VK Südbayern
Beschluss
vom 04.04.2024
3194.Z3-3_01-23-68
1. Im Streitfall über die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB muss die Vergabestelle den Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrunds führen, nämlich dass eine erhebliche oder fortdauernde Schlechtleistung zur Kündigung oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. Es genügt nicht, dass der Auftraggeber gekündigt hat, es muss vielmehr mit hinreichender Sicherheit feststehen, dass dies auch zu Recht erfolgt ist.*)
2. Im Nachprüfungsverfahren gilt der insbesondere in § 167 GWB verankerte Beschleunigungsgrundsatz. Die Vergabekammer bzw. der -senat ist daher nicht gehalten, die Rechtmäßigkeit der streitigen Kündigung selbst im Wege einer vollumfänglichen Inzidentprüfung mit unter Umständen langwieriger Beweisaufnahme wie in einem Bauprozess zu klären. Vielmehr hat die Vergabekammer anhand des Vorbringens der Beteiligten und der eingereichten Unterlagen zu prüfen, ob der öffentliche Auftraggeber den Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrunds auch mit hinreichender Sicherheit führen kann.*)
3. Einem Unternehmen kann sein Verhalten bei Erfüllung eines öffentlichen Auftrags als Mitglied einer Bietergemeinschaft, an die ein Auftrag vergeben wurde, im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zugerechnet werden, wenn ihm ein individueller Beitrag zu den während der Vertragsausführung auftretenden Mängeln zugerechnet werden kann und dieses individuelle Verhalten fehlerhaft oder fahrlässig war.*)
4. Hat ein Auftragnehmer mit rechtlichen Schritten gedroht oder solche unternommen, die er zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer noch ungeklärten Rechtslage für zulässig halten konnte, so ist bei der Prognoseentscheidung im Rahmen einer Ausschlussentscheidung vom öffentlichen Auftraggeber zu Gunsten des Auftragnehmers zu prüfen und zu berücksichtigen, ob dieser einer vertretbaren Rechtsauffassung folgte.*)
In dem Nachprüfungsverfahren
(...)
wegen der Vergabe ... erlässt die Regierung von Oberbayern - Vergabekammer Südbayern auf die mündliche Verhandlung vom 20.02.2024 durch die Vorsitzende, ###, die hauptamtliche Beisitzerin, Frau ###, und die ehrenamtliche Beisitzerin, ###, folgenden
Beschluss:
1. Der mit Schreiben vom 11.12.2023 erklärte Ausschluss des Teilnahmeantrags der Antragstellerin war rechtswidrig.
2. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht im Vergabeverfahren ... den Teilnahmeantrag der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu bewerten.
3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin mit Ausnahme der Kosten für den Befangenheitsantrag. Die Kosten für den Befangenheitsantrag trägt die Antragstellerin.
4. Für das Verfahren wird eine Gebühr i.H.v. 5.760,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühr befreit.
5. Für den Befangenheitsantrag wird eine Gebühr i.H.v. 1.440 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
6. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über den Ausschluss der Antragstellerin vom Vergabeverfahren ... .
Am 29.07.2019 wurde die ARGE K... von der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Freistaat Bayern, vertreten durch ... mit der Bauleistung für die Verlegung der Bundesstraße ... beauftragt. Der Vertrag umfasst insbesondere die Erstellung des sog. "...", eines großen Tunnelbauwerks im Rahmen der Maßnahme zur Verlegung der Bundesstraße ... westlich von ... . Bei dem Bauvertrag handelt es sich um einen Einheitspreisvertrag mit einem vom Antragsgegner erstellten Leistungsverzeichnis. Das Leistungsverzeichnis enthält mehrere hundert Positionen mit technischen Teilleistungen und Mengenvordersätzen. Außerdem enthält das Leistungsverzeichnis Positionen für die Abrechnung sog. zeitgebundener Kosten. Die VOB/B ist Vertragsbestandteil.
Baubeginn des [Tunnels] war im Dezember 2019. Die Vortriebsarbeiten sind abgeschlossen. Die Innenschalenarbeiten sind ebenfalls bis auf die streitgegenständlichen Restarbeiten abgeschlossen. Im Wesentlichen stehen zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Verfahrens noch Erd-, Straßen- und Restarbeiten aus.
Bis zur 43. Abschlagsrechnung rechnete die ARGE K... mit 100% der von ihr ermittelten Preise ab. Die ARGE K... rechnete hierbei im Wege einer kumulierten Aufstellung ab, nämlich in der Weise, dass sie mit jeder monatlichen Abschlagsrechnung die vom Baubeginn an bis zum jeweiligen Abrechnungsstichtag (Ende des jeweiligen Monats) erbrachten Leistungen - sowohl laut Vertrag vom Sommer 2019 geschuldete Leistungen als auch von der Auftraggeberin begehrte Nachträge - mit den Preisen in Ansatz brachte und davon sämtliche von der Auftraggeberin geleisteten Abschlagszahlungen abzog. Die Auftraggeberin prüfte die Abschlagsrechnungen der ARGE K... und teilte ihr die Ergebnisse ihrer Prüfungen jeweils mit und zahlte die aus ihrer Sicht zum jeweiligen Abrechnungsstichtag berechtigten Beträge aus. Auf diese Weise hat sich die Summe der von der ARGE K... geforderten und noch offenen Abschlagsforderung über die Vertragslaufzeit hinweg stetig erhöht.
Am 10.07.2023 stellte die ARGE K... die 44. Abschlagsrechnung Nr. 20202-2023. Mit dieser machte die ARGE K... unter Zugrundelegung eines Betrags für von ihr geleistete Arbeiten von 282.810.895,05 Euro und bislang eingegangener Zahlungen i.H.v. 230.674.000,00 Euro eine Abschlagssumme von 52.136.895,05 Euro brutto geltend. Zudem teilte die ARGE K... im Begleitschreiben zur 44. Abschlagsrechnung mit, "dass wir in der anliegenden Rechnung die Nachtragsvergütung für die Nachträge NA10, NA11, NA12, NA13, NA25, NA30, NA31, NA38, NA41 und NA50 in Anwendung von § 650c Abs. 3 BGB mit 80% der von uns angebotenen Nachtragsvergütung angesetzt haben. [...] Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass Sie gesetzlich dazu verpflichtet sind, die Abschlagszahlungen auf die von uns im Umfang von 80% der angebotenen Nachtragsvergütung abgerechneten Höhe (Nachtragspositionen und daraus resultierende zeitgebundene Kosten) unbeschadet dessen ohne weitere Kürzungen zu leisten, dass über die Vergütungshöhe derzeit noch keine Einigkeit besteht."
Mit Schreiben vom 19.07.2023 wies die Auftraggeberin die mit der 44. Abschlagsrechnung geltend gemachten Forderungen, soweit diese nicht bezahlt wurden, unter Hinweis auf das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 650c Abs. 3 BGB zurück. Gemäß Rechnungsprüfung der Auftraggeberin vom 31.07.2023 wurde ein Betrag von 6.293.000,00 Euro im Hinblick auf die 44. Abschlagsrechnung zur Zahlung freigegeben.
Mit Schreiben vom 01.08.2023 setzte die ARGE K... eine Nachfrist zur Begleichung des noch offenen Betrags der 44. Abschlagszahlung und drohte mit der Baueinstellung für den Fall, dass die gesetzte Nachfreist bis zum 09.08.2023 erfolglos verstreicht.
Daraufhin beantragte die Auftraggeberin des Bauvertrags am 02.08.2023 den Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht ... gegen die 44. Abschlagszahlung (Az. ...). Sie beantragte, festzustellen, dass die ARGE K... vorläufig nicht berechtigt war, mit der 44. Abschlagsrechnung Mehrvergütungsansprüche für in der Antragsschrift im Einzelnen spezifizierten Nachtragsleistungen auf der Grundlage des § 650c Abs. 3 S. 1 BGB zu verlangen.
Am 10.08.2023 stellte die ARGE K... die Arbeiten auf der Baustelle ein und teilte dies der Auftraggeberin mit Schreiben vom 10.08.2023 mit. Als Grund für die Einstellung der Arbeiten gab die ARGE K... an, dass der eingegangene Zahlbetrag "jedoch um 45.829.895,05 Euro (brutto) hinter dem Anforderungsbetrag unserer 44. Abschlagsrechnung zurück[blieb]; dies obwohl wir in unserer 44. Abschlagsrechnung bislang strittige Nachtragsvergütungen inklusive der daraus resultierenden Vergütung zeitgebundener Kosten in Anwendung von § 650c Abs 3 BGB bereits auf 80% der von uns angebotenen und in unseren vorangegangenen Abschlagsrechnungen abgerechneten Nachtragsvergütungen reduziert haben."
Daraufhin forderte das Staatliche Bauamt ... die ARGE K... mit Schreiben vom selben Tag auf, die Bauarbeiten unverzüglich wieder aufzunehmen und teilte mit, dass "Ansprüche, die über den ausgezahlten Betrag aus der 44. AR hinausgehen, insbesondere die von Ihnen geltend gemachten Ansprüche auf der Grundlage von § 650c Abs. 3 BGB [nicht] bestehen".
Mit Schreiben vom 14.08.2023 drohte die ARGE K... die Kündigung an für den Fall, dass der aus ihrer Sicht offene Betrag aus der 44. Abschlagsrechnung nicht bis zum 25.08.2023 bezahlt werde. Da keine weiteren Zahlungen eingingen, kündigte die ARGE K... den Vertrag mit Schreiben vom 28.08.2023 fristlos gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B.
In der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 29.08.2023 vor dem LG ... erklärte die ARGE K..., dass sie ihre Kündigung für berechtigt halte und daher Schlussrechnung legen werde. Aus den gestellten Abschlagsrechnungen werde nicht mehr vorgegangen. Daraufhin hat die Auftraggeberin des Bauvertrags den Rechtsstreit unter Verwahrung gegen die Kostenlast für erledigt erklärt. Die ARGE K... hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen. Die Auftraggeberin des Bauvertrags hat daraufhin beantragt, festzustellen, dass bis zum erledigenden Ereignis, das aus ihrer Sicht in der Erklärung der ARGE K... vom 29.08.2023 besteht, aus den Abschlagsrechnungen nicht mehr vorzugehen, die einstweilige Verfügung zulässig und begründet war. Die ARGE K... ist dem Antrag entgegengetreten.
Im Urteil vom 31.08.2023 stellte das Landgericht ... fest, dass "die Voraussetzungen für eine Geltendmachung von Abschlagsforderungen gem. § 650c Abs. 3 BGB nicht vorlagen, so dass die Antragsgegnerin [Arbeitsgemeinschaft K...] nicht berechtigt war, auf dieser Grundlage Abschlagsforderungen - konkret die streitgegenständliche 44. Abschlagsrechnung - zu erheben." (LG ..., Urteil vom ...) Die ARGE K... legte gegen dieses Urteil Berufung zum OLG ... ein.
Am 01.09.2023 kündigte nunmehr das Staatliche Bauamt ... den Bauvertrag mit der ARGE K... gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B i.V.m. § 5 Abs. 3 und 4 VOB/B, da die ARGE K... trotz der Schreiben vom 10.08.2023, 18.08.2023 und zuletzt 30.08.2023, mit welchen sie zur Abhilfe und dazu aufgefordert worden sei, die Arbeiten an der gemeinsamen Baumaßnahme wiederaufzunehmen, bis heute keine weitere Tätigkeit auf der Baustelle entfaltet und die Bauarbeiten nicht wiederaufgenommen habe. Darüber hinaus stützte das Staatliche Bauamt ... die Kündigung darauf, dass die ARGE K... mit Schreiben vom 28.08.2023 den Bauvertrag rechtswidrig und unwirksam fristlos gekündigt und die Leistung damit endgültig verweigert habe.
Mit Auftragsbekanntmachung vom 07.11.2023 schrieb der Antragsgegner die Restarbeiten [Tunnel] in einem nicht offenen Verfahren mit Teilnahmewettbewerb aus. Die Antragstellerin reichte fristgerecht einen Teilnahmeantrag ein. Vertretungsberechtigtes Mitglied der Antragstellerin ist die B... GmbH, welche ebenfalls das vertretungsberechtigte Mitglied der ARGE K... war.
Mit Schreiben vom 01.12.2023 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass er beabsichtige ihre Bewerbung vom Wettbewerb auszuschließen, da die B... GmbH als bevollmächtigte Vertreterin der Bewerbergemeinschaft auch Mitglied der ARGE K... gewesen sei. Der Bauvertrag mit der ARGE K... über das Bauvorhaben [Tunnel] hätte nach § 8 Abs. 3 VOB/B am 01.09.2023 außerordentlich gekündigt werden müssen. Grundlage hierfür sei eine zu Unrecht seit dem 10.08.2023 eingestellte Leistung gewesen, nachdem ungerechtfertigt eine Forderung auf Zahlung nach § 650c Abs. 3 BGB geltend gemacht worden sei. Die fehlende Rechtfertigung dieser Forderung habe das Landgericht ... im Rahmen eines Verfahrens über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 31.08.2023 (Az. ...) bestätigt. Der Antragsgegner gab der Antragstellerin Gelegenheit, sich zu diesem beabsichtigten Ausschluss zu äußern und zwar sowohl zu der zu Grunde liegenden schweren Verfehlung bzw. Vertragsverletzung nach §§ 124 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 7 GWB, als auch zur Frage der Zurechnung der Entschließungen der ARGE K... zum Mitglied B... GmbH sowie schließlich zur im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung anzustellenden Prognose, ob (dennoch) die Annahme gerechtfertigt sein könnte, dass die Bewerbergemeinschaft im Fall der Beauftragung mit dem ausgeschriebenen Vertrag den Inhalt der sich hieraus ergebenden vertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß und ohne Verletzung des Kooperationsprinzips und ohne ungerechtfertigte Leistungseinstellung zur Durchsetzung von Nachtragsansprüchen erfüllen wird.
Mit Schreiben vom 07.12.2023 antwortete die Antragstellerin auf die Anhörung. Es sei bereits der Tatbestand der Ausschlussgründe nicht erfüllt, da in der von der ARGE K... erklärten Kündigung weder eine schwere Verfehlung im Sinne des § 124 Abs. 3 GWB liege, noch eine erhebliche mangelhafte Erfüllung des zwischen der ARGE K... und der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Vertrags vorliege, sondern die ARGE K... lediglich ihre vertraglichen Rechte wahrgenommen hätte. Im vorliegenden Fall sei zwischen den Parteien unstreitig, dass die ARGE K... Abschlagsrechnungen gestellt habe, die vom Auftraggeber in wesentlichem Umfang nicht gezahlt worden seien. In dieser Situation könne der Auftragnehmer grundsätzlich nach § 320 Abs. 1 BGB, § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B die Leistung einstellen bzw. nach fruchtlosem Ablauf einer angemessenen, mit Kündigungsandrohung versehenen Frist den mit dem Auftraggeber geschlossenen Vertrag nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B außerordentlich kündigen. Indiztatsachen, aus denen sich ergebe, dass die von der ARGE K... erklärte, außerordentliche Kündigung vor diesem Hintergrund rechtswidrig gewesen sein sollte, bzw. die von der Bundesrepublik Deutschland erklärte "Gegenkündigung" rechtmäßig, seien nicht ersichtlich und würden sich auch nicht aus dem Urteil des Landgerichts ... ergeben. Abgesehen davon, dass diese Entscheidung nicht rechtskräftig sei, befasse sich das Gericht darin ausschließlich mit der Frage, ob in dem entschiedenen Fall die Voraussetzungen für die Anwendung des § 650c Abs. 3 BGB vorlagen. Angesichts dessen liege nicht einmal eine überwiegende Wahrscheinlichkeit nach § 287 ZPO dafür vor, dass die von der Bundesrepublik Deutschland erklärte, "Gegenkündigung" rechtmäßig sei bzw. die von der ARGE K... erklärte Leistungseinstellung und die nachfolgend erklärte außerordentliche Kündigung rechtswidrig. Vielmehr habe die ARGE K... ihre Leistungen berechtigterweise wegen Verzugs des Auftraggebers mit Abschlagszahlungen zunächst eingestellt und sodann aus eben diesem Grund den Bauvertrag berechtigterweise nach § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B, § 9 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VOB/B gekündigt. Die ARGE K... hätte ihre Nachtragsforderungen bis einschließlich zur 43. Abschlagsrechnung in Höhe von 100% der von ihr vertragskonform ermittelten und angebotenen Höhe in Rechnung gestellt, ihre Abschlagsforderung mit der 44. Abschlagsrechnung durch Herabsetzung der Nachtragsforderungen bei den im Antrag in Bezug genommenen Positionen auf 80% dieser Höhe also reduziert. Durch diese Reduzierung könne die Abschlagsforderung nicht unberechtigt geworden sein. Zudem verbliebe, selbst wenn man aus den Urteilsgründen des landgerichtlichen Urteils folgern könnte, dass der ARGE K... die begehrte Abschlagszahlung in letztgenannter Höhe nach Auffassung des Landgerichts "vorläufig" nicht zustehe, eine offene Abschlagsforderung von brutto 11.193.607,21 Euro, zu der sich das Landgericht in den Urteilsgründen nicht geäußert habe.
Mit Schreiben vom 11.12.2023 schloss der Antragsgegner den Teilnahmeantrag der Antragstellerin gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 7 GWB bzw. § 6e EU Abs. 6 Nr. 3 und Nr. 7 VOB/A aus. Die B... GmbH habe im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen durch die die Integrität dieses Unternehmens und damit auch der Bewerbergemeinschaft in Frage gestellt werde. Die B... GmbH habe als Mitglied der ARGE K... an einer unberechtigten Leistungseinstellung zur Durchsetzung nicht gerechtfertigter Nachtragsansprüche und nicht gerechtfertigter Vergütungsansprüche maßgeblich mitgewirkt. Zudem habe die B... GmbH als Mitglied der ARGE K... mit der ungerechtfertigten Leistungseinstellung der Arbeiten für das Projekt [Tunnel] eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung dieses früheren und unterdessen beendeten öffentlichen Auftrags erheblich und fortdauernd mangelhaft, nämlich gar nicht mehr, erfüllt, was zu einer vorzeitigen Beendigung dieses Vertragsverhältnisses geführt habe. Das Verhalten der B... GmbH als technische Geschäftsführerin der ARGE K... sei der Antragstellerin als Bewerbergemeinschaft auch zuzurechnen.
Die Antragstellerin rügte diesen Ausschluss mit Schreiben vom 18.12.2023. Sie erklärte, dass die seitens der ARGE K... erklärte Kündigung rechtmäßig sei, die Regelung des § 650c Abs. 3 BGB entgegen der Auffassung des LG ... anwendbar sei und dass das LG ... keine Aussagen darüber getroffen habe, ob die geltend gemachte Abschlagsforderung bestanden habe. Zudem habe die 44. Abschlagsforderung auch Zahlungsansprüche i.H.v. ca. 11 Mio. Euro enthalten, welche nicht auf Grundlage von § 650c Abs. 3 BGB abgerechnet worden seien. Allein der Verzug von diesen Zahlungsansprüchen habe die von der ARGE K... erklärte Kündigung bzw. die vorausgegangene Leistungseinstellung gerechtfertigt. Schließlich sei auch das Verhalten der ARGE K... der Antragstellerin nicht zuzurechnen.
Der Antragsgegner wies die Rüge mit Schreiben vom 21.12.2023 mit der Begründung zurück, dass die Voraussetzungen für den Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vorliegen würden. Zudem sei das Verhalten der ARGE K... der Antragstellerin zuzurechnen. Die ARGE K... habe die Leistungen zum 10.08.2023 zu Unrecht eingestellt und die fristlose Kündigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B vom 28.08.2023 sei unzulässig gewesen, insbesondere da sie sich auf die Behauptung stütze, es liege ein Verzug mit Zahlungen auf Ansprüche vor, deren Begleichung ausschließlich nach § 650c Abs. 3 S. 1 BGB gefordert worden seien. Schließlich sei auch keine Rechnung über den vollen Betrag der in die 44. Abschlagsrechnung eingestellten Nachtragsforderungen und Forderungen aus zeitgebundenen Kosten, für die lediglich auf Grundlage des § 650c Abs. 3 BGB 80% geltend gemacht worden waren, gestellt worden.
Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 21.12.2023 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
Die Antragstellerin trägt vor, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Der Antragsgegner habe die Antragstellerin zu Unrecht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen. Die Ausschlussentscheidung des Antragsgegners sei allein auf das Urteil des LG ... vom 31.08.2023 gestützt gewesen und beruhe daher auf einer unzureichenden Sachverhaltsermittlung, da sich dem Urteil des LG ... gerade nicht entnehmen lasse, dass die 44. Abschlagsrechnung der ARGE K... überhöht gewesen sei. Durch das Urteil des LG ... sei keinesfalls die Grundlage für die Rechtfertigung der Leistungseinstellung und die Kündigung der ARGE K... weggefallen und belege damit auch nicht die Rechtmäßigkeit der außerordentlichen Kündigung der Bundesrepublik Deutschland, auf die der Antragsgegner den Ausschluss der Antragstellerin stütze.
Auch der vom Antragsgegner ins Feld geführte Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB liege nicht vor. Die Kündigung des mit der ARGE K... geschlossenen Vertrags durch die Bundesrepublik Deutschland sei unrechtmäßig erfolgt. Denn die Bundesrepublik Deutschland habe sich mit der Zahlung der 44. Abschlagsrechnung, jedenfalls in Höhe eines Betrages von 11.193.607,21 Euro netto in Verzug befunden, unabhängig von der Frage, ob und in welcher Höhe Nachtragsforderungen der ARGE K... berechtigt waren. Zweifelsfrei rechtfertige allein ein Verzug in derart enormer Höhe eine Leistungseinstellung bzw. eine Kündigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B. Das Urteil des LG ... ändere daran auch nichts. Zudem sei § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB bereits nicht anwendbar, da das Verhalten der ARGE K... bei der Abwicklung des mit der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Vertrages der Antragstellerin nicht zugerechnet werden könne. Die ARGE K... und die Antragstellerin seien zwei rechtlich voneinander unabhängige Gesellschaften des bürgerlichen Rechts mit teilweise unterschiedlicher Gesellschafterstruktur. Das Verhalten der ARGE K... könne der Antragstellerin schon allein deshalb nicht zugerechnet werden.
Der Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB liege ebenfalls nicht vor. Zum einen verdränge § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB als speziellere Norm § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB und sei daher im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Darüber hinaus könne das Verhalten der B... GmbH in ihrer Eigenschaft als kaufmännische Geschäftsführerin der ARGE K... schon deshalb keine schwere Verfehlung im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB darstellen, weil die ARGE K... sowohl bei Einstellung ihrer Leistungen als auch bei der Erklärung der Kündigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B rechtmäßig gehandelt habe, weil sich die Bundesrepublik Deutschland mit der Zahlung der 44. Abschlagsrechnung in Verzug befunden habe. Darüber hinaus könnten die angeblich von der B... GmbH in ihrer Eigenschaft als kaufmännische Geschäftsführerin der ARGE K... begangenen schweren Verfehlungen im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB der Antragstellerin nicht zugerechnet werden, da es an einer Rechtsgrundlage für eine solche Zurechnung fehle.
Die Antragstellerin beantragt
1. dem Antragsgegner aufzugeben, bei fortbestehender Vergabeabsicht im Vergabeverfahren ... das Vergabeverfahren in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen und die Antragstellerin zur Angebotsabgabe aufzufordern;
2. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzulegen;
3. die Hinzuziehung des Unterzeichners für notwendig zu erklären;
4. der Antragstellerin, vertreten durch den Unterzeichner, Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt
1. Der Nachprüfungsantrag vom 21.12.2023 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Vergabenachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen.
3. Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten durch den Antragsgegner wird für erforderlich erklärt.
Zur Begründung trägt der Antragsgegner vor, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin unbegründet sei, da die Antragstellerin zurecht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden und nicht zur Angebotsabgabe aufgefordert worden sei.
Aus den Entscheidungsgründen des Urteils des LG ... vom 31.08.2023 folge für den Antragsgegner, dass die ARGE K... ihre Leistungen am 10.08.2023 unberechtigt eingestellt habe. Diese Auffassung sei auch durch den Hinweisbeschluss des OLG ... vom 30.01.2024 bestätigt worden. Dieses Verhalten stelle eine schwere Verfehlung dar, die die Integrität der B... GmbH als vertragskonform handelnde Geschäftspartnerin in Frage stelle. Die B... GmbH sei als Mitglied der ARGE K... mit der technischen und kaufmännischen Geschäftsführung betraut und habe damit an den Vorgängen, die zur Kündigung geführt haben, maßgeblich mitgewirkt. Das Verhalten der B... GmbH sei damit für die Entscheidungen der ARGE K... ausschlaggebend gewesen, so dass es auch der Antragstellerin, welche ebenfalls maßgeblich von der B... GmbH als Vertreterin beeinflusst werde, zuzurechnen sei. Auch komme die Firma Kern mangels eigener Eignung als Einzelbewerberin nicht in Betracht und die B... GmbH sei kein Unterauftragnehmer, der ausgetauscht werden könne.
Die ARGE K... habe ihre Leistungen nicht nur unzulässig eingestellt, sondern nicht einmal nach Erlass des Urteils des Landgerichts ... vom 31.08.2023 und nach nochmaliger Aufforderung die Leistungen wiederaufgenommen, die Kündigung des Vertrages am 01.09.2023 von Seiten des Staatlichen Bauamts ... sei daher rechtmäßig erfolgt. Die Ausschlussgründe des § 127 Abs. 1 Nr. 7 GWB würden damit tatbestandlich vorliegen. Das nach der Erfüllung der Ausschlusstatbestände eröffnete Ermessen rechtfertige die Ausschlussentscheidung ebenfalls. Gerade die Erfahrungen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Auftragsverhältnisses geführt hätten, könnten die Befürchtung rechtfertigen, dass bei erneuter Beauftragung dieses Bieters nicht mit einer ordnungsgemäßen Leistungsabwicklung zu rechnen sei. Dazu müsse im Nachprüfungsverfahren nicht positiv festgestellt werden, dass die außerordentliche Vertragskündigung durch den Auftraggeber gerechtfertigt gewesen sei.
Mit rechtlichem Hinweis vom 11.01.2024 teilte die Vorsitzende der Vergabekammer mit, dass sie nach eingehender Prüfung des Nachprüfungsantrags und der beigefügten Unterlagen sowie der Antragserwiderung und der vorgelegten Vergabeakte zu der vorläufigen Einschätzung gekommen sei, dass der Nachprüfungsantrag unbegründet sei. Die Antragstellerin sei nach vorläufiger Rechtsauffassung der Vergabekammer zu Recht vom weiteren Vergabeverfahren gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ausgeschlossen worden. Dem Antragsgegner gelinge der Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB, insbesondere das notwendige Beweismaß für die Schlechtleistung sei erreicht. Die mangelhafte Vertragserfüllung der ARGE K... sei der Antragstellerin auch zuzurechnen und bei der Prognoseentscheidung seien keine Fehler ersichtlich. Es sei für die Frage des Beweismaßes unerheblich, dass die Antragstellerin gegen das Urteil des LG ... vom 31.08.2023 Berufung eingelegt habe. Es bedürfe gerade keiner rechtskräftigen Feststellung der Schlechtleistung. Die Antragstellerin erhielt Gelegenheit, bis spätestens 22.01.2024 - 12.00 Uhr Stellung zu nehmen sowie mitzuteilen, ob sie den Nachprüfungsantrag zurücknehme.
Mit Schreiben vom 12.01.2024, bei der Vergabekammer eingegangen am 18.01.2024, erklärte die Antragstellerin, dass eine Rücknahme des Nachprüfungsantrags nicht in Betracht komme. Die vorläufige Rechtsauffassung der Vergabekammer beruhe auf einem offensichtlichen Fehlverständnis dessen, was Inhalt der Entscheidung des Landgerichts ... war, sowie auf einem falschen Verständnis des § 650c Abs. 3 BGB. Die Vergabekammer habe bei Abfassung ihres Schreibens vom 11.01.2024 offenbar einseitig die Rechtsauffassung des Antragsgegners zu Grunde gelegt und wesentliche Erwägungen, die im Nachprüfungsantrag ausführlich dargestellt waren, offensichtlich nicht zu Kenntnis genommen.
Mit Hinweisbeschluss vom 30.01.2024 teilte das OLG ... im Rechtsstreit mit dem Az. ... mit, dass der Senat beabsichtige die Berufung der ARGE K... gegen das Urteil des Landgerichts ... gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Mit Schreiben vom 01.02.2024 teilte die Vorsitzende der Vergabekammer mit, dass sie sich durch den Hinweisbeschluss des OLG ... vom 30.01.2024 in ihrer vorläufigen Rechtsauffassung, dass der gestellte Nachprüfungsantrag unbegründet sei, bestätigt sehe und verwies nochmals ausdrücklich auf ihren rechtlichen Hinweis vom 11.01.2023.
Mit Schreiben vom 02.02.2024 erklärte die Antragstellerin, die Vorsitzende der Vergabekammer Frau ... wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen und beantragte, den Antrag, die Vorsitzende der Vergabekammer, Frau ..., wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, für begründet zu erklären. Die abgelehnte Vorsitzende weigere sich beharrlich, dem Sachvortrag der Antragstellerin Gehör zu schenken oder bilde sich eine Rechtsmeinung ohne beide Parteien zuvor anzuhören und verstoße damit gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs. Die abgelehnte Vorsitzende stütze ihre vorläufige Rechtsmeinung ausschließlich auf die Behauptung, dass sich aus dem vom Antragsgegner zitierten Urteil des Landgerichts ... ergebe, dass der ARGE K... aus der 44. Abschlagsrechnung keine Forderungen zugestanden hätten. Mit den von der Antragstellerin ausführlich vorgebrachten Argumenten, dass das Urteil des Landgerichts zum Vorliegen eines Anspruchs auf Abschlagszahlung keine Aussage treffe, habe sich die abgelehnte Vorsitzende nicht auseinandergesetzt. Dass sich die abgelehnte Vorsitzende unabhängig vom Vorbringen der Antragstellerin bereits auf eine Entscheidung festgelegt habe, ergebe sich auch daraus, dass sie die Antragstellerin zum wiederholten Mal förmlich bedränge, ihren Nachprüfungsantrag zurückzunehmen und zugleich (wenn auch zwischen den Zeilen) androhe, für den Fall, dass eine Rücknahme nicht erfolge, der dann ergehende Beschluss der Vergabekammer für die Antragstellerin nachteilige Aussagen enthalten werde und veröffentlicht werde.
Mit Beschluss vom 06.02.2024 wies die Vergabekammer in Besetzung durch den Vorsitzenden ..., die hauptamtliche Beisitzerin Frau ... und die ehrenamtliche Beisitzerin Frau ... den Befangenheitsantrag der Antragstellerin zurück, da der von der Antragstellerin dargestellte Sachverhalt nicht auf eine Befangenheit der Vorsitzenden schließen lasse. Aus dem von der Antragstellerin vorgetragenen Sachverhalt seien insbesondere keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Vorsitzende der Vergabekammer Frau ... sich weigern würde den Sachvortrag der Antragstellerin zur Kenntnis zu nehmen oder sich eine Rechtsmeinung gebildet habe, ohne die Parteien vorher anzuhören. Es bestünden weiterhin auch keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Vorsitzende der Vergabekammer Frau ... aufgrund unsachgemäßer Rücksichtnahme auf ihren Dienstherrn, den Freistaat Bayern, entschlossen sei, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen. Ferner lasse sich auch aus dem Hinweis, dass im Falle einer Rücknahme keine begründete Sachentscheidung ergehen würde, nicht der Schluss ziehen, dass die Vorsitzende der Vergabekammer Frau ... in ihrer Entscheidung bereits so festgelegt sei, dass sie nicht mehr bereit sei, auf entscheidungserheblichen Tatsachen- oder Rechtsvortrag einzugehen. Vielmehr sollte dieser Hinweis die Befürchtungen der nicht anwaltlich vertretenen Antragstellerin zerstreuen, dass eine Rücknahme des Nachprüfungsantrags negative Folgen auf mögliche zukünftige zivilrechtliche Streitigkeiten der ARGE K... mit dem Antragsgegner haben könnte.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2024 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag und zur Stellungnahme. Auf Nachfrage der Vergabekammer erklärten die Verfahrensbeteiligten, dass noch kein Beschluss des OLG ... ergangen sei. Zunächst erörterten die Parteien die Zurechnung des Verhaltens der ARGE K... an die Antragstellerin. Sodann wies die Vergabekammer darauf hin, dass zivilrechtliche Vorfragen wie die Rechtmäßigkeit der 44. Abschlagszahlung nicht von der Vergabekammer geklärt werden würden.
Weiter erklärte die Antragstellerin, dass Forderungen in Höhe von rund 11 Mio. Euro nicht vor dem LG ... Gegenstand gewesen seien und jedenfalls bezüglich dieser sei der Antragsgegner in Verzug. Auf Nachfrage erklärte der Antragsgegner, dass er keine Zahlungen auf diese noch offenen 11 Mio. Euro geleistet habe. Im weiteren Verlauf diskutierten die Verfahrensbeteiligten die Auswirkungen der Nichtanwendbarkeit des § 650c BGB auf die Fälligkeit und die Forderungen der Antragstellerin im Allgemeinen, die Beweislast für die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB sowie eine mögliche Verletzung von Kooperations- und Rücksichtnahmepflichten durch die Antragstellerin.
Mit nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 26.02.2024 trug der Antragsteller noch einmal seine Rechtsauffassung zusammengefasst vor. Mit ebenfalls nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 28.02.2024 antwortete die Antragstellerin darauf.
Am 13.03.2024 teilte der Antragsgegner der Vergabekammer mit, dass das OLG ... in der Zivilsache ... nun endgültig die Berufung gegen das Endurteil des LG ... vom 31.08.2023, Az. ... zurückgewiesen habe. Die Vergabekammer bat daraufhin um Übersendung des Beschlusses zur Vervollständigung ihrer Akten.
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV.
Gegenstand der Vergabe ist ein Bauauftrag i.S.d. § 103 Abs. 3 GWB. Der Antragsgegner ist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert.
Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Teilnahmeantrags nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch den Ausschluss ihres Teilnahmeantrags geltend gemacht.
Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB entgegen, da die Antragstellerin den Ausschluss ihres Teilnahmeantrags binnen der Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB gerügt hat.
2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet, da der Ausschluss des Teilnahmeantrags der Antragstellerin rechtswidrig war. Der Antragsgegner konnte nicht mit der erforderlichen, jedenfalls überwiegenden Wahrscheinlichkeit darlegen, dass die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB hinsichtlich seiner Kündigung vom 01.09.2023 wegen der Einstellung der Arbeiten oder der Kündigung der ARGE K... vom 28.08.2023 auch vorliegen. Zudem berücksichtigt der Antragsgegner bei seiner im Vergabevermerk dokumentierten Ermessensausübung wesentliche Aspekte nicht. Die Antragstellerin ist hierdurch auch in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht im diesem Vergabeverfahren ist daher der Teilnahmeantrag der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu bewerten. Die von der Antragstellerin beantragte Aufforderung der Antragstellerin zur Angebotsabgabe und die Zurückversetzung des Verfahrens vor Aufforderung zur Angebotsabgabe kann von der Vergabekammer zum derzeitigen Verfahrensstand nicht angeordnet werden, da zunächst die Prüfung des Teilnahmeantrags der Antragstellerin vom Antragsgegner zu erfolgen hat.
Nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB können öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme eines Vergabeverfahrens ausschließen, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.
Im Streitfall muss die Vergabestelle den Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrundes führen, nämlich dass eine erhebliche oder fortdauernde Schlechtleistung zur Kündigung oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. Es genügt nicht, dass der Auftraggeber gekündigt hat, es muss vielmehr feststehen, dass dies auch zu Recht erfolgt ist (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2017 - 13 Verg 9/16; VK Südbayern, Beschluss vom 08.04.2019 - Z3-3-3194-1-46-12/18).
In der Rechtsprechung werden unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, welche Anforderungen an den Nachweis der Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zu stellen sind, wenn wie im vorliegenden Fall ein Unternehmen die behauptete Schlechtleistung bestreitet und die Kündigung des öffentlichen Auftraggebers lediglich als freie Auftraggeberkündigung akzeptiert. Einigkeit besteht nur insoweit, als die Tatsachen, auf die die Ausschlussentscheidung nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB gestützt wird, nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sein müssen (vgl. OLG München, Beschluss vom 05.10.2012 - Verg 15/12; OLG Koblenz, Beschluss vom 25.02.2015 - 1 Verg 5/14).
Das OLG Düsseldorf hat in dieser Frage noch nicht abschließend entschieden, tendiert allerdings dazu, dass der öffentliche Auftraggeber bezüglich der von der Vorschrift verlangten Schlechterfüllung Gewissheit erlangt haben muss, also eine Überzeugung gewonnen hat, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.03.2018 - VII-Verg 49/17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018 - Verg 7/18). Nach Auffassung des OLG Celle liegt das Beweismaß für die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zwischen einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit gemäß § 287 ZPO und dem Vollbeweis gemäß § 286 ZPO. Es reiche aus, wenn der öffentliche Auftraggeber Indiztatsachen vorbringe, die von einigem Gewicht seien, auf gesicherten Erkenntnissen aus seriösen Quellen basierten und die die Entscheidung des Auftraggebers zum Ausschluss des Bieters nachvollziehbar erscheinen ließen (OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2017 - 13 Verg 9/16).
Im vorliegenden Fall bedarf es keiner Entscheidung, welches Beweismaß zu fordern ist, da bereits die Voraussetzungen für die nach Ansicht des OLG Celle notwendige Gewissheit hinsichtlich der Schlechterfüllung nicht vorliegen, an die geringere Anforderungen als an einen Vollbeweis gemäß § 286 ZPO gestellt werden.
Der Antragsgegner hatte die Kündigung vom 01.09.2023 auf § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B i.V.m. § 5 Abs. 3 und 4 VOB/B und darauf gestützt, dass die ARGE K... ihrerseits mit Schreiben vom 28.08.2023 den Bauvertrag rechtswidrig und unwirksam "fristlos" gekündigt habe und die Leistung endgültig verweigert habe.
2.1. Der Antragsgegner konnte nicht mit der erforderlichen, jedenfalls überwiegenden Wahrscheinlichkeit darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB hinsichtlich seiner Kündigung vom 01.09.2023 wegen der Einstellung der Arbeiten vorliegen.
Gemessen an dem oben genannten Prüfungsmaßstab ist der Vortrag des Antragsgegners nicht ausreichend, um den Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB hinsichtlich der Kündigung durch den Antragsgegner gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 3 und Abs. 4 VOB/B wegen der Einstellung der Arbeiten durch die ARGE K... als "nachweislich" erfüllt anzusehen. Es liegen keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass die ARGE K... gemäß § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht berechtigt gewesen wäre, die Arbeiten wegen Zahlungsverzug einzustellen. Die ARGE K... machte mit der 44. Abschlagsrechnung auch Forderungen in Höhe von rund 11 Mio. Euro geltend, welche nicht Gegenstand der gerichtlichen Entscheidungen des Landgerichts ... sowie des OLG ... waren und die eine rechtmäßige Grundlage für die am 10.08.2023 erfolgte Arbeitseinstellung der ARGE K... nach § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B darstellen könnten. Für einen Ausschluss des Teilnahmeantrags der Antragstellerin nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB aufgrund der Arbeitseinstellung vom 10.08.2023 fehlt es an damit an der Nachweislichkeit der Schlechtleistung, da im Falle der berechtigten Ausübung von Leistungsverweigerungsrechten keine Schlechtleistung vorliegen würde. Die fehlende überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Arbeitseinstellung durch die ARGE K... nicht gerechtfertigt war, geht zu Lasten des Antragsgegners.
2.1.1. Im Bauvorhaben [Tunnel] rechnete die ARGE K... im Wege der kumulierten Aufstellung ab. Mit der 44. Abschlagsrechnung vom 10.07.2023 stellte sie dabei erstmals auf die Abrechnungsmethode nach § 650b Abs. 1 Satz 2 GWB um. Dabei wies die ARGE K... in der Abschlagsrechnung zwar 100% der angebotenen Nachtragsvergütung als Gesamtbetrag aus, stellte für bestimmte Nachträge aber ausweislich der Abschlagsrechnung ihre "Forderung gemäß § 650b Abs. 1 Satz 2 GWB" nur mit 80% des ausgewiesenen Gesamtbetrags in die Gesamtsumme ein. Unter Zugrundelegung eines Betrags von 282.810.895,05 Euro und bislang eingegangener Zahlungen i.H.v. 230.674.000,00 Euro hat die ARGE K... damit mit der 44. Abschlagsrechnung eine Abschlagssumme von 52.136.895,05 Euros (brutto) geltend gemacht.
Nachdem gemäß der Rechnungsprüfung vom 31.07.2023 ein Betrag von 6.293.000,00 Euro (brutto) im Hinblick auf die 44. Abschlagsrechnung zur Zahlung freigegeben wurde und die ARGE K... in ihrem Schreiben vom 14.08.2023 einen Zahlungseingang von 6.307.000,00 Euro (brutto) bestätigte, blieben die geleisteten Zahlungen laut Schreiben der ARGE K... vom 14.08.2023 um 45.829.895,05 Euro (brutto) hinter dem Anforderungsbetrag der 44. Abschlagsrechnung zurück. Laut des Urteils des LG ... vom 31.08.2023 beliefen sich die mit der 44. Abschlagsrechnung zu 80% angesetzten Mehrvergütungsansprüche auf Grundlage des § 650c Abs. 3 Satz 1 BGB auf 14.384.154,06 Euro (brutto) für die benannten Nachträge und auf 20.252.133,78 Euro (brutto) für zeitgebundene Kosten im Zusammenhang mit den Nachträgen. Die Summe von 34.636.287,84 Euro (brutto) für Mehrvergütungsansprüche, die in der 44. Abschlagsrechnung auf Grundlage des § 650c Abs. 3 Satz 1 BGB mit 80% des Gesamtbetrags ausgewiesen waren, bestätigt auch die Antragstellerin in ihrem Nachprüfungsantrag vom 21.12.2023 auf Seite 8.
Damit ergibt sich aus der 44. Abschlagsrechnung ein Betrag von rund 11,2 Mio. Euro (brutto) der, da er laut Aussage der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung nicht aus Nachträgen herrührt, auch nicht auf Grundlage des § 650c Abs. 3 Satz 1 BGB abgerechnet wurde, sondern mit 100% des von der ARGE K... beanspruchten und ausgewiesenen Gesamtbetrags in die 44. Abschlagsrechnung eingestellt worden war.
2.1.2. Bezüglich der offenen Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten, welche die ARGE K... in der 44. Abschlagsrechnung auf Grundlage des § 650c Abs. 3 BGB abgerechnet hat, konnte der Antragsgegner mit einer hinreichenden Gewissheit davon ausgehen, dass diese keine rechtmäßige Grundlage für eine Arbeitseinstellung nach § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B darstellten.
Die ARGE K... hat bezüglich der offenen Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten in der 44. Abschlagsrechnung gerade nicht lediglich eine andere Abrechnungsmethode gewählt oder lediglich eine Teilforderung von 80% in Rechnung gestellt, sondern wollte ausweislich des expliziten Hinweises im Zuleitungsschreiben zur 44. Abschlagsrechnung die Rechtsfolge, dass ihr Vertragspartner zur Zahlung der Pauschale verpflichtet wird, auch wenn die Höhe der geforderten Nachtragsvergütung zwischen den Parteien streitig ist.
Dies hat auch das Staatliche Bauamt ... als Rechnungsempfänger so interpretiert und daher hat die Bundesrepublik Deutschland gegen die 44. Abschlagsrechnung eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht ... beantragt, um feststellen zu lassen, dass die ARGE K... vorläufig nicht berechtigt sei, von ihr die Bezahlung der mit der Abschlagsrechnung Nr. 44 vom 10.07.2023 geltend gemachten Mehrvergütungsansprüche bestimmter Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten auf Grundlage des § 650c Abs. 3 S. 1 BGB zu verlangen.
Diese Auffassung stützen auch das Urteil des Landgerichts ... sowie die Beschlüsse des OLG .... Sowohl das Landgericht ... als auch das OLG ... haben in ihren Urteilen bzw. Beschlüssen explizit dazu ausgeführt, dass sich die 44. Abschlagsrechnung der ARGE K... hinsichtlich der Nachtragsforderungen auf einen Mehrvergütungsanspruch auf der Grundlage von § 650c Abs. 3 BGB stützt und die ARGE K... damit ihren Vertragspartner mit der 44. Abschlagsrechnung zur Zahlung dieser Summe unabhängig von der materiellen Berechtigung aufgefordert hat. Das OLG ... hat sowohl in seinem Hinweisbeschluss vom 30.01.2024 als auch in seinem Beschluss vom 12.03.2024 hinsichtlich des Verfügungsanspruchs ausgeführt, dass streitgegenständlich die Frage sei, ob die ARGE K... die Forderungen unter Berufung auf § 650c Abs. 3 BGB unabhängig von der materiellen Berechtigung habe verlangen können.
Das Landgericht ... hat in seinem Urteil vom 31.08.2023 ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Abschlagsforderungen auf Grundlage des § 650c Abs. 3 BGB nicht vorlagen, so dass die ARGE K... nicht berechtigt war, auf dieser Grundlage, konkret der streitgegenständlichen 44. Abschlagsrechnung, Abschlagsforderungen zu erheben. Dies wurde später vom OLG ... zunächst in dessen Hinweisbeschluss vom 30.01.2024 und dann im Beschluss vom 12.03.2024 so bestätigt.
Weiterhin stellte das Landgericht ... in seinem Urteil eine Dringlichkeit der Angelegenheit deswegen fest, da hinsichtlich der streitigen Frage, ob Abschlagsforderungen der ARGE K... auf § 650c Abs. 3 BGB gestützt werden können, bereits im Zusammenhang mit der 44. Abschlagsrechnung mit Schreiben vom 14.08.2023 die Kündigung des Werkvertrags angedroht wurde. Das OLG ... führt in seinem Hinweisbeschluss vom 30.01.2024 und wortgleich in seinem Beschluss vom 12.03.2024 dazu aus: "Unabhängig hiervon hatte die Antragstellerin die Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht. Denn unmittelbar vor Einreichung ihres Antrags hatte die Antragsgegnerin mit der Baueinstellung für den Fall gedroht, dass Abschlagsrechnung Nr. 44 nicht beglichen werde. Die Abschlagsrechnung Nr. 44 erstellte die Antragsgegnerin, im Gegensatz zu den vorherigen Abschlagsrechnungen, erstmals auf Grundlage des § 650c Abs. 3 BGB. Mit dem gestellten Antrag konnte die Antragstellerin der Abschlagsrechnung jedenfalls vorläufig die Grundlage entziehen und damit der drohenden Baueinstellung entgegentreten, auch wenn die Berechtigung der Forderungen nach dem gestellten Antrag nicht zu prüfen war."
Bereits nach dem Urteil des Landgerichts ... vom 31.08.2023 durfte der Antragsgegner daher mit hinreichender Gewissheit und ohne vernünftige Zweifel davon ausgehen, dass die ARGE K... zumindest derzeit und auf Grundlage der 44. Abschlagsrechnung keinen Mehrvergütungsanspruch für die Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten verlangen konnte. Damit bestehen auch keine Einwände dagegen, dass der Antragsgegner davon ausgegangen ist, dass eine Arbeitseinstellung aufgrund der offenen Forderungen aus der 44. Abschlagsrechnung hinsichtlich Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten, welche auf Grundlage des § 650c Abs. 3 BGB geltend gemacht worden waren, unzulässig gewesen sei.
Dies gilt völlig unabhängig davon, ob und in welcher Höhe die Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten, welche die ARGE K... in der 44. Abschlagsrechnung auf Grundlage des § 650c Abs. 3 BGB abgerechnet hat, inhaltlich tatsächlich bestehen und ob diese gegebenenfalls auf anderem Wege von der ARGE K... geltend gemacht werden könnten.
2.1.3. Bezüglich der in der 44. Abschlagsrechnung geltend gemachten Forderungen von rund 11 Mio. Euro, welche sich nicht aus Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten ergeben und welche die ARGE K... in der 44. Abschlagsrechnung nicht auf Grundlage des § 650c Abs. 3 BGB abgerechnet hatte, konnte der Antragsgegner jedoch nicht mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass diese keine rechtmäßige Grundlage für eine Arbeitseinstellung nach § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B darstellten.
Gemäß § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B hat ein Auftragnehmer das Recht die Arbeiten bei Zahlungsverzug bis zur Zahlung einzustellen, sofern eine dem Auftraggeber vorher gesetzte angemessene Frist verstrichen ist. Die ARGE K... hat jedenfalls mit Schreiben vom 01.08.2023 eine Nachfrist zur Begleichung der mit der 44. Abschlagsrechnung geltend gemachten Forderungen gesetzt und sogar die Einstellung der Arbeiten angedroht. Eine Arbeitseinstellung kann zudem auch dann nach § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B zulässig sein, wenn nur ein Teil der Forderung des Auftragnehmers berechtigt ist und der Auftraggeber damit nicht mit der vollen Summe im Verzug ist, für welche die Fristsetzung erfolgt ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 07.06.2016 - 22 U 45/12).
Da diese Forderungen in Höhe von insgesamt rund 11 Mio. Euro zwar ebenfalls in der 44. Abschlagsrechnung geltend gemacht aber nicht auf Grundlage von § 650c Abs. 3 BGB abgerechnet wurden, gelten hierfür die Ausführungen des Landgerichts ... und des OLG ... nicht. Diese Forderungen waren bereits nicht Gegenstand der gerichtlichen Entscheidungen, da es sich hierbei bereits nicht um Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten handelt. Im Gegensatz zu den auf Grundlage von § 650c Abs. 3 BGB geltend gemachten Mehrvergütungsansprüchen, gibt es hinsichtlich der sonstigen mit der 44. Abschlagsrechnung geltend gemachten Vergütungsansprüche in Höhe von rund 11 Mio. Euro keinerlei gerichtliche Aussagen, auf die sich der Antragsgegner stützen könnte. Das Landgericht ... hat in seinem Urteil vom 31.08.2023 ausschließlich über die Frage entschieden, dass die ARGE K... Mehrvergütungsansprüche nicht auf Grundlage von § 650c Abs. 3 BGB geltend machen könne, weil die Voraussetzungen des § 650b BGB nicht vorlägen. Dies wurde so vom OLG ... in der Berufungsentscheidung auch bestätigt. Die Feststellungen zu den Mehrvergütungsansprüchen, welche auf Grundlage von § 650c Abs. 3 BGB geltend gemacht wurden, sind damit auf die sonstigen Forderungen, die mit der 44. Abschlagsrechnung explizit nicht auf Grundlage von § 650c Abs. 3 BGB geltend gemacht wurden, nicht übertragbar.
Soweit die Antragsgegnerin in ihren Schriftsätzen vom 10.01.2024 und vom 16.02.2024 vorträgt, dass Kürzungen in Höhe von rund 11 Mio. Euro, welche nicht Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten betreffen, zu Recht erfolgt sind, bestreitet dies die Antragstellerin bereits mit dem Nachprüfungsantrag vom 21.12.2023 pauschal und ausführlicher in ihrem Schriftsatz vom 07.02.2024. Die Frage, ob und in welcher Höhe die von der ARGE K... geforderte Vergütung für diese Positionen zutreffend ist oder ob und in welcher Höhe die Bundesrepublik als Vertragspartnerin diese Forderungen kürzen kann, kann nicht abschließend in einem Nachprüfungsverfahren geklärt werden.
Gerade wenn es um die Frage geht, ob die für § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB erforderliche qualifizierte Rechtsfolge - hier die Kündigung des Auftrags durch den Auftraggeber - zu Recht erfolgt ist, kann dies nicht zur Folge haben, dass nunmehr die Vergabekammer bzw. der -senat auf eine rechtskräftige Entscheidung der Zivilgerichte warten bzw. die Rechtmäßigkeit der streitigen Kündigung selbst im Wege einer vollumfänglichen Inzidentprüfung mit unter Umständen langwieriger Beweisaufnahme wie in einem Bauprozess klären muss (OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2017 - 13 Verg 9/16). Im Nachprüfungsverfahren gilt der insbesondere in § 167 GWB verankerte Beschleunigungsgrundsatz. Diesem Grundsatz würde es eklatant zuwiderlaufen, einen monate- oder gar jahrelangen (Bau-)Zivilprozess abzuwarten bzw. ihn selbst inzident durchzuführen. Unter diesen Umständen wäre bei der Prüfung des Ausschlusses eines Bauunternehmers nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB regelmäßig die Frist des § 167 Abs. 1 GWB nicht zu wahren. Im Vergabenachprüfungsverfahren kann daher regelmäßig nur darüber entschieden werden, ob der öffentliche Auftraggeber die Anforderungen an den im Streitfall zu erbringenden Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrundes, hier also der zu Unrecht erfolgten Arbeitseinstellung als Kündigungsgrund, führen kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2017 - 13 Verg 9/16).
Im Rahmen des oben genannten Prüfungsumfangs der Vergabekammer ist daher nicht abschließend im Nachprüfungsverfahren zu ermitteln und zu klären, ob und inwieweit der ARGE K... die von ihr aufgestellten Forderungen in Höhe von rund 11 Mio. Euro aus der 44. Abschlagsrechnung, welche nicht Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten betreffen, zustehen oder nicht. Vielmehr hat die Vergabekammer anhand des Vorbringens der Beteiligten und der eingereichten Unterlagen zu prüfen, ob der öffentliche Auftraggeber zu Recht davon ausgegangen ist, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafürspricht, dass der ARGE K... diese Forderungen nicht zustanden und sich ihr Vertragspartner damit bereits hinsichtlich dieser Forderungen nicht im Zahlungsverzug befand.
Zu den Forderungen in Höhe von rund 11 Mio. Euro haben die Beteiligten streitig vorgetragen. Der Antragsgegner hat in seinem Schriftsatz vom 10.01.2024 die vier Bereiche benannt, in welchen die Kürzungen der Forderungen vorgenommen wurden und eine überblicksartige Erklärung dazu gegeben. Diese wiederholt er im Wesentlichen in seinem Schriftsatz vom 16.02.2024 und ergänzt sie um einige Erläuterungen. Die Antragstellerin widerspricht den Kürzungen bereits im Nachprüfungsantrag vom 21.12.2023 pauschal und erläutert ihre Forderungen diesbezüglich kurz im Schriftsatz vom 07.02.2024. Weder die Antragstellerin noch der Antragsgegner haben darüberhinausgehende Erläuterungen oder Gutachten eingereicht, welche stichhaltige Argumente für die eine oder andere Seite enthalten. Das vom Antragsgegner eingereichte Gutachten "Baubetriebliche Kurzstellungnahme ..." (Anlage AG 3) beinhaltet ausschließlich den Anteil der zeitgebundenen Gemeinkosten bei den Nachträgen. Die als Anlage 15 mit dem Nachprüfungsantrag eingereichte "Expertise zur baubetrieblichen Stellungnahme von ... vom 02.08.2023" beschäftigt sich daher ebenfalls nur mit den streitigen Forderungen aus den Nachträgen. Hinsichtlich der Bereiche "Zulage ZGK Vortrieb Nord", "Zulage ZGK Vortrieb Süd inkl. Kaverne" und "Entsorgung von Ausbruch- und Aushubmaterial" legt die Antragstellerin mit der Anlage ASt 25 ihre Mengenermittlungen vor und bietet an, bezüglich der Entsorgungsleistungen auch eine sehr umfangreiche Dokumentation der Wiegescheine und Deklarationen vorzulegen. Eine eindeutige Sachlage, ob und in welcher Höhe der ARGE K... nun die Forderungen von rund 11 Mio. Euro aus der 44. Abschlagsrechnung, welche nicht Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten betreffen, zustehen oder nicht, ergibt sich weder aus den Vorträgen der Beteiligten noch aus den eingereichten Unterlagen. Hierzu bedürfte es umfassender Sachverhaltsermittlung sowie der Einholung von Gutachten durch die Vergabekammer und weiteren umfangreichen Vortrag der Beteiligten. Dies übersteigt die unter dem Grundsatz des Beschleunigungsgebot zu leistende inzidente Prüfung des (Bau-)Zivilrechts im Vergabeverfahren.
Die Vergabekammer hat damit nur darüber zu entscheiden, ob der Antragsgegner Indizientatsachen von einigem Gewicht vorlegen konnte, aus denen nachvollziehbar und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann, dass sich die Bundesrepublik Deutschland als Vertragspartnerin der ARGE K... bezüglich der Forderung in Höhe von rund 11 Mio. Euro aus der 44. Abschlagsrechnung, welche nicht Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten betreffen, nicht im Zahlungsverzug befand.
Dieser Nachweis gelang dem Antragsgegner mit den von ihm vorgelegten Unterlagen und seinem Vortrag im Nachprüfungsverfahren nicht, so dass es weiterhin möglich erscheint, dass der Vertragspartner der ARGE K... sich nach Stellung der 44. Abschlagsrechnung im Zahlungsverzug über diesen Betrag oder einen signifikanten Teilbetrag befand.
Der Zahlungsrückstand von rund 11 Mio. Euro, auf den sich die ARGE K... berief, kann auch nicht offensichtlich als so geringfügig eingestuft werden, dass die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts der Arbeitseinstellung als unangemessen einzustufen wäre. Es handelt sich dabei um rund 4% der bisher von der ARGE K... in Rechnung gestellten Gesamtsumme, um circa 20% der nach Ansicht der ARGE K... noch offenen Forderungen und auch im Hinblick auf das hohe Gesamtvolumen des Auftrags ist dennoch ein zweistelliger Millionenbetrag kein geringfügiger Zahlungsrückstand mehr.
Es ist aufgrund der vorgebrachten Anhaltspunkte und eingereichten Unterlagen daher nicht mit hinreichender Gewissheit auszuschließen, dass die Forderungen der ARGE K... in Höhe von rund 11 Mio. Euro aus der 44. Abschlagsrechnung, welche nicht Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten betreffen und daher nicht Gegenstand der gerichtlichen Entscheidungen des Landgerichts München I sowie des OLG ... waren, eine rechtmäßige Grundlage für die am 10.08.2023 erfolgte Arbeitseinstellung der ARGE K... nach § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B darstellen könnten.
2.2. Der Antragsgegner konnte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB hinsichtlich der Kündigung vom 01.09.2023 wegen der vorangegangenen Kündigung des Bauauftrags durch die ARGE K... am 29.08.2023 ebenfalls nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit darlegen.
Gemessen an dem oben genannten Prüfungsmaßstab ist der Vortrag des Antragsgegners nicht ausreichend, um den Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB hinsichtlich der Kündigung durch den Antragsgegner gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 3 und Abs. 4 VOB/B wegen der vorangegangenen Kündigung durch die ARGE K... als "nachweislich" erfüllt anzusehen. Es liegen keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass die ARGE K... mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht berechtigt gewesen wäre, den Vertrag nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B wegen Zahlungsverzugs zu kündigen. Die ARGE K... machte mit der 44. Abschlagsrechnung auch Forderungen in Höhe von rund 11 Mio. Euro geltend, welche nicht Gegenstand der gerichtlichen Entscheidungen des Landgerichts ... sowie des OLG ... waren und die eine rechtmäßige Grundlage für die am 28.08.2023 erfolgte Kündigung der ARGE K... darstellen könnten. Für einen Ausschluss des Teilnahmeantrags der Antragstellerin nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB aufgrund der Kündigung des Bauvertrags durch die ARGE K... am 28.08.2023 fehlt es damit an der Nachweislichkeit der Schlechtleistung, da im Falle der berechtigten Ausübung von Kündigungsrechten keine Schlechtleistung vorliegen würde. Die fehlende überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Kündigung durch die ARGE K...rechtswidrig war, geht zu Lasten des Antragsgegners.
2.2.1. Soweit der Antragsgegner der Auffassung ist, dass die fristlose Kündigung vom 28.08.2023 nicht rechtmäßig war, weil die ARGE K... die offenen Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten auf Grundlage des § 650c Abs. 3 BGB in der 44. Nachtragsrechnung so nicht hätte fordern dürfen, beruht diese Auffassung auf einer hinreichenden Gewissheit.
Insbesondere aufgrund des Urteils des Landgerichts ... vom 31.08.2023, des Hinweisbeschlusses des OLG ... vom 30.01.2024 und des Beschlusses des OLG ... vom 12.03.2024 durfte der Antragsgegner mit hinreichender Gewissheit davon ausgehen, dass die ARGE K... auf Grundlage der 44. Abschlagsrechnung die Bezahlung der mit der Abschlagsrechnung Nr. 44 vom 10.07.2023 geltend gemachten Mehrvergütungsansprüche auf Grundlage des § 650c Abs. 3 BGB so nicht verlangen durfte. Auf diese 44. Abschlagsrechnung und die damit erstmals nach § 650c Abs. 3 BGB geltend gemachte Nachtragsvergütung, welche vom Staatlichen Bauamt ### unabhängig von der materiellen Berechtigung ohne weitere Kürzung hätte beglichen werden sollen, stützt sich jedoch die Kündigung und auch die Kündigungsandrohung der ARGE K... .
Wie oben unter Punkt 2.1.2. bereits ausgeführt hatte die ARGE K... bezüglich der offenen Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten in der 44. Abschlagsrechnung gerade nicht lediglich eine andere Abrechnungsmethode gewählt, sondern diesbezüglich Mehrvergütungsansprüche gemäß § 650c Abs. 3 BGB geltend gemacht. Das Landgericht ... hat daraufhin in seinem Urteil vom 31.08.2023 ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Abschlagsforderungen auf Grundlage des § 650c Abs. 3 BGB nicht vorlagen, so dass die ARGE K... nicht berechtigt war, auf Grundlage der 44. Abschlagsrechnung Abschlagsforderungen zu erheben. Dies wurde später vom OLG ... zunächst in dessen Hinweisbeschluss vom 30.01.2024 und dann im Beschluss vom 12.03.2024 so bestätigt.
Dies gilt völlig unabhängig davon, ob und in welcher Höhe die Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten, welche die ARGE K... in der 44. Abschlagsrechnung auf Grundlage des § 650c Abs. 3 BGB abgerechnet hat, inhaltlich tatsächlich bestehen und ob diese ggf. auf anderem Wege von der ARGE K... geltend gemacht werden könnten. Die ARGE K... hat sich explizit für die Geltendmachung auf Grundlage des § 650c Abs. 3 BGB entschieden und hätte nach Auffassung des Landgerichts ... und des OLG ... die ihr ihrer Meinung nach zustehenden Mehrvergütungsansprüche erneut und unmissverständlich ohne Berufung auf § 650c Abs. 3 BGB erneut geltend machen müssen.
Die Auffassung des Antragsgegners, dass bereits nach dem Urteil des Landgerichts ... vom 31.08.2023 mit hinreichender Gewissheit und ohne vernünftige Zweifel davon auszugehen war, dass die ARGE K... zumindest derzeit und auf Grundlage der 44. Abschlagsrechnung keinen Mehrvergütungsanspruch für die Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten verlangen konnte, ist nicht zu beanstanden. Damit bestehen auch keine Einwände dagegen, dass der Antragsgegner davon ausgegangen ist, dass eine Kündigung der ARGE K... aufgrund der offenen Forderungen aus der 44. Abschlagsrechnung hinsichtlich Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten, welche auf Grundlage des § 650c Abs. 3 BGB geltend gemacht worden waren, unzulässig gewesen sei.
2.2.2. Soweit die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren vorträgt, dass sie ihre Kündigung auch auf den mit der 44. Abschlagsrechnung angeforderten Betrag von rund 11 Mio. Euro stützen könnte, welcher nicht offene Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten betreffe und damit auch nicht auf Grundlage von § 650c Abs. 3 BGB gefordert worden sei, ist dies zwar fraglich. Die verbleibenden Zweifel gehen jedoch zu Lasten des Antragsgegners.
Voraussetzung für eine wirksame Kündigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B ist neben einem Zahlungsverzug des Auftraggebers, dass der Auftragnehmer eine Nachfrist für die Vornahme einer dem Auftraggeber nach dem Vertrag obliegenden Handlung setzt und für den Fall des fruchtlosen Verstreichens der Nachfrist die Kündigung androht. Dabei ist die dem Auftraggeber nach dem Vertrag obliegende Handlung hinreichend genau zu bezeichnen (von Rintelen, in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB-Kommentar, 8. Aufl. 2023, § 9 VOB/B, Rz. 65) bzw. muss die nicht geleistete Zahlung so bezeichnet werden, dass für den Auftraggeber eine eindeutige Zuordnung möglich ist (Bolz, in: Beck'scher VOB-Kommentar, 4. Aufl. 2023, § 9 Abs. 2 VOB/B, Rz. 28).
Die Zweifel, wie die Kündigungsandrohung der ARGE K... vom 14.08.2023 auszulegen ist und ob diese damit ihre Warn- und Schutzfunktion erfüllen kann, indem sie dem Auftraggeber hinreichend genau mitteilt, welche Handlung er vorzunehmen hat, gehen zu Lasten des Antragsgegners.
Das vom OLG Celle in seinem Beschluss vom 09.01.2017 (Az.: 13 Verg 9/16) für einen Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB geforderte Beweismaß, nämlich eine hohe, jedenfalls aber überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass es tatsächlich zu einer entsprechenden Pflichtverletzung - im vorliegenden Fall der unberechtigten Kündigung durch die ARGE K... - gekommen ist und der Auftraggeber ein Recht zur vorzeitigen Vertragsbeendigung oder einen Anspruch auf Schadensersatz oder vergleichbare Sanktionen aufgrund der Pflichtverletzung hat, ist hier nicht erfüllt.
Die ARGE K... hatte ihre Kündigungsandrohung vom 14.08.2023 und auch ihre fristlose Kündigung vom 28.08.2023 explizit darauf gestützt, dass nicht der vollständige, von ihr mit der 44. Abschlagsrechnung angeforderte Betrag von ihrem Vertragspartner beglichen wurde. In der Kündigungsandrohung vom 14.08.2023 setzte sie eine "letzte Nachfrist zur Ausgleichung unserer, gemäß unserer 44. Abschlagsrechnung nach wie vor offenen, Abschlagsforderung bis zum 25.08.2023". In der fristlosen Kündigung vom 28.08.2023 gab sie als Kündigungsgrund an, dass die mit Schreiben vom 14.08.2023 gesetzte Nachfrist bis zum 25.08.2023 zur Ausgleichung der mit der 44. Abschlagsrechnung angeforderten Abschlagsforderung fruchtlos verstrichen sei. Damit hat die ARGE K... ihre Kündigungsandrohung vom 14.08.2023 auf den gesamten mit der 44. Abschlagsrechnung geforderten Betrag gestützt und die Zahlung dieses gesamten Betrags zur Bedingung für die Kündigung gemacht. Dies umfasste damit einerseits zwar sowohl die Beträge für offene Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten, welche zu diesem Zeitpunkt schon Gegenstand eines Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landgericht ... waren, andererseits aber auch einen restlichen Betrag von rund 11 Mio. Euro. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass aus der Kündigungsandrohung der ARGE K... vom 14.08.2023 für ihren Vertragspartner nicht explizit zu erkennen war, ob die ARGE K... eine Kündigung auch ausschließlich darauf stützen würde, dass sich der Vertragspartner mit rund 11 Mio. Euro, welche nicht offene Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten betreffen und damit nicht Gegenstand des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz sind, ihrer Auffassung nach in Zahlungsverzug befunden hat. Dies gilt umso mehr, als dass für diesen Betrag, der nicht auf Grundlage des § 650c Abs. 3 BGB gefordert wurde, nicht dessen Privilegierungen gelten und die ARGE K... daher im Streitfall über eine Kündigung für das Vorliegen des Anspruches und seiner Höhe darlegungs- und beweispflichtig wäre. Die ARGE K... hätte zum Zeitpunkt der Kündigungsandrohung auch bereits die Möglichkeit gehabt, die Forderungen, welche einerseits die offenen Nachtragsforderungen inklusive der daraus resultierenden Forderungen für zeitgebundene Kosten betreffen und die übrigen Forderungen in Höhe von rund 11 Mio. Euro separat zu benennen, da sie zum Zeitpunkt der Kündigungsandrohung wusste, dass ein Großteil der Forderungen aus der 44. Abschlagsrechnung Gegenstand eines Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landgericht ... war.
Es ist jedoch aufgrund des gewählten Wortlauts, dass der vollständige Betrag der 44. Abschlagsrechnung zu zahlen ist, auch nicht ausgeschlossen, dass die ARGE K... auch in dem Fall gekündigt hätte, indem ihr Vertragspartner nur die auf Grundlage von § 650c Abs. 3 BGB geforderten Mehrvergütungsansprüche gezahlt hätte und die übrige Rechnung nicht beglichen hätte.
Inwieweit jedoch aus der Kündigungsandrohung der ARGE K... vom 14.08.2023 hinreichend klar wird, dass der Vertragspartner wenigstens auf jeden Fall die streitigen Forderungen in Höhe von rund 11 Mio. Euro bezahlen soll, auch wenn über den restlichen Rechnungsbetrag, der dreiviertel der geforderten Gesamtsumme ausmacht und für den die ARGE K... davon ausging, dass eine Einigung über die Vergütungshöhe bei der von ihr gewählten Abrechnung keine Rolle spiele, ist fraglich. Es spricht einiges dafür, dass im vorliegenden Einzelfall die notwendigen Zahlungen, welche vom Vertragspartner zu leisten sind, um eine Kündigung des Vertrages abzuwenden, von der ARGE K... konkreter hätten bestimmt werden müssen. Aufgrund der bisher ungeklärten Rechtslage, ob auch in VOB/B-Verträgen nach § 650c Abs. 3 BGB Mehrvergütungsansprüche geltend gemacht werden können, der stark unterschiedlichen Voraussetzungen für die materielle Durchsetzbarkeit von Mehrvergütungsansprüchen auf Grundlage des § 650c Abs. 3 BGB, der erstmaligen Umstellung eines Teils der Abschlagsrechnung auf eine neue Systematik mit daraus folgenden erstmaligen Androhungen von Arbeitseinstellung und Kündigung sowie nach der Beantragung von einstweiligem Rechtsschutz des Vertragspartners, erscheint die Kündigungsandrohung eingedenk der Situation zum Zeitpunkt ihres Ausspruchs eher unklar. In dieser besonderen Situation erscheint es nicht undenkbar, dass die ARGE K..., um die Warnfunktion der Kündigungsandrohung auch zu erfüllen nach der Beantragung von einstweiligem Rechtsschutz für einen Teil der 44. Abschlagsrechnung, die beiden völlig unterschiedlichen Forderungen aus der Abschlagsrechnung auch benennt und sich explizit erklärt, dass sie eine Kündigung auch für den Fall will, dass die deutlich geringere Forderung, welche für sie auch mit größeren rechtlichen Risiken bei einer Kündigung behaftet ist, nicht beglichen wird.
Diese Zweifel an der notwendigen Eindeutigkeit der Kündigungsandrohung sind jedoch nicht ausreichend, als dass der Antragsgegner mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass die Kündigung der ARGE K... vom 28.08.2023 damit unwirksam wäre und damit die Rechtmäßigkeit der Kündigung des Bauvertrags durch das Staatliche Bauamt ... von den Zivilgerichten bestätigt würde. Da es sich um einen Einzelfall mit besonderen Umständen und zu einer noch nicht durch gefestigte Rechtsprechung geklärten Rechtslage - nämlich der Abrechnung von Mehrvergütungsansprüchen auf Grundlage des § 650c Abs. 3 BGB in VOB/B-Verträgen - handelt, kann eine Prognose über den Ausgang eines zivilrechtlichen Verfahrens über die Wirksamkeit der Kündigung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit getroffen werden.
Ebenfalls zu Lasten des Antragsgegners geht, dass er nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darlegen kann, dass der ARGE K... die rund 11 Mio. Euro, oder zumindest ein signifikanter Anteil davon, materiell nicht zustehen und die Voraussetzung des Gläubigerverzugs für die Kündigung der ARGE K... vom 28.08.2023 damit bereits nicht gegeben waren.
Im Nachprüfungsverfahren gilt der insbesondere in § 167 GWB verankerte Beschleunigungsgrundsatz, so dass ein monate- oder gar jahrelanger (Bau-)Zivilprozess nicht inzident im Nachprüfungsverfahren durchzuführen ist. Im Vergabenachprüfungsverfahren kann daher regelmäßig nur darüber entschieden werden, ob der öffentliche Auftraggeber die Anforderungen an den im Streitfall zu erbringenden Nachweis der Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrundes, hier also der zu Unrecht erfolgten Arbeitseinstellung als Kündigungsgrund, führen kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2017 - 13 Verg 9/16). Wie bereits unter Punkt 2.1.3 dargestellt, gelang dem Antragsgegner mit den von ihm vorgelegten Unterlagen und seinem Vortrag im Nachprüfungsverfahren dieser Nachweis nicht, so dass es weiterhin möglich erscheint, dass der Vertragspartner der ARGE K... sich nach Stellung der 44. Abschlagsrechnung im Zahlungsverzug über diesen Betrag oder einen signifikanten Teilbetrag befand.
2.3. Auch wenn es im vorliegenden Verfahren nicht mehr darauf ankommt, weist die Vergabekammer darauf hin, dass der Auffassung des Antragsgegners, die Antragstellerin als Bewerbergemeinschaft müsse eine etwaige Schlechtleistung der B... GmbH hinsichtlich des Vorauftrags Verlegung der Bundesstraße ... gegen sich gelten lassen, keine vergaberechtlichen Bedenken begegnen. Die B... GmbH müsste für ihr eigenes Verhalten als Mitglied der ARGE K... einstehen sowie sich dieses Verhalten auch in einer neuen Bewerber- oder Bietergemeinschaft mit anderen Unternehmen entgegenhalten lassen.
Soweit die Antragstellerin bereits mit der Rüge vom 18.12.2023 und erneut im Nachprüfungsantrag vom 21.12.2023 vorgetragen hat, dass ihr ein Verhalten der ARGE K... nicht zugerechnet werden dürfe, ist dem insoweit nicht zu folgen, als dass der Antragstellerin nicht das Verhalten der ARGE K... zugerechnet würde, sondern sich die B... GmbH als Teil der Bewerbergemeinschaft ihr eigenes Verhalten als Teil der ARGE K... zurechnen lassen muss. Die B... GmbH fungiert im vorliegenden Vergabeverfahren als bevollmächtigte Vertreterin der Bewerbergemeinschaft und war bereits bei der Baumaßnahme [Tunnel] die bevollmächtigte Vertreterin der Bietergemeinschaft und der späteren ARGE K... . In dieser Eigenschaft als bevollmächtigte Vertreterin hat die B... GmbH auch durch ihre Geschäftsführer einerseits die Arbeitseinstellung angedroht und in die Tat umgesetzt sowie die fristlose Kündigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B angedroht und ausgesprochen.
Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass die ARGE K... und die Bewerbergemeinschaft der Antragstellerin zwei rechtlich voneinander unabhängige Gesellschaften des bürgerlichen Rechts mit teilweise unterschiedlicher Gesellschafterstruktur seien und der Umstand, dass bevollmächtigte Vertreterin beider Gesellschaften die B... GmbH sei, führe noch nicht dazu, dass die Vertragserfüllung durch die ARGE K... der Bewerbergemeinschaft der Antragstellerin zugerechnet werden könnte, ist dem nicht zuzustimmen. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB meint mit dem dort verwendeten Unternehmensbegriff nicht ausschließlich das Unternehmen oder den Unternehmenszusammenschluss, welches den Auftrag erhalten hat, sondern ist deutlich weiter gefasst.
Da § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB den Art. 57 Abs. 4 g der Richtlinie 2014/24/EU umsetzt und nah am Wortlaut und dem Regelungsgehalt der Richtlinie bleibt, kann zur Auslegung des vergaberechtlichen Begriffs des Unternehmens auf die Richtlinie selbst und die zu ihr und insbesondere zu dem Artikel ergangene Rechtsprechung des EuGH zurückgegriffen werden. Die Richtlinie verwendet statt des Begriff des Unternehmens den Begriff des Wirtschaftsteilnehmers. Dieser ist definiert in Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 der Richtlinie 2014/24/EU. Danach ist ein Wirtschaftsteilnehmer eine natürliche oder juristische Person oder öffentliche Einrichtung oder eine Gruppe solcher Personen und/oder Einrichtungen, einschließlich jedes vorübergehenden Zusammenschlusses von Unternehmen, die bzw. der auf dem Markt die Ausführung von Bauleistungen, die Errichtung von Bauwerken, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen anbietet. Dabei ist zudem zu unterscheiden, dass eine Gruppe von Personen oder Einrichtungen, die als ein Wirtschaftsteilnehmer zählen können von einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern wie in Vorbemerkung 15 zu unterscheiden ist (VK Südbayern vom 06.07.2022 - 3194.Z3-3_01-21-72).
Bieter- und Bewerbergemeinschaften sind damit laut Vorbemerkung 15 und Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 der Richtlinie 2014/24/EU eine Gruppe von einzelnen Wirtschaftsteilnehmern, welche sich durchaus für die Erfüllung eines Auftrags auch so verbinden können, dass ein neuer, weiterer und eigenständiger Wirtschaftsteilnehmer entsteht. Dennoch bleiben die einzelnen Bieter als Unternehmen und als Wirtschaftsteilnehmer daneben bestehen. Damit kann und muss einer Gruppe von Unternehmen im Sinne des GWB bzw. von Wirtschaftsteilnehmern im Sinne der Richtlinie 2014/24/EU, an die ein Auftrag vergeben wurde, der jeweilige Beitrag des einzelnen Unternehmens bzw. Wirtschaftsteilnehmers an während der Vertragsausführung auftretenden Mängeln bei der Erfüllung und an etwaige Anstrengungen, um diese Mängel zu beheben, auch individuell zugerechnet werden. Unabhängig von der gesamtschuldnerischen Haftung der Mitglieder einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern muss die Anwendung des in Art. 57 Abs. 4 g der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen fakultativen Ausschlussgrundes, der dem § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB entspricht, nämlich darauf gestützt werden, dass dieses individuelle Verhalten fehlerhaft oder fahrlässig ist (vgl. EuGH, Urteil vom 26.01.2023 - Rs. C-682/21, Rz. 49).
Die Antragstellerin als Bewerbergemeinschaft müsste sich damit durchaus das Verhalten eines ihrer Mitglieder zurechnen lassen, gerade weil das angebliche Fehlverhalten im Rahmen einer Auftragsausführung begangen wurde, an welcher die B... GmbH als bevollmächtigter Vertreter der ARGE K... maßgeblich und federführend beteiligt war und dieser ein individuelles Fehlverhalten bei der mangelhaften Erfüllung des früheren öffentlichen Auftrags anzulasten wäre.
2.4. Die Vergabekammer weist der Vollständigkeit halber ergänzend darauf hin, dass die dokumentierte Ermessensausübung des Antragsgegners ermessensfehlerhaft ist, da sie sich bereits auf eine unzureichende Tatsachenermittlung stützt und in ihrer Prognoseentscheidung außer Acht lässt, dass zum Zeitpunkt der Leistungseinstellung und der ausgesprochenen Kündigung die Rechtsauffassung der ARGE K... mangels entgegenstehender Rechtsprechung vertretbar war.
Der Ausschluss eines Bieters nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB liegt im Ermessen des Auftraggebers. Die Ermessensentscheidung ist von den Nachprüfungsinstanzen allerdings nur daraufhin zu überprüfen, ob das Ermessen überhaupt ausgeübt wurde (Ermessensausfall), ob eine Maßnahme getroffen wurde, die sich nicht mehr in dem durch die Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen hält (Ermessensüberschreitung) und ob ein Ermessensfehlgebrauch vorliegt. Dies ist der Fall, wenn der öffentliche Auftraggeber relevante Aspekte nicht berücksichtigt, sich auf sachfremde Erwägungen stützt oder Aspekten ein Gewicht beimisst, das ihnen nicht zukommt (OLG München, Beschluss vom 29.01.2021 - Verg 11/20).
Die im Vergabevermerk des Antragsgegners dokumentierte Ermessensausübung berücksichtigt wesentliche Aspekte nicht.
2.4.1. Der Antragsgegner ist in seinem Vergabevermerk auf Seite 24 und 25 davon ausgegangen, dass sich im vorliegenden Fall aus den Entscheidungsgründen des Urteils des Landgerichts ... vom 31.08.2023 die Unzulässigkeit einer Geltendmachung von Forderungen auf der Basis von § 650c Abs. 3 BGB mit ausreichendem Gewicht ergebe und der von der ARGE K... als Rechtfertigung für die Leistungseinstellung und eigene Kündigung herangezogene Verzug wegfalle. Die Plausibilität der Rechtmäßigkeit der außerordentlichen Kündigung folge schließlich daraus, dass sich die Kürzungen der 44. Abschlagsrechnung der ARGE K..., auf deren Unzulässigkeit die Leistungseinstellung und die Kündigung der ARGE K... beruhe, allein auf die ungerechtfertigten Forderungen unter Berufung auf § 650c Abs. 3 BGB beziehen. Da die Voraussetzungen für § 650c Abs. 3 Satz 1 BGB nicht vorgelegen hätten, seien die gekürzten Forderungen aus der 44. Abschlagsrechnung nicht fällig geworden und der Auftraggeber hätte mit der Zahlung insoweit nicht in Verzug geraten können. Den fehlenden Zahlungsanspruch habe das Landgericht in den Entscheidungsgründen festgehalten. Damit habe weder ein Leistungsverweigerungs- noch ein Kündigungsrecht der ARGE K... bestanden und die Kündigung der Auftraggeberin nach § 8 Abs. 3 VOB/B sei damit gerechtfertigt gewesen. Die das Leistungsverzeichnis der Hauptleistungen betreffenden Zahlungen und weitergehenden Zahlungen zur Reduzierung des Streitgegenstandes auf die 44. Abschlagsrechnung seien dagegen erbracht worden.
Der Antragsgegner ist damit in seiner dokumentierten Ermessensentscheidung bereits von einem fehlerhaften Sachverhalt ausgegangen, da er bezüglich der Frage der Rechtmäßigkeit der Arbeitseinstellung und der Kündigung der ARGE K... ausschließlich auf die Forderungen unter Berufung auf § 650c Abs. 3 BGB abstellt. Die weiteren offenen Forderungen in Höhe von rund 11 Mio. Euro kommen in seinen Erwägungen dagegen nicht weiter vor, obwohl die Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 07.12.2023 diesen Punkt ausdrücklich aufgegriffen hat. Die Forderungen in Höhe von rund 11 Mio. Euro haben jedoch nicht nur Auswirkungen auf die Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 124 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 7 GWB vorliegen, sondern wären auch im Rahmen der Ermessensentscheidung für die Motivation der ARGE K... und der Frage inwieweit sie lediglich ihre vermeintlich berechtigten Belange mit zulässigen Mitteln im Rahmen des Vertragsvollzugs durchsetzt von Bedeutung.
2.4.2. Soweit der Antragsgegner in seinem Vergabevermerk auf Seite 26 dokumentiert, dass die allgemeine Erwägung, dass es einem Auftragnehmer erlaubt sein muss, seine (vermeintlich) berechtigten Belange im Rahmen des Vertragsvollzugs auch mit dem gebotenen Nachdruck zu verfolgen, im vorliegenden Fall nicht zu Gunsten der ARGE K... und damit der B... GmbH in der neu geschaffenen Bietergemeinschaft herangezogen werden könne, ist dem nur teilweise zu folgen.
Der Antragsgegner bemängelt zu Recht, dass die Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 07.12.2023 nicht auf die ausdrücklich gestellte Frage eingeht, ob die Bewerbergemeinschaft im Fall der Beauftragung die sich hieraus ergebenden vertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß und ohne Verletzung des Kooperationsprinzips und ohne ungerechtfertigte Leistungseinstellung zur Durchsetzung von Nachtragsansprüchen erfüllen wird. Die Antragstellerin hat sich in ihrem Schreiben zu diesem für die Prognose wichtigen Punkt nicht explizit geäußert. Allerdings hat die Antragstellerin ihre Rechtsauffassung, dass die von ihr erklärte Leistungseinstellung und außerordentliche Kündigung rechtmäßig ist, auch weiterhin in diesem Schreiben vertreten. Dabei berief sie sich darauf, dass das Landgericht sich mit den Nachtragsforderungen, die die ARGE K... tatsächlich erhoben hat, nämlich mit den auf § 2 Abs. 5, Abs. 6 VOB/B und nicht auf § 650b BGB gestützten Nachtragsforderungen, bereits gar nicht befasst hat, sondern nur darüber befunden habe, dass § 650c Abs. 3 BGB in dem zu beurteilenden Fall jedenfalls nicht anwendbar sei, die ARGE K... also für die im Antrag bezeichneten Abrechnungspositionen nicht berechtigt gewesen sei, von der 80% Regelung Gebrauch zu machen. Daneben berief sich die Antragstellerin darauf, dass das Urteil des Landgerichts nicht alle offenen Abschlagsforderungen betreffe, sondern eine Abschlagsforderung von 11.193.607,21 Euro (brutto) sei ebenfalls aus der 44. Abschlagsrechnung noch offen, welche gar nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Landgericht ... war. Zudem habe die ARGE K... die Berechtigung ihrer Nachtragsforderungen im Verfahren vor dem Landgericht auch dargelegt und glaubhaft gemacht.
Soweit der Antragsgegner aus diesen Ausführungen schließt, dass die Antwort der Antragstellerin zur Anhörung nicht erwarten lasse, dass von den bisher eingenommenen Standpunkten Abstand genommen werde, sondern vielmehr ihren Standpunkt ausdrücklich aufrechterhalten habe, ist dies durchaus eine treffende Feststellung. Allerdings ist die daraus auf Seite 27 des Vergabevermerks gezogene Schlussfolgerung, dass daher damit gerechnet werden müsse, dass die Diskussionen über die Zulässigkeit der Abhängigkeit weiterer vertraglicher Leistungen von bestimmten Zahlungen im Auftragsfall erneut entstehen, bereits nicht hinreichend nachvollziehbar begründet.
Meinungsverschiedenheiten oder das Androhen rechtlich zulässiger Schritte reichen für einen Ausschluss vom Vergabeverfahren nicht aus (BGH, Urteil vom 17.02.1999 - X ZR 101/97). Dabei ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass zumindest bis zum Erlass des Hinweisbeschlusses des OLG ... vom 30.01.2024 die Rechtsauffassung der ARGE K..., dass sie, auch ohne dass die Voraussetzungen des § 650b BGB gegeben seien, im VOB-Vertrag nach § 650c Abs. 3 Satz 1 BGB vorgehen könne, durchaus vertretbar war und eine hinreichend sichere Klärung dieser Rechtsfrage daher zum Zeitpunkt der Kündigung der ARGE K... am 28.08.2023 daher noch nicht erfolgt war.
Die Prognoseentscheidung des Antragsgegners hätte sich daher nicht nur mit der Frage befassen müssen, ob die Antragstellerin ihren rechtlichen Standpunkt auch nach der erstinstanzlichen Entscheidung aufrechterhält, sondern ebenfalls damit, ob und inwieweit es in dieser speziellen Konstellation der ARGE K... vorzuwerfen war, dass sie mit aus ihrer Sicht zulässigen rechtlichen Schritten droht. Die Befürchtung eines Auftraggebers, dass ein Bieter seine Interessen im zivilrechtlichen Verfahren durchsetzt oder zu Rechtsmitteln greift, welche er für zulässig halten durfte, ist nicht ausreichend für eine negative Prognose im Rahmen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB.
Bei der Prognoseentscheidung hätte sich der Antragsgegner zumindest mit der zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung noch unklaren Rechtslage befassen müssen und in seine Abwägungen zu Gunsten der Antragstellerin einfließen lassen müssen, dass diese einer zum Zeitpunkt der Arbeitseinstellung und Kündigung durchaus vertretbaren Rechtsauffassung folgte.
3. Kosten des Verfahrens
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend der Antragsgegner. Allerdings sind der Antragstellerin die entsprechenden Kosten für den von ihr gestellten Befangenheitsantrag nach § 182 Abs. 3 Satz 3 GWB aufzuerlegen.
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Bei der Gebührenfestsetzung orientiert sich die Vergabekammer an der Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes. Maßgeblich für die Berechnung der Gebühr ist aufgrund des Stadiums des Vergabeverfahrens die Kostenschätzung des Auftraggebers. Das Verfahren war aufgrund seiner Komplexität und Bedeutung mit hohem personellen und sachlichen Aufwand bei der Vergabekammer verbunden, so dass eine Reduzierung der Gebühren nur hinsichtlich der Tatsache, dass keine Beiladung vorzunehmen war, erfolgen konnte.
Bezüglich des personellen und sachlichen Aufwand, den die Vergabekammer mit dem von der Antragstellerin gestellten und von der Vergabekammer zurückgewiesenen Befangenheitsantrag hatte, hat die Antragstellerin ein Fünftel der üblichen Verfahrensgebühr angesetzt.
Der Antragsgegner ist als Bundesland von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG (Bund) vom 23.06.1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14.08.2013 geltenden Fassung befreit.
Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft verrechnet.
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.
Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da es sich beim Vergaberecht grundsätzlich um eine nicht zum juristischen noch unternehmerischen Allgemeingut zählende, aufgrund vielfältiger europarechtlicher Überlagerungen wenig übersichtliche und zudem steten Veränderungen unterworfene Rechtsmaterie handelt, die wegen des gerichtsähnlich ausgestalteten Verfahrens bei der Vergabekammer bereits dort prozessrechtliche Kenntnisse verlangt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass ein Bieterunternehmen das Vergaberecht nicht vertieft beherrschen muss, da dieses sich in erster Linie an öffentliche Auftraggeber richtet. Auch wenn die Antragstellerin hier das Nachprüfungsverfahren noch ohne anwaltliche Vertretung eingeleitet und auch die ersten Schriftsätze selbst eingereicht hat, durfte sie sich auch nachträglich dazu entscheiden, sich künftig anwaltlich vertreten zu lassen. Die im Streit stehenden Fragen hinsichtlich der Ausschlussentscheidung, der Zurechnung von Fehlverhalten sowie der Beweislast waren äußerst komplex und auch ein erfahrener Bieter durfte sich daher externen rechtlichen Rat einholen, sobald er zu dem Schluss gekommen ist, dass er seine rechtlichen Interessen nicht mehr selbst hinreichend vertreten kann.
(...)
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OLG Celle
Beschluss
vom 27.08.2024
13 Verg 3/24
Wenn eine gemeinnützige GmbH, die ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie betreibt, Erlöse aus Krankenhausleistungen, Wahlleistungen und ambulanten Leistungen erzielt, handelt es sich nicht um eine öffentliche Finanzierung im Sinne des § 99 Nr. 2 a GWB, sondern um Entgelte für spezifische Gegenleistungen für die Behandlung von Patienten.*)
vorhergehend:
OLG Celle, 24.07.2024 - 13 Verg 3/24
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen vom 19. Juni 2024 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens über den Antrag nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB - einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin - zu tragen.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren war für die Antragsgegnerin notwendig.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 22.511,17 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin, eine gemeinnützige GmbH, betreibt in K. das "A. Psychiatriezentrum", ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie, psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Sie beabsichtigt - gefördert durch einen Zuwendungsbescheid des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (Anlage Ag 2, Bl. 108 ff. VergK-A) - die Beschaffung eines Ressourcenmanagementsystems (RMS). Hierzu hat sie eine EU-weite Ausschreibung für ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb durchgeführt. Dazu sah sie sich aufgrund einer Nebenbestimmung in dem Zuwendungsbescheid gehalten, wonach bei der Vergabe von Aufträgen die Vorgaben des nationalen und europäischen Vergaberechts zu berücksichtigen seien.
Die Antragstellerin beteiligte sich mit einem Teilnahmeantrag an dem Vergabeverfahren (Anlage Ast 5, Bl. 52 ff. VergK-A). Die Antragsgegnerin schloss die Antragstellerin mit Nachricht vom 18. April 2024 vom weiteren Verfahren aus, weil sie die Mindestanforderungen an die Eignung nicht erfüllt habe (Anlage Ast 6, Bl. 66 VergK-A), und wies die hiergegen gerichtete Rüge der Antragstellerin zurück.
Den hiergegen gerichteten Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hat die Vergabekammer mit Beschluss vom 19. Juni 2024, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, - primär als unzulässig - zurückgewiesen und hierzu u.a. ausgeführt, der Rechtsweg zur Vergabekammer sei schon nicht eröffnet, weil die Antragsgegnerin keine öffentliche Auftraggeberin im Sinne von § 99 GWB sei.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie ihren Nachprüfungsantrag weiterverfolgt. Sie meint, die Antragsgegnerin sei öffentliche Auftraggeberin nach § 99 Nr. 2 GWB. Entgegen der Auffassung der Vergabekammer werde die Antragsgegnerin im Sinne dieser Regelung von öffentlichen Stellen finanziert. Sie erhalte für die Krankenhausaufenthalte der Patienten nach dem "pauschalierenden Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP)" nicht lediglich eine Gegenleistung der Krankenkassen. Vielmehr handele es sich um pauschalierte Leistungen der Krankenkassen, deren Höhe die Antragsgegnerin nicht konkret kalkulieren könne. Zudem sei die Antragsgegnerin auch Auftraggeberin nach § 99 Nr. 4 GWB. Denn das Ressourcenmanagementsystem stehe in einem funktionellen Verhältnis zum Gebäude, weil ein Krankenhaus ohne dieses nicht betrieben werden könne.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, aber unbegründet.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen ist nicht eröffnet. Hierauf hat der Senat bereits mit dem Beschluss vom 24. Juli 2024 hingewiesen. An den Ausführungen wird festgehalten.
Das Vergabenachprüfungsverfahren findet nur in Bezug auf die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen statt (§ 155 GWB). Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen (§ 103 GWB). Wer öffentlicher Auftraggeber ist, ist abschließend in § 99 GWB geregelt.
Im Streitfall handelt es sich nicht um einen öffentlichen Auftrag, denn die Antragsgegnerin ist in Bezug auf die verfahrensgegenständliche Beschaffung eines RMS keine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 99 GWB.
1. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die Antragsgegnerin keine öffentliche Auftraggeberin i.S.d. § 99 Nr. 2 a) und 2. Halbsatz GWB. Die Antragsgegnerin erhält keine überwiegende Finanzierung durch die dort genannten Stellen.
Als öffentliche Finanzierung sind nur solche Leistungen anzusehen, die kein Entgelt für eine spezifische Gegenleistung darstellen, sondern im Sinne einer Finanzierungshilfe die allgemeine Tätigkeit der Einrichtung finanzieren oder unterstützen (BeckOK VergabeR/Bungenberg/Schelhaas, 32. Ed. 1.2.2023, GWB § 99 Rn. 73 m.w.N. zur Rspr. des EuGH). Für diese Beurteilung ist es entgegen der Ansicht der Antragstellerin ohne Belang, wie sich die öffentliche Stelle, die die Zahlungen leistet, selbst finanziert.
Im Streitfall erzielt die Antragsgegnerin unstreitig ihre Einnahmen ganz überwiegend in Form von Erlösen aus Krankenhausleistungen, Wahlleistungen und ambulanten Leistungen (vgl. Anlage AG 3, Bl. 112 VergK-A). Auch soweit die Antragsgegnerin diese Zahlungen von gesetzlichen Krankenkassen oder anderen öffentlichen Stellen erhält, handelt es sich um keine öffentliche Finanzierung, sondern um Entgelte für spezifische Gegenleistungen für die Behandlung von Patienten. Daran ändert es nichts, dass nach dem maßgeblichen, gemäß § 17d KHG eingeführten Entgeltsystem (Pauschalierendes Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik - PEPP) die Entgelte auf der Grundlage der abzurechenden Behandlungstage und der für den jeweiligen Patienten maßgeblichen "Strukturkategorie" bestimmt werden. Diese Entgelte sind zwar pauschalierend gebildet, weil nicht der individuelle Kostenaufwand im Einzelfall (Arbeitsminuten für Ärzte und Pfleger, Materialkosten, Unterbringungskosten, etc.) ermittelt, sondern - nach der gesetzlichen Regelung - der unterschiedliche Aufwand der Behandlung bestimmter, medizinisch unterscheidbarer Patientengruppen berücksichtigt wird. Solche pauschalierenden Elemente, die auch bei Entgeltsystemen in anderen Bereichen üblich sind (z.B. bei der Anwaltsvergütung nach den Gebührentatbeständen im RVG-VV) ändern aber nichts daran, dass es sich um das Entgelt für eine spezifische Gegenleistung (die Behandlung der einzelnen Patienten) und nicht um eine Finanzierungshilfe (für das allgemeine Vorhalten des Krankenhauses) handelt.
Es ändert nichts an der Beurteilung, dass die Antragsgegnerin auch eine forensische Psychiatrie betreibt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Einnahmen, die sie hierfür bezieht, Entgelte im vorgenannten Sinn darstellen. Auch wenn es sich um eine Finanzierung im Sinne des § 99 Nr. 2 a) GWB handelte, überwögen jedenfalls die leistungsbezogenen Entgelte bezogen auf die Gesamteinnahmen erheblich.
2. Die Antragsgegnerin ist im Streitfall auch nicht öffentliche Auftraggeberin nach § 99 Nr. 4 GWB. Das Ressourcenmanagementsystem, das die Antragsgegnerin beschaffen will, ist keine Dienstleistung, die im Sinne dieser Regelung mit der Errichtung eines Krankenhauses in Verbindung steht.
a) Ein Dienstleistungsauftrag gilt nur dann als mit dem betreffenden Bauauftrag verbunden, wenn gerade zu dem Bauauftrag eine funktionale Verbindung besteht (BeckOK VergabeR/Bungenberg/Schelhaas, 32. Ed. 1.2.2023, GWB § 99 Rn. 111a). Ein alleinstehender Dienstleistungsauftrag fällt nicht unter den Anwendungsbereich des § 99 Nr. 4 GWB (aaO Rn. 111).
Im Streitfall steht die zu beschaffende Software in keinem funktionalen Zusammenhang mit der Errichtung eines Gebäudes. Dafür genügt es - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - nicht, dass die Software allgemein dem Betrieb des vorhandenen Krankenhauses dient (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 19. März 2019 - Verg 3/19).
b) Im Übrigen fallen auch überwiegend subventionierte Dienstleistungsaufträge, die mit einem Bauauftrag in Verbindung stehen, nur dann unter § 99 Nr. 4 GWB, wenn der Bauauftrag selbst überwiegend subventioniert ist (BeckOK VergabeR/Bungenberg/Schelhaas, 32. Ed. 1.2.2023, GWB § 99 Rn. 111). Dass es einen solchen überwiegend subventionierten Bauauftrag gibt, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
3. Schließlich wird der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen auch nicht dadurch eröffnet, dass sich die Antragsgegnerin durch die Nebenbestimmung Nr. 7 des Zuwendungsbescheides verpflichtet sah, die Regelungen des Vergaberechts zu beachten.
Dabei ist schon fraglich, ob diese Nebenbestimmung dahin zu verstehen ist, dass die Antragstellerin die Regelungen des öffentlichen Vergaberechts auch dann - in entsprechender Anwendung - einhalten soll, wenn das Vergaberecht mangels öffentlichen Auftrags gar nicht anzuwenden ist.
Jedenfalls würde aber eine Verpflichtung zur entsprechenden Anwendung des Vergaberechts nichts daran ändern, dass der Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen nur bei öffentlichen Aufträgen eröffnet ist. Dies steht nicht zur Disposition des Sozialministeriums als Zuwendungsgeber. Auch eine etwaige Selbstbindung der Antragsgegnerin an Bestimmungen des Vergaberechts eröffneten diesen Rechtsweg nicht.
III.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 175 Abs. 2, § 71 Satz 2 GWB.
2. Der Gegenstandswert beläuft sich gemäß § 50 Abs. 2 GKG auf 5 Prozent der Bruttoauftragssumme. Die Bruttoauftragssumme beträgt - einschließlich der von der Vergabekammer zutreffend mit 50 % des zusätzlichen Auftragswertes berücksichtigten Verlängerungsoption von 12 Monaten - insgesamt 450.223,34 Euro (s. S. 20 des Beschlusses der Vergabekammer).
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OLG Rostock
Beschluss
vom 18.07.2024
17 Verg 1/24
1. Das Absehen von der Losaufteilung kommt nur dann in Betracht, wenn sich der Auftraggeber im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe einerseits und den im konkreten Fall dagegen sprechenden Gründen auseinandersetzt und sodann eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange trifft, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden technischen und wirtschaftlichen Gründe überwiegen müssen. Objektiv zwingender Gründe für die zusammenfassende Vergabe bedarf es demgegenüber nicht.*)
2. Bei der Prognose der Vor- und Nachteile der Losvergabe, deren Gewichtung und der Abwägung steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu.*)
3. Bei der Abwägung der für und gegen die Losaufteilung sprechenden Gründe sind die typischen Vor- und Nachteile mit der vom Gesetzgeber vorgegebenen Gewichtung zu berücksichtigen und um die im Einzelfall bestehenden Besonderheiten zu ergänzen.*)
vorhergehend:
VK Mecklenburg-Vorpommern, 23.05.2024 - 1 VK 1/24
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern vom 23.05.2024 - 1 VK 01/24 - abgeändert. Das Vergabeverfahren "B 111 OU Wolgast Los 2.2 BW 5, 10, 11 und 12" wird in den Stand vor der Ausschreibung zurückversetzt. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, im Fall fortbestehender Beschaffungsabsicht unter Berücksichtigung der Auffassung des Senats zunächst die Prüfung zu wiederholen, ob die BW 10 und 11 zusammen in einem gesonderten Fachlos auszuschreiben sind.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens jeweils einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragstellerin.
3. Die Hinzuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter durch die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer war notwendig.
4. Der Streitwert wird auf ... Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Das Verfahren betrifft die am 28.03.2024 im Supplement des EU-Amtsblatts unter der Nr. 186595-2024 veröffentlichte Bekanntmachung eines Verhandlungsverfahrens mit vorherigem Aufruf zum Wettbewerb "B 111 OU Wolgast Los 2.2 BW 5, 10, 11 und 12", die die Errichtung einer Zügelgurtbrücke BW 5 in Stahlverbundbauweise mit einer Gesamtlänge von 1.465 m mit zugehörigen Teilbauwerken BW 10 Lärmschutzwand, BW 11 Kollisions- und Irritationsschutzwand, BW 12 Uferwand beinhaltet. Die Brücke setzt sich aus zwei Vorlandbrücken mit 347 m bzw. 616 m und der Strombrücke mit 502 m Länge zusammen. Zügelgurtbrücken wurden in den letzten 25 Jahren in Europa nur zwei Mal (Linzer Eisenbahnbrücke 2021 und Ebrobrücke Spanien 2009) und jeweils kleiner gebaut. Teilnahmeanträge sollten bis 14.05.2024, Erstangebote sollen bis 26.09.2024 eingehen. Die Bauausführung soll spätestens am 14.09.2028 abgeschlossen sein.
Nach Abschnitt 2.1.4 der Bekanntmachung sind wegen der Bedeutung des Stahlbaus für das Bauvorhaben Stahlbauunternehmen nicht als Unterauftrag/Nachunternehmer zulässig. Die in Abschnitt 5.1.9 genannten Eignungskriterien betreffen Referenzen zu verschiedenen Aspekten des Brückenbaus; Schutzwandarbeiten sind dort nicht aufgeführt. Die Vergabeunterlagen enthalten in den Bewerbungsbedingungen unter Ziffer 5 Regelungen für Unteraufträge und Eignungsleihe und ein Formular "Verzeichnis der Unterauftrag-/Nachunternehmerleistungen". Der Entwurf der Baubeschreibung enthält u.a.:
Bauwerk 10 - Lärmschutzwand
Nördliche Wand: km 1+830,309 bis km 1+923,056
Das Erfordernis der Wände resultiert aus der schalltechnischen Untersuchung und den landschaftspflegerischen Erfordernissen. Die unteren 2,0 m sind dabei über die gesamte Länge blickdicht auszubilden.
Der geplante Regelpfostenabstand auf der freien Strecke beträgt 4,0 m. Die Pfosten der Wand werden auf Bohrpfählen tiefgegründet. Die austauschbaren Wandelemente bestehen im unteren Bereich aus Aluminium-Elementen, der obere Bereich wird mit transparenten Verbundsicherheitsglas (VSG) Elementen, die in einer dreiseitigen Rahmenkonstruktion gefasst sind, ausgebildet. Den unteren Abschluss bilden Sockelelemente aus Stahlbeton.
Auf dem Bauwerk 5 beträgt der Regelabstand 2,0 m. Die Befestigung der Pfosten erfolgt in den Bauwerkskappen bzw. mittels stählerner Anschlusspunkte. Die Wand wird aus zweigeteilten Wandelementen aus VSG vorgesehen. Die unteren Wandelemente werden blickdicht mit einseitigem Siebdruck hergestellt.
BW10 - Lärmschutzwand, in BW 11 Integriert
- Bauart Stahlträger tief gegründet, Aluminium- und Verbundglaselemente
- Einwirkung Windzone 2 nach DIN EN 1991-1-4
- ...
BW11 - Kollisions- und Irritationsschutzwand
- Bauart Stahlträger tief gegründet, Aluminium- und Verbundglaselemente bzw. über Fußplatten auf dem Bauwerk 05
- Einwirkung Windzone 2 nach DIN EN 1991-1-4
- ...
Die zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen enthalten unter K 1.5 Vorgaben zur Berechnung der Einspannlängen (Gründung) der Lärmschutzwände. Der Vergabevermerk verweist unter T 1.11 zur Begründung für das Abweichen von der Fachlosvergabe auf die Anlage T 1.11 vom 24.02.2024, die folgenden Wortlaut hat:
Der Fachbereich 3 der Projektgruppe Großprojekte im Straßenbauamt Schwerin ist mit der baulichen Umsetzung der Baumaßnahme B 111 OU Wolgast und Ziesebrücke beauftragt. Die Gesamtmaßnahme wird in Teil- und Fachlosen vergeben. Das Los 2.2 BW 5, 10, 11 und 12 ist ein Teillos dieser Baumaßnahme. Das Los 2.2 wird in einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vergeben.
Im Vorfeld wurde eine fachlosweise Vergabe der einzelnen Bauwerke des Loses 2.2 untersucht. Im Ergebnis sollen hier jedoch mit diesem Baulos ausnahmsweise die Peenestrombrücke (BW5), die Uferwand (BW12) sowie die Kollisions- und Irritationsschutzwände (BW11) mit integrierter Lärmschutzwand (BW10) gemeinsam hergestellt und vergeben werden. Der Entscheidung auf gemeinsame Vergabe liegen folgende Überlegungen zu Grunde (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 25.11.2009 - Verg 27/09):
Die Uferwand Bauwerk 12 ist integraler Bestandteil der Baugrubensicherung der Achse 70 der Peenestrombrücke und muss daher gemeinsam mit dem Verbau für diese Achse hergestellt werden.
Die Kollisions- und Irritationsschutzwände (BW 11) sind beidseitig (nördlich und südlich) der B 111 angeordnet. Die Lärmschutzwand (BW 10) ist bautechnisch in die Kollisionsschutz- und Irritationsschutzwände integriert. BW 10 und 11 bilden baulich eine Einheit. Die Trennung in BW 10 und 11 erfolgte nur aufgrund der unterschiedlichen Funktionen dieser Bauwerke.
Die Kollisions- und Irritationsschutzwände mit der integrierten Lärmschutzwand sind auf Grund der engen technischen Verzahnung mit den Über- und Unterbauten des Bauwerkes 5 sowie der neu zu erstellenden Verkehrsanlage im Anschlussbereich des Bauwerkes 5 gemeinsam mit dem Bauwerk 5 herzustellen. Gründe hierfür sind:
- Die Anordnung der Bohrpfähle der Wände (BW 10 und 11) am Übergangsbereich von Bauwerk 5 zur freien Strecke hat direkten Einfluss auf die Herstellung der Widerlager und der anschließenden Dämme der freien Strecke. Im Zuge des Straßenbaus vor und hinter der Brücke sind mindestens die Gründungen, die Pfosten und die Sockelelemente der Kollisions- und Irritationsschutzwände zeitlich mit dem Brückenbau herzustellen, da diese als Stützwand für den Straßendamm dienen. Der Herstellungszeitpunkt hängt maßgeblich von der Herstellungstechnologie für die Vorlandbrücken des Auftragnehmers für Bauwerk 5 ab. Diese Montagetechnologie ist jedoch Gegenstand des Verhandlungsverfahrens.
Eine Extravergabe der übrigen Wandelemente birgt die Gefahr von Beschädigungen am Korrosionsschutz der in einem anderen Los gestellten Pfosten.
- Wegen der Bauart der Strombrücke als Zügelgurtbrücke ergeben sich komplizierte Stahlbauanschlüsse, um die Pfosten der Kollisions- und Irritationsschutzwände mit der Peenestrombrücke zu verbinden. Um diesen baulichen Anschluss mangelfrei zu gewährleisten, ist eine gleichzeitige Herstellung der Pfosten mit dem Bau der Peenestrombrücke erforderlich.
- Der Einbau der Wandelemente der Kollisions- und Irritationsschutzwände in den Zwickelbereichen der Zügelgurte der Strombrücke ist in den gesamthaften Bauablauf der Peenestrombrücke zu integrieren. Dies ist erforderlich, damit vor der Montage der Zügelgurte die Wandelemente bereits eingebaut sind. Eine nachträgliche Montage der Wandelemente wäre nur unter einem großen finanziellen und baulichen Risiko möglich. Daher müssen die Baumaßnahmen in diesem Bereich zwingend von einem Bauauftragnehmer durchgeführt werden.
- Die seitlichen Kollisions- und Irritationsschutzwände sind integraler Bestandteil der Peenestrombrücke, da in der Ausführungsplanung und damit auch in der Bauausführung die Erfordernisse aus dem Windgutachten in Bezug auf den Bau- und den Endzustand der Peenestrombrücke und der Kollisions- und Irritationsschutzwände zu berücksichtigen sind, um Schwingungsresonanzen am Bauwerk durch Wind zu verhindern. Gleichzeitig dienen die Kollisions- und Irritationsschutzwände als Absturzsicherung beim Bau der Peenestrombrücke. Für eine gesonderte temporäre Absturzsicherung beim Bau der Peenestrombrücke wäre ein finanzieller Mehraufwand erforderlich, wenn die Kollisions- und Irritationsschutzwände erst später gebaut würden.
- Eine Teilung der Wände in verschiedene Bauverträge ist auszuschließen, weil die Brücke mit ihren Bauwerken 10 und 11 in einer touristisch exponierten Lage errichtet wird. Die ca. 4,0 m hohen Wandelemente sollen ein durchgängig gleiches Erscheinungsbild aufweisen. Deshalb sollen sie von einem Hersteller realisiert werden. Bei unterschiedlichen Bauverträgen besteht bei produktneutraler Ausschreibung die Gefahr, dass unterschiedliche Wandelemente zum Einsatz kommen. Dies beeinflusst nicht nur die Optik, sondern bringt bei der späteren Unterhaltung Mehraufwand mit sich, hier insbesondere bei einer erforderlichen Instandsetzung.
- Auch die Beschichtungen der Pfosten und der Brücke sollen aus dem vorgenannten Grund ein einheitliches Erscheinungsbild ergeben. Daher sollen sie vom gleichen Hersteller realisiert werden, da die Vorschriften bezüglich Korrosionsschutz und Farbbeständigkeit einen großen Farbabstand für dieselben Farbtonnummern zulassen. Erfolgt die Beschichtung der Pfosten und der Peenestrombrücke aus einer Hand, ist gewährleistet, dass aufgrund von Lieferverträgen und Mengenrabatten dasselbe Material und damit dieselbe Farbe zum Einsatz kommt.
- Die Fertigstellung der Peenestrombrücke mit den Kollisions- und Irritationsschutzwänden sowie der Lärmschutzwand liegen für die Gesamtverkehrsfreigabe der OU Wolgast auf dem kritischen Weg. Eine herausgetrennte Vergabe der Bauleistungen für die Kollisions- und Irritationsschutzwände mit Lärmschutzwand verursacht umfängliche zeitliche Verzögerungen. Eine gesonderte Ausschreibung der Kollisions- und Irritationsschutzwände kann frühestens zum Ende der Bauzeit des Bauwerkes 5 erfolgen, um zielsicher einen Ausführungszeitpunkt für die herzustellenden Wände zu benennen. Deshalb ergibt sich zwingend eine nachlaufende Herstellung der Wände und somit eine spätere Freigabe der Ortsumgehung, da die Freigabe erst erfolgen kann, wenn auch die Kollisions- und Irritationsschutzwände mit Lärmschutzwand fertiggestellt sind. Durch diese Verzögerung der Gesamtherstellung entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden, der bei einer Gesamtvergabe vermieden wird. Für die Schadensermittlung wurden in Anlehnung an das HVA B-StB, Ausgabe 2023, die Nutzenausfallkosten aus dem Vordruck "Beschleunigungsvergütung für Bauverträge im Straßen- und Brückenbau" Tab. 1, für eine vierstreifige Autobahn mit 2+0 Verkehrsführung extrapoliert. Hierfür wurde der Verkehrsprognosewert der OU Wolgast für 2030 von 16.000 Kfz zu Grunde gelegt. Ausgehend von 4 Monaten nachlaufender Bauzeit, je Monat mit 30 Kalendertagen ergibt sich ein volkswirtschaftlicher Schaden in Höhe von 486.360,00 Euro netto.
Die Antragstellerin ist ein mittelständisches, auf die Errichtung von Schutzwänden spezialisiertes Bauunternehmen. Sie möchte sich für die Errichtung der BW 10 und 11 bewerben und beanstandet nach erfolgloser Rüge mit Nachprüfungsantrag vom 25.04.2024, dass für die Schutzwandarbeiten kein gesondertes Fachlos gebildet wurde.
Mit Beschluss vom 23.05.2024 - 1 VK 01/24 - hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag abgewiesen.
Gegen den am 23.05.2024 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 05.06.2024 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Sie macht geltend, die Gesamtvergabe sei weder aus wirtschaftlichen noch aus technischen Gründen erforderlich. Hierbei habe auch keine Abwägung zu erfolgen, sondern der Auftrag müsse in Lose aufgeteilt werden, wenn keine objektiv zwingenden Gründe für eine Gesamtvergabe sprechen. Die von dem Antragsgegner für die Gesamtvergabe herangezogenen Gründe seien typische Schnittstellensachverhalte und deshalb zur Begründung ungeeignet. Im Übrigen habe der Antragsgegner nur gegen und keine für die Losvergabe sprechenden Gründe ermittelt und insoweit eine umfassende Abwägung nicht vorgenommen. Im Weiteren führt die Antragstellerin zu den vom Antragsgegner für die zusammenfassende Vergabe herangezogenen Gesichtspunkten aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift und die weiteren im Beschwerdeverfahren bzw. im Verfahren vor der Vergabekammer eingereichten Schriftsätze verwiesen. Schließlich macht die Antragstellerin geltend, ein Nachschieben von Gründen im Nachprüfungsverfahren sei unzulässig. Denn es fehle hier nicht nur an der Dokumentation, sondern offenkundig an der Durchführung der umfassenden Gesamtabwägung. Die Gesamtvergabe könne auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass der Antragsgegner üblicherweise Fachlose vergebe und in einer Gesamtschau dem Grundsatz der Losvergabe genüge.
Die Antragstellerin beantragt,
1. die Entscheidung der 1. Vergabekammer des Landes Mecklenburg-Vorpommern bei dem Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit Mecklenburg-Vorpommern vom 23.05.2024 - 1 VK 01/24 - aufzuheben,
2. geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens wiederherzustellen und die Rechtsverletzungen zulasten der Antragstellerin und Beschwerdeführerin zu beseitigen,
3. umfassende Akteneinsicht gemäß § 165 Abs. 1 GWB in die Vergabeakte zu gewähren,
4. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren für notwendig zu erklären,
5. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin sowie die notwendigen Auslagen aufzuerlegen.
Der Antragsgegner beantragt,
1. die sofortige Beschwerde zurückzuweisen,
2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen aufzuerlegen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und führt zu den einzelnen Gründen aus. Auf die Beschwerdeerwiderung und die Erwiderung im Verfahren vor der Vergabekammer wird wegen der Einzelheiten verwiesen.
Der Senat hat der Antragstellerin Einsicht in die von dem Antragsgegner im Beschwerdeverfahren vorgelegten Windgutachten erteilt und ihr den Schriftsatz vom 05.07.2024 übersandt, mit dem der Antragsgegner auf Anordnung des Senats mitgeteilt hat, es lägen nunmehr Teilnahmeanträge vor, denen für die BW 10 und 11 der Einsatz von Nachunternehmen zu entnehmen sei.
Wegen der Erörterungen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2024 Bezug genommen.
II.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt und begründet worden (§§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1, Abs. 2 GWB). In der Sache führt sie zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Nachprüfungsantrag ist im Ergebnis begründet.
a) Allerdings teilt der Senat weitgehend die von der Vergabekammer herausgearbeiteten rechtlichen Grundsätze.
aa) Nach § 97 Abs. 4 S. 1 bis 3 GWB - dessen Inhalt von § 5 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 bis 3 EU VOB/A wiederholt wird - sind Leistungen in Losen zu vergeben und kann hiervon nur dann abgesehen werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Bereits vor Inkrafttreten war zum Schutz des Mittelstands die Aufteilung von Aufträgen in Teil- und Fachlose vorgesehen. Es sollten die Nachteile der mittelständischen Wirtschaft gerade bei der Vergabe großer Aufträge mit einem Volumen, das die Kapazitäten mittelständischer Unternehmen überfordern könnte, ausgeglichen werden. Mit der 2009 eingeführten Regelung des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB sollten der aus Sicht des Mittelstands zunehmenden Praxis der Bündelung von Auftragsvergaben entgegengewirkt und die Mittelstandsklausel in ihrer Wirkung verstärkt werden. Deshalb sollte von dem Gebot der Losvergabe nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden können (BT-Drucksache 16/10117, S. 15). Dieses klare Regel-/Ausnahmeverhältnis bedeutet allerdings entgegen einer teilweise in der Literatur vertretenen, hier von der Antragstellerin zitierten Auffassung (Antweiler in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, § 97 Abs. 4 GWB Rn. 51; wohl auch Ziekow in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 97 GWB Rn. 95) nicht, dass eine Gesamtvergabe überhaupt nur bei Vorliegen eines objektiv zwingenden Grundes erfolgen darf. § 97 Abs. 4 GWB ist im Kontext der primären Ziele des Vergaberechts auszulegen, zu denen insbesondere auch die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung gehört. Dabei sind auch die weiteren Grundsätze des Vergaberechts (Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit) sowie die vom Gesetzgeber in § 97 Abs. 3 GWB normierten strategischen Ziele (Qualität, Innovation, soziale und umweltbezogene Aspekte) im Blick zu behalten. Allerdings ergibt sich aus der klaren Wertung des Gesetzgebers, dass es nicht ausreicht, wenn der Auftraggeber anerkennenswerte Gründe für die Gesamtvergabe vorbringen kann; auch vermag die Entlastung des Auftraggebers von typischerweise mit einer losweisen Vergabe verbundenen Koordinierungsaufgaben oder sonstigem organisatorischem Mehraufwand für sich allein ein Absehen von einer Losvergabe nicht zu rechtfertigen. Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Auftraggeber im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe einerseits und den im konkreten Fall dagegen sprechenden Gründen auseinandersetzt und sodann eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange trifft, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden technischen und wirtschaftlichen Gründe überwiegen müssen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Mai 2018 - 11 Verg 4/18 -; OLG München, Beschluss vom 25. März 2019 - Verg 10/18 -; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2020 - Verg 10/20 -, Beschluss vom 25. Mai 2022 - Verg 33/21 -; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. April 2022 - 15 Verg 2/22 -). Wortlaut, Systematik und Zweck des Gesetzes gebieten kein abweichendes Verständnis des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB. Auch den Materialien zum Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009 (BGBl. I, S. 790) ist hierfür nichts zu entnehmen. Der Gesetzgeber wollte der - empfundenen - Praxis der Auftragsbündelung entgegenwirken, also die tatsächliche Wirkung der Mittelstandsklausel verstärken und Auftraggeber zur Dokumentation der Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen verpflichten (vgl. BT-Drucksache 16/10117, S. 15). Die Rechtsprechung hatte demgegenüber bereits unter Geltung des § 97 Abs. 3 GWB a.F. strenge Maßstäbe angelegt und ist von dem Regel-/Ausnahmeverhältnis ausgegangen. Dass der Gesetzgeber auch diese Maßstäbe ändern wollte, ist weder dem Wortlaut noch der Begründung der Gesetzesänderung zu entnehmen. Dementsprechend hat die vergaberechtliche Rechtsprechung auch unter Geltung des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB hieran festgehalten.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin folgt ein anderer Maßstab nicht daraus, dass der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 BwBBG eine Gesamtvergabe in Abweichung von § 97 Abs. 4 GWB bereits dann zulässt, wenn wirtschaftliche, technische oder zeitliche Gründe dies (nur) "rechtfertigen". Zwar ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, es handele sich um einen niedrigeren Maßstab als das "Erfordern" nach § 97 Abs. 4 S. 3 GWB (BT-Drucksache 20/2353, S. 15). Dies lässt aber nicht den Rückschluss zu, ein Erfordern könne nur bei objektiv zwingenden Gründen - also dem maximalen Grad - bejaht werden. Ohnehin könnte eine entsprechende Annahme des aktuellen Gesetzgebers das Verständnis des § 97 Abs. 4 GWB nicht ändern. Angesichts der gefestigten Rechtsprechung hätte der Gesetzgeber es vielmehr in der Hand gehabt, den Maßstab durch Änderung des § 97 Abs. 4 GWB anzupassen. Macht er das nicht, war dies offenbar nicht gewollt und besteht kein Anlass, die einheitliche Linie der Rechtsprechung zu ändern.
Ist die Entscheidung somit Ergebnis einer Abwägung, ist die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage, ob der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf die Zielerreichung keine Wagnisse und Risiken eingehen muss und einen sicheren Weg wählen darf (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2020 - Verg 10/20 -) oder die Gesamtvergabe - wie sie meint - nicht mit einem sicheren Weg begründet werden darf (so auch Ziekow, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl., § 97 GWB Rn. 94 a.E.), in dieser Allgemeinheit im erstgenannten Sinn zu beantworten. Eigenständige Bedeutung kommt dem indes nicht zu. Jedenfalls bei konkreten und erheblichen Risiken der Fachlosvergabe kann der Auftraggeber nicht gezwungen sein, sehenden Auges diesen Weg zu beschreiten. Andererseits ist der Antragstellerin zuzugeben, dass die Gesamtvergabe nicht mit jeglichen, ggf. fernliegenden Risiken begründet werden kann ("sicherster Weg"). Das Gewicht des einzelnen Risikos ist nach Eintrittswahrscheinlichkeit und Ausmaß - nach den oben dargestellten Grundsätzen - im Einzelfall zu bestimmen.
bb) Bei der Prognose der Vor- und Nachteile der Losvergabe, deren Gewichtung und der Abwägung steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. jeweils zur Fachlosaufteilung OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Mai 2018 - 11 Verg 4/18 -; OLG München, Beschluss vom 25. März 2019 - Verg 10/18 -; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2020 - Verg 10/20 -, Beschluss vom 25. Mai 2022 - Verg 33/21 -; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. April 2022 - 15 Verg 2/22 -). Die Entscheidung des Auftraggebers über die Gesamtvergabe ist deshalb von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur darauf zu überprüfen, ob sie auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, beruht. Den Nachprüfungsinstanzen ist es im Umkehrschluss verwehrt, die Entscheidung des Auftraggebers durch eine eigene Beurteilung zu ersetzen, solange sie nicht auf eine einzige Entscheidungsmöglichkeit verdichtet ist. Soweit das Kammergericht (Beschluss vom 26. März 2019 - Verg 16/16 -) - worauf die Antragstellerin verweist - in einem obiter dictum (a.a.O.) und damit nicht im Sinn des § 179 Abs. 2 GWB zur Vorlage veranlassend die Auffassung vertreten hat, anders als bei Teillosen bestehe bei Fachlosen kein Beurteilungsspielraum und sei die Entscheidung des Auftraggebers uneingeschränkt nachprüfbar, folgt der Senat dem nicht. Gründe für die Unterscheidung zwischen Teil- und Fachlosen sind nicht zu erkennen. Vielmehr ist an der bereits zuvor begründeten Rechtsprechung festzuhalten.
cc) Unter technischen und wirtschaftlichen Gründen im Sinne des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB sind solche zu verstehen, die eine Integration aller Leistungsschritte in einer Hand zur Erreichung des vom Auftraggeber angestrebten Qualitätsniveaus notwendig machen. Dabei sind technische Gründe alle Aspekte, die zu einem vom Auftraggeber vorgegebenen Leistungsprofil in einem unauflöslichen Zusammenhang stehen. Dies kann auch bei komplexen, miteinander verflochtenen Dienstleistungen der Fall sein oder wenn die Aufteilung in Fachlose unverhältnismäßige Kostennachteile mit sich bringen oder zu einer starken Verzögerung des Vorhabens führen würde (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. Mai 2022 - Verg 33/21 -). Wirtschaftliche Gründe können auch darin liegen, dass es sich um ein eilbedürftiges Vorhaben wie die Fertigstellung eines Bauabschnitts einer vielbefahrenen Autobahn handelt. Weil es sich um auftragsbezogene Besonderheiten handelt, kann die mit einer Gesamtvergabe verbundene Straffung und Beschleunigung der Abläufe das Vorliegen der Voraussetzungen des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB begründen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2020 - Verg 10/20 -, dort naheliegende Verzögerung um mehrere Jahre und Folgekosten in Millionenhöhe, in anderen Entscheidungen auch weniger; Ziekow in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 97 GWB Rn. 90).
b) Nach diesen Grundsätzen hat der Antragsgegner von der gesonderten Losvergabe der BW 10 und 11 nicht mit der gegebenen Begründung absehen dürfen.
Von den Beteiligten wird zu Recht nicht in Zweifel gezogen, dass Schutzwandarbeiten grundsätzlich fachlosgeeignet sind, weil sie bei Straßenbauarbeiten ein abgrenzbares Gewerk bilden und sich ein eigenständiger Angebotsmarkt entwickelt hat (dazu auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2007 - Verg 10/07 -, und Beschluss vom 25. November 2009 - Verg 27/09 -; OLG München, Beschluss vom 9. April 2015 - Verg 1/15 -).
Der Antragsgegner hat seiner Entscheidung auch keine unzutreffenden Maßstäbe zugrundegelegt, obwohl er im Rahmen des Vergabevermerks/Anlage T 1.11 auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 25. November 2009 - Verg 27/09 - Bezug nimmt, die die bis 2009 geltende Rechtslage - § 97 Abs. 3 GWB a.F. - betrifft. Denn die Rechtsprechung ist bereits damals von dem Regel-/Ausnahmeverhältnis und davon ausgegangen, dass im Ergebnis einer umfassenden Abwägung die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründe nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen müssen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. November 2009 - Verg 27/09 -). Insofern hat die Rechtsprechung bereits zur alten Fassung des Gesetzes vergleichbare Maßstäbe angewandt.
Im Rahmen der Abwägung können die typischen Vor- und Nachteile einer losweisen Aufteilung eines Auftrags - insbesondere der typische Ausschreibungs-, Prüfungs- und Koordinierungsaufwand sowie ein höherer Aufwand bei Gewährleistungen - lediglich mit der vom Gesetzgeber vorgezeichneten Gewichtung Berücksichtigung finden und insoweit für sich genommen die zusammenfassende Vergabe nicht begründen. Hierfür kommt es deshalb darauf an, in welchem Umfang vorhabenspezifische Vor- und Nachteile hinzutreten, deren Gewichtung im Einzelfall vorzunehmen ist.
Letztlich kann der Senat offen lassen, ob die im Nachprüfungsverfahren erfolgten Erläuterungen des Antragsgegners eine zulässige Nachholung bzw. Ergänzung der Dokumentation der tatsächlich durchgeführten Abwägung oder eine grundsätzlich unzulässige Nachholung der Abwägung selbst darstellen bzw. ob wegen nachgeholter Abwägung die Antragstellerin ausnahmsweise nicht in ihren Rechten verletzt und deshalb von der Zurückversetzung abzusehen ist. Denn unabhängig davon genügen auch die Erläuterungen nicht für eine beanstandungsfreie Entscheidung über die Fachlosaufteilung.
aa) Vorteile der Fachlosaufteilung:
Das Absehen von der Fachlosvergabe ist nicht bereits deshalb vergaberechtswidrig, weil der Antragsgegner für die Losvergabe sprechende Aspekte nicht konkret aufführt.
Der schriftlichen Dokumentation der typischen Vorteile wie Schutz des Mittelstands, Markterhaltung und Chance auf mehr und bessere Angebote, die bereits der Gesetzgeber bei seiner allgemeinen Wertung berücksichtigt hat, bedarf es nicht (im Ergebnis ebenso OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. April 2022 - 15 Verg 2/22 -). Entscheidend ist, dass sich der Auftraggeber des Vorrangs der Fachlosaufteilung bewusst war und dies bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Dies ist hier der Fall, wie sich den Formulierungen im Vergabevermerk/Anlage T 1.11 ("fachlosweise Vergabe ... untersucht", "jedoch ... ausnahmsweise", Bezugnahme auf OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. November 2009 - Verg 27/09) entnehmen lässt.
Im vorliegenden Einzelfall darüber hinausgehende, vorhabenspezifische Vorteile der Fachlosvergabe zeigt die Antragstellerin nicht auf und sind auch nicht ersichtlich.
bb) Nachteile bzw. Risiken der Fachlosaufteilung:
In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass nach der Ausschreibung der Einsatz von Nachunternehmern für die Schutzwandarbeiten nicht ausgeschlossen und hier auch tatsächlich zumindest von einzelnen Bietern vorgesehen ist. Nachteile und Risiken der Fachlosvergabe, die bei Einsatz eines Nachunternehmers in gleicher Weise bestehen, heben sich insoweit im Rahmen der Abwägung auf und können deshalb keine Berücksichtigung finden.
Hinsichtlich der vom Antragsgegner zur Begründung angeführten Aspekte gilt Folgendes:
(1) Soweit der Antragsgegner die zusammenfassende Vergabe mit der Anordnung der Bohrpfähle und Besonderheiten des Taktschiebeverfahrens begründet, geht es zunächst darum, Bohrpfähle, Pfosten und Betonsockelelemente bereits im Taktschiebekeller vor Aufbau des Damms zu setzen, um sie als Stützwand zu nutzen. Um einen bauvorhabenspezifischen Synergieeffekt würde es sich indes nur dann handeln, wenn dessen Eintritt bei Einsatz eines Nachunternehmers sichergestellt wäre, bei gesonderter Beauftragung als Fachlos demgegenüber nicht. Dass und warum der Antragsgegner eine entsprechende Prognose getroffen hat, lässt sich der Dokumentation nicht in für den Senat nachvollziehbarer Weise entnehmen. Soweit es lediglich um die typische Koordinierung zwischen verschiedenen Gewerken geht, kommt dem nur das vom Gesetzgeber in Kauf genommene Gewicht zu. Im Übrigen bedürfte es - selbst wenn bei Fachlosvergabe das zusätzliche Erfordernis einer provisorischen Stützwand zu erwarten wäre - im Rahmen der Abwägung einer Bemessung dieses Nachteils etwa hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit, der Mehrkosten und ggf. konkreter Auswirkungen auf den Bauablauf.
Darüber hinaus geht es in diesem Zusammenhang um die Nutzung des Baufelds hinter den Widerlagern und die erforderliche Abstimmung mit den Brückenbauarbeiten, damit sich die Unternehmer nicht gegenseitig behindern. Vorteile des Einsatzes eines Nachunternehmers gegenüber der gesonderten Vergabe vermag der Senat der Dokumentation - abgesehen von der Verlagerung des Koordinierungsaufwands vom Auftraggeber auf den Generalunternehmer als typische Folge des Absehens von der Losvergabe - nicht zu entnehmen.
(2) Hinsichtlich der Stahlbauanschlüsse geht es vor allem um mögliche Probleme bei einer Mängelzuordnung in Bezug auf den Korrosionsschutz. Hierbei handelt es sich indes um ein typisches Schnittstellenproblem, das der Gesetzgeber grundsätzlich hingenommen hat. Dass ein mit einem Fachlos beauftragter Unternehmer generell ein größeres Risiko für den Korrosionsschutz darstellen würde als ein Nachunternehmer, ist nicht nachzuvollziehen.
(3) Die Problematik, dass nach Montage der Zügelgurte in deren Zwickelbereich die Wandelemente nicht von oben in die Pfosten eingesetzt werden können, dürfte Nachunternehmer in gleicher Weise wie mit einem gesonderten Fachlos beauftragte Unternehmer treffen. Anderes ist - jedenfalls außerhalb der Frage der Koordinierung - der Dokumentation auch unter Berücksichtigung der Erläuterungen im Nachprüfungsverfahren nicht nachvollziehbar zu entnehmen. Selbst wenn allerdings anzunehmen wäre, dass Nachunternehmer die Wandelemente vor Montage der Zügelgurte einsetzen, gesondert beauftragte Unternehmer demgegenüber erst danach, lässt die Dokumentation nicht erkennen, welche konkreten Risiken sich aus einem seitlichen Einschub und der Montage mit Klemmwinkeln ergeben. Dies gilt erst recht, nachdem die Abbildung auf S. 8 der Erwiderung des Antragsgegners im Nachprüfungsverfahren ohnehin angeschraubte Winkelprofile vorsieht. Für vermeintliche Auswirkungen auf den Korrosionsschutz gelten die Ausführungen zu den Stahlbauanschlüssen entsprechend.
(4) Die vorliegenden und das noch ausstehende Windgutachten sind in Bezug auf eventuelle Wirbelresonanzschwingungen vom Antragsgegner in der Ausführungsplanung zu berücksichtigen und können im Bereich der Schutzwände ggf. Auswirkungen auf die Verbindungen Brücke/Pfosten bzw. Pfosten/Wandelement haben. Entsprechende Änderungen sind in der Werkstattplanung des Auftragnehmers umzusetzen. Dabei vermag der Senat der Dokumentation und den ergänzenden Ausführungen nicht belastbar zu entnehmen, inwieweit diese Umsetzung bei Einsatz eines Nachunternehmers mit geringeren Risiken für Bauablauf, Fertigstellung und Qualität verbunden wäre als bei einem in Fachlose unterteilten Auftrag.
(5) Die Nutzung der Schutzwände als Absturzsicherung während der Bauarbeiten im Bereich der Strombrücke ist dann ein bauvorhabenspezifischer Synergieeffekt, wenn dies bei Einsatz eines Nachunternehmers sichergestellt ist, bei Vergabe als Fachlos aber nicht. Dies ist aus der Dokumentation nicht nachzuvollziehen. Dem allgemein mit der Aufteilung verbundenen Koordinierungsaufwand kann auch hier keine maßgebliche Bedeutung zukommen. Selbst wenn bei gesonderter Beauftragung eine provisorische Absturzsicherung erforderlich würde, bedürfte es im Übrigen für eine Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung einer belastbaren Bemessung dieses Risikos, die auch eine Einschätzung der Kosten einer provisorischen Absturzsicherung umfasst.
(6) Ein uneinheitliches Erscheinungsbild der Wände stellt kein besonderes Risiko der gesonderten Vergabe dar, weil die Aufteilung der BW 10 und 11 in zwei Fachlose oder in Teillose nicht im Raum steht. Hinsichtlich Brücke, Pfosten und Rahmen der Wandelemente ist ein einheitliches Erscheinungsbild durch dieselbe Beschichtung vom selben Hersteller entgegen der Argumentation des Antragsgegners bereits bei der derzeitigen Ausschreibung nicht sichergestellt, sondern allenfalls erhofft. Entsprechende Vorgaben sieht die Ausschreibung nicht vor. Der in den Erläuterungen angeführte "Nachweis der Eigenüberwachung" für das Farbsystem ist keine solche Vorgabe; ohne vertragliche Grundlage hat der Antragsgegner keinen Einfluss auf die Auswahl. Nicht zu entscheiden hat der Senat an dieser Stelle, ob eine Vorgabe, es müsse für die Beschichtungen aller Elemente dasselbe - nicht vorgegebene - Produkt verwendet werden, vom Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers gedeckt sein kann.
(7) Für sich genommen beanstandungsfrei scheint die Einschätzung des Antragsgegners, dass wegen der dem Verhandlungsverfahren vorbehaltenen Unklarheiten bezüglich der Herstellungstechnologie und des Bauablaufs - insbesondere hinsichtlich der Größe der Vormontageplätze, der Tiefe des Taktschiebekellers und des Takts - die Ausschreibung eines Fachloses für die BW 10 und 11 erst nach Auswahl bzw. Zuschlag für den Brückenbau BW 5 und 12 sinnvoll möglich ist. Die sukzessive Ausschreibung geht dabei über den typischen Aufwand der getrennten Ausschreibung, die üblicherweise zumindest parallel erfolgen kann, hinaus und kann insoweit einen vorhabenspezifischen Nachteil der Losaufteilung darstellen.
Inwieweit die sukzessive Ausschreibung tatsächlich negative Auswirkungen auf den Bauablauf und die Gesamtbauzeit haben wird, lässt sich der Dokumentation indes nicht nachvollziehbar entnehmen. Die Einschätzung des Antragsgegners, bei getrennter Ausschreibung ergäbe sich zwingend eine nachlaufende Herstellung der Schutzwände, geht von einem unzutreffenden Sachverhalt aus. Die Ausschreibung eines Fachloses dürfte vielmehr bereits in 04/2025 - dem vorgesehenen Zeitpunkt der Auswahl und des Zuschlags für die Brückenbauarbeiten - möglich sein. Zu diesem Zeitpunkt sollten die zu erbringenden Schutzwandarbeiten weitgehend feststehen. Weil sie nicht erst durch Verhandlungen mit dem Schutzwandbauer auszugestalten sind, dürfte das entsprechende Vergabeverfahren zügig abzuschließen sein. Berücksichtigt man zudem, dass die Schutzwandarbeiten offensichtlich nicht in einer frühen Phase des Brückenbaus zu erfolgen haben, liegen Verzögerungen im Bauablauf und der Bauzeit dann jedenfalls nicht auf der Hand. Nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dürfte das eigentliche Problem sein, dass die exakte Ausführungszeit noch vom konkreten Bauablauf abhängt und dieser im Rahmen der Werkstattplanung des Brückenbauers Anpassungen unterliegen kann. Hier können Festlegungen des Brückenbauers bei Auftragserteilung verlangt werden, so dass auf Verzögerungen wie bei anderen Bauvorhaben zu reagieren wäre. Dass derartige Festlegungen - wie der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat - nicht möglich seien, weil die Zeiten und die Länge der Schüsse von Transportwegen vormontierter Bauteile und Art und Größe des verfügbaren Krans abhingen, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Es ist nicht erkennbar, weshalb vertragliche Bindungen insoweit nicht möglich sein sollen. Alternativ könnte für die Leistungserbringung des Schutzwandbauers ein Leistungszeitraum festgelegt werden, in dem dieser auf Abruf innerhalb bestimmter Fristen bereitstehen müsste. Dies mag unter Umständen Auswirkungen auf den Preis haben. In beiden Varianten ist aber ein maßgeblicher Unterschied zur Gesamtvergabe nicht dokumentiert. Auch dort müsste sich der Brückenbauer in entsprechender Weise der Leistungen eines Nachunternehmers versichern und dies in sein Angebot einkalkulieren. Macht er das nicht und geht das Risiko ein, bei kurzfristiger Anfrage keinen Schutzwandbauer zu finden, stellt dies zugleich ein Risiko für das Gesamtvorhaben dar. Der Unterschied liegt insoweit vor allem darin, dass der Generalunternehmer keiner Ausschreibungspflicht unterliegt und insoweit etwas flexibler agieren kann. Das wiederum dürfte ein typischer Nachteil der Losvergabe sein. Hinsichtlich der eventuellen Verschiebung von Anschlusspunkten für die Pfosten im Bereich der Strombrücke je nach Länge der Schüsse/Takte ist nicht zu erkennen, dies erfordere maßgebliche Änderungen im Schutzwandbau. Die Abstände zwischen den Anschlusspunkten und damit die Längen der Wandelemente sind festgelegt. Allenfalls im Zwickelbereich könnten Anpassungen erforderlich werden, deren Umfang allerdings begrenzt sein dürfte.
Soweit die sukzessive Ausschreibung nachteilige Auswirkungen auf die Gesamtbauzeit haben sollte, stellt dies wegen der späteren Verkehrsfreigabe und Nutzbarkeit der Brücke einen wirtschaftlichen Grund im Sinn des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB dar. Es handelt sich nicht um einen zeitlichen Grund, wie er in § 3 BwBBG für dort genannte Beschaffungen zusätzlich kodifiziert ist und im Rahmen des § 97 Abs. 4 S. 3 GWB nicht genügt. Wie sich den in der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 20/2353, S. 15) aufgeführten Beispielen entnehmen lässt, geht es dort - anders als hier - um rein zeitliche Gründe ohne wirtschaftliche Auswirkungen. Für die Gewichtung dieses Nachteils im Rahmen der Abwägung bestehen Bedenken, einen volkswirtschaftlichen Schaden auf Grundlage des Vordrucks zur Berechnung einer Beschleunigungsvergütung zu ermitteln. Dieser verfolgt eine andere Zielrichtung. Im Übrigen gestattet er ausdrücklich lediglich eine Interpolation, nicht aber die hier vorgenommene Extrapolation.
cc) Abwägung:
Seiner Abwägung hat der Antragsgegner nach den vorstehenden Ausführungen nicht den zutreffenden und vollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt. Zudem genügt die Dokumentation nicht, eine willkürfreie, an Sachgründen orientierte - wenn auch nicht notwendig vom Senat geteilte - Abwägung festzustellen.
Eine Gesamtschau des Bauvorhabens oder gar aller Bauvorhaben des Antragsgegners führt zu keiner abweichenden Bewertung. Ihr kann zwar entnommen werden, dass er im Allgemeinen durchaus Teil- und Fachlose vergibt. Das allein rechtfertigt indes nicht, hinsichtlich der Schutzwandarbeiten ohne weitere Gründe von der Fachlosvergabe abzusehen. Anders wäre es allenfalls bei einem Splitterlos, um das es sich hier indes offensichtlich nicht handelt.
2. Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in §§ 71 Satz 1, 175 Abs. 2 GWB. Die Kostenbefreiung des Antragsgegners ist keine Frage der Kostengrundentscheidung.
Die Notwendigerklärung hinsichtlich der anwaltlichen Vertretung auf Antragstellerseite beruht für das Verfahren vor der Vergabekammer auf § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG M-V. Die Erstattungsfähigkeit für den Beschwerderechtszug bedurfte keiner Tenorierung; sie folgt unmittelbar kraft Gesetzes aus § 175 Abs. 1 Satz 1 GWB (Senat, Beschluss vom 11. November 2021 - 17 Verg 4/21 -; Beschluss vom 5. Februar 2020 - 17 Verg 4/19 -).
Die Wertfestsetzung folgt aus § 50 Abs. 2 GKG. Maßgebend ist dabei nicht die Kostenermittlung für das Gesamtlos 2.2, sondern - auch wenn die Gesamtvergabe blockiert wird - das auf einen Auftrag für die BW 10 und 11 begrenzte Interesse der Antragstellerin. Die Schätzung des entsprechenden Auftragswerts durch die Vergabekammer (S. 31 des Beschlusses) ist von den Beteiligten nicht angegriffen.
Vertrag unwirksam: Finanzielle Konsequenzen?
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OLG Düsseldorf, Urteil vom 03.07.2024 - 18 U 63/23
Preisbewertungsmethode muss vor der Wertung feststehen!
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VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29.09.2023 - VK-SH 11/23
Horizontale BIEGE spricht für Wettbewerbsverstoß!
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Rüge per Fax verschickt: "O.K."-Vermerk ist kein Zugangsbeweis!
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Preisliche Ausreißer sind noch kein Indiz für eine Mischkalkulati...
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LG Würzburg, Urteil vom 10.06.2024 - 73 O 2247/23
Wer zu spät rügt, den bestraft die Vergabekammer!
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VK Rheinland, Beschluss vom 23.07.2024 - VK 26/24