VK Bund
Beschluss
vom 26.03.2024
VK 1-24/24
1. Eine vergaberechtswidrige Mehrdeutigkeit der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn fachkundigen Unternehmen auch nach Auslegungsbemühungen mehrere Auslegungsmöglichkeiten verbleiben oder das zutreffende Verständnis der Vergabeunterlagen eine besondere Gesamtschau erfordert, die von den Bietern oder Bewerbern im Vergabewettbewerb erfahrungsgemäß nicht geleistet wird oder nicht geleistet werden kann.
2. Von einem Angebotsausschluss wegen eines möglicherweise nicht gravierenden formalen Mangels kann im Interesse der Erhaltung eines möglichst umfassenden Wettbewerbs abzusehen sein, wenn sich der formale Mangel eines fehlenden Formblatts insofern nicht auswirken würde, als das Angebot anderweitig alle im Angebotsschreiben geforderten Angaben und Erklärungen enthielte.
3. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach ein Bieter stets das anbietet, was in der Ausschreibung gefordert ist.
4. Eine Nachforderung hat zu unterbleiben, wenn der Auftraggeber sie in den Vergabeunterlagen wirksam ausgeschlossen hat. Bei der normativen Auslegung der Nachforderungsregelung ist auf den objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen.
In dem Nachprüfungsverfahren
(...)
wegen der Vergabe "[...], Dachabdichtungsarbeiten ... Vergabe ...
hat die 1. Vergabekammer des Bundes durch die stellvertretende Vorsitzende ###, die hauptamtliche Beisitzerin ### und den ehrenamtlichen Beisitzer ### aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2024 am 26. März 2024
beschlossen:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin.
Gründe:
I.
1. Die Antragsgegnerin führt derzeit ein europaweites, offenes Verfahren zur Vergabe Dachabdichtungsarbeiten durch.
In der EU-Bekanntmachung war unter Ziffer 5.1.12 (Bedingungen für die Auftragsvergabe) ausgeführt:
"Zusätzliche Informationen: Das Angebotsschreiben Formblatt 213 und das Formblatt 225a werden nicht nachgefordert (§ 16a EU Abs. 3 VOB/A). Alle weiteren Unterlagen werden nachgefordert. Diese sind nach Aufforderung durch den Auftraggeber vorzulegen."
In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (Formblatt 211) hieß es wie folgt:
(hier aus technischen Gründen nicht abgedruckt)
Die Teilnahmebedingungen (Formblatt 212) sahen für die Angebotsabgabe vor:
(hier aus technischen Gründen nicht abgedruckt)
Das den Vergabeunterlagen beigefügte Formblatt 213 (Angebotsschreiben) enthielt folgende Angaben:
(hier aus technischen Gründen nicht abgedruckt)
Die Antragstellerin gab ein Angebot ab. Sie verwendete nicht das Angebotsschreiben / Formblatt 213, sondern fügte ein selbst formuliertes Angebotsschreiben bei:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
als Anlage erhalten Sie unser Angebot für obiges Bauvorhaben.
Wir bedanken uns vorab für die Rücksendung der Submissionsergebnisse.
(...)"
Dem Submissionsprotokoll konnte die Antragstellerin entnehmen, dass bei ihrem Angebot eine Angebotssumme von "0,00" Euro vermerkt war. Sie rügte am Folgetag, 2. Februar 2024, mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten den unzutreffenden Angebotspreis. Vorsorglich rügte sie, das Formblatt 213 sei in den Vergabeunterlagen nicht eindeutig gefordert worden. Soweit das Formblatt ergänzende Erklärungen der Bieter vorsehe, zählten diese nicht zu den Kernbestandteilen der abzugebenden Angebote und könnten nachgefordert werden.
Die Antragsgegnerin lehnte die Rüge mit Schreiben vom 9. Februar 2024 ab und teilte mit, das Angebot der Antragstellerin sei gemäß § 16 EU Nr. 3 VOB/A von der Wertung ausgeschlossen worden. Bereits in der Bekanntmachung sei darauf verwiesen worden, dass ein fehlendes Formblatt 213 nicht nachgefordert werde. Da in dem Formblatt neben den Preisangaben weitere Erklärungen abgefragt würden, ohne die ein Angebot nicht wertungsfähig sei, könne das Angebot nicht bewertet werden. Die Antragstellerin rügte mit weiterem Schreiben vom 19. Februar 2024 und teilte mit, dass gegen den nun mitgeteilten Angebotsausschluss die zunächst "vorsorglich" eingelegte Rüge aufrechterhalten werde.
2. Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten am 21. Februar 2024 bei der Vergabekammer des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Der Antrag wurde am selben Tag an die Antragsgegnerin übermittelt.
a) Der zulässige Nachprüfungsantrag sei begründet. Der Ausschluss des Angebots zu Lasten der Antragstellerin könne nicht auf § 16 EU Nr. 3 VOB/A gestützt werden.
Das Formblatt 213 sei nicht deutlich erkennbar und widerspruchsfrei gefordert worden. Die EU-Bekanntmachung erwähne das Formblatt 213 nur im Hinblick darauf, dass eine Nachforderung ausgeschlossen werde. Die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (Formblatt 211) nenne 213 nicht bei den mit dem Angebot einzureichenden Unterlagen unter Ziffer 3.1. sondern verweise auf das "Formblatt Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen". Damit sei das Formblatt 216 gemeint. Die Vergabeunterlagen würden der Anforderung in § 8 EU Abs. 2 Nr. 5 VOB/A einschließlich der damit verbundenen Hinweis- und Warnfunktion nicht gerecht. In Formblatt 216 sei das Formblatt 213 aber nicht genannt. Lediglich in Abschnitt 1 .1 sei ein Kreuz vor dem Text: "Angebotsschreiben" gesetzt. Dieses sei keineswegs eindeutig.
Die Antragstellerin habe das als Hinweis verstanden, dass das bepreiste Leistungsverzeichnis zusammen mit einem selbst verfassten Angebotsschreiben abgegeben werden könne. Dieses Verständnis sei nach dem Auslegungsmaßstab eines sachkundigen und gewissenhaften Bieters mindestens nachvollziehbar. Es sei semantisch und kontextuell sogar der naheliegende Inhalt aus der Sicht des Bieters, der diese Unterlagen sorgfältig lese. Hinzukomme, dass in zahlreichen Ausschreibungen ein bepreistes Leistungsverzeichnis in Verbindung mit einem Angebotsschreiben des Unternehmens akzeptiert werde.
In ihrem eigenen Angebotsschreiben und dem damit verbundenen Leistungsverzeichnis seien wortgleich alle ausgeschriebenen Leistungen wiedergegeben worden und die geforderte Gegenleistung des Auftraggebers mit den eingetragenen Preisangaben benannt worden. Einige im FB 213 vorgesehene Angaben beispielsweise zu Nebenangeboten, seien nicht relevant, da sie nicht zugelassen seien. Wenn die Antragstellerin keine Angabe zu einem Nachlass gemacht habe, sei dies so zu verstehen, dass ein Nachlass nicht angeboten werde. Den Einsatz von Nachunternehmern habe sie im Formblatt 235 aufgeführt. Die Antragstellerin habe durch den Verweis auf die Vergabenummer zudem kundgetan, dass sie alle in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen vorgegebenen Bedingungen inhaltlicher und rechtlicher Natur akzeptiere. Nach dem Leitbild des BGH sei jedenfalls von einem vergaberechtskonformen Verhalten des Bieters auszugehen, wenn ein Angebotsschreiben keinerlei abweichende oder weitergehende eigene Vertragsbedingungen enthalte. Entsprechendes gelte für die Einbeziehung der VOB/B. In der mündlichen Verhandlung räumt die Antragstellerin ein, dass die Anerkennung der VOB/B sich nicht aus ihrem Angebotsschreiben ergebe. Diese Erklärung könne jedoch nachgefordert werden.
Die Nachforderung etwaiger fehlender Erklärungen im Formblatt 213 sei außer der Nachforderung von Preisangaben zulässig. Die in Formblatt 213 enthaltenen Angaben und Erklärungen zählten nicht zu den Kernbestandteilen der abzugebenden Angebote und könnten auf der Grundlage von § 16a EU Abs. 1 VOB/A nachgefordert werden. Sie seien keine Voraussetzung für die rechtsgeschäftliche Wirksamkeit des Angebots. Der von der Antragsgegnerin beabsichtigte umfassende Verzicht auf eine Nachforderung aller mit dem Formblatt 213 verbundenen Erklärungen sei jedenfalls nicht eindeutig formuliert worden. Die Bezugnahme auf Preisangaben als Grund für den Ausschluss einer Nachforderung für beide Formblätter (213 und 225a) trage dem Nachforderungsausschluss in § 16a EU Abs. 2 Satz 1 VOB/A Rechnung. Die Bezugnahme auf Preisangaben sei in Ziffer 3.3 mitgeteilt worden. Zudem beträfen uneindeutige und widersprüchliche Vorgaben ebenso das Formblatt 225a. Der sachkundige Bieter frage sich, warum eine Nachforderung des Formblatts 225a und auch des Formblatts 213 ausgeschlossen würden, wenn 225a keine Rolle für die Ausschreibung spiele und nicht gefordert werde. Es sei nicht Pflicht des Bieters, uneindeutige und widersprüchliche Aussagen der Vergabeunterlagen im Sinne einer Risikominimierung zu analysieren.
Durch die Nachforderung werde der Antragstellerin auch nicht die Möglichkeit eröffnet, ihr Angebot nachzubessern. Eine Nachforderung komme zudem nicht in allen Punkten des Formblatts 213 in Betracht.
Die Antragstellerin beantragt über ihren Verfahrensbevollmächtigten,
1. der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag in diesem Verfahren auf das Angebot eines anderen Bieters zu erteilen (§ 169 Abs. 1 GWB);
2. die Antragsgegnerin anzuweisen, das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht zurückzuversetzen, um den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer aufzuheben und dieses Angebot in der Wertung zu berücksichtigen;
3. hilfsweise zu Ziffer 1. und 2.: geeignete Maßnahmen zu treffen, um das Vergabeverfahren in einen vergaberechtskonformen Zustand zu versetzen und Rechtsverletzungen der Antragstellerin zu beseitigen;
4. der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten der Antragsgegnerin zu gewähren;
5. die Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig zu erklären und
6. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen.
b) Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge aus dem Schriftsatz vom 21 Februar 2024 zurückzuweisen.
Das Angebot der Antragstellerin könne gemäß § 16 EU Nr. 3 VOB/A nicht gewertet werden. Die Antragstellerin habe die bereitgestellten Vergabeunterlagen bei der Erstellung ihres Angebots nicht in der gebotenen Gesamtschau betrachtet, sondern sich allein am Formblatt 216 orientiert. In Ziffer 3.2 der Teilnahmebedingungen sei festgelegt, dass für das Angebot die von der Vergabestelle vorgegebenen Vordrucke zu verwenden seien. Statt des Formblatts 213 habe die Antragstellerin jedoch ein eigenes Angebotsschreiben erstellt, das inhaltlich nicht mit dem Formblatt 213 zu vergleichen sei. Dadurch fehlten dem Angebot wesentliche Erklärungen, -wie etwa Angaben zum Bieter, Benennung der Unterlagen, die Vertragsbestandteil werden, Preis für die Leistung und ggfs. Wartung, Höhe eines Nachlasses, Anzahl der Nebenangebote, Erklärung zur Vereinbarung der VOB/B, Angaben zum geplanten Nachunternehmereinsatz, Anerkennung des Wortlauts der Langfassung des Leistungsverzeichnisses. Das Formblatt 213 sei Bestandteil der Vergabeunterlagen gewesen. Unter Buchstabe C) des Formblatts 21 1 sei zudem festgelegt worden, dass das Angebotsschreiben Formblatt 213 mit dem Angebot einzureichen war. Der Einschub "soweit erforderlich" beziehe sich nicht auf das Formblatt 213. Zusätzlich werde in Ziffer 3.1 auf das Formblatt 216 verwiesen, das nochmals alle einzureichenden Unterlagen aufzähle. Dort wiederum erfolge die Nennung "Unterlagen, die mit dem Angebot abzugeben sind" unter der Überschrift 1.1 "Formblätter'. Damit sei eindeutig das Angebotsschreiben Formblatt 213 gemeint, jedenfalls kein selbstgefertigtes Angebotsschreiben. Die Antragstellerin hätte aber zusätzlich ein eigenes, auf ihrem Briefbogen gefertigtes Begleitschreiben beilegen können.
Unstreitig enthalte das Angebot die Angaben zum Bieter und den Preis für die ausgeschriebenen Leistungen. und für die Wartung. Auch sei die vorgeschriebene elektronische Form und das Textformerfordernis eingehalten. Nicht benannt würden aber die anderen oben aufgeführten wesentlichen Erklärungen. Auch eine Auslegung des Angebots führe nicht dazu, dass die genannten fehlenden Erklärungen Bestandteile des Angebots seien. Eine bloße Bezugnahme auf die Vergabenummer führe nicht zur Einbeziehung der gesamten Bedingungen und Anforderungen an die Ausführung der Leistung. Auch bei aus Sicht der Antragstellerin nicht relevanten Erklärungen, zum Beispiel zu etwaigen Nebenangeboten, seien die Erklärungen für die Vergabestelle von Bedeutung, auch für Eintragungen im Submissionsprotokoll. Das Angebot der Antragstellerin sei daher unvollständig im Sinne des § 13 EU Abs. 1 Nr. 4 VOB/A.
Eine Nachforderung sei ausdrücklich durch die entsprechende Festlegung in der Bekanntmachung (Ziffer 5.1.12) und den Vergabeunterlagen (Ziffer 3.3 der Angebotsaufforderung) ausgeschlossen worden. Der Verzicht auf die Nachforderung aller oder auch nur bestimmter Unterlagen stehe der Vergabestelle nach ihrer freien Entscheidung zu. Sie habe die Nachforderung des Formblatts 213 auch zur Vermeidung von Manipulationsmöglichkeiten, zum Beispiel im Hinblick auf die Einräumung eines Nachlasses, vorgenommen: Ebenfalls grundsätzlich von der Nachforderung ausgeschlossen sei das Formblatt 225a, das hier aber nicht Bestandteil der Vergabeunterlagen sei. Zur Beschleunigung des Wertungsprozesses sei darüber hinaus gemäß § 16a EU Abs. 3 VOB/A festgelegt, dass keine Preisangaben nachgefordert würden. Preisangaben würden daher zusätzlich zu den Formblättern 213 und 225a nicht nachgefordert. Dass die genannten Unterlagen beziehungsweise Angaben kumulativ zu lesen seien, werde durch entsprechende Satzzeichen kommuniziert. Der Verzicht auf die Nachforderung von Preisangaben sei durch einen Punkt von den Angaben zu den Formblättern klar getrennt. Es handele sich also um eine Aufzählung und nicht um eine inhaltliche Verknüpfung. Aufgrund der vorgegebenen Zeichenanzahl im Formular habe man sich kurzhalten müssen. Eine Nachforderung nur der Preisangaben im Formblatt 213 mache keinen Sinn, wenn dies, wie es die Antragstellerin selbst vortrage, vergaberechtlich nicht zulässig sei. Der Ausschluss der Nachforderung des Formblatts 213 sei an zwei Stellen in den Vergabeunterlagen klar kommuniziert worden.
Die Vergabekammer hat nach vorheriger Zustimmung der Antragsgegnerin der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren.
In der mündlichen Verhandlung am 15. März 2024 hatten die Beteiligten Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen und mit der Vergabekammer umfassend zu erörtern.
Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakten der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der zulässige Nachprüfungsantrag ist unbegründet.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Das für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB erforderliche Interesse am Auftrag hat sie durch die Abgabe eines Angebots hinreichend dokumentiert. Sie macht geltend, in ihren Rechten nach S 97 Abs. 6 GWB verletzt zu sein. Ferner droht der Antragstellerin ein Schaden. Die Antragstellerin hat nach Kenntnisnahme des Submissionsprotokolls im Sinne von § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB gerügt. Der Nachprüfungsantrag ist rechtzeitig nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB innerhalb von 15 Kalendertagen nach Erhalt der Nichtabhilfemitteilung gestellt worden.
2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet. Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin zu Recht wegen Nichtvorlage des wirksam geforderten Angebotsformblatts FB 213 gemäß § 16 EU Nr. 3 i.V.m. § 8 EU Abs. 2 Nr. 5 VOB/A ausgeschlossen (siehe unter lit. a). Das Angebot enthält im Übrigen nicht alle im Formblatt "Angebotsschreiben" geforderten Angaben und Erklärungen, so dass sich der formale Mangel des fehlenden Formblatts auch auswirkt (unter lit. b). Eine Nachforderung fehlender oder unvollständiger Erklärungen oder Angaben findet nicht statt, denn die Antragsgegnerin hat gemäß § 16a EU Abs. 3 VOB/A wirksam festgelegt, dass sie das Angebotsformblatt FB 213 nicht nachfordern wird (unter lit. c).
a) Das Formblatt FB 213 "Angebotsschreiben" ist wirksam gefordert worden und war als Teil der Angebotsunterlagen mit Ablauf der Angebotsfrist vorzulegen.
Dies ergibt sich nach einer Auslegung der Angebotsaufforderung sowie der den Bietern im Zusammenhang damit elektronisch zur Verfügung gestellten Anlagen. Aus den Vergabeunterlagen muss für Bieter eindeutig und unmissverständlich hervorgehen, was von ihnen verlangt wird (vgl. schon BGH, Urteil vom 15. Januar 2013, X ZR 155/10). Die Vergabestellen trifft die Pflicht, die Vergabeunterlagen klar zu formulieren und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden. Die Frage, welcher Erklärungswert den hierfür maßgeblichen Teilen der Vergabeunterlagen zukommt, ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden. Dabei ist im Rahmen einer normativen Auslegung auf den objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter beziehungsweise Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen. Es kommt nicht darauf an, wie die Antragstellerin als einzelnes Unternehmen die Unterlagen verstanden hat, sondern wie der durchschnittliche Bieter des angesprochenen Bieterkreises sie verstehen musste oder konnte. Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2014, X ZB 15/13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Dezember 2017, Verg 19/17). Wie Mitbieter oder -bewerber die Vergabeunterlagen verstanden haben, kann hierbei für die normativ zu bestimmende Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Bieters von indizieller Bedeutung sein (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. April 2022, Verg 25/21).
Die Antragsgegnerin hat in der vorliegenden Ausschreibung die Formblätter des Vergabehandbuchs des Bundes verwendet, die sie bei ihren Ausschreibungen regelmäßig benutzt. Der Antragstellerin, die - wie sie schriftsätzlich vorgetragen hat - in der Vergangenheit ca. 80% ihrer Bauaufträge für öffentliche Auftraggeber erbracht und auch schon erfolgreich an Vergabeverfahren des Bundes teilgenommen hat, sind diese Formblätter und deren Verwendung ebenfalls bekannt. Bei einer Auslegung der Vergabeunterlagen aus der Sicht eines verständigen Bieters ist das Formblatt "213 Angebotsschreiben" vorliegend als ein zentrales Schreiben im Vergabeverfahren anzusehen. Denn es stellt nicht nur ein reines Übersendungsschreiben dar, sondern enthält verschiedene, gesonderte Erklärungen und Angaben, die für den Auftraggeber im Vergabeverfahren von Interesse sind oder sein können. Im Verhältnis zu den übrigen Angebotsunterlagen stellt das Angebotsschreiben selbst zudem eine maßgebliche Klammer dar, die die weiteren Unterlagen mit umfasst.
Die Aufforderung zur Angebotsabgabe enthielt hier auch einen eindeutigen Verweis auf die Verwendung des Formblatts 213, nämlich zu Beginn der Seite 2 unter Buchstabe C) als eigens angekreuzte Anlage "die, soweit erforderlich, ausgefüllt mit dem Angebot einzureichen" ist. Des Weiteren führt der auf derselben Seite der Angebotsaufforderung unter Ziffer 3.1 "Folgende Unterlagen sind mit dem Angebot einzureichen" aufgeführte Verweis auf das "Formblatt Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen" dazu, dass das Formblatt 213 (und kein formloses Angebotsschreiben) vorzulegen ist. Denn das "Angebotsschreiben" als solches' befindet sich im "Formblatt Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen" (FB 216), eindeutig und an erster Stelle der Liste der vorzulegenden Formblätter (Ziffer 1.1, Formblätter). Allein die fehlende Angabe der Nummer (213) des Formblatts "Angebotsschreiben" führt hier nicht zu einer vergaberechtswidrigen Mehrdeutigkeit der Vergabeunterlagen. Dies wäre nur der Fall, wenn fachkundigen Unternehmen auch nach Auslegungsbemühungen mehrere Auslegungsmöglichkeiten verbleiben oder das zutreffende Verständnis der Vergabeunterlagen eine besondere Gesamtschau erfordert, die von den Bietern oder Bewerbern im Vergabewettbewerb erfahrungsgemäß nicht geleistet wird oder nicht geleistet werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Dezember 2017, Verg 19/17 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 10. Juni 2008, X ZR 78/07). So stellt sich allerdings hier die Situation aufgrund der Vergabeunterlagen nicht dar. Denn aus der Sicht eines verständigen Bieters in Bauvergaben ist die Einreichung des Formblatts "213 Angebotsschreiben" im Rahmen einer Gesamtschau sowohl der Angebotsaufforderung, des Verzeichnisses der vorzulegenden Unterlagen als auch der beigefügten Unterlagen zu folgern. Die Nutzung eines Formblatts "Angebotsschreiben" ist zudem unter dem Begriff "Formblätter im "Formblatt Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen" (FB 216) aufgeführt, was deutlich gegen die Verwendung eines formlosen Schreibens spricht. In der Gesamtschau ist es einem verständigen Bieter möglich, von der Erwähnung des Formblatts "213 Angebotsschreiben" in der Aufforderung zur Angebotsabgabe, vom Terminus "Formblatt Angebotsschreiben" im Verzeichnis der vorzulegenden Unterlagen und' der Beifügung des Formblatts 213 in den Vergabeunterlagen auf dessen Verwendung zu schließen. Hinzu kommt, dass auch die von der Antragsgegnerin verwendeten Allgemeinen Vertragsbedingungen (siehe Teilnahmebedingungen, Formblatt 212) in Ziffer 3.2 darauf verweisen, dass "die von der Vergabestelle vorgegebenen Vordrucke zu verwenden" sind. Dass die Verwendung des Angebotsformblatts zudem dem Verständnis eines durchschnittlichen Bewerbers des angesprochenen Bewerberkreises entspricht, lässt sich aus der Tatsache ableiten, dass alle übrigen ... Bieter dieses Formblatt verwendet haben. Die Antragstellerin, die sich' selbst als sehr ausschreibungserfahren bezeichnet, verhält sich in diesem Zusammenhang widersprüchlich, wenn sie einerseits meint, das Formblatt 213 als solches mangels Angabe der entsprechenden Nummer nicht erkannt zu haben, andererseits jedoch in der Lage war, das Formblatt "Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen" ohne Weiteres identifizieren zu können, obwohl die Nummer dieses offiziellen VHB-Formblatts 216 ebenfalls nicht in Ziffer 3.1 der Angebotsaufforderung genannt worden war. Widersprüchlich und daher nicht nachvollziehbar ist die Argumentation der Antragstellerin zudem deshalb, weil sie alle anderen mit der Angebotsaufforderung bereitgestellten und dort unter Buchstabe C) genannten Formblätter, soweit in ihrem Fall einschlägig, mit ihrem Angebot abgegeben hat, das Formblatt 213 jedoch. nicht.
Auch ist die generelle Verwendung eines Formblatts für das Angebotsschreiben durch die Vergabestelle aus Bietersicht nicht ungewöhnlich. Wenn die Antragstellerin in ihrem Nachprüfungsantrag und der mündlichen Verhandlung ausführt, dass sie durchaus häufig formlose Schreiben zur Übersendung ihrer Angebote beifüge und deswegen bisher nicht ausgeschlossen wurde, ist unklar, ob es sich in diesen Fällen um europaweite Vergaben, öffentliche Vergaben unterhalb der Schwellenwerte oder private Bauvergaben handelt. Zum einen sind die verschiedenen Fallgruppen unterschiedlich formalisiert, zum anderen besteht auch in förmlichen Vergabeverfahren die Möglichkeit, kein Formblatt "Angebotsschreiben" vorzugeben oder die Vorlage nachzufordern (dazu später unter lit. c). Vorliegend ist allerdings das Formblatt "Angebotsschreiben" an verschiedenen Stellen erwähnt und auch den Unterlagen für die Bieter beigefügt worden. Eine Vergleichbarkeit der Situation in anderen Vergabeverfahren bei der Verwendung eines eigenen formlosen Angebotsschreibens ist von der Antragstellerin nicht weiter substantiiert worden. Abgesehen davon ließe sich daraus, dass die Antragstellerin in anderen Vergabeverfahren gegebenenfalls zu Unrecht mangels Formschreiben nicht ausgeschlossen worden ist, nicht ableiten, dass dieses Mal ebenso verfahren werden müsste. Bei zwingenden Ausschlusstatbeständen wie hier kann ein Bieter nicht auf die vergaberechtswidrige Vorgehensweise einer Vergabestelle vertrauen.
b) Es kann an dieser Stelle offen bleiben, ob - wie die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 18. Juni 2019, X ZR 86/17) vorträgt - ein Ausschluss ihres Angebots im Interesse der Erhaltung eines möglichst umfassenden Wettbewerbs wegen eines möglicherweise nicht gravierenden formalen Mangels ausscheiden müsse. Dies könnte allenfalls der Fall sein, wenn sich der formale Mangel eines fehlenden Formblatts insofern nicht auswirken würde, als das Angebot anderweitig alle im Angebotsschreiben geforderten Angaben und Erklärungen enthielte. Die Antragstellerin hat allerdings in ihrem formlosen Schreiben zur Übergabe des bepreisten Leistungsverzeichnisses einschließlich weiterer Formblätter verschiedene Erklärungen und Angaben nicht abgegeben, die nur im Formblatt 213 enthalten sind. Die Bezugnahme auf die Vergabenummer in ihrem selbst formulierten Angebotsschreiben führt entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht dazu, dass sie ein grundsätzlich vergabekonformes, alle Vorgaben der Antragsgegnerin anerkennendes Angebot abgeben hätte. Was die Angaben zur Anzahl von Nebenangeboten und Preisnachlässen angeht, spricht gemäß § 13 EU Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 VOB/A bereits viel dafür, dass diese zwingend an der "vom öffentlichen Auftraggeber in den Vergabeunterlabgen bezeichneten Stelle", hier also im Angebotsformblatt 213, aufzuführen sind. Dass sich diese Angaben sonst aus dem Angebot ergeben, dürfte daher für dessen Vollständigkeit nicht ausreichend sein. Doch selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin unterstellt, einige Angaben und Erklärungen hätten aufgrund des Aussagegehalts ihres Angebots im Übrigen keine Relevanz (wie - so ihr Vortrag - der Nachunternehmereinsatz, die Einräumung eines Nachlasses, die Abgabe von Nebenangeboten), fehlen dennoch einige Erklärungen, die die Antragsgegnerin zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten über die Vertragsauslegung ausdrücklich abgefordert hat. Dies betrifft insbesondere - wie die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat - die Einbeziehung der VOB/B sowie von weiteren vertraglichen Regeln, die sich aus Ziffer 8 des Angebotsschreibens ergeben (u.a. zur Verbindlichkeit der Langfassung des Leistungsverzeichnisses und zur Verbindlichkeit von Änderungen der Vergabeunterlagen). Könnte man die Einbeziehung der VOB/B ohne Weiteres in ein Angebot "hineinlesen", wie es die Antragstellerin vertritt, liefe zudem § 8a EU Abs. 1 VOB/A leer, wonach öffentliche Auftraggeber verpflichtet sind, die Geltung dieser Allgemeinen Vertragsbedingungen in jedem Vergabeverfahren erneut ausdrücklich vorzuschreiben. Dasselbe gilt für die Einhaltung einer vom Auftraggeber (und nicht durch die gegebenenfalls erst im Rahmen der Auslegung zu ermittelnden "regelmäßigen Umstände" i.S.d. § 147 Abs. 2 BGB) vorgegebenen Bindefrist. Anders als in dem Urteil des BGH vom 18. Juni 2019 (X ZR 86/17), in dem der Bieter seinem Angebot etwas hinzugefügt hatte - nämlich eine zunächst einmal ausschreibungswidrige Bezugnahme auf eigene Geschäftsbedingungen - fehlt es hier also an mehreren Erklärungen und Angaben, die sich die Antragsgegnerin bei der Angebotsabgabe ausbedungen hat. Eine bieterfreundliche Heilung des formalen Mangels durch ein Hinwegdenken (der beigefügten Geschäftsbedingungen) ist hier nicht möglich. Angebote, die lückenhaft bleiben, sind auch nach dieser Entscheidung des BGH zwingend aus dem Vergabeverfahren auszuschließen (s. BGH, a.a.O.; vgl. auch BayObLG, Beschluss vom 26. Mai 2023, Verg 2/23; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Oktober 2021, Verg 24/21). Dass es einen allgemeinen Erfahrungssatz gibt, wonach ein Bieter stets das anbietet, was in der Ausschreibung gefordert ist, wird darüber hinaus in der Vergaberechtsprechung eher verneint (vgl. nur OLG Schleswig, Beschluss vom 28. April 2021, 54 Verg 2/21; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. März 2017, Verg 54/16 jeweils m.w.N.). In Fällen wie hier ist vielmehr die vergaberechtliche Thematik der Nachforderung von fehlenden oder unvollständigen Unterlagen relevant. Ob die fehlenden Angaben der Antragstellerin möglicherweise nachgefordert werden können, dazu nachfolgend.
c) Vorliegend darf die Antragsgegnerin die fehlenden Angaben und Erklärungen nicht nachfordern, denn sie hat eine Nachforderung des Formblatts 213 (Angebotsschreiben) als Ganzes wirksam gemäß § 16a EU Abs. 3 VOB/A ausgeschlossen. Anders als die Antragstellerin meint, bezieht sich dieser Ausschluss nicht nur auf fehlende Preisangaben.
In der EU-Bekanntmachung hatte die Antragsgegnerin unter Ziffer 5.1.12 mitgeteilt, dass das Angebotsschreiben Formblatt 213 und das Formblatt 225a nicht nachgefordert würden und auf § 16a EU Abs. 3 VOB/A verwiesen. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe heißt es unter Ziffer 3.3 "Nachforderung" im Wortlaut:
"Fehlende Unterlagen, deren Vorlage mit dem Angebot gefordert war, werden teilweise nachgefordert, und zwar folgende Unterlagen: alle geforderten Unterlagen bis auf FB 213 und FB 225a. Preisangaben."
Die Frage, welcher Erklärungswert der Nachforderungsregelung in Ziffer 3.3 zukommt, ist an dieser Stelle ebenfalls nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden. Dabei ist im Rahmen einer normativen Auslegung auf den objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter beziehungsweise Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen.
Die Hinzufügung "Preisangaben" in Ziffer 3.3 der Angebotsaufforderung ist als Ergänzung der bisherigen Angaben in der EU-Bekanntmachung zur Nachforderung zu sehen (vgl. zur Zulässigkeit dieser Vorgehensweise Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Auflage 2024, § 16a VOB/A-EU, Rn. 28). Aus der von der Antragsgegnerin gewählten Zeichensetzung ergibt sich, dass die Bezugnahme auf "Preisangaben" mittels eines Punkts als getrennter, also zusätzlicher Umstand gegenüber der Nachforderung von Unterlagen zu betrachten ist. Nicht hingegen ist - so aber die Antragstellerin - von einer verbalen Einschränkung der Nichtnachforderung von Teilen des Angebotsschreibens Formblatt 213 bezogen allein auf Preisangaben auszugehen. Dies würde sich vielmehr grammatikalisch nur bei der Verwendung einer anderen Zeichensetzung ergeben, also beispielsweise durch einen Doppelpunkt oder ein Komma. Nur hierdurch wäre eine Verbindung zu den im Formblatt 213 vorzunehmenden Preisangaben hergestellt. Die Auslegung der von der Antragsgegnerin gewählten Formulierung im Sinne einer Aufzählung spiegelt sich auch in der Systematik des § 16a EU VOB/A wider. Absatz 1 bezieht sich auf das Nachfordern von Unterlagen, Absatz 2 auf das Nachfordern von Preisangaben. Nach § 16a EU Abs. 3 VOB/A wiederum kann der Auftraggeber "festlegen, dass er keine Unterlagen oder Preisangaben nachfordern wird." Die in Ziffer 3.3 vorgenommene Aufnahme von "Preisangaben" entspricht somit dem Charakter einer Aufzählung, die zwischen dem Nachfordern von Unterlagen und Preisangaben, so wie in § 16a EU Abs. 3 VOB/A auch geschehen, trennt. Des Weiteren gibt die Antragstellerin selbst zu, dass ihr der Wortlaut des § 16a EU VOB/A bekannt ist. Gerade dann aber liegt ihr Verständnis, die Antragsgegnerin habe lediglich die Nachforderung von Preisangaben ausgeschlossen, wie es in § 16a EU Abs. 2 VOB/A geregelt ist, fem. Denn eine reine Wiederholung des Wortlauts dieser Norm wäre nicht erforderlich. Im Übrigen sprechen auch Sinn und Zweck der Formulierung der Antragsgegnerin gegen eine Bezugnahme auf die Preisangaben im Sinne des Angebotsformblatts 213. Das Angebotsformblatt enthält nur in Ziffer 2 und 2.1 Preise, nämlich den Angebotsendpreis des Hauptangebots und die Gesamtsumme der jährlichen Vergütung eines Instandhaltungsvertrags. Wäre der Nachforderungsausschluss nur auf diese Preisangaben im Angebotsformblatt zu beziehen und damit sämtliche übrigen Angaben und Erklärungen dieses Formblatts nachforderbar, hätte die Antragsgegnerin nicht gesondert das Formblatt 213, sondern allein "alle geforderten Angaben bis auf Preisangaben" erwähnen müssen. Dass die Antragsgegnerin diese Formulierung nicht gewählt hat und die Trennung per Zeichensetzung vorgenommen hat, spricht für die hier vorgenommene Auslegung.
Dass die Antragsgegnerin an dieser Stelle fälschlicherweise auch die Nichtnachforderung des nicht abzugebenden Formblatts FB 225a geregelt hat, führt nicht zu einem anderen Verständnis. Zwar ist anzumerken, dass in der vorliegenden Ausschreibung die Nummerierung von Formblättern und deren schlichte Benennung ohne Nummer nicht konsequent erfolgt ist (wie bereits oben unter lit. a im Rahmen der Auslegung festgestellt). In diesem Kontext ist der Ausschluss der Nachforderung eines gar nicht geforderten Formblatts 225a zwar ein zusätzlicher, aber sich mangels Relevanz für die hier maßgebliche Frage, inwieweit das Formblatt 213 und die darin enthalten Erklärungen nachgefordert werden sollen, nicht auswirkender Mangel. In der Gesamtschau der Unterlagen ist aus der Perspektive eines verständigen und mit Bauleistungen sowie der Verwendung von Formblättern vertrauten Unternehmens wie der Antragstellerin vielmehr davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin gänzlich auf die Nachforderung des Angebotsformblatts 213 sowie zusätzlich auf die Nachforderung von Preisangaben verzichten wollte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 GWB.
IV.
(...)
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VK Bund
Beschluss
vom 31.07.2024
VK 1-56/24
1. Damit die Wertung angebotener Lösungsansätze nachvollziehbar und nachprüfbar ist, muss gerade dann, wenn und soweit ein Wertungsergebnis sich nicht gleichsam zwangsläufig aus dem alleinigen "Abhaken" der ausgeschriebenen Vorgaben erschöpft, die Wertungsbegründung umso ausführlicher und konkreter sein. Je offener ein Wertungsschema ist, desto eingehender sind die Wertungsentscheidung und die wertungsrelevanten Überlegungen vom Auftraggeber zu dokumentieren.
2. Ein öffentlicher Auftraggeber ist weitestgehend darin frei, anhand welcher Methode er das für ihn wirtschaftlichste Angebot ermittelt (sog. Leistungsbestimmungsrecht). Die rechtlichen Grenzen hat ein Aufraggeber erst dann überschritten, wenn seine Wertungsmethode keine wettbewerbsoffene, willkürfreie und nachprüfbare Zuschlagserteilung ermöglicht.
3. Der Antrag auf weitere Akteneinsicht in die für den Bieter bisher geschwärzten Inhalte der Dokumentation der Wertungsentscheidung ist mangels Entscheidungserheblichkeit abzulehnen, wenn bereits aufgrund der bekannten Akteninhalte feststeht, dass diese Dokumentation nicht vergaberechtskonform erfolgt ist. Gleiches gilt für den Antrag auf Durchführung eines "in-camera"-Verfahrens.
In dem Nachprüfungsverfahren
(...)
wegen der Vergabe "Konzeption und Durchführung der Ausbildung für behinderte Menschen mit Förderbedarf - integratives Modell - nach § 117 SGB III [...]", EU-Bekanntmachung ...
hat die 1. Vergabekammer des Bundes durch den Vorsitzenden Direktor beim Bundeskartellamt die hauptamtliche Beisitzerin Leitende Regierungsdirektorin .] und den ehrenamtlichen Beisitzer [...l aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2024 am 31. Juli 2024
beschlossen:
1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, den Zuschlag zu erteilen. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht hat die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zurückzuversetzen. Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin trägt die Antragsgegnerin zur Hälfte; die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin trägt die Antragstellerin zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung notwendigen Auslagen selbst.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
Gründe:
I.
1. Die Antragsgegnerin führt derzeit ein europaweites Verfahren zur Vergabe von bestimmten Arbeitsmarktdienstleistungen nach S 117 SGB III im Bezirk ... in mehreren Losen durch ("Konzeption und Durchführung der Ausbildung für behinderte Menschen, mit Förderbedarf integratives Modell"). Die vom Auftragnehmer durchzuführende Maßnahme soll Auszubildenden, die aufgrund ihrer Behinderungen besondere Hilfen benötigen, die Aufnahme, Fortsetzung sowie den erfolgreichen Abschluss einer Berufsausbildung ermöglichen. Der Auftragnehmer muss alle Möglichkeiten wahrnehmen; um den möglichst frühzeitigen Übergang des Auszubildenden auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu fördern, rechtzeitig entsprechende Vermittlungstätigkeiten einleiten und ggf. geeignete Kooperationsbetriebe für die Fortsetzung der Ausbildung in kooperativer Form akquirieren (s. B.2.1 der Leistungsbeschreibung, S. 11). Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist das Los ...
Nach den den Vergabeunterlagen beigefügten "Wertungshinweisen" der Antragsgegnerin wird der Zuschlag auf das Angebot mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis erteilt. Die Bewertung der angebotenen Leistung erfolgt dabei anhand von den Bietern vorzulegender Konzepte unter Anwendung mehrerer Wertungskriterien (Wertungsbereiche l. bis III). Außerdem berücksichtigt die Antragsgegnerin bei der Wertung die bisherigen Erfolge des jeweiligen Bieters bei von ihm bereits erbrachten vergleichbaren Leistungen sowie dessen Qualität der Vertragsausführung solcher, Maßnahmen (Wertungsbereich IV. "Bisherige Erfolge und Qualität").
In den Wertungsbereichen l. bis III. erfolgt die Bewertung der vorzulegenden Konzepte in vier Bewertungsstufen (O, 1, 2, 3 Punkte). Diese Stufen werden in den Wertungshinweisen u.a. wie folgt erläutert:
"0 Punkte: ...
1 Punkt: ...
2 Punkte: Das Leistungsangebot des Bieters entspricht den Anforderungen.
3 Punkte: Das Angebot des Bieters ist der Zielerreichung in besonderer Weise dienlich.
Ein Konzept wird mit 2 Punkten bewertet, wenn die genannten Anforderungen erfüllt sind und die Konzeption inhaltlich schlüssig dargestellt ist sowie im Hinblick auf die Zielsetzung der Maßnahme Erfolg verspricht.
Ein Konzept wird mit 3 Punkten bewertet, wenn die Konzeption der Zielerreichung in besonderer Weise (z.B. kreative Ideen) dienlich ist und dies in der Konzeption inhaltlich schlüssig dargestellt ist." (...)
Der Wertungsbereich IV. enthält u.a. das Kriterium IV.2 "Eingliederungsquote in sozialversicherungspflichtige Ausbildung". Diese Eingliederungsquote gibt an, welchen Anteil der dem Bieter von der Antragsgegnerin in vergleichbaren Maßnahmen zugewiesenen Teilnehmer sich sechs Monate nach ihrem Austritt aus den jeweiligen Maßnahmen in einer sozialversicherungspflichtigen Ausbildung befunden haben. Grundlage für die Ermittlung dieser Quote sind die im IT-Verfahren erfassten und in einen bestimmten Betrachtungszeitraum fallenden Maßnahmen des Bieters für die Antragsgegnerin sowie entsprechende Meldungen der Arbeitgeber. Je nach relativer Abweichung der Eingliederungsquote des betreffenden Bieters vom Vergleichswert aus den vergleichbaren Maßnahmen aller Auftragnehmer erfolgt eine Bepunktung anhand der folgenden vier Stufen:
"0 Punkte: Die Eingliederungsquote des Vergleichswerts wurde deutlich unterschritten bzw. es wurden keine Eingliederungen erreicht. Die Eingliederungsquote liegt mindestens 20% unter dem Vergleichswert (X -20%).
1 Punkt: Die Eingliederungsquote des Vergleichswerts wurde unterschritten. Die Eingliederungsquote liegt in einem Korridor von weniger als 20% und bis 5% unter dem Vergleichswert (- 20% < X -5%).
2 Punkte: Die Eingliederungsquote des Vergleichswerts wurde nahezu erreicht oder überschritten. Die Eingliederungsquote liegt in einem Korridor von weniger als 5% unter und bis 10% über dem Vergleichswert (-5% < X +10%).
3 Punkte: Die Eingliederungsquote des Vergleichswerts wurde deutlich überschritten. Die Eingliederungsquote liegt mehr als 10% über dem Vergleichswert (X > +10%)."
(U.a.) im Wertungskriterium IV.2 erhält ein Bieter 2 Punkte, wenn er im maßgeblichen Betrachtungszeitraum kein Auftragnehmer vergleichbarer Maßnahmen war oder zwar Auftragnehmer vergleichbarer Maßnahmen war/ist, für ihn aber (noch) keine verwertbaren Quoten vorliegen: Die im Kriterium IV.2 erzielten Punkte werden mit dem Faktor 17 gewichtet (s. "Bewertungsmatrix" der Antragsgegnerin).
Nach der Gewichtung der vom Bieter in den einzelnen Wertungskriterien erzielten Punkte mit den jeweiligen der "Bewertungsmatrix" zu entnehmenden Faktoren werden die Punkte in den einzelnen Wertungsbereichen addiert. Diese Summe wird mit dem Gewichtungsfaktor des jeweiligen Wertungsbereichs multipliziert und die Ergebnisse der einzelnen Wertungsbereiche dann addiert. Die anschließende Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots erfolgt unter analoger Anwendung der UfAB ..] nach der Erweiterten Richtwertmethode in drei Schritten: Im Schritt 1 wird die Kennzahl des jeweiligen Angebots für das Leistungs-Preis-Verhältnis ermittelt, im Schritt 2 wird ein Wert als Korridor aus der Kennzahl des führenden Angebotes und einer weiteren Kennzahl, die sich aus der Kennzahl des führenden Angebotes minus 10% ergibt, ermittelt, im Schritt 3 werden alle Angebote ermittelt, die innerhalb des Kennzahlkorridors liegen. Diese Angebote werden zunächst als gleichwertig betrachtet. Entscheidungskriterium innerhalb dieser Gruppe ist die Gesamtpunktzahl, die sich aus der Summe der Produkte aus den erzielten Wertungspunkten des Wertungskriteriums mit den jeweiligen Gewichtungspunkten des Kriteriums bei den Wertungskriterien II. 1, 11 1 . 1 und IV.2 ergibt.
Die Antragstellerin und die Beigeladene gaben auf das Los ... Angebote ab. Die Antragsgegnerin klärte die Preise der Beigeladenen näher auf, weil deren Angebotspreis mehr als eine bestimmte Prozentzahl unter dem von der Antragsgegnerin ermittelten Schätzwert lag. Die Antragsgegnerin forderte dazu die Beigeladene auf, ihre Kalkulation anhand eines vorbereiteten Vordrucks näher aufzuschlüsseln. Aufgrund der fristgerecht von der Beigeladenen vorgelegten Kalkulationsgrundlagen kam die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis, dass die von der Beigeladenen gewählten Kalkulationsansätze plausibel seien und dass dieses Angebot in der Wertung verbleiben könne. Bei der Bewertung des Angebots der Antragstellerin begründete die Antragsgegnerin ihre Entscheidung, deren Konzept (u.a.) in den Kriterien III. 1, 111.2 und 111.4 mit jeweils 2 Punkten zu bewerten, so, dass sie einzelne Aspekte des Konzepts aufzählte sowie im Kriterium III. 1 mit dem abschließenden Satz:
"Insgesamt entspricht die Darstellung auch in diesem Punkt in jeder Hinsicht den konzeptionellen Anforderungen. Kriterien für eine Auf- oder Abwertung sind nicht erfüllt.",
im Kriterium 111.2 abschließend mit:
"Die konzeptionelle Darstellung entspricht den Anforderungen, Anhaltspunkte für eine Auf- oder Abwertung können nicht identifiziert werden."
und im Kriterium 111.4 mit:
"Auf- oder abwertende Kriterien sind nicht gegeben."
Bei der Bewertung des Angebotskonzepts der Beigeladenen ist die Antragsgegnerin ähnlich vorgegangen.
Im Kriterium IV.2 "Eingliederungsquote in sozialversicherungspflichtige Ausbildung" bewertete die Antragsgegnerin die Antragstellerin aufgrund des Abstands der von ihr erreichten Eingliederungsquote zur maßgeblichen Vergleichsquote mit null Punkten, die Beigeladene erhielt hier eine höhere Punktzahl.
Mit Schreiben gemäß § 134 GWB vom 31. Mai 2024 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass für ihr Angebot zwar eine Kennzahl ermittelt worden sei, die innerhalb des Kennzahlkorridors liege, ihr Angebot aber in den maßgeblichen Entscheidungskriterien nicht die höchste Punktzahl erreicht habe und daher nicht berücksichtigt werden könne; der Zuschlag solle auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden.
Am 6. und 8. Juni 2024 rügte die Antragstellerin, dass ihr Angebot vergabefehlerhaft gewertet worden sei und die Beigeladene mangels Auskömmlichkeit ihres Angebotspreises hätte ausgeschlossen werden müssen. Die Antragsgegnerin half diesen Rügen nicht ab.
2. Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 10. Juni 2024 beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag am selben Tag an die Antragsgegnerin übermittelt.
a) Zur Rechtzeitigkeit ihrer Rüge hinsichtlich der Ausgestaltung des Wertungskriteriums IV.2 "Eingliederungsquote in sozialversicherungspflichtige Ausbildung" trägt die Antragstellerin vor, dass von einem durchschnittlich verständigen Bieter nicht erwartet werden könne, die von der Antragsgegnerin angewendete "Erweiterte Richtwertmethode" im Voraus in allen Einzelheiten zu durchdringen und die Rechtsprechung dazu zu kennen. Zwar sei die Antragstellerin in der Vergangenheit bereits an anderen Nachprüfungsverfahren über Arbeitsmarktdienstleistungen der Antragsgegnerin beteiligt gewesen. Diese Verfahren lägen aber bereits acht Jahre zurück, zudem sei der heutige Wertungsbereich "Bisherige Erfolge und Qualität" allenfalls in Grundzügen mit dem damaligen Wertungsmodell vergleichbar. Außerdem seien die damals handelnden Akteure nicht mehr in entsprechender Position bei der Antragstellerin tätig. Andere Verträge, die die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang zitiere, lägen drei bzw. vier Jahre zurück und beträfen andere Maßnahmen der Antragsgegnerin, die mit der vorliegenden Maßnahme nicht vergleichbar seien. Selbst wenn die Antragstellerin doch über besondere Vergaberechtskenntnisse verfügen sollte, hätte sie nicht früher rügen müssen. Denn dass sich die Gleichsetzung von Bietern mit nachweisbaren Erfolgen mit Bietern, die überhaupt keine Erfolge vorzuweisen haben, zum Nachteil der Antragstellerin auswirken könnte, war von ihr nicht vorherzusehen - vor allem weil sie wie kein anderes Unternehmen über umfassende Erfahrungen im örtlichen Kammerbezirk verfüge. Eine Rüge auf bloßen Verdacht wäre unzulässig gewesen.
Materiell trägt die Antragstellerin zum Kriterium IV.2 "Eingliederungsquote- in sozialversicherungspflichtige Ausbildung" vor, dass ihr Angebot in diesem Kriterium zu schlecht bewertet worden sei. Es sei "ersichtlich sachfremd und diskriminierend", wenn ein Bieter, der zahlreichen Teilnehmenden in eine sozialversicherungspflichtige Ausbildung verholfen habe und wie kein anderes Unternehmen über einschlägige Erfahrung im Kammerbezirk vor Ort verfüge, nur null Punkte erhalte. Die Wertung der Antragsgegnerin mit O - 1 -2 - 3 Punkten sei sehr holzschnittartig und zu grob. Dies zeige sich insbesondere bei einer Wertung mit null Punkten im Kriterium IV.21 das mit dem Faktor 17 gewichtet werde. Diese Wertung werde den tatsächlichen Eingliederungserfolgen der Antragstellerin nicht gerecht, da sie tatsächlich Eingliederungserfolge erzielt habe, die aber aufgrund der starren Wertung mit ganzen Punkten keinerlei Berücksichtigung fänden. Die Antragsgegnerin bewerte die Antragstellerin hier schlechter als Bieter, die über keinerlei Erfahrungen verfügten und daher keine einzige Eingliederung erreichen. konnten. Abgesehen davon habe die Antragsgegnerin die ihrer Wertung in diesem Kriterium zugrunde gelegte Eingliederungsquote der Antragstellerin fehlerhaft errechnet. Wie die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung berichtet, könne sie aufgrund einer Umstellung ihres Softwaresystems hierzu jedoch nicht konkreter vortragen.
Zudem sei der Nachprüfungsantrag begründet, weil ihr Angebot zu schlecht bewertet worden sei. Als langjährige Auftragnehmerin der Antragsgegnerin für die verfahrensgegenständlichen Maßnahmen sei sie wie kein anderer Mitbewerber mit den regionalen Verhältnissen des Kammerbezirks vertraut, so dass sie ein passgenaues, auf die Besonderheiten des örtlichen Arbeits- und Ausbildungsmarkts bestmöglich zugeschnittenes Konzept erstellt habe. Nach der Akteneinsicht führt die Antragstellerin kurz dazu aus, warum ihr K06zept in den Kriterien III. 1, 111.2 und 111.4 nicht wie bisher mit 2, sondern mit 3 Punkten hätte bewertet werden müssen. Ferner sei davon auszugehen, dass das Angebot der Beigeladenen gerade auch im Quervergleich zum Konzept der Antragstellerin zu Unrecht entscheidend besser bewertet worden sei. Schließlich genüge die Dokumentation der Wertungsentscheidung nicht den strengen Anforderungen der Rechtsprechung des BGH. Denn die Antragsgegnerin setze sich in ihrer Wertungsbegründung nicht dezidiert mit den Inhalten des Konzepts der Antragstellerin auseinander, sondern gebe lediglich einen Teil der Konzeptinhalte wieder und behaupte abstrakt, es seien weder besonders gute noch besonderes schlechte Konzeptinhalte auszumachen. Zudem fehle der Vergleich mit den Konzepten anderer Bieter.
Des Weiteren vertritt die Antragstellerin die Auffassung, das Angebot der Beigeladenen sei nicht auskömmlich und daher auszuschließen; sie ginge zudem davon aus, dass eine Auskömmlichkeitsprüfung nicht erfolgt sei. Da die Antragstellerin die streitgegenständlichen Leistungen seit vielen Jahren erbringe, sei sie wie kein anderes Unternehmen in der Lage, den Auftrag unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort auf seine Wirtschaftlichkeit hin zu bewerten, und habe ein äußerst ambitioniert kalkuliertes Angebot abgegeben. Ein neuer Wettbewerber wie die beigeladene Bietergemeinschaft habe demgegenüber von den Gegebenheiten vor Ort keine vertiefte Kenntnis, hätte anders als die Antragstellerin einen umfassenden "Anlaufaufwand" und könne den tatsächlichen Aufwand im relevanten Bezirk nicht abschätzen. Die Beigeladene hätte signifikante Risikozuschläge einkalkulieren müssen, um ein auskömmliches Angebot abzugeben. Zudem sei davon auszugehen, dass die Beigeladene die für den Erwerb der geforderten Zusatzqualifikation der einzusetzenden Ausbilder oder Pädagogen erforderlichen Zusatzkosten in Höhe von ca. ... Euro pro Person nicht einkalkuliert habe. Wie sich aus der Akteneinsicht ergebe, sei das Angebot der Beigeladenen tatsächlich ungewöhnlich niedrig und der Abstand zum Angebotspreis der Antragstellerin sehr hoch gewesen. Die Antragsgegnerin habe anscheinend Bedenken wegen der äußerst niedrigen Personal- und Personalnebenkosten der Beigeladenen gehabt. Da das eine Mitglied der beigeladenen Bietergemeinschaft ### ohne nennenswerte Kapitaldecke und finanzkräftige Muttergesellschaft sei, sei kaum gesichert, dass die Beigeladene oder eines ihrer Mitglieder nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerate, wenn sie diesen ersichtlich defizitären Auftrag übernehme.
Die Antragstellerin beantragt über ihre Verfahrensbevollmächtigten:
1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, in dem Vergabeverfahren ### (Los Auftragsbekanntmachung [...]- den Zuschlag zu erteilen.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, das Vergabeverfahren ... (Los [...]) Auftragsbekanntmachung [...]- bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor Wertung der Angebote zurückversetzen und die Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu werten.
3. Hilfsweise zu 2: Die Vergabekammer wirkt unabhängig auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hin (§ 168 Abs. 1 S. 2 GWB).
4. Die Vergabeakten der Antragsgegnerin werden gemäß § 163 Abs. 2 S. 3 GWB zum Verfahren hinzugezogen und der Antragstellerin wird gemäß § 165 Abs. 1 GWB Einsicht in die Vergabeakten der Antragsgegnerin gewährt.
5. Der Antragsgegnerin werden die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin auferlegt.
6. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
Nach der Akteneinsicht beantragt die Antragstellerin außerdem,
ergänzende Akteneinsicht.
Um die Wertungsentscheidung nachvollziehen zu können, müssten ihr mindestens die bisher geschwärzten Inhalte der Dokumentation der Wertung beider Angebote offengelegt.
Hinsichtlich einer Prüfung der Antragsgegnerin, ob die Beigeladene im Falle der Auftragserteilung in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerate, beantragt die Antragstellerin,
dass die Vergabekammer "zunächst" ein in-camera-Verfahren durchführt, in dem über die Offenlegung der hierzu bisher weitreichend geschwärzten Daten entschieden wird.
b) Die Antragsgegnerin beantragt:
1. Der Antrag auf Nachprüfung wird als unbegründet und teilweise unzulässig zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten für das Nachprüfungsverfahren.
Die Antragsgegnerin meint, dass der Nachprüfungsantrag teilweise bereits unzulässig sei. Denn die Antragstellerin hätte bereits bis zum Ende der Angebotsfrist rügen müssen, dass Bieter, die bisher über keinerlei Erfahrungen bei diesem Produkt verfügten oder überhaupt keine Eingliederungen erreichen konnten, im Wertungsbereich IV. "Bisherige Erfolge und Qualität' mit 2 Punkten bewertet werden. Die Antragstellerin sei eine erfahrene Bieterin, die sich schon seit Jahren erfolgreich an Ausschreibungsmaßnahmen für Arbeitsmarktdienstleistungen der Antragsgegnerin beteilige, und sei aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen in der Lage, die entsprechenden Wertungshinweise der Antragsgegnerin, die klar und eindeutig formuliert und seit mehreren Jahren insoweit unverändert seien, richtig zu interpretieren. Die Antragstellerin sei von dieser sog. Newcomer-Regelung 2020 und 2021 bereits selbst betroffen gewesen. Abgesehen davon sei die Newcomer-Regelung im streitgegenständlichen Los [...] gar nicht angewendet worden. Soweit die Antragstellerin die starre Bewertung mit 0, 1, 2 oder 3 Punkten in diesem Wertungsbereich angreift, gelte gleichermaßen, dass dieses Wertungsprocedere der Antragstellerin seit langem bekannt sei und eine Rüge daher spätestens bis zum Ablauf der Angebotsfrist erforderlich gewesen wäre.
Außerdem sei der Nachprüfungsantrag unbegründet. So sei das Angebotskonzept der Antragstellerin fehlerfrei bewertet worden. Der Umstand, dass ein Bieter mit den regionalen Verhältnissen am ausgeschriebenen Maßnahmeort bereits vertraut sei, führe nicht automatisch dazu, dass ein Konzept in allen Wertungskriterien mit 3 Punkten zu bewerten wäre. Die Dokumentation der fachlichen Konzeptbewertung entspreche ebenfalls den vergaberechtlichen Anforderungen. Die Ausführungen der Wertungsgruppe der Antragsgegnerin zeigten klär und nachvollziehbar, dass diese sich mit dem Konzept der Antragstellerin in den jeweils wertungsrelevanten Aspekten auseinandergesetzt hätte und keine Anhaltspunkte für die von der Antragstellerin begehrte Bewertung mit 3 Punkten gesehen hätte. Die sprachlichen Möglichkeiten, in kompakter Form das Nichtvorliegen potentiell überdurchschnittlicher Aspekte (z.B. innovative/kreative Lösungsansätze der Bieter) zu beschreiben, seien begrenzt. Die besonderes guten, kreativen Lösungen, die die Antragsgegnerin für eine Bewertung mit 3 Punkten erwarte, könne sie den Bietern nicht vorgeben. Ob ein bestimmter Aspekt auch im Vergleich zu den Angebotskonzepten anderer Bieter als überdurchschnittlich gut zu bewerten sei, liege zudem im Ermessen der fachlichen Wertergruppe der Antragsgegnerin.
Des Weiteren sei die Antragstellerin im Kriterium IV.2 "Eingliederungsquote in sozialversicherungspflichtige Ausbildung" korrekt bewertet worden. Allein die. langjährige Tätigkeit der Antragstellerin im Kammerbezirk reiche für eine bessere Bepunktung in diesem Kriterium nicht aus. Das Ziel der ausgeschriebenen Maßnahme liege darin, die Teilnehmenden in eine betriebliche Ausbildung zu vermitteln bzw. alle Möglichkeiten wahrzunehmen, um den Übergang der Auszubildenden auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu fördern. Wenn die Antragstellerin dieses Ziel nur für wenige Teilnehmer erreicht habe und die Quote im Vergleichstyp höher liege, reiche die Qualität der Durchführung ihrer Maßnahme in diesem Punkt nicht aus, um eine höhere Bepunktung zu erhalten. Anders als die Antragstellerin meine, werde sie nicht so schlecht bewertet wie ein Bieter, der über keinerlei Erfahrung mit dem Produkt verfüge. Denn ein solcher Bieter würde nach den Wertungshinweisen der 'Antragsgegnerin 2 Punkte erhalten; das OLG Düsseldorf habe diese Vorgehensweise bereits mit Beschluss vom 19. September 2018, VII-Verg 37/17, bestätigt. Die Wertungsmethode beim Kriterium IV.2 sei auch nicht zu beanstanden, weil die Antragsgegnerin hier nur volle Punkte vergebe und somit im Fall der Antragstellerin trotz bestehender Eingliederungserfolge nur null Punkte vergeben worden seien. Insoweit liege die hier festgelegte Wertungsmethode im Rahmen des der Antragsgegnerin insoweit Zustehendem Bestimmungsrechts.
Schließlich sei das Angebot der Beigeladenen auskömmlich. Die beigeladene Bietergemeinschaft sei bereits langjährig am Maßnahmeort tätig und verfüge über Erfahrungen mit dem ausgeschriebenen Produkt in weitaus mehr Maßnahmen als die Antragstellerin. Außerdem könne die Beigeladene auf die personelle und technische Infrastruktur aus bereits durchgeführten Maßnahmen für Ausbildungen für Menschen mit besonderem Förderbedarf im integrativen Modell zurückgreifen. Die Preisprüfung gemäß § 60 VgV sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Aus Gründen der Geheimhaltung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen verweist die Antragsgegnerin auf ihre Ausführungen hierzu in der Vergabeakte.
c) Mit Beschluss vom 12. Juni 2024 wurde die Beigeladene zum Verfahren hinzugezogen. Diese hat zwar an der mündlichen Verhandlung teilgenommen, aber keine Stellungnahme abgegeben.
Die Vergabekammer hat der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren.
In der mündlichen Verhandlung am 15. Juli 2024 hatten die Beteiligten Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen und mit der Vergabekammer umfassend zu erörtern. Zuletzt wurde die Entscheidungsfrist durch Verfügung des Vorsitzenden vom 29. Juli 2024 bis zum 5. August 2024 einschließlich verlängert.
Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist jedenfalls teilweise begründet, weil die Antragsgegnerin bei fortbestehendem Beschaffungsbedarf das Vergabeverfahren zurückversetzen und ihre Entscheidung hinsichtlich der Bewertung der Konzepte der Bieter neu dokumentieren muss. Allerdings ist das Angebot 'der Beigeladenen nicht wegen seines Preises auszuschließen, insoweit ist der Nachprüfungsantrag unbegründet.
1. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags bestehen Bedenken dagegen, ob die Antragstellerin die Wertungsmethodik der Antragsgegnerin, die relativen Eingliederungsquoten im Kriterium IV.2 nur mit "vollen" Punktwerten (0, 1, 2, 3) innerhalb einer bestimmten Spannbreite zu bewerten, jedoch keine rechnerisch genauen Bruchteile von Punkten zu vergeben (z.B. 0,9 oder 2,3), rechtzeitig gerügt hat. Denn diese besondere, von der Antragsgegnerin seit mehreren Jahren praktizierte Vorgehensweise, die an auch für den einzelnen Bieter objektiv feststellbare Sachverhalte anknüpft (wie viele Teilnehmer wurden in sozialversicherungspflichtige Ausbildung vermittelt), dürfte maßnahmeerfahrenen Bietern spätestens seit der Entscheidung des OLG Düsseldorf hierzu bekannt sein (Beschluss vom 19. September 2018, Verg 37/17). Dies gilt auch für die Antragstellerin, die selbst mehrfach betont, dass sie wie kein anderer Mitbewerber vor Ort mit solchen Maßnahmen der Antragsgegnerin vertraut sei. Dass sich eine Abweichung um mindestens 20% von der durchschnittlichen Eingliederungsquote aller Auftragnehmer vergleichbarer Maßnahmen und einer Bewertung mit null Punkten gerade im 17-fach gewichteten Kriterium IV.2 ggf. erheblich auf die eigenen Zuschlagsaussichten auswirken kann, war aus den Vergabeunterlagen deutlich erkennbar und muss einem sorgfältigen, maßnahmeerfahrenen Bieter bei der Angebotserstellung ebenfalls bewusst gewesen sein. Die Antragstellerin spricht in diesem Zusammenhang selbst davon, dass die Vorgehensweise der Antragsgegnerin "ersichtlich" sachfremd und diskriminierend sei. Es spricht daher viel dafür, dass die Antragstellerin diese Aspekte im Zusammenhang mit dem Wertungskriterium IV.2 bis zur Angebotsabgabe hätte rügen müssen (§ 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB). Ob die Antragstellerin insoweit präkludiert ist, kann jedoch dahinstehen, weil insoweit jedenfalls kein Vergaberechtsverstoß vorliegt (s.u. unter 2b)aa)).
Weitere Bedenken gegen die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags bestehen nicht.
2. Der Nachprüfungsantrag ist teilweise begründet, weil die Wertungsentscheidungen der Antragsgegnerin hinsichtlich der Bewertung der Konzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen nicht hinreichend dokumentiert wurden, § 8 VgV (dazu unter a)). Die übrigen von der Antragstellerin geltend gemachten Fehler bei der Wertung ihres Angebots im Kriterium IV.2 liegen jedoch nicht vor (dazu unter b)). Außerdem ist das Angebot der Beigeladenen nicht wegen seines Preises auszuschließen, insoweit ist der Nachprüfungsantrag unbegründet (dazu unter c)).
a) Was die Bewertung der eingereichten Konzepte der Bieter angeht, verweist die Antragsgegnerin zu Recht auf den ihr hierbei zustehenden, nur eingeschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum. Vorliegend ist es der Vergabekammer jedoch nicht möglich nachzuprüfen, ob die Antragsgegnerin die hierbei bestehenden Grenzen eingehalten hat. Denn die Antragsgegnerin hat ihre Wertungsentscheidung jedenfalls in den von der Antragstellerin beanstandeten Kriterien III. 1, 111.2 und 111.4 nicht hinreichend nachvollziehbar begründet. Zwar hat die Antragsgegnerin in ihrer Wertungsbegründung einzelne Punkte aus dem Angebotskonzept der Antragstellerin benannt und so dokumentiert, dass sie sich mit dem konkreten Konzeptinhalt auseinandergesetzt hat. Was jedoch fehlt, ist eine Begründung dafür, warum das Leistungskonzept der Antragstellerin insoweit "den Anforderungen entspricht", aber nicht "der Zielerreichung in besonderer Weise dienlich" ist und daher nicht mit 2, sondern sogar mit 3 Punkten zu bewerten gewesen wäre. Auch im Nachprüfungsverfahren hat die Antragsgegnerin dazu nicht mehr vorgetragen. Die Dokumentation der Wertung beim Konzept der Beigeladenen leidet zumindest in den o.g. Kriterien unter denselben Mängeln. Der Antragsgegnerin ist zuzugeben, dass eine ausführlichere und auf die konkrete Vergabe bezogene Wertungsbegründung insbesondere bei funktionalen Ausschreibungen wie hier, in denen der Auftraggeber den Bietern keinerlei detaillierten Lösungsansatz vorschreibt, sondern eigene zielführende Ideen der Bieter erwartet, aufwändig sein dürfte. Damit die Wertung der angebotenen Lösungsansätze nachvollziehbar und nachprüfbar ist, muss jedoch gerade dann, wenn und soweit ein Wertungsergebnis sich nicht gleichsam zwangsläufig aus dem alleinigen "Abhaken" der ausgeschriebenen Vorgaben erschöpft, die Wertungsbegründung umso ausführlicher und konkreter sein. Anderenfalls kann durch die Nachprüfungsinstanzen nicht überprüft werden, ob der Auftraggeber die Grenzen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten hat und zu Recht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass ein Konzept zwar die ausgeschriebenen Anforderungen erfüllt, aber der Zielerreichung "nicht besonders dienlich" ist (so die Vorgabe der Antragsgegnerin an 3 Punkte). Je offener - wie hier - ein Wertungsschema ist, desto eingehender sind die Wertungsentscheidung und die wertungsrelevanten Überlegungen vom Auftraggeber zu dokumentieren (vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17 sowie zu einem mit der vorliegenden Ausschreibungskonzeption unmittelbar vergleichbaren Fall OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. März 2023, Verg 24/22).
Durch diesen Dokumentationsfehler ist die Antragstellerin auch in ihren Rechten verletzt, weil die fehlerhafte Dokumentation ihre Aussichten auf Erhalt des Zuschlags beeinträchtigt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Oktober 2015, Verg 28/14 m.w.N.). Denn das u.a. streitgegenständliche Wertungskriterium 111. 1 ist laut den Wertungshinweisen der Antragsgegnerin ein sog. "Entscheidungskriterium". Müsste die Antragstellerin hier besser bewertet werden als bisher geschehen, würde sie die Beigeladene, deren Leistungskennzahl ebenfalls im Kennzahlkorridor liegt, punktemäßig überholen. Der Antragstellerin wäre dann der Zuschlag zu erteilen. Genau diesen Umstand, also ob das Angebotskonzept der Antragstellerin insbesondere auch im Vergleich zu dem der Beigeladenen beurteilungsfehlerfrei bewertet wurde, kann die Vergabekammer mangels hinreichender Dokumentation der Wertungsentscheidung indes nicht nachprüfen.
b) Die Bewertung der Antragstellerin im Kriterium IV.2 erfolgte fehlerfrei.
aa) Die Vorgehensweise der Antragsgegnerin bei der Wertung der Angebote im Wertungsbereich IV.2 äst nicht zu beanstanden. Ein öffentlicher Auftraggeber ist weitestgehend darin frei, anhand welcher Methode er das für ihn wirtschaftlichste Angebot ermittelt (sog. Leistungsbestimmungsrecht; Std. Rspr., vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. September 2018, Verg 37/17 m.w.N.). Die rechtlichen Grenzen hat ein Aufraggeber erst dann überschritten, wenn seine Wertungsmethode keine wettbewerbsoffene, willkürfreie und nachprüfbare Zuschlagserteilung ermöglicht (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. September 2018, a.a.O.). Dies ist bei Vorgehensweise der Antragsgegnerin nicht der Fall.
Es ist vergaberechtskonform, dass ein sog. Newcomer, also ein Bieter, der im maßgeblichen Betrachtungszeitraum kein Auftragnehmer vergleichbarer Maßnahmen war oder für den noch keine verwertbaren Quoten vorliegen, (nicht wie die Antragstellerin meint so schlecht wie sie selbst, also mit null Punkten, sondern sogar) mit 2 Punkten bewertet wird. Dies beruht darauf, dass neue Anbieter von Arbeitsmarktdienstleistungen sonst keine oder nur sehr schlechte Chancen hätten, erfolgreich am Bieterwettbewerb in einer für sie neuen Region oder mit von ihnen bisher noch nicht oder erst seit kurzem erbrachten Leistungen teilzunehmen. Dies ist aus Gründen des offenen Wettbewerbs von den etablierten Anbietern hinzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. September 2018, a.a.O.). Abgesehen davon hat sich diese Wertungsregel der Antragsgegnerin vorliegend gar nicht zu Lasten der Antragstellerin ausgewirkt, weil keiner der Bieter im streitgegenständlichen Los Newcomer in diesem Sinne war.
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass die Antragsgegnerin den Bietern auf der Grundlage der ermittelten Eingliederungsquoten "volle" Punkte (0, 1, 2 oder 3), aber keine Bruchteile dieser Punktwerte (also z.B. 0,7 oder 2,9) gegeben hat. Wie die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, wäre auch eine solche Vorgehensweise möglich, indem auf Basis der für den jeweiligen Bieter ermittelten Quoten und unter Heranziehung der durchschnittlichen Eingliederungsquote aus vergleichbaren Maßnahmen aller Auftragnehmer im maßgeblichen Vergleichstyp ("Vergleichswert") die auf ein oder mehrere Nachkommastellen genaue relative Abweichung mathematisch errechnet werden würde. Mit "ihrer Entscheidung, "volle" Punktwerte zu vergeben, hat die Antragsgegnerin jedoch ihren o.g. Bestimmungsspielraum nicht überschritten. Denn erstens ist sie genau so vorgegangen, wie sie es den Bietern in ihren Wertungshinweisen mitgeteilt hat, die Antragsgegnerin hat also ihre' selbst gesetzten Vorgaben eingehalten. Zweitens ist diese Vorgehensweise diskriminierungsfrei, weil sie alle Bieter gleichermaßen betrifft - nicht nur die, deren Vermittlungserfolge wie bei der Antragstellerin deutlich (mehr als 20%) unter den von der Antragsgegnerin für wertungserheblich erachteten Eingliederungsquoten liegen und daher mit null Punkten bewertet werden, als auch diejenigen Bieter, die mit immerhin 1 oder mehr Punkten bewertet werden, weil sie die durchschnittliche Eingliederungsquote aller Auftragnehmer im maßgeblichen Vergleichstyp nur knapp oder' sogar deutlich überschreiten. Darüber hinaus ist eine solche Vorgehensweise nicht sachfremd. Denn in dem jeweils erreichten Punktwert kommt seiner Definition nach nicht die -tatsächliche Anzahl von Austritten zum Ausdruck, die ein Bieter in seiner Maßnahme erzielen konnte. Vielmehr spiegelt dieser Wert wider, in welche Bandbreite (20% unter Vergleichswert = 0 Punkte, weniger als 20% und bis 5% unter Vergleichswert = 1 Punkt usw.) eine bestimmte Anzahl von Austritten fällt. Genau dies und nichts anderes wollte die Antragsgegnerin hier bewerten, was ihr aufgrund der ihr zustehenden Bestimmungsfreiheit über die Wertungsmethode auch nicht abgesprochen werden kann. Die Auffassung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin berücksichtige nicht, dass die Antragstellerin immerhin einen bestimmten Anteil der ihr zugewiesenen Teilnehmer erfolgreich in sozialversicherungspflichtige Ausbildung eingegliedert habe, geht daher am Maßstab dieses Wertungskriteriums vorbei.
Auch sonst ist nicht ersichtlich, dass die Vorgehensweise der Antragsgegnerin auf sachfremden Erwägungen beruht. Der Aufwand eines Vergabeverfahrens wird für sie hierdurch insgesamt verringert. Zwar wirkt sich eine Bepunktung mit null angesichts des besonders hohen Gewichtungsfaktors des Kriterium IV.2 von 17 erheblich auf den Gesamtpunktwert eines Bieters aus. Allerdings bekommen nur solche Bieter null Punkte, die 20% oder mehr unter dem Vergleichswert aller vergleichbaren Auftragnehmer liegen. Da die erfolgreiche Eingliederung der Teilnehmer in sozialversicherungspflichtige Ausbildung das Hauptziel der ausgeschriebenen Maßnahme ist, ist es durchaus vertretbar, dass die Antragsgegnerin einem Bieter, der so erheblich unter dem Durchschnittswert aller Auftragnehmer liegt, in diesem Kriterium im Ergebnis mit null Punkten bewertet. Der in Relation zu anderen Auftragnehmern erheblich geringere Leistungserfolg dieses Bieters in der Vergangenheit spiegelt sich dementsprechend deutlich in seinen Leistungspunkten 'wider. Erst wenn ein Bieter weniger als 20% vom Vergleichswert aller Auftragnehmer abweicht, erhält er (immerhin) "1 Punkt.
bb) Was die angeblich unzutreffende Datengrundlage angeht, die die Antragsgegnerin der Bewertung des Angebots der Antragstellerin im Kriterium IV.2 zugrunde gelegt haben soll (die Antragstellerin meint, es wären zu wenige Austritte von Teilnehmenden in sozialversicherungspflichtige Ausbildung berücksichtigt worden), ist kein Vergaberechtsverstoß festzustellen. Denn die für die entsprechenden Tatsachen beweisbelastete Antragstellerin konnte etwaige Fehler der Antragsgegnerin bei der Ermittlung der wertungsrelevanten Daten im Nachprüfungsverfahren - wie sie in der mündlichen Verhandlung sagte aufgrund einer Umstellung ihres Softwaresystems - nicht substantiiert konkretisieren (vgl. zur Beweislast OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. September 2018, a.a.O.).
c) Die Wertung des Angebotspreises der Beigeladenen ist vergabefehlerfrei erfolgt. Der Nachprüfungsantrag ist insoweit unbegründet.
Anders als die Antragstellerin zunächst vermutet hat, hat die Antragsgegnerin tatsächlich eine Preisprüfung bei der Beigeladenen vorgenommen. Hintergrund war eine Abweichung dieses Angebotspreises vom eigenen Schätzwert der Antragsgegnerin in einem Maße, der die von ihr selbst gesetzten Aufgreifschwellen für solche Prüfungen überschreitet.
Das Prüfungsergebnis der Antragsgegnerin, dass der Angebotspreis der Beigeladenen nicht i.S.d. § 60 Abs. 1, 3 VgV unangemessen niedrig ist, ist nicht zu beanstanden. Die Vergabekammer hat diesbezüglich die Prüfung der Antragsgegnerin anhand der von der Beigeladenen vorgelegten Kalkulation und den übrigen hierzu in der' Vergabeakte abgelegten Unterlagen nachvollzogen. Wegen der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen können die Erwägungen der. Vergabekammer hier jedoch nur in allgemeiner und anonymisierter Form dargelegt werden (vgl. zur Zulässigkeit eines in-camera-Verfahrens in solchen Fällen: BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017, X ZB 10/16).
Wie sich aus der Vergabeakte ergibt, hat die Beigeladene ihre Kalkulation entsprechend den Anforderungen der Antragsgegnerin dezidiert aufgeschlüsselt und die Antragsgegnerin hat sich eingehend mit den einzelnen Kostenbestandteilen (insbesondere den Personal-, Raum- und Sachkosten) auseinandergesetzt. Vor allem der gesetzliche Mindestlohn sowie die ausgeschriebenen Vorgaben an das einzusetzende Personal wurden von der Beigeladenen berücksichtigt. Abgesehen hiervon ist die Schlussfolgerung der Antragsgegnerin, den Angebotspreis der Beigeladenen nicht als unauskömmlich anzusehen, auch deshalb plausibel, weil es sich bei der Beigeladenen (anders als die Antragstellerin meint) nicht um einen Anbieter handelt, der am Maßnahmeort noch nicht tätig war. Die Beigeladene musste daher keinen "Anlaufaufwand" (so aber die Vermutung der Antragstellerin) berücksichtigen. Weitere Anhaltspunkte, die gegen die Auskömmlichkeit des Angebotspreises der Beigeladenen sprechen könnten, hat auch die Antragstellerin nicht vorgetragen.
3. Da die Wertungsentscheidung der Antragsgegnerin jedenfalls in den streitgegenständlichen Kriterien 111.1, 111.2 und 111.4 nicht hinreichend dokumentiert und die Antragstellerin hierdurch in ihren Rechten verletzt ist, darf die Antragsgegnerin in diesem Vergabeverfahren keinen Zuschlag erteilen. Die Antragsgegnerin muss selbst entscheiden, wie sie weiter verfährt. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht muss sie das Vergabeverfahren in den Stand vor der Wertung der Angebote zurückversetzen und die Wertung entsprechend der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu dokumentieren. Dem Begehren der Antragstellerin ist daher insoweit stattzugeben. Bei der Neudokumentation ist jedoch auch das Angebot der Beigeladenen zu berücksichtigen, denn dieses ist anders als von der Antragstellerin begehrt nicht wegen seines Preises auszuschließen. Insoweit ist der Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückzuweisen.
Der Antrag der Antragstellerin auf weitere Akteneinsicht in die für sie bisher geschwärzten Inhalte der Dokumentation der Wertungsentscheidung beider Angebote ist schon deshalb abzulehnen, weil bereits angesichts der der Antragstellerin insoweit bekannten Akteninhalte feststeht, dass diese Dokumentation nicht vergaberechtskonform erfolgt ist. Auf eine weitergehende Offenlegung der bisherigen Dokumentation kommt es daher für die Entscheidung nicht an (vgl. zur Ablehnung der Akteneinsicht mangels Entscheidungserheblichkeit: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Juni 2023, Verg 44/22 m.w.N.; OLG München, Beschluss vom 19. März 2019, Verg 3/19).
Der Antrag der Antragstellerin, "zunächst" ein in-camera-Verfahren durchzuführen, in dem über eine weitergehende Offenlegung der Preisbestandteile der Beigeladenen entschieden wird, die diese der Antragsgegnerin im Rahmen der Aufklärung ihres Angebotspreises mitgeteilt hat, ist ebenfalls abzulehnen. Denn erstens wurde den Verfahrensrechten der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Prüfung des Angebotspreises der Beigeladenen angesichts der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen, die deren Angebotskalkulation enthalten, bereits 'dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die Vergabekammer die Preisaufklärung der Antragsgegnerin selbst in camera nachvollzogen hat (vgl. § 175 Abs. 2 GWB i.V.m. § 76 Abs. 1 S. 3 GWB, dazu: BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017, X ZB 10/16; OLG Düsseldorf, Beschluss-vom 28. Juni 2023, a.a.O.). Zweitens sind die von der Antragstellerin begehrten Daten nicht entscheidungserheblich. Die Antragstellerin will anhand der ggf. offenzulegenden Dateien näher dazu ausführen, dass die beigeladene Bietergemeinschaft oder eines ihrer Mitglieder in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerate, wenn sie diesen angeblich "ersichtlich defizitären Auftrag" übernehme. Diese Frage wäre jedoch nur dann entscheidungsrelevant, wenn der Angebotspreis der Beigeladenen unangemessen niedrig wäre und es darum ginge, ob die Antragsgegnerin den Zuschlag auf dieses Angebot gemäß § 60 Abs. 3 VgV ablehnen dürfte (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017, a.a.O.). Ein unangemessen niedriger Angebotspreis liegt hier nicht vor (vgl.' oben unter 2c)). Eine Akteneinsicht ist daher auch aus diesem Grund nicht veranlasst.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, 5, Abs. 4 S. 1, 2, 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 VwVfG und folgt dem Maß des Obsiegens und Unterliegens der Verfahrensbeteiligten. Mit ihrem Nachprüfungsantrag hat die Antragstellerin nicht nur das wirtschaftliche Ziel verfolgt, dass die Angebote neu gewertet oder die bisherige Wertung ordnungsgemäß dokumentiert wird, sondern auch, dass das Angebot der Beigeladenen wegen dessen angeblich unauskömmlichen Preises ausgeschlossen wird. Hätte die Antragstellerin dieses Ziel vollumfänglich erreicht, hätte dies faktisch einen Zuschlag auf ihr Angebot bedeutet, da das Angebot der Antragstellerin im Falle des Ausschlusses der Beigeladenen als einziges Angebot in der Wertung verblieben wäre. Abgesehen davon ging der Vortrag der Antragstellerin dahin, dass ihr Angebot mit dem bestmöglichen Konzept und dem bestmöglichen Preis ohnehin das wirtschaftlichste und daher bei vergaberechtskonformer Wertung zu bezuschlagen gewesen wäre. Dass die Antragstellerin dieses faktisch auf einen Zuschlag an sie gerichtete Verfahrensziel nicht erreicht hat, sondern der Ausgang des Vergabewettbewerbs zwischen ihr und der Beigeladenen weiterhin offen ist, ist mit einer Unterliegensquote von 50% zu bewerten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Februar 2010, Verg 62/09).
Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig. Durch den Nachprüfungsantrag wurden nicht nur einfach gelagerte, auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen, sondern hierüber hinausgehende grundlegende Rechtsfragen zur Bewertungsmethode der Antragsgegnerin sowie zur Dokumentation von Wertungsentscheidungen eines öffentlichen Auftraggebers. Die langjährige Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zur Dokumentation von Wertungen hat sich erst vor ca. einem Jahr grundlegend geändert. Die Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war daher sachgerecht (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06).
Eine Entscheidung über die Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst. Ein Beigeladener ist nur dann kostenrechtlich wie der Antragsteller oder Antragsgegner eines Nachprüfungsverfahrens zu behandeln, wenn er seine durch die Beiladung begründete Stellung im Verfahren auch nutzt, indem er sich an diesem Verfahren beteiligt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, a.a.O.; OLG Düsseldorf,- Beschluss vom 10. Juli 2024, Verg 3/24). Dies ist vorliegend nicht geschehen.
IV.
(...)
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VK Berlin
Beschluss
vom 16.11.2023
VK B 1-7/22
1. Eignungskriterien dürfen ausschließlich die Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung, die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sowie die technische und berufliche Leistungsfähigkeit betreffen, wobei die Eignungskriterien vom öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen festzulegen und in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen sind. Für ungeschriebene Eignungskriterien (hier: "Fachkunde") ist neben den normierten Ausschlusstatbeständen der §§ 123, 124 GWB kein Raum.
2. Der öffentliche Auftraggeber verstößt gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze, indem er die Eignungsprüfung des Bieters mit der Prüfung der Angebotskalkulation vermengt und Kalkulationsfehler im Angebot der Antragstellerin zur Grundlage der Entscheidung über die Eignung der Antragstellerin im selben Verfahren macht.
3. Angebote sind auch dann wegen fehlender Preisangaben auszuschließen, wenn erforderliche Preise zwar eingetragen wurden und damit formal nicht fehlen, die angegebenen Preise jedoch offensichtlich unzutreffend sind. Bieter dürfen trotz ihrer grundsätzlichen Kalkulationsfreiheit die Gesamtkosten nicht beliebig einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses zuordnen und dadurch möglicherweise Zahlungspflichten des Auftraggebers bei Vertragsabwicklung manipulieren.
4. Eine ausschlusswürdige Mischkalkulation kann nicht angenommen werden, wenn dem Angebot weder Anhaltspunkte für eine unzulässige Preisverlagerung noch ein Spekulationspotenzial zu entnehmen sind, das die vom öffentlichen Auftraggeber angenommene fehlerhafte Kosten-/Preisverlagerung begünstigen könnte.
5. Erforderliche Preisangaben können nur solche Preisangaben sein, die für die Wertung des Angebots anhand der Zuschlagskriterien maßgeblich sind (hier verneint für anzubietende Stundenverrechnungssätze).
6. Der öffentliche Auftraggeber verlangt vom Bieter Aufklärung, wenn der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen. Wann letzteres der Fall ist, entscheidet der öffentliche Auftraggeber vor der eigentlichen Aufklärung auf Grundlage eines ihm zukommenden, von den Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt dahin überprüfbaren Beurteilungsspielraums, ob der öffentliche Auftraggeber den Sachverhalt vollständig ermittelt, die Entscheidung nachvollziehbar begründet und nicht willkürlich getroffen hat (hier verneint).
7. Wenn auf gesicherter Grundlage feststeht, dass ein Unterkostenangebot vorliegt, muss vom öffentlichen Auftraggeber eine Prognoseentscheidung getroffen werden, ob trotz des niedrigen Angebotspreises eine ordnungs- und vertragsgemäße Leistungserbringung zu erwarten ist. Hierbei hat er eine Preisprüfung im Rechtssinn vorzunehmen, die sich auf den Gesamtpreis und die Einzelpreise des Angebots, die Auskömmlichkeit der Preise und den Gewinn der Bieterin beziehen muss.
Tenor
1. Das Vergabeverfahren wird in den Stand vor Angebotswertung zurückversetzt. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Angebotswertung unter Einschluss des Angebots der Antragstellerin und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühren befreit. Die Beigeladene trägt ihre Kosten selbst.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin war notwendig.
Gründe
I.
Der Antragsgegner schrieb mit Bekanntmachung vom 01.12.2021 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union einen Auftrag über "Schulreinigung" in 38 Schulstandorten zur Referenznummer (...) (Nr. der Bekanntmachung (...)) in 8 Teillosen im offenen Verfahren europaweit aus.
Im Vorfeld nahm der Antragsgegner eine Kostenschätzung vor. In einem in der Vergabeakte enthaltenen Vermerk vom 16.11.2021 dokumentierte er einen geschätzten Gesamtauftragswert von 10.294.571 EUR brutto. Eine im Nachprüfungsverfahren zur Vergabeakte nachgereichte, dieser zugrundeliegenden Tabelle weist für die Kostenschätzung für jede Schule in Los 1 aus, dass der Antragsgegner je Schule in Los 1 einen Stundenverrechnungssatz (im Folgenden: SVS) von 21,30 EUR angesetzt hat.
Die Beschreibung der Beschaffung im Los 1 unter Ziff. II.2.4) der Auftragsbekanntmachung lautet "Reinigungsdienstleistungen in 5 Schulstandorte mit einer Reinigungsfläche von 25.650 m2". Einziges Zuschlagskriterium gem. Ziff. II.2.5) der Bekanntmachung ist der Preis. Vertragslaufzeit ist gem. Ziff. II.2.7) vom 01/03/2022 bis 28/02/2025 ohne Verlängerungsoption.
Ziff. III.1) "Teilnahmebedingungen" der Bekanntmachung enthält folgende Eintragungen:
"III.1.1) Befähigung zur Berufsausübung einschließlich Auflagen hinsichtlich der Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister
Auflistung und kurze Beschreibung der Bedingungen:
An der Ausschreibung können sich nur fachkundige, leistungsstarke, zuverlässige und gesetzestreue Bieter beteiligen, die eine ordnungsgemäße Ausführung der Dienstleistung gewährleisten."
Unter Ziff. II.1.6) der Bekanntmachung erfolgte die Angabe:
"Aufteilung des Auftrags in Lose: ja
Angebote sind möglich für maximale Anzahl an Losen: 3
Maximale Anzahl an Losen, die an einen Bieter vergeben werden können: 3"
In den Vergabeunterlagen wird hierzu weiter ausgeführt:
"Die Vergabe der beschriebenen Dienstleistung erfolgt nach § 30 Abs. 1 VgV mittels Loslimitierung in Form einer Angebotslimitierung. Jeder Bieter kann ein Angebot für ein oder mehrere Lose abgeben. Die Abgabe eines Angebotes ist jedoch bis max. 3 Lose zulässig! Bitte beachten Sie, dass Angebote für mehr als 3 Lose von der weiteren Prüfung und Wertung insgesamt ausgeschlossen werden!"
Gemäß Vordruck Wirt-211 EU ("Aufforderung zur Abgabe eines Angebots EU") war von den Bietern mit dem Angebot neben dem ausgefüllten Preisblatt u.a. auch ein sog. "Kalkulationsblatt Stundenverrechnungssatz" (im Folgenden: "Kalkulationsblatt SVS") in einem vom Antragsgegner in den Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellten Vordruck einzureichen.
Im Preisblatt waren Eintragungen zum Angebot für drei Reinigungsarten zu tätigen, nämlich für die Unterhalts-, Zwischen und Grundreinigung. Für die Unterhalts- und Grundreinigung war die Fläche der jeweiligen Raumgruppe und das Reinigungsintervall sowie für die Unterhaltsreinigung die Anzahl der Reinigungstage pro Jahr jeweils vom Antragsgegner vorgegeben. Vom Bieter einzutragen war der Leistungswert in m2/h und der SVS. Für die Zwischenreinigung war die Anzahl der (Stunden der) täglichen Zwischenreinigungen pro Standort vorgegeben und ein Preis in EUR/h vom Bieter einzutragen. Aus der hinterlegten Berechnungsformel ergab sich nach Eingabe des Leistungswerts und des SVS bei der Unterhaltsreinigung je Raumgruppe ein Preis in EUR/m2, je Raumgruppe ein Jahrespreis in EUR sowie ein Jahrespreis in EUR für alle Raumgruppen (1. Summe). Für die Zwischenreinigung ergab sich durch Eingabe des Preises in EUR/h aufgrund der hinterlegten Berechnung je Schulstandortstandort ein Jahrespreis in EUR sowie aus der Addition dieser ein Jahrespreis in EUR für die Zwischenreinigung (2. Summe). Für die Grundreinigung ergab sich durch bieterseitige Eingabe des Leistungswertes und des SVS für jeden Bodenbelag ein Preis in EUR/m2, für jeden Bodenbelag ein Jahrespreis in EUR sowie aus der Addition für alle Bodenbeläge ein Jahrespreis in EUR (3. Summe). Aus der (hinterlegten) Addition der sich aus den Eintragungen der Bieter berechnenden (Zwischen-)Summen pro Reinigungsart (1. - 3. Summe) ergibt sich am Ende des Preisblattes der "1.-3. Gesamtjahrespreis", einmal ohne und einmal mit 19% Umsatzsteuer, welcher wiederum im Angebotsschreiben einzutragen war.
Mit Angebotsschreiben vom 27.12.2021 reichte die Antragstellerin je ein Angebot zu den Losen 1, 4 und 7 ein.
Ausweislich der Angebotsauswertung in der Vergabeakte wurden für Los 1 insgesamt 15 Angebote eingereicht, von denen der Antragsgegner sieben Angebote unmittelbar wegen Verstoßes gegen die Angebotslimitierung gem. § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV ausschloss, weil die Bieter Angebote für mehr als drei Lose eingereicht hatten. Ein weiteres Angebot verblieb ausweislich der Vergabeakte ebenfalls nicht in der Wertung, wobei sich das Verfahren mit diesem aus der vorgelegten Vergabeakte nicht erschließt. Innerhalb der in der Prüfung verbliebenen sieben Angebote war das Angebot der Antragstellerin zunächst das zweitgünstigste, das Angebot der Beigeladenen lag auf Platz 4. Nach Ausschluss auch des noch vor dem Angebot der Antragstellerin platzierten Angebots durch den Antragsgegner, lag das Angebot der Antragstellerin auf Platz 1, das Angebot der Beigeladenen auf Platz 2.
Nach dem in der Vergabeakte dokumentierten Preisspiegel lag das Angebot der Antragstellerin für Los 1 vor dem Ausschluss der sieben Angebote wegen Verstoßes gegen die Loslimitierung auf Platz 4 und das Angebot der Beigeladenen auf Platz 7.
In einem in der Vergabeakte enthaltenen Protokoll vom 10.01.2022 vermerkte der Antragsgegner nach Öffnung der Angebote:
"Aus der gewonnenen Marktübersicht werden auch auffällige Abweichungen vom Durchschnitt aller Bieter (bspw. Leistungskennzahlen der Reinigung) geprüft. Es sind einheitliche Prüfschwellen festzulegen, ab wann ein Parameter als auffällig gilt (Leistungskennzahlen: 25 % Abweichung vom Mittelwert, SVS: geringer als 21 EUR".
Mit Schreiben vom 14.01.2022 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, ihre Kalkulation der SVS für die Unterhalts- und die Zwischenreinigung sei ungewöhnlich niedrig und forderte die Antragstellerin unter Fristsetzung auf, ausführlich darzulegen, wie sich "eine derart niedrige Kalkulation" auskömmlich gestalten werde. Der Ansatz sehe für die Unterhalts- und Zwischenreinigung Zuschläge in bestimmter, unter 70 % liegender prozentualer Höhe vor. Die genaue Höhe der zutreffend aus den Kalkulationsblättern SVS der Antragstellerin wiedergegebenen prozentualen Zuschläge kann hier mit Blick auf zu wahrende Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Antragstellerin nicht wiedergegeben werden. Diese Werte legten die Vermutung nahe, dass die Antragstellerin entweder gegen die Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) zum Mindeststundenentgelt verstoße, andere gesetzliche und tarifliche Festlegungen (Krankenkassen, Rentenbeiträge, Berufsgenossenschaft) nicht erfüllen können oder dass sich andererseits ihr Angebot für den Vertragszeitraum als nicht auskömmlich erweisen werde. Im Einzelnen forderte er die Antragstellerin auf, ausführlich zu erläutern, wie sie mit dem im Einzelnen angesetzten Zuschlag für die lohngebundenen Kosten ihren gesetzlichen und tariflichen Pflichten nachkommen könne, wie sie mit dem jeweils angesetzten prozentualen Zuschlag in der Position 2.32 "Sonstige Personalkosten" die Arbeitskleidung (Anschaffung, Reinigung, Ersatz) abdecken und in der Position 3.3 "Maschinen und Geräte" die Anschaffung, Unterhalt (Wartung/Reinigung) und Abschreibung finanzieren und wie sie die Position 5. "Gewinn/Wagnis" mit dem angesetzten Zuschlag auskömmlich gestalten wolle. Im Einzelnen stelle sich der von der Antragstellerin kalkulierte prozentuale Zuschlag für die lohngebundenen Kosten ungewöhnlich niedrig dar, ebenso die Höhe der jeweiligen prozentualen Zuschläge in den Positionen 2.32 "Sonstige Personalkosten", 3.3 "Maschinen und Geräte" und 5 "Gewinn/Wagnis". Damit stünde der Antragstellerin in Position 5 jährlich nur ein gewisser Betrag zur Verfügung, um auf absehbare Kostensteigerungen reagieren zu können. Gemäß Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes betrage die Preissteigerung in den Monaten November und Dezember 2021 jeweils mehr als 5 % im Vergleich zum Vorjahr.
Mit Schreiben vom 18.01.2021 nahm die Antragstellerin innerhalb der gesetzten Frist Stellung auf über 6 Seiten Stellung. Hierbei ging sie insbesondere auf die Anzahl der für den Einsatz geplanten Mitarbeitenden, die verrechenbaren Arbeitstage, Feiertage, Urlaubs- und Krankentage und Tage für Arbeitsfreistellung ein, sowie auf die Kostenansätze zur Haftpflichtversicherung und zur Arbeitskleidung. Sie teilte die Anzahl der in der Unterhaltsreinigung für den Einsatz geplanten Mitarbeiter mit, für die Arbeitskleidung beschafft werden müsse, und stellte die hierfür angesetzten Kosten auf. Des Weiteren machte sie Ausführungen zu den einzusetzenden Materialien und Maschinen. Zur Position "Wagnis/Gewinn" wies sie darauf hin, diese Position unterliege ihrer unternehmerischen Freiheit und dürfe durch Auftraggeber nicht negativ bewertet werden bzw. zum Ausschluss führen. Sie sehe weiterhin Einsparungen und Kostenoptimierungen durch eine intensive und gute Einarbeitung der Reinigungskräfte. Im Übrigen tendierten die Vorhersagen dahingehend, dass zum Ende des Jahres 2022 die Inflation wieder sinken würde.
Mit Schreiben vom 19.01.2022 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, die Antragstellerin habe einen anderen Vertrag (...) vom 21.11.2021 - Reinigung in den Revierunterkünften des Straßen- und Grünflächenamtes des Bezirksamtes (...) (im Folgenden: Reinigung SGA), Leistungsbeginn 01.01.2022 - zum 28.02.2022 gekündigt. Um den hier streitgegenständlichen Auftrag (...) dürften sich nur fachkundige, leistungsstarke und zuverlässige Anbieter bewerben. Aufgrund der Kündigung in einem anderen Vertrag nur 10 Tage nach Leistungsbeginn, müsse die Eignung für die vorliegende Ausschreibung bestritten werden. Der Antragsgegner forderte die Antragstellerin unter Fristsetzung zur Stellungnahme auf.
Mit fristgerechtem Schreiben vom 20.01.2022 nahm die Antragstellerin Stellung. Sie bestätigte die Kündigung des Reinigungsvertrags mit dem Straßen- und Grünflächenamt innerhalb der Probezeit. In den ersten Tagen nach Leistungsbeginn habe sie feststellen müssen, dass die Fahrzeiten zwischen den einzelnen Liegenschaften nicht ausreichend in ihrer Kalkulation berücksichtigt worden sei. Für die ordnungsgemäße Durchführung sei ein zweites Team mit eigenem Auto notwendig. Da sie dies wirtschaftlich nicht vertreten könne, habe sie sich zur Kündigung entschieden. Diese Fehlkalkulation sei jedoch im jetzigen Angebot ausgeschlossen, da die in den Schulen eingesetzten Mitarbeiter ausschließlich ein festes Objekt hätten und nicht zwischen mehreren Objekten pendeln müssten.
Mit Informationsschreiben gem. § 134 GWB vom 07.02.2022 teilte Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot gem. § 122 GWB iVm § 42 Abs. 1 VgV ausgeschlossen werde. Die in der "Aufklärungsverhandlung" gewonnenen Erkenntnisse begründeten die Feststellung, dass die Antragstellerin für den Auftrag, nicht über die erforderliche Eignung verfüge. Durch den von der Antragstellerin eingeräumten Kalkulationsfehler im Vertrag (...) Reinigung SGA und die daraus resultierende Kündigung in der Probezeit, sei dem Land Berlin ein erheblicher Schaden zugefügt worden. Den Erklärungen der Antragstellerin könne daher nicht gefolgt werden. Der Antragsgegner teilte zudem das Datum der beabsichtigten Zuschlagserteilung, sowie die Namen der in den Losen 1, 4 und 7 jeweils zu bezuschlagenden Unternehmen mit.
Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 11.02.2022 rügte die Antragstellerin ihren Ausschluss aus dem Vergabeverfahren. Die Antragstellerin erfülle alle Anforderungen an die Eignung. Insbesondere sei kein Ausschlussgrund gem. §§ 123, 124 GWB erfüllt, weshalb der Ausschluss gegen das Diskriminierungsverbot verstoße. Zweifel an der Eignung und der Auskömmlichkeit ihres Angebots habe die Antragstellerin mit ihrem Schreiben vom 18.01.2022 ausgeräumt. Die Information über den Ausschluss basiere zudem nicht auf § 134 GWB. Der zugrundegelegte Sachverhalt stehe nicht in Zusammenhang mit dem aktuellen Vergabeverfahren und auch nicht mit der Eignung der Antragstellerin. Die Behauptung, die Antragstellerin habe dem Land Berlin erheblichen Schaden zugefügt sei unsubstantiiert und aus dem Kontext gegriffen. Das Verhalten eines Bieters in einem vorangegangenen Vergabeverfahren sei grundsätzlich unerheblich für weitere Vergabeverfahren und dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen. Gründe, die die Beurteilung eines Bieters ausnahmsweise anhand seines Vorverhaltens zulassen, seien in §§ 123, 124 GWB normiert und lägen nicht vor. Die Kündigung des früheren Vertragsverhältnisses sei auf der Grundlage der im damaligen Reinigungsvertrag enthaltenen Kündigungsmöglichkeit innerhalb der Probezeit erfolgt. Für einen Schaden sei der Antragsgegner beweispflichtig. Mit der Gewährung eines Monats mehr als Übergangszeit habe die Antragstellerin freiwillig etwaige Obliegenheiten bei der Rückabwicklung sogar übererfüllt, um dem Antragsgegner die Möglichkeit zu geben, nach einer Lösung zu suchen. Nur aufgrund der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem früheren Antragsgegner habe die Antragstellerin überhaupt die "freimütigen Erklärungen zum Kündigungsgrund" abgegeben, wohingegen eine Kündigung während der Probezeit sogar gänzlich ohne Nennung von Gründen wirksam gewesen wäre. Jedenfalls habe die frühere Kündigung nichts mit dem hiesigen Vergabeverfahren zu tun.
Mit Schreiben vom 16.02.2022 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, ihrer Rüge nicht abzuhelfen. Die Antwort der Antragstellerin zur Preisaufklärung sei keinesfalls zufriedenstellend gewesen. Dem Aufklärungsverlangen sei die Antragstellerin gar nicht oder allenfalls pauschalisierend nachgekommen. Dies hätte bereits einen Ausschluss des Angebots gem. § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV gerechtfertigt. Aus der (fehlenden) Zuarbeit der Antragstellerin ergebe sich zudem ein Bild, das den zwingenden Ausschluss des Angebots aufgrund fehlender Preisangaben in Form unzulässiger Mischkalkulation gem. § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV begründe. Die Antragstellerin habe die von ihr für die für die Unterhaltsreinigung benötigte Arbeitskleidung auf die Kalkulation des SVS aller drei Reinigungsarten umgelegt, was eine unzulässige Mischkalkulation darstelle. Es sei nicht glaubhaft, dass alle Leistungsbestandteile von einem identischen Personenkreis ausgeführt werden solle, dessen Arbeitskleidung demzufolge aus der Summe der drei Kalkulationen finanziert werden könne. Diese stünde auch im Widerspruch zu der Darstellung der Antragstellerin, dass die Zwischenreinigung von Mitarbeitern des vorhandenen Personals ausgeführt werden solle, insbesondere ohne hierbei einen Fahrtkostenzuschuss zu berücksichtigen. Aufgrund der Verweigerung der Darstellung der Personalplanung bleibe dies nicht nachvollziehbar. Die Summe für die von der Antragstellerin sehr niedrig dargestellte Anschaffung von Arbeitskleidung sei nicht ausreichend; weitere Bedarfe (bspw. Reinigung, Ersatz, Sanitätsmittel, Personalwerbung u.a.) könnten über diese Position nicht abgedeckt werden. Auch für die Position 3.3 "Maschinen und Geräte" nehme die Antragstellerin eine unzulässige Mischkalkulation vor, indem sie die Werte aus Unterhalts- und Zwischenreinigung vermenge und in die Position 3.4 "Reinigungsmittel, Kleinmaterial" einbeziehe. Die darauf aufbauende Berechnung der Antragstellerin sei grundsätzlich falsch. Auch die fehlerhaft angesetzte Summe sei nicht ausreichend, um die erforderlichen Maschinen und Geräte abzubilden. Bereits die Anschaffungskosten der einzusetzenden geplanten Geräte würden die Kalkulation unauskömmlich machen. In der Position 5 "Wagnis" müsse ein real einschätzbares Wagnis Bestandteil der Kalkulation sein. Bei dem für das Wagnis angesetzten Ansatz genüge schon eine allgemeine Kostensteigerung von nur 0,16 % im Jahr, um das Angebot unauskömmlich zu machen. Eine Gesamtbetrachtung der Feststellung der Unauskömmlichkeit des Angebots der Antragstellerin und die Bestätigung eines schwerwiegenden Kalkulationsirrtums in einem anderen Vergabeverfahren zwängen zu der Bewertung, dass es der Antragstellerin offensichtlich an der erforderlichen Fachkunde mangele. Hierbei sei nicht die Kündigung des Vertrags "(...) Reinigung SGA" durch die Antragstellerin an sich und auch nicht der hieraus für den Antragsgegner resultierenden Schaden der Grund für den Ausschluss.
Mit Schreiben vom 17.02.2022 reichte der Antragsgegner eine Schutzschrift bei der Vergabekammer ein. Ebenfalls mit Schreiben vom 17.02.2022 stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer, mit dem sie sich gegen den Ausschluss ihrer Angebote in den Losen 1, 4 und 7 wandte.
Die Antragstellerin trägt vor, der Antrag sei wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbs- und Nichtdiskriminierungsgebot aus § 97 Abs. 1 und 2 GWB sowie gegen § 97 Abs. 6 GWB begründet. Nach den gesetzlichen Bestimmungen liege keine Ungeeignetheit der Antragstellerin für den Auftrag vor. Zwar könne der Antragsgegner in gewissem Rahmen selbst festlegen, welche Kriterien er zur Eignungsprüfung heranzieht; das Vorverhalten oder die Erfahrungen aus vorangegangenen Vergaben seien vorliegend jedoch weder genannt noch sachlich begründet worden. Die Antragstellerin habe sich im vorangegangenen Verfahren nicht rechtswidrig und vorwerfbar verhalten, sondern das ihr eingeräumte Kündigungsrecht ausgeübt. Dies dürfe ihr in keinem weiteren Verfahren zum Nachteil gereichen und begründe keine allgemeine Ungeeignetheit der Antragstellerin im streitgegenständlichen Vergabeverfahren. Mit dem so begründeten Ausschluss habe der Antragsgegner sowohl gegen Verfahrensvorschriften zur Durchführung der ordnungsgemäßen Eignungsprüfung verstoßen, als auch gegen den Wettbewerbsgrundsatz. Der Rückschluss von der angeblichen Fehlkalkulation auf die Ungeeignetheit der Antragstellerin sei falsch. Die Kalkulation der Antragstellerin im hiesigen Verfahren beruhe nicht auf einer Nichtberücksichtigung erforderlichen Pendelns. Die Angaben der Leistungsbeschreibung ließen vielmehr verschiedene Lösungen zu. Weder sei Pendeln vorliegend notwendig, noch sei dieses auf die in der Leistungsbeschreibenden vorgegebenen Zeiten möglich, da die Zwischenreinigung (fast) zeitgleich an allen 5 Schulstandorten stattfinden müsse. Der Antragsgegner habe auch keine Eignungskriterien aufgestellt, die eine mangelnde Eignung begründen könnten.
Soweit der Antragsgegner im Nichtabhilfeschreiben den Ausschluss nicht mehr nur auf die mangelnde Eignung, sondern auf die vermeintliche Unauskömmlichkeit des Angebots der Antragstellerin stütze, verstoße er gegen das Nichtdiskriminierungsgebot. Der Antragsgegner hätte bei verbleibenden Zweifeln an den Ausführungen der Antragstellerin versuchen müssen, diese weiter aufzuklären und der Antragstellerin die Gelegenheit zum Ausräumen selbiger geben müssen. Der Ausschluss wegen der behaupteten Unauskömmlichkeit wäre selbst dann verfahrensfehlerhaft, wenn tatsächlich eine Unauskömmlichkeit vorläge. Das Informationsschreiben nach § 134 GWB stelle einen Verfahrensschritt nach abgeschlossener Wertung dar. Zu diesem Zeitpunkt sei die Eignungsprüfung abgeschlossen, ein Ausschluss aufgrund fehlender Eignung hätte demnach vorher und separat mitgeteilt werden müssen. Die nachgeschobene Begründung der Unauskömmlichkeit am 16.02.2022 vermöge den Ausschluss mittels Schreibens gem. § 134 nachträglich nicht zu legitimieren. Das Angebot der Antragstellerin sei nicht ungewöhnlich niedrig und daher auch nicht unauskömmlich. Die Auskömmlichkeit sei nicht nach objektiven und sachbezogenen Kriterien geprüft worden.
Eine unzulässige Mischkalkulation liege ebenfalls nicht vor. Das Preisblatt sei in die Unterhalts-Zwischen- und Grundreinigung unterteilt. Jeder Bereich weise einen individuellen SVS auf, der auch eigenständig kalkuliert sei.
Die Antragstellerin beantragt,
1. dem Antragsgegner aufzugeben, das Verfahren auf den Zeitpunkt vor der Angebotswertung zurückzuversetzen und die Wertung der Angebote unter Einbeziehung des Angebotes der Antragstellerin und Berücksichtigung der Auffassung der Vergabekammer erneut vorzunehmen
2. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären
3. dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung durch die Antragstellerin aufzuerlegen.
Der Antragsgegner beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen
2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners aufzuerlegen
3. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für den Antragsgegner für notwendig zu erklären.
Der Ausschluss der Antragstellerin wegen mangelnder Eignung sei beurteilungsfehlerfrei erfolgt. Die Antragstellerin habe die erforderliche Eignung nicht nachgewiesen. Die Kündigung des früheren Reinigungsvertrags habe die Vermutung der fehlenden Eignung der Antragstellerin begründet, weshalb eine "Aufklärungsverhandlung" durchgeführt worden sei. In diesem Rahmen habe die Antragstellerin ihren Kalkulationsfehler eingeräumt. Sie habe damit eingeräumt, dass sie nicht in der Lage sei, die Vergabeunterlagen fachgerecht zu beurteilen und ein darauf basierendes auskömmliches Angebot zu kalkulieren. Sie habe aufgrund ihrer mangelnden Fachkunde und Leistungsfähigkeit und einer grob fehlerhaften Planung des Personal- und Mitteleinsatzes im hiesigen Verfahren ein unrealistisches Angebot abgegeben. Aus der Leistungsbeschreibung im früheren Verfahren sei für einen fachkundigen Bieter erkennbar gewesen, dass in der Personal- und Mittelplanung Fahrtzeiten zwischen einzelnen Objekten berücksichtigt werden müssen. Die fehlende Eignung setze sich im hiesigen Verfahren fort, soweit die Antragstellerin im Rahmen der Aufklärung angegeben habe, dass die in den Schulen eingesetzten Mitarbeiter ausschließlich ein festes Objekt haben und nicht zwischen mehreren Objekten pendeln müssen und daher diese Fehlkalkulation diesmal ausgeschlossen sei. Denn auch im hiesigen Verfahren mache die täglich zu erbringende Zwischenreinigung ein "Pendeln zwischen mehreren Objekten" unausweichlich. Er habe den Ausschluss nicht auf die Kündigung oder den früheren Kalkulationsfehler gestützt, sondern auf den in "diesem Vergabeverfahren erfolgten und eingeräumten Kalkulationsfehler". Durch umfassende und sachgerechte Aufklärung habe er im Rahmen seines Beurteilungsspielraums die Prognoseentscheidung getroffen, dass die Antragstellerin den zukünftigen Auftrag nicht ordnungsgemäß ausführen werde. Damit sei der Ausschluss gem. § 122 Abs. 1 GWB in Verbindung mit 42 Abs. 1 VgV zwingend gewesen. Der Antragsgegner habe in der Auftragsbekanntmachung die festgelegten Eignungskriterien aufgeführt. Zudem habe er einzelne von den Bietern vorzulegende Eignungsnachweise aufgeführt und diese in den Vergabeunterlagen konkretisiert. Die bekannt gemachten Eignungskriterien seien auch schon deshalb zugrunde zu legen, weil die Antragstellerin diese nicht rechtzeitig gerügt habe. Aus "diesen gesetzlichen Eignungskriterien" ergebe sich ohne Weiteres, dass nur solche Unternehmen geeignet seien, die ordnungsgemäß und auskömmlich kalkulieren und dementsprechend eine ordnungsgemäße Ausführung der ausgeschriebenen Dienstleistung erwarten lassen. Dies habe der Antragsgegner für die Antragstellerin im Rahmen der materiellen Eignungsprüfung zutreffend verneint.
Am Vorliegen eines zwingenden Ausschlussgrundes gem. § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV halte er hingegen nicht mehr fest.
Das Angebot der Antragstellerin sei jedoch zwingend gem. § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV wegen fehlender Preisangaben in Form unzulässiger Mischkalkulation auszuschließen. Zur Begründung beruft er sich im Wesentlichen auf das Nichtabhilfeschreiben. Bei dem SVS und den diesen zusammensetzenden Positionen handele es sich um Preise im Sinne des Ausschlussgrundes. Nach der Rechtsprechung zur Mischkalkulation sei das Angebot der Antragstellerin daher wegen fehlender Preisangaben auszuschließen gewesen. Der SVS und seine Zusammensetzung sei unmittelbar vergütungsrelevant, soweit nach § 9 des Vertrages bestimmte Änderungen der Kalkulationsgrundlage des Vertrages für die Lohnkosten "einen Anspruch des Auftragnehmers auf Anpassung des Entgeltes, d.h. des Stundenverrechnungssatzes der Unterhaltsreinigung [begründen]". Andererseits sollten nach dem SVS auch diejenigen Leistungen vergütet werden, die nicht Bestandteil der pauschal vergüteten Leistungen sind und bei Bedarf auf besondere Anforderung durch den Antragsgegner erfolgen sollen, nämlich zusätzlich zu bezahlende Arbeiten wie z.B. Sonderreinigungen gemäß der Leistungsbeschreibung. Schließlich sei der SVS - neben der Reinigungsleistung in m2/h - der zentrale Punkt der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Angebote in der Gebäudereinigung. Der Angebotspreis sei das hieraus errechnete Produkt. Der Ausschlussgrund sei darüber hinaus auch aufgrund des Kalkulationsfehlers der Antragstellerin gegeben. Denn daraus lasse sich schließen, dass die von ihr angegebenen Preise möglicherweise nicht die Preise sind, die von ihr tatsächlich für diese Position beansprucht werden. Dem Antragsgegner sei es nicht zuzumuten, den Zuschlag auf ein möglicherweise anfechtbares Angebot zu erteilen, zumal sich die Antragstellerin schon einmal von einem Auftrag gelöst habe.
Unabhängig davon sei das Angebot der Antragstellerin auch wegen fehlender Auskömmlichkeit gem. § 60 Abs. 3 VgV auszuschließen. Da die angebotenen Preise in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung stünden, hätte auf das Angebot der Antragstellerin gem. § 60 Abs. 3 VgV der Zuschlag nicht erteilt werden dürfen. Der Antragsgegner sei gem. § 60 Abs. 1 VgV und § 6 BerlAVG zur Aufklärung der Preise des Angebots der Antragstellerin verpflichtet gewesen. Denn der Preis des Angebots habe aufgrund der Unterschreitung der Interventions- und Aufgreifschwelle ("Stundenverrechnungssatz geringer als 21,00 EUR/h") den Eindruck eines ungewöhnlich niedrigen Angebots vermittelt. Eine Bekanntmachung dieser Schwelle habe auch nicht erfolgen müssen. Unabhängig davon wäre er bereits zu einer Preisprüfung berechtigt gewesen, weil der Abstand des Angebots der Antragstellerin zum Angebot der Beigeladenen 18,83 % betrage. Zudem ergebe sich aus dem durchschnittlichen SVS der Angebote für Los 1 eine Aufgreifschwelle jedenfalls von 21,30 EUR. Auch unter dem Aspekt der Vertragsbeendigung des Vertrages (...) Reinigung SGA sei er zur Aufklärung berechtigt gewesen. Aufgrund des Angebots der Antragstellerin und ihres Erläuterungsschreibens sei der Antragsgegner zu der Beurteilung gekommen, dass das Angebot unauskömmlich ist. Die Antragstellerin habe mit ihren unzureichenden Auskünften die Vermutung der fehlenden Auskömmlichkeit nicht entkräften und der Antragsgegner die geringe Höhe des angebotenen Preises nicht zufriedenstellend aufklären können. Im Gegenteil hätten die Auskünfte der Antragstellerin die fehlende Auskömmlichkeit bestätigt. Damit sei allein ein Ausschluss der Antragstellerin ermessensgerecht gewesen. Der Ausschluss des Angebots sei wegen der fehlenden Auskömmlichkeit zwingend.
Mit Beschluss vom 04.04.2022 hat die Kammer das Nachprüfungsverfahren zu Los 4 und Los 7 abgetrennt. Mit weiterem Beschluss vom 04.04.2022 hat die Kammer die Beigeladene zum Verfahren hinzugezogen. Mit Schriftsatz vom 12.04.2022 hat die Beigeladene erklärt, sich nicht mit einer Stellungnahme am Verfahren zu beteiligen. Mit Verfügung vom 28.07.2023 hat die Vorsitzende den Beteiligten einen rechtlichen Hinweis erteilt. Mit Beschluss vom 27.09.2023 hat die Kammer der Antragstellerin Akteneinsicht gewährt. Mit Verfügung der Vorsitzenden vom 09.11.2023 ist die Entscheidungsfrist letztmalig bis zum 14.12.2023 verlängert worden.
In der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2023 hatten die Beteiligten Gelegenheit, ihre Standpunkte zu erläutern und zu vertiefen, wobei die Beigeladene an der mündlichen Verhandlung nich teilgenommen hat. Auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie die Vergabeakte, soweit diese der Kammer vom Antragsgegner übermittelt wurde, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a) Die angerufene Vergabekammer des Landes Berlin ist zuständig. Der Antragsgegner ist öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 1 GWB. Streitgegenständlich ist vorliegend Los 1 der acht zu vergebenden Lose. Der vom Antragsgegner geschätzte Auftragswert für alle Lose beträgt 10.294.571 EUR brutto. Der maßgebliche Schwellenwert nach § 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) i. V. m. Artikel 4 a) der Richtlinie 2014/24/EU wird damit unproblematisch überschritten.
b) Die Antragstellerin ist auch gem. § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Sie hat ihr Interesse an dem Auftrag durch Angebotsabgabe belegt und macht die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend. Die Antragsbefugnis erfordert des Weiteren, dass der Antragsteller einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Er muss diejenigen Umstände aufzeigen, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. An diese Voraussetzungen sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt die Darlegung, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß die Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.04 - 2 BvR 2248/04; Schäfer in: Röwekamp/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 160, Rn. 43 ff.). Das Angebot der Antragstellerin war nach dem Zuschlagskriterium des Preises vor dem Angebot der Beigeladenen und zum Zeitpunkt des Ausschlusses auf Rang 1 platziert. Damit ist eine Verschlechterung der Zuschlagschance aufgrund des behaupteten vergaberechtswidrigen Angebotsausschlusses hinreichend dargetan.
Nicht antragsbefugt ist die Antragstellerin lediglich soweit sie die Unvollständigkeit des Vorabinformationsschreibens gem. § 134 GWB vom 07.02.2022 an sich beanstandet. Denn allein aus der Unvollständigkeit des Vorabinformationsschreibens resultiert nicht die Möglichkeit einer Verschlechterung der Zuschlagschancen der Antragstellerin. Zwar wurden der Antragstellerin erst im Nichtabhilfeschreiben vom 16.02.2022 weitere Ausschlussgründe zu ihrem Angebot mitgeteilt. Allerdings ist die Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens nicht von vornherein auf die im Vorabinformationsschreiben gem. § 134 GWB enthaltenen Ausschlussgründe beschränkt. Vielmehr können auch nachgeschobene Gründe grundsätzlich in einem Nachprüfungsverfahren angegriffen werden.
c) Die Antragstellerin hat den Ausschluss ihres Angebots wegen fehlender Eignung mit ihrem Schreiben vom 11.02.2022 auch rechtzeitig im Sinne des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB gerügt und den Nachprüfungsantrag am 17.02.2022 innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB gestellt.
Der Nachprüfungsantrag ist nicht deshalb teilweise unzulässig, weil sich die Antragstellerin in diesem neben dem Ausschluss ihres Angebotes wegen mangelnder Eignung auch gegen den Ausschluss ihres Angebotes gem. § 57 Abs. 1 Nr. 2 und 5 VgV sowie gem. § 60 Abs. 3 VgV beruft, ohne diese Ausschlussgründe gesondert gegenüber dem Antragsgegner gerügt zu haben. Die Antragstellerin hat sich - wie oben dargestellt - rechtzeitig mit ihrem Rügeschreiben gegen ihren Ausschluss gewandt. Der Antragsgegner hatte sich im Vorabinformationsschreiben gem. § 134 GWB vom 07.02.2022 zunächst nur auf die mangelnde Eignung der Antragstellerin berufen. Das Vorliegen der weiteren Ausschlussgründe hat er erst im Rahmen des Nichtabhilfeschreibens vom 16.02.2022 aufgeführt. Das Nachschieben von Gründen zum bereits erfolgten Ausschluss löst allerdings keine erneute Rügeobliegenheit bezüglich jedes einzelnen nachgeschobenen Ausschlussgrundes aus. Anderenfalls hätte es die Vergabestelle in der Hand durch taktisches Vorgehen mehrere Rügen eines Bieters erforderlich zu machen bzw. zu erreichen, dass ein Bieter durch das (versehentliche) Unterlassen einer weiteren Rüge mit seinem Antrag teilweise präkludiert ist (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 24. November 2021 - 1/SVK/032-21). Die Antragstellerin kann die ihr erst mit Schreiben vom 16.02.2022 mitgeteilten weiteren Ausschlussgründe daher ohne gesonderte Rüge im hiesigen Nachprüfungsverfahren angreifen.
2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Der Ausschluss der Antragstellerin wegen fehlender Eignung war beurteilungsfehlerhaft. Andere Ausschlussgründe für das Angebot der Antragstellerin liegen ebenfalls nicht vor. Die Antragstellerin ist hierdurch auch in ihren Rechten gem. § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
a) Der Ausschluss der Antragstellerin vom Vergabeverfahren wegen fehlender Eignung gem. § 122 GWB iVm § 42 VgV war beurteilungsfehlerhaft und hat die Antragstellerin daher in ihren Rechten verletzt.
Der Antragsgegner hat den ihm im Rahmen der Eignungsprüfung grundsätzlich zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten, indem er die Eignungsprüfung anhand von Kriterien vorgenommen hat, die keine Eignungskriterien im Sinne der §§ 122 GWB, 42ff. VgV sind (aa), er die Eignungsprüfung auch nicht auf die Prüfung vorher festgelegter Eignungsnachweise begrenzt hat (bb), er verkannt hat, dass für die von ihm vorgenommene Prognoseentscheidung ohne bekanntgemachte Eignungskriterien und -nachweise kein Raum bestand (cc) und er darüber hinaus im Rahmen der (im Übrigen unzulässigen) Prognoseentscheidung nicht nachvollziehbare Erwägungen zur Entscheidungsgrundlage gemacht und eine unzulässige Vermischung der Eignungsprüfung mit der Angebotsprüfung vorgenommen hat (dd). Damit hat der Antragsgegner das für die Eignungsprüfung vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten und gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen.
Gem. § 57 Abs. 1 VgV werden Angebote von Unternehmen, die die Eignungskriterien nicht erfüllen, von der Wertung ausgeschlossen.
Maßgeblich sind insoweit allein die in der Auftragsbekanntmachung festgelegten Eignungskriterien und Nachweise (KG Berlin, Beschluss vom 25.04.2022 - Verg 2/22). Das folgt für die Eignungskriterien aus § 122 Abs. 4 S. 2 GWB und für die Nachweise aus § 48 VgV. Gefordert werden kann danach allein, was sich der Ausschreibung nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB) aus Sicht der angesprochenen Unternehmen entnehmen lässt (KG Berlin, Beschluss vom 25. 04.2022 - Verg 2/22). Kern der Eignungsprüfung ist die Feststellung, ob die bekanntgemachten Eignungskriterien erfüllt wurden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. Dez. 2021 - 11 Verg 6/21). Bei der Beurteilung der Eignung eines Bieters handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, ob vom künftigen Auftragnehmer die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erwartet werden kann. Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Beurteilung der Eignung ein Spielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur daraufhin überprüft werden kann, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten worden ist, ob der Auftraggeber die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsvorgaben beachtet hat, der zugrunde gelegte Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt worden sind und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen worden ist (statt vieler OLG Düsseldorf Beschluss v. 12.8.2021 - Verg 27/21, BeckRS 2021, 56263 Rn. 34-36, beck-online).
aa) Der Antragsgegner stützt die Annahme der fehlenden Eignung der Antragstellerin auf die Annahme ihrer mangelnden Fachkunde. Er ist der Meinung, eine Gesamtbetrachtung der Unauskömmlichkeit des von der Antragstellerin eingereichten Angebots und eines von ihr eingeräumten Kalkulationsirrtums in einem früheren Vergabeverfahren zwängen ihn zu dieser Bewertung. Die Antragstellerin habe mit der Einräumung eines Kalkulationsfehlers in dem früheren Vergabeverfahren gezeigt, dass sie nicht in der Lage sei, die Vergabeunterlagen fachgerecht zu beurteilen und ein darauf basierendes auskömmliches Angebot zu kalkulieren. Sie habe aufgrund ihrer mangelnden Fachkunde und Leistungsfähigkeit und einer grob fehlerhaften Planung des Personal- und Mitteleinsatzes ein unrealistisches Angebot abgegeben. Aus der Leistungsbeschreibung im früheren Verfahren sei für einen fachkundigen Bieter erkennbar gewesen, dass in der Personal- und Mittelplanung Fahrtzeiten zwischen einzelnen Objekten berücksichtigt werden müssen. Die fehlende Eignung setze sich im hiesigen Verfahren fort, soweit die Antragstellerin im Rahmen der Aufklärung angegeben habe, dass die in den Schulen eingesetzten Mitarbeiter ausschließlich ein festes Objekt haben und nicht zwischen mehreren Objekten pendeln müssen und daher diese Fehlkalkulation diesmal ausgeschlossen sei. Denn auch im hiesigen Verfahren mache die täglich zu erbringende Zwischenreinigung ein "Pendeln zwischen mehreren Objekten" unausweichlich.
(1) Bei der unter Ziff. III.1.1) der Bekanntmachung formulierten "Bedingung", nach der sich an der Ausschreibung nur "fachkundige, leistungsstarke, zuverlässige und gesetzestreue Bieter beteiligen" können, "die eine ordnungsgemäße Ausführung der Dienstleistung gewährleisten", handelt es sich bereits objektiv nicht um Eignungskriterien im Sinne der §§ 122 GWB, 42ff. VgV. Daran ändert auch deren Aufführung in der Bekanntmachung nichts.
Fachkunde und Leistungsfähigkeit bilden gem. § 122 Abs. 1 GWB gemeinsam die Eignung. Eignungskriterien dürfen gem. § 122 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 ausschließlich die Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung, die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sowie die technische und berufliche Leistungsfähigkeit betreffen, wobei die Eignungskriterien vom öffentlichen Auftraggeber "im Einzelnen" festzulegen und in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen sind, § 122 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 GWB. Die möglichen, vom öffentlichen Auftraggeber festzulegenden Eignungskriterien werden in §§ 42 ff. VgV weiter und abschließend konkretisiert.
Die bekannt gemachten Eigenschaften der Fachkunde und Leistungsfähigkeit lassen sich unter keinem Gesichtspunkt den in § 122 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 GWB genannten und in §§ 42ff. VgV konkretisierten Kriterien zuordnen. Vielmehr stellen sie lediglich den in § 122 Abs. 1 GWB aufgestellten Rahmen dar, der vom öffentlichen Auftraggeber gerade durch konkretere Vorgaben in von ihm aufzustellenden Eignungskriterien zu spezifizieren ist. Als Oberbegriffe stellen sie für sich allein keine Eignungskriterien dar, die Grundlage der Eignungsprüfung der Antragstellerin konnten.
(2) Für ungeschriebene Eignungskriterien, deren Verneinung zum Ausschluss des Bieters führen könnte, ist neben den normierten Ausschlusstatbeständen der §§ 123, 124 GWB, nach geltender Rechtslage darüber hinaus kein Raum mehr (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Okt. 2020 - Verg 36/19). Ausdrücklich entschieden wurde dies bereits für das in früherer Rechtsprechung als von Bieterunternehmen zu erfüllen geforderte Eignungsmerkmal der "rechtlichen Leistungsfähigkeit" (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 01. 12. 2015 - Verg 20/15, vom 09. 11. 2011 - Verg 35/11, vom 04. 05. 2009 - Verg 68/08, vom 13. 08. 2008 - Verg 42/07, und vom 21. 02. 2005 - Verg 91/04), für das nach der heutigen Gesetzessystematik über die gesetzlich geregelten Einzelaspekte hinaus kein Anwendungsbereich verbleibt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Okt. 2020 - Verg 36/19). Nichts anderes kann nach der oben dargestellten heutigen Regelungssystematik für das Merkmal der Fachkunde gelten. Die Berücksichtigung des Verhaltens von Bietern in früheren Auftragsverhältnissen ist nach der heutigen Regelungssystematik der Prüfung der Ausschlussgründe gem. §§ 123, 124 GWB, insbesondere § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vorbehalten.
(3) Der Einwand des Antragsgegners, die Antragstellerin habe diesen Verstoß gegen Vergabevorschriften nicht rechtzeitig gerügt, so dass die Anforderung dennoch zu berücksichtigen sei, kann daher auch nicht durchgreifen. Da es sich bereits in der Sache nicht um Eignungskriterien handelt, war ein möglicher Verstoß gegen Vergabevorschriften aufgrund der Bekanntmachung auch nach dem objektiven Empfängerhorizont eines fachkundigen Bieters im Sinne des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB nicht erkennbar. Eine Rügeobliegenheit bestand daher nicht.
bb) Darüber hinaus verstößt die Eignungsentscheidung des Antragsgegners auch deshalb gegen das vorgeschriebene Verfahren der Eignungsprüfung, weil öffentliche Auftraggeber bei der Prüfung der Eignung grundsätzlich an die von ihnen in der Auftragsbekanntmachung aufgeführten Eignungsbelege gem. § 48 VgV gebunden sind. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die "Fachkunde" ein Eignungskriterium darstellen könnte, so wäre der Antragsgegner bei der Überprüfung ihrer Erfüllung durch die Antragstellerin an die Überprüfung der wirksam geforderten Nachweise gebunden. Der vorliegenden Auftragsbekanntmachung ist allerdings auch keine Anforderung von Unterlagen im Sinne des § 48 Abs. 1 VgV zum Beleg der "Fachkunde" durch Bieter zu entnehmen. Auch in Ermangelung wirksam aufgestellter Nachweise zum Beleg der Eignung, stellt sich die Eignungsentscheidung des Antragsgegners daher als beurteilungsfehlerhaft dar.
cc) Die vom Antragsgegner durchgeführte Eignungsprüfung ist in der Folge auch deshalb beurteilungsfehlerhaft, weil er die von ihm selbst (nicht) aufgestellten Bewertungsvorgaben nicht beachtet und gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze verstoßen hat. Denn ohne bekannt gemachte Eignungskriterien und -nachweise bestand bereits kein Raum für die vom Antragsgegner getroffene Prognoseentscheidung. Eine solche Prognoseentscheidung kann nicht unabhängig von bekannt gemachten Eignungskriterien und -nachweisen erfolgen. Sie beinhaltet vielmehr die Prüfung, ob vor dem Hintergrund der vom öffentlichen Auftraggeber geforderten Eignungskriterien und -nachweise vom künftigen Auftragnehmer die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erwartet werden kann.
dd) Selbst wenn man in Ermangelung aufgestellter Eignungskriterien und -nachweise noch Raum für eine Prognoseentscheidung des Antragsgegners annehmen wollte, so stellt sich die vom Antragsgegner getroffene Prognoseentscheidung jedenfalls auch als beurteilungsfehlerhaft dar, da sie zum einen auf nicht nachvollziehbaren Erwägungen beruht (1) und darüber hinaus die Eignungsprüfung mit der Auskömmlichkeitsprüfung des Angebots in unzulässiger Weise vermengt (2).
(1) Nicht nachvollziehbar ist die seine Prognose tragende Erwägung des Antragsgegners, wonach auch im streitgegenständlichen Ausschreibungsverfahren die täglich zu erbringende Zwischenreinigung ein "Pendeln zwischen mehreren Objekten" unausweichlich mache, weil gemäß der Leistungsbeschreibung die Leistung täglich zwischen 10 und 12 Uhr im laufenden Schulbetrieb zu beginnen und täglich 13 Stunden - in den fünf Schulen zwischen je 2 bis 4 Stunden - zu erbringen sei. Die vom Antragsgegner in der Argumentation zugrundegelegte Vorgabe an die Zwischenreinigung gemäß der Leistungsbeschreibung ist zwar zutreffend. Allerdings erscheint es angesichts dieser Vorgabe im Gegenteil gerade faktisch unmöglich, diese Anforderung - die lautet, dass an 5 Standorten jeweils zwischen 10 und 12 Uhr mit einer 2- bis 4-stündigen Reinigung zu beginnen ist - mit pendelndem Personal zu erfüllen. Hierauf hat die Kammer auch in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Der Antragsgegner hat in der mündlichen Verhandlung hierzu auch keine erklärenden Aspekte eingebracht.
(2) Darüber hinaus verstößt der Antragsgegner mit diesen Erwägungen auch gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze, indem er die Eignungsprüfung der Antragstellerin mit der Prüfung der Angebotskalkulation im hier streitgegenständlichen Vergabeverfahren vermengt und (nicht nachvollziehbar unterstellte) Kalkulationsfehler im Angebot der Antragstellerin zur Grundlage der Entscheidung über die Eignung der Antragstellerin im selben Verfahren macht. Ausdrücklich hat der Antragsgegner erklärt, dass der Ausschluss nicht auf die Kündigung des früheren Vertrages oder den früheren Kalkulationsfehler gestützt werde, sondern auf den in "diesem Vergabeverfahren erfolgten und eingeräumten Kalkulationsfehler". Abgesehen davon, dass die Antragstellerin im hiesigen Vergabeverfahren einen Kalkulationsfehler keineswegs eingeräumt hat und die Kammer - wie oben dargestellt - ein Pendeln der Mitarbeiter zwischen Schulstandorten nicht nur für nicht zwingend, sondern aufgrund der Leistungsbeschreibung für nicht machbar erachtet, schließt der Antragsgegner damit aus einem (vermeintlichen) Kalkulationsfehler im Angebot zum hiesigen Vergabeverfahren Rückschlüsse für die Eignung der Antragstellerin. Ein solches Vorgehen ist vergaberechtswidrig.
b) Das Angebot der Antragstellerin war auch nicht bereits gem. § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV auszuschließen, da die Voraussetzungen für einen solchen Ausschluss nicht vorlagen. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 14.08.2023 erklärt, dass er an diesem Ausschlussgrund nicht mehr festhält, so dass weitere Ausführungen an dieser Stelle sich erübrigen.
c) Die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Angebots der Antragstellerin gem. § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV wegen fehlender Preisangaben liegen ebenfalls nicht vor.
Nach § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV sind Angebote von der Wertung auszuschließen, die nicht die erforderlichen Preisangaben enthalten, es sei denn, es handelt sich um unwesentliche Einzelpositionen, deren Einzelpreise den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen.
Der Antragsgegner stützt den Ausschluss auf vermeintlich unzulässige Mischkalkulationen in den Kalkulationsblättern der Stundenverrechnungssätze im Angebot der Antragstellerin, insbesondere durch Preisverlagerungen bei den Positionen 2.32 "Sonstige Personalkosten", 3.3 "Maschinen und Geräte" zwischen den Kalkulationstabellen für die SVS der Unterhalts- und Zwischenreinigung.
Zwar kann der Ausschlusstatbestand des § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV auch dann eingreifen, wenn erforderliche Preise zwar eingetragen wurden und damit formal nicht fehlen, die angegebenen Preise jedoch offensichtlich unzutreffend sind; Bieter dürfen trotz ihrer grundsätzlichen Kalkulationsfreiheit die Gesamtkosten im Hinblick auf § 53 Abs. 7 S. 2 VgV nicht beliebig einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses zuordnen und dadurch möglicherweise Zahlungspflichten des Auftraggebers bei Vertragsabwicklung manipulieren (VK Bund, Beschluss vom 2. März 2023 - VK 2 - 10/23 - unter Hinweis auf grundlegend OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Oktober 2021 - Verg 4/21).
So sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nach der Vorschrift nicht nur solche Angebote grundsätzlich von der Wertung auszuschließen, in denen die erforderlichen Preisangaben gänzlich fehlen, sondern auch solche Angebote, die auf einer Mischkalkulation beruhen, bei der durch sogenanntes "Abpreisen" bestimmter ausgeschriebener Leistungen und sogenanntes "Aufpreisen" anderer angebotener Positionen Preise benannt werden, die die für die jeweiligen Leistungen geforderten tatsächlichen Preise weder vollständig noch richtig wiedergeben (BGH, Beschluss v. 18.5.2004 - X ZR 7/04, Rdnr. 24 - ).
Weder bei den im Preisblatt einzutragenden SVS noch bei den im Kalkulationsblatt zum SVS einzutragenden Positionen handelt es sich in der vorliegenden Ausgestaltung jedoch um erforderliche Preisangaben im Sinne des § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV. Darüber hinaus sind im Angebot der Antragstellerin keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Preisverlagerung zwischen Leistungspositionen und schon gar kein Spekulationspotential im Sinne einer unzulässigen Mischkalkulation erkennbar.
aa) Weder bei den im Preisblatt einzutragenden SVS noch bei den im Kalkulationsblatt zum SVS einzutragenden Positionen handelt es sich vorliegend um erforderliche Preisangaben im Sinne des § 57 Abs. 1 Nr. 5.
(1) Die Parallelvorschrift für oberschwellige Bauleistungen des § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A erfasst mit fehlenden "geforderten Preisen" nur Preisangaben, die für die Wertung des Angebots anhand der Zuschlagskriterien maßgeblich sind (VK Bund, Beschluss v. 18.7.2018 - VK 1-55/18). Dass nur das Unterlassen wertungsrelevanter Preisangaben zum Ausschluss des Angebots führen kann, ergibt sich für die genannte Vorschrift aus einer Gesamtschau der insoweit relevanten Normen (§ 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A und § 16 EU Nr. 3 VOB/A sowie des im Bereich der VOB/A grundsätzlich geltenden Nachforderungsgebots gemäß § 16a EU VOB/A). Ein darüber hinausgehender Anwendungsbereich, der das Unterlassen jedweder Preisangaben erfasst, kann der Norm indes nicht entnommen werden und ist auch aus übergeordneten Transparenz- und Gleichbehandlungsgründen nicht geboten, weil eine Nachforderung der insoweit fehlenden Erklärungen keine Auswirkung auf den Wettbewerb um das wirtschaftlichste Angebot hat. Nichts anderes gilt nach Auffassung der Kammer für die Auslegung von § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV. Erforderliche Preisangaben im Sinne dieser Vorschrift können demnach nur solche Preisangaben sein, die für die Wertung des Angebots anhand der Zuschlagskriterien maßgeblich sind. Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich im Umkehrschluss aus § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV 2. HS dass es sich bei den erforderlichen Preisangaben zudem jedenfalls um (nicht unwesentliche) eigenständige Preispositionen ("Einzelpositionen") handeln muss.
Wertungsrelevant war gem. Ziff. II.2.5) der Bekanntmachung ausschließlich der Preis. Nach der oben ausführlich dargestellten Gestaltung des Preisblattes und vor dem Hintergrund des einzigen Zuschlagskriteriums des Preises stellen sich der angebotene Gesamtpreis sowie (allenfalls) die dargestellten Einzelpositionen (Preise für die einzelnen Raumgruppen im Rahmen der Unterhaltsreinigung, Summe Unterhaltsreinigung, Zwischenreinigung je Standort, Summe Zwischenreinigung, Jahrespreis je Bodenbelag, Summe Grundreinigung) als erforderliche Preisangabe im Sinne von § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV dar. Dem SVS kommt demgegenüber keine eigenständige Bedeutung im Sinne einer erforderlichen Preisangabe oder Preisposition zu. Er stellt lediglich einen Faktor, jedoch gerade keine zuschlagsrelevante Preisangabe und auch keine Einzelposition dar.
(2) Etwas anderes ergibt sich in der vorliegenden Konstellation auch nicht aus dem Grund, dass der SVS über seine Eigenschaft als Kalkulationsgrundlage für die anzubietende Vergütung hinaus Vergütungsgrundlage für weitere Leistungen gewesen wäre, die nicht Bestandteil der vom Angebot erfassten Leistungen sind und bei Bedarf auf besondere Anforderung durch den Auftraggeber erfolgen sollen (vgl. zu dieser Konstellation VK Bund, Beschluss v. 29.01.2009 - Az.: VK 1 - 180/08). Eine solche Rolle kam den SVS vorliegend nicht zu. Auch für eventuelle zusätzliche Leistungen, die bei Bedarf auf besondere Anforderung durch den Antragsgegner erfolgen sollen, nämlich zusätzlich zu bezahlende Arbeiten wie z.B. Sonderreinigungen gemäß Ziff. 5 S. 2 der Leistungsbeschreibung, ergibt sich aus den Vergabeunterlagen einschließlich des Reinigungsvertrags keine unmittelbare Vergütungsrelevanz des SVS. Dass solche zusätzlichen Leistungen nach Stunden auf Grundlage des SVS abgerechnet werden sollen, ist weder dem Vertrag noch der Leistungsbeschreibung zu entnehmen. Die Abrechnung der vertraglich vereinbarten Leistungen erfolgt demgegenüber bereits ohnehin nicht nach SVS, sondern gem. § 8 Abs. 2 des Vertrags "als Festpreise in Euro pro Quadratmeter". Dies gilt gem. § 8 Abs. 5 des Vertrags auch für den Fall einer auftraggeberseitigen Anpassung der zu reinigenden Flächen und des Reinigungsrhythmus an die betrieblichen Erfordernisse. Soweit der Antragsgegner eine Vergütungsrelevanz des SVS aus der Preisanpassungsklausel des § 9 des Vertrages, nach dem bestimmte Änderungen der Kalkulationsgrundlage des Vertrages für die Lohnkosten "einen Anspruch des Auftragnehmers auf Anpassung des Entgeltes, d.h. des Stundenverrechnungssatzes der Unterhaltsreinigung [begründen]" ableitet, ergibt sich auch hieraus jedoch für den SVS keine unmittelbar vergütungsrelevante Rolle, der über die Eigenschaft eines Faktors zur Kalkulation des wertungsrelevanten Preises hinausgeht.
(3) Aus den dargestellten Gründen stellen erst recht die einzelnen Positionen im Kalkulationsblatt zum SVS keine erforderlichen Preisangaben im Sinne des § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV dar.
bb) Darüber hinaus ist auch deshalb kein Fall einer unzulässigen Mischkalkulation, die einem Fehlen von Preisangaben gleichzusetzen wäre, gegeben, weil dem Angebot der Antragstellerin bereits weder Anhaltspunkte für eine unzulässige Preisverlagerung noch darüber hinaus ein Spekulationspotenzial zu entnehmen sind, das die vom Antragsgegner angenommene fehlerhafte Kosten-/Preisverlagerung begünstigen könnte. So man - entgegen der Auffassung der Kammer - überhaupt hierauf noch abstellen möchte, sind weder in der Höhe der SVS der drei Reinigungsarten noch in den Positionen der "Kalkulationsblätter SVS" auffällig niedrige Ansätze erkennbar, denen andererseits auffällig hohe Ansätze in anderen Positionen gegenüberstünden.
Eine ausschlusswürdige Mischkalkulation ergibt wirtschaftlich für einen Bieter jedoch nur dann einen Sinn, wenn er regulär zu bepreisende Positionen entsprechend abpreist, um so den Preis niedriger zu kalkulieren, als er bei korrekter Bepreisung der betreffenden Positionen wäre, während er Positionen, die nicht regulär anfallen, von denen er aber annimmt, dass sie bei der Vertragsdurchführung oft anfallen werden, entsprechend aufpreist, um darin die anderweitig abgepreisten Leistungen einzukalkulieren. Nur bei einer solchen Sachlage könnte ein entsprechendes Kalkül überhaupt aufgehen (VK Bund, Beschluss vom 2. März 2023 - VK 2 - 10/23).
Das ist vorliegend allerdings nicht der Fall, da zu allen Positionen regulär zu erbringende Leistungen zu bepreisen waren und selbst entsprechenden Nachträgen an den Auftraggeber - z.B. infolge in der Praxis gehäuft auftretender erhöhter Reinigungsaufwände an bestimmten Stellen, die über die festgelegten Ansätze hinausgingen, - gerade regulär geforderte Leistungen gegenüberstünden.
Bezogen auf die von der Antragstellerin im Preisblatt bepreisten Positionen spricht daher nichts dafür, dass die SVS für die drei Reinigungsarten, für die die Antragstellerin jeweils eine gesonderte, ausgefüllte Kalkulationstabelle mit ihrem Angebot eingereicht hat, im Sinne einer Kosten-/Preisverlagerung zwischen diesen - wie der Antragsgegner meint - fehlerhaft kalkuliert sein könnten. Die in allen drei Reinigungsarten für die vorgegebenen Raumgruppen und Quadratmeter bepreisten Leistungen sind gerade regulär geforderte Leistungen. Zwischen den von der Antragstellerin angesetzten SVS je Reinigungsart ist kein eine Preisverlagerung indizierender Abstand erkennbar. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder anderweitig ersichtlich, die dafür sprechen würden, dass die Antragstellerin bei der Kalkulation der SVS darauf spekulierte oder spekulieren konnte, dass gerade bei bestimmten Reinigungsleistungen zusätzlicher Leistungsbedarf entstehen würde. Gleiches gilt für die einzelnen Positionen in den Kalkulationsblättern der SVS, so man diese - entgegen der Auffassung der Kammer - an dieser Stelle überhaupt zur Betrachtung heranzieht. Vor dem Hintergrund, dass der Leistungsumfang in allen drei Reinigungsarten regulär zu erbringen ist, erschließt sich der Kammer bereits im Ansatz nicht das vom Antragsgegner angenommene Spekulationspotenzial einer Kostenverlagerung zwischen den Positionen 2.32 "Sonstige Personalkosten", 3.3 "Maschinen und Geräte" und 5 "Gewinn/Wagnis" der unterschiedlichen SVS. Die Positionen 2.32 und 5 enthalten im Übrigen in den Kalkulationsblättern der Antragstellerin für alle drei Reinigungsarten sogar Ansätze in jeweils gleicher Höhe.
Für Erwägungen, die die Auskömmlichkeit des Angebots betreffen, - wie der Antragsgegner sie in diesem Zusammenhang vornimmt - ist im Übrigen im Rahmen der Prüfung des Ausschlussgrundes gem. § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV kein Raum. Das Erfordernis, alle geforderten Erklärungen abzugeben und insbesondere jeden in der Leistungsbeschreibung vorgesehenen Preise so wie gefordert vollständig mit dem Betrag anzugeben, der für die betreffende Leistung beansprucht wird, dient nicht dem Zweck, unangemessen hohe oder niedrige Angebote aus der Wertung auszuscheiden; vielmehr soll sichergestellt werden, dass die Wirtschaftlichkeit des Angebots im Vergleich zu anderen Angeboten auf transparenter und alle Bieter gleichbehandelnder Grundlage festgestellt wird (BGH, Beschluss v. 18.5.2004 - X ZR 7/04)
d) Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin gem. § 60 Abs. 3 S. 1 durch den Antragsgegner ist rechtswidrig, da bereits die Voraussetzungen für einen Eintritt in die Preisaufklärung gem. § 60 Abs. 1 VgV und ein entsprechendes Aufklärungsverlangen zum Angebot der Antragstellerin nicht vorlagen. Durch das unberechtigte Aufklärungsverlangen ist die Antragstellerin in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 7 GWB verletzt worden.
Gem. § 60 Abs. 1 VgV verlangt der öffentliche Auftraggeber vom Bieter Aufklärung, wenn der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen. Wann letzteres der Fall ist, entscheidet der öffentliche Auftraggeber vor der eigentlichen Aufklärung auf Grundlage eines ihm zukommenden, von den Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.05.2018, VII-Verg 3/18). Der Beurteilungsspielraum ist von den Nachprüfungsinstanzen nur darauf hin überprüfbar, ob der öffentliche Auftraggeber den Sachverhalt vollständig ermittelt, die Entscheidung nachvollziehbar begründet und nicht willkürlich getroffen hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.12.2017, Verg 8/17). Für seine Beurteilung kann er die ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen wie die Angebotssummen anderer Bieter, eine ordnungsgemäß aufgestellte Kostenschätzung und/oder Daten aus früheren Ausschreibungen als Vergleichsmaßstab heranziehen (VK Westfalen, Beschluss vom 24.11.2021, VK 1 - 49/21 m. w. N.).
aa) Die Kammer ist nicht - wie der Antragsgegner meint - an dieser Überprüfung gehindert, weil die Antragstellerin den Eintritt in die Preisprüfung und das Preisaufklärungsverlangen nicht zuvor und rechtzeitig gerügt hätte. Eine entsprechende Rügeobliegenheit der Antragstellerin bestand nicht, weil vorliegend nichts dafür spricht, dass die - während der Preisaufklärung anwaltlich noch nicht vertretene - Antragstellerin den Verstoß vor Einreichen des Nachprüfungsantrags positiv erkannt und eine rechtzeitige Rüge unterlassen hat. Die Voraussetzungen des - allein in Betracht kommenden - § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB liegen damit nicht vor.
bb) Der Antragsteller hat den Eintritt in die Preisaufklärung zum Angebot der Antragstellerin beurteilungsfehlerhaft darauf gestützt, dass zwei der in ihrem Angebot enthaltenen SVS ungewöhnlich niedrig seien, weil sie die vom Auftraggeber intern festgelegte Aufgreifschwelle von "SVS: geringer als 21 EUR" unterschritten. Denn die Festlegung der internen Aufgreifschwelle eines SVS von 21 EUR ist nicht nachvollziehbar begründet und stellt sich damit auch als willkürlich dar (1). Eine nachvollziehbare Begründung ergibt sich weder aus der Vergabedokumentation noch wurde sie im Nachprüfungsverfahren nachgereicht oder nachgeholt. Darüber hinaus verstößt die Festlegung dieser Aufgreifschwelle erst nach Angebotsöffnung auch gegen die Grundsätze der Transparenz und Nichtdiskriminierung (2).
(1) Die Aufgreifschwelle von 21 EUR ist erstmalig im Protokoll vom 10.01.2022 - nach Öffnung der Angebote - dokumentiert. Dort heißt es: "Aus der gewonnenen Marktübersicht werden auch auffällige Abweichungen vom Durchschnitt aller Bieter (bspw. Leistungskennzahlen der Reinigung) geprüft. Es sind einheitliche Prüfschwellen festzulegen, ab wann ein Parameter als auffällig gilt (Leistungskennzahlen: 25 % Abweichung vom Mittelwert, SVS: geringer als 21 EUR". Weitere Erwägungen zur Höhe der Aufgreifschwelle sind der Vergabeakte nicht zu entnehmen.
Im Nachprüfungsverfahren hat der Antragsgegner schriftsätzlich erklärt, eine entsprechende Aufgreifschwelle sei bereits in der Kostenschätzung angelegt gewesen. Für die Kostenschätzung im Vorfeld der Vergabe sei ein SVS von 21,30 EUR angesetzt worden. Diese Annahme gründe auf der langjährigen Erfahrung, dass Anbieter mindestens einen Zuschlag von 70 % auf den Grundlohn kalkulieren müssten, um ein auskömmliches Angebot zu gestalten. Bei einem Grundlohn zum Zeitpunkt der Kostenschätzung von 12,50 EUR/h ergebe das aufgerundet einen SVS von 21,30 EUR. Aus den sodann zur Vergabeakten nachgereichten Berechnungen zur Kostenschätzung ergibt sich zwar, dass der Antragsgegner hierbei einen SVS von 21,30 EUR zugrundegelegt hat. Auch hieraus ist jedoch nicht ersichtlich, wie er diesen Wert der Höhe nach gebildet hat. In der mündlichen Verhandlung hat der Antragsgegner auf Nachfrage mitgeteilt, genauer könne er diese Annahme nicht darlegen. Sie begründe auf seinen langjährigen Erfahrungen. Da die Grundlagen und Erkenntnisquellen dieser Annahme nicht im Mindesten nachvollziehbar begründet sind, stellt sich die Festlegung der Aufgreifschwelle von 21 EUR auch als willkürlich und damit beurteilungsfehlerhaft dar.
(2) Darüber hinaus verstößt die Festlegung einer starren, internen Aufgreifschwelle eines SVS von 21 EUR, die sich nicht an der Angebotsstruktur im konkreten Vergabeverfahren orientiert, gegen das Transparenz- und Nichtdiskriminierungsgebot, wenn sie erst nach Ablauf der Angebotsfrist festgelegt wird. Dürfte ein Auftraggeber erst nach Angebotsabgabe, also in Anbetracht der Angebotssummen anderer Bieter, eine starre Aufgreifschwelle, die sich nicht an der Angebotsstruktur im konkreten Vergabeverfahren orientiert, festlegen, so würde hiermit der Möglichkeit Tür und Tor geöffnet, gezielt Angebote, die im Gefüge der konkreten Angebotsstruktur keine Anhaltspunkte für einen ungewöhnlich niedrigen Preis bieten, durch die nachträgliche Festlegung einer starren Aufgreifschwelle, dennoch einer Preisprüfung zu unterziehen. Nachweisbar wäre dies im Einzelfall nicht. Dass eine intern gebildete Aufgreifschwelle den Bietern nach der Rechtsprechung nicht vorab mitgeteilt werden muss (vgl. VK Bund, Beschluss vom 15.10.2014 - VK 2-83/14), steht dem Erfordernis einer Festlegung und entsprechenden Dokumentation vor Angebotsöffnung nicht entgegen.
cc) Soweit der Antragsgegner sich darüber hinaus darauf beruft, zu einer Preisprüfung berechtigt gewesen zu sein bzw. im Falle einer Zurückversetzung des Vergabeverfahrens durch die Kammer zu sein, weil das Angebot der Antragstellerin zum Angebot der Beigeladenen mit 18,83 % einen erheblichen Preisunterschied aufweise, überschreitet er ebenfalls seinen Beurteilungsspielraum. Denn auch mit diesem Preisunterschied zwischen den Angeboten der Antragstellerin und der Beigeladenen lässt sich die Annahme eines unangemessen niedrigen Angebots auf Seiten der Antragstellerin nicht willkürfrei begründen.
Bezugspunkt für die prozentuale Abweichung ist nach der Rechtsprechung das nächst höhere Angebot. Dieses ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig mit 100 % anzusetzen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Juli 2022 - 11 Verg 4/22 -; OLG Düsseldorf Beschluss v. 30.4.2014 - Verg 41/13). Setzt man das Angebot der Beigeladenen mit 100 % an, ergibt sich ein Preisabstand zur Antragstellerin von unter 16 %.
Bei der Ermittlung der Vergleichsangebote, dürfen Angebote von Bietern, die aufgrund von Ausschlussgründen mit kalkulationserheblicher Bedeutung auszuschließen sind, wie etwa bei einer Änderung der Vergabeunterlagen, nicht berücksichtigt werden (Ziekow/Völlink/Steck, 4. Aufl. 2020, VgV § 60 Rn. 3). Umgekehrt darf der Auftraggeber bei der Ermittlung des Bezugsangebots solche Angebote nicht unberücksichtigt lassen, die lediglich aus Gründen ausgeschlossen wurden, welche sich auf die Seriosität der Preisbildung nicht auswirken. Denn auch diese Angebote spiegeln das aktuelle Preisniveau am Markt wider.
Ließe man diese bei der Betrachtung außer Acht, so würde ein Angebot je nach Stand des Vergabeverfahrens möglicherweise an unterschiedlichen Bezugsangeboten gemessen. Es könnte je nach Bezugsangebot mal unangemessen niedrig und mal nicht erscheinen. Zur Beantwortung der Frage, ob das niedrigere Angebot unangemessen niedrig ist, ist ein solcher Ansatz ungeeignet.
Vorliegend ergibt sich aus der Vergabedokumentation, dass von 15 eingereichten Angeboten, sieben Angebote "unmittelbar" vom Antragsgegner wegen Verstoßes gegen die Angebotslimitierung ausgeschlossen wurden, weil die Bieter Angebote für mehr als drei Lose eingereicht hatten. Nach deren Ausschluss ergibt sich aus der Vergabeakte ein Ranking, in dem das Angebot der Antragstellerin zunächst auf Platz 2 und das Angebot der Beigeladenen auf Platz 4 rangieren. Das in dieser Rangfolge erstplatzierte Angebot hat der Antragsgegner in der Folge wegen wettbewerbswidriger Preisabsprachen ausgeschlossen. Ausweislich der Niederschrift zur Öffnung der Angebote waren allerdings noch zwei weitere wegen Verstoßes gegen die Angebotslimitierung ausgeschlossene Angebote preislich günstiger als das Angebot der Antragstellerin, ein weiteres der wegen Verstoßes gegen die Loslimitierung ausgeschlossenen Angebote lag preislich zwischen den Angeboten der Antragstellerin und der Beigeladenen. Das Angebot der Antragstellerin war insgesamt also "nur" das viertgünstigste Angebot aller eingereichten Angebote, das Angebot der Beigeladenen hingegen das siebtgünstigste.
Die Kammer hat gegenwärtig keine Anhaltspunkte gegen die Seriosität der Preisbildung in den wegen Verstoßes gegen die Loslimitierung ausgeschlossenen Angeboten, welche nicht Bestandteil der vorgelegten Vergabeakte waren. Diese Angebote durften daher bei der Betrachtung der Preisabstände zwischen den eingereichten Angeboten nicht unberücksichtigt bleiben.
Da unter Einbeziehung dieser Angebote das Angebot der Antragstellerin bereits nicht das niedrigste Angebot war, ist ein Preisvergleich des Angebots der Antragstellerin mit dem nächsthöheren nicht ausgeschlossenen Angebot keine geeignete Methode zur Feststellung eines unangemessen niedrigen Preises. Dies muss umso mehr gelten, als der Netto-Angebotspreis der Antragstellerin beinahe deckungsgleich mit dem vom Antragsgegner im Rahmen der Kostenschätzung ermittelten Gesamtpreis ist. Diese Aspekte hat der Antragsgegner unberücksichtigt gelassen. Da zudem der Abstand des Angebots der Antragstellerin zum nächsthöheren Angebot bei dieser Betrachtung jedenfalls unter 5 % liegt, ergab sich allein aus diesem Abstand vorliegend jedenfalls kein Anlass zur Preisaufklärung.
Nichts anderes ergibt sich aus den vom Antragsgegner in seinem nach der mündlichen Verhandlung eingereichten, nicht nachgelassenen Schriftsatz genannten Entscheidungen (VK Bund, Beschluss vom 20.04.2005 - VK 1-23/05; OLG Koblenz, Beschl. v. 23.12.2003 - 1 Verg 8/03; VK Berlin, Urt. v. 27.7.2009 - VK-B1-18/09). Diesen ist lediglich und rechtlich zutreffend zu entnehmen, dass ein Vergleich mit Angeboten, die aus den jeweils entscheidungsrelevanten, normierten zwingenden Gründen ausgeschlossen werden mussten, auch nicht mehr mittelbar wertend zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit eines formal einwandfreien Angebots herangezogen werden durften, weil die Vergabestelle mit der Annahme des Ausschlussgrundes bereits inzident dessen kalkulationserhebliche, auf die Wettbewerbsstellung der Bieter sich auswirkende Bedeutung bejaht habe, so dass sie folgerichtig von der Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den Preisen der ausgeschlossenen Angebote und ihrer Mängel ausgehen müsse. Nicht übertragbar ist dies jedoch auf den im hier streitgegenständlichen Vergabeverfahren vom Auftraggeber selbst festgelegten Ausschlussgrund, der sich aus der festgelegten Angebotslimitierung ergibt. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass jeder im Wettbewerb stehende und ernsthaft am Auftrag interessierte Bieter ein marktorientiertes Angebot abgibt (OLG Koblenz, aaO). Auch dem Beschluss der VK Berlin lag, soweit ersichtlich, keine Angebotslimitierung zugrunde.
dd) Soweit sich der Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren des Weiteren darauf beruft, auch aus dem durchschnittlichen SVS der Angebote für Los 1 ergebe sich eine Aufgreifschwelle jedenfalls von 21,30 EUR, stellt sich eine so gebildete Aufgreifschwelle ebenfalls aus den unter bb) dargestellten Gründen (derzeit) nicht als beurteilungsfehlerfrei dar. Der Antragsgegner hat vorgetragen, seine internen Überlegungen seien in der Annahme, dass die Festlegung einer geringfügig unter dem erwarteten SVS liegenden "glatten" Aufgreifschwelle objektiv angemessen und sachbezogen sei, nicht dokumentiert worden. Ausweislich der Vergabeakte (Bl. 1040) stellt der Wert von 21,30 EUR den (gerundeten) durchschnittlichen SVS von lediglich sieben in der Wertung gebliebenen Angeboten dar. Die in sieben wegen Verstoßes gegen die Angebotslimitierung ausgeschlossenen Angeboten enthaltenen SVS fanden hierbei keine Berücksichtigung. Sie sind überhaupt nicht erst in die tabellarische Aufstellung der SVS eingeflossen und der Kammer auch nicht bekannt, da die vorgelegte Vergabeakte die Angebote der ausgeschlossenen Bieter nicht enthält. Eine am durchschnittlichen SVS der Angebote im Vergabeverfahren orientierte Aufgreifschwelle ist allerdings dann nicht beurteilungsfehlerfrei ermittelt, wenn bei der Bildung des Durchschnitts nicht alle Angebote berücksichtigt werden, die nicht aus kalkulationserheblichen Ausschlussgründen auszuschließen waren. Denn diese Angebote spiegeln in relevanter Weise das aktuelle Preisniveau am Markt wider. Immerhin handelt es sich vorliegend um nahezu die Hälfte der eingereichten Angebote. Allein der Ausschluss wegen Verstoßes gegen die Angebotslimitierung auf drei Angebote stellte die Seriosität der Preisbildung dieser Angebote nicht in Frage.
ee) Soweit der Antragsgegner vorträgt, aufgrund weiterer Indikatoren zu einer Preisprüfung des Angebots der Antragstellerin berechtigt gewesen zu sein, nämlich aufgrund der Kündigung eines früheren öffentlichen Auftrags durch die Antragstellerin aus wirtschaftlichen Gründen, stellt sich auch dies nicht als beurteilungsfehlerfrei dar.
Zwar steht die Wahl eines geeigneten sachgerechten Bezugspunkts für die Annahme eines unangemessen niedrigen Angebots dem Auftragsgeber grundsätzlich frei (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.07.2022 - 11 Verg 4/22). Der zulässige Rahmen wird jedoch hierbei von § 60 Abs. 1 VgV vorgegeben. Anlass zur Aufklärung müssen demnach der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zur erbringenden Leistung sein. Kalkulationsfehler in einem früheren Vergabeverfahren - wenn sie auch eingeräumt wurden - lassen per se keinen Rückschluss auf einen ungewöhnlich niedrigen Preis in einem neuen Vergabeverfahren zu. Ob dies unter bestimmten Umständen im Einzelfall möglich sein könnte, wenn sich aus dem früheren Kalkulationsfehler Rückschlüsse auf die Kalkulation des Bieters im aktuellen Vergabeverfahren ziehen ließen, braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls ist die Annahme des Antragsgegners, dass auch im vorliegenden Vergabeverfahren aufgrund der Vorgaben der Leistungsbeschreibung zur Zwischenreinigung zwingend mit pendelndem Personal hätte kalkuliert werden müssen, gerade vor dem Hintergrund der Vorgaben der Leistungsbeschreibung - wie oben bereits ausgeführt - nicht im Ansatz nachvollziehbar und vermag deshalb nicht beurteilungsfehlerfrei die Annahme eines unangemessen niedrigen Angebotes der Antragstellerin zu begründen.
ff) Nach alledem fehlten die Grundlagen für eine Feststellung gem. § 60 Abs. 3 VgV, dass der von der Antragstellerin gebotene Preis im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung unangemessen niedrig ist. War der Eintritt in eine Preisaufklärung zum Angebot der Antragstellerin nach § 60 Abs. 1 VgV nicht beurteilungsfehlerfrei, kommt es nicht darauf an, ob die Antragstellerin, wenn die Preisaufklärung zulässig gewesen wäre, mit der vom Antragsgegner angenommenen Begründung hätte ausgeschlossen werden können (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6. August 2014 - 15 Verg 7/14). Hierzu sei für die Weiterführung des Vergabeverfahrens auf Folgendes hingewiesen:
Auch das weitere Vorgehen des Antragsgegners im Rahmen der Preisaufklärung stellt sich unter verschiedenen Gesichtspunkten als vergaberechtswidrig dar.
(1) Noch vor Einleitung der Preisprüfung ist eine Feststellung des öffentlichen Auftraggebers erforderlich, dass das Angebot ungewöhnlich niedrig ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Juli 2022 - 11 Verg 4/22). Der Auftraggeber muss zunächst das Angebot anhand der vorliegenden Unterlagen prüfen. Erst und wenn sich das Angebot nicht mit den vorhandenen Unterlagen beurteilen lässt, ist der Bieter zur Aufklärung aufzufordern. Enthält das zu prüfende Angebot bereits - wie vorliegend vom Antragsgegner gefordert - eine ausführliche Kalkulationstabelle zur Zusammensetzung des SVS, aus der sich die Höhe der vom Bieter getätigten Zuschläge bereits entnehmen lässt, liegen die Kalkulationsgrundlagen insofern bereits offen. Bei der Entscheidung der Frage, ob das Angebot ungewöhnlich oder unangemessen niedrig ist, kommt dem öffentlichen Auftraggeber im Rechtssinn kein Beurteilungsspielraum zu (OLG Düsseldorf Beschl. v. 30.4.2014 - VII-Verg 41/13). Die genannten Prüfungskriterien stellen unbestimmte Rechtsbegriffe dar. Unbestimmte Rechtsbegriffe lassen nur eine richtige Deutung zu, unter die der Sachverhalt zu subsumieren ist (OLG Düsseldorf, aaO).
Es fehlt bereits an einer begründeten Feststellung, dass es sich um ein ungewöhnlich niedriges Angebot handelt, die pauschale Annahme des Antragsgegners im Aufklärungsschreiben, ein Aufschlag in der von der Antragstellerin vorgenommenen prozentualen Höhe auf die Lohnkosten sei ungewöhnlich niedrig, genügte den Anforderungen an die Feststellung eines ungewöhnlich niedrigen Angebots insoweit nicht. Denn es ist weder im Aufklärungsschreiben noch in der Vergabeakte nachvollziehbar begründet worden, dass die Unterschreitung eines bestimmten prozentualen Aufschlagswerts ungewöhnlich niedrig ist. Auch die erst im Nachprüfungsverfahren vorgetragene Annahme, dass ein auskömmlicher SVS einen Aufschlag von 70 % auf die Lohnkosten voraussetze, hat der Antragsgegner in keiner Weise substantiiert, so dass diese keine tragfähige Grundlage für die Feststellung eines Unterkostenangebots darstellen konnte.
Gleiches gilt in Bezug auf die Annahme des Antragsgegners, dass bestimmte prozentuale Aufschläge in den Positionen der Kalkulationstabelle SVS, etwa für die lohngebundenen Kosten insgesamt oder für die Positionen 2.32 "Sonstige Personalkosten", 3.3 "Maschinen und Geräte" und 5 "Gewinn/Wagnis" aufgrund ihrer Höhe im Einzelnen ungewöhnlich niedrig seien. Auch für diese Annahme fehlt jegliche nachvollziehbare Grundlage. Demgegenüber kann es bei der Betrachtung der Zuschlagshöhe für die lohngebundenen Kosten und die Position 2.32 insofern auch nicht unberücksichtigt bleiben, wenn in anderen Angeboten Zuschläge in vergleichbarer Höhe oder sogar darunter liegend in denselben Positionen angesetzt werden und diese Angebote die Schwelle eines ungewöhnlich niedrigen Angebots nicht unterschreiten. Denn dies spricht grundsätzlich zunächst dagegen, dass die entsprechenden Positionen überhaupt geeignet sein könnten, einen ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis zu erklären, oder aber an sich bereits ungewöhnlich niedrig wären.
(2) Auch nach Durchführung der Preisaufklärung darf der öffentliche Auftraggeber ein Angebot nur auf feststehender, tatsächlich gesicherter Tatsachengrundlage ausschließen, insbesondere müssen die Zweifel an der Auskömmlichkeit des Angebots plausibel sein und auf einer tragfähigen Grundlage beruhen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6. August 2014 - 15 Verg 7/14). Den Erwägungen des Auftraggebers muss sich dem entsprechend mit der gebotenen Gewissheit entnehmen lassen, dass der angebotene Preis nicht die Kosten deckt. Dem genügt es nicht, wenn der Auftraggeber zu zahlreichen Einzelpositionen nur eine eigene Kalkulation gegen die des Bieters setzt, ohne dass nachvollziehbar wird, dass er die Grenze der Auskömmlichkeit berechnet hat (OLG Karlsruhe, aaO).
Da es vorliegend bereits an einer vor der Preisaufklärung liegenden, erforderlichen Feststellung zum ungewöhnlich niedrigen Angebot bzw. Angebotsteilen fehlte, konnten zwangsläufig - und ungeachtet der Ausführungen der Antragstellerin - auch die Zweifel an der Auskömmlichkeit des Angebots bereits nicht auf einer tragfähigen Grundlage beruhen.
Im Übrigen durfte mit Blick auf die vom Antragsgegner im Rahmen der Preisaufklärung herausgegriffene Zuschlagshöhe für die lohngebundenen Kosten - besonders vor dem Hintergrund, dass bei Reinigungsdienstleistungen die Personalkosten der entscheidende Faktor für den Gesamtpreis sind (VK Bund, Beschluss vom 07.06.2022 - VK 2-40/22) - eine Auseinandersetzung mit den Erläuterungen der Antragstellerin zur Höhe des Zuschlags für lohngebundene Kosten bei der Prüfung der Auskömmlichkeit des Angebots nicht gänzlich unterbleiben.
(3) Nicht zuletzt muss sich die Bewertung des Antragsgegners, dass die Aufklärung nicht zu einer zufriedenstellenden Erläuterung des Angebotspreises geführt hat, im Rahmen des dem Antragsgegner eingeräumten Beurteilungsspielraums halten (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Juli 2022 - 11 Verg 4/22 -, Rn. 81 - 97; OLG Düsseldorf Beschl. v. 30.4.2014 - VII-Verg 41/13; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6. August 2014 - 15 Verg 7/14). Wenn auf gesicherter Grundlage feststeht, dass ein Unterkostenangebot vorliegt, muss vom öffentlichen Auftraggeber eine Prognoseentscheidung getroffen werden, ob trotz des niedrigen Angebotspreises eine ordnungs- und vertragsgemäße Leistungserbringung zu erwarten ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Juli 2022 - 11 Verg 4/22 -). Hierbei hat der öffentliche Auftraggeber eine Preisprüfung im Rechtssinn vorzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf Beschl. v. 30.4.2014 - VII-Verg 41/13). Diese muss sich auf den Gesamtpreis und die Einzelpreise des Angebots, die Auskömmlichkeit der Preise und den Gewinn der Bieterin beziehen (OLG Düsseldorf, aaO). Zu prüfen ist, ob die Gefahr besteht, dass der Bieter versucht ist, den Auftrag aufgrund des niedrigen Preises so unaufwändig wie möglich und damit auch nicht vertragsgerecht zu erfüllen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Juli 2022 - 11 Verg 4/22). Die Feststellung unterliegt dabei der wertenden Entscheidung des Auftraggebers (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Juli 2022 - 11 Verg 4/22 -). Hierbei ist auch das Verhältnis der ggf. ungedeckten Kosten etwa zum Gesamtumsatz des Bieters zu berücksichtigen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6. August 2014 - 15 Verg 7/14). Die Prognoseentscheidung des Auftraggebers ist nur eingeschränkt überprüfbar. (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.07.2022 - 11 Verg 4/22; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.04.2014 - VII-Verg 41/13; VK Sachsen, Beschluss vom 25.05.2022 - 1/SVK/005-22).
Da der Antragsgegner im bisherigen Verfahren überhaupt keine Prognoseentscheidung vorgenommen hat, leidet die Ausschlussentscheidung gem. § 60 VgV auch insoweit an einem Vergaberechtsfehler. Im Vermerk vom 25.01.2022 hat der Antragsgegner sich auf eine Überprüfung der Ausführungen der Antragstellerin zu den Positionen 2.32 "Sonstige Personalkosten", 3.3 "Maschinen und Geräte" und "Gewinn/Wagnis" beschränkt. Im Nichtabhilfeschreiben hat er sich ebenfalls lediglich mit den Angaben der Antragstellerin zu den genannten Einzelpositionen der Kalkulation SVS auseinandergesetzt und dies unter dem Blickwinkel fehlender Preisangaben. Soweit der Antragsgegner die Auskömmlichkeitsprüfung im Nichtabhilfeschreiben noch einmal aufgreift, hat er lediglich hierzu ausgeführt: "Jedoch ist im Zweifelsfall auch ein Ausschluss spätestens auf der dritten Wertungsstufe wegen der fehlenden Auskömmlichkeit zwingend". Auch den schriftsätzlichen Ausführungen des Antragsgegners ist eine erforderliche Prognoseentscheidung nicht zu entnehmen. Unabhängig davon, dass das (gebundene) Ermessen gem. § 60 Abs. 3 Satz 1 VgV erst im Anschluss an die erforderliche Prognoseentscheidung auszuüben ist, kann auch dem Vortrag, der Ausschluss des Angebots sei wegen der fehlenden Auskömmlichkeit zwingend gewesen, vor dem Hintergrund der fehlenden Prognoseentscheidung nicht gefolgt werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
Nach § 182 Abs. 3 S. 1 GWB hat der Antragsgegner als unterliegender Beteiligter die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) zu tragen. Da die Beigeladene sich nicht aktiv durch eigene Anträge, Schriftsätze oder Erklärungen in das Nachprüfungsverfahren eingebracht hat, ist die Beigeladene an der Kostentragung nicht zu beteiligen.
Eine Festsetzung der Verfahrensgebühr kann vorliegend unterbleiben, da der Antragsgegner nach § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 VwKostG ohnehin von der Zahlung der Gebühr befreit ist.
Nach § 182 Abs. 4 S. 1 GWB hat der Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen.
Nach § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, 3 S. 2 VwVfG war auf den entsprechenden Antrag der Antragstellerin hin auch über die Notwendigkeit der Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten zu entscheiden. Ob die Hinzuziehung einer anwaltlichen Vertretung im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig ist, kann nicht schematisch, sondern stets nur auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalles entschieden werden (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - X ZB 14/06, NZBau 2006, 800, 806; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30. März 2010 - 11 Verg 3/10, ZfBR 2013, 517). Entscheidend ist dabei, ob die Antragstellerin unter den konkreten Umständen des Falls selbst in der Lage gewesen wäre, auf Grund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen, hieraus die für eine sinnvolle Rechtsverfolgung nötigen Schlüsse zu ziehen und entsprechend gegenüber der Vergabekammer vorzutragen (vgl. schon VK Berlin, Beschl. v. 26.08.2014 - VK - B 1 - 10/14 m.w.N.). Danach ist vorliegend die Hinzuziehung notwendig gewesen. Das ergibt sich bereits aus den streitgegenständlichen, teilweise schwierigen Rechtsfragen des materiellen Vergaberechts, insbesondere zur Eignungsprüfung, zum Ausschlussgrund wegen fehlender Preisangaben und zur Preisprüfung. Zudem erscheint hier auch unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit eine anwaltliche Vertretung der Antragstellerin opportun (zu diesem Aspekt vgl. auch VK Niedersachsen, Beschluss vom 5. September 2017 - VgK-26/2017, BeckRS 2017, 126982; VK Bund, Beschluss vom 31. Juli 2017 - VK 2 - 68/17, BeckRS 2017, 130187).
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