zuständigen Anweisungsbefugten festgelegt, der die ausschließliche Art der Einreichung bestimmen kann. Die gewählten Kommunikationsmittel müssen gewährleisten, dass Wettbewerb tatsächlich stattfindet und folgende Bedingungen erfüllt sind: a) Die eingereichten Anträge enthalten alle zu ihrer Evaluierung erforderlichen Informationen; b) die Unversehrtheit der Daten ist sichergestellt; c) die Vertraulichkeit der Antragsunterlagen bleibt gewahrt; d) der Schutz personenbezogener Daten muss ... genügen." |
7 | Art. 160 ("Grundsätze für Aufträge und Anwendungsbereich") in Titel VII ("Auftragsvergabe und Konzessionen") Kapitel 1 ("Gemeinsame Bestimmungen") der Verordnung 2018/1046 sah in Abs. 1 vor: "Für Verträge, die ganz oder teilweise aus dem Haushalt finanziert werden, gelten die Grundsätze der Transparenz, der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung." |
8 | Art. 167 ("Auftragsvergabe") dieser Verordnung, der ebenfalls zu Kapitel 1 gehörte, bestimmte in Abs. 4: "Der öffentliche Auftraggeber erteilt den Zuschlag auf der Grundlage des wirtschaftlich günstigsten Angebots, das anhand einer der folgenden drei Zuschlagsmethoden ermittelt wird: niedrigster Preis, niedrigste Kosten oder bestes Preis-Leistungs-Verhältnis. ... Für das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bewertet der öffentliche Auftraggeber den Preis oder die Kosten und andere Qualitätskriterien, die mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen." |
9 | Art. 170 ("Vergabeentscheidung und Unterrichtung der Bewerber oder Bieter") in diesem Kapitel der Verordnung bestimmte in Abs. 3: "Der öffentliche Auftraggeber unterrichtet auf schriftlichen Antrag jeden Bewerber, ... dessen Angebot den Auftragsunterlagen entspricht, über folgende Aspekte: a) den Namen des Bieters bzw. die Namen der Bieter, wenn es sich um einen Rahmenvertrag handelt, dem bzw. denen der Zuschlag für den Vertrag erteilt wurde, sowie - außer im Fall eines Einzelvertrags innerhalb eines Rahmenvertrags mit erneutem Aufruf zum Wettbewerb - die Merkmale und relativen Vorteile des erfolgreichen Angebots, den Preis bzw. den Vertragswert; b) die Fortschritte der Verhandlungen und des Dialogs mit den Bietern. ..." |
10 | In Anhang I Nr. 16 ("Auftragsunterlagen") dieser Verordnung heißt es: "... 16.2. Die Aufforderung zur Angebotsabgabe enthält a) Einzelheiten betreffend die Abgabe der Angebote, insbesondere die Bedingungen hinsichtlich der Vertraulichkeit der Angebote bis zur Öffnung, Datum und Uhrzeit des Ablaufs der Frist für den Eingang sowie die Anschrift, an die die Angebote zu senden oder bei der sie einzureichen sind, oder bei elektronischer Übermittlung die Internetadresse; ... 16.3. Die Spezifikationen enthalten a) die Ausschluss- und Eignungskriterien; b) die Zuschlagskriterien und ihre relative Gewichtung ... ..." Verfahrensordnung des Gerichts |
11 | Art. 88 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts bestimmt: "Prozessleitende Maßnahmen und Maßnahmen der Beweisaufnahme können in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen oder auf Antrag einer Hauptpartei getroffen oder abgeändert werden." |
12 | Art. 145 dieser Verfahrensordnung sieht vor: "(1) Der Streithelfer kann innerhalb der vom Präsidenten festgesetzten Frist einen Streithilfeschriftsatz einreichen. (2) Der Streithilfeschriftsatz muss enthalten: ... c) gegebenenfalls die Beweise und Beweisangebote. ..." Vorgeschichte des Rechtsstreits |
13 | Die Vorgeschichte des Rechtsstreits wird in den Rn. 2 bis 20 des angefochtenen Urteils dargestellt und lässt sich wie folgt zusammenfassen. |
14 | Am 20. November 2020 leitete die Kommission das offene Ausschreibungsverfahren HR/2020/OP/0014 ("Rahmenverträge für die Sprachausbildung für die Organe, Einrichtungen und Agenturen der Europäischen Union") ein. Der Auftrag war in acht Lose aufgeteilt, darunter das Los 3 ("Erlernen der spanischen Sprache [ES]"). |
15 | In den Verdingungsunterlagen war angegeben, dass der öffentliche Auftraggeber den Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot nach Maßgabe des Preises (mit einer Gewichtung von 30 %) und der Qualität (mit einer Gewichtung von 70 %) erteilen werde. |
16 | Die Qualität, für die die Höchstnote 100 Punkte betrug, war auf der Grundlage von zwei Kriterien, nämlich dem Kriterium Nr. 1 ("Qualität der angebotenen Kurse" - Höchstnote 70 Punkte) und dem Kriterium Nr. 2 ("Qualitätskontrolle und Überwachung der Arbeiten" - Höchstnote 30 Punkte) zu bewerten. |
17 | Die beiden Kriterien waren jeweils in drei Unterkriterien unterteilt: - Unterkriterium 1.1: "Inhalt" (30 Punkte); - Unterkriterium 1.2: "Didaktik" (30 Punkte); - Unterkriterium 1.3: "Online-Plattformen" (10 Punkte); - Unterkriterium 2.1: "Methode der Personalauswahl" (6 Punkte) - Unterkriterium 2.2: "Qualitätskontrolle" (15 Punkte) und - Unterkriterium 2.3: "Verfahrensmanagement" (9 Punkte) |
18 | In den Verdingungsunterlagen hieß es, dass die Angebote, um den Mindestanforderungen zu genügen, für jedes Kriterium und jedes Unterkriterium wenigstens eine "Mindestnote" erhalten müssten, die in den Verdingungsunterlagen angegeben sei. Im Übrigen mussten die Angebote insgesamt mindestens 70 von 100 möglichen Punkten erreichen. |
19 | Nach den Verdingungsunterlagen waren die Angebote nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis einzustufen. Zudem musste der Vertrag an die beiden bestplatzierten Angebote vergeben werden, die erstens die in den Auftragsunterlagen genannten Mindestanforderungen erfüllten und von Bietern eingereicht wurden, die Zugang zum Vergabeverfahren hatten, sich zweitens nicht in einer Ausschlusssituation befanden und drittens die Eignungskriterien erfüllten. Die Rangfolge sollte die Reihenfolge bestimmen, in der die spezifischen Verträge den Auftragnehmern während der Ausführung des Rahmenvertrags angeboten würden. |
20 | Im Hinblick auf die Einreichung von Angeboten sahen die Verdingungsunterlagen u. a. vor, dass die Angebote mit Hilfe des elektronischen Systems eSubmission einzureichen waren. |
21 | Sechs Bieter, darunter das IC, reichten ein Angebot für das Los Nr. 3 ein. |
22 | Am 10. März 2021 wurde der Bericht zur Bewertung der Angebote von dem zu diesem Zweck eingesetzten Ausschuss erstellt. Die vorgeschlagenen Auftragnehmer für das Los Nr. 3 waren die Gruppe CLL an erster Stelle und das IC an zweiter Stelle. |
23 | Am 19. April 2021 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung gemäß den Empfehlungen des Bewertungsausschusses. Am selben Tag übersandte sie dem IC ein Benachrichtigungsschreiben, in dem sie ihr u. a. mitteilte, dass ihr Angebot für das Los Nr. 3 ausgewählt worden sei und dass sie mit einer Punktzahl für die Qualität von 82 von 100 Punkten, einem Angebotspreis von 2 670 560 Euro und einer Gesamtpunktzahl von 87,40 von 100 Punkten an die zweite Stelle gesetzt worden sei. Die Kommission wies im Übrigen darauf hin, dass sie vor Unterzeichnung des Rahmenvertrags eine Stillhaltefrist von zehn Tagen einhalten werde. |
24 | Ein Anhang zu diesem Schreiben enthielt in Form eines Bewertungsschemas die Gründe für die Bewertung des Angebots des IC im Hinblick auf die in den Verdingungsunterlagen genannten Qualitätskriterien. |
25 | Nach Erhalt dieses Schreibens ersuchte das IC die Kommission am selben Tag, ihm die Identität, die Merkmale und die Vorzüge des bestplatzierten Bieters mitzuteilen. |
26 | In Beantwortung dieses Ersuchens teilte die Kommission dem IC mit E-Mail vom 26. April 2021 mit, dass die Gruppe CLL mit einem Punktwert für die Qualität von 94 von 100 Punkten, einem Angebotspreis von 3 469 020 Euro und einer Gesamtpunktzahl von 88,89 von 100 Punkten an die erste Stelle gesetzt worden sei. |
27 | In diesen Mitteilungen vom 19. und 26. April 2021 wurde mitgeteilt, dass die Punkte in Bezug auf die Unterkriterien wie folgt vergeben worden seien: - Unterkriterium 1.1: 28/30 für die CLL-Gruppe und 22/30 für das IC; - Unterkriterium 1.2: 27/30 für die CLL-Gruppe und 21/30 für das IC; - Unterkriterium 1.3: 10/10 sowohl für die CLL-Gruppe als auch für das IC; - Unterkriterium 2.1: 6/6 sowohl für die CLL-Gruppe als auch für das IC; - Unterkriterium 2.2: 14/15 für die CLL-Gruppe und 15/15 für das IC; - Unterkriterium 2.3: 9/9 für die CLL-Gruppe und 8/9 für das IC. |
28 | Mit E-Mail vom 10. Mai 2021 teilte die Kommission als Antwort auf eine Anfrage des IC, in der es beanstandete, dass die Mitteilung den Anforderungen von Art. 170 Abs. 3 der Verordnung 2018/1046 nicht genüge, die Gründe für die Beurteilung des Angebots der Gruppe CLL im Hinblick auf die Qualitätskriterien mit. Diese E-Mail enthielt als Anhang das Bewertungsschema für das Angebot dieser Gruppe. Dieses Schema übernahm die Kommentare des Bewertungsausschusses zu jedem der in den Verdingungsunterlagen angekündigten Zuschlagskriterien und Unterkriterien. In dieser E-Mail verpflichtete sich die Kommission auch, vor der Unterzeichnung des Rahmenvertrags eine neue Stillhaltefrist von zehn Tagen einzuhalten. |
29 | Mit Schreiben vom 25. Mai 2021 gab die Kommission zusätzliche Erläuterungen, verwies im Übrigen auf die bereits übermittelten Informationen und teilte mit, dass die Stillhaltefrist nunmehr abgelaufen sei. |
30 | In dem am 19. April 2021 übermittelten Bewertungsschema sowie in ihren Mitteilungen vom 10. und 25. Mai 2021 informierte die Kommission das IC darüber, dass sie die Angaben, die es zur Beschreibung seines Angebots nur über in diesem Angebot enthaltene Hyperlinks zugänglich gemacht habe, nicht bewertet habe. Die Kommission stellte klar, dass sie diese Angaben mit der Begründung zurückgewiesen habe, dass die Verwendung von Hyperlinks nicht den Verdingungsunterlagen entspreche und dass im Fall der Verwendung solcher Links die Gefahr einer Änderung nach Ablauf der Frist für die Einreichung von Angeboten bestehe. Da die über Hyperlinks zugänglich gemachten Angaben Unterlagen entsprachen, deren Einreichung nach den Verdingungsunterlagen verlangt worden sei, war die Kommission der Ansicht, dass diese Unterlagen fehlten (im Folgenden: fehlende Unterlagen). Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil |
31 | Mit am 2. Juli 2021 eingereichter Klage beantragte das IC die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung. |
32 | Mit Entscheidung vom 3. Februar 2022 wurde das Königreich Spanien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des IC zugelassen. |
33 | Die Kommission erhob mit besonderem Schriftsatz, der am 29. September 2021 einging, eine Einrede der Unzulässigkeit wegen Verspätung der Klage. |
34 | Diese Einrede wurde im angefochtenen Urteil mit der Begründung zurückgewiesen, das IC habe erst mit der Mitteilung vom 10. Mai 2021 Informationen über die Bewertung der Qualitäten des Angebots der Gruppe CLL erhalten. Ab diesem Zeitpunkt habe das IC somit ihr Klagerecht wirksam ausüben können und die Klagefrist nach Art. 263 Abs. 6 AEUV zu laufen begonnen. |
35 | In der Sache brachte das IC, unterstützt durch das Königreich Spanien, fünf Klagegründe vor. |
36 | Mit seinem ersten Klagegrund warf es der Kommission einen Begründungsmangel der angefochtenen Entscheidung vor, da die relativen Vorzüge des Angebots der Gruppe CLL nicht erkennbar seien. |
37 | Mit seinem zweiten Klagegrund hielt das IC der Kommission einen Verstoß gegen Art. 167 Abs. 4 der Verordnung 2018/1046 vor, da sie nur eine isolierte Bewertung jedes einzelnen Angebots vorgenommen habe, anstatt sie unmittelbar miteinander zu vergleichen. |
38 | Mit seinem dritten Klagegrund warf das IC der Kommission vor, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen zu haben, indem sie die über Hyperlinks zugänglichen Bestandteile des Angebots zurückgewiesen habe. |
39 | Der vierte Klagegrund war gegenüber dem ersten Klagegrund subsidiär und gliederte sich in drei Teile. Erstens weise die streitige Entscheidung einen Begründungsmangel im Rahmen der individuellen Bewertung des Angebots des IC auf, weil es nicht möglich sei, den Zusammenhang zwischen den weitgehend positiven Kommentaren und der vergebenen Note zu verstehen, sowie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler wegen des unlogischen Zusammenhangs zwischen der Bewertung und der vergebenen Note im Rahmen der Unterkriterien 1.1 und 1.2. Zweitens sei die streitige Entscheidung mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet, soweit die Kommission den fehlenden Unterlagen eine unverhältnismäßige Bedeutung beigemessen habe. Drittens habe die Kommission dadurch, dass sie den fehlenden Unterlagen diese unverhältnismäßige Bedeutung beigemessen habe, eine neue Regel für die nachträgliche Bewertung aufgestellt. |
40 | Der fünfte Klagegrund stützte sich auf einen Verstoß gegen mehrere Grundsätze der Vergabe öffentlicher Aufträge, nämlich den Grundsatz der Öffnung der Aufträge für einen möglichst umfassenden Wettbewerb, den Grundsatz der Transparenz und den Grundsatz der Gleichbehandlung, da die Kommission alle Lose an denselben Bieter, nämlich die Gruppe CLL, vergeben habe. |
41 | Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht alle Klagegründe zurückgewiesen und die Klage entsprechend in vollem Umfang abgewiesen. Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof |
42 | Mit seinem Rechtsmittel in der Rechtssache C-534/23 P beantragt das IC, - das angefochtene Urteil aufzuheben; - die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären; - der Kommission die Kosten aufzuerlegen. |
43 | Mit seinem Rechtsmittel in der Rechtssache C-539/23 P beantragt das Königreich Spanien, - das angefochtene Urteil aufzuheben; - die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären; - hilfsweise, nach Aufhebung des angefochtenen Urteils die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen, damit es den zu Unrecht zurückgewiesenen Beweis prüfen und über die Klage in der Sache entscheiden kann. |
44 | Die Kommission beantragt, - die Rechtsmittel zurückzuweisen; - dem IC und dem Königreich Spanien die Kosten aufzuerlegen. |
45 | Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 20. November 2023 sind die beiden Rechtssachen C-534/23 P und C-539/23 P verbunden worden. Zu den Rechtsmitteln |
46 | Das IC stützt sein Rechtsmittel auf zwei Gründe, mit denen es erstens eine Verfälschung von Tatsachen und einen Begründungsmangel bei der Würdigung des dritten Klagegrundes und zweitens einen Rechtsfehler und eine Verfälschung von Tatsachen bei der Würdigung des zweiten Klagegrundes rügt. |
47 | Das Königreich Spanien stützt sein Rechtsmittel auf vier Gründe, mit denen es erstens einen Verstoß gegen Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und das Versäumnis des Gerichts, einen Begründungsmangel der streitigen Entscheidung festzustellen, zweitens einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, drittens einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des Willkürverbots bei der Bewertung der Angebote sowie einen Verstoß gegen Art. 145 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts und viertens einen Verstoß gegen das Erfordernis der objektiven Unparteilichkeit und den Grundsatz der Transparenz geltend macht. |
48 | Zunächst sind der erste Rechtsmittelgrund des IC und der zweite Rechtsmittelgrund des Königreichs Spanien zusammen zu prüfen. Bei dieser Prüfung wird zu berücksichtigen sein, dass der erste Rechtsmittelgrund des IC, der sich nach seiner Überschrift auf eine Verfälschung von Tatsachen und einen Begründungsmangel stützt, in Wirklichkeit auf Rechtsfehler gestützte Argumente enthält, die sich weitgehend mit dem Vorbringen des Königreichs Spanien im zweiten Rechtsmittelgrund eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes decken. Zum ersten Rechtsmittelgrund des IC und zum zweiten Rechtsmittelgrund des Königreichs Spanien Vorbringen der Parteien |
49 | Das IC weist zunächst darauf hin, dass es im Rahmen seines dritten Rechtsmittelgrundes vor dem Gericht geltend gemacht habe, es habe zu Recht annehmen dürfen, dass jedes über das System eSubmission eingereichte Angebot Hyperlinks zu den auf einer Website verfügbaren Unterlagen zur Beschreibung des Angebots enthalten könne. Auf der Grundlage dieses berechtigten Vertrauens habe es mittels Hyperlinks auf mehrere für die Bewertung seines Angebots relevante Unterlagen verwiesen, wie z. B. Unterlagen, in denen beschrieben werde, wie bei der Ausführung dieses Auftrags über Sprachunterrichtsdienstleistungen der Fernunterricht zwischen den Lernenden und den Lehrenden sichergestellt werde. |
50 | Das IC weist ferner darauf hin, dass es in Beantwortung einer Frage des Gerichts Beweise vorgelegt habe, aus denen hervorgehe, dass auch andere Bieter Hyperlinks in ihre Angebote aufgenommen hätten. |
51 | Das IC wendet sich gegen die in Rn. 142 des angefochtenen Urteils dargelegte und auf das Verbot der Änderung dieser Unterlagen nach Ablauf der Angebotsfrist gestützte Beurteilung des Gerichts, wonach ein gebührend informierter und mit der üblichen Sorgfalt handelnder Bieter nicht davon habe ausgehen können, dass es zulässig sei, in sein Angebot Hyperlinks zu Unterlagen aufzunehmen, die auf einer auch nach Angebotsfrist unter seiner Kontrolle stehenden Website enthalten seien. Nach Ansicht des IC ist weder der Verordnung 2018/1046 noch den Verdingungsunterlagen zu entnehmen, dass die Verwendung von Hyperlinks rechtswidrig gewesen sei. |
52 | Das IC betont, dass sich die Unterlagen, die es mittels Hyperlinks zugänglich gemacht habe, in einem geschlossenen elektronischen Raum befunden hätten, der ausschließlich für den in Rede stehenden Auftrag bestimmt gewesen sei. Die Kommission hätte sich daher durch Aufforderung des IC zur Vorlage entsprechender Nachweise vergewissern können, dass diese Unterlagen mit diesen Hyperlinks vor Ablauf der Angebotsfrist verlinkt und später nicht geändert worden seien. Das Gericht habe daher einen Rechtsfehler begangen, indem es in Rn. 142 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass im Fall der Verwendung von Hyperlinks nicht gewährleistet werden könne, dass die betreffenden Unterlagen nach Ablauf dieser Frist unverändert blieben. |
53 | Das IC wendet sich daher auch gegen die Beurteilung in Rn. 143 des angefochtenen Urteils, wonach die Kommission die Berücksichtigung der mittels Hyperlinks zugänglich gemachten Unterlagen auch dann habe ablehnen dürfen, wenn sich nach Überprüfung herausstelle, dass diese Unterlagen nach Ablauf der Angebotsfrist nicht geändert worden seien. |
54 | Das IC beanstandet auch Rn. 144 des angefochtenen Urteils, in der die Präsentation des Leiters der IT-Abteilung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht erwähnt werde, aus der hervorgegangen sei, dass die Unterlagen, die das Angebot beschrieben, technisch gesehen noch von dem IC hätten geändert werden können. Nach Ansicht des IC ist dieser Gesichtspunkt irrelevant, da es ja nur wichtig sei festzustellen, ob diese Unterlagen geändert worden seien, und nicht, ob sie hätten geändert werden können. Da jede Änderung eine Spur im EDV-System hinterlasse, hätte das IC nachweisen können, dass es diese Unterlagen nach Ablauf der Angebotsfrist nicht geändert habe. |
55 | Jedenfalls sei es nicht hinnehmbar, dass ein öffentlicher Auftraggeber Unterlagen allein deshalb außer Acht lasse, weil er nicht in der Lage sei, festzustellen, ob diese Unterlagen vollständig seien. Unterlagen, die zur Stützung eines Angebots eingereicht worden seien, könnten nur im Fall einer erwiesenen Unregelmäßigkeit und nicht auf der Grundlage einer bloßen Vermutung einer Unregelmäßigkeit ausgeschlossen werden. |
56 | Das IC weist darauf hin, dass es zuvor an dem Verfahren zur Vergabe des Auftrags HR/2020/OP/0004 teilgenommen habe, für das die Verdingungsunterlagen in einer Art und Weise, die den in den im vorliegenden Fall in Rede stehenden Verdingungsunterlagen verwendeten entspreche, die Abgabe von Angeboten über das System eSubmission verlangt hätten. In diesem Verfahren habe das vom IC in diesem System abgegebene Angebot einen Hyperlink enthalten, der auf Anhänge verwiesen habe. Bei der Bewertung dieses Angebots, die dem IC von der Kommission am 7. September 2020 mitgeteilt worden sei, sei der Inhalt dieser Anhänge beschrieben und bewertet worden. |
57 | Das IC macht geltend, es habe zum einen aufgrund dieser Mitteilung der Kommission, die ihm zugegangen sei, als es sein Angebot für den im vorliegenden Fall in Rede stehenden Auftrag vorbereitet habe, und zum anderen aufgrund des Fehlens einer ausdrücklichen Klarstellung in den Auftragsunterlagen, dass die Verwendung von Hyperlinks nunmehr verboten sei, berechtigterweise annehmen dürfen, dass eine solche Verwendung zulässig sei. Entgegen den Ausführungen des Gerichts in Rn. 148 des angefochtenen Urteils sei davon auszugehen, dass sich das IC unter solchen Umständen auf ein berechtigtes Vertrauen berufen könne. |
58 | Das IC weist in diesem Zusammenhang zunächst darauf hin, dass die Verpflichtung, das System eSubmission zu verwenden, im entscheidungserheblichen Zeitraum erst kürzlich bestanden habe. Unter diesen Umständen habe das Gericht in Rn. 148 des angefochtenen Urteils zu Unrecht den Nachweis verlangt, dass die Kommission dem IC "übereinstimmende" Zusicherungen erteilt habe. Insoweit habe das Gericht die Tatsachen verfälscht, indem es verkannt habe, dass das Vergabeverfahren HR/2020/OP/0004 der einzige Fall gewesen sei, in dem sich die Frage der Verwendung von Hyperlinks in einem im System eSubmission eingereichten Angebot zuvor habe stellen können. |
59 | Sodann stütze sich Rn. 148 des angefochtenen Urteils zu Unrecht auf eine Rechtsprechung, die den Fall betreffe, dass eine von der Kommission gegebene Zusicherung nicht vorschriftskonform sei. Im vorliegenden Fall fehle es an einer solchen "Vorschrift", da die Einreichung der Angebote im System eSubmission weder nach der Verordnung 2018/1046 noch nach irgendeinem anderen Rechtsakt der Union erforderlich sei. |
60 | Schließlich räumt das IC zwar ein, dass im vorliegenden Fall die Verwendung von Hyperlinks im Angebot als Fehler angesehen werden könne, macht aber geltend, dass eine erhebliche Zahl von Bietern insbesondere durch die frühere Praxis der Kommission dazu veranlasst worden sei, diesen Fehler zu begehen. Dies sei für die Feststellung des Vorliegens eines "berechtigten Vertrauens" im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs wesentlich. |
61 | Das IC fügt hinzu, es habe das Gericht ersucht, die Kommission zur Vorlage von Informationen zu verpflichten, anhand deren sich feststellen lasse, ob andere Bieter auch Hyperlinks im Rahmen ihrer Angebote verwendet hätten und ob die Kommission es systematisch abgelehnt habe, die Unterlagen zu berücksichtigen, auf die diese Links verwiesen. Laut dem IC waren entgegen den zur Begründung der Zurückweisung des Antrags auf Beweiserhebung gemachten Ausführungen des Gerichts in Rn. 150 des angefochtenen Urteils diese Informationen unerlässlich, um über das Vorbringen eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu entscheiden. |
62 | Zu diesem Punkt weist das IC darauf hin, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes die logische Folge des Grundsatzes der Rechtssicherheit sei. Es sei daher zwingend erforderlich, dass die vom öffentlichen Auftraggeber für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags aufgestellten Regeln klar und bestimmt seien und dass ihre Anwendung für die Bieter vorhersehbar sei. Dieses Erfordernis könne jedoch nicht als erfüllt angesehen werden, wenn mehrere Bieter eine Regel wie die Pflicht zur Einreichung der Angebote mittels des Systems eSubmission in einem anderen als dem von der Kommission befürworteten Sinne ausgelegt hätten. |
63 | Im Übrigen habe das Gericht die Zurückweisung des dritten Klagegrundes rechtlich nicht hinreichend begründet. |
64 | Nach Ansicht des Königreichs Spanien ist die Zurückweisung des dritten Klagegrundes des IC mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unvereinbar. |
65 | Zum einen habe aufgrund der Tatsache, dass den Verdingungsunterlagen über die Möglichkeit, einem Angebot mittels Hyperlinks Unterlagen beizufügen, nichts zu entnehmen gewesen sei, eine Situation der Unsicherheit bestanden und zum anderen habe eine Verwaltungspraxis der Kommission existiert, die dem IC von dieser mitgeteilt worden sei und die bei dem IC ein berechtigtes Vertrauen darauf geweckt habe, dass eine solche Vorgehensweise zulässig sei. |
66 | Das Königreich Spanien wirft dem Gericht zunächst vor, seine Prüfung auf die Möglichkeit beschränkt zu haben, dass die einem Angebot mittels Hyperlinks beigefügten Unterlagen nach Ablauf der Angebotsfrist geändert würden. Damit habe es die Möglichkeit einer etwaigen Gefahr eines rechtswidrigen Verhaltens in ein unüberwindliches Hindernis umgewandelt, das der Verwendung von Hyperlinks für die Einreichung der Unterlagen zur Beschreibung eines Angebots absolut entgegenstehe. |
67 | Selbst wenn man annähme, dass die Verwendung solcher Links nicht ordnungsgemäß sei, habe das Gericht in Rn. 147 des angefochtenen Urteils aus dem Urteil vom 10. Oktober 2013, Manova (C-336/12, EU:C:2013:647), das die Möglichkeit betreffe, ein Angebot zum Zweck der Klarstellung oder Berichtigung offensichtlicher materieller Fehler zu berichtigen oder zu ergänzen, zu Unrecht abgeleitet, dass die Kommission nicht verpflichtet gewesen sei, das IC aufzufordern, die Unterlagen erneut durch Hochladen in das System eSubmission vorzulegen. Entgegen den Feststellungen des Gerichts hätte diese Rechtsprechung analog herangezogen werden können, um zu dem Schluss zu gelangen, dass es dem IC zu erlauben sei, die Unterlagen, die es ursprünglich mittels Hyperlinks zugänglich gemacht habe, unmittelbar über das System eSubmission vorzulegen oder nachzuweisen, dass diese Unterlagen nach Ablauf der Frist für die Einreichung der Angebote nicht geändert worden seien. |
68 | Sodann habe das Gericht zu Unrecht entschieden, dass zum einen der Umstand, dass die Kommission im Rahmen des Vergabeverfahrens HR/2020/OP/0004 der Einreichung von Unterlagen mittels Hyperlinks zugestimmt habe, und zum anderen der Umstand, dass die Kommission, wie sich aus Rn. 133 des angefochtenen Urteils ergebe, anhand des Unterkriteriums 1.3 die Online-Plattformen der Bieter bewertet habe, die auf externen Servern gehostet seien und über solche Links zugänglich seien, unerheblich seien. Zum letztgenannten Punkt habe sich das Gericht in Rn. 145 des angefochtenen Urteils ebenfalls zu Unrecht auf die Feststellung beschränkt, dass IC die Höchstpunktzahl für dieses Unterkriterium 1.3 erhalten habe. |
69 | Schließlich weist das Königreich Spanien darauf hin, dass es vor dem Gericht darauf hingewiesen habe, dass bestimmte Unterlagen, die über Hyperlinks zugänglich gemacht worden seien, unter einer ISBN-Nummer (International Standard Book Number) registriert seien und daher nicht geändert werden könnten. In Rn. 131 des angefochtenen Urteils habe das Gericht dieses Vorbringen verfälscht und es unterlassen, sich zur fehlenden Bewertung solcher Unterlagen zu äußern. |
70 | Die Kommission tritt dem Vorbringen des IC und des Königreichs Spanien entgegen. Würdigung durch den Gerichtshof |
71 | Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Möglichkeit, sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berufen, jedem offensteht, bei dem die Unionsverwaltung begründete Erwartungen geweckt hat. Zusicherungen, die solche Erwartungen wecken können, sind präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite, unabhängig von der Form ihrer Mitteilung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. September 2024, Coppo Gavazzi u. a./Parlament, C-725/20 P, EU:C:2024:766, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
72 | Ist dagegen eine umsichtige und besonnene Person in der Lage, den Erlass einer Unionsmaßnahme, die ihre Interessen berühren kann, vorherzusehen, so kann sie sich im Fall ihres Erlasses nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen (Urteil vom 19. September 2024, Coppo Gavazzi u. a./Parlament, C-725/20 P, EU:C:2024:766, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
73 | Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Rn. 142 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass im Verfahren zur Vergabe des in Rede stehenden öffentlichen Auftrags jeder gebührend informierte und mit der üblichen Sorgfalt handelnde Bieter in der Lage gewesen sei, zu verstehen, dass es ihm nicht erlaubt gewesen sei, in sein Angebot Hyperlinks zu Unterlagen aufzunehmen, die auf einer auch nach Angebotsfrist unter seiner Kontrolle stehenden Website zugänglich seien und die daher nach Ablauf der Angebotsfrist technisch geändert werden könnten. |
74 | Diese Beurteilung beruht auf den in den Rn. 138 bis 141 des angefochtenen Urteils dargelegten Gesichtspunkten, die vom IC nicht bestritten werden. |
75 | Zu diesen Gesichtspunkten zählt die Zitierung in Rn. 138 des angefochtenen Urteils einer Passage der S. 79 der Verdingungsunterlagen, wo es heißt: "Die Angebote sind über die eSubmission-Anwendung einzureichen; dabei sind die Anleitungen in der Aufforderung zur Angebotsabgabe und im praktischen Leitfaden für das eSubmission-System zu beachten". |
76 | Wie das Gericht in Rn. 139 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen ausgeführt hat, ließ diese Anweisung in den Verdingungsunterlagen erkennen, dass die Unterlagen zur Beschreibung des Angebots in das System eSubmission hochgeladen werden mussten. |
77 | Insoweit ist der vom Königreich Spanien hervorgehobene Umstand unerheblich, dass es nach dem in den Auftragsunterlagen enthaltenen Unterkriterium 1.3 ("Online-Plattformen") erforderlich gewesen sei, einen absolut veränderbaren Gesichtspunkt zu bewerten, nämlich die vom Bieter angebotene Online-Sprachunterrichtsplattform. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft nämlich nicht die Anwendung des Unterkriteriums 1.3, sondern die Frage, ob die Angaben, die in das Angebot aufgenommen wurden, um den Inhalt und die Didaktik des angebotenen Sprachunterrichts zu dokumentieren (Unterkriterien 1.1 und 1.2), in das System eSubmission hochgeladen werden mussten oder über Hyperlinks zugänglich gemacht werden durften. |
78 | In Anbetracht der Ausführungen in den Rn. 138 bis 141 des angefochtenen Urteils, insbesondere der in den Rn. 75 und 76 des vorliegenden Urteils hervorgehobenen Gesichtspunkte, können weder der vom IC und vom Königreich Spanien geltend gemachte Umstand, dass die Kommission im Rahmen einer früheren Ausschreibung Unterlagen berücksichtigt habe, die über Hyperlinks zugänglich gemacht worden seien, noch der - sein Vorliegen unterstellte - Umstand, dass andere Bieter wie das IC die Auffassung vertreten hätten, dass die zur Stützung ihres Angebots vorgelegten Unterlagen auf diese Weise vorgelegt werden dürften, als "begründete Erwartungen" eingestuft werden, die sich aus "präzise[n], nicht an Bedingungen geknüpfte[n] und übereinstimmende[n] Auskünfte[n] von zuständiger und zuverlässiger Seite" im Sinne der in Rn. 71 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergeben. Folglich hat das Gericht in Rn. 150 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erforderlich gewesen sei, zu prüfen, inwieweit die anderen Bieter in ihre Angebote Hyperlinks aufgenommen hätten, die Zugang zu den die Angebote beschreibenden Unterlagen verschafft hätten. |
79 | Im Übrigen ist festzustellen, dass in einer Situation wie der vom IC beschriebenen, in der die Kommission im ersten und - zum Zeitpunkt des dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalts - einzigen Vergabeverfahren, in dem die Verwendung des Systems eSubmission obligatorisch war, die mittels Hyperlinks zugänglich gemachten Unterlagen bewertet hat, der zwangsläufig isolierte Charakter einer solchen ersten Verwaltungspraxis es grundsätzlich ausschließt, allein auf der Grundlage dieses Gesichtspunkts das Vorliegen übereinstimmender Zusicherungen festzustellen. |
80 | Nach alledem hat das Gericht in Rn. 148 des angefochtenen Urteils zu Recht entschieden, dass das IC nicht nachgewiesen hat, dass es übereinstimmende Zusicherungen der Kommission gibt, die die Verwendung von Hyperlinks ermöglichen würden. |
81 | Soweit das IC und das Königreich Spanien einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, von dem sich der Grundsatz des Vertrauensschutzes ableitet, geltend machen, ist darauf hinzuweisen, dass der erste Grundsatz verlangt, dass Rechtsvorschriften klar und bestimmt sind, damit sie in ihrer Anwendung für den Einzelnen vorhersehbar sind. Alle Rechtsvorschriften müssen es den Betroffenen ermöglichen, dass sie ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und sich darauf einstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juni 2021, Jumbocarry Trading, C-39/20, EU:C:2021:435, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
82 | Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Vorschriften über die Einreichung von Unterlagen zur Stützung eines im Rahmen einer Ausschreibung der Union eingereichten Angebots hinreichend klar und bestimmt sind. |
83 | Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Nr. 16.2 des Anhangs I der Verordnung 2018/1046 Einzelheiten betreffend die Abgabe der Angebote in der Aufforderung zur Angebotsabgabe festgelegt werden müssen. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Aufforderung zur Angebotsabgabe vorsah, dass die Angebote mittels des Systems eSubmission einzureichen waren und dass die Bieter zu diesem Zweck die Anleitungen des praktischen Leitfadens für dieses System zu beachten hatten. Diese Anweisung wurde in der oben genannten Passage auf S. 79 der Verdingungsunterlagen wiederholt, in der auf diese Anleitungen verwiesen wurde, wonach jedes zur Stützung des Angebots eingereichte Dokument in den dafür vorgesehenen Bereich des Systems eSubmission hochgeladen werden muss. |
84 | Die Eindeutigkeit dieser Anweisung verstärkt sich dadurch, dass es eine Anforderung der "Unversehrtheit der Daten" gibt, das in Bezug auf die Online-Einreichung von Unterlagen, die zur Stützung eines an die Unionsverwaltung gerichteten Antrags vorgelegt werden, in Art. 149 Abs. 1 der Verordnung 2018/1046 verankert ist. Gemäß dieser Anforderung muss das von den Bietern verwendete Online-Einreichungssystem so gestaltet werden, dass die Antragsunterlagen während des gesamten Verwaltungsverfahrens unverändert bleiben. Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge durch die Union stellen keine Ausnahme von dieser Regel dar. Die Unversehrtheit der Daten muss daher bereits vor Ablauf der Angebotsfrist gewährleistet sein, was erfordert, dass jedes Dokument, das zur Stützung eines Angebots vorgelegt wird, in einer Form und unter Bedingungen eingereicht wird, die jede spätere Änderung eines solchen Dokuments ausschließen. |
85 | Die Verankerung des Gebotes der Unversehrtheit der Daten in der Verordnung 2018/1046 widerlegt im Übrigen das Vorbringen des IC, dass die Einreichung von Unterlagen zur Stützung eines Angebots im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge durch die Union nicht unter eine "Vorschrift" falle. Das Gericht hat daher in Rn. 148 des angefochtenen Urteils zu Recht im Wesentlichen festgestellt, dass selbst dann, wenn die Kommission dem IC Zusicherungen dahin gehend gegeben hätte, dass die den Inhalt und die Didaktik beschreibenden Unterlagen mittels Hyperlinks eingereicht werden dürften, diese Zusicherungen mit den geltenden Vorschriften unvereinbar gewesen wären. Zu diesen Vorschriften gehören im Übrigen nicht nur das Erfordernis der Unversehrtheit der Daten sondern auch die Grundsätze für die Vergabe öffentlicher Aufträge, darunter die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung, deren Einhaltung Art. 160 der Verordnung 2018/1046 verlangt. |
86 | Diese Vorschriften sowie Erwägungen der guten Verwaltung können es rechtfertigen, dass die Anweisung, die zur Stützung des Angebots vorgelegten Unterlagen hochzuladen, für alle diese Unterlagen gilt, ohne Ausnahmen für bestimmte Kategorien von Unterlagen, deren spätere Änderung aus technischen oder rechtlichen Gründen äußerst schwierig oder sogar unmöglich wäre. Selbst wenn man annimmt, dass das Vorbringen des Königreichs Spanien, dass die unter einer ISBN (International Standard Book Number) registrierten Unterlagen nicht geändert werden könnten, zuträfe und, wie das Königreich Spanien vorträgt, vom Gericht falsch ausgelegt worden wäre, könnte dies daher nicht die für sich allein entscheidende Erwägung im angefochtenen Urteil beeinträchtigen, wonach das IC von der Kommission nicht habe erwarten können, dass diese Unterlagen bewerte, die nicht im System eSubmission hochgeladen, sondern nur mittels Hyperlinks zugänglich gemacht worden seien. |
87 | Da das Gericht ohne Missachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Hinblick auf das Erfordernis, zu gewährleisten, dass das gesamte von jedem Bieter eingereichte Unterlagenpaket unverändert bleibe, die mittels Hyperlinks zugänglich gemachten Unterlagen bei der Bewertung der Angebote nicht berücksichtigt werden dürften, hat es in den Rn. 143, 144, 146 und 147 des angefochtenen Urteils ebenfalls zu Recht festgestellt, dass die Kommission nicht verpflichtet gewesen sei, durch Einforderung von Nachweisen von Bietern, die Hyperlinks verwendet hätten, zu prüfen, ob die mittels solcher Links zugänglich gemachten Unterlagen nach Ablauf der Angebotsfrist unverändert geblieben seien. |
88 | Insoweit hat das Gericht in Rn. 147 des angefochtenen Urteils zu Recht ausgeführt, dass die auf das Urteil vom 10. Oktober 2013, Manova (C-336/12, EU:C:2013:647), zurückgehende Rechtsprechung nicht dahin verstanden werden könne, dass die Kommission das IC auffordern müsse, dass die Einreichung der in Rede stehenden Unterlagen nachgebessert wird. Dieses Urteil betrifft nämlich die Möglichkeit für den öffentlichen Auftraggeber, einen Bieter aufzufordern, die Einreichung seines Angebots dadurch zu heilen, dass er Unterlagen einreicht, die die Situation dieses Bieters beschreiben. Abgesehen davon, dass die Unterlagen, um die es in der Rechtssache ging, in der dieses Urteil ergangen ist, anders als im vorliegenden Fall nicht das Angebot selbst betrafen, begründet dieses Urteil keine Verpflichtung für den öffentlichen Auftraggeber, zu verlangen, dass die Einreichung der Unterlagen nachgebessert wird. |
89 | Schließlich ergibt sich aus den vorstehenden Überlegungen, dass das Gericht seine Beurteilungen so klar und eindeutig begründet hat, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die getroffene Entscheidung entnehmen können und der Gerichtshof seine gerichtliche Kontrolle ausüben kann. Daher ist das Vorbringen des IC, das angefochtene Urteil sei unzureichend begründet, das ausschließlich auf die soeben zurückgewiesenen Sachargumente gestützt ist, mit denen es zusammen vorgetragen wird, als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen. |
90 | Nach alledem sind der erste Rechtsmittelgrund des IC und der zweite Rechtsmittelgrund des Königreichs Spanien zurückzuweisen. Zum zweiten Rechtsmittelgrund des IC Vorbringen der Parteien |
91 | Das IC weist darauf hin, dass es der Kommission mit seinem zweiten Klagegrund vorgeworfen habe, keine vergleichende Prüfung der Qualität der konkurrierenden Angebote vorgenommen zu haben. Sie habe sich nämlich darauf beschränkt, jedes einzelne Angebot isoliert zu bewerten und diese Angebote entsprechend den Ergebnissen zu reihen, die am Ende dieser Einzelbewertungen erzielt worden seien. |
92 | Das Gericht habe diesen Klagegrund im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Vergleich der Angebote nicht verlange, dass die Angebote der Bieter zueinander in Beziehung gesetzt würden, um die Merkmale und Vorteile der einen im Vergleich zu den anderen zu ermitteln. |
93 | Diese Argumentation spiegele sich insbesondere in Rn. 165 des angefochtenen Urteils wider, in der das Gericht festgestellt habe, dass das Angebot der Gruppe CLL ebenso wie das Angebot des IC anhand der in den Verdingungsunterlagen enthaltenen Zuschlagskriterien bewertet worden sei, so dass es keinen Grund für die Annahme gebe, dass die Kommission der Anforderung nicht nachgekommen wäre, das wirtschaftlich günstigste Angebot anhand objektiver Kriterien zu ermitteln, die die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung sicherstellen. |
94 | Nach Ansicht des IC ist ein solcher Ansatz beim Vergleich der Angebote rechtsfehlerhaft. Wenn, wie im vorliegenden Fall, die Anwendung des Zuschlagskriteriums des wirtschaftlich günstigsten Angebots die Ermittlung des Angebots mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis erfordere, müsse die Qualität der jeweiligen Angebote zueinander in Beziehung gesetzt werden. Nur dieser Ansatz der direkten Gegenüberstellung von Angeboten stelle im Sinne des 90. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2014/24 einen "objektiven Vergleich des relativen Werts der Angebote [sicher], damit unter den Bedingungen eines effektiven Wettbewerbs ermittelt werden kann, welches das wirtschaftlich günstigste Angebot ist". Dieser 90. Erwägungsgrund sei für die Auslegung der Tragweite von Art. 67 dieser Richtlinie relevant, da dieser Art. 67, wie sich aus dem 106. Erwägungsgrund der Verordnung 2018/1046 ergebe, selbst für das Verständnis der Bedeutung des in Art. 167 Abs. 4 dieser Verordnung vorgeschriebenen Zuschlagskriteriums des wirtschaftlich günstigsten Angebots relevant sei. |
95 | Das von der Gruppe CLL für alle Lose eingereichte Angebot hätte tatsächlich mit den Angeboten der anderen Bieter für jedes Los gesondert verglichen werden müssen. Eine solche vergleichende Prüfung hätte zu einer anderen Bewertung des Angebots der Gruppe CLL für jedes Los führen können. Der Bewertungsausschuss habe aber dem Angebot dieser Gruppe für jedes einzelne Los eine identische Note vergeben, obwohl in den Verdingungsunterlagen darauf hingewiesen worden sei, dass im Fall der Abgabe eines Angebots für mehrere Lose eine Bewertung jedes einzelnen Loses vorgenommen werde. Somit habe das Gericht in Rn. 166 des angefochtenen Urteils zu Unrecht die einheitliche Bewertung des Angebots der Gruppe CLL akzeptiert. |
96 | Der Umstand, dass das Angebot der Gruppe CLL im Wesentlichen für jedes Los identisch gewesen sei, sei insoweit unerheblich, da sich ja die Angebote der anderen Bieter von Los zu Los unterschieden, was einen vom Angebot der Gruppe CLL im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern von Los zu Los unterschiedlichen relativen Wert sicherstellen müsse. |
97 | Die Zurückweisung des zweiten Klagegrundes sei zudem widersprüchlich begründet. |
98 | Hierzu weist das IC darauf hin, dass in Rn. 174 des angefochtenen Urteils festgestellt werde, dass "die Kommission die technischen Angebote einander gegenübergestellt hat. Insoweit hat die Kommission tatsächlich festgestellt, dass das Angebot [des IC] in Bezug auf das Selbststudium einen Mangel aufwies. Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass dieses Angebot im Vergleich zu dem der Gruppe CLL als qualitativ weniger hochwertig bewertet wurde, weil das Selbststudium darin nicht spezifiziert war". Mit dieser Äußerung habe das Gericht zu verstehen gegeben, dass der öffentliche Auftraggeber die konkurrierenden Angebote im Verhältnis zueinander bewerten müsse, was im Widerspruch zur restlichen Begründung des angefochtenen Urteils stehe, die zur Zurückweisung des zweiten Klagegrundes führe. A priori sei davon auszugehen, dass das Gericht in dieser Rn. 174 festgestellt habe, dass die Kommission die konkurrierenden Angebote tatsächlich miteinander verglichen habe. Diese Feststellung stehe in einem solchen Fall in Widerspruch zu den übrigen Feststellungen des Gerichts im angefochtenen Urteil und stelle jedenfalls eine Verfälschung der Tatsachen dar, da die Kommission in Wirklichkeit die konkurrierenden technischen Vorschläge nicht zueinander in Beziehung gesetzt habe, um ihre Merkmale und ihre relativen Vorteile zu ermitteln. |
99 | Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Würdigung durch den Gerichtshof |
100 | Wie sich aus dem vom Gericht festgestellten und in Rn. 15 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Sachverhalt ergibt, musste sich die Kommission im Hinblick auf die Vergabe des in Rede stehenden öffentlichen Auftrags gemäß Art. 167 Abs. 4 der Verordnung 2018/1046 auf das Kriterium des wirtschaftlich günstigsten Angebots stützen, wobei dieses Kriterium gemäß dieser Bestimmung nach der Methode des niedrigsten Preises, der der niedrigsten Kosten oder der des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses angewandt werden konnte. |
101 | Aus diesem Sachverhalt ergibt sich auch, dass im vorliegenden Fall die Methode des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses angewandt wurde. |
102 | Zwar verlangt diese Methode, wie das IC hervorhebt, einen objektiven Vergleich des "relativen Wertes" der Angebote. Dieses Erfordernis ergibt sich u. a. aus dem 90. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24, der für die Auslegung der Tragweite von Art. 67 dieser Richtlinie relevant ist, da dieser Art. 67, wie sich aus dem 106. Erwägungsgrund der Verordnung 2018/1046 ergibt, selbst für die Auslegung von Art. 167 Abs. 4 dieser Verordnung relevant ist. |
103 | Entgegen dem Vorbringen des IC ist die Beurteilung des Gerichts, wonach im vorliegenden Fall ein solcher objektiver Vergleich anhand des relativen Wertes der Angebote vorgenommen worden sei, jedoch nicht mit einem Rechtsfehler oder einer Verfälschung der Tatsachen behaftet. |
104 | Hierzu hat das Gericht in den Rn. 165 und 166 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Angebote der Gruppe CLL und des IC jeweils anhand der in den Verdingungsunterlagen festgelegten Kriterien bewertet worden seien. Wie in den Rn. 23 und 26 des vorliegenden Urteils ausgeführt, führten diese Bewertungen zu einer Gesamtpunktzahl von 88,89 von 100 Punkten für die Gruppe CLL und 87,40 von 100 Punkten für das IC. |
105 | Dieser Sachverhalt wird vom IC nicht bestritten. |
106 | Es ist somit offensichtlich, dass der "relative Wert" der Angebote tatsächlich bewertet wurde, da der Wert des Angebots der Gruppe CLL um 1,49 Punkte über dem Wert des Angebots des IC lag. |
107 | Außerdem hat das IC nichts vorgetragen, was belegen könnte, dass die Unionsvorschriften den öffentlichen Auftraggeber verpflichteten, die Angebote der Bieter auf andere Weise zu vergleichen, oder was seine Behauptung stützen könnte, dass Rn. 174 des angefochtenen Urteils in diesem Sinne auszulegen sei. Zum letztgenannten Punkt ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in Rn. 174 des angefochtenen Urteils, in der auf die Rn. 165 bis 168 Bezug genommen wird, keine Beurteilung vorgenommen hat, die im Widerspruch zu den in diesen letzteren Randnummern enthaltenen Beurteilungen stünde. Dort wird nämlich lediglich festgestellt, dass die Kommission durch die Bewertung jedes einzelnen technischen Angebots anhand der Verdingungsunterlagen "die technischen [Angebote] ... einander gegenübergestellt hat", d. h. dass sie diese vergleichen konnte. Dies entspricht im Wesentlichen den Ausführungen in den Rn. 165 bis 168. |
108 | Das IC hat auch nicht seine Behauptung untermauert, dass die Beurteilung des Wertes des Angebots der Gruppe CLL für sämtliche Lose des in Rede stehenden öffentlichen Auftrags einheitlich erfolgt sei. Zwar hat sich gezeigt, dass alle Lose dieses Auftrags in erster Linie an die Gruppe CLL vergeben wurden, doch geht weder aus den vom Gericht festgestellten Tatsachen noch aus den vom IC angeführten Tatsachen hervor, dass die Punktzahlen, die die zweitgereihten Bieter für die verschiedenen Lose dieses Auftrags erhalten hätten, identisch gewesen wären. Es gibt daher keinen Anhaltspunkt dafür, dass der "relative Wert" des Angebots der Gruppe CLL für alle Lose einheitlich gewesen wäre. |
109 | Folglich lässt keines der vom IC zur Stützung seines zweiten Rechtsmittelgrundes vorgebrachten Argumente die Feststellung zu, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen oder die Tatsachen verfälscht hätte, als es in Rn. 165 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass es keinen Grund für die Annahme gebe, dass die Kommission der Anforderung nicht nachgekommen wäre, das wirtschaftlich günstigste Angebot anhand objektiver Kriterien zu ermitteln, die die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz, der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung sicherstellen. |
110 | Daraus folgt, dass der zweite Rechtsmittelgrund des IC nicht durchgreift. Zum ersten Rechtsmittelgrund des Königreichs Spanien Vorbringen der Parteien |
111 | Das Königreich Spanien macht geltend, das Gericht habe dadurch den Umfang der in Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta verankerten Begründungspflicht verkannt, dass es die Feststellung unterlassen habe, dass der streitige Beschluss mit einem Begründungsmangel behaftet sei. |
112 | Das Königreich Spanien weist zum einen darauf hin, dass die Gesamtpunktzahl, die für das Angebot der Gruppe CLL vergeben worden sei, nur 1,49 Punkte über dem Angebot vom IC gelegen habe. Zum anderen hätten die fehlenden Unterlagen nur einige Komponenten der Unterkriterien 1.1 und 1.2 betroffen. Die fehlenden Unterlagen seien einer der Gründe gewesen, aus denen das IC im Rahmen der Bewertung dieser Unterkriterien die Noten 22/30 und 21/30 erhalten habe. |
113 | Der streitigen Entscheidung lasse sich jedoch nicht entnehmen, aus welchen genauen Gründen diese Noten an das Angebot des IC vergeben worden seien. |
114 | Der Zugang zu einem Bewertungsschema, das eine Reihe von Kommentaren zu verschiedenen Komponenten eines Unterkriteriums enthalte, ohne dass angegeben werde, wie viele Punkte für jede einzelne dieser Komponenten vergeben oder abgezogen worden seien, sei unzureichend. |
115 | Das Gericht habe zwar in Rn. 65 des angefochtenen Urteils zu Recht darauf hingewiesen, dass es für die Erfüllung der Begründungspflicht ausreiche, wenn der nicht ausgewählte Bieter verstehen könne, warum das ausgewählte Angebot besser sei als das nicht ausgewählte Angebot. Im vorliegenden Fall habe das Gericht jedoch zu Unrecht nicht festgestellt, dass die streitige Entscheidung dem IC eben nicht ermöglicht habe zu verstehen, warum das Angebot der Gruppe CLL günstiger bewertet worden sei. |
116 | Das Königreich Spanien betont, dass es nicht das weite Ermessen des öffentlichen Auftraggebers bei der Aufteilung der Punkte jedes einzelnen Unterkriteriums auf die verschiedenen Komponenten dieses Kriteriums in Frage stelle. Es macht jedoch geltend, dass die Kommission erläutern müsse, wie viele Punkte sie für jede einzelne dieser Komponenten vergebe. Zur Stützung dieses Vorbringens verweist es auf die Rn. 247 bis 254 des Urteils vom 27. April 2016, European Dynamics Luxembourg u. a./EUIPO (T-556/11, EU:T:2016:248). |
117 | Aus diesem Urteil gehe hervor, dass das Fehlen einer Korrelation zwischen den positiven und negativen Kommentaren, die jedem bewerteten Gesichtspunkt zugeschrieben worden seien, auf der einen Seite und einer spezifischen Vergabe oder eines spezifischen Abzugs von Punkten auf der anderen Seite eine Verletzung der Begründungspflicht darstelle. |
118 | Daher habe das Gericht, als es in den Rn. 63, 102, 117 und 118 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen entschieden habe, dass dieses Fehlen einer Korrelation unerheblich sei, einen Rechtsfehler begangen. |
119 | Das Gericht habe in Rn. 90 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Verdingungsunterlagen im vorliegenden Fall weniger detailliert seien als jene, um die es in der Rechtssache gegangen sei, in der das Urteil vom 27. April 2016, European Dynamics Luxembourg u. a./EUIPO (T-556/11, EU:T:2016:248), ergangen sei. Nach Ansicht des Königreichs Spanien ist diese Begründung des Gerichts rechtsfehlerhaft, da sie auf die Feststellung hinauslaufe, dass der Umfang der Begründungspflicht von der Detailliertheit abhänge, in der die Verdingungsunterlagen verfasst seien. Der Umfang dieser Verpflichtung kann jedoch nicht von den Auftragsunterlagen abhängen. Im vorliegenden Fall hätte das Gericht die in den Rn. 76 bis 78 und 90 des angefochtenen Urteils festgestellte Tatsache, dass jedes Unterkriterium verschiedene Komponenten enthalte und dass diese Komponenten in spezifischer Weise durch positive oder negative Kommentare beurteilt worden seien, als entscheidend ansehen müssen. |
120 | Im Ergebnis müsse in der Entscheidung der Verwaltung die bei der Beurteilung jeder einzelnen Komponente, die einer unabhängigen Bewertung unterzogen worden sei, tatsächlich vorgenommene Gewichtung angegeben werden. |
121 | Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Würdigung durch den Gerichtshof |
122 | Zur Begründungspflicht, die der Kommission nach Art. 296 Abs. 2 AEUV und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta obliegt, ist darauf hinzuweisen, dass die Begründung die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für den Rechtsakt entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2024, Agentsia "Patna infrastruktura" [Europäische Finanzierung der Straßeninfrastruktur] (C-471/22, EU:C:2024:99, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
123 | Der genaue Umfang des Begründungserfordernisses ist somit nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt betroffene Personen an Erläuterungen haben können, zu beurteilen. In der Begründung brauchen daher nicht alle Gesichtspunkte genannt zu werden, die als tatsächlich oder rechtlich einschlägig betrachtet werden könnten (Urteil vom 30. Januar 2024, Agentsia "Platna infrastruktura" [Europäische Finanzierung der Straßeninfrastruktur], C-471/22, EU:C:2024:99, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
124 | Das Königreich Spanien wirft dem Gericht vor, die Feststellung unterlassen zu haben, dass die Kommission ihre Begründungspflicht gegenüber dem IC verletzt habe. Zwar bestreitet das Königreich Spanien nicht, dass das IC zum einen über die von ihm selbst und von der Gruppe CLL für jedes Zuschlagskriterium und jedes Unterkriterium erhaltenen Punktzahlen und zum anderen über die positiven und negativen Kommentare des Bewertungsausschusses informiert worden sei, es ist aber der Ansicht, dass die Kommission verpflichtet gewesen sei, die Korrelation zwischen jedem einzelnen dieser Kommentare und der erzielten Punktzahl anzugeben, damit das IC die Zahl der Punkte habe erkennen können, die nach Maßgabe jedes dieser Kommentare konkret vergeben oder abgezogen worden seien. |
125 | Wie jedoch der Gerichtshof bereits betont hat, kann vom öffentlichen Auftraggeber nicht verlangt werden, dass er einem Bieter, dessen Angebot nicht ausgewählt wurde, zum einen neben den Gründen für die Ablehnung des Angebots eine detaillierte Zusammenfassung, in der jedes Detail seines Angebots im Hinblick auf dessen Bewertung berücksichtigt wurde, und zum anderen im Rahmen der Mitteilung der Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots eine detaillierte vergleichende Analyse des ausgewählten Angebots und des Angebots des abgelehnten Bieters übermittelt (Urteil vom 3. Mai 2018, EUIPO/European Dynamics Luxembourg u. a., C-376/16 P EU:C:2018:299, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
126 | Zudem verlangt die Begründungspflicht grundsätzlich nicht, dass jedem negativen oder positiven Kommentar in der Bewertung ein spezifisches Gewicht zuzumessen ist. Für den Fall, dass die Auftragsunterlagen spezifische bezifferte Gewichtungen enthalten, die den Kriterien oder Unterkriterien zugeordnet sind, verlangt der Transparenzgrundsatz jedoch, dass diese Kriterien oder Unterkriterien eine bezifferte Bewertung erhalten (Urteil vom 3. Mai 2018, EUIPO/European Dynamics Luxembourg u. a., C-376/16 P, EU:C:2018:299, Rn. 63). |
127 | Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Verdingungsunterlagen eine Gewichtung der Punkte auf der Ebene der Kriterien und Unterkriterien vorsahen, aber auch innerhalb jedes einzelnen Unterkriteriums verschiedene Komponenten unterschieden, für die ihrerseits nicht individuell eine spezifische Punktgewichtung vorgesehen war. |
128 | Unter diesen Umständen war die Kommission, wie das Gericht in Rn. 102 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, nicht verpflichtet, in ihrer Entscheidung oder in den dem IC übermittelten Bewertungsschemata anzugeben, inwieweit genau jeder einzelne Kommentar zu einer individuellen Komponente eines Unterkriteriums zu der im Rahmen dieses Unterkriteriums erzielten Punktzahl beigetragen habe. |
129 | Etwas anderes kann zwar gelten, wenn vorgesehen ist, für eine oder mehrere Komponenten eines Unterkriteriums Bruchteile von Punkten zu vergeben. In diesem Fall verlangen der Grundsatz der Transparenz und die Begründungspflicht, dass dem Betroffenen die je nach den positiven und negativen Kommentaren zu diesen Komponenten dieses Unterkriteriums vergebenen Bruchteile von Punkten offengelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Mai 2018, EUIPO/European Dynamics Luxembourg u. a., C-376/16 P, EU:C:2018:299, Rn. 65 bis 67). Im vorliegenden Fall zeigt sich jedoch, dass für die verschiedenen Bestandteile der Unterkriterien nicht individuell eine spezifische Punktegewichtung vorgesehen war. Wie in Rn. 126 des vorliegenden Urteils ausgeführt, steht es dem öffentlichen Auftraggeber frei, die bezifferte Bewertung nur auf die Ebene der Kriterien und Unterkriterien zu beschränken. Daher ist er nicht verpflichtet, innerhalb der für ein Unterkriterium vergebenen Punktzahl Bruchteile von Punkten für jede einzelne Komponente dieses Unterkriteriums auszuweisen. Das Gericht konnte daher rechtsfehlerfrei feststellen, dass die im Hinblick auf diese Komponenten abgegebenen positiven und negativen Kommentare nicht dazu führen mussten, jedem dieser Kommentare ein beziffertes Gewicht beizumessen. |
130 | Folglich ist der zweite Rechtsmittelgrund des Königreichs Spanien zurückzuweisen. Zum dritten Rechtsmittelgrund des Königreichs Spanien Vorbringen der Parteien |
131 | Das Königreich Spanien trägt vor, dass der zweite Klagegrund des IC das Fehlen eines Vergleichs zwischen den Angeboten der Gruppe CLL und des IC betroffen habe und dass das IC mit seinem fünften Klagegrund der Kommission vorgeworfen habe, alle Lose des Auftrags an einen einzigen Dienstleistungserbringer vergeben zu haben. |
132 | Das Königreich Spanien weist darauf hin, dass es zur Stützung dieser Klagegründe des IC vor dem Gericht einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung geltend gemacht habe, indem es konkret die Ungleichbehandlung des IC veranschaulicht habe. |
133 | Dieses Vorbringen sei vom Gericht im angefochtenen Urteil fehlerhaft geprüft worden. |
134 | Insoweit weist das Königreich Spanien erstens darauf hin, dass es im Verfahren vor dem Gericht betont habe, dass die Kommission keine spezifische Beurteilung des Inhalts des Angebots der Gruppe CLL vorgenommen habe, das sich auf die Phase des Sprachunterrichts beziehe, der als "Abschlussprüfungen" bezeichnet werde. In Bezug auf das Angebot des IC habe sie hingegen einen negativen Kommentar zu diesem Gesichtspunkt abgegeben. |
135 | In Rn. 176 des angefochtenen Urteils habe das Gericht diesen Unterschied zwar eingeräumt, aber sich damit begnügt, davon auszugehen, dass dieser durch die fehlenden Unterlagen im Angebot des IC gerechtfertigt sei. Nach Ansicht des Königreichs Spanien können die fehlenden Unterlagen zwar den negativen Kommentar zu diesem Angebot erklären, sie könnten jedoch nicht erklären, warum ein Kommentar zu den Abschlussprüfungen beim Angebot der Gruppe CLL fehle. |
136 | Zweitens macht das Königreich Spanien geltend, es habe sich vor dem Gericht darauf berufen, dass die Kommission bei der Bewertung des Unterkriteriums 1.1 das Angebot der Gruppe CLL in Bezug auf bestimmte von dieser Gruppe angebotene digitale Werkzeuge positiv kommentiert habe, während sie in Bezug auf die im Angebot des IC angebotenen digitalen Werkzeuge ohne Bewertung lediglich angegeben habe, dass dieses Angebot eine Liste solcher Werkzeuge umfasse. |
137 | Das Gericht habe dieses Vorbringen in den Rn. 179 und 180 des angefochtenen Urteils mit der Begründung zurückgewiesen, dass in Bezug auf die digitalen Werkzeuge der Kommentar zum Angebot des IC der Aussage zum Angebot der Gruppe CLL gleichwertig sei. Diese Beurteilung des Gerichts sei fehlerhaft, da die Kommission es in Bezug auf diese Komponente des Unterkriteriums 1.1 unterlassen habe, eine Bewertung des Angebots des IC vorzunehmen. |
138 | In Wirklichkeit sei das Gericht in Ermangelung einer Beweiserhebung, die darauf gerichtet gewesen wäre, die Kommission zu zwingen, sich hierzu zu äußern, nicht in der Lage gewesen, zu erkennen, ob die Kommission der Gruppe CLL und dem IC für diese Komponente des Unterkriteriums 1.1 dieselbe Note gegeben habe. |
139 | Das Königreich Spanien weist darauf hin, dass es beim Gericht daher beantragt habe, die Kommission um Vorlage der vollständigen Bewertung der Unterkriterien 1.1 und 1.2 zu ersuchen. Diese Beweiserhebung sei erforderlich gewesen, um das Vorbringen zu untermauern, dass die Kommission bei der Bewertung des Unterkriteriums 1.1 die von der Gruppe CLL vorgeschlagenen digitalen Werkzeuge spezifisch erwähnt und bewertet habe, nicht aber die vom IC vorgeschlagenen digitalen Werkzeuge, da diese nicht geprüft worden seien, um insbesondere festzustellen, ob sie die Festigung des Erlernten erleichterten oder ob sie eine kontinuierliche Evaluation ermöglichten. |
140 | In Rn. 150 des angefochtenen Urteils habe das Gericht diesen Antrag auf Anordnung eines Beweisantrags mit der Begründung zurückgewiesen, dass sich aus Art. 88 der Verfahrensordnung des Gerichts ergebe, dass ein solcher Antrag nicht von einem Streithelfer gestellt werden könne. Eine solche Auslegung dieses Art. 88 sei jedoch verfehlt, da sie sich isoliert auf diese Bestimmung stütze, ohne den Kontext zu berücksichtigen, in den sie eingebettet sei. Zu diesem Kontext zähle auch Art. 145 Abs. 2 Buchst. c dieser Verfahrensordnung, der den Streithelfern ermögliche, Beweise vorzulegen und Beweisangebote zu machen. |
141 | Drittens weist das Königreich Spanien darauf hin, dass es vor dem Gericht vorgetragen habe, dass die Kommission die im Angebot des IC vorgeschlagenen Lehrmethoden bewertet habe, nicht aber die im Angebot der Gruppe CLL vorgeschlagenen. |
142 | Indem das Gericht dieses Argument in Rn. 178 des angefochtenen Urteils mit der Begründung zurückgewiesen habe, dass eine Hinnahme dieses Arguments "auf eine noch günstigere Behandlung [des IC] hinauslaufen würde", habe es dieses Vorbringen verfälscht. Ohne diese Verfälschung hätte das Gericht feststellen können, dass die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannte Ungleichbehandlung nicht hinnehmbar sei, da die Kommission, wenn sie die von der Gruppe CLL vorgeschlagenen Lehrmethoden geprüft hätte, zu einer negativen Bewertung dieser Methoden hätte gelangen können. |
143 | Viertens weist das Königreich Spanien darauf hin, dass es vor dem Gericht geltend gemacht habe, dass sich die Kommission bei ihrer Beurteilung des Angebots der Gruppe CLL in Bezug auf die Komponente "Organisation des Inhalts" im Sinne des Unterkriteriums 1.1 auf eine förmliche Analyse beschränkt habe, die zu dem Kommentar geführt habe, dass diese Organisation detailliert und sehr klar strukturiert sei, während sie in ihrer Beurteilung des Angebots des IC zum Inhalt der Kurse Stellung genommen habe. |
144 | In Rn. 182 des angefochtenen Urteils habe das Gericht dieses Argument zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Kommission einen positiven Kommentar zum Inhalt der Kurse abgegeben habe, während das Königreich Spanien bestritten habe, dass die Kommission keine Bewertung in Bezug auf die Organisation dieses Inhalts vorgenommen habe. |
145 | In Anbetracht dieser vier Beispiele kommt das Königreich Spanien zu dem Ergebnis, dass das Gericht die Feststellung unterlassen habe, dass die Kommission bei der Bewertung der Angebote des IC und der Gruppe CLL eine andere Methode angewandt habe. Außerdem verstoße das angefochtene Urteil gegen Art. 145 Abs. 2 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts. |
146 | Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Würdigung durch den Gerichtshof |
147 | Wie das Königreich Spanien ausführt, gehen die Randnummern des angefochtenen Urteils, gegen die es sich mit seinem dritten Rechtsmittelgrund wendet, auf Argumente ein, die es zur Stützung des zweiten und des fünften Klagegrundes des IC vorgebracht hatte, mit denen das IC u. a. rügte, dass alle Lose des in Rede stehenden öffentlichen Auftrags an die Gruppe CLL vergeben worden seien. Dieses für die Gruppe CLL günstige Ergebnis sei die Folge von Lücken oder sogar einer willkürlichen Behandlung beim Vergleich der Angebote gewesen. Nach diesem Vorbringen des Königreichs Spanien vor dem Gericht ergab sich aus den Bewertungsschemata für die Angebote der Gruppe CLL und des IC für das Los Nr. 3, dass die Bewertung des Angebots der Gruppe CLL zu einigen Gesichtspunkten nicht so gründlich gewesen sei wie die Bewertung des Angebots des IC und zu anderen Gesichtspunkten eingehender gewesen sei als dieses. |
148 | Hierzu ist festzustellen, dass der Umstand, dass die Kommentare des Bewertungsausschusses zu den verschiedenen Angeboten in Bezug auf Inhalt oder Grad der Detailliertheit voneinander abweichen, für sich genommen kein Indiz für das Vorliegen einer Ungleichbehandlung oder einer willkürlichen Behandlung ist. Da die Angebote voneinander abweichen, führen sie zur Formulierung von Kommentaren, die zu bestimmten Gesichtspunkten hinsichtlich eines Bieters detaillierter sein können als hinsichtlich eines anderen. |
149 | Zwar ist das Vorliegen einer Ungleichbehandlung oder willkürlichen Behandlung festzustellen, wenn genaue und schlüssige Indizien für ein solches rechtswidriges Verhalten beigebracht werden, doch geht aus den Randnummern des angefochtenen Urteils, auf die sich der dritte Rechtsmittelgrund des Königreichs Spanien bezieht, nicht hervor, dass solche Indizien in den Bewertungsschemata für die Angebote der Gruppe CLL und des IC für das Los Nr. 3 gefunden worden wären. |
150 | Diese Würdigung durch das Gericht, die sich auf den Sachverhalt bezieht, ist der Kontrolle durch den Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels entzogen. |
151 | Wie sich nämlich aus Art. 256 Abs. 1 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt, ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt. Für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie für die Beweiswürdigung ist daher allein das Gericht zuständig. Die Würdigung der Tatsachen und Beweismittel ist, außer im Fall ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge (Urteil vom 13. März 2025, PKK/Rat, C-72/23 P, EU:C:2025:182, Rn. 113 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall betrifft das Vorbringen des Königreichs Spanien die Tatsachenwürdigung des Gerichts ohne Angabe der Tatsachen, die verfälscht worden sein sollen. |
152 | Soweit mit dem dritten Rechtsmittelgrund des Königreichs Spanien ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Willkürverbot bei der Bewertung der Angebote gerügt wird, ist dieser Rechtsmittelgrund folglich unzulässig. |
153 | Soweit das Königreich Spanien dagegen geltend macht, dass die Ablehnung seines Antrags auf Beweiserhebung in Rn. 150 des angefochtenen Urteils auf einem falschen Verständnis von Art. 88 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts beruhe und damit Art. 145 Abs. 2 Buchst. c dieser Verfahrensordnung seine praktische Wirksamkeit nehme, wirft das Königreich Spanien eine Rechtsfrage auf. |
154 | Nach Art. 88 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts können Maßnahmen der Beweisaufnahme von Amts wegen oder auf Antrag einer Hauptpartei getroffen werden. |
155 | Wie aus dieser Bestimmung eindeutig hervorgeht, sind die Streithelfer nicht befugt, beim Gericht Anträge auf Beweiserhebung zu stellen. |
156 | Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Spanien nimmt dieser Ausschluss der Streithelfer Art. 145 Abs. 2 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts nicht seine praktische Wirksamkeit. Diese Bestimmung, nach der der Streithilfeschriftsatz die Beweise und Beweisangebote enthalten muss, auf die sich die vom Streithelfer geltend gemachten Gründe und Argumente stützen, betrifft nämlich die vom Streithelfer selbst vorgelegten oder angebotenen Beweise und nicht die Beweise, die eine andere Partei infolge einer vom Gericht getroffenen Maßnahme der Beweisaufnahme vorlegt. |
157 | Folglich ist der dritte Rechtsmittelgrund des Königreichs Spanien, soweit mit ihm ein Verstoß gegen Art. 145 Abs. 2 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts gerügt wird, unbegründet. |
158 | Nach alledem ist dieser Rechtsmittelgrund zurückzuweisen. Zum vierten Rechtsmittelgrund des Königreichs Spanien Vorbringen der Parteien |
159 | Das Königreich Spanien weist darauf hin, dass das in Art. 41 der Charta verankerte Recht auf eine gute Verwaltung u. a. die Gebote der objektiven Unparteilichkeit und der Transparenz umfasse. Indem das Gericht den fünften Klagegrund des IC zurückgewiesen habe, habe es diese Gebote missachtet. |
160 | Insoweit macht das Königreich Spanien geltend, dass in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags, das auf dem Zuschlagskriterium des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses beruhe, die Bewertung der Qualität des Angebots getrennt von der Bewertung des Preises vorzunehmen sei. Eine solche Trennung gewährleiste, dass die Bewertung der Qualität nicht vom Preis beeinflusst werde. So werde vermieden, dass ein teureres Angebot schon allein dadurch als höherwertig angesehen werde. |
161 | In Rn. 209 des angefochtenen Urteils habe das Gericht zu Recht festgestellt, dass das Königreich Spanien mit diesem Vorbringen nicht beabsichtigt habe, eine subjektive Parteilichkeit der Mitglieder des Bewertungsausschusses geltend zu machen. In Rn. 208 des angefochtenen Urteils habe das Gericht dieses Vorbringen, das auf dem Erfordernis der objektiven Unparteilichkeit beruhe, jedoch falsch dahin ausgelegt, dass das Königreich Spanien der Kommission damit vorwerfe, zunächst den Preis und sodann die Qualität der Angebote bewertet zu haben. Diese Lesart seines Vorbringens sei falsch, da sich seine Sorge in Wirklichkeit auf die Gefahr beziehe, dass die Trennung zwischen diesen beiden Bewertungen nicht gewährleistet sei. |
162 | Nach Ansicht des Königreichs Spanien hätte das Gericht feststellen müssen, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Kommission gleichzeitig den Preis und die Qualität der Angebote bewertet und auf diese Weise vom hohen Preis des Angebots der Gruppe CLL beeinflusst worden sei, um auf der Grundlage des Preises zu dem Ergebnis zu gelangen, dass dieses Angebot von hoher Qualität sei. |
163 | Hierzu weist das Königreich Spanien darauf hin, dass es nicht erforderlich sei, eine mangelnde Unparteilichkeit darzutun, um nachzuweisen, dass die Organisation des Verwaltungsverfahrens keine hinreichenden Garantien biete, um jeden berechtigten Zweifel in Bezug auf etwaige Vorurteile auszuschließen. Es würde genügen, dass ein berechtigter Zweifel bestehe und nicht ausgeräumt werden könne. |
164 | Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Würdigung durch den Gerichtshof |
165 | Das in Art. 41 der Charta verankerte Grundrecht auf eine gute Verwaltung schließt nach Art. 41 Abs. 1 das Recht jeder Person ein, dass ihre Angelegenheiten von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unparteiisch behandelt werden. Dieses Erfordernis der Unparteilichkeit umfasst eine subjektive und eine objektive Komponente. Die objektive Komponente besagt, dass die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union ausreichende Garantien bieten müssen, um jeden berechtigten Zweifel hinsichtlich etwaiger Vorurteile auszuschließen (Urteil vom 14. März 2024, D & A Pharma/Kommission und EMA, C-291/22 P, EU:C:2024:228, Rn. 72 und 73 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
166 | Im vorliegenden Fall sahen die Verdingungsunterlagen, wie sich aus den Tatsachenfeststellungen des Gerichts zu den in den Rn. 15 bis 19 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Bewertungskriterien ergibt, eine gesonderte Bewertung des mit 30 % gewichteten Preises und der mit 70 % gewichteten Qualität vor. Diese in den Verdingungsunterlagen vorgesehene Unterscheidung ist strikt. Aus der Beschreibung der Kriterien und Unterkriterien in Bezug auf die Qualität ergibt sich nämlich, dass jedes von ihnen mit dem Angebotspreis überhaupt nichts zu tun hat. |
167 | In den Rn. 208 und 209 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass das Königreich Spanien keinen Beweis und keine Anhaltspunkte dafür vorgebracht habe, dass die Kommission diese Unterscheidung nicht beachtet oder das Verfahren so gestaltet habe, dass die Bewertung auf Basis der Qualität durch die Bewertung auf Basis des Preises beeinflusst werde. |
168 | Das Königreich Spanien macht keine Verfälschung von Tatsachen geltend, um diese Beurteilung des Gerichts zu beanstanden. |
169 | Diese Beurteilung des Gerichts hat es jedoch ordnungsgemäß ermöglicht, das auf einen Verstoß gegen das Unparteilichkeitsgebot gestützte Vorbringen des Königreichs Spanien zurückzuweisen. Selbst wenn man nämlich annähme, dass die von diesem Mitgliedstaat geäußerte Besorgnis über eine etwaige Voreingenommenheit zugunsten des teuersten Angebots überhaupt relevant wäre, würde eine Unterscheidung, wie sie in den Auftragsunterlagen zwischen der Bewertung auf Basis des Preises und der Bewertung auf Basis der Qualität vorgenommen wird, hinreichende Garantien bieten, um jeden berechtigten Zweifel im Hinblick auf eine solche Voreingenommenheit auszuschließen. |
170 | Folglich ist der vierte Rechtsmittelgrund des Königreichs Spanien, soweit er auf eine Missachtung des Gebots der objektiven Unparteilichkeit gestützt wird, als unbegründet zurückzuweisen. |
171 | Schließlich macht das Königreich Spanien geltend, das Gericht habe das Transparenzgebot missachtet, ohne hierzu jedoch eine spezifische Argumentation vorzutragen. Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aber aus Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss; andernfalls ist das Rechtsmittel oder der betreffende Rechtsmittelgrund unzulässig (Urteil vom 4. Oktober 2024, thyssenkrupp/Kommission, C-581/22 P, EU:C:2024:821, Rn. 57 und 58). Daraus folgt, dass die Rüge des Königreichs Spanien, mit der eine Missachtung des Transparenzgebots geltend gemacht wird, unzulässig ist. |
172 | Folglich ist dieser Rechtsmittelgrund zurückzuweisen. |
173 | Da keiner der geltend gemachten Rechtsmittelgründe durchgreift, sind die Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen. Kosten |
174 | Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. |
175 | Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. |
176 | Da das IC und das Königreich Spanien mit ihren Rechtsmittelgründen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten und die durch die Rechtsmittel entstandenen Kosten der Kommission aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Rechtsmittel in den Rechtssachen C-534/23 P und C-539/23 P werden zurückgewiesen. 2. Das Instituto Cervantes und das Königreich Spanien tragen ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission, die mit den Rechtsmitteln zusammenhängen. [Unterschriften] |
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VK Bund
Beschluss
vom 22.04.2025
VK 1-24/25
1. Der öffentliche Auftraggeber darf den Zuschlag auf ein Angebot ablehnen, wenn er nach der Prüfung die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären kann.
2. Die Feststellung, dass ein Preis ungewöhnlich niedrig ist, kann sich aus dem Preis- und Kostenabstand zu den Konkurrenzangeboten ergeben, aus Erfahrungswerten des Auftraggebers oder aus dem Abstand zur Auftragswertschätzung.
3. Bei einem Preisabstand von 20 % zum nächsthöheren Angebot erreicht ist der Auftraggeber in der Regel dazu verpflichtet, in eine nähere Prüfung der Preisbildung des fraglichen Angebots einzutreten. Im Bereich zwischen 10 % und 20 % kann eine Nachforschung im Ermessen des Auftraggebers.
4. Die Aufklärung der Angemessenheit der Preise ist im Wege elektronischer Kommunikation durchzuführen. Eine mündliche Kommunikation ist nicht zulässig, soweit sie die Preisaufklärung betrifft.
5. Dem Bieter kann zur Aufklärung der Angemessenheit seiner Preise eine zumutbare Frist zur Beantwortung gesetzt werden. Die Zumutbarkeit der Frist richtet sich im Einzelfall einerseits nach dem Beschleunigungsgebot für das Vergabeverfahren, andererseits nach der Zeit, die der Bieter zur ordnungsgemäßen Beantwortung der Fragen benötigt.
VK Bund, Beschluss vom 22.04.2025 - VK 1-24/25 (nicht bestandskräftig; Rechtsmittel: OLG Düsseldorf, Az. Verg 17/25)
vorhergehend:
VK Bund, 21.02.2025 - VK 1-4/25
In dem Nachprüfungsverfahren
(...)
wegen der Vergabe "Postdienstleistungen" [...],
hat die 1. Vergabekammer des Bundes durch ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2025 am 22. April 2025
beschlossen:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen.
3. Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene war notwendig.
Gründe:
I.
1. Die Antragsgegnerin führt derzeit ein europaweites offenes Verfahren zur Vergabe "Postdienstleistungen" (...).
In den Preisblättern der Lose waren die Angebotspreise [...]-Produktart in den Tabellenspalten "Umsatzsteuerpflichtige Angebotspreise" bzw. "Umsatzsteuerfreie Angebotspreise" einzutragen. Ferner war für den Fall, dass ein Postprodukt umsatzsteuerfrei angeboten werden kann - auf die in diesem Zusammenhang angebotene Dienstleistung (Frankierung / Konsolidierung) jedoch eine Umsatzsteuer zu erheben ist - vorgesehen, dass in der vorgesehenen Produktzeile insoweit ein umsatzsteuerpflichtiger Angebotspreis sowie ein umsatzsteuerfreier Angebotspreis angegeben werden darf.
Die Antragstellerin hat fristgemäß ein Angebot auf [...] abgegeben. Sie hat die verschiedenen [...]-Produktarten umsatzsteuerfrei angeboten. Die Beigeladene hat bei den [...]-Produktarten umsatzsteuerfreie und umsatzsteuerpflichtige Preisbestandteile eingetragen. In den Preisblättern beider Angebote wurden die anzubietenden (Service-)Pauschalen umsatzsteuerpflichtig eingetragen. Ferner ist ein weiteres Angebot bei der Antragsgegnerin eingegangen.
Die Antragstellerin war zunächst für den Zuschlag vorgesehen. In einem von der Beigeladenen ... beantragten Nachprüfungsverfahren entschied die 1. Vergabekammer des Bundes, dass die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zurückzuversetzen hat (VK 1-4/25, Beschluss vom 21. Februar 2025), da die Frage der Umsatzsteuerbefreiung der Antragstellerin aufgrund einer im Rahmen einer Aufklärung zur Auskömmlichkeit ihrer Kalkulation gemäß § 60 VgV (Schreiben der Antragsgegnerin vom 27. Januar 2025) vorgelegten Bescheinigung des Bundeszentralamts für Steuern, die nahezu völlig geschwärzt war, nicht nachzuvollziehen war. Ob die Antragstellerin gegebenenfalls irreführende oder falsche Angaben in ihrem Preisangebot zu der Steuerbefreiung gemacht hat, konnte nicht abschließend entschieden werden. Die hiesige Beigeladene hat sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung beim OLG Düsseldorf (Verg 8/25) eingelegt. Sie ist der Auffassung, die Antragsgegnerin dürfe sich nicht auf die "Tatbestandswirkung" einer vom Bundeszentralamt für Steuern ausgestellten Bescheinigung nach § 4 Nr. 1 b Satz 2 UStG verlassen und müsse die Steuerbefreiung selbst überprüfen.
Die Antragsgegnerin hat parallel zur anhängigen Beschwerde das Vergabeverfahren zurückversetzt und die Antragstellerin im Rahmen einer Angebotsaufklärung am 26. Februar 2025 (Mittwoch) über das elektronische Bieterportal DTVG (versandt um 9.51 Uhr, siehe Vergabevermerk, Seite 57) aufgefordert, eine ungeschwärzte Fassung der Bescheinigung des Bundeszentralamts für Steuern nach § 4 Nr. 1 b Satz 2 UStG sowie den der Bescheinigung zugrundeliegenden Antrag über das Portal DTVG mit Frist bis zum 5. März 2025 (Mittwoch), 10 Uhr, elektronisch vorzulegen. Sie wies auf ihre Verpflichtung zur Vertraulichkeit nach § 5 VgV hin sowie darauf, dass sie das Angebot im Falle nicht fristgerechter oder nicht ausreichender Antwort ausschließen werde. Die Nachricht wurde von der Antragstellerin laut Vergabeplattform am selben Tag, 26. Februar 2025, um 15.32 Uhr abgerufen. Eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin hatte zuvor die Antragstellerin noch einmal telefonisch auf die Nachricht hingewiesen, nachdem bis 13.55 Uhr im System kein Abruf erfolgt war (siehe Seite 57 des Vergabevermerks).
Mit Schreiben vom 3. März 2025, eingegangen am 4. März 2024 (Dienstag), 14.16 Uhr, wandte sich die Antragstellerin an die Antragsgegnerin. Sie teilte mit, dass sie sich bereit erkläre, die Bescheinigung des Bundeszentralamts für Steuern sowie den zugrundeliegenden Antrag ungeschwärzt vorzulegen. Da die Dokumente aber als äußerst vertraulich eingestuft seien, bitte sie um Verständnis, dass sie diese weder physisch noch elektronisch übermitteln oder in sonstiger Weise überlassen könne. Sie müsse in jeder Hinsicht Sorge dafür tragen, dass die Dokumente nicht versehentlich in falsche Hände gerieten. Sie sei jedoch gerne bereit, der Antragsgegnerin kurzfristig in deren Hause Einsicht in die Dokumente zu geben. Zu diesem Zweck würde sie gerne einen Vertreter zur Antragsgegnerin entsenden. Sie bat darum, dass sich die Antragsgegnerin mit ihr in Verbindung setze, damit sie einen Termin für die Einsichtnahme abstimmen könnten. Die Antragsgegnerin reagierte nicht auf die Aufforderung. Die Frist lief am nächsten Morgen (5. März 2025, 10:00 Uhr) ab.
Im Vergabevermerk stellte die Antragsgegnerin fest, dass die angeforderten Dokumente nicht innerhalb der Frist vorgelegt worden seien. Am Nachmittag vor Fristablauf sei eine Vorlage in ungeschwärzter Form abgelehnt worden und lediglich eine Überbringung durch einen Boten zur Inaugenscheinnahme als denkbare Alternative angeboten worden. Damit habe die Antragstellerin die Frist verstreichen lassen, ohne die zwingend geforderte Aufklärung unter Darlegung der erforderlichen Nachweise zu leisten. Das Angebot sei aufgrund dessen auszuschließen (siehe Seite 97 des Vergabevermerks).
Mit Schreiben gemäß § 134 GWB vom 7. März 2025 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin darüber, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden könne, da es nach § 60 Abs. 3 VgV aus dem Vergabeverfahren auszuschließen gewesen sei. Der Zuschlag solle auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden.
Die Antragstellerin rügte die mitgeteilte Vergabeentscheidung am 11. März 2025 schriftlich als vergaberechtswidrig. Mit Schreiben vom 17. März 2025 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie der Rüge der Antragstellerin nicht abhelfen werde.
2. Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 18. März 2025 bei der Vergabekammer des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag am selben Tag an die Antragsgegnerin übermittelt.
a) Die Antragstellerin trägt vor, der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet.
Dem Nachprüfungsverfahren stehe nicht der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit entgegen. Die Antragstellerin habe den mit dem jetzigen Nachprüfungsverfahren beanstandeten Ausschluss ihres Angebots nicht zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemacht. Sie habe den Beschluss der Vergabekammer bestandskräftig werden lassen wollen und selbst keine Beschwerde eingelegt.
Zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags trägt sie vor, eine Rügepräklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB sei nicht eingetreten. Im ersten Nachprüfungsverfahren habe sie keinen Anlass gehabt, sich mit der Frage der Rechtmäßigkeit des Angebots der Beigeladenen zu befassen. Dies habe sich erst mit ihrem nunmehr erfolgten Ausschluss und der beabsichtigten Zuschlagserteilung an die Beigeladene geändert. Erst daraufhin habe sie Rechtsrat eingeholt.
Ihr Angebot sei nicht auszuschließen. Die Voraussetzungen für einen Angebotsausschluss nach § 60 Abs. 3 VgV seien nicht erfüllt. Die Angebotsaufklärung sei nicht gescheitert, sondern vergaberechtswidrig durchgeführt worden. Die Forderung einer schriftlichen Übermittlung ungeschwärzter Fassungen und der Ausschluss verstießen gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot, § 97 Abs. 1 Satz 2 GWB. Bei der von der Antragstellerin gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern mit dem Antrag vorgelegten Konzeption für ihr Angebot an Universaldienstleistungen handele es sich um vertrauliche Informationen. Für die Aufklärung habe es nicht der elektronischen Übermittlung der genannten Dokumente bedurft. Die Weigerung der Antragsgegnerin, den Vorschlag der Inaugenscheinnahme anzunehmen, und das Angebot auszuschließen, sei ohne sachlichen Grund erfolgt und damit ermessensfehlerhaft und missachte die berechtigten Interessen der Antragstellerin. Ein Termin zur Inaugenscheinnahme vor Ort innerhalb der Frist sei möglich gewesen. Eine Abstimmung über Ort und Zeit hätte allenfalls zu einer geringfügigen Verzögerung des Aufklärungsprozesses geführt. Die Antragsgegnerin hätte ohne weiteres dokumentieren können, dass die Antragstellerin über eine Umsatzsteuerbefreiung verfüge und welcher Sachverhalt dem zugrunde liege. Sie habe auch fachkundige Zeugen, z.B. ihre Verfahrensbevollmächtigten, hinzuziehen können.
Die beabsichtigte Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen sei ihrerseits vergaberechtswidrig. Die Beigeladene dürfe ihre Leistungen gemäß § 48 PostG nicht zu den von ihr angebotenen Preiskonditionen erbringen. Sie dürfe nur steuerfrei gemäß § 4 Nr. 1 lb UStG anbieten, wenn die Leistungen ihren standardisiérten Preisen entsprächen, diese also nicht individuell vereinbart seien. Die marktbeherrschende Beigeladene bedürfe - als 100%ige Tochtergesellschaft - einer eigenen Genehmigung durch die Bundesnetzagentur gemäß § 40 Abs. 1 PostG. Diese besitze sie aber nicht. Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft der Beigeladenen spiele für die notwendige Entgeltgenehmigung keine Rolle. Dass die L...] für einzelne ihrer Leistungen Entgeltgenehmigungen besitze, sei unerheblich, denn um ein Angebot der gehe es hier nicht. Sollte die Beigeladene zu den genehmigten Entgelten der anbieten, müsse sie dies auf der Basis von Staffelrabatten machen, deren Höhe von der Größe der Sendungsmenge, die bei einem einzelnen Einlieferungsvorgang in ein übergeben abhingen. Dies wiederum stelle eine Abweichung von den Vergabebedingungen dar. Aufgrund der variierenden Sendungsmenge, könne nicht immer dasselbe Teilleistungsentgelt in Rechnung gestellt werden. Da feste Stückpreise ausgeschrieben seien, liege eine Änderung der Vergabeunterlagen vor.
Die Antragstellerin habe jedenfalls, wenn sowohl ihr eigenes Angebot als auch das Angebot der Beigeladenen auszuschließen sei, bei einem erneut durchzuführenden Vergabeverfahren eine neue Chance auf den Zuschlag.
Die Antragstellerin beantragt über ihre Verfahrensbevollmächtigten,
1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin rückgängig zu machen;
2. der Antragsgegnerin zu untersagen, im Vergabeverfahren "Postdienstleistungen ..., den Zuschlag für die ... auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen und festzustellen, dass das Angebot der Beigeladenen vom Vergabeverfahren auszuschließen ist;
3. hilfsweise: andere geeignete Maßnahmen zur Verhinderung einer Rechtsverletzung der Antragstellerin vorzunehmen;
4. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen;
5. die Hinzuziehung der Bevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.
Ferner beantragt sie gemäß § 165 Abs. 1 GWB die Gewährung von Akteneinsicht, soweit dies für die mit dem Nachprüfungsantrag verfolgten rechtlichen Interessen der Antragstellerin erforderlich ist.
b) Die Antragsgegnerin beantragt über ihre Verfahrensbevollmächtigen,
1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin aufzuerlegen,
3. festzustellen, dass die Hinzuziehung anwaltlicher Verfahrensbevollmächtigter durch die Antragsgegnerin notwendig war.
Der Nachprüfungsantrag sei (zumindest teilweise) unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
Aufgrund der Anhängigkeit der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer, habe das Oberlandesgericht Düsseldorf über die Frage des Ausschlusses des Angebots der Antragstellerin zu entscheiden. Dies könne für eine unzulässige doppelte Rechtshängigkeit des neuen Nachprüfungsverfahrens sprechen. Da allerdings nur die hiesige Beigeladene Beschwerde eingelegt habe, habe die Antragstellerin es ohne das erneute Nachprüfungsverfahren nicht mehr in der Hand, das Entfallen des Zuschlagsverbots zu verhindern. Die Frage, ob das Angebot der Beigeladenen wegen fehlender Entgeltgenehmigung auszuschließen sei, sei nach ihren Informationen nicht ausdrücklich Gegenstand des Beschwerdeverfahrens (von der Beigeladenen so bestätigt).
Der Nachprüfungsantrag sei jedenfalls gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB unzulässig, soweit die Antragstellerin den Ausschluss des Angebots der Beigeladenen verfolge. Die Rüge, das Angebot der Beigeladenen sei wegen nicht ordnungsgemäßer Preiskalkulation auszuschließen, sei präkludiert. Die Antragstellerin hätte bereits im vorherigen Nachprüfungsverfahren die Rüge nicht ausreichender Entgeltgenehmigung und fehlerhafter Preiskalkulation stellen können und müssen.
Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet. Die Antragsgegnerin habe eine rechtmäßige Ausschlussentscheidung getroffen. Das Angebot der Antragstellerin sei gemäß § 60 Abs. 3 VgV vom Vergabeverfahren auszuschließen. Die Forderung der Vorlage sei verhältnismäßig und zulässig. Der Schutz vertraulicher Dokumente werde vergaberechtlich durch die Pflicht der Antragsgegnerin zur Wahrung der Vertraulichkeit nach § 5 VgV sichergestellt. Sie habe in ihrem Aufklärungsschreiben auch ausdrücklich darauf hingewiesen. Mangels rechtzeitiger Vorlage der geforderten Dokumente habe die Antragsgegnerin die verbleibenden Zweifel an der Auskömmlichkeit des Angebots nicht innerhalb der gesetzten Frist aufklären können. Aufgrund der der Antragstellerin obliegenden Darlegungs- und Beweislast hätte sie zur Vermeidung des Angebotsausschlusses Gründe darlegen und Nachweise vorlegen müssen, um die offenen Fragen zu klären. Im Übrigen wäre eine rechtzeitige Inaugenscheinnahme innerhalb der Frist aufgrund der notwendigen Sichtung sowie Bewertung durch die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin nicht mehr möglich gewesen. Eine bloße Inaugenscheinnahme der Dokumente sei im Übrigen aber auch nicht ausreichend. Die Vergabestelle könne selbst kein in-camera-Verfahren durchführen. Das sei nur vor den Gerichten und der Vergabekammer möglich. Eine Inaugenscheinnahme durch die Antragsgegnerin genüge nicht den Anforderungen, denn aufgrund der geltend gemachten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse könne nichts (Sinnvolles) dokumentiert werden. Es stehe ihr bei Zweifeln auch nicht frei, nur auf Aussagen der Bieter zu vertrauen. Die mündliche Kommunikation sei im Hinblick auf Angebote gemäß § 9 Abs. 2 VgV selbst dann nicht zulässig, wenn sie in geeigneter Weise dokumentiert werde. Vielmehr sei die elektronische Kommunikation die Regel. Darauf habe die Antragsgegnerin in ihrem Telefonat am 26. Februar 2025 auch ausdrücklich hingewiesen. Auch habe sie auf die Folgen des Fristversäumnisses hingewiesen. Die Gründe der Vergabeentscheidung seien gerade für den Fall der Überprüfung durch die Vergabenachprüfungsinstanzen nachvollziehbar zu machen. Infolge des Beschlusses der Vergabekammer dürfe ohne nachweisliche Klärung der Ordnungsmäßigkeit der Preiskalkulation der Antragstellerin der Zuschlag nicht erteilt werden. Insoweit habe kein
Ermessen mehr bestanden. Mit Blick auf den Wettbewerbsgrundsatz und das Gleichbehandlungsgebot sei der Antragstellerin nicht die Möglichkeit einzuräumen, nach Ablauf der angemessenen Frist noch weitere Nachweise zu erbringen.
Das Angebot der Beigeladenen sei nicht auszuschließen. Nach Prüfung der Antwort auf die weitere Aufklärung des Angebots der Beigeladenen bestünden keine Anhaltspunkte, dass die Zuschlagserteilung vergaberechtswidrig sei. Die Beigeladene könne die von ihr angebotenen Preise aufgrund ihrer umsatzsteuerlichen Organschaft mit der ... die ihrerseits über eine Entgeltgenehmigung verfüge, tatsächlich umsatzsteuerfrei anbieten.
c) Mit Beschluss vom 21. März 2025 wurde die Beigeladene zum Verfahren hinzugezogen.
Sie beantragt über ihre Verfahrensbevollmächtigten,
1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Rechtsverfolgungskosten der Beigeladenen aufzuerlegen,
3. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen gemäß § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären.
Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet. Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin sei nicht zu beanstanden. Nach § 60 Abs. 3 VgV könne der Auftraggeber den Zuschlag auf ein Angebot ablehnen, wenn die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufgeklärt werden konnte.
Die Antragstellerin habe nicht erwarten können, dass die Antragsgegnerin das Angebot, lediglich Einblick in Dokumente zu erhalten, als ausreichend ansehen werde. Das in-camera-Verfahren vor der Vergabekammer und die Verfahrensvorschriften der Vergabestelle unterlägen unterschiedlichen Verfahrensregeln. Die Aufklärung der Preiskalkulation und deren Grundlagen wie auch die Aufklärung von Umständen, die einen möglichen Ausschluss begründeten, habe nach dem Grundsatz der elektronischen Kommunikation nach § 9 VgV zu erfolgen. Mündliche Kommunikation sei nur gestattet, soweit sie nicht die Angebote betreffe. Da hier auch die Prüfung des zugrundeliegenden Antrags auf Steuerbefreiung vorzunehmen sei, war eine gegebenenfalls vertiefte Prüfung erforderlich, die auch zu dokumentieren sei. Die Forderung der Nachweise sei auch verhältnismäßig.
Die Antragstellerin erbringe keine umsatzsteuerfreien Universaldienstleistungen (die Beigeladene führt dazu weiter aus). Auch gehöre die ...-Leistung eindeutig nicht zum Universaldienst und sei nicht umsatzsteuerbefreit.
Das Angebot der Beigeladenen sei nicht auszuschließen. Sie benötige keine eigene Entgeltgenehmigung, da sie keine eigenen Universaldienstleistungen anbiete. Die Leistungen würden im Rahmen der von ihr angebotenen Vollleistung von [...l erbracht. Die Beigeladene gebe die standardisierten und genehmigten Teilleistungsentgelte der ... vollumfänglich an ihre Kunden weiter, ohne Auf- oder Abschläge vorzunehmen. Die Entgelte entsprächen uneingeschränkt der Genehmigung. Die steuerfreie Abrechnung beruhe auf der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft. Daher seien die Universaldienstleistungen der ... auch dann von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie von der Beigeladenen als Teil einer Vollleistung im eigenen Namen angeboten würden. Dies habe auch das Finanzgericht Köln (2. Februar 2021, Az. 8 K 1248/18) entsprechend festgestellt. Auch das Finanzamt Bonn habe dies 2012 bestätigt.
Die Vergabekammer hat der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit diese entscheidungserheblich und nicht geheimhaltungsbedürftig waren.
In der mündlichen Verhandlung am 11. April 2025 hatten die Beteiligten Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen und mit der Vergabekammer umfassend zu erörtern.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat Schriftsatznachlass bis zum 15. April 2025 zu dem Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen vom 10. April 2025 erhalten. In seinem Schreiben wiederholt und vertieft er die o.g. Argumentation der Antragstellerin und führt zudem zur "zweiten Chance" der Antragstellerin bei einem etwaigen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen aus.
Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der statthafte Nachprüfungsantrag ist zulässig aber nicht begründet.
1. Das Nachprüfungsverfahren ist zulässig.
a) Der Nachprüfungsantrag ist statthaft. Es ist hinsichtlich der hier geltend gemachten Vergaberechtswidrigkeit des Ausschlusses der Antragstellerin mangels rechtzeitiger Vorlage von geforderten Nachweisen keine doppelte Rechtshängigkeit mit der beim OLG Düsseldorf anhängigen sofortigen Beschwerde anzunehmen. Der Streitgegenstand eines Verfahrens wird bestimmt durch den Klageantrag und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge ableitet (BGH, GRUR 2013, 401 Rn. 18 - Biomineralwasser; BGH GRUR 2019, 746 Rn. 32 - Energieeffizienzklasse III), einschließlich der sachverhaltlichen Begründung (BGH GRUR 2020, 550 Rn. 14 - Sofort-Bonus II). Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen erstreckt sich - so die Antragsschrift - auf das Begehren (Klagegrund), eine weitergehende Prüfpflicht der Vergabestelle hinsichtlich der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Teilleistungen nach Postgesetz festzustellen. Damit unterscheidet sie sich vom vorliegenden Nachprüfungsverfahren, das lediglich den Ausschluss der Antragstellerin nach Rückversetzung des Verfahrens und erneuter Aufklärung betrifft. Dies gilt auch für den von der Antragstellerin nunmehr geltend gemachten Ausschluss es Angebots der Beigeladenen wegen fehlender Entgeltgenehmigung und möglicher Abweichung von den Vergabeunterlagen (Staffelrabatte). Diese sind nicht Gegenstand der sofortigen Beschwerde.
b) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Antragsbefugt ist gemäß § 160 Abs- 2 GWB jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dies hat die Antragstellerin durch die Abgabe ihres Angebots belegt. Ihr droht durch den Ausschluss ihres Angebots ein Schaden.
Die Antragstellerin hat den Ausschluss ihres Angebots gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB rechtzeitig nach Erhalt der Information i.S.d. § 134 GWB gerügt.
Hinsichtlich ihrer weiteren Rügen, die Beigeladene verfüge nicht über die notwendige eigene Entgeltgenehmigung nach Postgesetz, zudem sei ihre Preiskalkulation fehlerhaft, liegt keine Präklusion vor. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist nicht von einer Kenntnis der Antragstellerin eines Vergaberechtsverstoßes bereits im vorherigen Nachprüfungsverfahren auszugehen. Voraussetzung für eine Rügepräklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ist die positive Kenntnis von den einen Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umständen. Darüber hinaus muss der Antragsteller aufgrund laienhafter vernünftiger Wertung zugleich die positive Vorstellung von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften gewönnen haben (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. September 2024 - Verg 16/24). Die jetzige Antragstellerin (und im damaligen Verfahren Beigeladene) war zum Zeitpunkt des vorherigen Nachprüfungsverfahrens für den Zuschlag vorgesehen. Gegenstand des Verfahrens war die Zuschlagsentscheidung zugunsten der Antragstellerin und die Kalkulation ihres Angebots. Für eine positive Kenntnis etwaiger Vergabefehler hinsichtlich der Angebotswertung der Beigeladenen liegen sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht bei der zu diesem Zeitpunkt weder anwaltlich vertretenen und noch sonst im Verfahren aktiven Antragstellerin keine Anhaltspunkte vor.
2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.
Die Ablehnung des Zuschlags auf das Angebot der Antragstellerin nach § 60 Abs. 3 VgV ist vergaberechtskonform. Die Antragsgegnerin hat das Angebot wegen nicht zufriedenstellender Aufklärung ihres Preisangebots im Hinblick auf eine vorliegende Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 1 b Satz 1 und 2 UStG zu Recht ausgeschlossen. Die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die Beigeladene verletzt die Antragstellerin daher nicht in ihren Rechten, § 97 Abs. 6 GWB (nachfolgend unter lit. a). Ob das Angebot der Beigeladenen ebenfalls auszuschließen ist, kann dahin gestellt bleiben (unter lit. b).
a) Die Ablehnung des Zuschlags auf das Angebot der Antragstellerin ist nicht zu bemängeln. Der öffentliche Auftraggeber darf gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 VgV den Zuschlag auf ein Angebot ablehnen, wenn er nach der Prüfung gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 GWB die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären kann.
aa) Die Entscheidung der Antragsgegnerin, das preisliche Angebot der Antragstellerin im Hinblick auf seine Auskömmlichkeit aufzuklären, ist nicht zu beanstanden und bewegt sich nach § 60 Abs. 1 VgV im Rahmen ihres Ermessensspielraums.
Die Feststellung, dass ein Preis ungewöhnlich niedrig ist, kann sich aus dem Preis- und Kostenabstand zu den Konkurrenzangeboten ergeben, aus Erfahrungswerten, die der öffentliche Auftraggeber beispielsweise aus vorangegangenen vergleichbaren Ausschreibungen gewonnen hat, oder aus dem Abstand zur Auftragswertschätzung. Dem Auftraggeber ist für das Einleiten einer Überprüfung ein Entscheidungsspielraum zuzuerkennen. In der Rechtsprechung sind insoweit Aufgreifschwellen anerkannt, bei deren Erreichen eine Verpflichtung des Auftraggebers angenommen wird, in eine nähere Prüfung der Preisbildung des fraglichen Angebots einzutreten. Diese Aufgreifschwelle ist nach der Rechtsprechung in der Regel bei einem Preisabstand von 20 % zum nächsthöheren Angebot erreicht. Im Bereich zwischen 10 % und 20 % kann eine Nachforschung im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers stehen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. April 2023 - Verg 26/22 m.w.N.).
Die Antragsgegnerin hat sich, nachdem sie die Antragstellerin als wirtschaftlichstes Angebot zunächst für den Zuschlag vorgesehen hatte, aufgrund des von der Beigeladenen beantragten Nachprüfungsverfahrens veranlasst gesehen, eine Aufklärung des Angebots der Antragstellerin im Hinblick auf die Kosten vorzunehmen. Sie hat mit Schreiben vom 27. Januar 2025 bei der Antragstellerin eine Aufklärung der bis auf die Pauschalen steuerfrei angebotenen Postdienstleistungen ihres Angebots eingeleitet. Sollte die Antragstellerin nicht von der Umsatzsteuer befreit sein, hätte sie ihr Angebot (zu Unrecht) entsprechend mit einem mindestens 19 % niedrigeren Preis als die Beigeladene oder andere Bieter angeboten. Damit hat sich die Antragsgegnerin bei der Entscheidung für eine Aufklärung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens bewegt.
bb) Die von der Antragsgegnerin durchgeführte Aufklärung entspricht den Anforderungen nach § 60 Abs. 2 VgV. Die geforderte elektronische Vorlage der Belege über das Bieterportal entspricht den Anforderungen im Vergabeverfahren und ist nicht unverhältnismäßig. Anhaltspunkte für eine unzumutbar kurze Frist liegen nicht vor.
Die Aufklärung der Angemessenheit der Preise ist im Wege elektronischer Kommunikation gemäß § 9 Abs. 1 VgV durchzuführen. Eine mündliche Kommunikation ist nicht zulässig, soweit sie die Angebote - wie hier bei der Preisaufklärung - betrifft, § 9 Abs. 2 VgV (vgl. Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 60 Rn. 6). Dem Bieter kann dabei eine zumutbare Frist zur Beantwortung gesetzt werden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30. September 2010, 13 Verg 10/10). Die Zumutbarkeit der Frist richtet sich im Einzelfall einerseits nach dem Beschleunigungsgebot für das Vergabeverfahren, andererseits nach der Zeit, die der Bieter zur ordnungsgemäßen Beantwortung der Fragen benötigt.
Die Aufforderung, die Bescheinigung des Bundeszentralamts für Steuern und den Antrag in elektronischer Form vorzulegen, war verhältnismäßig. Die im Rahmen einer Aufklärung zur Auskömmlichkeit abgefragten Unterlagen und Nachweise müssen anhand geeigneter Belege objektiv nachprüfbar sein (vgl. Dicks in Röwekamp/Kus/Marx/Portz/ Prieß, Kommentar zur VgV, 2. Aufl. 2022, S 22 Rn. 19). Der Bieter darf dem Auftraggeber Auskünfte nicht unter Hinweis auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verweigern. Im Vergabeverfahren gilt der Grundsatz der Vertraulichkeit (§ 5 VgV). Lehnt der Bieter eine Aufklärung ab oder versteht er sich lediglich zu formelhaften, substanzlosen Erklärungen, ist der Auftraggeber berechtigt, das Angebot auszuschließen (vgl. Dicks aaO.).
Die Antragstellerin hat die Vorlage der Dokumente -in elektronischer Form abgelehnt. Der von ihr erst kurz vor Ablauf der Frist, am Nachmittag des Vortags, unternommene Versuch, der Antragsgegnerin anstelle der elektronischen Vorlage eine Inaugenscheinnahme der Dokumente aufgrund ihrer Vertraulichkeit anzubieten, war nicht geeignet. Die Antragsgegnerin musste sich darauf nicht einlassen, denn eine mündliche Kommunikation über die Angebote ist gemäß § 9 Abs. 2 VgV nicht zulässig. Der Verweis -der Antragstellerin auf den Beschluss der Vergabekammer und die dort im Rahmen des Beschleunigungsgebots in Erwägung gezogene Überprüfung der Unterlagen durch die Vergabekammer im Wege des in-camera-Verfahrens führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Vergabestelle steht eine solches Verfahren nicht zur Verfügung. Da im Vergabeverfahren der Vertraulichkeitsgrundsatz gemäß § 5 VgV gilt, ist es nicht unverhältnismäßig, im Rahmen des § 60 Abs 2 VgV zu Fragen der Kalkulation Auskünfte über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse anzufordern und zu bewerten. Die an den Vertraulichkeitsgrundsatz gebundene Antragsgegnerin durfte daher auf der Vorlage der Dokumente in elektronischer Form bestehen.
Anhaltspunkte für eine Unangemessenheit der Frist von einer Woche sind nicht erkennbar. Die Antragstellerin war bereits im vorherigen Nachprüfungsverfahren zum Nachweis ihrer Steuerbefreiung mittels der Vorlage der Bescheinigung des Bundeszentralamts für Steuern aufgefordert worden. Infolge der Vorlage der überwiegend geschwärzten Bescheinigung hatte die Vergabekammer selbst (am 4. und 11. Februar 2025) eine Frist zu Vorlage der ungeschwärzten Bescheinigung gesetzt. Die Antragstellerin verwies in ihrer Antwort-Mail vom 12. Februar 2025 darauf, dass sie die Vorlage der Bescheinigung im Nachprüfungsverfahren als nicht erforderlich ansehe. Der Übermittlung stehe entgegen, dass die Bescheinigung nicht ihr allein, sondern auch anderen Dienstleistern, die ebenfalls in Anlage genannt seien, erteilt worden sei und auch für diese Dienstleister ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis darstelle. Sie bat die Vergabekammer um Mitteilung,
"ob und gegebenenfalls warum Sie entgegen unseren vorstehenden Erläuterungen daran festhalten bzw. die Kenntnis welcher der geschwärzten Bestandteile der Bescheinigung aus Sicht der Vergabekammer unabdingbar für die Beurteilung der Umsatzsteuerbefreiung zugunsten unseres Unternehmens ist."
Die Vergabekammer teilte der Beigeladenen daraufhin mit, dass der bloße Text der Bescheinigung ohne begleitende Angaben zu dem Empfänger des Bescheids, Betreff, Aktenzeichen und dem Bearbeiter keinen hinreichenden Beweiswert habe. Im Ergebnis ist aufgrund dieser dokumentierten Kommunikation mit der Antragstellerin davon auszugehen, dass sich diese bereits im Rahmen der von der Vergabekammer geforderten Vorlage der ungeschwärzten Bescheinigung mit Fragen der Wahrung von geheimhaltungsbedürftigen Informationen beschäftigt hat. Infolge der Nichtvorlage hatte die Vergabekammer in ihrem Beschluss vom 21. Februar 2025 angeordnet, das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zurückzuversetzen, da die Frage der Umsatzsteuerbefreiung der Antragstellerin aufgrund der nahezu völlig geschwärzten Bescheinigung des Bundeszentralamts für Steuern nicht nachzuvollziehen sei. Dieser Beschluss ist der Antragstellerin als Verfahrensbeteiligter zugestellt worden.
Die nun von der Antragsgegnerin angeordnete nochmalige Frist zur Vorlage innerhalb einer Woche (Aufforderung versandt um 9.51 Uhr. am 26. Februar 2025 (Mittwoch), Fristlauf bis zum 5. März 2025 (Mittwoch), 10 Uhr) war daher nicht überraschend und auch nicht unverhältnismäßig.
Ferner hätte die Antragstellerin zumindest die Möglichkeit gehabt, bei der Antragsgegnerin eine entsprechende Fristverlängerung zu beantragen, um - wie sie in der mündlichen Verhandlung betont hat - eine tiefergehende Meinungsbildung im Unternehmen über die Vorlage der Unterlagen herbeizuführen. Dies hat sie nicht in Erwägung gezogen. Stattdessen hat sie am 4. März 2025 ausdrücklich darauf verwiesen, einer Vorlage in physischer oder elektronischer Form nicht nachzukommen.
cc) Die Entscheidung der Antragstellerin, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin infolge nicht zufriedenstellender Aufklärung der Höhe des angebotenen Preises nach § 60 Abs. 3 Satz 1 VgV abzulehnen, ist nicht zu beanstanden.
Kann der öffentliche Auftraggeber die geringe Höhe des angebotenen Preises nicht zufriedenstellend aufklären, darf er den Zuschlag auf dieses Angebot gemäß § 60 Abs. 3 VgV ablehnen. Die Berechtigung des Auftraggebers, den Zuschlag auf solche Angebote abzulehnen, soll den Risiken Rechnung tragen, die sich in vielfältiger Weise bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten verwirklichen können. Der Auftragnehmer kann infolge der zu geringen Vergütung in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und den Auftrag deshalb nicht vollständig ausführen. Der betreffende Anbieter könnte in Anbetracht des zu niedrigen Preises versuchen, sich des Auftrags so unaufwändig wie möglich und insoweit nicht vertragsgerecht zu entledigen (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017, X ZB 10/16). Die Entscheidung darüber, ob der Angebotspreis angemessen und der Bieter in der Lage ist, den Vertrag ordnungsgemäß durchzuführen, prognostiziert der öffentliche Auftraggeber aufgrund gesicherter tatsächlicher Erkenntnisse, wobei ihm - wie bei der Prüfung der Eignung - ein dem Beurteilungsspielraum rechtsähnlicher und von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbarer Wertungsspielraum zukommt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. April 2023 - Verg 26/22). Dem Auftraggeber ist ein rechtlich gebundenes Ermessen eingeräumt. Die Formulierung "dürfen" in § 60 Abs. 3 VgV ist nicht so zu verstehen, dass es im Belieben des Auftraggebers stünde, den Auftrag trotz weiterbestehender Ungereimtheiten doch an den betreffenden Bieter zu vergeben. Die Ablehnung des Zuschlags ist vielmehr grundsätzlich geboten, wenn der Auftraggeber verbleibende Ungewissheiten nicht zufriedenstellend aufklären kann. Dabei geht die Beweislast auf den Bieter über (vgl. Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 60 VgV, Rn. 9). Der Bieter muss konkrete Gründe darlegen, die den Anschein widerlegen, dass sein Angebot nicht seriös ist. Dazu muss er seine Kalkulation und deren Grundlagen erläutern. Die Erläuterungen des Bieters müssen umfassend, in sich schlüssig und nachvollziehbar sowie gegebenenfalls durch geeignete Nachweise objektiv überprüfbar sein. Verbleibende Ungewissheiten gehen zu seinen Lasten (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017, X ZB 10/16; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. April 2023 - Verg 26/22).
Die Antragstellerin hat die Frist verstreichen lassen, ohne die geforderte Aufklärung über ihre umsatzsteuerliche Befreiung bei Postdienstleistungen gemäß § 4 Nr. 1 lb Satz 1 und 2 UStG zu erbringen. Die Ungewissheiten über die Steuerbefreiung sind nicht zufriedenstellend aufgeklärt worden. Die Antragsgegnerin durfte daher das Angebot im Rahmen ihres rechtlich gebundenen Ermessens ablehnen.
b) Ob das Angebot der Beigeladenen ebenfalls auszuschließen ist, weil sie nicht über eine Entgeltgenehmigung nach § 40 PostG verfügt sowie ihrerseits möglicherweise keine steuerfreien Beförderungsleistungen anbieten durfte, da sie - so die Auffassung der Antragstellerin - entweder nicht genehmigte Entgelte anbietet oder von den Vergabeunterlagen (Staffelrabatte) abweicht, kann dahin gestellt bleiben.
Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt, da der Zuschlag auf ihr Angebot, wie gerade gezeigt, von der Antragsgegnerin zu Recht abgelehnt wurde. Im. Falle eines Ausschlusses des Angebots der Beigeladenen steht ihr auch keine sogenannte zweite Chance bei einer Wiederholung des Vergabeverfahrens zu (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2006, X ZB 14/06). Ein solcher Anspruch kommt einem Bieter nur zu, wenn der Auftraggeber das Vergabeverfahren nicht durch einen Zuschlag beenden kann, weil alle Angebote an gleichwertigen Mängeln leiden. Würde der Auftraggeber nicht zuschlagsfähige Angebote dennoch im vergaberechtlichen Wettbewerb belassen, einzelne Bieter aus einem entsprechenden Grund aber nicht berücksichtigen, stellte dies eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. In einem solchen Fall kann der Bieter nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß § 97 Abs. 2 GWB einen Anspruch darauf haben, dass das Vergabeverfahren in das entsprechende Stadium vor Angebotsabgabe zurückversetzt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06). Vorliegend würde es nicht zu einer Wiederholung des Verfahrens kommen, da die Vergabe mit dem Zuschlag auf ein wertbares Angebot eines weiteren Bieters ergehen kann. Anhaltspunkte dafür, dass dieses Angebot ebenfalls - beispielsweise im Hinblick auf umsatzsteuerfrei angebotene Teilleistungen - auszuschließen ist, liegen nicht vor. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Ausschluss des Angebots der Beigeladenen muss daher nicht geprüft werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, 2, 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, 3 S. 2 VwVfG.
Die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) sowie die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung sind der Antragstellerin aufzuerlegen, da sie im Verfahren unterlegen ist.
Gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 3 Satz 2 VwVfG ist außerdem zu bestimmen, ob die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war. Über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den öffentlichen Auftraggeber kann nicht schematisch, sondern nur auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls entschieden werden (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. September 2022 - Verg 15/22 sowie Beschluss vom 21. Dezember 2022 - Verg 37/22). Entscheidend ist, ob der Beteiligte unter den Umständen des Falles selbst in der Lage gewesen wäre, aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen und hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen. Neben Gesichtspunkten wie der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, der Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen können auch rein persönliche Umstände bestimmend sein (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. September 2022 - Verg 15/22 sowie Beschluss vom 21. Dezember 2022 - Verg 37/22). Im Rahmen der Abwägung ist insbesondere in Betracht zu ziehen, ob sich das Nachprüfungsverfahren hauptsächlich auf auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazugehörenden Vergaberegeln konzentriert. Ist das der Fall, besteht im Allgemeinen keine Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt einzuschalten. In seinem originären Aufgabenkreis muss sich der öffentliche Auftraggeber selbst die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse verschaffen und bedarf daher auch im Nachprüfungsverfahren nicht notwendig eines anwaltlichen Bevollmächtigten. Umgekehrt kann die Beteiligung eines Rechtsanwalts notwendig sein, wenn im Nachprüfungsverfahren nicht einfach gelagerte Rechtsfragen, insbesondere verfahrensrechtlicher oder solcher Art, die auf einer höheren Rechtsebene als jener der Vergabeverordnungen stehen, zu entscheiden sind. Insoweit kann auch berücksichtigt werden, inwieweit die Vergabestelle über geschultes Personal und Erfahrung mit Vergabeverfahren verfügt. Schließlich kann auch der Gesichtspunkt der so genannten prozessualen Waffengleichheit in die Prüfung einfließen.
Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze war die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin hier nicht notwendig. Das Nachprüfungsverfahren betraf ganz überwiegend nur einfach gelagerte Fragen der Aufklärung der Kalkulation der Antragstellerin und des Ausschlusses ihres Angebots aufgrund nicht fristgemäßer Vorlage der notwendigen Unterlagen. Anders als im vorherigen Nachprüfungsverfahren (VK 1-4/25) zur selben Ausschreibung stellten sich im Rahmen der Aufklärung primär keine steuerrechtlichen und postrechtlichen Fragen, sondern Fragen des Umgangs mit unzureichenden Unterlagen im Rahmen der Preisaufklärung. Da sich die Beigeladene aktiv durch die Stellung von Anträgen und deren Begründung am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat und damit ein Kostenrisiko auf sich genommen hat, entspricht es der Billigkeit i.S.d. § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB, der unterliegenden Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Beigeladenen aufzuerlegen (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Juni 2014 - Verg 41/13 und vom 10. Mai 2012 - Verg 5/12).
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Beigeladene war notwendig, um die "Waffengleichheit" zu der ebenfalls anwaltlich vertretenen Antragstellerin herzustellen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Mai 2019 - Verg 55/18).
IV.
(...)
Zuschlagskriterien dürfen angepasst, aber nicht geändert werden!
Zuschlagskriterien dürfen angepasst, aber nicht geändert werden!
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VK Niedersachsen
Beschluss
vom 02.10.2024
VgK-21/2024
1. Mit der Aufforderung zur indikativen Angebotsabgabe bereits bekannt gemachte Zuschlagskriterien dürfen im Verhandlungsverfahren nur in einem sehr geringen Maße im Stadium der Aufforderung zur finalen Angebotsabgabe angepasst werden. Lediglich Konkretisierungen bereits bekannter Zuschlagskriterien und Unterkriterien sind zulässig.
2. Das Einführen neuer Unterkriterien anlässlich von Verhandlungsvorschlägen eines Bieters verstößt gegen das Verhandlungsverbot.
3. Der öffentliche Auftraggeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, Vorteile eines Bieters aufgrund seiner Marktposition anderen Bietern gegenüber auszugleichen. Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz berechtigt den Auftraggeber jedoch nicht zu einer ungerechtfertigten Einschränkung des Wettbewerbs.
VK Niedersachsen, Beschluss vom 02.10.2024 - VgK-21/2024
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Antragsgegner wird verpflichtet, das Vergabeverfahren in den Stand vor Aufforderung zur finalen Angebotsabgabe (BAFO) zurückzuversetzen und dabei die aus den Gründen ersichtliche Auffassung der Vergabekammer zu beachten.
2. Die Kosten werden auf ... Euro festgesetzt.
3. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen. Der Antragsgegner ist jedoch von der Entrichtung der Kosten befreit.
4. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten war für die Antragstellerin notwendig.
Begründung:
I.
Der Antragsgegner hat mit EU-Bekanntmachung vom ....2024 unter der Bezeichnung "..." einen Rahmenvertrag über die Bereitstellung eines zentralen georedundanten SIP-Trunks und die Bereitstellung von dezentralen Sprach- und Internetzugängen sowie die darüber geführten Telefonverbindungen für Dienststellen und Telearbeiter und weitere Nutzungsberechtigte im Verhandlungsverfahren ausgeschrieben.
Nach Ziffer II.2.7) der Bekanntmachung beträgt die Laufzeit 84 Monate. Nach Ziffer 11.2.10) sind Varianten und Alternativangebote nicht zulässig.
Nach Ziffer 31.1. des Rahmenvertrages gilt zudem für die Laufzeit:
"Dieser Vertrag tritt mit Zuschlagserteilung in Kraft und hat eine Laufzeit von 7 Jahren. Die Dauer von sieben Jahren ergibt sich aus der avisierten Planungs- und Migrationsphase vom Bestandsprovider auf den Auftragnehmer von zwei Jahren sowie der regulären Betriebslaufzeit von fünf Jahren."
Der derzeit noch laufende Bestandsvertrag wurde für ... durch ... und der ..., geschlossen. Mit Schreiben vom 05.06.2020 informiert die ... den Antragsgegner über die Gründung der ... und über die Absicht, mit Wirkung zum 01.07.2020 alle bestehenden Verträge zwischen dem Antragsgegner und der ... umwandlungsrechtlich auf die ... zu übertragen. Eine Reaktion oder eine Zustimmung des Antragsgegners erfolgte nicht.
Nach der Leistungsbeschreibung (Datei: ...) wurde der Projektverlauf wie folgt dargestellt:
(...)
Gemäß Ziffer 11.2.5) der Bekanntmachung ist der Preis nicht das einzige Zuschlagkriterium. Alle Kriterien sind nur in den Beschaffungsunterlagen aufgeführt.
Nach Ziffer 2.23 der Unterlagen zum Teilnahmewettbewerb (Datei: ...) gilt, dass mit Ausnahme der Mindestbedingungen grundsätzlich das gesamte Angebot verhandelbar ist. Den besten drei Bietern, nach Auswertung des Erst-angebots, wird die Möglichkeit gegeben, an den Verhandlungsrunden teilzunehmen.
Nach Ziffer 1.4 der Vergabeunterlagen (Datei: ...) wird das Verhandlungsverfahren nach der Aufforderung zur verbindlichen Erstangebotsabgabe wie folgt strukturiert:
"1.4.1 Erste Phase
Mit der Aufforderung zur Abgabe des Erstangebots erhält der Bieter die Gelegenheit, für den ausgeschriebenen Beschaffungsgegenstand ein indikatives (unverbindliches) Angebot einzureichen. Dabei hat der Bieter die Möglichkeit, mit seinem Erstangebot Verhandlungsvorschläge (Änderungs-/Ergänzungswünsche, Verbesserungs-/Optimierungsvorschläge, etc.) zu den Vergabeunterlagen, insbesondere der Leistungsbeschreibung, dem Preisblatt, und den Bestimmungen des Vertrages - mit Ausnahme der in der Bewertungsmatrix/dem Lastenheft angegebenen Ausschlusskriterien (Mindestanforderungen) sowie den definierten Zuschlagskriterien - einzureichen.
(...)
Die abgegebenen Erstangebote werden zunächst auf formale Richtigkeit geprüft. Eine weitergehende Prüfung und Wertung der Erstangebote findet sodann wie folgt statt: Unter Verzicht auf die zweite Wertungsstufe (Angemessenheit der Preise) werden die Erstangebote auf der dritten Wertungsstufe nur anhand des Zuschlagskriteriums "Leistung" bewertet; eine Wertung des Preises der Erstangebote anhand des zweiten Zuschlagskriteriums "Preis" findet nicht statt. Die Wertung des Zuschlagskriteriums "Leistung" erfolgt dabei nicht anhand der für die Wertung der verbindlichen Folgeangebote bzw. finalen Angebote (BAFO) vorgesehenen erweiterten Richtwertmethode, sondern allein anhand der gemäß aller Bewertungskriterien (Unterkriterien des Zuschlagskriteriums "Leistung") der Bewertungsmatrix vom Bieter mit seinem Erstangebot jeweils erreichten Anzahl an Leistungspunkten.
Die Vergabestelle hat geplant mit allen Bietern die erste Runde der Verhandlungsgespräche über das jeweilige unverbindliche Erstangebot sowie die Vergabeunterlagen und den Beschaffungsgegenstand durchzuführen.
(...)
Gegenstand der Verhandlungen können die jeweils vom Bieter mit seinem Erstangebot eingereichten Verhandlungsvorschläge sein sowie Verhandlungswünsche der Vergabestelle und/oder weitere, nicht mit dem Angebot eingereichte Verhandlungswünsche des Bieters, mit Ausnahme der Ausschlusskriterien sowie der Zuschlagskriterien. Der Vergabestelle steht es frei, Verhandlungsvorschläge der Bieter ganz oder teilweise zum Gegenstand der Verhandlungen zu machen. Der Bieter hat keinen Anspruch darauf, dass seine eingereichten Verhandlungsvorschläge verhandelt oder gar angenommen werden.
Die Vergabestelle behält sich vor, im Anschluss an eine erste Verhandlungsrunde bei Bedarf eine oder mehrere weitere Verhandlungsrunden durchzuführen und hierzu auch ggf. die Anzahl der Teilnehmer an weiteren Verhandlungsrunden zu reduzieren. Die Bieter haben keinen Anspruch auf Teilnahme an dieser/n Verhandlungsrunde/n.
1.4.2 Zweite Phase
Die Vergabestelle beabsichtigt, die Vergabeunterlagen gemäß seinem durch die Verhandlungsgespräche konkretisierten, aktualisierten Beschaffungsbedarf anzupassen und danach zur Abgabe verbindlicher Folgeangebote (BAFO) aufzufordern, welche geprüft und bewertet werden.
Weitere Verhandlungen mit den verbleibenden Bietern bleiben dabei vorbehalten. Die Vergabestelle behält sich weiterhin vor, dass das Verhandlungsverfahren nach Aufforderung zur Abgabe verbindlicher Angebote weiter in verschiedenen aufeinanderfolgenden Phasen abgewickelt wird, um so die Zahl der Angebote, über die verhandelt wird, anhand der angegebenen Zuschlagskriterien zu verringern.
Die Vergabestelle behält sich vor, den Ablauf des Vergabeverfahrens aus sachlichen Gründen erforderlichenfalls zu ändern. Die Bieter werden jeweils rechtzeitig informiert."
Im Rahmen der Beantwortung der Bieterfragen in der indikativen Angebotsphase wurde den Bietern mitgeteilt, dass gemäß UfAB 2018 die erweiterte Richtwertmethode zur Anwendung gelangt (Datei: ...).
In der Gesamtauswertung der unverbindlichen Erstangebote (Datei: ...) wird nach dem Ergebnis der Leistungsbewertung im Tabellenblatt "UfAB" ein Mindesterfüllungsgrad von 70 % dargestellt. Dieser ist versehen mit dem Hinweis "bisher nicht festgelegt". Das Nichterreichen des Mindesterfüllungsgrades führt laut der vorläufigen Wertung dazu, dass das betroffene Angebot bei der Zusammenführung des Leistungs-Preis-Verhältnisses (Z) nicht mehr berücksichtigt wird.
Die Bieter reichen mit ihren indikativen Angeboten jeweils Verhandlungsvorschläge ein. Die Beigeladene zu 1 schlägt dabei vor, dass eine kaufmännische Migration zugelassen werden soll.
Mit der Aufforderung zur Abgabe eines verbindlichen Angebotes (BAFO) wird in den Vergabeunterlagen (Datei: ...; Stand: 28.08.2024) unter Ziffer 1.25.3 ausgeführt, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wird:
"Dieses wird nach der so genannten erweiterte Richtwertmethode gemäß der Unterlage für die Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen (UfAB 2018) des Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik (http//www.cio.bund.de) gebildet. Danach wird in einem ersten Schritt nach der gesamten Leistungsbewertung und der Feststellung der Preise die Kennzahl für das Leistungs-Preis-Verhältnis ermittelt:
Dabei sind die vorstehenden Parameter wie folgt definiert:
Z : Kennzahl für Leistungs-Preis-Verhältnis
L : Gesamtsumme der Leistungspunkte (Bewertungspunkte * Gewichtung)
P : Gesamtpreis (Euro) der Leistung gemäß Preisblatt
Mit der erweiterten Richtwertmethode kann für die Bestimmung des wirtschaftlichsten Angebotes neben dem Leistungs-Preis-Verhältnis der verschiedenen Angebote für nah beieinanderliegende Angebote ein weiteres Entscheidungskriterium (EK) herangezogen werden.
Daher werden in einem zweiten Schritt alle Angebote innerhalb des zuvor definierten Schwankungsbereichs (in %) zum führenden Angebot durch eine Vorauswahl selektiert. Der Schwankungsbereich ist auf 10 % festgelegt.
Schließlich werden die Angebote, die innerhalb des Schwankungsbereichs zum führenden Angebot liegen, anhand eines zuvor festgelegten Entscheidungskriteriums für die Wirtschaftlichkeit miteinander verglichen und so das wirtschaftlichste Angebot ermittelt. Als Entscheidungskriterium wird für die o.g. Ausschreibung die Gesamt-Leistungspunkte (L) herangezogen.
Das Angebot innerhalb des Schwankungsbereichs mit den Gesamt-Leistungspunkte (L) ist das führende Angebot und somit auch das wirtschaftlichste Angebot."
Zudem wird nach Ziffer 1.25.3.1.3 festgelegt:
"Über die Summe aller als Leistungsanforderungen zum Angebot gekennzeichneten B-Kriterien wird eine zu erreichende Mindestleistungspunktzahl von 75 % der maximal zu erreichenden Leistungspunktzahl festgelegt.
Bei Unterschreitung der Mindestleistungspunktzahl wird das betreffende Angebot aus der weiteren Wertung ausgeschlossen."
Des Weiteren wurde den Bietern mit der Aufforderung zur Abgabe eines verbindlichen Angebotes (BAFO) vom ....2024 ein überarbeitetes Preisblatt als Exceldatei zur Verfügung gestellt. Dafür wurden unter anderem folgende Änderungen in den Arbeitsblättern "Titelblatt" und "Preiskennzahl" vorgenommen, bei der die Stellung als Bestandsbieter abgefragt wurde und daraus resultierend geringere Migrationskosten berücksichtigt werden konnten.
Version unverbindliches Angebot:
(...)
Version verbindliches Angebot:
(...)
Zudem wurde das Arbeitsblatt "Hinweise" um folgende Ausführungen ergänzt:
"... Sofern es sich beim Bieter um den Bestandsbieter handelt, muss er dies im Titelblatt angeben und die aktuellen Kosten für den Monat ... 2024 im Register "Preiskennzahl" entsprechend angeben. Es wird dann automatisch ein Vorteil durch eine kaufmännische Migration vom Angebotspreis abgezogen (bei Annahme lineares Abschmelzen über die Vorbereitungs- und Migrationszeit)."
Ferner wurde das Leistungsverzeichnis zum finalen Angebot unter Ziffer 4.3 Migration wie folgt ergänzt:
"Wenn keine Anschlüsse von Dritten zu übernehmen sind (also wenn der AN der Bestandsanbieter ist), dann werden die Anschlüsse innerhalb eines Zeitraums von max. 4 Wochen nach Vertragsbeginn auf die neuen Konditionen dieser Rahmenvereinbarung umgestellt (kaufmännische Migration)."
Mit Schreiben vom 09.08.2024 erfragte die Antragstellerin die ihr unklar gebliebenen Hintergründe der Änderungen am Preisblatt und der hinterlegten Berechnungsformeln. Dabei formulierte die Antragstellerin zudem:
"Der Bestandanbieter erhält somit in Bezug auf die Bewertung des Preises einen Vorteil gegenüber den anderen Wettbewerbern. Daher verstößt das neue Preisblatt aus Sicht des Bieters gegen den Wettbewerbsgrundsatz. Damit der Wettbewerbsgrundsatz jedoch gewährleistet ist, bittet der Bieter daher um Streichung der Felder "Ermittlung kaufmännische Migration" in dem Register "Preiskennzahl".
Dies beantwortete der Antragsgegner am 19.08.2024 wie folgt:
"Im Rahmen der Verhandlungen hat sich herausgestellt, dass bei einem Tarifwechsel Einsparpotential gegenüber dem Bestandstarif besteht. Dieses Potential realisiert sich bei dem Bestandsauftragnehmer mangels technischer Migration nahezu unmittelbar und wird für die Dauer der Migration bei einem Auftragnehmerwechsel berücksichtigt. Nach Auffassung des Auftraggebers handelt es sich bei einem möglichen Kostenvorteil durch einen frühen Tarifwechsel um sog. "switching costs", die im Rahmen der Angebotswertung berücksichtigt werden können. Dies verstößt nicht gegen den Wettbewerbsgrundsatz (vgl. Anlage 2)."
In der finalen Angebotsphase erläutert der Antragsgegner mit der Antwort vom 29.08.2024 (Dateiname: ...) unter der lfd. Nr. 5 den Formelfaktor "9" für den SIP-Trunk (...). Demnach resultiert dieser aus der Annahme, dass Nicht-Bestandsanbieter für die Migration zehn Monate benötigen, beim Bestandsanbieter die Migration indes nach einem Monat abgeschlossen ist. Für den Antragsgegner besteht somit bei einem Verbleib beim Bestandsanbieter bereits neun Monate früher ein wirtschaftlicher Vorteil.
Mit der Antwort auf die Bitte um Erklärung der Formel aus ... (...) unter der lfd. Nr. 6 führt der Antragsgegner aus:
"Es wird angenommen, dass bei einem Auftragnehmerwechsel die vollständige Migration der dezentralen Anschlüsse innerhalb von 24 Monaten umgesetzt ist, eine rein kaufmännische Migration ist nach einem Monat abgeschlossen. Da die Migration der dezentralen Anschlüsse sukzessive erfolgt und die ersten Anschlüsse bereits nach ca. 4 Monaten umgestellt sein dürften, wird die volle Kostendifferenz nur für einen Zeitraum von 3 Monaten berücksichtigt und in den weiteren 20 Monaten nur noch anteilig, da sich sukzessive auch bei einem Auftragnehmerwechsel der wirtschaftliche Vorteil aus dem Tarifwechsel realisiert."
Mit Schreiben vom 28.08.2024 rügte die Antragstellerin die unzulässige Ungleichbehandlung der Bieter durch die Berücksichtigung des Kostenvorteils der weniger umfangreichen kaufmännischen Migration beim Bestandsanbieter zu dessen Gunsten. Zudem rügte sie
- den unzulässigen Informationsvorsprung des Bestandsanbieters hinsichtlich seines Kostenvorteils gegenüber den anderen Bietern;
- die Annahme einer pauschalen, langen Migrationszeit bei der Berechnung der Migrationskosten für die übrigen Bieter;
- die Änderung der Zuschlagskriterien im Nachgang zur Verhandlungsrunde.
Nachdem der Antragsgegner mit Schreiben vom 30.08.2024 mitgeteilt hatte, dass eine Reaktion auf die Rüge nicht innerhalb der gesetzten Frist bis zum 02.09.2024 beantwortet werden könne, reichte die Antragstellerin am 03.09.2024 einen Nachprüfungsantrag ein.
Der Antrag sei sowohl zulässig als auch begründet.
Die von dem Antragsgegner mit der Angebotsaufforderung für das verbindliche Zweitangebot mit Schreiben vom ....2024 vorgenommenen Änderungen an den Vergabeunterlagen würden gegen Vergaberecht verstoßen. Durch die Berücksichtigung der Migrationskosten bei der Angebotsbewertung verstoße der Antragsgegner gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, der es verbiete, Vorteile des Bestandsanbieters, die ausschließlich auf dem Vorauftrag beruhen, zu dessen Gunsten zu berücksichtigen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn wie hier solche Vorteile zu einer Zementierung der Stellung des Bestandsanbieters führen und den Wettbewerb damit faktisch ausschließen würden.
Da die Kostenersparnis bei Annahme des Angebots des Bestandsanbieters nicht auf allgemeinen Wettbewerbsvorteilen beruht, sondern aus einer Sonderstellung zum Auftraggeber, dürfe dies aus Gründen der Gleichbehandlung bei der Wertung nicht berücksichtigt werden. Zwar seien öffentliche Auftraggeber nicht verpflichtet, eine unterschiedliche Marktstellung, die "von außen" vorgegeben und damit gleichsam "vorgefunden" werde, auszugleichen, allerdings dürfen Vorteile, die ein Bieter aufgrund einer vorherigen Tätigkeit für den öffentlichen Auftraggeber hätte, bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden. Denn der Wettbewerbsvorteil resultiere nicht aus einer im freien Wettbewerb errungenen Marktstellung, sondern ganz spezifisch aus der Ausgestaltung und Durchführung des Vorauftrages. Der Vorauftrag ermögliche es der Beigeladenen lediglich, eine kaufmännische Migration durch Tarifanpassung und damit deutlich günstigere technische Migration durchzuführen, was bei der Wertung nicht berücksichtigt werden dürfe. Dies gelte gerade dann, wenn die Vorteile im konkreten Fall so hoch seien, dass um den Auftrag kein Wettbewerb mehr stattfinden könne. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung können durch einen Auftragnehmerwechsel entstehende Kosten zu einer vergaberechtswidrigen Ungleichbehandlung führen. Der dem Bestandsanbieter nach Schätzung der Antragstellerin gewährte Preisvorteil von 30 % bis 50 % führe zu einer Zementierung dessen Auftragnehmerstellung.
Zudem verstoße der Antragsgegner durch die pauschale Bestimmung von Migrationszeiten gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Den ihm eröffneten Beurteilungsspielraum habe der Antragsgegner überschritten. Die Formel zur Bestimmung der Migrationskosten würde bei Nicht-Bestandsanbietern, aufgrund einer unterstellten längeren Migrationsdauer, dafür neun Monate unterstellen. Insgesamt würde angenommen, dass Nicht-Bestandsanbieter für die Migration 23 Monate länger benötigen würden als der Bestandsanbieter. Dies sei schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Antragsgegner ausweislich der Ziffer 4 der Leistungsbeschreibung davon ausgehe, dass Bestands- und Nicht-Bestandsanbieter zwar unterschiedlich lange für den Abschluss der Phase "Rollout-Migration" benötigen, nicht aber hinsichtlich der Phase "Vorbereitungszeit". In der Aufforderung zur Abgabe des verbindlichen Angebotes habe der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass er davon ausgehe, dass beim Bestandsanbieter diese Phase innerhalb eines Monats abgeschlossen sei. Wenn die Vorbereitungszeit bei Bestandsanbieter und Nicht-Bestandsanbieter jeweils gleich sein sollen, dann dürfte diese Zeit nicht bei der Berechnung der Migrationskosten berücksichtigt werden und der Faktor für den SIP-Trunk von Nicht-Bestandsanbietern müsste aufgrund einer vom Antragsgegner angenommenen Vorbereitungszeit von sechs Monaten "3" und nicht "9" lauten. Pauschal würde auch zugunsten des Bestandsanbieters für dessen Migration das Bestcase-Szenario von einem Monat, jedoch bei den Nicht-Bestandsbietern für deren Migration zu deren Ungunsten das Worst-case-Szenario eines sehr langen Migrationszeitraums angenommen. Der Wertungspreis beruhe damit nicht mehr auf der autonomen Preisbildung durch die Nicht-Bestandsanbieter, sondern auf einer pauschalen Annahme des Auftraggebers. Damit könnten tatsächliche Kostenvorteile ganz erheblich vom Wertungspreis abweichen.
Die Bewertungsmethode sei auch daher unzulässig, da der berücksichtigte Kostenvorteil aufgrund der kaufmännischen Migrationskosten nur dem Bestandsanbieter bekannt sei. Wertungsaufschläge müssten klar definiert sein und vom Auftraggeber genau ausgewiesen werden. Sonst würden die Nicht-Bestandsanbieter unzulässig benachteiligt. Hier könne der Bestandsbieter seinen Preis so kalkulieren, dass er unter Berücksichtigung des Kostenvorteils gerade noch günstiger ist als die anderen Bieter, für die es erheblich schwerer werde, ihr Angebot so zu kalkulieren, dass es das wirtschaftlichste sein könne. Bei diesem Informationsvorsprung handele es sich auch nicht um einen grundsätzlich hinnehmbaren Wettbewerbsvorteil, denn die Informationsasymmetrie würde erst durch die vom Antragsgegner vorgegebenen Parameter des Preisblatts entstehen. Sollte es sich um einen legitimen Informationsvorsprung handeln, wäre dieser Vorteil durch den Antragsgegner auszugleichen gewesen, indem z.B. die bisherige Kostenstruktur mitzuteilen wäre. Der Bestandsanbieter könne sich auch nicht mehr auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen berufen, da dessen Vertrag bereits seit 15 Jahren bestehe und somit ein Nachweis, dass die Preisinformationen unverändert wesentlich seien, mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gelingen würde. Insofern wäre dies mit dem GeschGehG vereinbar.
Zudem verstoße die Gestaltung des Preisblatts gegen den Transparenzgrundsatz, da die Nicht-Bestandsanbieter nicht darüber aufgeklärt worden seien, wie sich der Kostenvorteil aufgrund der kaufmännischen Migrationskosten berechne und welche möglichen Nachteile dadurch bei der Berechnung der Gesamtkosten entstehen können.
Schließlich sei auch die Änderung der Zuschlagskriterien unzulässig, denn für das Verhandlungsverfahren gelte, dass die Zuschlagskriterien spätestens mit der Aufforderung zur Abgabe des ersten Angebots zu benennen seien. Für Verhandlungsverfahren sei es zwar charakteristisch, dass der Auftraggeber mit den Bietern über die von ihnen eingereichten Erst- und Folgeangebote verhandelt, jedoch habe der EU-Gesetzgeber ausdrücklich festgestellt, dass die Zuschlagskriterien nicht verhandelbar seien. Dagegen habe der Antragsgegner durch die nachträgliche Änderung der Zuschlagskriterien verstoßen, indem er festgelegt habe, dass das wirtschaftlichste Angebot nunmehr mittels der erweiterten Richtwertmethode und unter Heranziehung eines weiteren Entscheidungskriteriums - den Gesamt-Leistungspunkten - ermittelt werde und nicht mehr anhand der höchsten Gesamtleistungspunkte. Eine dem entgegenstehende Spruchpraxis der Vergabekammern und Vergabesenate würde nicht überzeugen oder sei nicht zutreffend. Zudem habe der Antragsgegner die Zuschlagskriterien aufgrund der Verhandlungen - höchstwahrscheinlich mit dem Bestandsanbieter - geändert.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten sei wegen der Komplexität der vergaberechtlichen Fragestellungen für die Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.
Mit Schriftsatz vom 19.09.2024 trägt die Antragstellerin ergänzend vor, dass Vorteile bei der Migration, die sich aus der Stellung als Bestandsanbieter ergeben würden, nicht berücksichtigt werden dürfen, wenn die Auftragnehmerstellung des Bestandanbieters dadurch zementiert werde. Eine solche Zementierung ergebe sich, unter Berücksichtigung der Marktpreise, hier aus einem Kostenvorteil in Höhe von mindestens 30 % des Auftragswerts für den Bestandsbieter. Sollten die Preise sich im finalen Angebot verringern, würde sich der Kostenvorteil sogar noch erhöhen. Da sich durch die Verhandlungen die Risiken für die Bieter verringert hätten, seien geringere finale Angebotspreise zu erwarten. Der vom Antragsgegner angenommene Kostenvorteil von lediglich 5 % sei somit fernliegend und zudem nicht nachprüfbar.
Um Nachteile aus einer nur eingeschränkten Akteneinsicht zu kompensieren, seien Informationen, die der Antragstellerin nicht zur Verfügung gestellt werden können, von der Vergabekammer im Rahmen eines sogenannten In-camera-Verfahrens bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. Dafür werde angeregt die angesetzten aktuellen Kosten durch Einsicht in die Rechnungen für den nach dem Preisblatt maßgeblichen Monat ... 2024 zu plausibilisieren und eine Berechnung auch auf Grundlage der indikativen Angebote der anderen Bieter durchzuführen, obwohl davon auszugehen sei, dass die finalen Angebotspreise im Vergleich zu den indikativen Angebotspreisen erheblich reduziert würden.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin komme es auf die Höhe des Kostenvorteils aber ohnehin nicht maßgeblich an. Aus bisherigen Leistungsbeziehungen gewonnene Ausstattungsvorteile des Bestandsanbieters seien ausgleichspflichtig. Eine Erheblichkeitsschwelle sei dafür nicht festgelegt. Hier liege die Dauer der Migration im Einfluss- und Verantwortungsbereich des Auftraggebers und es würde sich zulasten der Nicht-Bestandsanbieter auswirken, dass der Antragsgegner die für eine schnellere Migration erforderlichen internen Ressourcen nicht bereitstellen könne oder wolle. Die durch den Antragsgegner ferner angeführte Rechtslage sei nicht nachvollziehbar. Auch § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB sei nur für Auftragsänderungen heranzuziehen und nicht für die Vergabe eines neuen Auftrags an den Bestandsanbieter. Zudem lasse sich ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nicht mit Migrationskosten auf Seiten des Auftraggebers rechtfertigen.
Nur durch das Verhandlungsverbot der Zuschlagskriterien könne sichergestellt werden, dass der Auftraggeber das Vergabeverfahren nicht zugunsten einzelner Bieter nachträglich manipulieren könne. Der Antragsgegner irre sich in der Annahme, dass die Verhandlungen über Zuschlagskriterien dann unzulässig seien, wenn die Änderung der Zuschlagskriterien "auf Druck des Bieters" erfolge. Damit würde vielmehr ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal aufgestellt, auf das es nicht ankommen könne. Zudem würde den Mitbietern der Nachweis eines Vergaberechtsverstoßes unmöglich gemacht.
Es sei nicht relevant, ob es sich bei den Änderungen am Preisblatt um eine zulässige Präzisierung oder Konkretisierung der Zuschlagskriterien handele, denn darauf komme es bei einem Verstoß gegen das Verhandlungsverbot nicht an. Der Gefahr einer Bieterdiskriminierung könne durch eine vage Unterscheidung zwischen Konkretisierung und Änderung nicht begegnet werden.
Zudem handele es sich bei den am Preisblatt vorgenommenen Änderungen nicht um eine bloße Konkretisierung der Zuschlagskriterien. Schon dem Begriff nach könne eine zusätzliche Berechnungsgrundlage keine Konkretisierung sein. Der erst mit der finalen Angebotsaufforderung vorgesehene Kostenabzug zugunsten des Bestandsanbieters wirke sich wesentlich auf die Ermittlung des Wertungspreises, somit auf das Zuschlagskriterium "Preis" aus und begünstige den Bestandsbieter einseitig.
Die Antragstellerin beantragt,
1. den Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren in den Stand vor Aufforderung zur Abgabe der finalen Angebote zurückzuversetzen und bei fortbestehender Beschaffungsabsicht unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzuführen;
2. der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakte gemäß § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren;
3. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären, und
4. dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen.
Der Antragsgegner beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag vom 3. September 2024 zurückzuweisen;
2. der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners aufzuerlegen;
3. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für den Antragsgegner notwendig war;
4. den Antrag der Antragstellerin auf Akteneinsicht wegen Unbegründetheit des Nachprüfungsantrags in Bezug auf einen Großteil der Vergabeakte abzulehnen.
Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet. Die Berücksichtigung der Migrationskosten in der Angebotswertung sei berechtigt, da der Auftraggeber bei einer Weiterbeauftragung des Bestandsauftragnehmers von einer kaufmännischen Migration profitiere. Eine Pflicht zum Ausgleich dieses Wettbewerbsvorteils bestehe nicht, da aufgrund der geringen Bedeutung keine Zementierung des Bestandsanbieters drohe. Auch die Informationsvorsprünge des Bestandsanbieters im Hinblick auf seine bisherige und seine zukünftige Kalkulation seien hinzunehmen. Zudem habe der Antragsgegner auch nicht in unzulässigerweise nachträglich die Zuschlagskriterien oder deren Gewichtung verändert oder mit den Bietern darüber verhandelt.
Ein verbindlicher Zeitplan für die Migration habe weder seitens des Auftraggebers noch durch die Bieter festgelegt werden können, da die Migration von diversen Faktoren abhänge. Der Auftraggeber sei aufgrund seiner fachlichen Einschätzung jedoch von einer Vorbereitungszeit von sechs Monaten und einem Rollout/Migration von vier Monaten für die zentralen SIP-Trunks sowie einer Vorbereitungszeit von vier Monaten und einem Rollout/Migration von 20 Monaten für die dezentralen Anschlüsse ausgegangen.
Aus den Erstangeboten habe sich ergeben, dass die Kosten für die Nutzung der Anschlüsse unter den bisher vereinbarten Preisen liegen würden. In der Verhandlungsrunde habe der Bestandsauftragnehmer angeregt, eine kaufmännische Migration zuzulassen, wonach die bestehenden Anschlüsse unmittelbar nach Erteilung des Zuschlags in das neue, von ihm angebotene Tarifmodell überführt würden, um so die Kosten zu verringern. Es sollte jedoch der Kostenvorteil rechnerisch entsprechend der angepassten Bewertung ermittelt und in die Preisbewertung eingestellt werden. Dabei sei eine Zurückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe bzw. vor Abschluss des Teilnahmewettbewerbs nicht für erforderlich gehalten, da hierin eine größere Belastung des Bieterkreises gesehen worden sei.
Schon in der Aufforderung zur Abgabe der finalen Angebote sei klargestellt worden, dass die Bewertung der Angebote mittels der erweiterten Richtwertmethode ermittelt werden solle. Dies sei auch schon mit der Beantwortung der Bieterfrage am 22.08.2023 mitgeteilt worden.
Die Berücksichtigung von Migrationskosten im Rahmen der Angebotsauswertung sei vergaberechtlich zulässig, um bei einem Auftragnehmerwechsel das wirtschaftlichste Angebot für den Auftraggeber zu ermitteln. Sonst bliebe das Wirtschaftlichkeitsprinzip als Vergabegrundsatz unberücksichtigt. Bei der Festlegung der Zuschlagskriterien habe der Auftraggeber einen großen Gestaltungsspielraum. Dazu könnten im Sinne der sparsamen und effizienten Nutzung von Haushaltsmitteln auch Umstellungskosten bzw. switching costs berücksichtigt werden. Das gelte auch für entsprechende Kostenersparnisse, wenn es nicht zu einem Auftragnehmerwechsel komme.
Die Umstellungskosten fiktiv bei dem Bestandsauftragnehmer zum Wertungsausgleich in Anrechnung zu bringen, würde dem Wirtschaftlichkeitsprinzip widersprechen. Nur wenn diese Kosten so hoch seien, dass die Stellung des Bestandsauftragnehmers zwangsläufig zementiert werde, würde dies zu einer Ungleichbehandlung führen. Hier würde die Kostenersparnis nur etwa 5 % des Gesamtauftragswertes ausmachen und zeitweise Doppelzahlungen während der Migration würden keine Berücksichtigung finden. Zudem sei es den übrigen Bietern unbenommen, einen entsprechenden Abschlag im Rahmen der Angebotskalkulation zu berücksichtigen und über die Laufzeit von 74 Monaten (SIP-Trunk) bzw. 60 Monaten (dezentrale Anschlüsse) abzuschreiben. Dabei würde nicht der Bestandsbieter einen Vorteil erhalten, sondern der Auftraggeber bei der Vertragsdurchführung.
Die Vorbereitungszeit falle sowohl bei dem Bestandsbieter als auch bei einem Bieterwechsel in gleichem Umfang an. Daher sei auch unter Ziffer 4.3 der Leistungsbeschreibung geregelt, dass einen Monat nach Vertragsschluss eine Umstellung auf die neuen Preise im Rahmen der Leistungsabrechnung erfolgen müsse. Da nicht eindeutig festgelegt werden könne, über welchen Zeitraum sich die technische Migration bei einem Auftragnehmerwechsel erstrecken würde, seien die Zeiträume realistisch eingeschätzt und pauschal festgelegt worden. Eine Zusicherung der Bieter über die Zeiträume der Migration hätte der Auftraggeber nur dann berücksichtigen und bewerten können, wenn an deren Einhaltung auch Sanktionen geknüpft worden wären. Dies sei jedoch aufgrund der Unwägbarkeiten bei der Mitwirkung durch den Auftraggeber im Rahmen der Umsetzung nicht möglich gewesen. Es liege kein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit und Gleichbehandlung vor, denn die unterschiedlichen Sachverhalte, dass ein Auftragnehmerwechsel von den Abläufen bei einem Verbleib beim Bestandsauftragnehmer abweiche, seien unterschiedlich zu behandeln, damit auch dem wirtschaftlichsten Angebot der Zuschlag erteilt werden könne.
Es sei nicht erforderlich, dass allen Bietern die Preise des Bestandsauftragnehmers mitgeteilt werden. Die Konzeption und Bemessung von Wertungskriterien sei durch die entsprechende Ausgestaltung, insbesondere im Preisblatt offengelegt worden. Die aktuellen Preise sowie die Preise in einem noch laufenden Vertragsverhältnis, da aktuell und von erheblichem Interesse, könnten zum Schutz der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Bestandsauftragnehmers nicht veröffentlicht werden. Durch die Bekanntgabe der Methodik seien nachträgliche Manipulationen in Kenntnis der Preise ausgeschlossen.
Die Ergänzungen in der Vergabeunterlage D zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit und die Anpassungen im Preisblatt würden nicht gegen das Vergaberecht verstoßen. Mit der Aufforderung zur Abgabe eines ersten indikativen Angebots sei in der Anlage D1 Vergabeunterlage unter 1.25.2 ausgeführt worden, dass das wirtschaftliche Angebot anhand von Gesamtleistungspunkten ermittelt werde. Aus dem Preisblatt ergebe sich zudem, dass eine Preiskennzahl P anhand der Gesamtkosten ermittelt werde. Im Rahmen der Beantwortung der Bieterfragen in der ersten indikativen Angebotsphase sei zudem transparent gemacht worden, wie die erweiterte Richtwertmethode zur Anwendung komme. Dies und das Fehlen einer Konkretisierung der Wertungsmethode sei bei der Aufforderung zur Abgabe eines ersten indikativen Angebots auch nicht gerügt worden und somit präkludiert.
Ein Bezug zur erweiterten Richtwertmethode sei auch nicht hergestellt worden. Die Erläuterungen des Antragsgegners zur erweiterten Richtwertmethode hätten deutlich gemacht, dass bei einem nur geringen Abstand der Angebote untereinander, die Leistungskennzahl entscheidend sei. Die Rüge habe sich aber ausschließlich mit der Preiskennzahl und der Ergänzung in Bezug auf die kaufmännische Migration befasst. Die Preiskennzahl sei innerhalb des Schwankungsbereichs aber gerade nicht ausschlaggebend bei der Angebotsauswertung. Der Antragstellerin sei aufgrund ihrer Bieterfrage somit bekannt, dass die Ergänzungen zur erweiterten Richtwertmethode bereits vor Abgabe der indikativen Angebote gegenüber den Bietern kommuniziert worden sei, so dass mit der Ergänzung in Ziff. 1.25.3 des Dokuments "Vergabeunterlage" im Rahmen der Aufforderung zur Abgabe der finalen Angebote keine Änderung und insbesondere keine Änderung nach Durchführung von Verhandlungen erfolgt sei.
Der Auftraggeber könne im Rahmen des Verhandlungsverfahrens die endgültigen Zuschlagskriterien einschließlich der Gewichtung noch präzisieren bzw. konkretisieren, da in einem Verhandlungsverfahren erst im Rahmen der Verhandlungen der Beschaffungsbedarf final bestimmt und das wirtschaftlichste Angebot tatsächlich ermittelt werden könne. Die ergänzende Berücksichtigung der kaufmännischen Migration unter Beibehaltung der Wertung anhand der Leistungs- und Preiskennzahl sei somit eine zulässige Konkretisierung der Preiskennzahl, die Zuschlagskriterien Leistung/Preis und deren Gewichtung blieben aber unverändert. Eine Berücksichtigung der zusätzlichen auftraggeberseitig anfallenden switching costs sei somit vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Um diese zu berücksichtigen, musste entsprechend auch das Preisblatt und die Ermittlung der Preiskennzahl angepasst werden. Darin liege aber noch kein Verhandeln mit einem Bieter über Zuschlagskriterien.
Der Antrag auf Akteneinsicht sei wegen der Unbegründetheit des Nachprüfungsantrags abzulehnen. Hilfsweise sei der Antrag auf Akteneinsicht nur in dem Umfang zu gewähren, als dies für die Durchsetzung des subjektiven Rechts der Antragstellerin erforderlich wäre. Mithin würde die Einsichtnahme in den Vermerk zur Berücksichtigung der Migrationskosten im Vergabeverfahren genügen.
Die Antragstellerin sei zur Tragung der Kosten des Nachprüfungsverfahrens und zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners verpflichtet, soweit sie im Verfahren unterliege. Die Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten sei für den Antragsgegner wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens notwendig, da es vorliegend nicht nur um rein auftragsbezogene fachliche Fragen, sondern um schwierige Rechtsfragen gehe.
Die Beigeladene zu 1 und die Beigeladene zu 2 haben sich schriftsätzlich nicht geäußert.
Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung teilte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 27.09.2024 mit, dass er an der mit der Aufforderung zur Abgabe der finalen Angebote in dem Dokument Vergabeunterlage D unter Ziff. 1.25.3.1.3 festgelegten Vorgabe einer Mindestleistungspunktzahl, nicht länger festhält. Auch den Bietern sei die ersatzlose Streichung mit Schreiben vom 26.09.2024 mitgeteilt worden.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 25.09.2024 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet.
Die Antragstellerin ist in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Der Antragsgegner hat nach Wertung der indikativen Angebote in Kenntnis der vorläufigen Rangfolge die Zuschlagskriterien geändert und damit gegen § 17 Abs. 10 Satz 2 VgV sowie den Transparenz- und den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB verstoßen. Bereits mit der Aufforderung zur indikativen Angebotsabgabe bekannt gemachte Zuschlagskriterien dürfen im Verhandlungsverfahren nur in einem sehr geringen Maße im Stadium der Aufforderung zur finalen Angebotsabgabe angepasst werden. Lediglich Konkretisierungen bereits bekannter Zuschlagskriterien und Unterkriterien sind unter Berücksichtigung der Vergabegrundsätze, insbesondere des Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatzes, zulässig. Das Einführen neuer Unterkriterien anlässlich von Verhandlungsvorschlägen eines Bieters verstößt gegen das Verhandlungsverbot in § 17 Abs. 10 Satz 2 VgV. Selbst wenn man aber mit dem Antragsgegner die Auffassung vertreten würde, dass das Preisblatt in der Form geändert werden durfte, steht die vom Antragsgegner gewählte Wertungssystematik nicht im Einklang mit dem Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz, sondern ermöglicht eine bessere Stellung der Bestandsbieterin im wettbewerblichen Verfahren. Der Antragsgegner ist grundsätzlich nicht verpflichtet, Vorteile eines Bieters aufgrund seiner Marktposition anderen Bietern gegenüber auszugleichen. Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz berechtigt den Antragsgegner jedoch nicht zu einer ungerechtfertigten Einschränkung des Wettbewerbs.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Antragsgegner, dem ..., vertreten durch den ..., handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreichen oder überschreiten, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich gemäß Abschnitt 11.1.3) der Auftragsbekanntmachung um einen Lieferauftrag i.S.d. § 103 Abs. 2 GWB für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i.V.m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der seit dem 01.01.2022 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der hier streitbefangenen Auftragsvergabe am ....2023 ein Schwellenwert von 215.000 Euro gilt. Der vom Antragsgegner geschätzte Auftragswert überschreitet den Schwellenwert deutlich (vgl. Vergabeakte, Ordner "..., Seite 1).
Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie beanstandet, dass durch die unzulässige Änderung der Zuschlagskriterien, insbesondere des Preisblattes, nach der ersten Verhandlungsrunde durch den Antragsgegner dahin gehend, dass der Bestandsbieter die Kostenvorteile seiner weniger umfangreichen Migration berücksichtigen könne, eine Ungleichbehandlung der Bieter entgegen § 97 Abs. 2 GWB vorliege. Zudem stelle auch die Annahme einer pauschalen, langen Migrationszeit der Nicht-Bestandsanbieter und einer pauschalen, kurzen Migration beim Bestandsanbieter bei der Berechnung der Migrationskosten sowie der unzulässige Informationsvorsprung des Bestandsanbieters hinsichtlich seines Kostenvorteils gegenüber den anderen Bietern ebenfalls eine unzulässige Ungleichbehandlung der übrigen Bieter entgegen § 97 Abs. 2 GWB dar. Schließlich sei es vergaberechtswidrig, dass die Zuschlagskriterien im Nachgang zur Verhandlungsrunde geändert wurden.
Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Hom/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 23; Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rn. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB § 160, Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 34; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160, Rn. 30 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06). Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt.
Die Antragstellerin hat auch ihrer Pflicht genügt, den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen nach positiver Kenntniserlangung gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Bei der Vorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.
Der Antragstellerin wurden mit Aufforderung zur Abgabe eines finalen Angebots vom 07.08.2024 die angepassten Vergabeunterlagen bekannt gemacht. Nach Sichtung der Unterlagen stellte die Antragstellerin über das Vergabeprotal am 09.08.2024 Bieterfragen und rügte dabei das überarbeitete Preisblatt. Die Vergabestelle beantwortete die Fragen am 19.08.2024, woraufhin die Antragstellerin die Begünstigung des Bestandsbieter sowie weitere Punkte mit Schreiben vom 29.08.2024 rügte. Dabei rügte sie unter anderem auch, dass die Zuschlagskriterien in Ziffer 1.25.3 des Dokuments "Vergabeunterlagen" im laufenden Vergabeverfahren ganz erheblich geändert worden seien. Der Antragsgegner teilte der Antragstellerin mit Nachricht vom 30.08.2024 mit, dass die Rügen geprüft werden, eine Entscheidung und Rückmeldung in der Sache aber nicht bis zur gesetzten Frist am 02.09.2024 erfolgen könne. Daraufhin reichte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 03.09.2024 einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer ein.
Die Antragstellerin machte demnach rechtzeitig gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB gegenüber dem Antragsgegner vor Einreichung des Nachprüfungsantrags bereits mittels der Nachricht vom 09.08.2024 Verstöße gegen Vergabevorschriften geltend. Darüber hinaus rügte sie weitere Verstöße mit Schreiben vom 29.09.2024, dessen Beantwortung erst nach dem Ablauf des 02.09.2024 in Aussicht gestellt wurde. Aufgrund der Beantwortung sowie Zurückweisung etwaiger Vergabeverstöße durch den Antragsgegner am 19.08.2024 reichte sie den Nachprüfungsantrag auch fristgemäß im Sinne von § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB ein.
Der Nachprüfungsantrag ist folglich zulässig.
2. Der zulässige Nachprüfungsantrag ist auch begründet.
Die Antragstellerin ist in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Der Antragsgegner hat gegen § 17 Abs. 10 Satz 2 VgV sowie den Transparenz- und den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB verstoßen, indem er nach Öffnung und Wertung der indikativen Angebote in Kenntnis der vorläufigen Bieterrangfolge für das Zuschlagskriterium "Preis" im Preisblatt für die Bestandbieterin die Abfrage eines kaufmännischen Migrationsvorteils, der von den Gesamtkosten abgezogen werden soll, ermöglichte und damit Einfluss auf die voraussichtliche Zuschlagsentscheidung nehmen kann (vgl. 2a).
Selbst wenn man mit dem Antragsgegner die Auffassung vertritt, die Einführung des Unterkriteriums sei zulässig gewesen, steht die vom Antragsgegner gewählte Wertungssystematik nicht im Einklang mit dem Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz, sondern ermöglicht eine bessere Stellung der Bestandsbieterin im wettbewerblichen Verfahren (vgl. 2b).
Eine bessere Stellung der Beigeladenen zu 1 im wettbewerblichen Verfahren wurde ebenso mit der Einführung eines Mindesterfüllungsgrades der Leistung ermöglicht, die jedoch aufgrund der Abhilfe des Antragsgegners im Nachgang zur mündlichen Verhandlung nicht mehr entscheidungserheblich ist (vgl. 2c).
Schließlich handelt es sich nach Auffassung der Vergabekammer bei der Beigeladenen zu 1 nicht um die Vertragspartnerin des Bestandsvertrages, da es einer erforderlichen Zustimmung des Antragsgegners zum Vertragsübergang fehlt. Im Ergebnis kommt es hierauf jedoch nicht an (vgl. 2d).
a. In einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb enthält die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots mindestens die Zuschlagskriterien sowie deren Gewichtung oder gegebenenfalls die Kriterien in der Rangfolge ihrer Bedeutung, wenn diese Angaben nicht bereits in der Auftragsbekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung enthalten sind, vgl. § 52 Abs. 2 Nr. 5 VgV.
Die Vorschrift ist eine zentrale Ausprägung des Gleichbehandlungs- und Transparenzgebots. Nur durch die Angabe der Zuschlagskriterien und deren Gewichtung ist der Auftraggeber in der Lage, die Angebote willkürfrei zu werten. Die Bieter müssen in die Lage versetzt werden, bei der Vorbereitung ihrer Angebote vom Bestehen und von der Tragweite dieser Kriterien Kenntnis zu nehmen (Ziekow/Völlink/Völlink, 5. Aufl. 2024, VgV § 52 Rn. 11, beck-online).
Gemäß § 17 Abs. 10 Satz 2 VgV darf über den gesamten Angebotsinhalt verhandelt werden mit Ausnahme der vom öffentlichen Auftraggeber in den Vergabeunterlagen festgelegten Mindestanforderungen und Zuschlagskriterien.
Nach Erwägungsgrund 45 der Richtlinie 2014/24/EU sollten für das Verhandlungsverfahren angemessene Schutzvorschriften gelten, die die Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz gewährleisten. Die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung sollten während des gesamten Verfahrens stabil bleiben und sollten nicht verhandelbar sein, um die Gleichbehandlung aller Wirtschaftsteilnehmer zu gewährleisten.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass der Auftraggeber, sei es zur Korrektur von Vergaberechtsverstößen oder aus Gründen der Zweckmäßigkeit, die Vergabeunterlagen im laufenden Vergabeverfahren ändern darf, sofern dies nur in einem transparenten Verfahren und diskriminierungsfrei geschieht; diese Änderungsbefugnis bezieht sich auf alle Bestandteile der Vergabeunterlagen (die Leistungsbeschreibung, Zuschlagskriterien, Unterkriterien, Gewichtungen etc.) (Leinemann/Otting/Kirch/Homann/Otting/Zinger, 1. Aufl. 2024, VgV § 17 Rn. 47, beck-online). Zumindest die Korrektur von Zuschlagskriterien, bei denen der öffentliche Auftraggeber nachträglich erkennt, dass sie rechtswidrig oder unpraktikabel sind (weil sie z.B. keine Differenzierung ermöglichen oder unverhältnismäßigen Aufwand bei der Dokumentation erfordern würden), müsste - sofern sie transparent erfolgt - möglich sein, ohne das Verfahren vollständig aufzuheben und von neuem zu beginnen (vgl. VK Südbayern, Beschluss vom 03.07.2019, Z3-3-3194-1-09-03/19; Dieckmann/Scharf/Wagner-Cardenal/Dieckmann, 3. Aufl. 2022, VgV § 17 Rn. 21, beck-online).
Einen gewissen - wenngleich engen - Spielraum für eine Konkretisierung der Zuschlagskriterien nach Eingang, aber vor Öffnung der Angebote hatte der EuGH in der Rs. C-331/04 ATI La Linea gelassen. Dies unter drei Voraussetzungen, nämlich dass sich
(1) die in den Vergabeunterlagen oder in der Bekanntmachung des Auftrags bestimmten Zuschlagskriterien für den Auftrag nicht ändern und
(2) nichts enthalten, was, wenn es bei der Vorbereitung der Angebote bekannt gewesen wäre, diese Vorbereitung hätte beeinflussen können und
(3) nicht unter Berücksichtigung von Umständen erlassen werden, die einen der Bieter diskriminieren können.
Diese Spruchpraxis hatte der EuGH später auf eine Konkretisierung der Zuschlagskriterien nach Öffnung der Angebote übertragen. Außerdem hat der EuGH festgestellt, dass eine Bewertungsmethode (Bewertungsskala, Wertungsleitfaden), anhand der eine konkrete Bewertung der Angebote hinsichtlich der zuvor festgelegten Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung vorgenommen und eine Rangfolge für sie erstellt wird, nach allgemeinen Vergabegrundsätzen und zur Vermeidung von Parteilichkeit zwar grundsätzlich nicht nach Öffnung der Angebote durch den Auftraggeber festgelegt werden darf. Dies aber dann nicht zu beanstanden ist, wenn eine solche Festlegung vor Öffnung (z.B. mangels Vorhersehbarkeit der Angebotsinhalte) nicht möglich ist. Auch in diesem Fall gilt dann, dass die nachträgliche Konkretisierung keine Veränderung der veröffentlichten Zuschlagskriterien oder ihrer Gewichtung bewirken darf (vgl. Burgi/Dreher/Opitz/Opitz, 4. Aufl. 2022, GWB § 127 Rn. 120, beck-online).
Die Anpassungen des Preisblattes durch den Antragsgegner nach Öffnung der indikativen Wertung in Kenntnis der vorläufigen Bieterrangfolge sowie nach Durchführung der Verhandlungsgespräche stehen nicht im Einklang mit § 17 Abs. 10 Satz 2 VgV.
Der Antragsgegner hat den Bietern mit der Aufforderung zur Abgabe eines indikativen Angebots mitgeteilt, dass die Ermittlung des wirtschaftlichsten, finalen Angebots nach der erweiterten Richtwertmethode erfolgt. Mittels der Beantwortung einer Bieterfrage (lauf. Nr. 8) wurde den Bietern der Schwankungsbereich ebenfalls bekannt gemacht (vgl. Vergabeakte, Ordner ..., Unterordner "...", Datei ...).
In dem mit der Aufforderung zur indikativen Angebotsabgabe bereitgestelltem Preisblatt hatten die Bieter im Arbeitsblatt "Anschlüsse" für die Pos. "T1 Zentraler SIP-Trunk" unter anderem Preise für die einmalige Einrichtung und monatliche Bereitstellung, ohne Kanäle (Pos. T1.1) sowie für die einmalige Einrichtung und monatliche Bereitstellung, inkl. 20 Kanäle bezüglich des Test-SIP-Trunk (Pos. T1.3) einzutragen. Unter der Pos. "T2 Dezentrale Telefonie- und Intemetanschlüsse" waren unter anderem Preise für die (Vor-)Konfiguration der Router/IAD (T2.4) sowie die Installation und Inbetriebnahme der Router/IAD (T2.3) anzugeben (vgl. Vergabeakte, Unterordner "...", Unterordner "...", Unterordner ....2024, Datei ..., Arbeitsblatt "Anschlüsse").
Mit der Aufforderung zur indikativen Angebotsabgabe eröffnete der Antragsgegner den Bietern zudem gemäß Ziffer 1.4 der Vergabeunterlagen die Möglichkeit, mit dem "Erstangebot Verhandlungsvorschläge (Änderungs-/Ergänzungswünsche, Verbesserungs-/Optimierungsvorschläge, etc.) zu den Vergabeunterlagen, insbesondere der Leistungsbeschreibung, dem Preisblatt, und den Bestimmungen des Vertrages - mit Ausnahme der in der Bewertungsmatrix/dem Lastenheft angegebenen Ausschlusskriterien (Mindestanforderungen) sowie den definierten Zuschlagskriterien - einzureichen" [Hervorhebungen durch die Vergabekammer] (vgl. Vergabeakte, Unterordner "...", Unterordner "...", Datei "...").
Die Beigeladene zu 1 reichte mit ihrem indikativen Angebot unter anderem folgenden Verhandlungsvorschlag ein (vgl. Vergabeakte, Unterordner "...", Unterordner "...", Unterorder "...", Datei "..."):
"Verhandlungsgegenstand: Kaufmännische Migration zulassen Genaue Beschreibung des Verhandlungsvorschlags: Nach Erteilung des Zuschlags wird eine sofortige kaufmännische Migration für alle Anschlussvarianten umgesetzt.
Geschätzte Auswirkung auf die Gesamtleistung: Die neuen Preise werden ab Vertragsbeginn gültig; Einsparmöglichkeiten werden ab Beginn der Vertragslaufzeit umgesetzt und wirksam."
Der Antragsgegner erläuterte in der mündlichen Verhandlung sowie dem danach folgenden Schriftsatz, dass er die Möglichkeit einer Berücksichtigung einer "kaufmännischen Migration" im Rahmen der Vorbereitung der Ausschreibung nicht erkannt habe. Vielmehr sei er erst nach Abgabe der indikativen Angebote durch die Beigeladene zu 1 auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht worden. Der konkrete Vorschlag der Beigeladenen zu 1 sei allerdings nicht akzeptabel gewesen. Vielmehr habe der Antragsgegner nach eigenständiger Prüfung nicht eine sofortige Migration, sondern einen Migrationszeitraum von 4 Wochen für den SIP-Trunk nach Vertragsschluss als realistisch betrachtet (vgl. Protokoll zur mündlichen Verhandlung).
Im Rahmen des mit der finalen Aufforderung zur Verfügung gestellten Preisblattes muss nunmehr jeder Bieter angeben, ob er Bestandsbieterin ist oder nicht. Wird die Frage mit ja beantwortet, werden Angaben im Rahmen eines neu eingeführten Kostenblockes zur "Ermittlung kaufmännische Migration" gefordert. Dabei wird in der Formel ein Migrationszeitraumes von 4 Wochen für den SIP-Trunk zugrunde gelegt. Für die dezentralen Anschlüsse ist eine rein kaufmännische Migration nach einem Monat abgeschlossen, aufgrund der sukzessiven Umstellung wird für die Berechnung ein Kostenvorteil über 20 Monate für in der Formel berücksichtigt. Die übrigen Bieter konnten diesen Kostenblock nicht ausfüllen. Für ihre Preisangaben legte der Antragsgegner in der Formel für die Berechnung einen Migrationszeitraum von 10 Monaten für den SIP-Trunk und einen Vorbereitungs- und Migrationszeitraum von 24 Monaten für die dezentralen Anschlüsse zugrunde.
Der Antragsgegner erteilte im Preisblatt unter anderem den folgenden Hinweis (vgl. Vergabeakte, Unterordner "...", Unterordner "...", Unterordner ..., Datei ..., Arbeitsblatt Hinweise, Zeile 13):
"Sofern es sich beim Bieter um den Bestandsanbieter handelt, muss er dies im Titelblatt angeben und die aktuellen Kosten für den Monat ... 2024 im Register "Preiskennzahl" entsprechend angeben. Es wird dann automatisch ein Vorteil durch eine kaufmännische Migration vom Angebotspreis abgezogen (bei Annahme lineares Abschmelzen über die Vorbereitungs- und Migrationszeit)".
Eine Konkretisierung bereits festgelegter Zuschlagskriterien ist im Verhandlungsverfahren nach einer ersten Angebotsphase grundsätzlich möglich und steht nicht im Widerspruch zum Verhandlungsverbot nach § 17 Abs. 10 Satz 2 VgV.
Abs. 10 regelt die Durchführung der Verhandlungen mit den Bietern in Umsetzung von Art. 29 Abs. 3 UAbs. 1 und 2 RL 2014/24/EU. Erwägungsgrund 45 der Richtlinie 2014/24/EU hebt hervor, dass die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung während des gesamten Verfahrens stabil bleiben und nicht verhandelbar sein sollten, um die Gleichbehandlung aller Wirtschaftsteilnehmer zu gewährleisten.
Nach Auffassung der Vergabekammer ist Intention des Richtliniengebers, dass Zuschlagskriterien nach ihrer Bekanntmachung vom öffentlichen Auftraggeber nicht gänzlich neu zu formulieren, zu definieren oder einzuführen sind. Die Zuschlagskriterien an sich sollen stabil bleiben. Dem Auftraggeber wird es also verwehrt von einer ursprünglich festgelegten Bewertungsmethode abzuweichen, so dass die Gewichtung des Preis-Leistungs-Verhältnisses sich grundlegend verändert. Hat er beispielsweise mit der Aufforderung zur indikativen Angebotsabgabe bekannt gemacht, die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots anhand der erweiterten Richtwertmethode vorzunehmen, kann er auch im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit der Aufforderung zu weiteren Angebotsabgabe nicht auf eine Wertung der Leistung mit 70 % und des Preises mit 30 % umstellen.
Es besteht jedoch kein generelles Änderungsverbot. Konkretisierungen eines bereits festgelegten Zuschlagskriteriums oder Unterkriteriums sind in einem gewissen Maße zulässig. Eine bloße Konkretisierung eines Kriteriums liegt vor, wenn ein bereits festgelegtes Zuschlagskriterium oder Unterkriterium näher bestimmt bzw. ausgestaltet wird. Das Zuschlagskriterium an sich bleibt also unverändert und wird lediglich spezifiziert. Einem Verhandlungsverfahren ist immanent, dass als Ausfluss der Verhandlungsgespräche beispielsweise Anforderungen an die Leistung detaillierter gefasst werden müssen, so dass in der Folge auch eine Anpassung eines Unterkriteriums zur Bewertung der Leistung oder einer Preisposition im Preisblatt erforderlich ist. Die konkretisierten bzw. näher ausgestalteten Kriterien müssen die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz, der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung gewährleisten sowie weiterhin einen wirksamen Wettbewerb sicherstellen können. Auch muss der öffentliche Auftraggeber unter den vorgenannten Voraussetzungen Änderungen von rechtswidrigen oder solchen Zuschlagskriterien, die kein Bieter erfüllen kann, vornehmen können.
Dem Antragsgegner war es durchaus vor Festlegung und Bekanntgabe der Zuschlagskriterien und Unterkriterien ohne Kenntnis der Angebotsinhalte möglich zu erkennen, dass die Beigeladene zu 1 sich an der Ausschreibung beteiligen wird sowie - als nach seiner Auffassung derzeitige Vertragspartnerin - über kalkulatorische Wettbewerbsvorteile verfügt. Dass der Antragsgegner bei der Erstellung des Preisblattes vor Aufforderung zur indikativen Angebotsabgabe von der Einführung von Preispositionen nur für die Beigeladene zu 1 abgesehen hat, weil er an eine solche Preisabfrage nicht gedacht habe, rechtfertigt eine nachträgliche Aufnahme auf Impuls der Beigeladenen zu 1 hin nicht.
Die Beigeladene zu 1 hat die Berücksichtigung einer kaufmännischen Migration mit ihrem indikativen Angebot in das Verfahren eingeführt. In der Folge wurden die Vorteile einer möglichen Berücksichtigung im Rahmen des Verhandlungsgespräches zwischen der Beigeladenen zu 1 und dem Antragsgegner besprochen. Der Antragsgegner bat die Beigeladene zu 1 ausweislich des Verhandlungsprotokoll die wirtschaftlichen Vorteile einer sofortigen kaufmännischen Migration zu erläutern (vgl. Vergabeakte, Unterordner "...", Unterordner "Verhandlung", Unterordner "...", Unterordner "...", Slide 34).
Auch wenn der Antragsgegner den Verhandlungsvorschlag der Beigeladenen zu 1 (sofortige kaufmännische Migration nach Vertragsschluss) nicht eins zu eins umgesetzt hat, sondern sich stattdessen für eine kaufmännische Migration von vier Wochen für den SIP-Trunk und einem kalkulatorischem Vorteil nach 4 Monaten für die dezentralen Anschlüsse nach Vertragsschluss entschieden hat, nahm er auf Impuls der Beigeladenen zu 1 als Ausfluss des Verhandlungsgespräches die Ermittlung der kaufmännischen Migration in das Preisblatt auf. Die Bestandbieterin kann dabei die monatlichen Kosten SIP-Trunk (... 2024) sowie die monatlichen Kosten der dezentralen Anschlüsse inkl. Verbindungskosten (... 2024) des Bestandsvertrages angeben, die jeweils als Basis für eine Vorteilsberechnung dienen und deren Ergebnisse vom Angebotspreis abgezogen werden.
Bei der Aufnahme des Kostenblockes "Ermittlung kaufmännische Migration" in das Preisblatt handelt es sich auch nicht um eine notwendige Korrektur des Preisblattes, da zuvor geforderte Angaben rechtswidrig waren oder von den Bietern nicht abgegeben werden konnten.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßstäbe einer zulässigen Konkretisierung von Zuschlagskriterien bzw. Unterkriterien im Verhandlungsverfahren nach ihrer Bekanntgabe handelt es sich bei der vorgenommenen Änderung des Preisblattes nicht um eine bloße Konkretisierung eines bereits bestehenden Kriteriums, sondern vielmehr um eine Einführung eines neuen Unterkriteriums des Zuschlagskriteriums "Preis" als Ausfluss des Verhandlungsgespräches mit der Beigeladenen zu 1. Der Antragsgegner hat vielmehr - zugunsten der Beigeladenen zu 1 - für das verbindliche Angebot zwei deutlich unterschiedliche Leistungsumfänge abgefragt.
Der Antragsgegner hat entgegen § 17 Abs. 10 Satz 2 VgV in unzulässiger Weise nach Öffnung der indikativen Angebote über die Zuschlagskriterien verhandelt.
b. Selbst wenn man mit dem Antragsgegner die Auffassung vertreten würde, dass kein Verstoß gegen § 17 Abs. 10 Satz 2 VgV vorliege und somit das Unterkriterium "Ermittlung kaufmännische Migration" nachträglich eingeführt werden durfte, ist die vom Antragsgegner gewählte Wertungssystematik nicht geeignet, mögliche kalkulatorische Vorteile im Einklang mit den Vergabegrundsätzen, insbesondere des Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatzes, zu berücksichtigen. Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes.
Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 2 GWB dürfen - außer dies ist jeweils objektiv gerechtfertigt - vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden (stRspr EuGH BeckRS 2013, 81942). Gleichbehandlung ist auch eine Entstehensvoraussetzung von Wettbewerb. Denn nur wenn alle Unternehmen, die ein Interesse an einem Auftrag haben, nach objektiven, nachvollziehbaren, am Auftrag orientierten Kriterien tatsächlich gleichbehandelt werden und kein Konkurrent einen auf Sonderbeziehungen zum Auftraggeber beruhenden Vorteil erhält, kann Wettbewerb um die beste und die wirtschaftlichste Leistung entstehen (BeckOK VergabeR/Marx, 33. Ed. 1.2.2023, GWB § 97 Abs. 2 Rn. 1, beck-online).
Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist gleichzeitig auch dem Wettbewerbsgrundsatz zur Seite gestellt und dient dessen Umsetzung. Das Ziel eines Systems unverfälschten Wettbewerbs kann nämlich nur dann verwirklicht werden, wenn keiner der Teilnehmer aus nicht offen gelegten Gründen benachteiligt wird. Der Gleichbehandlungsgrundsatz grenzt den Wettbewerbsgrundsatz jedoch zugleich auch teilweise ein. Deutlich wird dies in dem Nachverhandlungsverbot für die öffentlichen Auftraggeber mit einzelnen Bietern (MüKoEuWettbR/Knauff, 4. Aufl. 2022, GWB § 97 Rn. 58, beckonline).
Allerdings ist der Auftraggeber etwa nicht gehalten, Vorteile eines Bieters aufgrund seiner Marktposition anderen Bietern gegenüber auszugleichen (VK Bund, Beschluss vom 10.03.2017, VK 2-19/17; Beschluss vom 21.12.2011, VK 1-23/11). Preisliche Vorteile eines Bieters, weil bestimmte Kosten bei ihm nicht anfallen, dürfen gewertet werden (OLG Schleswig, Beschluss vom 12.09.2019, 54 Verg 3/19; VK Bund, Beschluss vom 21.12.2011, VK 1-23/11).
Der Auftraggeber kann, wenn es dafür vernünftige - wirtschaftliche - Gründe gibt, den Leistungsinhalt so bestimmen, dass einzelne Bieter Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen haben, solange dies nicht durch die Absicht der Bevorzugung eines bestimmten Unternehmens motiviert ist (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 13.06.2019 - 54 Verg 2/19; VK Münster, ZfBR 2003, 205 [Ls.]).
Die Berücksichtigung von durch einen Auftragnehmerwechsel entstehenden Kosten kann zu einer vergaberechtswidrigen Ungleichbehandlung führen, wenn die Auftragnehmerstellung des Bestandsanbieters etwa durch extrem hohe Kosten zwangsläufig zementiert wird, was jedoch nicht der Fall ist, wenn die Wechselkosten aufgrund der gewählten Wertungssystematik nicht übermäßig ins Gewicht fallen (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 12.09.2019, 54 Verg 3/19; VK Bund, Beschluss vom 21.12.2011, VK 1-23/11).
Nach Auffassung der Vergabekammer ermöglichte bereits das vom Antragsgegner mit der Aufforderung zur Abgabe eines indikativen Angebots bereit gestellte Preisblatt der Bestandsbieterin ihre Wettbewerbsvorteile einzupreisen, über die sie durch eine bereits erfolgte Migration oder aber kürzere Migrationszeiten und Aufwände verfügt. Denn sowohl für den SIP-Trunk als auch für die dezentralen Anschlüsse wurden einmalige und teilweise monatliche Kosten für die Einrichtung, Konfiguration, Bereitstellung und Inbetriebnahme abgefragt (vgl. Vergabeakte, Unterordner "...", Unterordner "...", Unterordner "..., Datei "...", Arbeitsblatt Anschlüsse).
Die vom Antragsgegner nunmehr eingeführte Abfrage der Ermittlung eines kaufmännischen Vorteils im Rahmen eines extra Kostenblocks, dessen Summe von den Gesamtkosten abgezogen wird, war dafür nicht erforderlich. Vielmehr soll der Bestandsbieterin damit ermöglicht werden, unabhängig von der Leistungserbringung im Rahmen des neu zuschließenden Vertrages, ebenfalls im Rahmen des Bestandsvertrages die neuen Konditionen abrechnen zu können bzw. die Verträge zu verschmelzen. Der Antragsgegner führt dazu mit der Antragserwiderung aus (Seite 8, vorletzter Absatz sowie Seite 9, letzter Absatz):
"Vorliegend ist anzunehmen, dass die Kostenersparnis nur etwa 5 Prozent des Gesamtauftragswertes ausmacht. Hinzu kommt, dass beispielsweise interne Aufwände des Auftraggebers für die Migration sowie zeitweise Doppelzahlungen während der Migration keine Berücksichtigung finden.
(...)
Denn mit der Vorgabe der kaufmännischen Migration, falls der Zuschlag an den Bestandsbieter erteilt werden würde, innerhalb von vier Wochen entsteht dem Bestandsauftragnehmer in Bezug auf sein aktuell bestehendes Vertragsverhältnis ein entsprechender wirtschaftlicher Nachteil. Im Falle eines Auftragnehmerwechsels hätte er nämlich weiterhin einen Anspruch auf das derzeit vereinbarte, höhere Nutzungsentgelt aus dem bestehenden Vertragsverhältnis."
Der Vermerk "Nachträgliche Berücksichtigung von wirtschaftlichen Vorteilen des Auftraggebers während Migrationszeiten" erläutert auf Seite 6 f. zur Kostenersparnis des SIP-Trunks und der dezentralen Anschlüsse unter Verweis auf entsprechende Abbildungen aus (vgl. Vergabeakte, Unterordner "...", Unterordner "..."):
"Die grüne Linie zeigt die Kostenentwicklung, wenn innerhalb von 4 Wochen nach Vertragsbeginn die neuen Preise durch den Dienstleister abgerechnet werden würden - unabhängig vom technischen Migrationsfortschritt.
(...)
Analog zum SIP-Trunk wurden auch die dezentralen Anschlüsse betrachtet. Nach 4 Wochen würden die neuen Konditionen abgerechnet werden können.
(...)
Um hier das Kostenersparnis zu ermitteln, wurden zusätzliche Annahmen getroffen. Insbesondere, dass das Migrationstempo bzgl. der Kosten über die angenommene Migrationszeit konstant bleibt. Aus Sicht des AG ist das realistisch, da die Migration von großen Standorten mit TK-Anlagen zeitintensiv ist und nicht vorgezogen werden kann. In Anbetracht der internen Ressourcen des AG würden die besonders zeitintensiven Standorte auch aufgeteilt über die gesamte Migrationszeit migriert."
Mit der Antwort auf die Bieterfrage unter der lfd. Nr. 6 führt der Antragsgegner aus:
"Es wird angenommen, dass bei einem Auftragnehmerwechsel die vollständige Migration der dezentralen Anschlüsse innerhalb von 24 Monaten umgesetzt ist, eine rein kaufmännische Migration ist nach einem Monat abgeschlossen. Da die Migration der dezentralen Anschlüsse sukzessive erfolgt und die ersten Anschlüsse bereits nach ca. 4 Monaten umgestellt sein dürften, wird die volle Kostendifferenz nur für einen Zeitraum von 3 Monaten berücksichtigt und in den weiteren 20 Monaten nur noch anteilig, da sich sukzessive auch bei einem Auftragnehmerwechsel der wirtschaftliche Vorteil aus dem Tarifwechsel realisiert."
Für beide Positionen wird damit angenommen, dass die rein kaufmännische Migration nach 4 Wochen abgeschlossen sei und - unabhängig von der konkreten Leistungserbringung und dem Fortschritt der technischen Migration - auch für Leistungen des Bestandsvertrags neue Vertragspreise gelten würden. Dies ist insbesondere für die dezentralen Anschlüsse nicht nachvollziehbar, da diese nach eigener vorgenannter Aussage des Antraggegners erst nach und nach in Abstimmung zwischen dem Auftragnehmer und der jeweiligen Dienststelle migriert werden können.
Für die übrigen Bieter beginnt die Zahlungspflicht des Auftraggebers hingegen bei den dezentralen Anschlüssen erst mit der Portierung der Rufnummer (vgl. Vergabeakte, Unterordner "...", Unterordner "...", Unterordner "...", Datei ..., ...). Folglich liegen insoweit keine vergleichbaren Angebote mehr vor. Der Antragsgegner fragt vielmehr zwei unterschiedliche Leistungsumfänge ab.
Zudem legt der Antragsgegner wie bereits dargestellt für die übrigen Bieter bestimmte Migrationszeiträume fest, die bei der Berechnung ihrer Angebotspreise verbindlich zum Tragen kommen. Insoweit wird für die Berechnung also auf den technischen Fortschritt abgestellt. Sollte einem Bieter eine schnellere Migration möglich sein oder würde er sie anbieten wollen, ist dies aufgrund der festgelegten Migrationszeit sowie der entsprechenden Ausgestaltung der Formeln im Preisblatt durch den Antragsgegner nicht möglich.
Die dem Vortrag des Antragsgegners zugrunde liegenden Berechnungen, dass die Kostenersparnis nur etwa 5 Prozent des Gesamtauftragswertes des streitgegenständlichen Verfahrens ausmache, (vgl. auch Anlage AG aus mdl. Verhandlung) sind nach Auffassung der Vergabekammer grundsätzlich nachvollziehbar.
Die Antragstellerin trägt vor, die Gestaltung des Preisblatts verstoße auch gegen den Transparenzgrundsatz, da die Nicht-Bestandsanbieter nicht darüber aufgeklärt worden seien, wie sich der Kostenvorteil aufgrund der kaufmännischen Migrationskosten berechne und welche möglichen Nachteile dadurch bei der Berechnung der Gesamtkosten entstehen können. Dies trifft nach Auffassung der Vergabekammer zu. Für die Vergabekammer bleibt unklar und nicht ermittelbar, wie hoch die tatsächlichen Einsparungen sein würden. Die Berechnungen beruhen auf den indikativen Angebotspreisen der Beigeladenen zu 1 und der übrigen Bieter. Welche tatsächlichen Preise die Beigeladene zu 1 im Rahmen der neuen Wertungssystematik mit ihrem finalen Angebot abgeben würde, ist nicht bekannt. Unterstellt, sie reduziere ihr indikatives Angebot um ca. 20 %, ergebe sich durch die Berücksichtigung der kaufmännischen Migration ein Vorteil von 10 %. Letztlich kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Wechselkosten aufgrund der gewählten Wertungssystematik noch höher ausfallen und dadurch die Auftragnehmerstellung des Bestandsanbieters zementiert werden würde. Eine verlässliche Prognose ist nicht möglich.
Gelten bei Berücksichtigung der vom Antragsgegner geplanten kaufmännischen Migration durch die streitgegenständliche Ausschreibung im Falle der Bezuschlagung der Bestandbieterin 4 Wochen nach Vertragsschluss - mangels Erfordernisses der technischen Migration - auch für den Altvertrag die Konditionen des streitgegenständlichen Vertrages, handelt es sich dabei zudem um eine Anpassung des Bestandsvertrages, die den Voraussetzungen von § 132 GWB unterliegt und gegebenenfalls in Anbetracht der Höhe der möglichen Kostenvorteile ausschreibungspflichtig wäre. Dies gilt ebenfalls, sofern bei Bezuschlagung der Bestandbieterin Leistungen des Altvertrages ohne weiteres in den neuen Vertrag integriert und nach dessen Konditionen abgerechnet werden sollen.
Das neben der Berücksichtigung der Wettbewerbsvorteile der Bestandsbieterin ebenso eine Berücksichtigung der Kostenvorteile (keine internen Aufwände des Auftraggebers für die Migration sowie zeitweise Doppelzahlungen während der Migration), die dem Antragsgegner durch einen Auftragnehmerwechsel entstünden, sog. switching-costs, abgebildet werden sollen und dadurch der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz den Antragsgegner zu einer Berücksichtigung unabhängig von einer Ungleichbehandlung der Bieter verpflichte, ist nicht zutreffend.
Zunächst konnte der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz mit der gewählten Wertungssystematik im Preisblatt der indikativen Angebotsphase entgegen der Auffassung des Antragsgegners sehr wohl ausreichend berücksichtigt werden. Es oblag der Kalkulationsfreiheit der Bestandsbieterin etwaige Kostenvorteile einzupreisen und damit ihren Wettbewerbsvorteil auszuspielen. Entscheidet die Bestandbieterin sich dafür, dass sie Wettbewerbsvorteile nur in einem bestimmten Wertungssystem berücksichtigen möchte, kann dies nicht zu Lasten der übrigen Bieter gehen.
Des Weiteren ist das vom Antragsgegner hier dargelegte Verständnis des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes im rein haushaltsrechtlichen Sinne (sparsame Haushaltsführung), der zur Berücksichtigung wirtschaftlicher Vorteile verpflichte, nicht zutreffend. Das (europäische) Vergaberecht wird stark durch den Wettbewerbsgrundsatz geprägt. Der Wettbewerbsgrundsatz schränkt den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ein, wenn seine Beachtung zu einer Ungleichbehandlung führen würde. Denn würde dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz immer Vorrang geleistet werden müssen, würde der Wettbewerb und somit auch ein Auftragnehmerwechsel nur eingeschränkt oder nicht mehr stattfinden.
Die Berücksichtigung der Vorteile der kaufmännischen Migration bevorzugt die Bestandsbieterin folglich in unzulässigerweise und diskriminiert die übrigen Bieter. Der Antragsgegner nahm nach Eingang der indikativen Angebote sowohl in qualitativer als auch in preislicher Hinsicht eine vorläufige Wertung vor (vgl. Vergabeakte ergänzt, Datei ..., Arbeitsblatt UfAB). Das Ergebnis der vorläufigen Wertung veranlasste den Antragsgegner dazu, Kriterien einzuführen, die die Beigeladene zu 1 zu einer besseren Rangfolge verhelfen können. Aus dem Gesamtbild der Änderungen der Zuschlagskriterien, die mit der Aufforderung zur finalen Angebotsabgabe versendet wurden, wird ebenfalls deutlich, dass die Änderungen durch die Absicht der Bevorzugung der Beigeladenen zu 1 motiviert waren.
Die Berücksichtigung der Ermittlung der kaufmännischen Migration hatte zumindest im Ergebnis zur Folge, dass der Beigeladenen zu 1 eine bessere Stellung im wettbewerblichen Verfahren ermöglicht wurde.
c. Der Antragsgegner hat neben der Änderung im Preisblatt nach Öffnung und Wertung der indikativen Angebote in Kenntnis der vorläufigen Bieterrangfolge für das Zuschlagskriterium "Leistung" einen Mindesterfüllungsgrad von zunächst 70 % eingeführt, der nur durch das indikative Angebot der Beigeladenen zu 1 erfüllt werden konnte (vgl. Vergabeakte ergänzt, Datei ..., Arbeitsblatt UfAB, Spalte H). Der Antragsgegner erläuterte in der mündlichen Verhandlung, dass sofern bei der vorläufigen Bewertung der Angebote nach Aktenlage eine Bieterantwort im Rahmen des Leistungskriterienkatalogs unklar gewesen sei oder aber nicht richtig eingeordnet werden konnte, diese zunächst mit 0 Punkten oder zumindest weniger als 10 Punkte bewertet werden würde. In den Verhandlungsgesprächen habe der Antragsgegner diese mit den Bietern besprochen. Eine Anpassung dieser vorläufigen Wertung erfolgte im Nachgang nicht, da dieses als unnötiger weiterer Arbeitsschritt gesehen werde, da letztlich der Angebotsinhalt der finalen Angebote und deren Bewertung entscheidend sei.
Mit der Aufforderung zur finalen Angebotsabgabe in Ziffer 1.25.3.1.3 der Vergabeunterlage wurde ein Mindesterfüllungsgrad von 75 % bekannt gemacht, vgl. Vergabeakte, Unterordner ..., Unterordner ..., Unterordner ..., Datei: .... Die in der mündlichen Verhandlung gestellte Frage der Vergabekammer, aus welchen Gründen der Mindesterfüllungsgrad nach den Verhandlungsgesprächen von 70 % auf 75 % hochgesetzt wurde, obwohl in den Verhandlungsgesprächen Unklarheiten bezüglich der Bieterangaben zur qualitativen Wertung ausgeräumt werden konnten, konnte der Antragsgegner nicht beantworten.
Nach Auffassung der Vergabekammer setzte der Antragsgegner den Mindesterfüllungsgrad nach den Verhandlungsgesprächen unter Berücksichtigung des in den Verhandlungsgesprächen gewonnenen Wissens, welche gegebenenfalls bislang nicht ganz klar oder ausreichend beantworteten Leistungskriterien durch die Bieter mit den finalen Angeboten ggf. noch verbessert werden können, weiter nach oben. Bis auf die Beigeladene zu 1 ist es dadurch für die übrigen Bieter kaum noch möglich, den Erfüllungsgrad zu erreichen und im Wettbewerb zu bleiben.
Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung passte der Antragsgegner die Vergabeunterlagen an und strich den Mindesterfüllungsgrad, weshalb die dadurch ermöglichte bessere Stellung der Beigeladenen zu 1 im wettbewerblichen Verfahren nicht entscheidungserheblich ist.
d. Schließlich handelt es sich nach Auffassung der Vergabekammer bei der Beigeladenen zu 1 nicht um die Vertragspartnerin des Bestandsvertrages, da es einer erforderlichen Zustimmung des Antragsgegners zum Vertragsübergang fehlt. Im Ergebnis kommt es hierauf jedoch nicht an.
Die Begründung von Gesamtgläubigerschaft zwischen Zedent und Zessionar bedarf der Mitwirkung des Schuldners (BGHZ 64, 69) (Jauernig/Stürner, 19. Aufl. 2023, BGB § 398 Rn. 2, beck-online). Das BGB regelt nur Forderungserwerb (§§ 398 ff.) und Schuldübernahme (§§ 414 ff.), nicht aber den rechtsgeschäftlichen Eintritt in einen Vertrag als Gläubiger und Schuldner; vgl. zum ges. Vertragseintritt §§ 566 (aufschlussreich zum Umfang BGH NJW 2020, 683 ff.), 581 II, 613 a usw. Gleichwohl ist die rechtsgeschäftliche Übertragung einer ganzen Vertragsposition zulässig (BGH NJW 1986, 2110 für Kreditvertrag; 2010, 3708 für Mietvertrag; zur Übernahme der Position des Leasingnehmers v. Westphalen NJW 1997, 2905). Sie erfolgt entweder durch dreiseitige Vereinbarung zwischen den alten Vertragsparteien und dem Übernehmer (BGHZ 65, 52; BGH NJW-RR 2005, 958; NJW 2010, 1095) oder durch Vertrag zwischen zwei beteiligten Parteien mit Zustimmung der dritten Partei (BGH NJW 2021, 394 Rn. 11; 2012, 2354 [2355]; 2013, 1083 [1084]) (vgl. Jauernig/Stürner, 19. Aufl. 2023, BGB § 398 Rn. 32, beck-online).
Der noch laufende Bestandsvertrag wurde zunächst mit der ... geschlossen. Mit Vertragsänderung von 2010 wird unter anderem mitgeteilt, dass die ..., mittlerweile als ... firmiere. Die Vertragsänderung wurde vom Antragsgegner und der ... unterzeichnet. Vertragspartnerin war seitdem in allen weiteren abgeschlossenen Nachträgen die .... Mit Schreiben vom 05.06.2020 informiert die ... den Antragsgegner über die Gründung der ... und über die Absicht mit Wirkung zum ....2020, alle bestehenden Verträge zwischen dem Antragsgegner und der ... umwandlungsrechtlich auf die ... zu übertragen. Die ... trete mit erfolgter Vertragsübertragung in alle sich aus dem jeweiligen Vertrag ergebenden Pflichten und Rechte in vollem Umfang ein, vgl. Anlage AG 4.
Eine Reaktion oder eine Zustimmung des Antragsgegners erfolgte nicht.
Die ... übernimmt gemäß Abspaltungs- und Übernahmevertrag einen eigenständigen, von den übrigen Geschäftsbereichen der ... organisatorisch getrennten standortübergreifenden Geschäftsbereich. Es handelt sich um eine partielle Gesamtrechtsnachfolge vgl. Anlage AG 5 - Abspaltungs- und Übernahmevertrag, Seite 8 f.
Der Ursprungsvertrag enthält folgende Regelung (vgl. Vergabeakte ergänzt, Datei ...):
"Rechtsnachfolge
Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag werden durch Formumwandlungen bzw. Neustrukturierungen der Betriebsorganisation der Vertragsparteien, auch wenn diese zur Ausgliederung von Betriebsteilen oder zur Schaffung neuer Rechtspersönlichkeiten führen, nicht berührt."
Die vorgenannte Regelung stellt lediglich klar, dass bei einer Rechtsnachfolge die Rechte und Pflichten des Vertrages nicht berührt werden. Ob eine Zustimmung bei Schaffung einer neuen Rechtspersönlichkeit oder Ausgliederung von Betriebsteilen des jeweiligen Vertragspartners entbehrlich ist, wird nach Auffassung der Vergabekammer nicht geregelt.
Der Antragsgegner kann nach Auffassung der Vergabekammer nicht in ausreichender Form belegen, dass Vertragspartnerin des Bestandsvertrages nunmehr die ... ist.
Eine Berücksichtigung etwaiger Vorteile der Beigeladenen zu 1 scheidet daher auch aufgrund fehlender Identität zum Bestandauftragnehmer aus.
Der Antragsgegner hat folglich gegen § 17 Abs. 10 Satz 2 VgV sowie den Transparenz- und den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB verstoßen, indem er nach Öffnung und Wertung der indikativen Angebote in Kenntnis der vorläufigen Bieterrangfolge für das Zuschlagskriterium "Preis" im Preisblatt ein neues Unterkriterium "Ermittlung kaufmännische Migration" einführte und sich damit in die Lage versetzte, Einfluss auf die voraussichtliche Zuschlagsentscheidung nehmen zu können.
Der Nachprüfungsantrag ist begründet.
3. Gemäß § 168 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken.
Hier liegt ein Grund vor, mit Maßnahmen auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens einzuwirken. Der Antragsgegner wird bei fortbestehender Beschaffungsabsicht verpflichtet, das Vergabeverfahren in den Stand vor finaler Aufforderung zur Angebotsabgabe (BAFO) zurückzuversetzen. Die Vergaberechtsfehler des Verstoßes gegen das Verhandlungsverbot und der damit einhergehenden unzulässigen Berücksichtigung der kaufmännischen Migration sind durch eine Änderung der Vergabeunterlagen zu korrigieren. Den Bietern ist nach erfolgter Anpassung der Vergabeunterlagen Gelegenheit zu geben, neue Angebote abzugeben.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 Euro, die Höchstgebühr 50.000 Euro und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 Euro.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 Euro (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 Euro zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 Euro (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. Euro (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert. Bei außergewöhnlicher wirtschaftlicher Bedeutung kann die Gebühr auf bis zu 100.000 Euro erhöht werden.
Der zugrunde zu legende Gegenstandswert beträgt ausweislich der Kostenschätzung gemäß Vergabeakte für die ausgeschriebene Leistung ... Euro netto für die gesamte Vertragslaufzeit (vgl. Vergabeakte, Unterordner ..., Datei ...).
Bei einer Gesamtsumme von ... Euro brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von ... Euro. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.
Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin in der Hauptsache Erfolg hatte.
Der Antragsgegner ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der auf ihn entfallenden Kosten gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2005, WVerg 0014/04). Zwar ist das BVerwKostG mit Wirkung vom 15.08.2013 aufgehoben worden, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB auf das BVerwKostG in der Fassung vom 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung § 8 BGebG.
Kosten der Antragstellerin:
Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat der Antragsgegner die der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Gemäß § 182 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf den Antrag der Antragstellerin gemäß Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren für die Antragstellerin notwendig war. Ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, bedurfte die Antragstellerin gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung.
Angesichts der Tatsache, dass der Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren in der Hauptsache unterlegen ist und der Antrag der Antragstellerin Erfolg hatte, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
IV.
(...)
Bedarfspositionen sind nur ausnahmsweise zugelassen!
Bedarfspositionen sind nur ausnahmsweise zugelassen!
Siehe auch: Zugehörige Dokumente
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VK Westfalen
Beschluss
vom 10.02.2025
VK 2-2/25
1. Aus Verstößen gegen die Vorschriften des § 134 GWB erwächst keine Verletzung von Bieterrechten, sofern die Antragstellerin - wie hier - rechtzeitig einen Nachprüfungsantrag eingereicht hat und damit ihrem Interesse an Primärrechtsschutz entsprochen wird.*)
2. Die Obliegenheit eine Rüge zu erheben wird nur dann ausgelöst, wenn die Antragstellerin eine feststellbare und im Streitfall vom öffentlichen Auftraggeber nachzuweisende positive Kenntnis von den einen Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umständen hat.*)
3. Zusätzlich muss bei der Antragstellerin die zumindest laienhafte rechtliche Wertung vorgenommen worden sein, dass der Antragsgegner mit seinem Vorgehen gegen Vergaberecht verstößt.*)
4. Die Vergabe solcher Bedarfspositionen bzw. Eventualpositionen ist nicht generell ausgeschlossen, unterliegt jedoch umfassenden Anforderungen, da diese dem Gebot der Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung aus § 121 Abs. 1 GWB entgegenstehen sowie die Transparenz des Vergabeverfahrens und der Vergabeentscheidung aus § 97 Abs. 1 GWB beeinträchtigen können.*)
5. Bedarfspositionen sind vergaberechtlich lediglich ausnahmsweise zugelassen und dann auch nur, wenn spezifische Anforderungen bei den Ausschreibungsbedingungen und bei der Angebotswertung beachtet werden.*)
6. Der öffentliche Auftraggeber muss unter Ausschöpfung ihm zumutbarer Erkenntnismöglichkeiten zuvor den Versuch einer eindeutigen Klärung der Leistungsbeschreibung unternehmen. Bedarfspositionen sind kein Hilfsmittel, die Unvollständigkeit einer Planung zu kompensieren.*)
VK Westfalen, Beschluss vom 10.02.2025 - VK 2-2/25
Tenor:
1. Das Verfahren wird in den Stand vor Abgabe der finalen Angebote zurückversetzt. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht sind die Vergabeunterlagen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer anzupassen und den Bieter die erneute Angebotseinreichung zu ermöglichen.
2. Die Verfahrensgebühr wird auf ### Euro festgesetzt.
3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin war notwendig.
4. Der Antragsgegner trägt die Verfahrensgebühr sowie die zur Zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner schrieb mit europaweiter Bekanntmachung die Beschaffung von Generalplanungsleistungen im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb aus. Nach dem Teilnahmewettbewerb, forderte der Antragsgegner die Antragstellerin und die Beigeladene sowie noch drei weitere Unternehmen zur Angebotsabgabe auf. Als Zuschlagskriterien bestimmte er die Qualität zu 70 % und den Preis zu 30 %.
Zur Bewertung des Preises wurden dem Angebot mit dem niedrigsten Preis 10 Wertungspunkte bzw. 300 Gesamtpunkte zuerkannt, die anderen Angebote wurden ins Verhältnis zum günstigsten Angebot gesetzt und erhielten entsprechend der prozentualen Abweichung Punkte.
Die Qualität war in sechs Kriterien unterteilt. Bei fünf davon waren noch jeweils fünf Unterkriterien vorgesehen. Mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe stellte der Antragsgegner den Bietern einen Bewertungsmaßstab zur Verfügung aus dem sich die Wertungspunkte aller Unterkriterien und deren Gewichtung zueinander ergab. Danach sollten auf jedes Unterkriterium entweder 0, 1 oder 2 Punkte vergeben werden je nach Qualität der Darstellung des Aspekts. Zudem enthielten die Dokumente an die Bieter noch folgende Wertungsmatrix, die sämtliche Zuschlagskriterien einschließlich aller für die Qualitätswertung gebildeten Kriterien und deren Unterkriterien sowie die Wertungssystematik wiedergibt:
(hier nicht abgebildet)
Ebenfalls Teil der Unterlagen war die Tabelle zur Bewertung der Berufserfahrung samt Berechnungsbeispielen für die zur Ausführung des Auftrages zu benennenden Personen.
(hier nicht abgebildet)
In der folgenden Tabelle sollten die vergebenen Punkte der Wertenden für die einzelnen Unterkriterien zusammengefasst werden.
(hier nicht abgebildet)
Eine darüber hinaus gehende ausdrückliche Festlegung, dass die Wertung durch 6 Bewerter erfolgen werde, hatte der Antragsgegner in den Dokumenten, die den Bietern zur Verfügung gestellten wurden, nicht getroffen.
Zusätzlich enthielten die Vergabeunterlagen auch die Muster für die von den wertenden Personen auszufüllenden Bewertungsbögen, die die fünf der sechs Zuschlagskriterien, das Bewertungsthema, die hierzu gebildeten Unterkriterien, die maximal erreichbare Punktezahl, die Gewichtung, den jeweils vergebenen Punktwert von 0-2 sowie einer Spalte mit der Überschrift Begründung der Bewertung enthielt.
In dem mit den Vergabeunterlagen zur Ausschreibung den Bietern zur Verfügung gestellten und im Fall der Beauftragung abzuschließenden Mustervertrag waren folgende Regelung enthalten:
"[...]
4.1 Beauftragung Umfang / stufenweiser Abruf
4.1.1 Der AN verpflichtet sich gegenüber dem AG zur Erbringung sämtlicher Leistungen folgender Leistungsbilder und Leistungsphasen der in Anlage 3 genannten Leistungsbilder:
[...]
O 1: Objektplanung "Gebäude" Leistungsphasen 1-2, 6-7 [...]
F 1: Tragwerksplanung für Objektplanungen Leistungsphasen 1-2, 6-7
4.1.2 Von den unter 4.1.1 genannten Leistungen ruft der AG beim AN bereits mit Abschluss dieses Vertrages die Grundleistungen / Besonderen Leistungen sowie die nach Leistungsphasen strukturierten Beratungsleistungen für folgende Leistungsphasen ab:
Leistungsphasen: 1 und 2
4.1.3 Die in den Leistungsbildern der Ziffer 4.1.1 beschriebenen Leistungen, die nicht mit Abschluss dieses Vertrages nach Ziffer 4.1.2 abgerufen wurden, kann der AG nach Maßgabe der Ziffern4.2 und 4.3 dieses Vertrages zu einem späteren Zeitpunkt abrufen. [...]
4.2 Späterer Abruf von Leistungen
Mit diesem Vertrag nicht abgerufene Grundleistungen oder Besondere Leistungen der jeweiligen Leistungsphasen gemäß Anlage 3 kann der AG gesondert schriftlich je einzeln abrufen. Der AN hat den AG rechtzeitig schriftlich darauf hinzuweisen, zu welchem spätesten Zeitpunkt ein solcher Abruf weiterer Leistungsphasen erforderlich ist, damit eine unterbrechungsfreie Leistung des AN gesichert ist.
Der Abruf muss jeweils spätestens innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach Fertigstellung aller Arbeiten des AN aus der letzten abgerufenen Leistungsphase erfolgen; die Frist beginnt jedoch nicht vor dem Zugang des Hinweises des AN gemäß Nr. 4.2 Satz 2 beim AG.
4.3 Kein Anspruch bei nicht erfolgtem Abruf
Dem AN stehen keine Ansprüche auf Abruf von Leistungsphasen gemäß Nr. 4.2 zu, er kann auch aus dem stufenweisen Abruf oder Nichtabruf keinerlei weitergehende Rechte, gleich welcher Art, herleiten. [...]"
In der Darstellung der Wertungskriterien war kein Hinweis an die Bieter auf diese vertraglichen Regelungen enthalten. Eine Erläuterung dazu, welche Umstände eintreten müssen damit der spätere Abruf der weiteren Leistungsphasen erfolgt bzw. wovon dieser abhängt, war den Vergabeunterlagen nicht zu entnehmen.
Im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens lud der Antragsgegner die Bieter zur Verhandlung und Präsentation der ersten Angebote ein. In der Einladung stellte er klar, dass die Präsentation nicht einer Wertung zugeführt werde, sondern lediglich das eingereichte Konzept. Am 27.11.2024 erfolgte für alle Bieter die Präsentationen und die Verhandlungen zu den Angeboten. Dabei gab der Antragsgegner kalkulationsrelevante Hinweise zur Erstellung der finalen Angebote. Bei der Bewertung dieser initialen Angebote erzielte die Antragstellerin eine Gesamtpunktzahl von 576,25 Punkten und die Beigeladene von 713,35 Punkten. Dabei gab die Antragstellerin das günstigste und die Beigeladene das zweitgünstigste Angebot ab. Die Beigeladene erhielt allerdings mehr Punkte in der Qualitätswertung.
Neben der Antragstellerin und der Beigeladenen gaben noch zwei weitere Unternehmen ein finales Angebot bis zum Ende der Frist am 12.12.2024 ab. Nach Angebotsauswertung erzielte die Antragstellerin laut der Dokumentation aus der Vergabeakte 578,75 Punkte und die Beigeladene 726,69 Punkte. Bei der Preiswertung erzielte die Beigeladene aufgrund eines geringeren Preisabstandes zur Antragstellerin mehr Punkte als beim initialen Angebot, weshalb sich der Abstand bei den Gesamtpunkten erhöhte. Die zur Bewertung der Qualitätskriterien "Vorgehen im ausgeschriebenen Projekt", "Projektablauf", "Erläuterung zur Kostenplanung und -steuerung am ausgeschriebenen Projekt", "Erläuterung zur Terminplanung und -steuerung am ausgeschriebenen Projekt" und "Erläuterung zur Qualitätssteuerung am ausgeschriebenen Projekt" von drei bewertenden Personen ausgefüllten Wertungsbögen wiesen für die Antragstellerin als Datum entweder den 11.11.2024, den 27.11.2024 sowie den 16.12.2024 aus. Die Wertungsbögen für die Beigeladene waren mit den Datumsangaben 12.11.2024, 27.11.2024 oder 16.12.2024 versehen. Alle Wertungsbögen sind digital von den bewertenden Personen mit Ihrem Namen und einem Zeitstempel datiert auf den 16.12.2024 bzw. dem 18.12.2024 versehen worden.
Aus der Dokumentation der Preisprüfung geht hervor, dass der Antragsgegner annahm in sein Vergabemanagementsystem einen falschen Schätzpreis hinterlegt zu haben und angesichts des von ihm aus den Angebotspreisen gebildeten Mittelwert die Auftragswertschätzung zu hoch angesetzt wurde. Die Angebote erachtete der Antragsgegner als auskömmlich. Aufgrund des Mangels an Ausreißern hatte er keine weitere Aufklärung für notwendig gehalten. Das Angebot der Beigeladenen wurde als das wirtschaftlichstes Angebot bewertet und die übrigen Bieter über die beabsichtigte Zuschlagserteilung informiert. Dies rügte die Antragstellerin und aufgrund der drohenden Zuschlagserteilung reichte sie am Tag darauf noch vor einer Rügeantwort des Antragsgegners den Nachprüfungsantrag bei der Kammer ein.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass durch die zwischen dem Jahreswechsel versendete Bietermitteilung die Frist aus § 134 GWB nicht in Gang gesetzt wurde. Es sei unverhältnismäßig die Benachrichtigung so vorzunehmen, dass ihr nur sehr wenig Zeit für die Ausarbeitung einer Rüge und eines Nachprüfungsantrages verblieben sei. Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfe das Vergabeverfahren nicht so ausgestaltet werden, dass die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 89/665 beeinträchtigt werde. Deshalb hätte der Antragsgegner die Mindestfrist aus § 134 Abs. 2 GWB verlängern müssen. Die Antragstellerin meint, sie wäre durch die kurz gewählte Frist in ihren Rechten verletzt worden.
Die Antragstellerin hält ihr nachstehen wiedergegebenes Vorbringen zu den Zuschlagskriterien im Gegensatz zum Antragsgegner nicht für präkludiert. Die Präklusion setze nach § 160 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 GWB die Erkennbarkeit der Vergaberechtsverstöße voraus. Ein Bieter kenne sich naturgemäß mit den Regelungen zur Festlegung der Zuschlagskriterien nicht aus, wichtig sei lediglich die genannten Kriterien optimal zu erfüllen. Der Antragstellerin sei erst nach rechtlicher Beratung klar, dass die Art und Weise der Festlegung der Zuschlagskriterien vergaberechtswidrig sei.
Die Antragstellerin hält die Zuschlagskriterien für nicht ordnungsgemäß festgesetzt. Es fehle an einer Bestimmung durch den Antragsgegner, was diese bei den einzelnen Kriterien als besonders gute Qualität ansehe. Zudem bezögen sich einige Zuschlagskriterien ausschließlich auf die Leistungsphasen 6 und 7. Nach 4.1.2 und 4.1.3 des Mustervertrags des Antragsgegners würden lediglich die Leistungsphasen 1 und 2 bei Zuschlagserteilung beauftragt. Nach den Ziffer 4.3 bestehe kein Anspruch auf Ausführung der Leistungsphasen 6 und 7. Es handle sich nach der Rechtsprechung des OLG Koblenz um einen echten Stufenvertrag. Diese zweite Stufe stelle eine Option da. Der Antragsgegner habe aber versäumt in den Vergabeunterlagen zu regeln, ob diese Option gewertet werde oder nicht. Die Wertung von Optionen aufgrund des Transparenz- und Wirtschaftlichkeitsgebots sei nur dann möglich, wenn die Option sich auf eine identische Leistung beziehe bei der die Anpassung des Auftrages. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Abhängig davon welche Stufe später beauftragt werde könne sich ändern welches das wirtschaftlichste Angebot sei. Eine Beauftragung des wirtschaftlichsten Angebots könne deshalb hier nicht erfolgen.
Aufgrund dessen, dass unklar sei, ob die Leistungsphasen 6 und 7 zur Ausführung kämen stünden die Unterkriterien aus den Zuschlagskriterien 3 und 5 nicht mit dem Auftragsgegenstand nach § 127 Abs. 3 GWB in Verbindung. Diese Zuschlagskriterien seien deshalb als vergaberechtswidrig zu bewerten.
Beim Zuschlagskriterium 2 habe im Bewertungsschema der Punkt "Steuerungsinstrumente zum reiblosen Projektablauf" inhaltlich nichts mit dem Bewertungsthema zu tun. Zum Zuschlagskriterium 3 verlange der Antragsgegner eine Auseinandersetzung mit den Punkten "Kostenplanung des Projektes" und "Kostenrisiken des Projektes". Allerdings erfolge hierfür aber keine Vergütung für deren Ausarbeitung vor, was einen Verstoß gegen § 70 Abs. 2 VgV darstelle. Das im gleichen Zuschlagskriterium aufgeführte "Nachtragsmanagement" habe nichts mit dem Zuschlagskriterium zu tun. Wenn ein Nachtrag anfalle ließe sich nichts mehr steuern, es sei lediglich die Frage zu beantworten wodurch dieser entstanden sei.
Im Zuschlagskriterium 4 sei von den Bietern die Optimierung der Herangehensweise geschildert werden. Dies stehe im inhaltlichen Konflikt zum Bewertungsthema, da dieses keine Optimierung, sondern lediglich eine Darstellung der Einhaltung der Termine verlange. Bezüglich Zuschlagskriterium 5 werde im Punkte "eingesetztem Risikomanagement für das Projekt" etwas bewertet, was bereits Gegenstand der Bewertung im 1. Zuschlagskriterium sei, dort würden auch die Projektrisiken bewertet. Folglich liege eine unzulässige Doppelbewertung vor.
Auch müsse die Wertungsmatrix als widersprüchlich angesehen werden. Auf dem Reiter für die Berechnung der Erfahrung des Personals sei angegeben, dass für 10 Jahre Berufserfahrung 10 Punkte vergeben würden. Nach der Wertungsmatrix dagegen könnten Bieter nur für mehr als 10 Jahre Berufserfahrung auch 10 Punkte erhalten. Gleiches gelte für den Erhalt von 5 Punkten für die Erfahrung. Ob hierfür 5 Jahre Berufserfahrung oder mehr als 5 Jahre erforderlich seien, wäre für die Bieter unklar.
Inhaltlich gehe aus der übersendeten Wertungsmatrix nicht hervor, warum die Antragstellerin trotz ausführlicher Darstellungen zu den einzelnen Kriterien nur so eine geringe und nicht die volle Punktzahl erreicht habe. Aus der Bewertung sei nicht transparent zu ersehen, wie die Gesamtpunktzahl im jeweiligen Unterkriterium ermittelt worden sei. Es stehe lediglich fest, dass die Wertung durch ein sechsköpfiges Wertungsgremium zur Gesamtpunktzahl führe. Diese Vorgabe habe der Antragsgegner jedoch verletzt indem er lediglich drei wertende Personen einsetze. Zusätzlich hierzu sei davon auszugehen, dass der Werter 3 den Bewertungsbogen von Werter 1 abgeschrieben habe. Dieser weise die exakt gleiche Punktzahl und auch die gleichen Schreibfehler auf, so zum Beispiel beim Wort "Stuerungselemten". Damit hätten schon nicht, wie der Antragsgegner behauptet, drei Personen unabhängig voneinander bewertet.
Auch die Wertung habe der Antragsgegner nicht ordnungsgemäß vorgenommen. Aus den Vergabeunterlagen sei nicht zu ersehen, dass die bewertenden Personen über eine hierfür notwendige Fachkenntnis verfügten. Vielmehr müsse bei Ansehung der Wertung bezweifelt werden, dass diese eine ausreichende praktische Planungs- und Bauerfahrung hätten.
Den Wertungsbögen seien keine Begründungen für Wertungsentscheidung zu entnehmen, sondern lediglich Behauptungen. So vermerke eine wertende Person "Oberflächliche Darstellung der Anforderungen". Woraus sich die Oberflächlichkeit ergebe bzw. die Darstellung als oberflächlich empfunden werde könne nicht nachvollzogen werden.
Die Antragstellerin sei dadurch, dass beim Vergleich der Angebote die Beachtung des Transparenz- und des Gleichbehandlungsverbotes nicht sichergestellt worden wäre, in ihren Rechten verletzt. Aus der Dokumentation der Wertung gehe nicht hervor, dass ein Abwägungsprozess zwischen den Angeboten und damit eine vergleichende Bewertung überhaupt stattgefunden habe. Insgesamt habe zudem die Beigeladene eine zu hohe Punktzahl erzielt.
Die Antragstellerin vertritt den Standpunkt, dass das Vergabeverfahren wegen der Verstöße gegen das Vergaberecht in den Zeitpunkt vor Angebotsabgabe zurückversetzt werden müsse.
Die Antragstellerin beantragt,
1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren so weit zurückzusetzen, dass ein ordnungsgemäßes Verfahren gewährleistet ist.
2. festzustellen, dass die Antragstellerin durch das vergaberechtswidrige Verhalten der Antragsgegnerin in ihren Rechten verletzt wird,
3. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin notwendig war,
4. die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß:
1. Den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
2. Der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen eigenen Rechtsanwaltskosten aufzuerlegen.
Der Antragsgegner hält den Vortrag der Antragstellerin zur Wertung für präkludiert. Die Antragstellerin hätte ihrer Ansicht nach vorliegenden Defizite an den Vergabeunterlagen vorher rügen müssen. Schließlich stünden die Vergabeunterlagen über ein halbes Jahr zur Verfügung. Kritik am Wertungssystem und den Zuschlagskriterien komme aber nun erst nach der Wertung auf und sei damit verspätet. Die Antragstellerin hätte ihrer Obliegenheit Fehler oder Unklarheiten an den Wertungsunterlagen zu rügen bis zur Angebotsabgabe nachkommen müssen.
Bezüglich der Kritik der Antragstellerin an den genutzten Unterlagen verweist der Antragsgegner darauf, dass diese Unterlagen Standarddokumente seien, die oft mehrfach in gleicher Form bei Vergaben angewendet würden und nie ein Auftragnehmer die festgelegten Vorgaben zur Wertung als intransparent und vergaberechtswidrig bezeichnet habe. Auch habe die Antragstellerin bereits an Vergabeverfahren teilgenommen, bei denen diese Vergabeunterlagen verwendet worden seien.
Eine Intransparenz der Wertungskriterien bestehe nicht. Die Anforderungen aus § 127 Abs. 5 GWB seien erfüllt, da die Zuschlagskriterien mit Unterkriterien aufgeführt und auch die darauf entfallenden Punkte dargestellt würden. Damit sei das Kriterium hinreichend transparent. Die Zuschlagskriterien 3 und 5 spielten für die Leistungsphasen 6 und 7 des Gesamtprojekts eine große Rolle, weshalb diese in die Wertung einzubeziehen waren, auch wenn diese mit dem Auftrag vorerst noch nicht verbunden seien. Die Einstufung der Antragstellerin als Stufenvertrag treffe nicht zu, vielmehr handle es sich um einen Generalplanervertrag mit Stufenabrufen. Die Stufe 2 stelle keinen neuen Vertrag dar. Mithin seien die Zuschlagskriterien auch für dieses Verfahren relevant.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass das mit der Bieterinformation mitgeteilte Datum der geplanten Zuschlagserteilung den Vorgaben aus § 134 GWB entsprach. Der Zeitraum nach deren Absendung bis zum 07.01.2025 betrage 12 Kalendertage und selbst nach Abzug von Silvester und Neujahr noch die mindestens gesetzlich geforderten 10 Kalendertage. Mithin sei die Frist hier nicht zu kurz bemessen worden.
Zur Wertung stellt der Antragsgegner voran, dass der öffentliche Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum habe. Die Qualitätswertung sei von drei eigenständig bewertenden Mitglieder des Projektteams vorgenommen worden. Diese hätten die eingereichten Unterlagen im direkten Vergleich der Angebote untereinander bewertet. Die Bewertung des Projektkonzepts sei durch jeden Werter mittels Bepunktung der einzelnen Kriterien erfolgt. Hieraus sei ein Mittelwert und mit der Gewichtung dann die erreichte Punktzahl des Bieters errechnet worden und den Bietern mit der Vorabinformation mitgeteilt. Eine Bewertung durch eine bestimmte Personenanzahl wie dies die Antragstellerin vorträgt sei nicht festgelegt worden.
Der Vorwurf der Antragstellerin wonach keine ausreichende Qualifikation bei den Bewertern vorläge sei haltlos und entbehre jeglicher Grundlage. Vielmehr sei die Bewertung durch erfahrene und qualifizierte Experten durchgeführt worden.
Eine Widersprüchlichkeit bei der Wertungsmatrix bestehe in Bezug auf die Bewertung der Erfahrung der Projektleitung nicht. Die Berechnungssystematik habe er so wie in Wertungsmatrix vorgesehen angewendet und dann bei der Tabelle zur Bewertung des Personals eingetragen. Zudem komme es hierauf nicht an, denn die Antragstellerin habe die volle Punktzahl von je 10 Punkten sowohl für die Projektleitung als auch die stellvertretende Projektleitung erhalten. Bei der Errechnung der Punktzahl sei wegen eines Formelfehler dabei ein herabgesetzter Mittelwert von 50 statt 100 Punkten ermittelt worden. Dieser Fehler sei bei allen Bietern gleich erfolgt und habe deshalb keinen Einfluss auf die Wertungsreihenfolge. Letztlich ergebe sich eine korrigierte Gesamtpunktzahl von 705 Punkte für die Antragstellerin und von 900,03 für die Beigeladene. Letztere habe damit weiterhin das wirtschaftlichste Angebot abgegeben.
Die Beigeladene hat sich im Nachprüfungsverfahren keine Anträge gestellt oder sich zum Sach- und Streitstand eingelassen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze, die Verfahrens- und die Vergabeakte verwiesen. Die Beiladung erfolgte am 10.01.2025. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde am 27.01.2025 vorgenommen. Am 03.02.2025 fand eine mündliche Verhandlung statt über denen Inhalt ein Ergebnisprotokoll erstellt wurde.
II.
1. Der Nachprüfungsantrag ist im unten dargestellten Umfang zulässig.
1.1 Die Vergabekammer Westfalen ist nach § 159 Abs. 3 GWB i.V.m. § 2 Abs. 2 VK ZuStV NRW örtlich zuständig, da die für die Auftragsvergabe zuständige Vergabestelle des Antragsgegners ihren Sitz im Regierungsbezirk Arnsberg hat. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 156 GWB i. V.m. § 106 GWB. Der Antragsgegner ist öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 GWB. Der Auftrag ist Bestandteil einer Baumaßnahme die den derzeit gültigen EU-Schwellenwert überschreitet.
1.2 Die Antragstellerin ist teilweise antragsbefug nach § 160 Abs. 2 GWB. Danach erfordert die Antragsbefugnis, dass die Antragstellerin ein Interesse am Auftrag hat und Vergaberechtsverstöße gelten gemacht hat, die zum Eintritt eines Schadens früher können. Dabei ist für das Drohen eines Schadens ausreichend, dass sich die Zuschlagschancen der Antragstellerin durch den Verstoß gegen Vergaberecht verschlechtert haben (vgl. OLG Düsseldorf, 27.10.2021, Verg 4/21).
Insoweit die Antragstellerin sich gegen die ihrer Auffassung nach zu kurzen Frist der Bietermittelung wendet legt sie nicht dar, wie ihr aus dem benannten mutmaßlichen Verstoß ein Schaden und damit die Verschlechterung ihrer Chance auf den Zuschlag droht. Auch hat sie innerhalb der Frist Rüge und Nachprüfungsantrag erhoben. Aus Verstößen gegen die Vorschriften des § 134 GWB erwächst keine Verletzung von Bieterrechten, sofern die Antragstellerin, wie hier, rechtzeitig einen Nachprüfungsantrag eingereicht hat und damit ihrem Interesse an Primärrechtschutz entsprochen wird (vgl. VK Südbayern, 10.10.2022, 3194.Z3-3_01-22-40).
In Bezug auf das Vorbringens zur Widersprüchlichkeit der Wertungsmatrix droht der Antragstellerin kein Eintritt eines Schadens. Sie hat in diesem Kriterium die volle Punktzahl erreicht, insoweit ist ihr tatsächliches Verständnis unbeachtlich. Mithin kann auch hier durch den vorgebrachten Verstoß keine Verschlechterung der Zuschlagchancen der Antragstellerin eintreten.
Bezüglich des Vortrags der Antragstellerin die sich auf die nicht ausreichenden Vorgaben für die Erstellung des Konzepts und die nicht nachvollziehbare Bewertung des Angebots und Ermittlung der Gesamtpunktzahl durch das Wertungsgremium, macht sie Vergaberechtsverstöße geltend, die sofern diese zutreffend ihre Zuschlagschancen gemindert haben könnten. Das Interesse am Auftrag hat sie durch die Abgabe des Angebots ausreichend dargelegt. Bezogen hierauf besteht für die Antragstellerin eine Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB.
1.3 Der Vortrag der Antragstellerin ist nach § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert soweit diese sich gegen fehlenden Vorgaben zum Konzeptinhalt und Bewertungsmaßstab wendet.
a) Die Obliegenheit eine Rüge zu erheben wird nur dann ausgelöst, wenn die Antragstellerin eine feststellbare und im Streitfall vom öffentlichen Auftraggeber nachzuweisende positive Kenntnis von den einen Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umständen hat (OLG Düsseldorf, 27.10.2021, Verg 4/21). Zusätzlich muss bei der Antragstellerin die zumindest laienhafte rechtliche Wertung vorgenommen worden sein, dass der Antragsgegner mit seinem Vorgehen gegen Vergaberecht verstößt (OLG Düsseldorf, 06.09.2017, Verg 9/17). Nicht erforderlich ist die Kenntnis eines völlig zweifelfreien und in jeder Beziehung sicher nachweisbaren Vergaberechtsfehlers, da für die Rügeobliegenheit nicht erheblich ist, ob ein Vergaberechtsverstoß tatsächlich vorliegt. Es reicht vielmehr schon das Wissen um einen Sachverhalt, der, gegebenenfalls auch erst nach juristischer Beratung, den Schluss auf einen Vergaberechtsverstoß erlaubt (OLG Düsseldorf, 15.01.2020, Verg 20/19) Dem gleichzustellen ist, wenn der Antragsteller in tatsächlicher oder rechtlicher Unkenntnis in einer Weise verharrt, die mit Blick auf einen möglichen Vergaberechtsverstoß als ein mutwilliges Sich-der-Erkenntnis-Verschließen zu bewerten ist (OLG Düsseldorf, 19.02.2020, Verg 27/17).
b) Dies zu Grunde gelegt ist die Antragstellerin zumindest teilweise mit ihrem Vorbringen präkludiert. Die Vergabeunterlagen standen den Bietern frühzeitig zur Verfügung. Darunter waren auch die Dokumente für die Wertung, die in einer Datei mit der Bezeichnung "Zuschlagskriterien+Wertugnen" unter anderem den Bewertungsmaßstab, die Wertungsmatrix mit den die Zuschlagskriterien und das vom Antragsgegner zur Anwendung vorgesehene Bewertungsschema enthielt. Die Antragstellerin musste vor Anfertigung des ersten und dann des finalen Angebots diese Wertungsunterlagen gründlich lesen, um im Konzept die mit den Unterkriterien erfolgte Konkretisierung der Zuschlagskriterien abzubilden und bei Erstellung der Angebote beachten.
Bereits bei der Abfassung des Angebots hätte die Antragstellerin auch mit nur laienhafter rechtlichen Wertung zu der Annahme gelangen müssen, dass der Umfang der Angaben zur Wertung nicht ausreichend ist, um zu erkennen was der Antragsgegner als gute Qualität bewerten wird. Diesen Verstoß hätte sie in der Frist des § 160 Abs. 3 GWB auch ohne weiteres rügen können. Folglich ist die Antragstellerin in Bezug hierauf mit ihrem Vorbringen nach § 160 Abs. 3 GWB präkludiert.
c) Ebenfalls präkludiert ist die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen, dass der Antragsgegner vorliegend in Zuschlagskriterium 3 eine Ausarbeitung verlange, die als Ausarbeitung zwingend vergütet werden müsste nach § 77 Abs. 2 VgV. Die Antragstellerin konnte anhand der Vergabeunterlagen den Leistungsumfang erkennen und ist als in Vergabeverfahren erfahrenes Unternehmen auch rechtlich in der Lage zu bewerten wann eine Ausarbeitung im Sinne von § 77 Abs. 2 VgV vorliegt und einen Vergütung festgelegt werden muss. Da dies nicht binnen der Frist aus § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB gerügt wurde, ist der Vortrag ebenfalls nicht mehr berücksichtigungsfähig.
d) Mit dem Vortrag, dass aufgrund des vom Antragsgegner vorbehaltenen späteren Abruf der Leistungen aus den Leistungsphasen 6 und 7 die Bewertungsmodalitäten und -kriterien nicht vergaberechtskonform ausgestaltet wurden und ein Zusammenhang zwischen den Wertungskriterien 3 und 5 und dem Auftragsgegenstand fehle, ist die Antragstellerin dagegen nicht nach § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert. Die Antragstellerin zielt mit ihrem Einwand darauf ab, dass der Antragsgegner die Bewertung von Leistungskriterien vorgenommen hat, die sich auf die Leistungsphasen 6 und 7 beziehen, obwohl deren Beauftragung durch den öffentlichen Auftraggeber zum Zeitpunkt der Wertung nicht sicher ist. Richtig ist hierbei wie der Antragsgegner anführt, dass die Vergabeunterlagen bereits mit Veröffentlichung der Bekanntmachung den interessierten Unternehmen zur Verfügung standen. Davon, dass die Antragstellerin diese spätestens im Zeitpunkt der Erstellung des Ersten Angebots auch inhaltlich zur Kenntnis genommen und zur Erstellung des Konzepts ausgewertet hat ist die Kammer überzeugt. Gleiches gilt für den Vertrag, da dieser nicht nur Gegenstand einiger von den Bietern, darunter auch die Antragstellerin, gestellter Rückfragen war, sondern die Antragstellerin auch im Nachgang zum Verhandlungsgespräch einen inhaltlichen Vorschlag für eine Anpassung einer Vertragsklausel gegenüber dem Antragsgegner äußerte. Mithin hatte die Antragstellerin von den von ihr im Nachprüfungsverfahren zur Überprüfung gestellten Sachverhalt zunächst einmal Kenntnis.
Allerdings musste sie diese Umstände nicht als vergaberechtswidrig bewerten und rügen. Bei dem Vortrag der Antragstellerin, den Anforderungen an Ausschreibung und Wertung von Positionen, die erst bei Bedarf durch den öffentlichen Auftraggeber abgerufen werden, handelt es sich, was die Rechtsprechung in der Vergangenheit immer wieder betont hat, um ein Gebiet in dem wenig geklärt ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.02.2008 - Verg 57/06). Dem Antragsgegner ist zuzugeben, dass die Antragstellerin diese Thematik nun erstmalig im Nachprüfungsverfahren zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ohne vorherige Rüge macht, obwohl die Unterlagen der Antragstellerin schon so lange zur Verfügung standen und auch zweifach ein Angebot auf dieser Grundlage von ihr ausgearbeitet wurde. Dass die Antragstellerin auf Grundlage der Zuschlagskriterien Inhalte in ihr Konzept aufgenommen und damit doch erkennen können, ob dieser mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen, stellt die Kammer auch nicht in Abrede.
Vorliegend wäre von der Antragstellerin aber nicht nur zu beurteilen gewesen, ob die Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand im Sinne von § 127 Abs. 3 GWB in Verbindung stehen, sondern ob die hier vom Antragsgegner aufgestellte und bekanntgegebene Wertungssystematik und Zuschlagskriterien mit der Bewertung von bei Bedarf abzurufenden Leistungen in der vorgenommenen Art und Weise vergaberechtlich zulässig ist. Dabei handelt es sich um eine rechtliche Bewertung, die nicht erwartet werden kann, auch wenn es sich bei der Antragstellerin um ein größeres Unternehmen handelt, das mit Vergabeverfahren grundsätzlich vertraut ist. Die Rechtsprechung zu den Anforderungen und Voraussetzungen für die zulässige Bewertung von Bedarfspositionen ist nicht Gegenstand eine breiten Diskussion im Auftragswesen, sondern vergaberechtliches Spezialwissen, was von einem fachkundigen am Auftrag interessierten Unternehmen nicht erwartet werden kann. Die Antragstellerin konnte und musste diese Problemstellung nicht selbstständig und ohne rechtliche Beratung einschätzen (OLG Düsseldorf, aaO). In Bezug darauf traf die Antragstellerin nicht die Obliegenheit innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB eine Rüge mit dem in Rede stehenden Inhalt zu erheben um der Präklusion entgegenzuwirken.
2. Der Nachprüfungsantrag ist insoweit er zulässig ist wie im ausgeführten Umfang auch begründet. Vorliegend hat der Antragsgegner die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung und Bewertung von nur bei bestehendem Bedarf vom öffentlichen Auftraggeber
2.1 Der Antragsgegner hat durch die vertragliche Regelung in den Ziffern 4.1.1-4.3 bestimmt, dass die Bieter sich zur Erbringung der unter 4.1.1 genannten Leistungsphasen mit Auftragserteilung verpflichten. Nach 4.1.2 ruft er aber ausschließlich die Leistungsphasen 1 und 2 mit der Zuschlagserteilung ab. Einseitig offen gelassen, wird durch die Ziffer 4.2 dagegen ob die Leistungen aus der Leistungsphasen 6 und 7 zu einem späteren Zeitpunkt abgerufen werden. Der Auftragnehmer hat hierauf jedenfalls keinen Anspruch gemäß Ziffer 4.3 des Vertrages. Damit hat der Antragsgegner in das Vergabeverfahren Leistungen aufgenommen deren Ausführung nicht sicher sind. Dabei handelt es sich nicht um eine typische Verlängerungsoption bei der die ursprüngliche Leistungszeit ausgedehnt wird, sondern um andere als die ursprünglich beauftragten Leistungen eventuell zu einem späteren Zeitpunkt erbracht werden soll. Zwar handelt es sich allesamt um Leistungen für die Generalplanung aus dem Leistungskatalog der HOAI, die in den Leistungsphasen 1 und 2 zu erbringenden Leistungen unterscheiden sich deutlich von denen in den Leistungsphasen 6 und 7 zu erbringenden und deshalb nicht mit dem Ausüben einer Verlängerungsoption vergleichbar. Vielmehr sind diese als dann Bedarfs- bzw. Eventualpositionen einzustufen (Burgi/Dreher/Opitz/Lampert GWB § 121 Rn. 53).
2.2 Die Vergabe solcher Bedarfspositionen bzw. Eventualpositionen ist nicht generell ausgeschlossen, unterliegt jedoch umfassenden Anforderungen, da diese dem Gebot der Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung aus § 121 Abs. 1 GWB entgegenstehen sowie die Transparenz des Vergabeverfahrens und der Vergabeentscheidung aus § 97 Abs. 1 GWB beeinträchtigen können. Sie eröffnen dem öffentlichen Auftraggeber zudem eine Steuerungsmöglichkeit bei der Wertung und machen damit "willfährige Vergabeentscheidungen" möglich (Burgi/Dreher/Opitz/Lampert GWB § 121 Rn. 53). Bedarfspositionen sind vergaberechtlich lediglich ausnahmsweise zugelassen und dann auch nur, wenn spezifische Anforderungen bei den Ausschreibungsbedingungen und bei der Angebotswertung beachtet werden.
Der öffentliche Auftraggeber muss unter Ausschöpfung ihm zumutbarer Erkenntnismöglichkeiten zuvor den Versuch einer eindeutigen Klärung der Leistungsbeschreibung unternehmen. Bedarfspositionen sind kein Hilfsmittel, die Unvollständigkeit einer Planung zu kompensieren. Nur wenn die Aufklärung nicht gelingt und der Auftraggeber einen sachlich gerechtfertigten Grund, ein anzuerkennendes Bedürfnis oder objektives Interesse nachweisen kann, darf in der Leistungsbeschreibung im Unklaren gelassen werden, ob eine Bedarfsposition zur Ausführung kommen kann. Der Grund ist im Vergabevermerk zu dokumentieren. Im Leistungsverzeichnis sind die inhaltlichen Anforderungen an die Eventualleistung zu beschreiben. Bedarfspositionen sind ferner aus Gründen der Transparenz vom Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung unmissverständlich zu kennzeichnen. Zudem hat der Auftraggeber nachprüfbare Kriterien anzugeben, die für die Inanspruchnahme und die Wertung von Bedarfspositionen ausschlaggebend sind, und an denen die Bieter vorher erkennen können, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Maßstäben das einer Bedarfsposition geltende Angebot gewertet wird oder nicht (so OLG Düsseldorf, 28.02.2008, Verg 57/06). Auf den Umfang von Bedarfspositionen die in der Leistungsbeschreibung enthalten sind kommt es nicht an, da auch kleinere oder wenige Bedarfspositionen in der Gesamtschau geeignet sind, das Wertungsergebnis zu beeinflussen (OLG Düsseldorf, 24.03.2004, Verg 7/04). Bedarfsleistungen müssen jedoch nicht bereits in die Vergabebekanntmachung aufgenommen werden (OLG Düsseldorf, 10. 02. 2010, Verg 36/09).
Diese Vorgaben zu Grund gelegt, erfüllen die Vergabeunterlagen die obigen Anforderungen nicht. Der Antragsgegner hat lediglich durch die vertraglichen Regelungen die Bedarfspositionen bestimmt. Eine ausdrückliche und klare Benennung der Bedarfspositionen in den Vergabeunterlagen hat der Antragsgegner nicht vorgenommen. Insbesondere bei den Preisblättern, den Zuschlagskriterien und dem Bewertungsschema fehlt es an einer erforderlichen unmissverständlichen Kennzeichnung. Das Aufführen der Bedarfspositionen im Mustervertag unter den Ziffern 4.1.1 bis 4.3 ist hierfür nicht ausreichend. Die in den Leistungsphasen 6 und 7 zu erbringenden Leistungen sind somit nicht ausreichend als Bedarfsleistung in den Vergabeunterlagen gekennzeichnet.
Aus den Vergabeunterlagen wird darüber hinaus nicht deutlich welche Kriterien bzw. Unterkriterien sich auf die Bedarfspositionen und damit Leistungsphasen 6 und 7 beziehen noch unterwelchen Maßstäben eine Wertung erfolgt und welchen Einfluss diese auf die Wertung haben. Am Beispiel des Qualitätszuschlagskriteriums 5 "Erläuterungen zur Qualitätssteuerung am ausgeschriebenen Projekt" wird dies deutlich. Ob sich dieses auf die Leistungsphasen 6 und 7 bezieht, wird gerade nicht ausdrücklich vom Antragsgegner klargestellt. Allenfalls textlich lassen sich zwei der fünf Unterkriterien aus der Darstellung der Wertungsmatrix inhaltlich ausschließlich den Leistungsphasen 6 und 7 zuordnen, was aber das Erfordernis einer unmissverständlichen Kennzeichnung in den Vergabeunterlagen durch den öffentlichen Auftraggeber jedoch nicht erfüllt. Auch finden sich keine Angaben dazu, welche Voraussetzungen eintreten müssen, damit die Bedarfsleistungen abgerufen werden. Diese sind vom Antragsgegner jedoch den Bietern transparent zu machen. Einzig der Umfang der möglicherweise auszuführenden Leistungen werden im Vertrag unter 4.1.4 l benannt.
Zwar hat der Antragsgegner im Rahmen der mündlichen Verhandlung einen sachlichen Grund ausgeführt, dass für ihn diese Regelung aus haushalterischer Sicht erforderlich sei. Die so geplante Umsetzung sei nicht garantiert und für den Fall der Umsetzung müsse die Nutzung von Fördermitteln geprüft werden. Darüber hinaus müsse ggfs. mehr Personal eingesetzt werden als derzeit geplant. Dies erscheint für die Kammer zumindest ein Ansatz für die Dokumentation des Erfordernisses für die Bedarfspositionen, mit Blick auf die oben aufgeführten Anforderungen ist dies aber noch nicht ausreichend. Auch der Vortrag des Antragsgegners, dass diese vertraglichen Regelungen standardisierte Dokumente sind und dieses Vorgehen der gängigen Praxis entspräche, überzeugt letztlich nicht.
Mit den derzeitigen Vergabeunterlagen verstößt der Antragsgegner gegen § 97 Abs. 1 GWB, § 121 Abs. 1 GWB und die von der Rechtsprechung gebildeten Anforderungen an die Vergabeunterlagen und die Wertung zu Bedarfspositionen.
2.3 Auf das weitere Vorbringen der Antragstellerin zur Wertung des Antragsgegners und der ihrer Ansicht nach dabei erfolgten Vergabeverstöße kommt es somit nicht mehr an.
2.4 Vorsorglich weist die Kammer für den weiteren Fortgang des Vergabeverfahrens noch auf Folgendes hin.
a) Nach derzeitiger Auffassung baut das Verständnis, dass die Anzahl der wertenden Personen sechs betragen muss, ausschließlich den Bietern zur Verfügung gestellten Tabellen auf. Eine Ankündigung des Antragsgegners, dass sechs "Werter" eingesetzt werden existiert dagegen nicht. Die oben dargestellte Wertungsübersicht hat nach Ansicht der Kammer einen Beispielscharakter, so sind im gleichen Dokument unter einem anderen Reiter befindliche Tabellen mit fiktiven Daten, Berechnungen und Bietern. Unter Berücksichtigung dieser Umstände neigt die Kammer dazu die Vergabeunterlagen unter Anwendung der Grundsätze für die Auslegung von Willenserklärungen aus §§ 133,157 BGB, die auch auf Vergabeunteralgen Anwendung finden, keine Verpflichtung zum Einsatz von sechs wertenden Personen anzunehmen.
b) Aufgrund der Klarstellung des Antragsgegners im Rahmen der mündlichen Verhandlung geht die Kammer entgegen der Auffassung der Antragstellerin davon aus, dass nicht die in den Bewertungsbögen oben angegebenen Daten den Zeitpunkt der Wertung darstellen, sondern deren elektronische Unterzeichnung am 16.12.2024 bzw. 18.12.2024. Eine Wertung die vor dem Zeitpunkt der Einreichung des finalen Angebots vorgenommen würde, verstieße gegen § 127 Abs. 1 GWB, da bei der Wertung nicht der aktuelle Sachverhalt zu Grunde gelegt worden wäre. Für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots im Sinne von § 127 Abs. 1 GWB muss das Angebot in der aktuellen Fassung bewertet werden (vgl. OLG Düsseldorf, 08.03.2017, Verg 39/16).
c) Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Dokumentation § 8 VgV sind in der vorgelegten Vergabeakte nach aktueller Einschätzung nicht erfüllt.
Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 VgV dokumentiert der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfahren von Beginn an fortlaufend in Textform nach § 126b BGB, soweit dies für die Begründung von Entscheidungen auf jeder Stufe des Vergabeverfahrens erforderlich ist. Sinn der Dokumentation ist es, die Entscheidungen des Auftraggebers transparent und überprüfbar zu machen. Die Begründung muss alle Informationen enthalten, die notwendig sind, um die Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers nachvollziehen zu können (OLG Schleswig, 27.10.2022, Verg 7/22,), was eine Dokumentation seiner für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten erfordert (OLG Düsseldorf 16.10.2019, Verg 6/19). Hierfür müssen die im Vergabevermerk enthaltenen Angaben und Gründe für die getroffenen Entscheidungen so detailliert sein, dass sie für einen mit der Sachlage des Vergabeverfahrens vertrauten Leser nachvollziehbar sind und die Beurteilung erlauben, ob Ermessens- oder Beurteilungsfehler vorliegen (OLG Düsseldorf, 26.09.2024, Verg 19/24).
Diesen Vorgaben genügt die vom Antragsgegner angefertigte und der Kammer zur Verfügung gestellte Vergabedokumentation nicht. Die Dokumentation zur Erforderlichkeit Bedarfspositionen auszuschreiben ist wie oben bereits skizziert derzeit nicht ausreichend. Dies trifft auch auf die Wertungsdokumentation zu. Beispielsweise ist in den Bewertungsbögen jeweils bei den einzelnen Unterkriterien in einer Spalte einer Tabelle eine kurze textliche Erläuterung zu finden. Grundsätzlich begegnet es keinen Bedenken lediglich stichwortartig in einer Tabelle wiederzugeben (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019, Verg 6/19). Diese Texte vermögen aber unter Berücksichtigung der obigen Voraussetzungen oftmals nicht zu erklären, warum die Punktzahl vergeben wurde. Eine inhaltliche Auseinandersetzung fehlt häufig. Manchmal wird dann lediglich eine in Stichworten abgefasstes Werturteil, wie "übersichtliche Grafik" vermerkt. In seltenen Fälle fehlt eine Wertung gänzlich, dort wird ausschließlich eine Feststellung getroffen, die keine Einordnung trifft, wie "Grafische Übersicht".
Auch die Höhe der vergebenen Punktzahl scheint zum Teil nicht konsequent. Warum für die Begründung "übersichtliche Grafik" je nach bewertender Person mal 2 Punkte oder mal 1 Punkt für "übersichtliche Auflistung" jedoch nur ein Punkt vergeben wird erschließt so derzeit sich nicht.
Gänzlich fehlt eine Dokumentation des vom Antragsgegner in seiner Stellungnahme vom 13.01.2024 geschilderter und in der mündlichen Verhandlung erläuterten direkten Vergleichs zwischen den Angeboten bei der Wertung. Der Vergabeakte kann die Kammer bei der Bewertung der Qualitätskriterien kein solches Vorgehen erkennen. Eine Abstufung von Angeboten zueinander erfolgt lediglich durch die vergebenen Punkte, dass ein inhaltlicher Vergleich und eine Abstufung der Konzepte zueinander erfolgte ist der Vergabeakte nicht zu entnehmen. Der Deutung des Antragsgegners, dass in der Angabe "oberflächlich" auch hineinzulesen wäre, das das betreffende Angebot oberflächlich in Bezug auf die übrigen Angebote sei, folgt die Kammer nicht. Schließlich muss nachvollziehbar sein, dass die Bepunktung der Angebote im Vergleich zueinander plausibel erfolgt ist (vgl. BGH, 04.04.2017, X ZB 3/17). Dies ist anhand der Ausführungen zur Begründung der Punktvergabe derzeit nicht möglich.
III.
Die Antragstellerin ist durch den Verstoß des Antragsgegners gegen das Transparenzgebot aus § 97 Abs. 1 GWB, dessen Ausprägung in § 121 Abs. 1 GWB und den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die Vergabe von Bedarfspositionen in ihren Bieterrechten verletzt worden.
Als geeignete Abhilfemaßnahme ordnet die Kammer nach § 168 GWB an, dass Verfahren bei fortbestehen der Beschaffungsabsicht ist in den Stand vor Angebotslegung zurückzuversetzen ist, um der Antragstellerin die Angebotserstellung unter Einhaltung der Vorgaben für Bedarfspositionen zu ermöglichen. Die Wiederholung der Wertung als mindere Abhilfemaßnahme ist aufgrund der oben genannten Verstöße nicht geeignet diese zu beheben, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Antragstellerin bei Einhaltung der Vorgaben zur Vergabe von Bedarfspositionen ein Angebot einreicht mit dem sich ihre Chancen auf den Zuschlag verbessern.
IV.
Gemäß § 182 Absatz 1 GWB werden für Amtshandlungen der Vergabekammer Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I. S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung ist anzuwenden.
Die Gebühr beträgt gemäß § 182 Absatz 2 GWB mindestens 2.500 Euro; dieser Betrag kann aus Gründen der Billigkeit bis auf ein Zehntel ermäßigt werden. Die Gebühr soll den Betrag von 50.000 Euro nicht überschreiten; sie kann im Einzelfall, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch ist, bis zu einem Betrag von 100.000 Euro erhöht werden. Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er gemäß § 182 Absatz 3 Satz 1 GWB die Kosten zu tragen.
Die Kammer setzt vorliegend eine Gebühr in Höhe von ### Euro fest. Für die Bestimmung der Kosten des Verfahrens zieht die Kammer die Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes und der Länder heran (OLG Brandenburg, 23.01.2023, 19 Verg 1/22). Maßgeblich für die Berechnung der Gebühr ist grundsätzlich die streitbefangene Auftragssumme (vgl. BGH, Beschluss vom 25.10.2011, X ZB 5/10).
Als unterlegener Beteiligter ist die Verfahrensgebühr dem Antragsgegner aufzuerlegen. Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er gemäß § 182 Absatz 3 GWB die Kosten zu tragen. Maßstab für das Unterliegen ist eine materielle Betrachtung der von den Beteiligten im Nachprüfungsverfahren verfolgten Zielen (OLG Düsseldorf, 11.04.2022, Verg 5/22). Danach kommt es nicht schematisch auf die gestellten Anträge an, sondern das Erreichen des Verfahrensziels bei wirtschaftlicher Betrachtung. Danach erreicht die Antragstellerin ihr Begehren ein neues Angebot einreichen zu können, auch wenn das überwiegende Vorbringen unzulässig war.
Der Antragsgegner ist als teilrechtsfähiges Sondervermögen des Landes Nordrhein-Westfalen nicht gemäß § 182 Absatz 1 GWB i. V. m. § 8 Absatz 1 Verwaltungskostengesetz des Bundes von der Entrichtung der Verfahrensgebühren befreit.
Die Aufwendungen der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung werden dem Antragsgegner als unterliegender Beteiligter gemäß § 182 Absatz 4 GWB auferlegt. Insbesondere war die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin notwendig. Das Vergaberecht ist eine überdurchschnittlich komplexe Materie. Gerade die sich hier stellenden rechtlichen Fragenstellungen erfordern tiefgreifende vergaberechtliche Kenntnisse die auch für regelmäßig an Vergabeverfahren teilnehmende Bieter nicht selbst zu beantworten sind. Daneben ist das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich konzipiert, so dass auch prozessuale Kenntnisse erforderlich sind, um eigene Rechte wirksam wahren zu können.
Eine Beteiligung der Beigeladenen an der Kostentragung ist mangels aktiver Beteiligung am Nachprüfungsverfahren nicht angezeigt (OLG Düsseldorf, 19.02.2020, Verg 2/19).
V.
(...)
BIEGE-Bildung ist nur nach Aufforderung zu rechtfertigen!
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VK Berlin, Beschluss vom 23.05.2025 - VK B 1-16/25
Sind Festpreise vergaberechtswidrig?
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VK Berlin, Beschluss vom 28.10.2024 - VK B 1-7/24
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EuGH, Urteil vom 05.06.2025 - Rs. C-82/24
"Muss"-Kriterien = Mindestanforderungen?
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VK Berlin, Beschluss vom 29.11.2024 - VK B 1-13/24
Totalunternehmervergabe ist unzulässig!
Totalunternehmervergabe ist unzulässig!
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 20.09.2024 - 2 VK 2/24
Was sind "abgeschlossene Geschäftsjahre"?
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VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.01.2025 - 2 VK LSA 14/24
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Anforderungen an Ausschluss wegen versuchter unzulässiger Beeinflussung?
VK Berlin, Beschluss vom 25.04.2025 - VK B 1-1/25
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Leitenden Mitarbeiter des Mitbewerbers eingestellt: Unzulässiger Wettbewerbsvorteil?
EuGH, Urteil vom 13.06.2025 - Rs. C-415/23
Nachforderung ≠ Aufklärung!
Nachforderung ≠ Aufklärung!
VK Berlin, Beschluss vom 28.04.2025 - VK B 1-73/24
Errichtung von VDI-Infrastruktur ist Dienstleistungsauftrag!
Errichtung von VDI-Infrastruktur ist Dienstleistungsauftrag!
VK Berlin, Beschluss vom 04.04.2025 - VK B 1-3/25