VK Saarland
Beschluss
vom 18.11.2024
3 VK 03/2024
1. Eine Änderung der Vergabeunterlagen ist dann anzunehmen, wenn der Bieter etwas Anderes anbietet, als der Auftraggeber im Rahmen seines Leistungsbestimmungsrechts verlangt und das Angebot dem vom Auftraggeber nachgefragten Gegenstand nicht entspricht.*)
2. Schreibt ein Auftraggeber eine Stahl-Modulbauweise aus, stellt ein angebotenes Bausystem aus Stahlbetonfertigteilen aufgrund des Verbunds der Werkstoffe von Beton und Stahl auch bei einer integrierten Stahlkonstruktion keine Stahl-Modulbauweise dar, sondern ist als ein Aliud zu klassifizieren.*)
VK Saarland, Beschluss vom 18.11.2024 - 3 VK 03/2024
Tenor:
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten für Amtshandlungen der Vergabekammer werden der Antragstellerin auferlegt.
3. Die Gebühr für Amtshandlungen der Vergabekammer beträgt ... Euro; Auslagen sind nicht angefallen.
4. Die notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung im Verfahren vor der Vergabekammer werden der Antragstellerin auferlegt.
5. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene zu 2) wird für notwendig erklärt.
Gründe:
I.
Gegenstand des Vergabenachprüfungsverfahrens 3 VK 03/2024 ist die Vergabe eines Auftrags für die schlüsselfertige Errichtung (Neubau) eines Kindergartens mit acht Krippengruppen in Modulbauweise. Die Ausschreibung des Auftrags erfolgte am 24.04.2024 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) im offenen Verfahren (Veröffentlichungsnummer: xx - Nummer der Ausgabe: xx).
Für die Wertung der Angebote ist in den Bekanntmachungs- und Vergabeunterlagen der Preis als einziges Zuschlagskriterien angegeben.
Die Bekanntmachung enthält außerdem folgende Formulierung zur Beschreibung des Auftrags:
Die schlüsselfertige Errichtung eines Kindergartens für 8 Krippengruppen als dauerhaftes Modulgebäude, mit hohem Vorfertigungsgrad, in Stahlbauweise gemäß der beiliegenden Baugenehmigung durch den AN (...)
Die Bekanntmachung enthält auch einen speziellen Link zu "Deutsches Vergabeportal" (dtpv.de), unter dem die weiteren Auftragsunterlagen zum Download zur Verfügung gestellt wurden.
In den Auftragsunterlagen hatte die Antragsgegnerin an mehreren Stellen eine Beschreibung des angebotenen Systems mit Angebotsabgabe gefordert und ausgeführt, dass das angebotene System Vertragsbestandteil werde und eine Nichtvorlage zum Ausschluss führe.
Des Weiteren enthalten die Vergabeunterlagen an verschiedenen Stellen der Leistungsbeschreibung Angaben dazu, wie der Ausbau zu erfolgen habe (Auszüge):
Der Ausbau hat nach den "Grundlagen der Leistungsbeschreibung" zu erfolgen.
Grundlagen der Leistungsbeschreibung: Das Raumprogramm für Kindertageseinrichtungen des Ministeriums für Bildung und Kultur des Saarlandes, Stand März 2018; es gelten die "anerkannten Regeln der Technik"
Die Herstellung der Raummodule hat in der eigenen Produktionsstätte des AN zu erfolgen.
Innenwände und Außenwände innen: Trockenbau, 2-lagige Beplankung, Gesamtstärke und Aufbau gemäß dem angebotenen System und Anforderungen. Die Innenwände und Außenwände innen sind grundsätzlich so auszuführen, dass eine Befestigung in allen Bereichen möglich ist. Befestigung in die Beplankung... Montagewände in Ständerbauweise (Höhe < 5 m) mit beidseitiger Beplankung aus Gipskarton-Feuerschutzplatten
Innenwand: Montagewand mit Malervlies, weiß gestrichen, Außenwand innen: Montagewand mit Malervlies, weiß gestrichen
Innenwand: Montagewand mit Wandfliesen, ansonsten Malervlies, weiß gestrichen, in diesem Bereich geeignet zur Montage von Regalen und großen Haken bis 0, 7 kN/m Wandlänge
Mit dem Angebot ist das angebotene System zu beschreiben. Die Bauteilaufbauten der raumabschließenden Bauteile sind als Zeichnungen und in Schriftform darzustellen
Die Vergabeunterlagen umfassen auch die Baugenehmigung vom 24.01.2024. Die Baugenehmigung wurde für einen Neubau eines Kindergartens mit acht Krippengruppen in "Modulbauweise" erteilt; für tragende Wände, Pfeiler, Stützen und Unterzüge ist dort "Stah-lModulbau" mit bestimmten Anforderungen an Dicke der Wände und Brandschutz vorgesehen (Bauschein, Beschreibung der baulichen Anlage, Blatt 204 d. A.). Die Planzeichnung sieht eine Stahlskelettkonstruktion vor.
Nebenangebote waren nicht zugelassen.
Die Antragstellerin und die beiden Beigeladenen beteiligten sich - neben zwei weiteren Bietern - mit Angeboten am Verfahren.
Die Antragstellerin bot dabei ein System an, das auf Stahlbetonfertigelementen beruht. Sie bewirbt ihr System damit, dass "modulare und standardisierte Bauelemente es ermöglichen, besonders schnell und wirtschaftlich zu bauen". Dabei werden die Elemente aus Stahlbeton in ihren eigenen Werken vorgefertigt und auf der Baustelle montiert. Innenwände werden in Trockenbauweise hergestellt. Nach ihrem Angebot sollten Gipskarton-Trennwände als Raumtrennwände und Installationswände sowie Installations-Vorsatzschalen zum Einsatz kommen. Die Ausführung der nicht-tragenden Innenwände sollte mit beidseitiger doppelter Beplankung einschließlich aller Wand- und Bodenanschlüsse sowie der nötigen Wandverstärkungen erfolgen.
Nach Abschluss der Angebotsprüfung und -wertung entschied sich die Antragsgegnerin (zunächst), den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1) zu erteilen.
Mit Informationsschreiben nach § 134 GWB vom 28.06.2024 wurde die Antragstellerin über ihre Nichtberücksichtigung und die vorgesehene Zuschlagserteilung an die Beigeladene zu 1) informiert. Als Grund für die Nichtberücksichtigung wurde angegeben, dass das Angebot der Antragstellerin von der Wertung ausgeschlossen worden sei, da es unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen enthielte. Das von ihr angebotene System beschreibe Stahlbetonfertigelemente. Dies entspreche nicht der geforderten Konstruktion in raumbildender Stahlmodulbauweise mit raumabschließender Füllung in Trockenbaukonstruktion.
Mit Schreiben vom 02.07.2024 an die Antragsgegnerin rügte die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebots als vergaberechtlich weder erforderlich noch zulässig. Die von ihr angebotenen Stahlbetonfertigelemente widersprächen in keiner Weise der geforderten Konstruktion in raumbildender Stahlmodulbauweise; die angebotene Konstruktion stelle statisch eine Stahl-Skelettbauweise dar. Die dazwischenliegenden Beton-Füllplatten hätten keine tragende Funktion.
Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 04.07.2024 mit, dass sie an ihrer Entscheidung zum Ausschluss ihres Angebots festhalten wolle.
Die Antragstellerin hakte mit - nun erstmals anwaltlichem - Schreiben vom 05.07.2024 noch einmal nach und ergänzte ihre Rüge.
Noch am gleichen Tage (05.07.2024) beantragte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schreiben die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens sowie u. a., der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1) zu erteilen und den Ausschluss ihres eigenen Angebotes rückgängig zu machen. Außerdem beantragte sie Einsicht in die Vergabeakten.
Die erkennende Vergabekammer leitete nach Prüfung des Antrags am 08.07.2024 ein Nachprüfungsverfahren durch Übermittlung der Antragsschrift an die Antragsgegnerin ein und forderte die Vergabeakten an.
Die Antragsgegnerin übermittelte die Vergabeakten inklusive einer explizit für die beteiligten Bieter geschwärzten Akte, bezog mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11.07.2024 zum Nachprüfungsantrag Stellung und beantragte die Zurückweisung des Antrags wegen offensichtlicher Unbegründetheit.
Außerdem teilte die Antragsgegnerin mit, dass aus ihrer Sicht neben der Zuschlagsprätendentin, der Beigeladenen zu 1), auch die nächstplatzierte Bieterin - die Beigeladene zu 2) - beizuladen sei, da die Antragsgegnerin aufgrund einer Rüge auf einen möglichen Vergabeverstoß aufmerksam gemacht worden sei, der vermutlich zu einem Ausschluss der Zuschlagsprätendentin führe, so dass der Zuschlag dann auf das Angebot der Beigeladenen zu 2) zu erfolgen habe.
Es folgten weitere Schriftsätze der Antragstellerin und der Antragsgegnerin.
Mit Verfügungen der Vergabekammer vom 25.07.2024 wurden die beiden erstplatzierten Bieterinnen zum Nachprüfungsverfahren beigeladen.
Beide Beigeladenen haben zum Nachprüfungsantrag Stellung genommen, die Beigeladene zu 2) wurde dabei anwaltlich vertreten und beantragte, den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Allen Beteiligten wurde durch Übermittlung des Exemplars der Vergabeakten, das durch die Antragsgegnerin von den Geheimnissen im Sinne des § 165 Abs. 2 und Abs. 3 GWB befreit worden war, Akteneinsicht gewährt.
In der mündlichen Verhandlung am 13.08.2024 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Alle Beteiligten waren dort vertreten und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Es wurden alle aus Sicht der Vergabekammer verfahrensrelevanten Gesichtspunkte angesprochen.
Die Antragstellerin sowie die Beigeladene zu 1) reichten im Anschluss an die mündliche Verhandlung noch weitere - nicht nachgelassene - Schriftsätze ein, die durch die Kammer an die Beteiligten weitergeleitet wurden unter Hinweis auf die §§ 166 und 167 GWB und mit dem Vermerk, dass nicht nachgelassene Schriftsätze nicht mehr berücksichtigt werden müssten und ein erst nach der mündlichen Verhandlung erfolgter Vortrag einen Verstoß gegen die Verfahrensförderungspflicht darstellen könne.
Zweifel an der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags wurden durch die Beteiligten nicht vorgetragen.
Die Antragstellerin ist zudem der Auffassung, der Nachprüfungsantrag sei auch begründet.
Ihr Angebot erfülle die geforderten Kriterien der Ausschreibung. Die Antragsgegnerin habe ein Modulgebäude in Stahlbauweise gefordert. Wie die Zwischenräume zwischen dem Stahlskelett auszufüllen seien - mit Montagewänden, Betonfertigteilen oder anderen Materialien - sei den Bietern nach dem Wortlaut der Bekanntmachung freigestellt gewesen. Anforderungen an die Zwischenwände zwischen den raumbildenden Stahlmodulen habe die Antragsgegnerin - abgesehen von der doppelten Beplankung mit Trockenbau innen - nicht gestellt. Sie könne nunmehr nicht im Nachhinein ein Angebot ausschließen, welches keine Mineralfaserdämmstoffschicht, sondern eine Stahlbetonschicht als Außenwand vorsehe.
Nach herrschender Rechtsprechung sei auf die Formulierung der Bekanntmachung abzustellen. Dort sei lediglich eine Modulbauweise gefordert, die mit verschiedenen Konstruktionsweisen, u. a. auch der durch die Antragstellerin angebotenen, realisiert werden könne. Weitere Details seien in der Bekanntmachung nicht enthalten. Die Bekanntmachung eröffne daher auch die Möglichkeit, dass die Antragstellerin ihr System zur Baustelle liefere und dort zusätzlich beplanke.
Die von der Antragstellerin angebotenen Betonfertigelemente hätten auch keine lastabtragende Funktion. Die Lasten würden durch die darin integrierten Stahlstützen abgetragen. Damit liege keine Abweichung zur Ausschreibung vor.
Die Bekanntmachung sei weit gefasst. Bieter müssten sich anhand der Bekanntmachung verlässlich für oder gegen eine Angebotsabgabe entscheiden können. Zweifel am Verständnis der Bekanntmachung ließen deren Formulierungen aus Sicht der Antragstellerin nicht zu.
Sollten dennoch welche aufkommen, gingen diese zu Lasten der ausschreibenden Stelle.
Die Antragstellerin habe sich mit der Beschreibung ihres Standardsystems an die Anforderungen der Ausschreibung gehalten. Das Leistungsverzeichnis sei komplett angeboten worden. Eine Abweichung liege hier nicht vor. Der Trockenausbau erfolge zwar erst auf der Baustelle, das sei von der Bekanntmachung allerdings abgedeckt. Es sei kein Vorfertigungsgrad von 100% vorgegeben gewesen.
Die Antragstellerin beantragt,
- der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag in dem Vergabeverfahren an die Beigeladene zu 1) zu erteilen,
- den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin rückgängig zu machen und das Angebot der Antragstellerin in die Wertung aufzunehmen,
- der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und
- die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten aufseiten der Antragstellerin für erforderlich zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
- den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, der Nachprüfungsantrag sei unbegründet.
Sie habe an etlichen Stellen der Leistungsbeschreibung klargestellt, wie der Ausbau zu erfolgen habe und die genauen Anforderungen an den Ausbau erläutert. Sie habe konkret eine raumbildende Stahlmodulbauweise mit raumabschließender Füllung in Trockenbaukonstruktion gefordert. Es seien eindeutig Montagewände ausgeschrieben gewesen. Damit sei auch der erwartete Vorfertigungsgrad beschrieben worden. Zur Standardausführung einer Montagewand zähle auch eine Mineralfaserdämmstoffschicht. Diese Regelausführung entspreche den derzeit allgemein anerkannten Regeln der Technik. Beton oder Stahlbeton finde sich an keiner für die Wände einschlägigen Stelle der Leistungsbeschreibung und komme daher als Abweichung von der Standardausführung auch nicht in Betracht.
Die geforderte Bauweise sei durch den Verweis auf die Baugenehmigung auch bereits in der Bekanntmachung angelegt gewesen und durch die Leistungsbeschreibung konkretisiert worden.
Das durch die Antragstellerin angebotene System sei demgegenüber gemäß § 16 EU Nr. 2 i. V. m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A wegen unzulässiger Änderungen an den Vergabeunterlagen auszuschließen gewesen. Bei ihrem System handele es sich um ein Verbundsystem aus Beton und Stahlprofilen. Die Außenwandelemente bildeten nicht nur den äußeren Raumabschluss, sondern dienten auch der Lastabtragung und erfüllten damit insgesamt eine statische Funktion. Eine solche Konstruktion habe die Antragsgegnerin nicht ausgeschrieben.
Die Beigeladene zu 1) ist ebenfalls der Auffassung, der Nachprüfungsantrag sei unbegründet.
Die ausgeschriebene Stahlmodulbauweise sei von anderen Formen der Modulbauweise, nämlich der Holzmodulbauweise, der Stahlbetonmodulbauweise und der Hybridmodulbauweise zu unterscheiden, sowohl hinsichtlich des verwendeten Baustoffs als auch im Hinblick auf die Ausführungsart des Baus vor Ort auf der Baustelle. Die raumbildenden Elemente seien laut Ausschreibung zur Baustelle zu liefern und dürften nicht erst auf der Baustelle zusammengesetzt werden.
Die Antragstellerin habe im Rahmen ihres Angebots eine Stahlbetonbauweise zu Grunde gelegt, die nicht ausgeschrieben gewesen sei, der Ausschluss sei daher rechtmäßig erfolgt.
Die Beigeladene zu 1) beantragt
- Kostenerstattung durch die Antragstellerin.
Die Beigeladene zu 2) schließt sich den Ausführungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) an. Im vorliegenden Vergabeverfahren sei Raummodulbau ausgeschrieben. Es handele sich dabei um einen vollkommen anderen Fertigungsprozess, als er von der Antragstellerin durchgeführt werde. Sie weist ergänzend auf das Leistungsverzeichnis hin, wonach die Herstellung der Raummodule in der eigenen Produktionsstätte des Auftragnehmers zu erfolgen habe. Dies sei beim Angebot der Antragstellerin nicht der Fall. Des Weiteren sei laut Leistungsverzeichnis mit dem Angebot auch das angebotene System zu beschreiben, also eine explizite Bezugnahme auf das konkrete Bauvorhaben gefordert gewesen. Dem sei die Antragstellerin mit ihrem Angebot nicht nachgekommen. Das Angebot der Antragstellerin sei wegen Abweichungen der Vergabeunterlagen daher vom Vergabeverfahren auszuschließen.
Daneben führe die Antragstellerin nicht das geforderte und bereits mit der Abgabe des Angebots nachzuweisende RAL-Gütezeichen 613 (Gütezeichen Stahlsystembauweise), was ebenfalls zum Ausschluss führe.
Schließlich sei die Antragstellerin auch mangels Eignung vom Verfahren auszuschließen, da sie keine drei in Art und Größe vergleichbaren Referenzen in Modulbauweise mit dem Angebot eingereicht habe.
Die Beigeladene zu 2) beantragt
- den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 05.07.2024 zurückzuweisen,
- der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen aufzuerlegen,
- die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen zu 2) für notwendig zu erklären.
Die Frist des § 167 Abs. 1 Satz 1 GWB wurde nach § 167 Abs. 1 Satz 2 GWB wegen tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten mehrmals, zuletzt auf den 19.11.2024, verlängert.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen sowie der Einzelheiten der mündlichen Verhandlung wird auf die in den Akten des Vergabenachprüfungsverfahrens befindliche und den Beteiligten gegen Empfangsbekenntnis zugesandte Niederschrift, die Schriftsätze der Beteiligten und der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten ergänzend Bezug genommen.
II.
1. Richtiger Antragsgegner ist die ..., die sich im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung über die gemeinsame Errichtung und Nutzung einer Zentralen Vergabestelle vom 07.09.2023 (Amtsbl. II, S. 635) auf der Rechtsgrundlage des saarländischen Kommunalselbstverwaltungsgesetzes und dem Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit zulässigerweise der Zentralen Vergabestelle beim Landkreis ... für die Durchführung des Vergabeverfahrens bedient.
Nach den Regelungen in § 120 Abs. 4 GWB in Umsetzung der Artikel 37, 38 der RL 2014/24/EU ist der Zusammenschluss öffentlicher Auftraggeber zu einer gemeinsamen Vergabestelle, die selbst Auftraggeber wird, insgesamt zulässig.
vgl. Burgi/Dreher/Opitz/Dörr, 4. Aufl. 2022, GWB § 98 Rn. 25-30; MüKoEuWettbR/Fett, 4. Aufl. 2022, GWB § 120 Rn. 18, beck-online; siehe auch BT-Drs.18/6281, S. 99
Im vorliegenden Fall wird die Zentrale Vergabestelle des Landkreises ... - anders als im Fall des § 120 Abs. 4 Satz 1 GWB - selbst nicht Auftraggeber. Vielmehr werden im Rahmen der o. g. öffentlich-rechtlichen Vereinbarung die Modalitäten der Kooperation der Gemeinden bei der Vergabe öffentlicher Aufträge festgelegt. Es handelt sich insoweit um eine Mandatierung aufgrund des § 17 KGG zur Erfüllung der obliegenden öffentlichen Aufgaben im Rahmen der kommunalen Zusammenarbeit. Aus dem Gesamtbild der Regelungen in der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung, insbesondere deren § 2 ergibt sich ausdrücklich, dass die Auftraggeber als "Bedarfsträger" selbst Auftraggeber bleiben, auch wenn die Vergabestelle das Verfahren weitgehend selbständig abwickelt. Der Verwaltungszusammenarbeit liegt aber auch kein Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 120 Abs. 4 Satz 3-4 GWB zugrunde, sondern die Zentrale Vergabestelle wird nach Rechtsnatur und der konkreten Ausgestaltung der kommunalen Zusammenarbeitsvereinbarung auf der Seite der Gemeinde quasi als deren verlängerter Arm tätig, was de maiore ad minus auch entsprechend § 120 Abs. 4 Satz 4 GWB keinen Bedenken begegnet.
2. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
Die ... ist als Gebietskörperschaft öffentliche Auftraggeberin nach § 99 Nummer 1 GWB. Bei dem streitgegenständlichen Auftrag zur Errichtung eines Kindergartens handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne § 103 Abs. 1 GWB. Der geschätzte Auftragswert überschreitet den Schwellenwert öffentlicher Aufträge gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Die Zuständigkeit der 3. Vergabekammer des Saarlandes ergibt sich aus § 156 Abs. 1 GWB, § 159 Abs. 3 GWB i. V. m. § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Regelung der Nachprüfungsverfahren der Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen im Sinne von § 106 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 31.08.2018 (Amtsbl. I 2018, S. 644).
Die Antragstellerin ist im Sinne des §§ 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, denn sie hat ihr Interesse an der Ausschreibung durch die Teilnahme belegt und macht eine Verletzung ihrer Rechte aus § 97 Abs. 6 GWB sowie einen daraus resultierenden drohenden Schaden geltend.
Der Zulässigkeit des Antrags stehen auch keine anderen Gründe entgegen. Insbesondere hat sie rechtzeitig im Sinne des § 160 Abs. 3 GWB gegenüber der Antragsgegnerin ihren Ausschluss gerügt.
Der Nachprüfungsantrag ist in der Frist des § 160 Absatz 3 Nummer 4 GWB erhoben worden. § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB steht nicht entgegen.
3. In der Sache hat der Nachprüfungsantrag keinen Erfolg.
Das Angebot der Antragstellerin wurde zu recht ausgeschlossen, da es unzulässige Änderungen an den Vergabeunterlagen enthält.
3.1. Änderungen der Vergabeunterlagen
Nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A sind Angebote, die den Bestimmungen nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 VOB/A nicht entsprechen, auszuschließen. § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A besagt, dass das Angebot auf der Grundlage der Vergabeunterlagen zu erstellen ist und Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig sind. Dabei muss der Bieter
"...das anbieten, was der Auftraggeber ausgeschrieben hat und darf nicht durch Anpassung der Ausschreibungsunterlagen etwas Anderes anbieten als verlangt. Das Verbot einer Änderung der Vergabe - bzw. Vertragsunterlagen dient insbesondere der Vergleichbarkeit der Angebote und damit einem fairen Wettbewerb."
Jagenburg/Baldringer/Haupt, Praxiskommentar VOB § 13 VOB/A, Rn. 23
Eine Änderung der Vergabeunterlagen ist dann anzunehmen, wenn der Bieter etwas Anderes anbietet, als der Auftraggeber im Rahmen seines Leistungsbestimmungsrechts verlangt und das Angebot dem vom Auftraggeber nachgefragten Gegenstand nicht entspricht. Teilweise wird ein manipulativer Eingriff durch Streichungen, Einfügen o. ä. vorausgesetzt.
Eine Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn der Bieter manipulativ in sie eingreift, indem er ein von den Vorgaben abweichendes Angebot macht, das bei einem Wegdenken der Abweichungen unvollständig bleibt.
OLG Schleswig, Beschluss v. 28.03.2024 - 54 Verg 2/23, Vergaberecht 2024, S. 447, 455
Unter Berücksichtigung des Leistungsbestimmungsrechts und der Wettbewerbsgewährleistung, die die Vergleichbarkeit der Angebote voraussetzt, ist der Begriff der Änderung der Vergabeunterlagen jedoch weit zu verstehen und jede Abweichung von den Vorgaben der Vergabeunterlagen als Änderung anzusehen.
(Ziekow/Völlink/Herrmann, 5. Aufl. 2024, VgV § 57 Rn. 35, beck-online)
Dabei muss die Änderung sich nicht zwingend daraus ergeben, dass in den Vergabeunterlagen Änderungen vorgenommen werden, sondern sie kann sich auch daraus ergeben, dass das Angebot den Ausschreibungsgegenstand inhaltlich - abweichend vom geforderten Auftragsgegenstand - modifiziert. Eine nachträgliche Korrektur, auch im Zusammenhang mit Aufklärung des Angebots ist nicht möglich, da es sich insoweit um unzulässige Nachverhandlungen bzw. Änderungen des Angebots handeln würde.
So etwa Haupt in Jagenburg/Baldringer/Haupt, Praxiskommentar VOB § 13 VOB/A, Rn. 27, 32;
BeckOK VergabeR/Manzke, 32. Ed. 1.5.2024, VOB/A § 13EU Rn. 25
OLG Schleswig vom 06.07.2022 - 54 Verg 5/22, VergaberR 2023, S. 562, BKartA Beschluss vom 04.03.2024 - VK 1 - 16/24, BeckRS 2024, 9165 Rn. 39, beckonline
Für die Bewertung kommt es darauf an, ob unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB die Ausschreibungs- bzw. Vergabeunterlagen und das eingereichte Angebot übereinstimmen. Dabei sind sowohl Vergabeunterlagen wie auch Angebotsunterlagen bei Unklarheiten auszulegen.
Dem Vergleich zwischen Angebot und Vergabeunterlagen ist nicht allein die Auftragsbekanntmachung, sondern es sind die ausdrücklich in der Bekanntmachung in Bezug genommene und in den Vergabeunterlagen enthaltene Baugenehmigung sowie die funktionale Leistungsbeschreibung zugrunde zu legen, die den Auftragsgegenstand im Rahmen des § 121 GWB konkretisiert. Für das Verständnis der Vergabeunterlagen kommt es dabei nicht auf das konkrete Verständnis des einzelnen Bieters, sondern auf ein objektives Verständnis, also darauf an, wie ein durchschnittlicher Bieter des angesprochenen Bieterkreises die Leistungsbeschreibung verstehen durfte.
So zuletzt BKartA Beschluss vom 04.03.2024 - VK 1 - 16/24, BeckRS 2024, 9165 Rn. 39, beck-online, siehe auch:
Was der öffentliche Auftraggeber nachgefragt hat, ist zunächst insbesondere anhand der Leistungsbeschreibung zu ermitteln. Diese ist ggf. hinsichtlich des wirklichen und erkennbaren Willens des öffentlichen Auftraggebers aus der objektiven Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters, der mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertraut ist, auszulegen (§§ 133, 157 BGB) (vgl. BGH, Urteil vom 15.1.2013 - X ZR 155/10 - Parkhaus J Rn. 9; Senat, Beschluss vom 18.7.2017 - 11 Verg 7/17). Es kommt nicht darauf an, wie die Antragstellerin als einzelne Bewerberin die Unterlagen verstanden hat, sondern wie der durchschnittliche Bewerber des angesprochenen Bewerberkreises sie verstehen musste oder konnte. Für das Verständnis der Leistungsbeschreibung kommt es dabei in erster Linie auf den Wortlaut, daneben aber auch auf die konkreten Verhältnisse der Leistung an, wie sie in den Vergabeunterlagen ihren Ausdruck gefunden haben (OLG Koblenz, Beschluss vom 5.12.2007 - 1 Verg 7/07). Bei der Auslegung der Leistungseschreibung muss sich der Bieter fragen, was die Vergabestelle aus ihrer Interessenlage heraus wirklich gewollt hat.
(OLG Frankfurt a. M. Beschluss vom 08.08.2019 - 11 Verg 3/19, BeckRS 2019, 41780 Rn. 62, beck-online)
Ergeben sich nach diesen Grundsätzen verbleibende Unklarheiten bei der Auslegung der Vergabeunterlagen und der Leistungsbeschreibung, was der Auftraggeber gewollt hat, so gehen diese Unklarheiten zu dessen Lasten.
"Mit dem Vergaberecht grundsätzlich vereinbar ist auch, dass Bieter die Leistungsbeschreibung auslegen müssen, um entsprechend den Vorgaben das anzubieten, was der öffentliche Auftraggeber gewollt hat. Ihre vergaberechtliche Grenze finden notwendige Anstrengungen zur Auslegung erst dann, wenn der Bestimmtheitsgrundsatz verletzt wird. Unklarheiten der Leistungsbeschreibung in diesem Sinne gehen zu Lasten des Auftraggebers."
VK Saarland Beschluss vom 23.12.2022 - 1 VK 02/2022, BeckRS 2022, 59556 unter Berufung auf OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2017 - VII-Verg 19/17, NZBau 2018, 242, Rn. 34 bis 40, beck-online So auch
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.01.2022 - VII-Verg 23/21, Vergaberecht 2024, S. 562, 567
3.2. Modulgebäude in Stahlbauweise
Nach den unter 3.1. dargelegten Grundsätzen entspricht das Angebot der Antragstellerin im Hinblick auf die angebotene modulare Bauweise im firmeneigenen System aus Stahlbetonfertigteilen u. a. mit Wand- und Deckenscheiben nicht den in den Vergabeunterlagen konkretisierten Vorgaben der funktionalen Leistungsbeschreibung, sondern stellt demgegenüber ein Aliud dar.
Ausgeschrieben war "Die schlüsselfertige Errichtung eines Kindergartens für 8 Krippengruppen als dauerhaftes Modulgebäude, mit hohem Vorfertigungsgrad, in Stahlbauweise gemäß der beiliegenden Baugenehmigung durch den AN".
In der in der Ausschreibung verlinkten funktionalen Leistungsbeschreibung heißt es ferner: "Durch die Errichtung des Gebäudes in Systembauweise/Modulbau mit hohem Vorfertigungsgrad soll eine verkürzte Bauzeit, sowie ein hohes Maß an Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit erreicht werden. Das Modulgebäude soll in schlanker Stahlbauweise ausgeführt werden. Der Systemhersteller erstellt das Angebot auf seine ihm eigene System-Stahlkonstruktion und die darauf abgestimmte Planung. Die angebotene Konstruktion ist im Angebot zu beschreiben." (Ausschreibung Blatt 22, FLB Blatt 275, 276, 348 d. Vergabeakte).
Hinweise auf Merkmale des Begriffs "Modulgebäude", die für die Anforderung von volumetrischen Modulen sprechen, finden sich nur vereinzelt in der Leistungsbeschreibung ("Raummodulfertigung" Blatt 280/S. 8 FLB; Anzahl und Grundflächen der "Moduleinheiten" Blatt 283/S. 11 FLB; Fassadengestaltung Blatt 345/S. 73 FLB).
Daher ist auszulegen, was die Antragsgegnerin verlangt hat und wie ein durchschnittlicher Bieter der angesprochenen Fachkreise die konkrete Anforderung der Leistungsbeschreibung verstehen durfte.
Bei einer Auslegung nach dem verobjektivierenden Empfängerhorizont entsprechend §§ 133, 157 BGB geht aus dem Wortlaut der Ausschreibung hervor, dass die Antragsgegnerin explizit unter Bezugnahme auf die Baugenehmigung ein dauerhaftes Modulgebäude in Stahlbauweise verlangt. Die in der Ausschreibung in Bezug genommenen und verlinkten Vergabeunterlagen ergänzen den Ausschreibungstext in zulässiger Weise. Der Einwand der Antragstellerin, Inhalte der Leistungsbeschreibung seien nicht hinreichend bekannt gemacht und maßgeblich sei lediglich die Formulierung in der Bekanntmachung der Ausschreibung, geht insoweit fehl. Maßgeblich für die Bewertung, ob eine Abweichung von Vergabeunterlagen und Angebot vorliegt, sind die gesamten Vergabeunterlagen, auf die die Bieter unmittelbaren Zugriff nehmen konnten.
Vorliegend kommt es darauf an, ob ein durchschnittlicher Bieter des angesprochenen Bieterkreises mit dem dort gewählten Begriff eines "Modulgebäudes in Stahlbauweise" auch die Herstellung des Gebäudes aus modular gefertigten Wand- und Deckenscheiben aus Stahlbeton verstehen durfte. Letzteres ist unter Berücksichtigung des Ausschreibungstextes in Verbindung mit der Baugenehmigung und der Leistungsbeschreibung zu verneinen.
Wie die Antragstellerin zutreffend ausführt, genügt es hierbei allerdings nicht, auf den "hohen Vorfertigungsgrad" wie in der Leistungsbeschreibung gefordert abzustellen. In der Leistungsbeschreibung wird nicht definiert, welches Maß der Vorfertigung hierunter zu fassen ist. Eine Änderung der Vergabeunterlagen kann daher nicht bereits allein darin gesehen werden, dass die Antragstellerin erst auf der Baustelle die vorgefertigten Teile zu einem Raum zusammenfügt und den Innenausbau erst danach vor Ort durchführt.
Ähnliches gilt für den unbestimmten Begriff in der Leistungsbeschreibung, wonach das Gebäude in einer "schlanken" Stahlbauweise errichtet werden soll. Mangels Definition erlaubt diese Vorgabe nur eine vage Einordnung der Bauausführung. So wurde in der mündlichen Verhandlung erörtert, dass die Bauweise im Bausystem der Antragstellerin der geforderten "schlanken" Bauweise jedenfalls entspricht.
Maßgeblich ist vielmehr die Auslegung des Begriffs des "Modulgebäudes in Stahlbauweise".
Eine übergeordnete Nomenklatur bzw. allgemeinverbindliche oder einheitliche Definitionen des Begriffes "Modulbau" erscheinen - wie auch die Antragstellerin unter Berufung auf Literaturzitate vorträgt (u.a. Schriftsatz vom 12.8.) - allerdings nicht ersichtlich. In Publikationen zum Thema wird vielfach unterschieden zwischen seriellem Bauen, Elementbauweise und Modulbauweise.
Modulbau als Oberbegriff für vorgefertigte Bauweise bei gleichzeitiger Unterscheidung zwischen Stahlbauweise und Stahlbetonbauweise siehe FORUM Verlag Herkert GmbH: Modulares Bauen: Definition, Vorteile und Beispiele für vorgefertigte Bauweisen vom 17.08.2022, Fundstelle:
https://www.forum-verlag.com/blog-bi/modularesbauen?srsltid=AfmBOoo7pj9TpednimnTyJ840WLSxggaeEv08PXsWAnCIEpN rTewkC5f Modulbauweise bezeichne die
"Vorfertigung von volumetrischen Bauteilen"
BIM-Center Aachen, Whitebook: Modular. Digital. Integriert. Vorgefertigt, Kapitel 2 Definition relevanter Begriffe, Stand 07/2021, https://bim.rwth-campus.com/aktuelles/whitebook-modular-digital-integriertvorgefertigt/ abgerufen am 30.10.2024
Darüber hinaus wird unterschieden zwischen
"Holz-, Stahl- und Stahlbetonbauweise oder hybriden Formen"
Hartmann/Galandi, die Aussagekraft des Vorfertigungsgrads - Analyse der Ermittlungsmethoden Beispiel der Modulbauweise, in: Zeitschrift für Bauwirtschaft 2020, S. 53.
Selbst wenn - wie von der Antragstellerin sinngemäß vorgetragen - der Begriff "Modulbau" als fachspezifischer Oberbegriff für die Bauweise aus vorgefertigten Elementen, die auf der Baustelle noch zusammengefügt werden, anzusehen ist, und insofern auch die modulare Bauweise aus Wandscheiben aus FertigStahlbetonelementen davon erfasst sein kann, wird der konkrete Auftragsgegenstand der Ausschreibung damit allein nicht hinreichend beschrieben, sondern es kommt auf die weiteren Präzisierungen ebenso der Bekanntmachung selbst als auch in der funktionalen Leistungsbeschreibung im sachlichen Zusammenhang an.
Maßgeblich ist dabei, dass bereits in der Ausschreibung dem Wortlaut nach ein Modulgebäude in Stahlbauweise gemäß der Baugenehmigung ("Stahl-Modulbau", Blatt 204 d. A.) verlangt war.
Aus dem Sachzusammenhang der Ausschreibungsunterlagen ergibt sich dies ebenfalls. Der Baugenehmigung liegen Planzeichnungen, die eine Stahlrahmenkonstruktion beinhalten, zugrunde (grün gestempelte Planzeichnung Blatt 209, Blatt 359 der Akten). Auch die Leistungsbeschreibung geht von Stahlbauweise aus und lässt erkennen, dass der Antragsgegner ein Modulgebäude in schlanker Stahlbauweise verlangt; das Angebot solle auf die SystemStahlkonstruktion des Systemherstellers erstellt werden (Blatt 276, S. 4 der FLB).
Aus der Sicht eines durchschnittlichen fachkundigen Bieters ergibt sich damit aus der Ausschreibung in Verbindung mit den Vergabeunterlagen jedenfalls, dass ein Modulgebäude in Stahlbauweise gefordert wurde. Dass dies von den übrigen Bietern auch so verstanden wurde, belegen die eingegangenen Angebote. Die Kammer geht diesbezüglich nicht von Unklarheiten der Leistungsbeschreibung aus.
Letztlich hat auch die Antragstellerin selbst die Anforderung, dass ein Angebot für ein Modulgebäude in Stahlbauweise zu erstellen war, zutreffend interpretiert, indem sie darauf abstellt, dass ihr Bausystem aus Fertigelementen aus Stahlbeton letztlich der geforderten Stahlbauweise entspreche. Dies ergibt sich insbesondere auch aus ihrer Argumentation, dass es wegen der integrierten Stahlkonstruktion auf das (Füll-)Material der raumabschließenden Teile, das in der Leistungsbeschreibung nicht vorgegeben sei, ebenso wenig ankomme wie auf die Zusammensetzung der Wandscheiben zu einem dreidimensionalen Gebilde erst auf der Baustelle.
Zum Vergleich der Vergabeunterlagen mit ihrem Angebot führt die Antragstellerin aus, dass die von ihr angebotene Bauweise mittels Stahlbetonfertigteilen bzw. aus Betonfertigteilen mit innenliegendem Stahlrahmen der geforderten Stahlmodulbauweise entspreche, indem die in den tragenden Wänden enthaltenen integrierten Stahlstützen Teil eines Stahlskeletts seien und diese so die ausgeschriebenen Stahlmodule bilden würden (u. a. Schriftsatz vom 12.08.2024, S. 2, Antrag vom 5.7. S. 3).
In der Baubeschreibung der Antragstellerin heißt es:
Die Außenwandelemente bilden nicht nur den äußeren Raumabschluss, sondern dienen auch der Lastabtragung. Diese Stahlbetonelemente sind 10 cm stark und enthalten integrierte Stahlbetonbalken, Stahlstützen, Fensterelemente und Sonnenschutzbehänge oder Fassadenunterkonstruktionen. Der Bewehrungsgehalt ergibt sich aus der Statik.
Die innere Lastabtragung erfolgt über eine Stahlskelettkonstruktion mit Unterzügen und Stützen aus Walz- oder Schweißprofilen.
Die Gebäudeaussteifung erfolgt über Aussteifende Betonwandelemente.
Sobald das letzte Deckenelement verlegt wurde, kann direkt mit dem Innenausbau begonnen werden. Der Innenausbau des Gebäudes erfolgt mit lokalen Nachunternehmern hergestellt, nur die ... eigenen Produkte wie z.B.
Außenwandelemente und Decken werden von unserer eigenen Montage montiert und vorab in unseren Werken hergestellt.
Blatt 4-0411/0412 der Vergabeakten, S. 3 Baubeschreibung Bausystem
Hierin liegt aber bereits eine Abweichung von dem Gegenstand der Ausschreibung. Das Bausystem der Antragstellerin aus Stahlbetonfertigteilen stellt aufgrund des Verbunds der Werkstoffe von Beton und Stahl auch bei einer integrierten Stahlkonstruktion wie von der Antragstellerin beschrieben keine Stahl-Modulbauweise dar wie ausgeschrieben, sondern ist als ein Aliud zu klassifizieren. Das Bausystem der Antragstellerin beruht nach der eigenen Baubeschreibung auf der modularen Vorfertigung der Systembauteile aus Stahlbeton.
Beim Stahlbeton kommt dem Beton nicht allein die Funktion einer bloßen, ggf. auch entbehrlichen Füllmasse zu, sondern Gegenstand und Vorzüge des Materials ergeben sich erst aus der Kombination der Ausgangsmaterialien von Beton und Stahl im Verbund. Das Produkt ist damit mehr als die Summe seiner Teile.
"Stahlbeton, ein künstlicher Baustoff, ist ein Verbundwerkstoff aus den beiden Komponenten Beton und Bewehrungsstahl. Ein Verbund beider Komponenten entsteht durch die Verklebung mit dem Bindemittel Zement und die Rippung des Bewehrungsstahls. Beton hat im Vergleich zur Druckfestigkeit nur eine Zugfestigkeit von 10 Prozent. Stahl besitzt dagegen eine hohe Zugfestigkeit. Der entscheidende Gedanke beim Baustoff Stahlbeton ist es daher, auf Zug beanspruchte Stellen eines Bauteils mit Stahl zu verstärken, also zu bewehren, und in den übrigen Bereichen die Druckfestigkeit des Betons auszunutzen."
https://www.chemie.de/lexikon/Stahlbeton.html
Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass tragende (Innen-)Wände zur Lastabtragung nach innen auf einer Stahlskelettkonstruktion mit Unterzügen und Stützen aus Walz- oder Schweißprofilen beruhen und die Außenwände zur Lastabtragung integrierte Stahlbetonbalken, Stahlstützen und Stahlbewehrungen nach den statischen Anforderungen enthalten. Denn die Bauweise mit dem Bausystem der Antragstellerin lässt sich aufgrund des Verbundwerkstoffes nicht insgesamt auf "Stahlbauweise" im Sinne der Ausschreibung reduzieren, bei der die Betonplatten als raumabschließendes Element vergleichbar den raumabschließenden Füllungen aus Trockenbauelementen von der Stahlkonstruktion weggedacht werden könnten. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass, wie der Antragstellerin zuzugestehen ist, sich in der Leistungsbeschreibung keine konkreten Materialvorgaben für die raumabschließenden Wandelemente entnehmen lassen und insoweit Beton nicht ausgeschlossen werden kann.
Deutlich wird die Abweichung auch angesichts der Erörterung der lastabtragenden Funktionen der Außenwände. Zwar wurde hierzu in der mündlichen Verhandlung sinngemäß vorgetragen, dass die tragenden Wände auch ohne Betonfüllung standfest seien, weil die integrierte Stahlkonstruktion die Tragfähigkeit herstelle und es auf das Material der Füllung - den Beton - letztlich nicht ankomme. Angeboten hat die Antragstellerin jedoch mit ihrem Bausystem Office-Architecture explizit "Außenwandelemente aus Stahlbeton, die den äußeren Raumabschluss bilden und auch der Lastabtragung dienen". Bei dieser Bauweise kann der Stahlbeton nicht weggedacht werden, so dass lediglich die Stahlkonstruktion als "Stahlmodulbauweise" übrigbleibt. Die nachträgliche argumentative Reduktion auf in der Konstruktion enthaltene und integrierte Stahlelemente und Bauteile nivelliert die die Spezifika des Bausystems der Antragstellerin. Nach der Überzeugung der Kammer ist eine Gleichsetzung des modularen Bausystems der Antragstellerin aus Stahlbetonfertigteilen mit der in der vom Auftraggeber verlangten Stahlbauweise unzutreffend und stellt eine Abweichung von den Vorgaben der Vergabeunterlagen dar.
3.3. Außenwände innen
Nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i. V. mit § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A ist das Angebot auch wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen auszuschließen, weil die Antragstellerin in ihren Angebotsunterlagen abweichend von der Vorgabe, dass die Außenwände innen mit Trockenbau doppelt beplankt anzubieten waren (FLB S. 27, Bl. 299 d. A.), keine Beplankung vorsieht.
Eine Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn das Angebot von den Leistungsvorgaben in der Ausschreibung abweicht.
OLG Schleswig Beschluss vom 12.11.2020 - 54 Verg 2/20, BeckRS 2020, 32579 Rn. 87, beck-online; (weitere Fundstellen oben 3.1.).
So liegt der Fall hier.
In der Baubeschreibung, die Bestandteil der Angebotsunterlagen ist, heißt es zu den tragenden Innenwandelementen:
(..)
Die Stahlkonstruktion erhält eine Brandschutzverkleidung in der nach Brandschutzkonzept erforderlichen Feuerwiderstandsdauer. Aussteifende und lastabtragende Wände werden als Stahlbetonfertigteile vorgefertigt. Die Planung und Ausführung entspricht den statischen sowie schall- und brandschutztechnischen Erfordernissen.
und zu den nichttragenden Innenwandelementen:
Innenwände werden in Trockenbauweise hergestellt. Gipskarton-Trennwände kommen als Raumtrennwände und Installationswände sowie InstallationsVorsatzschalen zum Einsatz. Die Ausführung erfolgt mit beidseitiger doppelter Beplankung einschließlich aller Wand- und Bodenanschlüsse, sowie der nötigen Wandverstärkungen.
Blatt 4-0412 d.A.; Nr. 1.5. auf S. 4 der Beschreibung Bausystem der AST
Während ausdrücklich die doppelte Beplankung der nichttragenden Innenwände angeführt wird, fehlt dieser Hinweis bei der Beschreibung der tragenden Innenwände, die auch für die Außenwände Innen gilt. Zwar bestreitet die Antragstellerin, dass hierin eine Abweichung zur Leistungsbeschreibung vorliege, weil die Beschreibung lediglich das Bausystem in allgemeiner Form beschreibe. Sie habe die Leistungsbeschreibung unverändert angeboten. Obwohl das von ihr angebotene Bausystem regelmäßig einer doppelten Beplankung der Außenwände Innen nicht bedürfe, weil der Wandaufbau bereits integrierte Brandschutzplatten aus Promat enthalte und daher die allgemeine Beschreibung keine Beplankung vorsehe, sei das Angebot auf die Vorgaben der Leistungsbeschreibung abgegeben worden und es werde wie gefordert die doppelte Beplankung angeboten.
Dies ergibt sich so jedoch nicht aus den Angebotsunterlagen. Das Angebot hinsichtlich der Ausführung der Außenwände innen ist in der Baubeschreibung klar beschreiben und als Bestandteil des Angebotes für den Neubau der Kindertagesstätte einschließlich enthaltener konkreter Planzeichnungen und den technischen Daten (Blatt 4-0409, 4-0411 ff.) anzusehen. Daraus ergibt sich gerade keine doppelte Beplankung für alle Innenwände wie in der Leistungsbeschreibung gefordert. Dieses Fehlen wird auch nicht geheilt durch die - nachträgliche - schriftsätzliche Versicherung, die beim eigenen Bausystem an sich nicht erforderliche Beplankung sei gleichwohl mit angeboten und würde im Rahmen des Innenausbaus an die vorgefertigten Außenwände angebracht. Hierdurch wird deutlich, dass erst durch eine Modifikation des angebotenen Bausystems, die im ursprünglichen Angebot in dieser Form nicht schon enthalten war, dieses Bausystem mit den Vorgaben der Leistungsbeschreibung in Einklang gebracht werden kann. Damit liegt mit dem Angebot eine formale Abweichung von den Vergabeunterlagen vor.
3.4. Abwehrklausel
Die Änderungen der Vergabeunterlagen werden nicht durch die Klausel in Ziffer 10 der Aufforderung zur Angebotsabgabe abgewehrt.
Nach der BGH-Rechtsprechung kommt ein Angebotsausschluss wegen der Änderung von Vergabeunterlagen dann nicht in Betracht, wenn der Auftraggeber in seine Vergabeunterlagen vorbehält, dass Unterlagen des Bieters, insbesondere Liefer-, Vertrags- und Zahlungsbedingungen des Auftragnehmers nicht Vertragsbestandteil werden. Aufgrund dieser sogenannten "Abwehrklausel" können solche AGB nicht Vertragsbestandteil beim Zuschlag werden. Dies soll insbesondere dann gelten, wenn nach bloßer Streichung des Hinzugefügten ein dem maßgeblichen Inhalt der Vergabeunterlagen vollständig entsprechendes Angebot vorliegt.
(BGH, X ZR 86/17, NZBau 2019,661, Rn. 26)
Die Argumentation in dem vom BGH entschiedenen Fall zielt darauf ab, im Sinne einer bieterfreundlichen Handhabung und im Sinne der Effektivität des Vergabeverfahrens im Fall einer entsprechenden Abwehrklausel seitens des Auftraggebers ein Angebot nicht aus rein formalistischen Gründen ausschließen zu müssen. BGH, X ZR 86/17, NZBau 2019,661, Rn. 11
Auch wenn der BGH als Ausnahme nicht lediglich reine Allgemeine Geschäftsbedingungen adressiert, sondern insgesamt Erklärungen des Bieters einbeziehen will, ist der genannte Fall hier allerdings nicht einschlägig. Es handelt sich vorliegend nicht um Abweichungen der Vertragsbedingungen, sondern um die konkrete Ausgestaltung des Leistungsgegenstands im Angebot und dessen Übereinstimmung mit den Vergabeunterlagen.
Auch die vom BGH erörterte Fallvariante (BGH, X ZR 86/17, NZBau 2019,661, Rn. 26), wonach nach Streichung der Erklärung ein Angebot dann in der Wertung verbleiben kann, wenn es auch ohne die fragliche Passage vollständig bleibt, kann hier nicht zur Anwendung kommen, denn die Versicherung der Antragstellerin, die Vorgaben der funktionalen Leistungsbeschreibung einhalten zu wollen, reicht angesichts der Funktion der Baubeschreibung als Bestandteil des Angebots nicht aus.
Dabei verdrängt eine generalklauselartige Versicherung, ein Angebot erfülle alle Anforderungen, die in den Vergabeunterlagen und der Bekanntmachung enthalten sind, nicht konkrete, von den Vorgaben des Auftraggebers abweichende, andere Angebotsteile (VK Bund 04.03.2024 - VK 1 - 16/24).
(BeckOK VergabeR/von Wietersheim, 33. Ed. 1.8.2024, VgV § 57 Rn. 44, beckonline)
So liegt der Fall hier. Die Versicherung der Antragstellerin, alle Vorgaben der Leistungsbeschreibung einhalten zu wollen, kann die Abweichung in der Baubeschreibung nicht überspielen. Durch die Baubeschreibung wird die zumindest in Teilen abweichende Ausgestaltung des Auftragsgegenstands hinsichtlich der Ausführung als Stahlmodulbauweise bzw. der Außenwände innen und der tragenden Innenwände ausgeführt. Damit wäre ohne die Baubeschreibung zur Ausgestaltung der tragenden Wände bzw. der Außenwände innen das Angebot der Antragstellerin unvollständig.
Zwar heißt es in Ziffer 2.1.4 der Bekanntmachung sowie in Ziffer 10 der Aufforderung zur Angebotsabgabe,
"Anderslautende Geschäfts-, Liefer- oder Zahlungsbedingungen der Auftragsnehmerin oder des Auftragnehmers, auch soweit sie Gegenstand einer Auftragsbestätigung oder sonstiger Bestätigungen der Auftragsnehmerin oder des Auftragnehmers sind, werden nicht Bestandteil des Vertrages, auch wenn der Auftraggeber ihnen im Einzelfall nicht ausdrücklich widerspricht." (Blatt 012 d. A.)
Bei der Baubeschreibung handelt es sich jedoch nicht um Vertragserklärungen des Auftragnehmers zu Geschäfts-, Liefer- oder Zahlungsbedingungen, sondern um Aussagen zur Ausführung eines nicht unwesentlichen Teils des Auftragsgegenstandes. Diese können auch nicht weggelassen werden, ohne dass das Angebot vollständig verbliebe. Denn es handelt sich um eine Modifikation des ursprünglich mit der Baubeschreibung abgegebenen Angebots, die neben der funktionalen Leistungsbeschreibung Bestandteil des Angebots ist.
Ebenso wenig reicht es aus, dass die Antragstellerin mit Unterzeichnung der allgemeinen Erklärungen zur Angebotsabgabe, Formblatt 213, hier insbesondere Ziffer 8 (Blatt 4-0393), erklärt hat, dass sie das Leistungsverzeichnis als verbindlich anerkenne. Die Anerkennung der Funktionalen Leistungsbeschreibung bleibt unvollständig ohne die Baubeschreibung.
3.5. Aufklärung im Sinne des § 15 EU VOB/A
Vergaberechtlich ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin vor der Vornahme des Ausschlusses keine Aufklärung des Angebots im Sinne des § 15 EU VOB/A unternommen hat.
Eine Angebotsaufklärung, die grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Auftraggebers liegt, setzt voraus, dass Zweifel am Inhalt des Angebots bestehen, die sich durch Auslegung des Angebots nicht ausräumen lassen. Änderungen am Angebotsinhalt sind im Rahmen der Aufklärung hingegen nicht zulässig. Dies ist aus Gründen des Transparenzgebots und dem Gleichbehandlungsgrundsatz geboten.
(Ziekow/Völlink/Steck, 5. Aufl. 2024, VOB/A § 15EU Rn. 2, beck-online)
Eine Aufklärungspflicht besteht demgegenüber nur ausnahmsweise in Fällen, in denen die Bedeutung einer widersprüchlichen Angebotserklärung z.B. bei einfachen Eintragungsfehlern nicht zweifelsfrei ermittelt werden kann und durch eine Klarstellung ausgeräumt werden könnte.
Dies kommt aber bei einer eindeutigen Angebotserklärung nicht in Betracht, weil es sich sonst um eine unzulässige Angebotsänderung handeln würde.
(OLG Düsseldorf Beschluss vom 02.08.2017 - VII-Verg 17/17, BeckRS 2017, 135706 Rn. 27, beck-online; MüKoEuWettbR/Pauka/Krüger, 4. Aufl. 2022, VgV § 57 Rn. 23, beck-online)
Im umgekehrten Fall käme es bei Abweichungen der Baubeschreibung vom Leistungsverzeichnis zum Vertragsschluss mit den abweichenden Ausführungen.
Ändert ein Bieter im Begleitschreiben zu seinem Angebot die im Leistungsverzeichnis des Ausschreibenden verlangte Beschaffenheit des Werks ohne ausreichenden Hinweis ab und wird diese Änderung Vertragsinhalt, kann dieses Verhalten des Bieters einen Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss begründen
(OLG Stuttgart Urt. v. 09.02.2010 - 10 U 76/09, BeckRS 2010, 10753, beckonline)
Das Verlangen nach einheitlichen und den Vorgaben des Auftraggebers vollständig entsprechenden Angeboten dient zum einen dazu, den fundamentalen Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter durchzusetzen, indem der Auftraggeber nur über in jeder Hinsicht vergleichbare Angebote entscheiden muss. Weiter dient dieser Ausschlussgrund auch dazu, den Auftraggeber vor Auseinandersetzungen in der Vertragsphase zu schützen, weil ein Bieter versucht, seine durch die Änderung verbesserte Wettbewerbssituation auch bei der Vertragsdurchführung zu sichern.
(BeckOK VergabeR/von Wietersheim, 33. Ed. 01.08.2024, VgV § 57 Rn. 49, beck-online)
Vorliegend handelt es sich nicht um einen einer Aufklärung zugängliche einfachen Eintragungsfehler. Die Antragstellerin beschreibt - unter Bezugnahme auf die konkrete Baumaßnahme - relevante Merkmale ihres Bausystems zur Gestaltung der Außenwände Innen bzw. der tragenden Wände, die eindeutig und ohne Zweifel an der Auslegung der Erklärungen von der Vorgabe der Leistungsbeschreibung der doppelten Beplankung abweichen; im Angebot war die nach dem Bausystem der Antragstellerin "nicht erforderliche" (Schriftsatz vom 18.07.24, S. 4) Beplankung nicht mit angeboten. Die Baubeschreibung ist auch Bestandteil des Angebots.
3.6. Nicht bekannt gemachte Eignungsanforderungen (Gütesiegel)
Angesichts des Ausschlusses auf der ersten Wertungsstufe ist nicht mehr darüber zu befinden, ob in der Ausschreibung nicht vorab bekannt gemachte Eignungsanforderungen an vorzulegende Gütesiegel überhaupt verlangt werden durften und damit das von der Antragstellerin unstreitig vorgelegte Gütesiegel, das sich auf ihr Bausystem bezieht, als gleichwertig anzusehen wäre.
III.
Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 182 GWB.
Die Kosten (Gebühren und Auslagen) für Amtshandlungen der Vergabekammer waren nach § 182 Abs. 1 bis 3 GWB festzusetzen.
Gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB hat ein Beteiligter die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt. Dies ist vorliegend die Antragstellerin, da sie mit ihrem Antrag nicht durchdringen konnte.
Die Höhe der Kosten (Gebühren und Auslagen) für Amtshandlungen der Vergabekammer wurden nach § 182 Abs. 1 bis 3 GWB festgesetzt. Unter Berücksichtigung der Angebotssumme der Antragstellerin und unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von ... Euro. Auslagen sind nicht angefallen.
Die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen sind von der Antragstellerin zu erstatten.
Aufwendungen der Beigeladenen sind gemäß § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB erstattungsfähig, soweit sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterlegenen Partei auferlegt. Dabei ist entscheidend, inwieweit sich der Beigeladene aktiv in das Verfahren eingebracht und dieses gefördert hat. Die überwiegende Spruchpraxis bejaht einen Kostenerstattungsanspruch, wenn der Beigeladene auf Seiten der obsiegenden Partei das Verfahren entweder durch einen Antrag oder in sonstiger Weise wesentlich aktiv fördert, sich also schriftsätzlich in relevanter Weise äußert oder an der mündlichen Verhandlung teilnimmt (Ziekow/Völlink/Losch GWB § 182 Rn. 37).
Ausgehend davon erachtet es die Vergabekammer hier als billig, den Beigeladenen einen Kostenerstattungsanspruch zuzugestehen. Die Beigeladenen haben schriftlich im Verfahren vorgetragen und aktiv an der mündlichen Verhandlung teilgenommen. Die Beigeladene zu 2) hat auch einen eigenen Antrag auf Zurückweisung des Nachprüfungsantrages gestellt. Damit haben sie das Verfahren aktiv gefördert und auch am Kostenrisiko des Verfahrens teilgenommen. Insoweit entspricht es der Billigkeit, ihr die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen zu erstatten.
Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Beigeladenen war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 des saarländischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (SVwVfG) notwendig.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch einen Bieter ist in vergaberechtlichen Streitigkeiten grundsätzlich als notwendig anzusehen (Krohn in: Burgi/Dreher/Opitz, GWB, § 182 Rn. 45). Beim Vergaberecht handelt es sich im Allgemeinen um ein überdurchschnittlich kompliziertes Rechtsgebiet. Dass ein Bieter auch ohne die Einschaltung eines Rechtsanwalts zu einer ausreichenden und umfassenden Interessenwahrnehmung in der Lage ist, kann höchstens in begründeten Einzelfällen angenommen werden. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts daher in der Regel notwendig (Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK, § 182 GWB Rn. 112).
Ein Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Für die Rechtsverteidigung der Beigeladenen war die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig.
Der von der Antragstellerin geleistete Kostenvorschuss in Höhe von 2.500,- Euro wird nach Bestandskraft dieses Beschlusses mit der festgesetzten Gebühr verrechnet.
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VK Nordbayern
Beschluss
vom 03.02.2025
RMF-SG21-3194-9-37
1. Wenn sich der öffentliche Auftraggeber eines aus dem Preis und qualitativen Aspekten zusammengesetzten Kriterienkatalogs bedient, bei dem die Angebote hinsichtlich der Qualitätskriterien mittels eines Benotungssystems bewertet werden und die Bewertungsmethode des Preises nur enge Kompensationsmöglichkeiten für qualitative Abzüge erwarten lässt, muss er seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind.
2. Sowohl im Hinblick auf eine Vergleichbarkeit der Angebote als auch eine Zumutbarkeit der Angebotskalkulation ist es vergaberechtlich nicht zu beanstanden, wenn der öffentliche Auftraggeber sich bestimmte HOAI-Honorarparameter (z. B. Honorarzone, getrennte Honorarberechnung wegen Vorliegens mehrerer Objekte oder zeitlicher Trennung der Ausführung) frei anbieten lässt. Das gilt auch dann, wenn damit eine Abweichung von den objektiven Honorarparametern der HOAI verbunden ist.
VK Nordbayern, Beschluss vom 03.02.2025 - RMF-SG21-3194-9-37
Die Vergabekammer Nordbayern bei der Regierung von Mittelfranken erlässt auf die mündliche Verhandlung vom 17.01.2025 durch den Vorsitzenden XXX den hauptamtlichen Beisitzer XXX und die ehrenamtliche Beisitzerin XXX folgenden
Beschluss:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle und der Beigeladenen.
3. Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Beigeladene notwendig war.
4. Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt,- E. Auslagen sind nicht angefallen.
Sachverhalt:
1. Mit Bekanntmachung vom XXX schrieb die ASt die Objektplanung für Gebäude und Innenräume, Leistungsphasen 1-9 für das Vorhaben Generalsanierung und Erweiterung Gymnasium mit Dreifachturnhalle aus.
2. Mit den Vergabeunterlagen wurde ein Architektenvertrag übergeben.
Nach Ziffer 2.1 dieses Vertrages ist Grundlage des Vertrages die HOAI in der jeweils geltenden Fassung, sofern im Vertrag nichts anderes vereinbart ist. Nach Ziffer 6.1 des Vertrages richtet sich die Ermittlung der Vergütung nach der HOAI, soweit im Vertrag nichts anderes vereinbart ist (das entsprechende Kästchen war nicht angekreuzt).
3. In der Projektbeschreibung wird das Projekt u.A. wie folgt skizziert:
XXX beabsichtigt am Gymnasium im Rahmen einer zielplanerischen Umsetzung eine Generalsanierung, einen Umbau und eine Erweiterung des Gymnasiums sowie eine Generalsanierung, einen Umbau und eine Erweiterung der bestehenden Zweifachturnhalle auf eine Dreifachturnhalle.
Die VSt habe sich dazu entschieden, für den Standort durch Generalsanierungs-, Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen eine optimale Lösung zu erreichen. Vorgaben, dass bestimmte Gebäudeteile erhalten werden müssen, bestünden nicht. Auch weitergehende Ersatzneubauten wären möglich, wenn sie sich wirtschaftlicher als eine Generalsanierung oder ein Umbau darstellen würden. Entscheidend sei die Wirtschaftlichkeit und Zukunftsfähigkeit des Gesamtkonzepts, welches im Rahmen der Planungen zu entwickeln sei.
Es werde erwartet, dass im Rahmen der Planungen ein vollumfängliches, wirtschaftliches, nachhaltiges, umweltschonendes und zukunftsfähiges, energetisches Gesamtkonzept erarbeitet wird, welches den Entwicklungen Rechnung trägt und langfristig die Unterhaltskosten erheblich reduziert. Besonders auf den sommerlichen Wärmeschutz müsse hierbei auch Wert gelegt werden.
Planungsaufgabe sei somit eine schrittweise Sanierung mit Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen in mehreren Bauabschnitten im Rahmen eines vorab detailliert abzustimmenden zielführenden und wirtschaftlichen Bauabwicklungskonzepts unter Berücksichtigung des laufenden Betriebs und Vermeidung von kostenintensiven Interimsmaßnahmen durch interimistische Nutzung des Bestands.
Es sei von einer Projektlaufzeit von insgesamt ca. 11 Jahren auszugehen.
Für die Bauabwicklung seien mehrere Bauabschnitte und Bauphasen mit einer Gesamtbau zeit von ca. 7 Jahre zu berücksichtigen.
4. Mit den Vergabeunterlagen wurde eine Bewertungsmatrix übergeben, die eine Benotung mit 0 (schlechteste Note) - 5 (beste Note) Punkten vorsah.
Auf die Honorarwertung wurden 150 von 500 Punkten vergeben. Es ist vermerkt, dass mit Sternchen gekennzeichnete Kriterien in die Honorarbewertung mit einfließen. Die Bewertung erfolge über eine Musterhonorarrechnung anhand der anrechenbaren Kosten (abgeleitet aus aktuellen Kostenschätzungen).
5. Den Vergabeunterlagen war ein Honorarformular beigelegt.
Demnach waren Einträge zu folgenden Kriterien vorgesehen:
* Honorarzone
* Honorarsatz
* Ggf. Nachlass in % auf Gesamthonorar
* Leistungsphasen (1-9) und Bewertung
* Abrechnungsmodus für mehrere Objekte § 11 Abs. 1+2 HOA1 (Angabe, ob eine getrennte oder zusammengefasste Honorarermittlung für die Objekte Schule / Turnhalle angeboten wird)
* Umbauzuschlag in % gern. § 36 HOAI (Kalkulationsvorgabe: nur für den Umbauanteil, ermittelt im prozentualen Verhältnis der anrechenbaren Kosten)
* Angaben zur Ermittlung des Umfangs der mitzuverarbeitenden Bausubstanz § 4 Absatz 3 HOAI - Oder alternativ: Angabe, ob berücksichtigt im Umbauzuschlag
* Abrechnungsmodus bzgl. Bauabschnittsbildung 1 zeitlich getrennter Ausführung (Angabe, ob und wie eine Zusammenfassung oder Trennung der anrechenbare Kosten angeboten wird)
* Abrechnungsmodus für die Abbruchplanung (Angabe, ob und wie eine Trennung oder Zusammenfassung der anrechenbaren Kosten mit denen von Neubau/Umbau angeboten wird)
Mögliche besondere Leistungen:
* LPH 2 - Anfertigen von 5 Stk. Präsentationsmodellen/ 3D-Animationen
* LPH 2+3, 5-8 - Planung KGR 600 (lose Ausstattung, Neu+Bestand) - (Angabe, ob und wie eine Trennung oder Zusammenfassung der anrechenbaren Kosten mit den der KG 300/400 angeboten wird)
* LPH 2-8 - Aufstellung, Fortschreibung und Koordination eines detaillierten Bauabwicklungskonzepts inkl. Interimsmaßnahmen und Baustelleneinrichtungsplanung
* LPH 5 - Erstellung von mit allen Fachplanern koordinierten Wandansichten/Raumblätter für 10 noch zu definierende Muster- Räume (M1:25)
* LPH 7 - Mitwirken bei Prüfung von bauwirtschaftlich begründeten Nachtragsangeboten
* LPH 8 - Fotodokumentation
* LPH 9 - Überwachen der Mängelbeseitigung LPH 9
Zeithonorar:
* Auftragnehmer
* Dipl.-Ing.
* Sonstige Mitarbeiter
Weiter wurde vermerkt, dass mit dem Angebotsformular auch eine Musterhonorarberechnung einzureichen sei.
6. Als Frist für den Eingang der Teilnahmeanträge war der XXX festgesetzt.
Bei der Auswertung der Teilnahmeanträge erhielten 20 Bieter die volle Punktzahl. Nachdem zur zweiten Phase des Verfahrens 3-5 Bewerber eingeladen werden sollten, wurden die hierfür vorgesehenen Büros ausgelost. Eines der fünf letztlich gelosten Büros sagte eine Teilnahme ab. Damit nahmen am weiteren Verfahren vier Büros teil.
7. Mit Schreiben vom 19.07.2024 wurde bis zum 14.08.2024 zur Abgabe von Erstangeboten aufgefordert. Als Termin für ein Vorstellungs-/Neuverhandlungsgespräch mit Vertretern XXX wurde der XXX festgesetzt. Weiter wurde festgelegt, dass die Bewertung des Verhandlungsgesprächs gemäß den beigefügten Zuschlagskriterien erfolge, die im Verhandlungsgespräch mittels einer Präsentation darzulegen seien. Die Präsentation sei analog dem Zuschlagskriterienkatalog und den hierin enthaltenen (Unter-)Kriterien aufzubauen und sei bereits mit Angebotsabgabe digital einzureichen. Im Verhandlungsgespräch sei ausschließlich die eingereichte Version zur Präsentation zu verwenden. Weiter wurde festgelegt, dass neben der Präsentation mit den Erstangebotsunterlagen das Erstangebot mit ausgefülltem Honorarformblatt sowie die Musterhonorarberechnung einzureichen sei. Vertragsgrundlage würden die Vertragsmuster sowie die Allgemeinen und Zusätzlichen Vertragsbedingungen nach HAV-KOM bilden. Weiter wurde festgesetzt, dass eine stufenweise Beauftragung erfolge. Die Beauftragung mit weiteren Leistungsstufen stehe dem Auftraggeber frei. Ein Rechtsanspruch auf Übertragung weiterer Leistungen bestehe nicht.
Die vier verbliebenen Büros reichten fristgerecht Angebote ein.
8. Gemäß dem Vergabevermerk sei am 23.08.2024 das Erstangebot (Honorar) ausgewertet worden. Es seien Aufklärungsbedarfe festgestellt worden, die im Rahmen der Verhandlungsgespräche aufgeklärt worden seien.
XXX teilgenommen haben. Gemäß den Akten liegt für jedes Mitglied des Wertungsgremiums ein handschriftlich ausgefüllter Wertungsbogen vor.
Gemäß dem Vergabevermerk wurden den Bewerbern im Anschluss an das Vorstellungsund Verhandlungsgespräch vom 10.09.2024 mit Schreiben vom 11.09.2024 die Möglichkeit gegeben, die Angebotsunterlagen (Präsentation der Zuschlagskriterien und Honorarangebot) auf Grundlage der Erkenntnisse aus dem Verhandlungsverfahren zu finalisieren und bis zum 16.09.2024 einzureichen. Die Bewerber haben alle Unterlagen fristgerecht eingereicht.
Bei den finalen Präsentationsunterlagen sind keine Änderungen gegenüber den für das Verhandlungsgespräch eingereichten Unterlagen ersichtlich.
Auf den von ASt und BGI eingereichten finalen Honorarformularen ist jeweils vermerkt: "Angebot vom 16.09.2024".
Hinsichtlich der Leistungsphasen war in den Honorarangeboten nicht von allen Bietern eine Bewertung mit 100 % angegeben worden, insbesondere wurde teilweise bezüglich der Leistungsphase 1 ein reduzierter Wert angegeben.
Nach der Auswertung der VSt war die BGI Erstplatzierte. Die ASt lag mit ihren erreichten Wertungspunkten auf Rang vier. Dabei basiert die Auswertung der qualitativen Kriterien auf der Bewertung durch die Mitglieder des Bewertungsgremiums. Die Bewertung der Honorarangebote basiert auf einer Honorarberechnung der VSt mit den von der VSt veranschlagten anrechenbaren Kosten (als fix angesetzte Größe) sowie den von den Bietern in den Honorarangeboten jeweils angegebenen Honorarparametern. Dabei hat die VSt für die ASt im Vergleich zur BGI ein günstigeres Honorarangebot errechnet. Der Unterschied bzgl. der Bewertung der qualitativen Kriterien zwischen ASt und BGI geht somit noch über den Abstand der Gesamtwertung hinaus.
In einem Vermerk zu einer möglichen Angebotsaufklärung nach § 60 VgV im Hinblick auf die finalen Angebote wurde folgendes niedergelegt:
Es ergebe sich kein Aufklärungsbedarf des finalen Angebots des günstigsten Bieters. Denn grundsätzlich bemesse sich die in der Rechtsprechung entwickelte Aufgreifschwelle von 20 % nicht anhand der Kostenschätzung, sondern anhand des nächstplatzierten Bieters. Zwar ergebe sich insoweit ein Unterschied von 20,33 %. Allerdings bringe das günstigste Büro nur 97 % der Leistungsphasen zum Ansatz. Dies sei am 12.09.2024 damit erklärt worden, dass ein Teil der Aufgaben (hier LPH 1 und 7) beim Auftraggeber verbleibt. Zum Vergleich der Angebote sei das Honorar auf 100 % hochgerechnet worden. Damit ergebe sich ein Abstand unter 20 % zum nächstplatzierten Bieter, die Aufgreifschwelle sei damit nicht erreicht.
9. Mit Schreiben vom 16.10.2024 wurde die ASt gern. § 134 GWB darüber informiert, dass der Zuschlag an die BGI gehen soll.
10. Mit Schreiben vom 16.10.2024 rügte die ASt mehrere Vergaberechtsverstöße. Insbesondere wurde die vergaberechtsfehlerhafte Auswertung der Honorarkriterien gerügt, der Zuschlag sei auf nicht vergleichbare Angebote geplant.
Weiter wurde gerügt, dass eine Prüfung nach § 60 VgV nicht durchgeführt worden sei, obwohl das Angebot mit dem günstigsten fiktiven Honorar wohl mehr als 20 % über der Kostenschätzung liege.
Weiter wurde gerügt, dass die Bewertung der Qualitätskriterien willkürlich erfolgt sei und wohl nicht richtig dokumentiert worden sei.
Des Weiteren wurde in der Rüge thematisiert, dass ggf. bei einem Mitbewerber rechtswidrig ein Lösungsvorschlag berücksichtigt wurde, was einen Verstoß gegen § 76 Abs. 2 Satz 3 gV darstelle.
11. Mit Schreiben vom 16.10.2024 wurde die Rüge zurückgewiesen.
Eine Nichtvergleichbarkeit der Honorarangebote liege nicht vor. Die Honorarangebote richteten sich nach den anrechenbaren Kosten, in der Projektbeschreibung werde das Projektvolumen angegeben, woraus sich die anrechenbaren Kosten ableiten ließen. Die Objekt-Parameter seien bei jedem Bewerber vergleichbar angesetzt und bewertet worden. Alle sonstigen erwähnten Honorarparameter seien konkret anzubieten auf Grundlage der Ausschreibungsunterlagen.
Einen Verstoß gegen § 60 VgV habe die ASt nicht dargelegt.
Die Bewertung der Qualitätskriterien sei nicht willkürlich erfolgt. Das Angebot der ASt habe im Vergleich mit den anderen Büros, vor allem im Hinblick auf die geforderten Qualitätskriterien insbesondere im. Hinblick auf das Kriterium "Bewertung der konkreten Projektaufgabe", nicht überzeugen können.
Ein Verstoß gegen § 76 Abs. 2 Satz 3 VgV liege nicht vor, da keine Lösungsvorschläge berücksichtigt wurden. Gemäß den Bewertungskriterien seien Lösungsansätze verlangt worden.
12. Mit Schriftsatz vom 23.10.2024 erhob die ASt Nachprüfungsantrag und beantragte,
1. Im Vergabeverfahren - Generalsanierung, Erweiterung Gymnasium mit Dreifachturnhalle; Objektplanung für Gebäude und Innenräume gern. §§ 34 ff HOA1- LPH 1-9, bekannt gemacht im Supplement des EU Amtsblatt Nr.XXX vom XXX) wird ein
Nachprüfungsverfahren eingeleitet.
2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer in den Stand vor Erstangebotsaufforderung zurückzuversetzen.
3. Dem Antragsgegner werden die Kosten des Vergabenachprüfungsverfahren auferlegt.
4. Es wird festgestellt, dass der Antragsgegner der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten hat und dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.
5. Der Antragstellerin wird Einsicht in die Vergabeakten gewährt.
6. Der Antragsgegner wird umgehend in Textform über den Nachprüfungsantrag informiert.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
In tatsächlicher Hinsicht wurde insbesondere ausgeführt, die BGI habe in einem anderen Vergabeverfahren in einer Ergebnisübersicht nach Zuschlagserhalt einen Lösungsvorschlag öffentlich präsentiert, obwohl kein Lösungsvorschlag gefordert gewesen sei. Ergänzend wurde u.A. noch ausgeführt, dass die ASt in der Vergangenheit bereits mehrfach erfolgreich für die VSt tätig gewesen sei. Die VSt habe der ASt eine hohe qualitative Leistungsfähigkeit attestiert.
In rechtlicher Hinsicht wurde insbesondere folgendes vorgetragen: Die Auswertung der Honorarkriterien sei fehlerhaft erfolgt. Die Vergabestelle berechne für jeden Bieter ein fiktives HOAI-Gesamthonorar. Dies setze jedoch voraus, dass die fiktiven HOAI-Honorare zumindest in ihrem Größenverhältnis zueinander den wirklichen Honoraren entsprechen werden, da nur so die Vergleichbarkeit der Angebote erreicht werde. Die Berechnung des Architektenhonorars nach HOAI sei immer objektbezogen und bestimme sich nach sog. Honorarparametern.
Die meisten dieser Parameter stünden bei normalem Verlauf erst bei Abschluss der Leistungsphase 3 (Entwurfsplanung) fest. Daher werde bei einer Beauftragung ab Leistungsphase 1 gewöhnlich der Honorarsatz vereinbart, der durch einen Abschlag oder Aufschlag auf den Basishonorarsatz angeboten wird. Dann könne man einen Vergleich anstellen, obwohl in dieser Phase noch gar nicht feststehe, was gebaut wird oder wie hoch die übrigen Honorarparameter ausfallen könnten. Es sei zwar üblich, dass die Bieter Honorarübersichten abgeben, in denen anhand weiterer vorläufiger fiktiver Honorarparameter fiktive Honorare verglichen werden. Dies diene jedoch nur der Vermeidung von Missverständnissen. Mache man die in den Übersichten ausgerechneten fiktiven Honorare zum Gegenstand des Vergleichs, funktioniere dies nur, wenn man bestimmte Honorarparameter gleichsetzt. Dagegen habe die VSt nur die anrechenbaren Kosten bei allen Bietern gleichgesetzt, im Übrigen die fiktive Honorarberechnung aus den Honorarformblättern übernommen und die daran errechneten fiktiven Honorare verglichen. Die ASt wies insofern insbesondere auf die Honorarzone als Honorarparameter hin. Diese könne nicht vereinbart werden, sondern werde objektiv bestimmt; der mit den Vergabeunterlagen vorgelegte Planungsvertrag verweise in die HOAI, die gerade dies mit der objektiven Bestimmung der Honorarzone regelt. Da hier noch nicht fest stehe, was gebaut wird, wäre die Vorfestlegung einer Honorarzone die Überbürdung eines nicht vertretbaren kalkulatorischen Risikos auf den Architekten.
Die VSt habe gegen § 60 VgV verstoßen, weil trotz entsprechender Verpflichtung keine Angebotsaufklärung durchgeführt wurde.
Hier betrage die Differenz des vermeintlich niedrigsten Angebotspreises wohl mehr als 20 c1/0 zur Kostenschätzung und zum Angebot der ASt. Dies ergebe sich unter Berücksichtigung der für das Angebot der ASt vergebenen Punkte.
Die Bewertung der Qualitätskriterien sei vergaberechtswidrig erfolgt. Die Bewertung unterscheide sich auffällig stark von Bewertungen in anderen Vergabeverfahren - auch solchen der VSt - zu gleichlautenden Kriterien. Dies passe auch nicht zu den Äußerungen, die die VSt generell zur Arbeit der ASt tätige. Die Bewertungsmatrix mit ihrem Punktesystem setze die Bewertung der Angebote an einem objektiven Maßstab voraus. Die von der VSt im Rügezurückweisungsschreiben angesprochene relative Bewertung der Angebote untereinander sei nicht zuvor kommuniziert worden. Dies sei deswegen relevant, weil ein Vergleich der Angebote untereinander zu einer ungewollten oder jedenfalls nicht transparent mitgeteilten Höhergewichtung der Qualitätskriterien führe. Bei dem Kriterium 4 "Bewertung der konkreten Projektaufgabe und Vorstellung möglicher Lösungsansätze" habe die ASt eine Bewertung miterhalten. Dies lege nahe, dass hier bei einem Mitbewerber entgegen § 76 Abs. 2 Satz 3 VgV - rechtswidrig - ein Lösungsvorschlag berücksichtigt wurde. Ein typischer Lösungsvorschlag sei eine Skizze des geplanten Gebäudes, wenn dessen Umrisse noch gar nicht feststünden. Denn eine solche Skizze könne nur angefertigt werden, wenn bereits wesentliche Planungsleistungen, die hier eigentlich Teil des Auftrages seien, bereits erbracht worden seien.
13. Mit Schreiben vom 25.10.2024 erwiderte die VSt auf den Nachprüfungsantrag und beantragte,
das Nachprüfungsverfahren der ASt abzulehnen und die Kosten des Nachprüfungsverfahrens der ASt aufzuerlegen.
In der Sache wurde insbesondere folgendes ausgeführt:
Die Honorarangebote könnten miteinander verglichen werden.
Zur Preisprüfung nach § 60 VgV wurde angemerkt, dass in diese dann einzutreten sei, wenn das Angebot des bestplatzierten Bieters 20 % unterhalb des zweitplatzierten Bieters liege (vgl. VK Bund, B. v. 15.11.2021, VK 1 - 112/21). Die Preisberechnung der ASt würde nicht den Gegebenheiten entsprechen.
Eine willkürliche Bewertung der Zuschlagskriterien würde nicht vorliegen.
Zum Vorwurf des Verstoßes gegen § 76 Abs. 2 Satz 3 VgV wurde insbesondere vorgetragen, dass in den Verhandlungsgesprächen keine Lösungsvorschläge vorgetragen wurden und eine Berücksichtigung solcher somit nicht stattgefunden habe.
14. Mit Schriftsatz vom 04.11.2024 nahm die ASt erneut Stellung.
Insbesondere wurde noch folgendes ausgeführt:
Es treffe nicht zu, dass die Honorarparameter pauschal anzubieten waren. Zudem wäre das Verlangen nach einem pauschalen Anbieten von HOAI-Honorarzone, Umbauzuschlag, mitverarbeitender Bausubstanz usw. vergaberechtswidrig, da den Bietern damit ein unkalkulierbares Risiko auferlegt würde. Die Bieter würden ein im Wesentlichen pauschaliertes Angebot für eine Planung abgeben, deren Umfang völlig im Belieben der VSt stehen würde.
Die VSt habe wegen unterlassener Preisaufklärung gegen § 60 Abs. 1 VgV verstoßen. Das günstigste Angebot habe das Angebot der ASt um 20,57 % unterschritten. Die Auftragswertschätzung sei um 32,4 % unterschritten worden.
15. Mit Schriftsatz vom 07,11.2024 nahm die VSt erneut Stellung. Insbesondere wurde noch folgendes vorgetragen:
Zu der Rüge der vergaberechtswidrigen Auswertung der Honorarkriterien wurde vorgetragen, dass dies durch die ASt erst nach Mitteilung der Niederlage gerügt worden sei. Es sei der ASt im gesamten Verfahren möglich gewesen, Erst- und Finalangebote ohne Bedenken gegen die Honorarermittlung abzugeben. Das abschließende Honorar werde erst in der Leistungsphase 3 festgeschrieben, wenn die VSt sich für ein in den ersten LPH entwickeltes Projekt entscheiden werde.
16. Der ASt wurde am 08.11.2024 Akteneinsicht erteilt.
17. Mit Schreiben vom 27.11.2024 erfolgte die Beiladung.
18. Mit Schriftsatz vom 28.11.2024 nahm die ASt erneut Stellung.
Ergänzend wurde insbesondere folgendes vorgetragen:
Die VSt habe den Wettbewerb dadurch verzerrt, dass in der jeweiligen Honorarwertung einzelner Bieter verschiedene Projekte und Projektverläufe zugrunde gelegt wurden, obwohl der Projektverlauf noch nicht feststehe. Die VSt habe in der Honorarwertung des ASt vier Bauabschnitte angenommen. Sofern dies nicht bei allen anderen Honorarwertungen der Fall war, liege eine Wettbewerbsverzerrung vor. Die VSt habe in der Honorarwertung der ASt einen gewissen Umbauanteil angenommen und für jeden Bauabschnitt ein separates Honorar berechnet. Sofern dies nicht bei allen anderen Honorarwertungen der Fall war, liege eine Wettbewerbsverzerrung vor. Die VSt habe das Angebot der ASt mit der Honorarzone IV gewertet. Sofern dies nicht bei allen anderen Honorarwertungen der Fall war, liege eine Wettbewerbsverzerrung vor. Die VSt habe das Angebot der ASt mit einem gewissen Umbauzuschlag gewertet. Sofern dies nicht bei allen anderen Honorarwertungen der Fall gewesen sei, liege eine Wettbewerbsverzerrung vor. Die VSt hätte eine Auftragswertschätzung durchführen müssen, nachdem das günstigste Angebot das Angebot der ASt um 20,57 % unterschreite. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass die Bewertung des Gremiumsmitglied in den Unterkriterien 3.8 und 4.3 nicht begründet worden sei. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass durch das Gremiumsmitglied aus das Kriterium 1.1 nur zwei Punkte vergeben wurden, obwohl insoweit "gut dargestellt" vermerkt wurde.
Die VSt habe bei den anderen Bewerbern nicht geforderte Lösungsvorschläge berücksichtigt. Wenigstens das Wertungsmitglied habe nicht geforderte Lösungsansätze berücksichtigt. In der Begründung zur Bewertung 4.2 "Vorstellen und Aufzeigen möglicher planerisch-konzeptioneller Lösungsansätze für die Projektumsetzung" werde ausdrücklich ein Lösungsvorschlag herangezogen. Die erfolgte schlechte Bewertung der ASt sei nicht verwunderlich, da die ASt keinen echten Lösungsvorschlag abgeben wollte. Auch das Gremiumsmitglied habe nicht geforderte Lösungsvorschläge berücksichtigt. Die Bewertung der ASt bei dem Kriterium 4.2 wurde mit "unkreativ" begründet. Hieraus lasse sich schließen, dass hier in Wahrheit ein Lösungsvorschlag erwartet und bewertet wurde. Denn wenn die höhere Kreativität ausschlaggebend gewesen sei, habe es sich bei den Ausarbeitungen der übrigen Bewerber um Planungsarbeiten gehandelt. Auch das Wertungsmitglied habe nicht geforderte Lösungsvorschläge berücksichtigt, da hier auf Cluster abgestellt wurde, was vom Gremiumsmitglied als Lösungsvorschlag bezeichnet wurde. Insgesamt sei wohl nicht nur die Darstellung gewertet worden, sondern, ob die ausgeschriebene Planungsaufgabe zufriedenstellend gelöst wurde.
19. Mit Schriftsatz vom 04.12.2024 nahm die VSt erneut Stellung.
Insbesondere wurde noch ausgeführt, dass die Bauabschnittsbildung, die Honorarzone und der Umbauanteil etc. entsprechend der Angaben der ASt in der Honorarberechnung berücksichtigt wurden. Weiter wurde ausgeführt, dass Lösungsansätze gefordert waren, die bei anderen Bietern besser vorgetragen gewesen seien als bei der ASt.
20. Mit Schriftsatz vom 04.12.2024 nahm die BGI Stellung.
Insbesondere wurde folgendes ausgeführt:
Die Rüge der behaupteten vergaberechtswidrigen Auswertung der Honorarkriterien sowie der vergaberechtlichen Bewertung der Qualitätskriterien sei präkludiert.
Zur Rüge der unzutreffenden Honorarwertung wurde insbesondere folgendes ausgeführt: Die Honorare seien transparent abgefragt worden. Die HOAI stelle kein zwingendes Preisrecht mehr dar. Hinsichtlich der Bauabschnittsbildung wurde ausgeführt, dass im Formular offen abgefragt worden sei, ob die Bieter bauabschnittsweise abrechnen möchten. Zum Gesichtspunkt des Umbauanteils wurde ausgeführt, dass ein Umbauzuschlag abgefragt worden sei, wobei dieser nur für den Umbauanteil, ermittelt im prozentualen Verhältnis der anrechenbaren Kosten, gelten solle. Zur Honorarzone wurde ausgeführt, dass es zwar zutreffend ist, dass grundsätzlich die Honorarzone nach der HOAI zu ermitteln sei. Auch nach alter Rechtslage habe jedoch gegolten, dass eine unzutreffende Honorarvereinbarung nicht per se unwirksam ist, sondern nur dann, wenn die damaligen Mindest- oder Höchstsätze über- oder unterschritten wurden. Ebenso sei anerkannt gewesen, dass eine Festlegung der Honorarzonen durch die Parteien regelmäßig zu berücksichtigen seien. Nach der neuen Rechtslage sei es jedoch ohnehin so, dass die Honorarzone abweichend von der objektiven Honorarzone vereinbart werden könne. Zum Umbauzuschlag und zur mitverarbeitenden Bausubstanz wurde ausgeführt, dass der Umbauzuschlag individuell anzugeben sei. Da das Honorar frei vereinbart werden könne, sei es auch zulässig, den Mehraufwand durch eine mitzuverarbeitende Bausubstanz beispielsweise in einem höheren Umbauzuschlag zu berücksichtigen.
21. Der BGI wurde am 09.12.2024 Akteneinsicht erteilt.
22. Mit Schriftsatz vom 12.12.2024 nahm die ASt erneut Stellung.
Insbesondere wurde folgendes ausgeführt:
Insbesondere wurde vorgetragen, dass die Rügen der vergaberechtswidrigen Bewertung der Honorarkriterien und der willkürlichen Bewertung der Qualitätskriterien nicht präkludiert seien, da die Vergabeverstöße frühestens mit Versendung des Schreibens nach § 134 GWB bekannt gewesen seien.
In der Sache wurde insbesondere ausgeführt, dass die konkret durchgeführte Bewertung der Honorarkriterien vergaberechtsfehlerhaft sei. Die VSt habe nach einem eigenen, zuvor nicht kommunizierten System willkürlich Aussagen der Bieter in verschiedene fiktive Projekte und Projektabläufe umgedeutet. Der VSt seien zudem Berechnungsfehler wie die rechnerisch nicht mögliche Umrechnung von Umbauzuschlag in mitzuverarbeitende Bausubstanz unterlaufen. Wenn sich die VSt der HOAI bediene, um fiktive Honorare zu berechnen, die sie dann in die Bewertungsformel einsetzt, müsse sie bei der Berechnung der HOAI-Honorare alle Bieter gleichbehandeln. Der Einwand der BGI, wonach es freistand, Bauabschnitte im Honorarblatt anzugeben, laufe ins Leere. Die ASt habe in ihrem Honorarblatt auch keine Bauabschnitte angegeben, dennoch sei ihr Angebot so bewertet worden. Auch soweit im Honorarblatt ein Umbauanteil angegeben werden könne, spiele dies keine Rolle, da dieser frühestens nach Leistungsphase 3 feststehe. Es komme nicht auf den Einwand der BGI an, dass es zivilrechtlich möglich sei, die Honorarzone frei zu vereinbaren. Im Vergaberecht sei dies nur teilweise richtig, da die VSt keine unzumutbaren Risiken auf die Bieter übertragen dürften. Zum anderen sei der angebotsgegenständliche Vertrag nicht so zu verstehen, dass eine Honorarzone endgültig vereinbart wird. Das Berechnungssystem der VSt müsse angepasst werden. Die Berechnung von verschiedenen fiktiven Projekten und Projektabläufen sei zu abstrahieren. Anschließend sei das Berechnungssystem transparent zu kommunizieren. Die Begründung zum Absehen von der Aufklärung nach § 60 Abs. 1 VgV der Vergabestelle sei nicht tragend. Die VSt habe dazu vermerkt, dass ein Bewerber einen Teil der ausgeschriebenen Leistungen nicht mit angeboten habe, sein Angebot daher anders berechnet werde und daher die Aufgreifschwelle nicht erreicht sei. Wäre es tatsächlich so, dass der Bieter nicht alle Leistungen mit angeboten hätte, so wäre das Angebot des betreffenden Bieters gern. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV auszuschließen gewesen.
23. Mit Schriftsatz vom 20.12,2024 nahm die BGI erneut Stellung.
Die Behauptung, die Honorarangebote seien auf fiktive Projekte und Projektabläufe nachgerechnet worden, könne nicht nachvollzogen werden. Denn es sollte auf ein zumindest in den Grundzügen bekanntes Projekt ein vorgegebenes Honorarformular mit den maßgeblichen HOAI-Parametern abgegeben werden. Dieses bilde die Grundlage der Honorarberechnung, welche tatsächlich nach der Entwurfsplanung und der Kostenberechnung erfolgen werde. Bei Zuschlagserteilung komme der Vertrag mit den angegebenen Parametern zustande, mit Ausnahme der systemimmanent zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten tatsächlichen anrechenbaren Kosten. Diese Herangehensweise stelle für den jeweiligen Bieter auch kein unzumutbares Risiko dar. Es handele sich vielmehr um das typische System der HOAI, nach deren Konzeption sich das Honorar nach der Kostenberechnung richtet, Damit sei regelmäßig im Zeitpunkt der Auftragserteilung das tatsächliche Honorar in Euro nicht bekannt, aber die zur Berechnung notwendigen Variablen würden mit dem Vertragsschluss festgelegt. Darüber hinaus sei das Projekt in seinen Grundzügen bekannt. Zwar sage eine fiktive Honorarberechnung nicht direkt etwas über das später tatsächlich zu zahlende Honorar aus. Dies sei aber systemtypisch und anhand einer Musterberechnung könne festgemacht werden, wie weit die Angebote auseinanderliegen und alle Angebote würden sich dann entsprechend parallel verändern, Die BGI habe die Fragen zu Ziffer 4.2 "Vorstellen und Aufzeigen möglicher planerisch-konzeptioneller Lösungsansätze für die Projektumsetzung" und in Ziffer 4.3 Vorstellung eines möglichen Bauabwicklungskonzepts für die angedachten Konzepte beantwortet, aber keine Lösungsvorschläge i.S.d. § 76 Abs. 2 VgV eingereicht. Die BGI habe keine komplexen oder umfangreichen Tätigkeiten dargestellt. Dies wäre im vorliegenden Stadium auch gar nicht möglich gewesen, weil zahlreiche Rahmenbedingungen nicht bekannt sind.
24. Mit Schriftsatz vom 10.01.2025 nahm die ASt erneut Stellung.
Insbesondere wurde ausgeführt, dass es aufgrund der anstehenden Beauftragung inkl. Grundlagenermittlung ohne vorab vertraglich festgelegte Planungs- und Überwachungsziele nicht möglich sei, die Angebote mit der Honorarbewertungsmethode der VSt zu vergleichen.
25. Mit Schriftsatz vom 20.01.2025 nahm die BGI erneut Stellung.
Insbesondere wurde ausgeführt, dass es dem System der Architektenvergütung immanent sei, dass im Auftragszeitpunkt das Projekt allenfalls in Grundzügen bekannt ist. Dies bedeutet, dass regelmäßig in einem frühen Stadium eine Vergütungsvereinbarung getroffen werden muss. Ein Projekt könne sehr gut ausreichend zur Honorarabgabe bekannt sein, aber nicht ausreichend für konkrete Lösungsvorschläge. Die Honorarzone sei seit Entfallen der zwingenden Mindestpreisvorschriften der HOAI ein Parameter, der einer Honorarvereinbarung zugänglich ist. Dies könne auch vor der Planung erfolgen. Die Auftragswertschätzung sei allenfalls ein Indiz, wie die VSt das Projekt sehe, aber weder honorarrechtlich noch vergaberechtlich für die Honorarangebote bindend. Alle Bieter würden die gleiche Leistung anbieten, Planungsleistungen für die ausgeschriebene Leistung der Generalsanierung, des Umbaus und der Erweiterung des Gymnasiums. Die gesamte Argumentation der ASt betreffend die Honorarbewertung sei bis zur Angebotsabgabe nicht gerügt worden und damit präkludiert.
26. In der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2025 hatten die Beteiligten Gelegenheit, sich zur Sache zu äußern.
27. Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Verfahrensakte der Vergabekammer, das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, Bezug genommen.
Begründung:
Der Nachprüfungsantrag ist, soweit er zulässig ist, begründet.
1. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig.
a) Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfungsverfahren nach § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 S. 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.
b) Die VSt ist öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 1 GWB.
c) Bei den ausgeschriebenen Planungsleistungen handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 103 Abs. 2 GWB.
d) Der Auftragswert übersteigt den Schwellenwert nach Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU (§ 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB).
e) Die ASt ist antragsbefugt, § 160 Abs. 2 GWB.
f) Die ASt ist mir ihrer Rüge betreffend die Kriterien der Honorarbewertung nicht präkludiert. Es ist nicht von einer Erkennbarkeit möglicher Vergaberechtsverstöße aufgrund der Vergabeunterlagen gern. § 160 Abs. 3 Satz 1- Nr. 3 GWB auszugehen.
Die Frage nach möglichen vergaberechtlichen Vorgaben oder Grenzen bei der Honorarbewertung bei Planungsaufträgen ab der Leistungsphase 1 generell und im Hinblick auf die vorliegende Gestaltung ist komplexer Natur und in der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Die Rechtsprechung geht bei komplexen, ungeklärten vergaberechtlichen Fragen nicht von der Erkennbarkeit eines Vergabeverstoßes aus (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 22.01.2014, VIII - Verg 26/13; vgl. VK Südbayern, B. v. 02.04.2019, Z 3 - 3 - 3194 -1 - 43 -11 / 18; B. v. 28.10.2021, Z 3 - 3 - 01 -21 -27).
g) Der Zuschlag wurde noch nicht erteilt, § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB.
2. Der Nachprüfungsantrag ist nicht begründet.
a) Nach Auffassung der Vergabekammer erfolgte die Wertung der Qualitätskriterien vergaberechtskonform.
aa) Bei der Prüfung und Bewertung der Angebote ist dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die Nachprüfungsinstanzen können diese Entscheidung nur daraufhin kontrollieren, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind und allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet wurden. Allerdings ist der Auftraggeber verpflichtet, die Gründe für die Auswahlentscheidung und den Zuschlag zu dokumentieren, § 8 Abs. 1 Satz 2 VgV. Insbesondere dann, wenn sich der Auftraggeber eines aus Preis und qualitativen Aspekten zusammengesetzten Kriterienkatalogs bedient, bei dem die Angebote hinsichtlich der Qualitätskriterien mittels eines Benotungssystems bewertet werden und die Bewertungsmethode des Preises nur enge Kompensationsmöglichkeiten für qualitative Abzüge erwarten lässt, muss der Auftraggeber seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind. Auch wenn dem Auftraggeber bei der Bewertung und Benotung ein Beurteilungsspielraum zustehen muss, sind seine diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen insbesondere auch daraufhin überprüfbar, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden (OLG München, B. v. 26.02.2021, Verg 14/20).
Damit geht es letztlich darum, ob hinsichtlich der Bewertung und ihrer Dokumentation eine Nachprüfung möglich ist. Dabei kann sich eine Nachprüfung bzw. Nachvollziehbarkeit der Bewertung auch aus dem Bewertungsgegenstand (den Präsentationen) sowie den Bewertungskriterien und den Bewertungsmaßstäben ergeben (vgl. OLG München a.a.O.). Denn auch aus einer Gesamtschau kann sich erschließen, was für die Bewertung maßgeblich war und kann sich erschließen, dass keine Benachteiligungen erfolgten. Diesen Grundsätzen steht die von der ASt zitierte Entscheidung der VK Niedersachsen (B. v. 14.05.2024, VgK 6/2024) nicht entgegen. Nach der VK Niedersachsen ist eine stichwortartige Begründung der Punktevergabe, die bezüglich der Unterkriterien, in denen Punktabzüge vorgenommen werden und in denen sich die Bieterkonzepte qualitativ wesentlich unterscheiden, erforderlich. Weiter könne eine vergleichende Gegenüberstellung der jeweiligen Stärken und Schwächen der Bieterkonzepte erforderlich sein. Nach Auffassung der Vergabekammer Nordbayern steht diese Entscheidung nicht in Widerspruch zur zitierten Entscheidung des OLG München. Denn die VK Niedersachsen nimmt zur Herleitung der Entscheidungsgrundsätze ausdrücklich auf die zitierte Entscheidung des OLG München Bezug. Zudem kann sich der von der VK Niedersachsen angesprochene Begründungsaspekt auch aus dem nach dem OLG München hervorgehobenen Aspekt der Gesamtschau ergeben: Nach Auffassung der Vergabekammer Nordbayern kann sich die Gegenüberstellung der jeweiligen Stärken und Schwächen der Bieterkonzepte, mithin die Nachvollziehbarkeit von Unterschieden in der Bewertung auch noch aus einer Gesamtschau ergeben, insbesondere aus einem Vergleich der jeweiligen Konzepte und der jeweiligen Bewertungen und Benotungen. Von einem solchen Fall wird hier ausgegangen (s. dazu sogleich).
Das Erfordernis einer vergaberechtskonformen Dokumentation bedeutet auch, dass festgelegt werden muss, was den Bewertungsgegenstand darstellt (mündliche und/oder schriftliche Präsentation) und dass die Bewertung insoweit konsistent ist (vgl. VK Bund, B. v. 22.11.2019, VK 1-83/19).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Bewertung der qualitativen Kriterien noch nachvollziehbar und noch ausreichend dokumentiert und es ist nicht von sachwidrigen Erwägungen bei der Bewertung auszugehen.
Gern. dem Schreiben der VSt vom 19.07.2024 und den ergänzenden Ausführungen der VSt hierzu in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass nur die mündliche Präsentation bewertet wurde. Denn insofern ist ausgeführt, dass das Verhandlungsgespräch bewertet wird, gemäß den Zuschlagskriterien, und dass diese im Verhandlungsgespräch mit einer Präsentation darzulegen sind. Weiter ist ausgeführt, dass die Präsentation analog dem Zuschlagskriterienkatalog aufzubauen ist und bereits mit Angebotsabgabe einzureichen ist. Dies ist stimmig mit dem Vortrag der VSt in der mündlichen Verhandlung, dass die (schriftlichen) Präsentationen beim Vortrag lediglich eingeblendet wurden. Dazu ist auch stimmig, dass von den Mitgliedern des Wertungsgremiums handschriftliche Notizen zu den einzelnen Bewertungskriterien vorliegen. Damit ist plausibel, dass die nochmalige Aufforderung zur Abgabe von Präsentationen mit Schreiben der VSt vom 16.09.2024 unerheblich ist bzw. auf einem Versehen beruht. In letztere Richtung hat sich auch die VSt in der mündlichen Verhandlung geäußert; soweit ersichtlich enthielten die noch eingereichten Präsentationen keine Änderungen gegenüber den Vorversionen.
Der Gegenstand der Bewertung ist vorliegend nach Auffassung der Vergabekammer noch ausreichend dokumentiert. Die vier Qualitätskriterien gliedern sich vorliegend in 15 Unterkriterien auf. Die Kriterien weisen damit einen hohen Detaillierungsgrad auf. Gleichzeitig wird damit auch näher beschrieben, was in den Präsentationen inhaltlich erwartet wird, somit der Pflichtinhalt der Präsentationen näher beschrieben. Beispielsweise wird näher beschrieben, welche Angaben hinsichtlich der Projektorganisation erwartet werden (Ziffer 1.1) und welche Aspekte im Hinblick auf die Darstellung der Arbeitsweisen verlangt werden, etwa Methoden zur Sicherstellung einer nachhaltigen Planung. Bei praktisch allen Unterkriterien haben die Mitglieder des Bewertungsgremiums für die jeweiligen Präsentationen Eintragungen vorgenommen. Durch die damit erfolgte Bezugnahme der Wertung auf die Unterkriterien und die Widergaben in den Bewertungen wird der Vortrag damit ebenfalls inhaltlich beschrieben. Beispielsweise wird im Bewertungsbogen des Gremiumsmitglieds auf die Größe des Büros und die Anzahl der Bauabschnitte eingegangen.
Ergänzend kommen die vorliegenden schriftlichen Präsentationen hinzu. Diese wurden zwar nicht bewertet, aber ausweislich des Einladungsschreibens vom 19.07.2024 zur Illustration des mündlichen Vortrags verwendet, was nach Auffassung der Vergabekammer keinen vergaberechtlichen Bedenken begegnet. Durch die Verwendung der schriftlichen Präsentationen zur Illustration der Präsentation ist jedoch mit diesen nach Auffassung der Vergabekammer auch der Inhalt des mündlichen Vortrags näher dokumentiert. So bauen die Präsentationsunterlagen auf den Bewertungskriterien auf. Die Bewertung der Vorträge baut wiederum auf den Bewertungskriterien auf. Die mündlichen Vorträge orientieren sich somit an den Präsentationsunterlagen. Dies wird auch dadurch gestützt, dass die inhaltlichen Widergaben in den Bewertungen des mündlichen Vortrags sich in den Präsentationsunterlagen wiederfinden. Dies betrifft beispielsweise Ausführungen zur Größe des Büros, zu den Erfahrungen des Projektteams und zu den Referenzen. Damit ist davon auszugehen, dass der mündliche Vortrag in der Struktur den Bewertungskriterien und den Präsentationsunterlagen entspricht, und auch inhaltlich im Wesentlichen den Präsentationsunterlagen entspricht.
Die Bewertung selbst ist nach Auffassung der Vergabekammer noch nachvollziehbar und noch ausreichend dokumentiert.
Für die Vergabekammer ist in einer Gesamtschau die jeweilige Bewertung der ASt und der BGI in der Tendenz und auch im Ausmaß der Benotung nachvollziehbar, insbesondere auch im Vergleich der Bewertungsgegenstände und der Bewertungen zueinander; für die Kammer erlaubt die Bewertung und die Dokumentation auch den Schluss, dass keine sachfremden Erwägungen in die Bewertung eingeflossen sind und dass die ASt bei der Bewertung nicht benachteiligt wurde. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der Bewertungskriterien, der definierten Bewertungsmaßstäbe und den Bewertungen der Gremiumsmitglieder, ergänzend der Präsentationsunterlagen. Für die Vergabekammer ist nach Prüfung und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch in fachlicher Hinsicht nachvollziehbar, dass die BGI in der Tendenz und in diesem Ausmaß qualitativ besser bewertet wurde als die ASt. Bei der Prüfung der Vergabekammer geht es aufgrund des Bewertungsspielraums der VSt nicht darum, ob der Standpunkt der VSt geteilt wird, sondern ob dieser nachvollziehbar ist. Es geht also nicht um die Frage, ob etwa ein anderer Standpunkt als der der VSt zu Nachhaltigkeitsaspekten, zum baulichen Lösungsansatz oder zur Anzahl der Bauabschnitte angenommen werden kann, sondern ob der bei der Bewertung durch die VSt vorgenommene Standpunkt innerhalb des Rahmens der Bewertungskriterien und Bewertungsmaßstäbe plausibel ist.
Insbesondere kann die Vergabekammer die in Tendenz und Ausmaß etwas bessere Bewertung der VSt im Punkt Projektorganisation nachvollziehen. So ist es in der Gesamtschau, im Vergleich der Präsentationsunterlagen und der Bewertungen nachvollziehbar, dass hinsichtlich der Bewertung etwa auf die Größe der Büros und die Einbindung der Geschäftsführung abgestellt wird. Auch die von der ASt angegriffene Bewertung der Projektorganisation (1.1) mit einer geringeren Punktzahl trotz Betonung positiver Aspekte durch das Mitglied des Bewertungsgremiums ist nach Auffassung der Vergabekammer nachvollziehbar. Denn im Vergleich dazu werden etwa bei der Bewertung des Konzepts der BGI. noch weitere Aspekte positiv gewertet.
Auch die Besserbewertung der BGI im Kriterium 2 (Persönliche Vorstellung und Projekterfahrung der vorgesehenen Projektleiter im Hinblick auf die Projektaufgabe) kann in der Gesamtschau noch nachvollzogen werden. So kann die leicht bessere Bewertung im Unterkriterium 1 (Vorstellung Projektleiter für die Planung) nachvollzogen werden anhand der Bewertungen in Gesamtschau mit den Präsentationsunterlagen. In den Fällen, in denen die BGI besser bewertet wurde, erschließt sich dies aus der Art und Anzahl der Bewertungsbemerkungen, insbesondere auch in Betrachtung von Anzahl und Umfang der jeweils dargestellten Referenzen in den Präsentationsunterlagen. Auch die bessere Bewertung im Unterkriterium 2 (Vorstellung Projektleitung für Objektüberwachung) kann nachvollzogen werden. Auch dies erschließt sich in den Fällen, in denen die BGI besser bewertet wurde, aus der Art und Anzahl der Bewertungsbemerkungen, bei Betrachtung von Anzahl und Umfang der in den Präsentationsunterlagen dargestellten Referenzen und aus den in den Bewertungsbemerkungen widergegebenen Vortragsinhalten.
Auch die (aufgrund der Benotung und der Gewichtung) nur geringfügige Besserbewertung der BGI im Kriterium 3 (Darstellung der Arbeitsweisen und Methoden in Bezug auf die Projektaufgabe) kann nachvollzogen werden.
Die Besserbewertung des Unterkriteriums 1 bei der BGI (Methoden zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen Planung) kann anhand von Art und Anzahl der Bewertungsbemerkungen und den Darstellungen in den Präsentationsunterlagen, insbesondere hinsichtlich des Umfangs der Darstellungen und den dargestellten Methoden, nachvollzogen werden.
Die Besserwertung des Unterkriteriums 2 bei der BGI (Methoden zur Sicherstellung einer nachhaltigen Planung) kann angesichts der Bewertungsbemerkungen und insbesondere deren Bezugnahme auf die Präsentation, insbesondere hinsichtlich der Themen Begrünung, Belüftung, Baustoffe und Belüftung nachvollzogen werden.
Die Besserbewertung des Unterkriteriums 3 bei der BGI (Planung und Baustellenorganisation) ist angesichts von Art und Umfang der Bewertungsbemerkungen in Gesamtschau mit den Präsentationsunterlagen und insbesondere dem Umfang der Darstellungen nachvollziehbar.
Die Bewertung des Unterkriteriums 4 (Darstellung der Erfahrungen in förderrechtlichen Belangen) ist nachvollziehbar. Die Bewertung war hier gleich.
Die Besserbewertung des Unterkriteriums 5 bei der BGI (Darstellung der Kostenplanung) ist im Hinblick auf Art und Anzahl der Bewertungsbemerkungen und der Darstellungen in den Präsentationsunterlagen, insbesondere im Hinblick auf die verwendeten Methoden und den Informationsaustausch, nachvollziehbar.
Die Besserbewertung des Unterkriteriums 6 bei der BGI (Methoden zur Termineinhaltung) ist angesichts von Art und Anzahl der Bewertungsbemerkungen und den Darstellungen in den Präsentationsunterlagen, insbesondere den Szenerien zur Lösungsfindung, nachvollziehbar, Die Tatsache, dass das Mitglied der Bewertungskommission» bei der ASt keine Bemerkungen zur Begründung vorgenommen hat, führt nach Auffassung der Vergabekammer nicht zu einer Verletzung der Rechte der ASt. Denn die geringfügige Besserbewertung des Konzepts der BGI erschließt sich hier aus einer Gesamtschau zwischen der Bewertung der BGI und dem Vergleich der Präsentationsunterlagen.
Der merkliche Bewertungsunterschied beim Kriterium 4 (Bewertung der konkreten Projektaufgabe und Vorstellung möglicher Lösungsansätze) ist in der Gesamtschau der Bewertungsbemerkungen und der Präsentationsunterlagen auch im relativen Vergleich nachvollziehbar.
Die Besserbewertung des Unterkriteriums 1 (Bewertung der Projektaufgabe) ist in der Gesamtschau der Bewertungsbemerkungen und der Präsentationsunterlagen, insbesondere im Hinblick auf die in den Bewertungsbemerkungen in Bezug genommene Bestandsaufnahme, nachvollziehbar.
Die Besserbewertung des Unterkriteriums 2 (Lösungsansätze) für die BGI ist, im Vergleich zueinander, in einer Gesamtschau der Bewertungsbemerkungen und der Präsentationsunterlagen nachvollziehbar. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Aspekte der Gestaltung der Räume und den Aspekt des Umgangs mit dem Bestandsbau. Dies gilt auch im Hinblick auf die in den Präsentationsunterlagen dargestellten und im Vortrag ausweislich der Bewertungsbemerkungen teilweise akzentuierten Darstellungen der Lösungsansätze und deren Anzahl.
Die Besserbewertung des Unterkriteriums 3 (Bauabwicklungskonzept) ist in der Gesamtschau der Bewertungsbemerkungen und der Präsentationsunterlagen noch nachvollziehbar. Der Ansatz der VSt, eine geringere Anzahl an Bauabschnitten als positiv einzustufen, ist für die Vergabekammer nachvollziehbar; hier geht es nicht um die Frage, ob ein anderer Standpunkt ebenso möglich gewesen wäre, sondern ob die Betrachtung der VSt nachvollziehbar war. Die Nachvollziehbarkeit ist in einer Gesamtschau nicht dadurch tangiert, dass das Mitglied der Bewertungskommission hier für die ASt keine Eintragungen vorgenommen hat.
Die Bewertung des Unterkriteriums 4 (Bewertung Grobkostenschätzung) ist in der Gesamtschau der Bewertungsbemerkungen und der Präsentationsunterlagen nachvollziehbar.
cc) Die Vergabekammer erkennt keine Vergaberechtswidrigkeit im Hinblick auf die Rüge, die VSt habe bei der Konzeptbewertung unzulässigerweise einen relativen Vergleichsmaßstab angewendet.
Die Vergabekammer erkennt nicht, dass mit den in den Zuschlagskriterien genannten Notenstufen ein absoluter Bewertungsmaßstab festgesetzt wurde. Die Notenstufen reichen von 0 (schlechteste Bewertung) bis 5 (Bestnote). Beispielsweise werden bei 5 sehr gute Ausführungen erwartet und bei der Note 4 gute Ausführungen, während bei der Note 1 die Ausführungen als mangelhaft eingestuft werden. Damit wird jedoch nicht ein absoluter Maßstab festgesetzt. Die Beschreibung der Notenstufen mit wertenden Kriterien wie "gut" erlaubt eine Bewertung der Konzepte untereinander. Denn ein derartiges Werturteil kann sich nicht nur in der Bewertung eines Konzepts an sich, sondern auch im Vergleich mit anderen Konzepten ergeben; so kann sich die Güte eines Konzepts, insbesondere bei qualitativen Kriterien, im Vergleich mit anderen Konzepten erschließen.
Die festgelegten Notenstufen stehen damit einem relativen Vergleich der Angebote zueinander nicht entgegen. Auch im Übrigen begegnet der relative Vergleich nach Auffassung der Vergabekammer keinen vergaberechtlichen Bedenken. Nach der Auffassung der Vergabekammer liegt es bei der wertenden Betrachtung von qualitativen Kriterien in der Sache, dass bei der jeweiligen Bewertung jeweils nicht nur das Konzept für sich, sondern auch der Vergleich zu den anderen Konzepten betrachtet wird; denn die Güte eines Konzepts kann sich insbesondere im Vergleich erschließen. Der Einwand der ASt, eine relative Bewertung führe zu einer Höhergewichtung der Qualitätskriterien, greift daher nicht durch. Zudem erscheint es auch bei Anwendung einer relativen Bewertungsmethode nicht zwangsläufig, dass dieselbe Note nicht mehrmals vergeben werden darf, auch nicht wenn bei der Bewertung von geringfügigen Niveauunterschieden ausgegangen wird.
b) Die Vergabekammer erkennt nicht, dass entgegen § 76 Abs. 2 Satz 3 VgV ein Lösungsvorschlag bei der Angebotswertung berücksichtigt wurde. Nach dieser Vorschrift dürfen unaufgefordert eingereichte Ausarbeitungen von Lösungsvorschlägen nicht berücksichtigt werden. Lösungsvorschläge sind Leistungen, die über die eigentliche Angebotserstellung hinausgehen. Es handelt sich dabei um Planungsleistungen im Zusammenhang mit der Angebotserstellung (Beck'scher Vergaberechtskommentar, § 76 VgV, Rn. 41 ff.). Es geht dabei um Lösungsvorschläge für die gestellte Planungsaufgabe in Form von Entwürfen, Plänen, Zeichnungen oder Berechnungen, wie der systematische Vergleich mit § 77 Abs. 2 VgV zeigt.
Nach dem Bewertungskriterium 4, Unterkriterium 3 wird folgendes gewertet und damit gefordert: Vorstellen und Aufzeigen möglicher planerisch-konzeptioneller Lösungsansätze für die Projektumsetzung. Dies bleibt begrifflich hinter der Forderung von Lösungsvorschlägen zurück. Gefordert ist damit das Aufzeigen von Ideen und Ansätzen, die noch nicht das Stadium einer Planung erreichen, sondern sich in groben Konzeptionen erschöpfen. Dies ist auch stimmig zu der hier gegenständlichen Beschaffung, da das "wie" der Umsetzung der Generalsanierung, also etwa der Umfang der Gebäudeteile, die erhalten bleiben, noch offenbleibt. Es kann damit noch nicht von dem Stellen einer Planungsaufgabe gesprochen werden. Das Aufzeigen von Lösungsansätzen bzw. konzeptionellen Überlegungen unterhalb der Schwelle von Lösungsvorschlägen kann jedoch nach Auffassung der Vergabekammer, insbesondere bei Beschaffungen in diesem Stadium, verlangt werden.
Nach Auffassung der Vergabekammer erreichen die von der BGI in den Präsentationsunterlagen dargestellten Lösungsansätze nicht das Stadium von Lösungsvorschlägen; auch nicht im Vergleich zu den entsprechenden, teilweise tiefer gehenden Darstellungen der ASt. Die entsprechenden Skizzen und Konzeptionen erreichen hinsichtlich Feinheit und Tiefgang nicht das Stadium von Lösungsvorschlägen bzw. entsprechenden Entwürfen oder Plänen. Insbesondere kann noch nicht von dem Erbringen einer Planungsleistung gesprochen werden.
Für die Vergabekammer ist nach Prüfung auch nicht ersichtlich, dass anderweitig ein Lösungsvorschlag der BGI in die Bewertung eingeflossen ist.
c) Nach Auffassung der Vergabekammer besteht im Hinblick auf die Rüge der Vergaberechtswidrigkeit des Vorgehens bei der Honorarwertung keine Rechtsverletzung der ASt.
Denn das Honorarangebot der BGI wurde schlechter bewertet als das Angebot der ASt. Der Punktabstand zwischen ASt und BGI basiert somit allein auf der Wertung der qualitativen Kriterien. Selbst bei einer theoretischen Wertung des Honorarangebots der ASt mit voller Punktzahl würde dieser Abstand nicht eingeholt. Auch wenn das Honorarangebot des Bestbieters außer Betracht bliebe, würde dies nichts an der Besserbewertung der BGI gegenüber der ASt insgesamt ändern.
Im Übrigen wäre hinsichtlich der Vorgehensweise der VSt bei der Honorarwertung wohl nicht von einem Vergaberechtsverstoß auszugehen.
Der von § 127 Abs. 3 Satz 1 GWB geforderte Auftragsbezug von Zuschlagskriterien wäre hier hinsichtlich der Honorarbewertungskriterien gegeben. Denn die von den Bietern zu benennenden Parameter werden für den ausgeschriebenen Auftrag und die spätere Honorarberechnung verbindlich. Die Bieter müssen die Parameter im Rahmen eines ausdrücklich als solchen bezeichneten Honorarangebotes abgeben.
Es wäre davon auszugehen, dass die Kriterien zur Honorarbewertung zum Vergleich der Angebote geeignet sind, mithin die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleisten (§ 127 Abs. 4 Satz 1 GWB). Der Bewertung von Honoraren in dieser Phase von Planungsaufträgen ist immanent, dass etwa die Grundlagenermittlung und die Kostenberechnung noch aussteht. Die VSt verfolgt mit ihrer Methode den Ansatz, das Angebot in dieser Planungsphase durch die Abfrage einer Reihe von Honorarparametern zu konkretisieren, um eine bessere Vergleichbarkeit herzustellen. Der Ansatz, so die Angebote auch in diesem Stadium näher zu konkretisieren, erscheint nachvollziehbar; dies im Zusammenhang mit dem Vorgehen, mit den Parametern eine Honorarberechnung anhand derselben Kostengröße, den von der VSt angenommenen anrechenbaren Kosten, vorzunehmen. Dieser Ansatz erscheint auch im Vergleich etwa zu dem Vorgehen, sich in diesem Stadium nur pauschale Zu- oder Abschläge anbieten zu lassen, nachvollziehbar. Es ist nicht ersichtlich, dass die Vergleichbarkeit der Angebote durch unterschiedliches Vorgehen der VSt bei der Durchführung der Honorarberechnung tangiert wäre. Denn soweit ersichtlich orientiert sich die Vorgehensweise der Berechnung an den insoweitigen Angaben der Bieter, etwa hinsichtlich des Abrechnungsmodus zur Bauabschnittsbildung, und ist daher soweit ersichtlich konsistent zur Methodik generell.
Die Möglichkeit, die abgefragten Honorarparameter frei anzugeben, begegnet wohl keinen rechtlichen Bedenken. Nachdem die HOAI 2021 nach § 7 Honorarvereinbarungen zulässt und somit keine zwingenden preisrechtlichen Vorgaben mehr vorsieht, dürfte es auch zulässig sein, Vereinbarungen über einzelne Parameter der HOAI zu treffen; es dürfte mithin auch zulässig sein, sich grundsätzlich an der Systematik der HOAI zu orientieren, jedoch Vereinbarungen über Honorarparameter zu treffen wie etwa hinsichtlich der Honorarzone, die nach alter Rechtslage objektiv bestimmt wurde. Dem dürfte auch nicht entgegenstehen, dass nach dem in den Vergabeunterlagen befindlichen Architektenvertragsmuster grundsätzlich die Vergütung nach der HOAI vorgesehen ist, da die Vereinbarung über die Honorarberechnung im Wege des von den Bietern angeforderten Honorarangebots als speziellere Regelung anzusehen ist.
Für die Zumutbarkeit der Angebotskalkulation bzw. der Möglichkeit einer betriebswirtschaftlich vernünftigen Kalkulation (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 21.04.2021, VII-Verg 1/20) spricht folgendes: Die Bieter waren in der Lage, wertbare Angebote zu kalkulieren (VK Bund, B. v. 28.05.2020, VK 1-34/20). Mögliche Risiken bei der Kalkulation können hier in gewisser Weise kompensiert werden (zu diesem Aspekt Beck`scher Vergaberechtskommentar, § 121 GWB, Rn. 95), beispielsweise durch die Möglichkeit der freien Angabe des Honorarsatzes oder die Möglichkeit des Verzichts auf einen Nachlass. Hinzu kommt, dass der Auftragsgegenstand hier auf Grundlage der Vergabeunterlagen hinreichend konkret ist, somit nicht davon auszugehen ist, dass die spätere Planung als Grundlage für die spätere Honorarberechnung sich unzumutbar von den vorherigen Annahmen der Bieter entfernt.
d) Die Vergabekammer geht nicht von einer Rechtsverletzung hinsichtlich der Rüge der durch die ASt unterlassenen Angebotsaufklärung nach § 60 VgV aus.
Denn bei dem Angebot der BGI handelt es sich nicht um das preislich günstigste Angebot. Des Weiteren würde ein Ausschluss des Bestbieters zwar eine geänderte Honorarbewertung bedeuten, jedoch die Tatsache, dass die BGI gegenüber der ASt insgesamt besser bewertet wird, nicht verändern. Im Übrigen erscheint der Begründungsansatz der VSt zum Unterlassen einer Angebotsaufklärung noch nachvollziehbar. Denn grundsätzlich ist für die Frage des Vorliegens der Aufgreifschwelle das nächstniedrige Angebot der Vergleichspunkt (BayOblG, B. v. 09.04.2021, Verg 3/21). Der Ansatz der VSt, das niedrigste Angebot hochzurechnen (mit dem Ergebnis, dass die Aufgreifschwelle nicht erreicht wird), ist nachvollziehbar. Die VSt sieht die Bewertung der Leistungsphasen, insoweit sie hinter 100 % zurückbleibt, als faktischen Nachlass an, geht aber nicht davon aus, dass damit ein Zurückbleiben des Leistungsversprechens hinter der Ausschreibung verbunden ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
a) Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens, weil sie mit ihren Anträgen unterlegen ist (§ 182 Abs. 3 Satz 1 GWB).
b) Die Kostenerstattungspflicht gegenüber der VSt und der BGI ergibt sich aus § 182 Abs. 4 GWB.
c) Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die BGI notwendig (§ 182 Abs. 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG entspr.).
Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach gelagerten Fall, so dass es der BGI nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen. Auch die ASt war gleichermaßen rechtsanwaltlich vertreten.
d) Die Gebühr war nach § 182 Abs. 2 GWB festzusetzen. Im Hinblick auf die Bruttoangebotssumme der ASt und unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von Euro.
e) Der von der Antragstellerin geleistete Kostenvorschuss von 2.500,-- Euro wird mit der zu zahlenden Gebühr verrechnet. Die Antragstellerin erhält über den Differenzbetrag eine Kostenrechnung i.H.v. Euro.
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VK Nordbayern
Beschluss
vom 20.02.2025
RMF-SG21-3194-9-31
1. Bei Kündigung eines Altauftrags und neuer Vergabe von noch nicht fertiggestellten oder nur mangelhaft erbrachten Leistungen ist für den maßgeblichen Schwellenwert auf den gekündigten Altauftrag abzustellen.
2. Restleistungen nach Kündigung eines (Alt-)Auftrags sind in einem neuen Vergabeverfahren auszuschreiben, da die Ersetzung des Auftragnehmers eine wesentliche Auftragsänderung darstellt.
3. Eine zügige Weiterführung von Arbeiten nach einer Kündigung sowie eine sparsame und wirtschaftliche Mittelverwendung genügen nicht, um eine Dringlichkeitsvergabe zu rechtfertigen.
VK Nordbayern, Beschluss vom 20.02.2025 - RMF-SG21-3194-9-31
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch die Beauftragung der Firma R. mit dem Nachtrag über die Restabbrucharbeiten im Bauvorhaben "..." in ihren Rechten verletzt wurde.
2. Die Vergabestelle trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
4. Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt x.xxx,- Euro Auslagen sind nicht angefallen. Die Vergabestelle ist von der Zahlung der Gebühr befreit.
Sachverhalt:
Die VSt schrieb mit Auftragsbekanntmachung vom xxxxxx (TED: xxxxxx), Vergabenummer xxxxxx) europaweit Abbrucharbeiten aus. Die Vergabe an die Firma P. erfolgte am xx.xx.xxxx.
Die VSt schrieb zudem europaweit Baumeisterarbeiten aus. Der Vertragsschluss erfolgte am xx.xx.xxxx an die Firma R.. Die Zuschlagsbekanntmachung erfolgte am xx.xx.xxxx (xxxxxx, Veröffentlichungsnummer: xxxxxx).
Mit Schreiben vom 23.05.2024 kündigte die VSt der P., die für die Abbrucharbeiten beauftragt war.
Mit Auskunftsersuchen vom 16.08.2024 baten die Verfahrensbevollmächtigten der ASt die VSt um Bestätigung, dass die Restleistungen als eigenständiges Los ausgeschrieben würden werden. Die ASt habe aus der Lokalpresse erfahren, dass es bei dem Projekt xxxxxx vertragliche Schwierigkeiten mit der für die Abbruchleistungen ursprünglich beauftragen Baufirma gebe und im nächsten Bau- und Werkausschuss eine Vergabe der ausstehenden und nicht mehr erbrachten Leistungen an eine andere Firma im Zuge einer Ersatzvornahme vorgesehen sei.
Mit Schreiben vom 20.08.2024 antwortete die VSt auf das Auskunftsersuchen der ASt und teilte mit, dass keine Ausschreibungspflicht bestehen würde.
Mit Schreiben vom 23.08.2024 rügten die Verfahrensbevollmächtigten der ASt die Vergabe der Restleistungen der Rückbauarbeiten.
Mit Schreiben vom 28.08.2024 half die VSt der Rüge nicht ab.
Gemäß § 3 Abs. 1 VgV sei bei der Schätzung des Auftragswerts vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer auszugehen. Schon begrifflich könnten bereits vollendete Leistungen nicht mehr unter "vorgesehene" Leistungen fallen. Für die Kostenschätzung sei auf die Einleitung eines Vergabeverfahrens abzustellen und habe sich am konkreten Beschaffungsbedarf auszurichten. Seien Teile eines Auftrags bereits abschließend abgearbeitet, so bestünde diesbezüglich kein Bedarf mehr. Gegenstand der Auftragswertschätzung seien daher lediglich die ausstehenden Restleistungen.
Eine Auftragsänderung sei gerechtfertigt. Die VSt sehe eine Änderung aufgrund unvorhersehbarer Umstände im Sinne des § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GWB als gegeben an. § 132 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GWB finde auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung, da der Anwendungsbereich nur für Änderungen während der Vertragslaufzeit eröffnet sei. Darüber hinaus ändere sich der Gesamtcharakter des Vertrags nicht. Die Beauftragung der Restleistungen stelle lediglich eine minimale Erweiterung des Ursprungsauftrags dar.
Am 29.08.2024 wurde eine Auftragsänderung europaweit bekanntgemacht (TED: xxxxxx). Aus der Bekanntmachung geht hervor, dass die Firma R. im Wege von Nachträgen die Abbrucharbeiten mit Nachunternehmer ausführt.
Mit Schriftsatz vom 12.09.2024 stellten die Verfahrensbevollmächtigten der ASt einen Antrag auf Nachprüfung und beantragen:
1. ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 160 Abs. 1 GWB über die Vergabe der Abbrucharbeiten im Bauvorhaben "xxxxxx" einzuleiten;
2. die Unwirksamkeit des zwischen der Antragsgegnerin und Beizuladenden geschlossenen Vertrags über Abbrucharbeiten im Bauvorhaben "xxxxxx" festzustellen;
3. der Antragsgegnerin aufzugeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht ein rechtskonformes Vergabeverfahren einzuleiten, mit der Möglichkeit für die Antragstellerin sich zu beteiligen;
4. die Vergabeakte beizuziehen und der Antragstellerin unverzüglich Akteneinsicht zu gewähren;
5. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären;
6. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Die streitgegenständlichen Restleistungen der Abbrucharbeiten seien ein öffentlicher Bauauftrag i.S.d. § 103 Abs. 3 GWB und der Schwellenwert sei überschritten. Der Auftragswert für die noch verbleibenden Abbrucharbeiten würde zwar isoliert betrachtet unterhalb des EU-Schwellenwertes liegen. Die Abbrucharbeiten seien aber mit den Kosten der weiteren Bauleistungen des Bauvorhabens zu addieren, insofern sei der Wert des gesamten Bauvorhabens mit geschätzten xx Millionen Euro maßgeblich, §§ 3 Abs. 6, Abs. 7 VgV. Entgegen der Auffassung der VSt sei die Kostenschätzung für Restarbeiten nach einer Kündigung nicht isoliert vom Altauftrag zu betrachten. Im Rahmen der Ausschreibung von Restarbeiten sei auf den funktionalen Zusammenhang abzustellen, § 3 Abs. 1 VgV. Es sei somit bei der Bestimmung des Auftragswerts von "Restarbeiten" auch der Altauftrag zu berücksichtigen.
Die VSt könne sich für den Verzicht auf eine europaweite Ausschreibung auch nicht auf das sog. 20 % Kontingent des § 3 Abs. 9 VgV berufen. Die VSt sei nicht berechtigt, das streitgegenständliche Los "Abbrucharbeiten" nachträglich dem 20 % Kontingent zuzuordnen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Schätzung des Auftragswertes und die Zuordnung eines Loses oder mehrere Lose zum 20 % Kontingent sei der Zeitpunkt der Einleitung des ersten Vergabeverfahrens. Es gelte der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung.
Die ASt sei antragsbefugt, § 160 Abs. 2 GWB. Durch die de facto Vergabe sei sie in ihren Rechten verletzt, sie hätte bei einer europaweiten Ausschreibung ein Angebot eingereicht.
Ihr Interesse am Auftrag sei durch die Rügen und den Nachprüfungsantrag dokumentiert.
Die ASt sei ihrer Rügeobliegenheit gem. § 160 Abs. 3 GWB nachgekommen.
Der Nachprüfungsantrag sei begründet. Die VSt habe von einer Ausschreibung der streitgegenständlichen Abbrucharbeiten unzulässig abgesehen. Es würden keine Ausnahmetatbestände vorliegen, die eine Direktvergabe rechtfertigen könnten. Der geschlossene Vertrag sei unwirksam und neu auszuschreiben.
Der Vertrag sei mangels vorheriger Auftragsbekanntmachung vergaberechtswidrig geschlossen worden und unwirksam, § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB. Das Absehen von einer Bekanntmachung könne nicht auf das sog. 20 % Prozent Kontingent nach § 3 Abs. 9 VgV gestützt werden.
Auch würden die Voraussetzungen für ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 3a Abs. 3 VOB/A nicht vorliegen. Insbesondere könne sich die VSt nicht auf das Vorliegen besonderer Dringlichkeit nach § 3a Abs. 3 Nr. 4 EU VOB/A berufen. Zum einen sei die Dringlichkeit durch die Entziehung des Auftrags selbst durch die VSt verursacht worden. Zum anderen sei nicht ersichtlich, dass selbst verkürzte Fristen (§§ 10a EU, 10b EU, 10c EU VOB/A) nicht hätten eingehalten werden können. Andere Ausnahmetatbestände des § 3a Abs. 3 Nr. 4 EU VOB/A seien nicht ersichtlich.
Die VSt sei gemäß § 132 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GWB verpflichtet, ein neues Vergabeverfahren durchzuführen, wenn ein neuer Auftragnehmer den bestehenden Auftragnehmer ersetze. Eine Kündigung wie hier stelle ein "Ersetzen" dar. Bei einem Auftragnehmerwechsel nach Kündigung handle es sich um eine wesentliche Auftragsänderung im Sinne des § 132 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GWB. Der explizit normierte Ausnahmetestbestand des § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GWB sei nicht erfüllt. Die Erfüllung des § 132 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GWB habe zur Folge, dass kein Raum für die Ausnahmetatbestände des § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB gegeben sei. Der Ausnahmetatbestand des § 132 Abs. 3 GWB sei auch nicht einschlägig.
Mit Schriftsatz vom 19.09.2024 erwiderten die Verfahrensbevollmächtigten der VSt.
Die Abbrucharbeiten seien seit Montag, den 16.09.2024, abgeschlossen, so dass sich die Anträge 1 und 3 des Nachprüfungsantrags erledigt hätten.
Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet, das Vorgehen der VSt sei zulässig gewesen.
Gemäß § 30 Abs. 2 KommHV-Doppik i.V.m. der Bekanntmachung zur Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich (IMBek), Ziffer 1.2.8, sei eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb bei der Vergabe von Bauaufträgen aktuell abweichend von § 3a Abs. 2 Nr. 1 VOB/A ohne weitere Einzelbegründung bis zu einer Wertgrenze von 1 Mio. Euro netto je Gewerk zulässig. Diese Wertgrenze sei bei den Restleistungen nicht erreicht. Des Weiteren verwies die VSt auf ihre Rechtsausführungen im Schreiben vom 28.09.2024.
Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass die Beauftragung und zügige Weiterführung der Arbeiten im essentiellen Interesse des kollektiven Gemeinwohls gewesen sei, da zum einen die xxxxxx Nutzung des erforderlichen Neubaugebäudeteils an der xxxxx schneller sichergestellt habe werden müssen und zum anderen die zügige Weiterführung der Arbeiten auch im Hinblick auf eine sparsame und wirtschaftliche Mittelverwendung gemäß dem zwingend zu beachtenden Haushaltsrecht dringend geboten gewesen sei. Im Übrigen sei auch der Gesamtcharakter der Leistung nicht geändert worden.
Mit Schriftsatz vom 26.09.2024 nahmen die Verfahrensbevollmächtigten der ASt Stellung und erklärten die Anträge zu Ziffer 1 und 3 für erledigt.
Die ASt beantragt nunmehr:
1. festzustellen, dass der zwischen der Antragsgegnerin und Beizuladenden geschlossene Vertrag über Abbrucharbeiten im Bauvorhaben "xxxxxx" vergaberechtswidrig geschlossen und die Antragstellerin dadurch in ihren bietereigenen Rechten verletzt worden ist,
2. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären und
3. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden notwendigen Aufwendungen aufzuerlegen.
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag sei zulässig.
Der Nachprüfungsantrag in seiner ursprünglichen Form sei statthaft gewesen. Das Nachprüfungsverfahren habe sich nach Erhebung des Nachprüfungsantrags "in sonstiger Weise" im Sinne des § 168 Abs. 2 S. 2 GWB erledigt. Die streitgegenständlichen Bauarbeiten seien mittlerweile abgeschlossen, wodurch eine Ausschreibung der Restleistungen nicht mehr möglich sei.
Aus Sicht der ASt bestehe eine Wiederholungsgefahr und damit ein besonderes Feststellungsinteresse. Die VSt habe sich gegenüber der ASt wiederholt vergaberechtswidrig verhalten und einen Auftrag ohne vorherige Ausschreibung durchgeführt.
Die ASt habe in einem anderen Vergabeverfahren bereits einen Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung stellen müssen. Mit Beschluss vom 27.05.2024 habe das Landgericht ..... der VSt untersagt, ohne vorheriges förmliches Vergabeverfahren den Zuschlag auf das Angebot eines Wettbewerbers zu erteilen. In diesem Verfahren habe die ASt die VSt nach Ausspruch der Kündigung auf ihre Pflicht hingewiesen, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht, ausstehende Arbeiten in einem gesonderten Vergabeverfahren ausschreiben zu müssen. Auch habe die VSt die Vollendung der noch offenen Leistungen durch ein Drittunternehmen vorab angekündigt. Die VSt habe somit bereits zum zweiten Mal in kürzester Zeit trotz mehrfacher Erinnerung durch die ASt davon abgesehen, Restleistungen nach ausgesprochener Kündigung auszuschreiben. Aus Sicht der ASt bestehe somit die konkrete Gefahr, dass die Antragsgegnerin auch zukünftig noch offene Restleistungen nach einer Kündigung vergibt, ohne diese öffentlich auszuschreiben.
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag sei auch begründet.
Der ursprüngliche Nachprüfungsantrag sei begründet gewesen. Die VSt habe vergaberechtswidrig davon abgesehen, die streitgegenständlichen Restarbeiten europaweit auszuschreiben.
Es würden keine Ausnahmetatbestände vorliegen, die eine Direktvergabe rechtfertigen. Dem stehe auch nicht der Einwand der VSt mit der Ausnahme nach § 30 Abs. 2 KommHV-Doppik i.V.m. der Bekanntmachung zur Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich (IMBek) entgegen. Diese Ausnahme finde nur auf Vergaben von Aufträgen unterhalb des EUSchwellenwertes Anwendung. Mit einem Gesamtvolumen von mehr xx Millionen Euro überschreite das Bauvorhaben den geltenden Schwellenwert. Für die Zwecke der Schwellenwertberechnung seien die Rückbauarbeiten mit den Kosten der weiteren Bauleistungen des Bauvorhabens zu addieren.
Im Übrigen wiederholte die ASt, dass auch der Einwand der besonderen Dringlichkeit nach § 3a Abs. 3 Nr. 4 EU VOB/A nicht greife.
Mit Schriftsatz vom 01.10.2024 erwiderte die VSt.
Hinsichtlich des Vortrags der ASt zur Wiederholungsgefahr ergänzte die VSt, dass gegen die einstweilige Verfügung vom 27.05.2024 Widerspruch eingelegt worden sei. Die VSt habe weder angekündigt noch vorgehabt, die Restleistungen ohne Berücksichtigung des Vergaberechts zu beauftragen. In der mündlichen Verhandlung habe der Vertreter der ASt den Rechtsstreit für erledigt erklärt, nachdem von ihm unstreitig gestellt worden sei, dass die VSt die betroffenen Leistungen ausschreiben werden. Die VSt habe dieser Erledigterklärung nicht zugestimmt. Im Urteil des Landgerichts vom 30.07.2024 sei die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt und die Kosten der VSt auferlegt worden. Das Berufungsverfahren laufe derzeit noch. Eine Wiederholungsgefahr lasse sich allein mit dem Beschluss des Landgerichts bzw. mit dem dahinterstehenden Sachverhalt nicht begründen, da in diesem Fall kein Auftrag ohne vorherige Ausschreibung vergeben worden sei bzw. vergeben werden sollte.
Mit Schriftsatz vom 08.10.2024 wiederholten und vertieften die Verfahrensbevollmächtigten der ASt ihre bisherige Rechtsauffassung.
Es drohe eine konkrete Wiederholungsgefahr. Dies werde durch das Verhalten der VSt eindrucksvoll bestätigt. Die VSt versuche das Ausmaß der Rechtsverletzungen zu relativieren. Das Landgericht habe bereits eine Kostenentscheidung zu Lasten der VSt erlassen, nachdem das Verfahren aufgrund der Erledigung beendet worden sei. Diese Entscheidung zeige auf, wer die Verantwortung trage. Auch im vorliegenden Verfahren habe sich die VSt rechtswidrig dazu entschieden, auf eine ordnungsgemäße Ausschreibung der Restleistungen zu verzichten. In beiden Verfahren habe die ASt die VSt wiederholt und eindringlich auf ihre Pflicht zur Ausschreibung hingewiesen. Die VSt habe jedoch sehenden Auges gehandelt und den Vergabeverstoß zumindest billigend in Kauf genommen.
Mit Schriftsatz vom 21.10.2024 wiederholte und vertiefte die VSt ihre bisherige Rechtsauffassung. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht. Eine vermeintliche Absicht bzw. drohende Gefahr der Direktvergabe, die zu dem Erlass der einstweiligen Verfügung geführt habe, habe zu keinem Zeitpunkt bestanden, weshalb es auch keinen schwerwiegenden Vergabeverstoß gegeben habe.
Die Verfahrensbeteiligten haben am 30.09.2024 und 01.10.2024 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die Verfahrensakte der Vergabekammer und die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, Bezug genommen.
Begründung:
Die erkennende Vergabekammer konnte gemäß § 166 Abs. 1 S. 3 GWB ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Verfahrensbeteiligten einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt haben.
Eine Beiladung des beauftragten Drittunternehmens war im vorliegenden Fall nicht (mehr) erforderlich, da dessen Interessen durch die Entscheidung der Vergabekammer nicht schwerwiegend berührt werden, vgl. § 162 Satz 1 GWB. Die ASt hat nach Eintritt der Erledigung ihren Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Auftrags nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht mehr weiterverfolgt.
Der Nachprüfungsantrag in Gestalt des Fortsetzungsfeststellungsantrages nach § 168 Abs.
2 Satz 2 GWB ist zulässig und begründet.
1. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist zulässig.
a) Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist statthaft, nachdem sich das Nachprüfungsverfahren "in sonstiger Weise" im Sinne von § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB erledigt und die ASt ihren ursprünglichen Nachprüfungsantrag entsprechend umgestellt hat.
Aufgrund des zwischenzeitlich erfolgten Abschlusses der streitgegenständlichen Restabbrucharbeiten besteht für die VSt kein Beschaffungsbedarf mehr, wodurch eine Erledigung im Sinne von § 168 Abs. Satz 2 GWB eingetreten ist.
b) Weitere ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung für den Feststellungsantrag ist das Vorliegen eines besonderen Feststellungsinteresses. Das notwendige Feststellungsinteresse rechtfertigt sich durch jedes gemäß vernünftigen Erwägungen und nach Lage des Falles anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition des Antragstellers in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern. Ein solches Feststellungsinteresse kann gegeben sein, wenn der Antrag der Vorbereitung einer Schadensersatzforderung dient, eine hinreichend konkrete, an objektiven Anhaltspunkten festzumachende Wiederholungsgefahr besteht oder die Feststellung zur Rehabilitierung des Bieters erforderlich ist, weil der angegriffenen Entscheidung ein diskriminierender Charakter zukommt. Das Feststellungsinteresse ist mit der Umstellung der ursprünglichen Anträge auf den Feststellungsantrag explizit zu begründen (vgl. OLG Düsseldorf, B.v. 30.06.2021 - Verg 43/20).
Die ASt hat ihr Feststellungsinteresse mit einer drohenden konkreten Wiederholungsgefahr aufgrund des bisherigen Verhaltens der VSt begründet. Die ASt trägt vor, dass sich die VSt gegenüber der ASt wiederholt vergaberechtswidrig verhalten habe und einen Auftrag ohne vorherige Ausschreibung durchgeführt habe. Hierzu verweist die ASt auf ein Verfahren vor dem Landgericht xxxxxx in dem die ASt die VSt nach Ausspruch der Kündigung ebenfalls auf ihre Pflicht hingewiesen habe, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht, ausstehende Arbeiten in einem gesonderten Vergabeverfahren ausschreiben zu müssen. Auch dort habe die VSt die Vollendung der noch offenen Leistungen durch ein Drittunternehmen vorab angekündigt. Mit Beschluss vom 27.05.2024 sei der VSt untersagt worden, ohne vorheriges förmliches Vergabeverfahren den Zuschlag auf das Angebot eines Wettbewerbers zu erteilen. Im Urteil des Landgerichts vom 30.07.2024 sei die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt worden und die Kosten der VSt auferlegt worden. Die VSt habe somit bereits zum zweiten Mal in kürzester Zeit trotz mehrfacher Erinnerung durch die ASt davon abgesehen, Restleistungen nach ausgesprochener Kündigung auszuschreiben. Aus Sicht der ASt bestehe somit die konkrete Gefahr, dass die VSt auch zukünftig noch offene Restleistungen nach einer Kündigung vergibt, ohne diese öffentlich auszuschreiben.
Eine Wiederholungsgefahr wird als gegeben angesehen, wenn anzunehmen ist, dass der Auftraggeber in gleich gelagerten Fällen die als vergaberechtswidrig beanstandete Handlung erneut vornehmen wird (vgl. VK Südbayern, B. v. 28.02.2023, 3194.Z3-3_01-22-41).
Nach Auffassung der Vergabekammer ist dies vorliegend der Fall. Die VSt hat im streitgegenständlichen Nachprüfungsverfahren das eigene Vorgehen weiter in der Sache als rechtmäßig verteidigt und auch gegen die oben genannte Entscheidung des Landgerichts Beschwerde vor dem Oberlandesgericht eingelegt. Nach dem Vorbringen der VSt liegt es nahe, dass diese auch künftig die Position einnehmen wird, in gleichgelagerten Fallkonstellationen nicht zu europaweiten Ausschreibungen verpflichtet zu sein, so dass die Gefahr einer Wiederholung besteht.
c) Unabhängig von der Frage, ob die Zulässigkeit des Feststellungsantrages auch die Zulässigkeit des ursprünglichen Nachprüfungsantrages voraussetzt (vgl. Nowak in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl. 2019, § 168 GWB, Rn. 36 m.w.N.; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 168 GWB, Rn. 136; a.A. Beck VergabeR/Antweiler, 3. Aufl. 2017, § 168 GWB, Rn. 63 m.w.N), war der ursprüngliche Nachprüfungsantrag zulässig.
aa) Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfungsverfahren nach § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 Satz 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.
bb) Die VSt ist öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 1 GWB.
cc) Bei den streitgegenständlichen Restleistungen der Abbrucharbeiten handelt es sich um einen öffentlichen Bauauftrag im Sinne von § 103 Abs. 3 GWB.
dd) Der Auftragswert übersteigt den maßgeblichen Schwellenwert nach § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i.V.m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU.
Für die Frage, ob der Schwellenwert erreicht wird, ist auf den voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer abzustellen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 EU VOB/A i.V.m. § 3 Abs. 1 VgV). Isoliert betrachtet liegt hier der Auftragswert der ausstehenden Restleistungen unterhalb des geltenden Schwellenwertes. Entgegen der Rechtsauffassung der VSt sind vorliegend Gegenstand der Auftragswertschätzung jedoch nicht lediglich die ausstehenden Restleistungen. Bei Kündigung des Altauftrags und neuer Vergabe der noch nicht fertiggestellten oder nur mangelhaft erbrachten Leistungen ist für den nach § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert auf den gekündigten Altauftrag abzustellen (vgl. OLG Frankfurt, B. v. 07.06.2022, 11 Verg 12/21).
Ungeachtet dessen, dass sich die VSt nicht ausdrücklich auf § 3 Abs. 9 VgV berufen hat, führt die ASt zutreffend aus, dass diese Vorschrift mit der Folge, dass für die Frage einer Schwellenwertüberschreitung allein auf den Auftragswert der Restabbrucharbeiten abzustellen wäre, vorliegend nicht in Betracht kommt. Nach § 3 Abs. 9 VgV kann der öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe einzelner Lose zwar von § 3 Abs. 7 Satz 3 VgV abweichen, wenn der geschätzte Nettowert des betreffenden Loses bei Bauleistungen unter 1 Million Euro liegt und die Summe der Nettowerte dieser Lose 20 Prozent des Gesamtwerts aller Lose nicht übersteigt. Der Auftraggeber muss jedoch die Lose, die unter die 20-Prozent-Grenze fallen sollen, bei Einleitung des Vergabeverfahrens festlegen und diese Festlegung dokumentieren. Eine nachträgliche Änderung der Loszuteilung ist durch die Selbstbindung des Auftraggebers nicht mehr möglich (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 11.12.2019 - Verg 53/18).
ee) Die ASt ist antragsbefugt. Antragsbefugt ist nach § 160 Abs. 2 GWB jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat, eine Verletzung in eigenen, bieterschützenden Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB geltend macht und einen dadurch entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Ein Interesse am Auftrag im Sinne von § 160 Abs. 2 GWB liegt grundsätzlich immer dann vor, wenn sich der Bieter an der Ausschreibung beteiligt und ein ernst zu nehmendes Angebot abgegeben hat (Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB Vergaberecht, 4. Aufl. 2016, § 160 GWB Rn. 43). lm vorliegenden Vergabeverfahren hat die ASt zwar kein Angebot abgegeben. Dies hindert aber nicht ihr Interesse am Auftrag. Unternehmen, die keinen Teilnahmeantrag oder kein Angebot abgegeben haben, aber substantiiert rügen, gerade hieran durch vergaberechtswidriges Verhalten der Vergabestelle gehindert worden zu sein, sind insoweit grundsätzlich antragsbefugt (vgl. BayObLG, B.v. 04.02.2003 - Verg 31/02). Für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ist insoweit die schlüssige Behauptung der Rechtsverletzung erforderlich, aber regelmäßig auch ausreichend (BGH, B.v. 26.09.2006 - X ZB 14/06). Ob der Rechtsverstoß tatsächlich vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit. Die ASt hat vorliegend schlüssig behauptet, dass sie kein Angebot abgeben konnte, weil die VSt keine europaweite Ausschreibung durchgeführt hat. Daraus folgt ferner ein der ASt drohender Schaden wegen fehlender Zuschlagsmöglichkeit.
ff) Es steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB entgegen, da gemäß
§ 160 Abs. 3 Satz 2 GWB bei einem Feststellungsantrag nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB keine Rügeobliegenheit besteht.
gg) Die Fristen des § 135 Abs. 2 GWB zur Anbringung des Nachprüfungsantrags - 30 Kalendertage nach der Information der Bieter durch den öffentlichen Auftraggeber über den Abschluss des Vertrags und nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss - sind durch den Nachprüfungsantrag vom 12.09.2024 gewahrt.
hh) Der bereits erteilte Zuschlag steht der Statthaftigkeit des Nachprüfungsverfahrens nicht entgegen im Sinne von § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB, da der Nachprüfungsantrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des öffentlichen Auftrags gemäß § 135 GWB gerichtet ist (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 12.06.2019 - Verg 54/18).
2. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist begründet.
Nach § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB stellt die Vergabekammer fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat. Mit der Beauftragung eines Drittunternehmens im Wege eines Nachtrags über die Restabbrucharbeiten ohne Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens hat die VSt die ASt in ihrem Recht aus § 97 Abs. 6 GWB auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren verletzt.
a) Entgegen der Rechtsauffassung der VSt kann sich diese vorliegend nicht auf § 30 Abs. 2 KommHV-Doppik i.V.m. der Bekanntmachung zur Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich (IMBek) berufen. Gemäß der genannten Bekanntmachung wird dort die Vergabe von Aufträgen geregelt, soweit nicht Bundesrecht vorgeht. Vorliegend findet allerdings für die streitgegenständliche Leistung der 4. Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen Anwendung, mithin vorrangiges Bundesrecht.
b) Im vorliegenden Fall findet die Vorschrift § 132 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GWB Anwendung, infolgedessen der Anwendungsbereich des § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GWB nicht eröffnet ist.
Gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 GWB erfordern wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit ein neues Vergabeverfahren. Nach § 132 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GWB liegt eine wesentliche Änderung insbesondere vor, wenn ein neuer Auftragnehmer den Auftragnehmer in anderen als den in § 132 Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 GWB vorgesehenen Fällen ersetzt. Entgegen der Rechtsauffassung der VSt handelt es sich trotz der erfolgten Kündigung des Altauftrags um einen Fall der Ersetzung des Auftragnehmers während der Vertragslaufzeit (vgl. BayObLG, B. v. 21.02.2024, Verg 5/12).
Nach der Systematik des § 132 GWB kann in einem solchen Fall der Auftragnehmer ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens nur unter den Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GWB ersetzt werden. Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GWB liegen hier jedoch nicht vor.
Damit ist im vorliegenden Fall § 132 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GWB nicht anwendbar (vgl. BayObLG, B. v. 21.02.2024, Verg 5/12).
Ebenso ist § 132 Abs. 3 GWB nicht einschlägig. Die Beauftragung des Drittunternehmens im Wege von Nachträgen mit Nachunternehmereinsatz stellt eine Änderung des Gesamtcharakters des Auftrags dar (vgl. VK Südbayern, B. v. 28.02.2023, 3194.Z3-3_0122-41).
Die streitgegenständlichen Restabbrucharbeiten hätten daher auch nach der Kündigung des ursprünglichen Auftragnehmers erneut öffentlich ausgeschrieben werden müssen.
c) Im Übrigen kommt - wie die ASt zutreffend ausgeführt hat - insbesondere § 3a Abs. 3 Nr. 4 EU VOB/A nicht in Betracht. Ungeachtet dessen, dass diese Vorschrift lediglich die Wahl der Verfahrensart betrifft, liegen deren Voraussetzungen nicht vor. Eine äußerste Dringlichkeit der Leistung aus zwingenden Gründen infolge von Ereignissen, die die VSt nicht verursacht hat und nicht voraussehen konnte, so dass selbst die Fristen in § 10a EU, § 10b EU, § 10c EU VOB/A nicht eingehalten werden können, ist vorliegend nicht gegeben. Eine zügige Weiterführung der Arbeiten zur schnelleren Sicherstellung der ...... Nutzung des Neubaugebäudeteils an der ...... sowie eine sparsame und wirtschaftliche Mittelverwendung gemäß dem Haushaltsrecht genügen hierfür nicht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
a) Die VSt trägt die Verfahrenskosten, weil sie mit ihren Anträgen unterlegen ist, § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB.
b) Die Kostenerstattung gegenüber der ASt ergibt sich aus § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.
c) Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten war für die ASt notwendig (§ 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG). Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach gelagerten Fall, so dass es der ASt nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen.
d) Die Gebühr war nach § 182 Abs. 2 und Abs. 3 GWB festzusetzen. Da die ASt kein Angebot abgegeben hat, errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamtes nach der hilfsweisen Heranziehung der Bruttonachtragsvereinbarung der VSt und unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwandes der Vergabekammer eine Gebühr in Höhe von x.xxx,-- Euro .
Da ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte und keine Beiladung erfolgte, wird die Gebühr jeweils um xxx,-- Euro auf x.xxx,-- Euro reduziert.
e) Die VSt ist gemäß § 182 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG (in der am 14.08.2013 geltenden Fassung) von der Zahlung der Gebühr befreit. Sofern der Kostenvorschuss in Höhe von 2.500,- Euro von der ASt einbezahlt wurde, wird dieser nach Bestandskraft dieses Beschlusses an die ASt zurücküberwiesen.
[...]
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VK Sachsen
Beschluss
vom 21.01.2025
1/SVK/022-24
1. Ein öffentlicher Auftraggeber darf sich grundsätzlich auf die Angaben der Bieter und die von ihnen in ihren Angeboten abgegebenen Leistungsversprechen verlassen. Nur wenn sich Zweifel ergeben, die das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht plausibel erscheinen lassen, und Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Bieter die vom Auftraggeber vorgegebenen Anforderungen möglicherweise nicht erfüllen kann, ist de Auftraggeber verpflichtet, Aufklärung zu verlangen und die ausreichende Leistungsfähigkeit des Bieters durch Einholung weiterer Informationen zu prüfen.*)
2. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet es, dass ein Auftraggeber regelmäßig jede Auskunft, die er einem anfragenden Bieter erteilt, auch allen anderen Bietern erteilt. Andernfalls läuft der Auftraggeber Gefahr, gegen das Gebot der Gleichbehandlung und Chancengleichheit aller Bieter zu verstoßen. Ein Auftraggeber darf eine Bieterfrage allenfalls im Einzelfall individuell beantworten, wenn es sich nicht um eine zusätzliche sachdienliche Information handelt.*)
3. Der Umstand, dass ein Bieter selbst eine Bieterfrage gestellt hat und als einziger eine Antwort erhalten hat, lässt eine Rechtsverletzung nicht entfallen. Denn es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Bieter durch die Berücksichtigung der ihm erteilten Antwort auf seine Bieterfrage einen Wettbewerbsnachteil erlitten hat, während andere Bieter, denen die Antwort nicht bekannt war, die Vorgabe nicht beachtet haben und dadurch günstiger anbieten konnten bzw. einen Wettbewerbsvorteil erlangen.*)
4. Eine Preisprüfung ist durchzuführen, wenn der Preisabstand zum nächsthöheren Angebot 20% oder mehr beträgt. Dabei ist auf die Differenz des Gesamtpreises und nicht auf einzelne Preispositionen abzustellen.*)
5. Über die Kosten des Eilverfahrens (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) wird im Hauptsacheverfahren entschieden. Es löst gesonderte Vergabekammergebühren aus, über die getrennt und unabhängig davon zu entscheiden ist, wer die Kosten in der Hauptsache trägt. Dabei ist anerkannt, dass die Kostenlast für das Eilverfahren und den Nachprüfungsantrag in der Hauptsache unterschiedliche Beteiligte treffen kann.*)
6. Für die Kosten des Eilverfahrens nach § 169 Abs. 2 Satz 1 GWB (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) gelten die gleichen Grundsätze wie für die Kosten des Nachprüfungsverfahrens in der Hauptsache. Die Frage der Verteilung der Kosten des Eilverfahrens richtet sich daher konkret nach den §§ 182 Abs. 3 Satz 1 GWB analog, der bestimmt, dass soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, er die Kosten zu tragen hat.*)
VK Sachsen, Beschluss vom 21.01.2025 - 1/SVK/022-24
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass sich das Nachprüfungsverfahren durch die Erteilung des Zuschlags erledigt hat.
2. Es wird festgestellt, dass die selektive Beantwortung einer Bieterfrage gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen hat und die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt wurde.
3. Es wird festgestellt, dass die unzureichende Prüfung der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen durch den Auftraggeber die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt hat.
4. Der Auftraggeber und die Beigeladene tragen die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Hauptsacheverfahrens (Nachprüfungsverfahren) gesamtschuldnerisch. Die Kosten werden auf x....,xx EUR festgesetzt und sind allein von der Beigeladenen zu tragen. Der Auftraggeber ist von der Zahlung der Gebühren befreit.
5. Der Auftraggeber und die Beigeladene tragen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren (Nachprüfungsverfahren) je zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre Aufwendungen im Hauptsacheverfahren (Nachprüfungsverfahren) selbst.
6. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren (Nachprüfungsverfahren) wird für notwendig erklärt.
7. Die Kosten des Eilverfahrens (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) trägt die Antragstellerin. Die Kosten des Eilverfahrens werden auf x....,xx EUR festgesetzt.
8. Die Antragstellerin trägt die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Auftraggebers im Eilverfahrens (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung). Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre Aufwendungen im Eilverfahrens (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) selbst.
9. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für den Auftraggeber im Eilverfahrens (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) wird für notwendig erklärt.
Gründe:
I.
Gegenstand des streitigen Nachprüfungsverfahrens ist die interimsweise Vergabe von Abfallentsorgungsdienstleistungen, konkret die Übernahme und Verwertung von Papierabfällen in der Region X (Los A) und der Region Y (Los B).
Die Antragstellerin ist Bestandsdienstleisterin in den streitigen Regionen. Der Bestandsvertrag endet am 30. September 2024.
Der Auftraggeber hatte eine reguläre Ausschreibung zum Hauptauftrag als offenes Verfahren durchgeführt und beabsichtigt, die Leistungen der Übernahme und Verwertung von Altpapier aus seinem Verbandsgebiet im Leistungszeitraum 1. Oktober 2024 bis zum 31. Dezember 2026 zu vergeben. Die Antragstellerin beteiligte sich dort fristgerecht mit Angeboten für die beiden streitigen Losen. Der Auftraggeber teilte ihr mit Informationsschreiben vom 29. Mai 2024 mit, dass beabsichtigt sei, der Beigeladenen den Zuschlag für die Lose A und B für den Hauptauftrag zu erteilen. Mit Schreiben vom 3. Juni 2024 rügte die Antragstellerin verschiedene Vergaberechtsverstöße. Sie wendete sich insbesondere gegen den ihrer Ansicht nach unzureichenden Inhalt des Informationsschreibens, die Eignung der Beigeladenen, Abweichungen des Angebots der Beigeladenen von den Vergabeunterlagen und eine fehlerhafte Preisaufklärung. Nach Zurückweisung ihrer Rüge stellte sie betreffend die Lose A und B des Hauptauftrages am 6. Juni 2024 einen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer (1/SVK/017-24). Einer Zuschlagserteilung für den Hauptauftrag (Leistungszeitraum 1. Oktober 2024 bis zum 31. Dezember 2026) in den Losen A (Region X) und Los B (Region Y) steht das Zuschlagsverbot aus
§ 169 Abs. 1 GWB entgegen. Über den Nachprüfungsantrag zum Hauptauftrag wurde bislang nicht entschieden.
Der Auftraggeber leitete am 19. Juni 2024 ein Interimsvergabeverfahren ein. Er beabsichtigt, die interimsweise Vergabe der streitigen Leistungen - Übernahme und Verwertung von Altpapier - in den streitigen Regionallosen A und B für einen Leistungszeitraum vom 1. Oktober 2024 bis längstens 30. Juni 2025 interimsweise zu vergeben. Dazu führte er ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durch, welches den Gegenstand dieses Nachprüfungsverfahrens darstellt.
Im Interimsvergabeverfahren wurden alle Bieter des vorangegangenen offenen Verfahrens um die Abgabe eines Angebots gebeten. Die Antragstellerin beteiligte sich mit einem Angebot für die streitigen Lose A und B. Ihr wurde mit dem Informationsschreiben vom 15. August 2024 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen (identisch mit der Beigeladenen des Nachprüfungsverfahrens betreffend den Hauptauftrag) zu erteilen.
Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis. Hierzu wird ein Vergleichspreis aus den vom Auftraggeber zu zahlenden Entgelten für die Entsorgungsleistungen (Übernahme, Umschlag, Beförderung und Verwertung) und anderseits an den Auftraggeber zu zahlende bzw. auszukehrende mengenabhängige Vergütungen berechnet.
Mit Schreiben vom 19. August 2024 rügte die Antragstellerin, dass das Informationsschreiben unzureichend und fehlerhaft sei. Es enthalte nicht die in § 134 Abs. 1 GWB geforderten Mindestangaben. Es sei nicht mitgeteilt worden, welcher Faktor für die Berechnung des Vergleichspreises ausschlaggebend gewesen sei und ob bei der Berechnung der Wegstrecke (Entfernung Referenzpunkt - Übernahmestelle) nur die einfache (Hinfahrt) oder ausgehend von den Vergabeunterlagen zutreffend die doppelte Wegstrecke (Hin- und Rückfahrt) berücksichtigt wurde.
Zudem sei die mitgeteilte Absicht, den Zuschlag in den Losen A und B auf die Angebote der Beigeladenen zu erteilen, fehlerhaft. Diese sei nach Kenntnis der Antragstellerin nicht leistungsfähig. Ihr Angebot sei nach § 122 Abs. 1 GWB und § 42 Abs. 1 VgV vom Vergabewettbewerb auszuschließen. Möglicherweise enthalte das Angebot zudem Abweichungen von den Vorgaben der Vergabeunterlagen. Die Beigeladene verfüge nach Kenntnis der Antragstellerin nicht über die gemäß der Leistungsbeschreibung erforderliche Übernahmestelle. Diese sei im Angebot zu benennen und müsse sich in einem Umkreis von maximal 30 km von einem jeweils festgelegten Referenzpunkt befinden. In den Vergabeunterlagen seien detaillierte Anforderungen an Beschaffenheit, Ausstattung und Genehmigung der Übernahmestelle enthalten. Nach sicherer Kenntnis der Antragstellerin verfüge die Beigeladene über keine diesen Anforderungen entsprechende Übernahmestelle. Die Beigeladene verfüge weder über eine eigene Betriebsstätte, welche den Vorgaben der Leistungsbeschreibung entspreche, noch könne sie sich insoweit eines Nachunternehmens bedienen. Ausweislich der öffentlichen Zertifizierung der Beigeladenen habe diese keinen eigenen Standort im geforderten Umkreis von 30 km. Sie könne sich auch nicht einer entsprechenden Betriebsstätte eines möglichen Nachunternehmens bedienen. Somit sei die Beigeladene nicht hinreichend leistungsfähig. Man bezweifele und rüge auch, dass das Angebot der Beigeladenen vollständig gewesen sei und alle geforderten Unterlagen enthalten habe.
Des Weiteren rüge man im Hinblick auf die streitigen Lose A und B eine unzureichende Aufklärung des Angebotspreises der Angebote der Beigeladenen. Man vermute, dass die Angebote der Beigeladenen in den streitigen Losen jeweils als die niedrigsten bzw. wirtschaftlichsten Angebote bewertet worden seien. Dies sei nicht vorstellbar, weil die Antragstellerin in beiden Losen dem Auftraggeber außerordentlich vorteilhafte Konditionen angeboten habe. Es sei für die Antragstellerin nicht vorstellbar, dass die Beigeladene noch günstigere Angebotskonditionen angeboten haben könne, es sei denn, dies beruhe auf einer Nichtberücksichtigung der Kosten von allen Anforderungen entsprechenden Übernahmestellen. Man gehe deshalb davon aus, die nach § 60 Abs. 1 VgV vorgesehene Preisaufklärung entweder gar nicht oder aber fehlerhaft durchgeführt worden sei. In diesem Zusammenhang bedürfe es ferner der Klärung, ob in den Angeboten der Beigeladenen die Vorgaben aus den Vergabeunterlagen zur Kalkulation eingehalten worden seien. Sollte dies nicht der Fall sein, wären die Angebote der Beigeladenen auch wegen eines Verstoßes zur Verpflichtung zur vollständigen Angabe von Preisen und wegen Verstoßes gegen das Verbot der Mischkalkulation auszuschließen.
Die Transportaufwendungen seien falsch berechnet worden. Dies schließe man aus der Akteneinsicht zum Hauptauftrag (1/SVK/017-24). Aus den Vergabeunterlagen ergebe sich, dass die tatsächlichen Kosten für Transportaufwendungen zu berücksichtigen seien. Dies bedeute, dass die tatsächlich zurückgelegte Strecke (also Hin- und Rückfahrt zur Übernahmestelle und zurück) zu berücksichtigen sei und nicht, wie sich aus der Wertung zum Hauptauftrag ergebe, nur die Hinfahrt.
Am 22. August 2024 stellte die Antragstellerin bei der Vergabekammer einen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens betreffend das Interimsvergabeverfahren. Sie begehrt, dem Auftraggeber die Zuschlagserteilung in den Losen A und B zu untersagen und ihn zu verpflichten, die Angebotswertung nach Maßgabe der Feststellung der Vergabekammer zu wiederholen.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig, insbesondere sei die Antragstellerin antragsbefugt. Sie habe sich mit Angeboten für die ausgeschriebene Dienstleistung in den zwei streitigen Losen beteiligt, diese sehr wirtschaftlich kalkuliert und laufe nun Gefahr, den Auftrag nicht zu erhalten.
Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet.
Das Informationsschreiben erfülle nicht alle Anforderungen des § 134 GWB. Der bloße Verweis auf den berechneten Vergleichspreis sei unzureichend. Die einzelnen Faktoren zur Berechnung des Vergleichspreises seien offen zu legen und darzulegen, welcher davon den Ausschlag für die Wertung gab.
Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass die Wertung der Angebote der Beigeladenen und ggf. auch die Angebote der Antragstellerin selbst fehlerhaft gewertet worden seien. Man mache deshalb die im Rügeschreiben vorgebrachten Kritikpunkte ausdrücklich zum Gegenstand des Nachprüfungsantrages.
Dies betreffe im Einzelnen, dass die Beigeladene keine den Anforderungen entsprechende Übernahmestelle angegeben habe. Die Angebote der Beigeladenen seien deshalb auszuschließen. Über Übernahmestellen, die die Anforderungen des Auftraggebers hinsichtlich des vollständigen Vorliegens aller öffentlich-rechtlichen Genehmigungen, ihrer Eignung für die Abfallart Papierabfälle, ihre Lage in einer maximalen Entfernung von 30 km, der geforderten Beschaffenheit und Ausstattung der Übernahmestelle, die auch der geforderten Beschaffenheit von Ausstattung der Übernahmestelle entsprechend den besonderen Anforderungen der Verpackungsrücknahmesysteme erfüllen, verfüge die Beigeladene nicht. Sie sei deshalb mangels technischer Leistungsfähigkeit nicht geeignet. Zudem weichen ihre Angebote von den Vorgaben der Vergabeunterlagen ab.
Die Antragstellerin besitze jedenfalls sichere Kenntnisse über die am Markt verfügbare Anlageninfrastruktur in den streitigen Losen. Danach sei auszuschließen, dass die Beigeladene allein oder unter Heranziehung von Nachunternehmen über die geforderte Übernahmestelle verfüge. Nach Kenntnis der Antragstellerin könne die Beigeladene die Vorgabe zur Gestellung einer Übernahmestelle auch nicht durch Inanspruchnahme eines Nachunternehmens erfüllt haben. Hierfür bedürfe es der Benennung eines entsprechenden Nachunternehmens nebst Eignungsleihe. Dies sei nach Kenntnis der Antragstellerin auszuschließen. Insbesondere sei zu bezweifeln, dass eine durch die Beigeladene benannte Übernahmestelle alle technischen und organisatorischen Vorgaben der Leistungsbeschreibung erfülle.
Sollte die Beigeladene nicht alle geforderten Unterlagen und Erklärungen zu den Übernahmestellen in ihrem Angebot vorgelegt haben, seien ihre Angebote auszuschließen.
Unabhängig von der fehlenden Eignung der Beigeladenen und der weiteren Mängel in deren Angeboten indiziere die Nichtbeantwortung der Rüge durch den Auftraggeber, dass eine ordnungsgemäße Preisprüfung nicht stattgefunden habe. Hierzu sei nochmals darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin ein sehr attraktives Angebot unterbreitet habe, was sich an der Grenze zu den Mindestkosten bewege. Es sei deshalb wirtschaftlich nicht plausibel, dass die Angebote der Beigeladenen günstiger gewesen sein können und gleichzeitig alle Vorgaben der Vergabeunterlagen hinreichend berücksichtigen.
Die Transportaufwendungen seien fehlerhaft berücksichtigt worden. Wegen der Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren zum Hauptauftrag gehe man davon aus, dass auch in diesem Interimsvergabeverfahren die Transportaufwendungen nicht anhand der tatsächlichen Wegstrecke für die Hin- und Rückfahrt, sondern fehlerhaft nur für die Hinfahrt berechnet worden sind.
Zur Nachprüfung durch die Vergabekammer werde auch gestellt, ob die Angebote der Beigeladenen durchweg die erforderlichen Preisangaben enthalten. Dabei würden die Vorgaben der 3. Bieterinformation zum Hauptvergabeverfahren auch im Interimsvergabeverfahren gelten und hätten bei der Angebotsgestaltung berücksichtigt werden müssen. Zudem müssten die Antworten auf die Bieterfragen der Antragstellerin, welche im Hauptvergabeverfahren gestellt worden seien, auch hier eingehalten werden.
Mit Beschluss vom 26. August 2024 wurde die Beigeladene zum Verfahren hinzugezogen.
Der Antragstellerin wurde am 26. August 2024 und der Beigeladenen am 27. August 2024 Akteneinsicht gewährt.
Mit Schriftsatz vom 28. August 2024 nahm der Auftraggeber zum Nachprüfungsantrag Stellung und beantragte, dass der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen werde sowie, dass dem Auftraggeber gestattet werde, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 GWB zu erteilen.
Es handele sich bei dem streitigen Vergabeverfahren um eine Interimsvergabe. Das Vergabeverfahren über die Hauptleistungen stehe aktuell bei der Vergabekammer zur Überprüfung unter dem Aktenzeichen 1/SVK/017-24 an. Der im Hauptverfahren zu findende Auftragnehmer solle mit den Leistungen am 1. Oktober 2024 beginnen. Dies werde nicht möglich sein. Zum einen laufe das Vergabenachprüfungsverfahren noch und ein Termin zur mündlichen Verhandlung sei noch nicht bestimmt worden. Zum anderen müsse der Auftraggeber die zweiwöchige Wartefrist nach § 173 Abs. 1 Satz 2 GWB beachten. Schließlich benötige der Auftragnehmer nach Schätzung des Auftraggebers eine Vorlaufzeit von drei Wochen, um mit den Leistungen beginnen zu können.
Vor diesem Hintergrund führe der Auftraggeber derzeit das streitige Interimsvergabeverfahren durch. Es handele sich um ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb. Zur Angebotsabgabe seien alle geeigneten Unternehmen, die ein Angebot im Hauptverfahren abgegeben haben, aufgefordert worden. Hierfür soll eine feste Laufzeit von drei Monaten mit zwei Verlängerungsoptionen für den Auftraggeber von jeweils ebenfalls drei Monaten vereinbart werden.
Die Antragstellerin mache mit dem vorliegenden Nachprüfungsantrag im Wesentlichen die gleichen Beanstandungen wie im Hauptverfahren 1/SVK/017-24 geltend. Bereits in jenem Nachprüfungsverfahren habe der Auftraggeber nachgewiesen, dass die Beanstandungen unbegründet seien. Eine Entscheidung der Vergabekammer und des OLG Dresden stehe jedoch noch aus.
Der Auftraggeber müsse als Träger der öffentlichen Daseinsvorsorge wegen seiner gesetzlichen Verpflichtungen nach dem Gesetzgeber das In-Verkehr-Bringen, die Rücknahme und die hochwertige Verwertung von Verpackungen (VerpackG) dafür sorgen, dass die im Verbandsgebiet anfallenden Altpapiermengen auch ab dem 1. Oktober 2024 verwertet werden. Deshalb stelle der Auftraggeber einen Antrag auf Vorabgestattung des Zuschlags.
Hinsichtlich des Nachprüfungsantrags seien die erhobenen Beanstandungen der Antragstellerin unbegründet. Die gerügte Information nach § 134 GWB sei ausreichend. Der Preis sei das einzige Zuschlagskriterium. Die Information, wonach die Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe, sei vor diesem Hintergrund ausreichend. Das Vergabeverfahren sei geheim zu führen. Dem Auftraggeber sei es versagt, den Bietern Informationen über die Preisbildung anderer Bieter zukommen zu lassen. Die Antragstellerin sei nicht darüber zu informieren, ob sie beispielsweise bei dem zeitabhängigen oder dem mengenabhängigen Vergütungsanteil einen Nachteil gegenüber der Beigeladenen habe.
Bezüglich der Übernahmestellen habe der Auftraggeber die gleichen Anforderungen gestellt wie im Hauptverfahren. Die Eignungsprüfung sei im Interimsvergabeverfahren nochmals separat vorgenommen worden. Die Beigeladene habe im Rahmen der Interimsvergabe die gleiche Übernahmestelle angeboten wie im Hauptverfahren. In diesem habe man im Schriftsatz vom 22. August 2024 bereits vorgetragen, dass die Übernahmestelle der Beigeladenen alle Anforderungen erfüllt. Die von der Antragstellerin im hiesigen Nachprüfungsantrag auf Seite 9 zitierten Spiegelpunkte aus den Vergabeunterlagen erfüllen die von der Beigeladenen benannte Übernahmestelle vollständig. Hierzu verweise man auf den Sachvortrag im Hauptsacheverfahren 1/SVK/017-24. Der Auftraggeber habe sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin aktuelle Nachweise der Beigeladenen auch nicht noch einmal vorlegen lassen müssen. Die Vergabestelle sei bereits in Besitz dieser Unterlagen. Dies treffe insbesondere im Hinblick auf die Nachweise zu den Übernahmestellen zu. Die von der Beigeladenen benannten Übernahmestellen seien dem Auftraggeber seit Jahren bekannt. Die Genehmigungen seien öffentlich einsehbar, und die Anlage erfülle alle Anforderungen.
Es habe kein Anlass bestanden, in eine vertiefte Preisprüfung einzutreten. Das Angebot der Beigeladenen sei nicht besonders niedrig. Es gebe keine auffälligen Preisbestandteile, die hätten aufgeklärt werden müssen. Vielmehr würden sich die Preise der Beigeladenen in jeder Hinsicht im erwartbaren Rahmen bewegen.
Hinsichtlich der Preiswertung habe sich im Hauptverfahren gezeigt, dass der Auftraggeber den Vergleichspreis bedauerlicherweise falsch berechnet habe. Dabei handele es sich um nur ganz geringfügige Abweichungen. Die Wertungsreihenfolge werde dadurch nicht verändert. Gleiches gelte auch für die Interimsvergabe. Auch hier habe der Auftraggeber den Vergleichspreis falsch berechnet. Die Neuberechnungen würden keine Änderungen in der Rangfolge ergeben. Die Vergleichspreise variieren um wenige Cent. Hierzu hat der Auftraggeber eine tabellarische Übersicht gefertigt, welche die Abweichungen darstellt. Diese seien als Anlage der Stellungnahme beigefügt.
Dem Antrag auf Vorabgestattung des Zuschlags sei stattzugeben.
Könne das Altpapier ab dem 1. Oktober 2024 nicht mehr verwertet werden, würde der Auftraggeber gegen seine gesetzlichen Verpflichtungen nach dem VerpackG verstoßen und es würden sich zudem erheblich nachteilige finanzielle Folgen für ihn einstellen. Diese Folgen würden im schlimmsten Fall nicht nur die blauen Tonnen betreffen, sondern auch die gelben Säcke und die Entsorgung von Altglas.
Zunächst sei hierbei zu berücksichtigen, dass die ausgeschriebene Verwertung des Altpapiers zu Erlösen für den Auftraggeber führe. Während die Sammlung, der Transport und die Verwertung beispielsweise vom Restabfall und anderen Abfallarten zu finanziellen Belastungen des Auftraggebers führen, sei die Verwertung des Altpapiers eine notwendige Geldquelle. Monatlich erlöse der Auftraggeber aus der Verwertung des Altpapiers für die beiden streitigen Lose ca. 250.000 EUR. Mit diesen Erlösen finanziere der Auftraggeber die Aufwendungen, die für die Sammlung, den Umschlag und den Transport des Altpapiers aufgegeben werden müssen. Ohne die Verwertungserlöse könne er seine Verpflichtungen gegenüber denjenigen Unternehmen, die das Altpapier einsammeln, nicht erfüllen. Die dargestellte drohende Liquiditätslücke habe erhebliche Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung durch den Auftraggeber. Dessen Wirtschaftsplanung erfolge ausschließlich auf Basis des Prinzips der Kostendeckung. Eine Quersubventionierung mit anderen Aufgabenbereichen des Zweckverbandes sei kommunalabgabenrechtlich verboten. Eine nachträgliche Anpassung des Wirtschaftsplanes und der Haushaltssatzung für das Jahr 2024 sei bis zum Jahresende nicht möglich. Gleiches gelte für die Gebühreneinnahmen des Auftraggebers. Die aktuelle Gebührensatzung sei durch die Verbandsversammlung beschlossen und durch die Landesdirektion Sachsen bestätigt worden und gelte bis zum 31. Dezember 2026.
Die Papiertonnen ("blaue Tonnen") würden nicht nur zur Sammlung des im Verbandsgebiet des Auftraggebers anfallenden Altpapiers dienen, sondern auch durch die dualen Systeme in Deutschland genutzt werden. Dies betreffe Verpackungen aus Pappe und Papier der Systembetreiber, die in den blauen Tonnen mit entsorgt würden. Diese Mitbenutzung sei durch das Verpackungsgesetz festgeschrieben und in Abstimmungsvereinbarungen des Auftraggebers mit allen dualen Systemen vertraglich fixiert. Für das Altpapier, welches der Auftraggeber für die dualen Systeme verwertet, habe er monatliche Zahlungen an die dualen Systeme zu erbringen. Der Anteil der Verwertungserlöse belaufe sich auf ca. 125.000 EUR pro Monat für die beiden streitgegenständlichen Lose. Diesen Betrag müsse er monatlich an insgesamt zehn duale Systeme auskehren. Diese finanzielle Verpflichtung bestünde nach den abgeschlossenen Verträgen auch dann, wenn die blauen Tonnen nicht geleert würden, das heißt, wenn der Auftraggeber keine Zahlung vom Verwerter des Papiers erhalte. Eine Stundung sei vertraglich nicht vorgesehen und auf unbestimmte Zeit auch nicht vertretbar. Alternativ zur Zahlung an die dualen Systeme müsste der Auftraggeber 50% der erfassten Papiermengen bereitstellen und an diese herausgeben. Dies sei praktisch undurchführbar. Wenn der Auftraggeber die Verwertungserlöse nicht an die dualen Systeme zahlen könne bzw. die Altpapiermengen nicht an diese herausgeben könne, bestünde letztlich keine andere Möglichkeit, als die Abstimmungsvereinbarung zu kündigen. Im Ergebnis werde dann auch die Entsorgung der gelben Säcke und des Altglases gefährdet. In letzter Konsequenz könnten dann zehn duale Systeme ihre gesetzliche Verpflichtung zur flächendeckenden Verpackungsentsorgung nicht mehr sicherstellen.
Hinsichtlich der Folgen für die Allgemeinheit sei auszuführen, dass die Sammlung, der Umschlag und die Verwertung des kommunalen Altpapiers Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge sei und eine kommunale Pflichtaufgabe des Auftraggebers darstelle. Dieser sei gesetzlich verpflichtet, das anfallende Altpapier zu sammeln und zu verwerten. Es stehe nicht im Belieben des Auftraggebers, die Sammlung und Verwertung des Altpapiers ab dem 1. Oktober 2024 auszusetzen. Dieser gesetzlichen Verpflichtung müsse der Auftraggeber auch dann nachkommen, wenn sich zwei Unternehmen darum streiten, wer von ihnen einen kommunalen Auftrag erhalten solle. Diese gesetzliche Verpflichtung habe den Hintergrund, dass negative Folgen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die Umwelt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt als solchen vermieden werden sollen. Würden die blauen Tonnen nicht mehr geleert werden, käme es innerhalb von kürzester Zeit zu Ansammlungen von Papierabfällen im öffentlichen Straßenraum. Dies würde nicht nur das Stadtbild und die Lebensqualität der Bevölkerung beeinträchtigen, sondern vielmehr auch zu erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit führen. Das Papier sei leicht entzündlich. Unkontrolliert abgelagertes Altpapier stelle eine erhebliche Brandlast dar und habe bereits zu verheerenden Bränden geführt. Nicht geleerte bzw. überfüllte Papiertonnen verursachen Unfallgefahren. Dadurch würden Gehwege blockiert, Sturzgefahren verursacht und die Mobilität eingeschränkt. Nasses Altpapier sei rutschig und würde zwangsläufig zu Stürzen, insbesondere von älteren Menschen, führen. Schließlich biete unkontrolliert abgelagertes Altpapier einen idealen Nährboden für Schädlinge, wie Ratten, Mäuse und Insekten. Diese Tiere können Krankheiten verbreiten und Menschen und andere Tiere dadurch gefährden. Unkontrolliert abgelagertes, nasses Altpapier löse sich auf und es komme zu Schimmelbildung. Diese würde die Luftqualität verschlechtern und Atemwegserkrankungen wie Asthma oder Allergien verschlimmern können. Werde das Altpapier nass, z. B. durch Regenfälle, verrotte es innerhalb kurzer Zeit. Dabei komme es zur Freisetzung schädlicher Chemikalien und Druckfarben, welche in das Erdreich eindringen und das Grundwasser kontaminieren.
Die nachträgliche Beseitigung unkontrolliert abgelagerten Altpapiers sei in erheblichem Maße kostspieliger und komplexer als die reguläre Abholung. Diese Kosten müssten auf die Bevölkerung umgelegt werden. Nasses Altpapier werde durch keine Papierfabrik mehr angenommen. Ein wertvoller Rohstoff würde verloren gehen. Dann würde der Auftraggeber keine Erlöse aus dem Verkauf des Altpapiers mehr erlösen können und müsste das nasse Altpapier in einer Müllverbrennungsanlage für Kosten von 150 bis 200 EUR/t verbrennen lassen. Über Abfallgebühren würden die Bürger dann dreifach (keine Erlöse, zusätzliche Aufwendungen der Beräumung, Kosten der Verbrennung) belastet werden.
Eine Nichtleerung der blauen Tonne stelle somit nicht nur einen Verstoß gegen geltendes Recht dar, sondern würde auch zu einem Vertrauensverlust in die öffentliche Verwaltung führen. Erbringe die öffentliche Hand nicht mehr grundlegende Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, würden diese sich fragen, warum sie sich selbst an die geltenden abfallrechtlichen Normen halten sollen.
Demgegenüber wären die Folgen für die Antragstellerin gering. Die Antragstellerin würde lediglich für einen Zeitraum von maximal neun Monaten den von ihr erwarteten Gewinn verlieren. Es stünden sich ein finanzielles Interesse der Antragstellerin und die gesetzliche Verpflichtung zur Daseinsvorsorge des Auftraggebers gegenüber. Das Gewinninteresse der Antragstellerin müsse hinter die gesetzlichen Verpflichtungen und die Sicherheit der öffentlichen Daseinsvorsorge zurücktreten.
Hierbei sei ein besonderer Umstand zu beachten. Die Antragstellerin sei die bisherige Bestandsdienstleisterin in den streitigen Losen A und B. Sie habe die bestehenden Entsorgungsverträge gekündigt. Das Kalkül der Antragstellerin sei dabei gewesen, die dann notwendige Neuausschreibung des Auftraggebers zu gewinnen und dabei niedrige Verwertungserlöse durchsetzen zu können. Sie sei davon ausgegangen, dass nur sie selbst in der Lage sein würde, die notwendigen Übernahmestationen zu stellen. Dies gehe aus ihrem Vortrag in beiden Nachprüfungsverfahren hervor. Die gesamte Situation wäre nicht eingetreten, wenn die Antragstellerin die bestehenden Entsorgungsverträge nicht gekündigt, sondern fortgeführt hätte. Dies sei im Rahmen der Interessenabwägung mit zu berücksichtigen.
Zu beachten sei schließlich, dass der Auftraggeber die Vorabgestattung nur für die Interimsvergabe begehre und nicht für die Hauptvergabe. Der Anspruch auf Primärrechtsschutz für den Hauptvertrag bleibe bestehen.
Mit Schriftsatz vom 2. September 2024 nahm die Antragstellerin zum Antrag auf Vorabgestattung des Zuschlags sowie zur erhaltenen Akteneinsicht Stellung.
Sie beantragt,
dass der Antrag auf Gestattung des Zuschlags nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung zurückgewiesen werde.
Bei der Entscheidung über den Vorabgestattungsantrag seien die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages zu berücksichtigen.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet. Das streitgegenständliche Interimsvergabeverfahren leide unter einer Vielzahl unterschiedlicher Vergaberechtsverstöße, weshalb die guten Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages einer Vorabgestattung des Zuschlags entgegenstehen. Dies begründe sich sowohl hinsichtlich der ursprünglich erhobenen Rügen als auch weiterer, erst anhand des Inhalts der Vergabeakte erkennbarer Vergabefehler.
Die gesetzlichen Anforderungen an das Informationsschreiben nach § 134 GWB seien nicht vollständig erfüllt worden. Als einziges Zuschlagskriterium wurde hier ein Vergleichspreis aus unterschiedlichen Bestandteilen herangezogen. Für die Nachvollziehbarkeit des Wertungsergebnisses komme es entscheidend auf das relative Verhältnis der von den Beteiligten angebotenen Vergleichspreisbestandteile an.
Der Auftraggeber habe eine unzulässige individuelle Beantwortung von Bieterfragen durchgeführt. Dies habe man bereits im Rügeschreiben vom 19. August 2024 geltend gemacht. Mittlerweile habe sich die diesbezügliche Praxis des Auftraggebers als uneinheitlich erwiesen. Sie weiche im Hauptvergabeverfahren (1/SVK/017-24) und dem hier streitigen Interimsvergabeverfahren (1/SVK/022-24) voneinander ab. Dadurch seien beide Vergabeverfahren mit erheblichen Vergaberechtsverstößen belastet. Der Auftraggeber habe gegen seine Verpflichtung zur Transparenz und Gleichbehandlung der Bieter sowie gegen seine Verpflichtung verstoßen, den Bietern eine einheitliche Kalkulationsgrundlage zur Verfügung zu stellen und zu gewährleisten, dass die Angebote miteinander verglichen werden können. Dies deshalb, weil er seine Antworten auf gestellte Bieterfragen nicht allen Bietern gleichmäßig zur Verfügung gestellt habe.
Dies ergebe sich aus folgenden Umständen: Der Auftraggeber habe die Antragstellerin am 5. Juli 2024 zur Angebotsabgabe im Interimsvergabeverfahren aufgefordert. Er habe dabei darauf hingewiesen, dass im Hauptvergabeverfahren zwei allgemeine Bieterinformationen veröffentlicht worden seien und diese zu beachten seien. Mit Nachricht vom 15. Juli 2024 habe er gegenüber der Antragstellerin ausgedrückt, dass alle den Bietern im Hauptvergabeverfahren zur Verfügung gestellten Informationen auch im Interimsvergabeverfahren berücksichtigt und angewandt werden sollen. Daher sei die Antragstellerin davon ausgegangen, dass die Vergabeunterlagen des Interimsvergabeverfahrens gegenüber denen des Hauptvergabeverfahrens gleich verstanden werden sollten (mit Ausnahme der ausdrücklich ersichtlichen Abweichungen). Davon seien sicherlich auch alle anderen Bieter ausgegangen.
Nunmehr ergebe sich jedoch Folgendes:
Im Hauptvergabeverfahren habe der Auftraggeber am 15. Februar 2024 und 16. Februar 2024 zwei Bieterfragen eines unbekannten Bieters erhalten. Diese Fragen seien relativ komplex gewesen. Sie beträfen das Verständnis von § 9 der Vertragsbedingungen und eine dazu vorgelegte Beispielsrechnung zur Ermittlung des Vergütungsbetrags. Die andere Frage vom 16. Februar 2024 habe das Verständnis von § 10 der Vertragsbedingungen und einen Vorschlag des Bieters zur Handhabung der Entgeltabrechnung betroffen. Diese beiden Bieterfragen habe der Auftraggeber lang beantwortet und dabei umfangreiche Erläuterungen zur Entgeltabrechnung, Preisanpassung und Vergütungsabrechnung angestellt. Beide Antworten habe der Auftraggeber nur individuell dem Fragesteller, aber nicht der Antragstellerin, zur Verfügung gestellt.
Im Hauptvergabeverfahren habe die Antragstellerin am 11. März 2024 eine Bieterfrage gestellt, die die Zulässigkeit einer Verrechnung einer etwaigen von einer Papierfabrik gezahlten Vergütung mit dem angebotenen Entgeltbetrag. In seiner Antwort vom 12. März 2024 erläuterte der Antragsgegner die Anforderungen an das Entgeltangebot und sein Verständnis der Entgeltabrechnung. Diese Antwort habe der Auftraggeber nur individuell der Antragstellerin, aber nicht anderen Bietern zur Verfügung gestellt.
Im Interimsvergabeverfahren habe die Antragstellerin am 12. Juli 2024 vier Bieterfragen gestellt. Die Fragen beträfen Erläuterungen zu den Abweichungen der Vergabeunterlagen des Interimsvergabeverfahrens zum Hauptvergabeverfahren, das Verständnis von § 3 Abs. 2 und § 5 Abs. 2 der Vertragsbedingungen und die Eignungsprüfung im Interimsvergabeverfahren. Der Auftraggeber habe die Bieterfragen am 15. Juli 2024 umfangreich beantwortet. Dabei habe er nur die Antwort zur Frage 3 allen Bietern zur Verfügung gestellt und die Antworten zu den Fragen 1, 2 und 4 nur individuell der Antragstellerin übermittelt.
Die Antragstellerin sei dadurch diskriminiert worden, dass ihr im Hauptvergabeverfahren die Antworten auf die Bieterfragen eines unbekannten Bieters vom 16. und 20. Februar 2024 vorenthalten worden. Der unbekannte Bieter verfüge über überlegenes Wissen vom Verständnis der Vertragsbedingungen und hinsichtlich der Entgeltabrechnung. Dieses Wissen habe nur der unbekannte Fragesteller verwerten können. Die Antragstellerin hätte sicher ein anderes Angebot abgegeben, wenn sie diese Information ebenfalls erhalten hätte.
Die Beigeladene hat keine oben genannten Antworten erhalten. Sie habe diese daher auch in ihrer Angebotskalkulation nicht berücksichtigt. Die Informationen hätten jedoch unzweifelhaft Kalkulationsrelevanz. Dies sei für die Antworten des Auftraggebers an den unbekannten Bieter am 16. und 20. Februar 2024 offensichtlich. Das Verständnis der Vertragsbedingungen und die Handhabung der Entgelt- und Vergütungsabrechnung sei für jeden Bieter kalkulationsrelevant. Auch die Antworten des Auftraggebers an die Antragstellerin vom 12. März 2023 seien kalkulationsrelevant. Bei der Beantwortung sei es auch nicht nur um eine bloße Bestätigung gegangen, wonach Mischkalkulationen im vergaberechtlichen Sinne nicht zulässig seien, sondern darüberhinausgehend auf darum, ob ein von einer Papierfabrik vergütetes Entgelt mit dem im Vergabeverfahren angebotenen Entgelt verrechnet werden dürfe. Die verneinende Antwort des Antragsgegners sei für alle Bieter von Bedeutung.
Dasselbe gelte für die Beantwortung der Fragen 1, 2 und 4 der Antragstellerin durch den Auftraggeber am 15. Juli 2024. Insbesondere bei der Frage Nr. 2 sei es um die Vermeidung eines drohenden Missverständnisses im Hinblick auf vorgenommene Änderungen der Vertragsbedingungen im Interimsvergabeverfahren gegenüber dem Hauptvergabeverfahren gegangen. Die Streichung der Vertragsregelung in § 3 Abs. 2 der Vertragsbedingungen hätte je nach Verständnis zu unterschiedlichen Kalkulationen geführt, denn der Umfang der vertraglichen Haftung sei ein wesentlicher Kalkulationsfaktor. In Kenntnis der Antwort des Auftraggebers habe ein Bieter sich nur spekulativ für eine von zwei möglichen Auslegungsvarianten entscheiden können. Eine einheitliche Kalkulationsgrundlage sei so nicht gewährleistet.
Durch die individuelle Beantwortung sei der Vergabewettbewerb verzerrt worden. Auch eine Bestätigung des Inhalts der Vergabeunterlagen habe klarstellenden Charakter und müsse deshalb allen Bietern als Antwort zur Verfügung gestellt werden. Ein für Bieterfragen anerkannter Ausnahmefall, in dem die Antwort nur individuell erfolgt, läge hier nicht vor.
Aus der Akteneinsicht habe sich nunmehr ergeben, dass der Auftraggeber keine Eignungsunterlagen angefordert habe und eine unvollständige Eignungsprüfung durchgeführt habe. Eine schlichte Eignungsunterstellung sei gesetzlich nicht vorgesehen und rechtswidrig. Soweit der Auftraggeber diesbezüglich auf § 50 Abs. 3 Nr. 2 VgV verweise, erlaube diese Vorschrift nur den Verzicht auf die Anforderungen bestimmter Unterlagen, soweit der Bieter im laufenden Vergabeverfahren bereits eine aktuelle einheitliche europäische Eigenerklärung vorgelegt habe und soweit die Vergabestelle im Besitz der betreffenden Unterlagen sei. Die Beigeladene habe keine einheitliche europäische Eigenerklärung vorgelegt, noch sei der Auftraggeber in Besitz von Eignungsnachweisen für dieses Interimsvergabeverfahren. Die anderen vom Auftraggeber im Vergabevermerk auf Seite 7 aufgeführten Gründe seien nicht überprüfbar. Es handele sich um pauschale Lehrformeln. Eine Dokumentation der Eignungsprüfung sei nicht vorhanden.
Darüber hinaus wären andere Unterlagen, welche die Beigeladene dem Auftraggeber im Hauptvergabeverfahren übermittelt habe, mittlerweile fast ein halbes Jahr alt. Sie seien damit nicht mehr aktuell und dürften zur Eignungsprüfung nicht mehr verwendet werden. Dies gelte insbesondere für die Verpflichtungserklärung eines Eignungsverleihers. Der Interimsauftrag habe eine sehr viel kürzere Auftragsdauer. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtung läge es nahe, dass der Eignungsverleiher seine Kapazitäten der Beigeladenen nicht "automatisch" zur Verfügung stelle.
Die Akteneinsicht bestätige, dass die Beigeladene keine den Anforderungen entsprechende Übernahmestelle vorhalte. Weder die Antragserwiderung noch die Akteneinsicht würden darauf schließen lassen, dass die von der Beigeladenen benannte Übernahmestelle die erforderliche Kapazität aufweise. Aus der Akteneinsicht gehe nicht hervor, um welche Anlage es sich konkret handele und mit welchen Kapazitäten die Anlage ausgestattet sei. Hierbei sei hauptsächlich zu berücksichtigen, dass es um Papierabfälle aus den Losen A und B gehe. Zudem hätte geprüft werden müssen, dass die Kapazität der Übernahmestelle der Beigeladenen auch wirklich frei sei und diesbezüglich nicht nur auf die insgesamt genehmigte Anlagenkapazität abgestellt werden dürfe.
Die von der Beigeladenen benannten Übernahmestellen verfügten nicht über die erforderlichen Genehmigungen. Weder aus der Antragserwiderung noch der Akteneinsicht lasse sich dies schließen.
Die Beigeladene verfüge nicht über eine hinreichende Ersatzübernahmestelle. Diese müsste die Übernahmestelle in vollem Umfang ersetzen und dürfte ihrerseits nicht unter Kapazitäts- und Genehmigungsdefiziten leiden. Hierzu habe der Auftraggeber nichts vorgetragen. Er habe das Angebot der Beigeladenen offensichtlich nicht hinreichend geprüft.
Eine hinreichende Preisprüfung habe nicht stattgefunden. Die Vergabeakte enthalte keinerlei Erwägungen über die Angemessenheit des von der Beigeladenen angebotenen Vergleichspreises und seiner Bestandteile. Sein Ermessen hinsichtlich der Durchführung einer Preisaufklärung habe der Auftraggeber daher von vornherein nicht gebraucht. Dies belege den Ermessensausfall.
Selbst wenn der Auftraggeber in irgendeiner Form eine Preisaufklärung durchgeführt hätte, hätte er nicht lediglich den Vergleichspreis aufklären dürfen, sondern dessen Preisbestandteile (Entgelt und Vergütung) in die Preisprüfung einbeziehen müssen. Die Verpflichtung zur Preisprüfung werde bereits dann ausgelöst, wenn nur einer der drei Werte (Entgelt, Vergütung und Vergleichspreis) die Aufgreifschwelle berührt hätte.
Der Auftraggeber habe die Transportaufwendungen fehlerhaft ermittelt. Hierzu habe man bereits im Hauptvergabeverfahren entsprechende Rechenfehler des Auftraggebers geltend gemacht und dieser solche auch eingeräumt. Gleiches gelte für das Interimsvergabeverfahren. Dies führe im Ergebnis auch zu einer fehlerhaften Ermittlung des Vergleichspreises.
Eine Vorabgestattung des Zuschlages komme hier nicht in Betracht. Der diesbezügliche Antrag des Auftraggebers sei ebenfalls unbegründet. Das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin überwiege deutlich gegenläufigen Interessen des Auftraggebers. Beim hierfür anzuwendenden Beurteilungsmaßstab sei darauf hinzuweisen, dass in aller Regel eine Vorabgestattung zu versagen sei, denn das Zuschlagsverbot habe grundsätzlich Vorrang, während die Interessen des Auftraggebers und der Allgemeinheit keinen grundsätzlichen Vorrang gegenüber dem Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin genießen. Die Vorabgestattung sei nur in dringenden Ausnahmefällen möglich, wenn für die Aufhebung des Zuschlagsverbots streitende Interessen das Interesse der Antragstellerin an effektivem Rechtsschutz erheblich und deutlich überwiegen. Die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrages seien nach Maßgabe des § 169 Abs. 2 Satz 5 GWB in die Interessenabwägung einzustellen.
Da der Nachprüfungsantrag hohe Erfolgsaussichten habe, komme eine vorzeitige Zuschlagserteilung nicht in Betracht. Hierzu sei nochmals auszuführen, dass das VorabInformationsschreiben vom 15. August 2024 nicht die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt. Der Auftraggeber habe das Vergabeverfahren intransparent und diskriminierend geführt, indem er die überwiegende Zahl der Bieterfragen willkürlich nur individuell beantwortet habe, obwohl der Inhalt seiner Antworten kalkulationsrelevant sei. Er habe dadurch die Antragstellerin diskriminiert und dafür gesorgt, dass jeder Bieter von einer unterschiedlichen Kalkulationsgrundlage ausgegangen sei. Die Angebote seien einer vergleichenden Wertung nicht mehr zugänglich. Der Auftraggeber habe keine ordnungsgemäße Eignungsprüfung durchgeführt und unterstellt hier die Eignung der Beigeladenen ohne genauere Prüfung. Die Beigeladene verfüge über keine den Vorgaben der Leistungsbeschreibung entsprechende Übernahmestelle und auch über keine geeignete Ersatzübernahmestelle. Der Auftraggeber habe auch den Vergleichspreis fehlerhaft berechnet. Soweit der Auftraggeber vortrage, dass dem Antrag auf Vorabgestattung stattzugeben sei, weil die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe das Interesse der Antragstellerin an einem wirksamen Vergaberechtsschutz überwiegen, sei dem nicht zu folgen. Diesbezüglich stelle der Auftraggeber seinen Vortrag hinsichtlich der möglicherweise geschädigten öffentlichen Interessen vornehmlich auf eine angebliche Verletzung eigener Verpflichtungen nach dem Verpackungsgesetz. Dies sei nicht nachvollziehbar. Die diesbezüglichen Ausführungen seien nicht substantiiert dargelegt worden. Welche konkreten nachteiligen Folgen eine verzögerte Zuschlagserteilung habe, mache er nicht geltend. Entsprechende vertragliche Regelungen, wonach der Auftraggeber Erlöse erziele und auf diese verzichten müsste, wenn die Altpapierverwertung unterbrochen werde, lege er nicht offen. Die Erlösausfälle seien jedenfalls begrenzt.
Hinsichtlich der Folgen für die Allgemeinheit belege der Auftraggeber seine dargestellten Szenarien nicht. Er vernachlässige auch völlig, dass es bei der Vergabe der streitigen Leistung an einen ungeeigneten Auftragnehmer durchaus zu einem längeren Ausfall der Leistungen kommen könne. Das hiesige Nachprüfungsverfahren betreffend die Interimsvergabe werde bis zum 26. September 2024 andauern. Bis dahin sei die Verwertung des Altpapiers gesichert. Danach schließe sich ein maximaler Übergangszeitraum von maximal vier Wochen an. Das Zuschlagsverbot würde demnach, sollte die Antragstellerin unterliegen, noch im Oktober entfallen. Würde die Antragstellerin Erfolg haben, wäre die Fortdauer des Zuschlagsverbotes notwendig und angemessen.
Unhaltbare Zustände würden innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen nicht eintreten. Der Auftraggeber habe nicht dargelegt, dass er über "Pufferkapazitäten" zur Lagerung der Altpapiersammelmenge verfüge. Durch entsprechende Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit könne sichergestellt werden, dass die blauen Tonnen nicht zum Abholtermin an den Straßenrand gestellt würden. Unlösbare Probleme würden dadurch nicht entstehen. Eine Beeinträchtigung für einen derart kurzen Zeitraum könne jedenfalls nicht eine Verkürzung des Primärrechtsschutzes rechtfertigen.
Zu Einnahmeausfällen des Auftraggebers würde es nicht kommen. Das Altpapier würde mit Verzögerung in den sich anschließenden späteren Zeitpunkt abgeholt werden und könnte dann der Verwertung zugeführt werden. Eine drohende Kostenmehrbelastung des Auftraggebers würde ohnehin keine Vorabgestattung des Zuschlags rechtfertigen.
Eine über mehrere Monate sich hinziehende Verzögerung der Verwertung des Altpapiers sei unrealistisch. Das Beschwerdegericht könnte bei einem Rechtsmittel ohne weiteres die Möglichkeit ergreifen, den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde abzulehnen.
Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass durch die vorzeitige Auftragserteilung an ein ungeeignetes und nicht leistungsfähiges Unternehmen wesentlich schwerwiegendere negative Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit eintreten. Dies sei hier mit Blick auf die Beigeladene ein realistisches Szenario.
Im Hinblick auf die Interessen der Antragstellerin sei zu berücksichtigen, dass durch eine vorzeitige Zuschlagsgestattung hier verfassungsrechtlich und vergabegesetzlich verbürgtes Recht auf effektiven Primärrechtsschutz vereitelt werden würde. Ihr Angebot liegt in der Wertung auf Rang 2. Sie habe ein gewichtiges Interesse am Erhalt des Auftrags.
Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass die Zeit zwischen der Rüge am 19. August 2024 und dem beabsichtigten Auftragsbeginn zur Korrektur der gerügten Vergaberechtsverstöße ausgereicht hätte. Der Auftraggeber hätte allen Rügen der Antragstellerin abhelfen können.
Der Auftraggeber trage die alleinige Verantwortung für eine etwaige Verzögerung des Auftragsbeginns. Die angesprochene Kündigung des Bestandsvertrages durch die Antragstellerin sei bereits am 15. Juni 2022 ausgesprochen worden. Dennoch habe der Auftraggeber das Hauptvergabeverfahren über den Anschlussauftrag erst am 13. Februar 2024 bekannt gemacht. Damit entfalle sein Schutzbedürfnis. Die Antragstellerin habe allgemeine Zuschlagsaussichten. Ihr Angebot läge auf Rang 2 und das Angebot der Beigeladenen sei nicht zuschlagsfähig.
Man beantrage ergänzende Akteneinsicht. Die zur Verfügung gestellten Akten seien in hohem Umfang geschwärzt. Dies gelte insbesondere für die Korrespondenz zwischen Auftraggeber und der Beigeladenen sowie das mit der Beigeladenen geführte Verhandlungsgespräch.
Vom Auftraggeber wurde am 4. September 2024 mitgeteilt, dass die individuell beantworteten Bieterfragen keinerlei Kalkulationsrelevanz hätten. Es sei auszuschließen, dass die Antragstellerin in Kenntnis der Antworten ein anderes Angebot abgegeben hätte.
Hinsichtlich der Frage eines unbekannten Bieters zum Rechenweg bezüglich der monatlichen Anpassung der mengenabhängigen Vergütung habe man diesem lediglich bestätigt, dass sein Rechenweg zutreffend sei. Gleiches gelte für die Frage nach den Stichtagen der Entgeltabrechnung. Zu diesen seien klare Vorgaben in den Vergabeunterlagen enthalten, welche man bestätigt habe. Es habe keine Änderung der Vertragsunterlagen oder der Kalkulationsgrundlage gegeben. Bezüglich der Frage zur Abrechnung sei die Antwort, dass dafür die im Angebot abgefragten Preispositionen maßgeblich seien, eine Selbstverständlichkeit. Schließlich habe die Beschreibung der Gründe, warum man die Vergabeunterlagen geändert habe, nichts mit der inhaltlichen Klarheit der Vergabeunterlagen zu tun.
Unabhängig davon sei darauf hinzuweisen, dass die Bieterfragen zum Hauptauftrag teils von einem unbekannten Bieter stammen, der sich gar nicht am Interimsvergabeverfahren beteiligt habe und die anderen Fragen von der Antragstellerin selbst stammen würden. Welchen Nachteil und subjektive Rechtsverletzung die Antragstellerin durch die teils nur individuelle Beantwortung der Fragen erlitten haben soll, sei nicht ersichtlich.
Die Beigeladene sei geeignet.
Eine Ersatzübernahmestelle sei im Angebot weder zu benennen noch im Vertragszeitraum vorzuhalten. Hierzu seien die Vorgaben in den Vergabeunterlagen eindeutig. Nur bei (einer späteren) Abweichungen vom Regelbetrieb sehe die Leistungsbeschreibung eine Verpflichtung zur Benennung einer Ersatzübernahmestelle vor. Auch die Antragstellerin habe in ihrem Angebot keine Ersatzübernahmestelle benannt.
Die Berechnung der Transportaufwendungen sei in den Vergabeunterlagen klar vorgegeben gewesen. Man habe sogar eine Beispielsrechnung beigefügt.
Die Beigeladene nahm nicht zum Eilantrag auf Gestattung der vorzeitigen Zuschlagserteilung Stellung.
Die Vergabekammer entschied mit Beschluss vom 9. September 2024, dass es dem Auftraggeber gestattet wird, den Zuschlag zu erteilen (1/SVK/022-24G).
Von der Beigeladenen wurde mit Schriftsatz vom 12. September 2024 mitgeteilt, dass sich ihre Übernahmestelle im vorgeschriebenen Umkreis von 30 km befinde, die genehmigte Kapazität und Betriebszeiten ausreichend seien und die Genehmigung inhaltlich sich auf die einschlägige Abfallart Papier und Pappe beziehe. Man beantrage deshalb, dass der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen werde und die Antragstellerin die Kosten zu tragen habe sowie festgestellt werde, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Beigeladene notwendig war.
Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2024 trug die Antragstellerin vor, dass das Vergabeverfahren zum Interimsauftrag unter mehreren Vergaberechtsverstößen leiden.
Der Auftraggeber habe in unzulässiger Weise Bieterfragen nur individuell beantwortet. Dies sei vom Sachverhalt her nunmehr unstreitig. Im Hauptvergabeverfahren (1/SVK/017-24) betreffe dies zwei Bieterfragen eines unbekannten Bieters und eine Bieterfrage der Antragstellerin. Im hier streitigen Interimsvergabeverfahren seien drei Bieterfragen der Antragstellerin nur individuell ihr gegenüber beantwortet worden.
Dabei müsse berücksichtigt werden, dass der Auftraggeber die gleichen Bewerbungsbedingungen zur Grundlage des Haupt- und Interimsvergabeverfahrens gemacht habe. Im Interimsvergabeverfahren (1/SVK/022-24) habe er auf die Unterlagen des offenen Verfahrens zum Hauptauftrag (1/SVK/017-24) und insbesondere die beiden Bieterinformationen verwiesen. Das durch die ungleichmäßige Beantwortung von Bieterfragen verursachte uneinheitliche Verständnis der Bieter von den Bewerbungsbedingungen habe sich somit jeweils im Haupt- und Interimsvergabeverfahren gleichmäßig ausgewirkt.
An die Beantwortung von Bieterfragen lege die Rechtsprechung inklusive der erkennenden Kammer einen strengen Maßstab an. Demnach müssten Bieterfragen und Antworten allen Bietern zeitgleich in demselben Umfang bekannt gemacht werden. Dies gelte immer dann, wenn dadurch zusätzliche sachdienliche Auskünfte gegeben werden. Dieser Begriff sei weit auszulegen. Sachdienlich seien demnach Auskünfte schon dann, wenn sie objektiv mit der Sache zu tun haben und Missverständnisse ausräumen oder Verständnisfragen zu den Vergabeunterlagen beantworten und ihre Relevanz für die Angebotserstellung nicht gänzlich auszuschließen sei. Die Einschätzung, ob eine zusätzlich erteilte Auskunft relevant sei oder nicht, obliege dem Bieter. Nur Fragen, deren Beantwortung sich in bloßen Wiederholungen von ohnehin bekannten und zweifelsfrei transparenten Vorgaben erschöpfe, dürfen die Schwelle zur Auskunft oder zur Zusatzinformation nicht überschreiten.
Vorliegend hätten alle Antworten objektiv mit der Sache - nämlich mit den Bedingungen, unter denen die Bieter im Haupt- und Interimsvergabeverfahren Angebote abgeben konnten - zu tun. Alle Antworten seien geeignet gewesen, drohende Missverständnisse auszuräumen. Auch lediglich bestätigende Antworten seien geeignet, zu einem einheitlich gesicherten Verständnis der Vergabeunterlagen beizutragen. Denn die Bestätigung des Inhalts der Vergabeunterlagen habe klarstellenden Charakter. Die Relevanz für die Angebotserstellung sei hier nicht gänzlich auszuschließen.
Die Information des Auftraggebers an den unbekannten Bieter im Hauptvergabeverfahren (1/SVK/017-24) bezüglich der Bieterfragen vom 16. Februar 2024 und 20. Februar 2024 hätten das Verständnis der Vertragsbedingungen und die Handhabung der Entgelt- und Vergütungsabrechnung erleichtert. Sie sei geeignet gewesen, Missverständnisse zu beseitigen oder ihnen vorzubeugen. Die Antragstellerin hätte die Bestätigung der Beispielsrechnung samt Klarstellung zum Verständnis von § 9 der Vertragsbedingungen auch in ihrer eigenen Angebotskalkulation berücksichtigt, wenn sie diese Informationen gekannt hätte. Gleiches gelte für die umfangreiche Klarstellung vom 20. Februar 2024 zu § 10 der Vertragsbedingungen. Hätte der unbekannte Bieter sich weiter am Vergabeverfahren beteiligt, hätte er im Haupt- und im Interimsvergabeverfahren über überlegenes Wissen hinsichtlich des Verständnisses der Vertragsbedingungen sowie der Entgeltabrechnung, Preisanpassung und Vergütungsabrechnung verfügt. An der Vergaberechtswidrigkeit ändere sich nichts, nur, weil der unbekannte Bieter sich gegen eine Beteiligung an den beiden streitigen Losen entschieden habe. Zwar hätten die verbliebenen Bieter keine Benachteiligung durch einen Wissensnachteil unmittelbar gegenüber dem unbekannten Bieter erfahren. Gleichwohl würden die individuell übermittelten Informationen verbindliche Vorgaben für das Vergabeverfahren machen, welche der Auftraggeber bei der Angebotsprüfung und - Wertung auch weiterhin angewandt habe. Die dem unbekannten Bieter mitgeteilten Informationen galten daher auch für das Angebot der Antragstellerin, ohne dass diese davon wissen konnte. Dadurch sei nicht nur das Wettbewerbsverhältnis der Antragstellerin zum unbekannten Bieter betroffen, sondern auch zur Beigeladenen. Durch das Vorhalten der Information sei es der Antragstellerin verwehrt, diese Information bei ihrer Kalkulation zu berücksichtigen. Es sei weder auszuschließen, dass die Antragstellerin ein anderes Angebot abgegeben hätte, wenn sie diese Information ebenfalls erhalten hätte, noch, dass die Beigeladene in diesem Fall ein anderes Angebot abgegeben hätte. Insbesondere sei nicht auszuschließen, dass die Beigeladene in beiden Vergabeverfahren schärfer kalkuliert habe, weil sie in Unkenntnis der verbindlichen Antworten des Auftraggebers auf die Bieterfragen des unbekannten Bieters vom 16. und 20. Februar 2024 anbieten habe können.
Das Gleiche gelte für die Beantwortung der Frage der Antragstellerin im Hauptvergabeverfahren vom 12. März 2024. Die Kalkulationsrelevanz dieser Bieterinformation ergebe sich daraus, dass im Bereich der Altpapierverwertung, in dem Verrechnungen zwischen unterschiedlichen Kosten- und Erlöspositionen naheliegen, die Neigung der Marktteilnehmer erfahrungsgemäß hoch ist, solche Verrechnungen auch bei der Angebotslegung im öffentlichen Vergabeverfahren vorzunehmen. Nicht allen Bietern sei der hierfür geltende rechtliche Rahmen bekannt. Dies wisse auch der Auftraggeber. In der Antwort auf die Bieterfrage der Antragstellerin vom 12. März 2024 habe er eine Verrechnung ausdrücklich ausgeschlossen. Dies sei für die Kalkulation der Bieter unmittelbar von Bedeutung und wichtig. Dabei gehe es auch nicht um Auf- bzw. Abpreisungen bestimmter Preis- oder Kostenpositionen, sondern darum, ob ein von einer Papierfabrik (das heißt einem Dritten) dem Bieter vergütetes Entgelt mit dem im Vergabeverfahren angebotenen Entgelt verrechnet werden dürfe. Die verneinende Antwort des Auftraggebers hierauf sei marktrelevant gewesen und habe unzweifelhaft Bedeutung für alle Bieter gehabt.
Die Beigeladene habe von der Antwort keine Kenntnis gehabt. Es sei daher nicht auszuschließen, dass die durch die Bieterfrage vorgegebene Zuordnung von Kostenzu Leistungspositionen ihrem Angebot nicht zugrunde gelegt habe und Transportkosten mit einem von Dritten vergüteten Entgelt saldiert habe. Dadurch habe sie niedriger kalkulieren können. Hätte sie die Antwort zur Kenntnis genommen, wäre ihre Kalkulation anders ausgefallen und das Angebot der Antragstellerin hätte in der Preiswertung vorne gelegen.
Gleiches gelte schließlich für die Beantwortung der Fragen Nr. 1, 2 und 4 der Antragstellerin im hier streitigen Interimsvergabeverfahren(1/SVK/022-24). Insbesondere bei Frage 2 sei es um die Vermeidung eines naheliegenden Missverständnisses im Hinblick auf eine durch den Auftraggeber vorgenommene Veränderung der Vertragsbedingungen im Interimsvergabeverfahren gegenüber dem Hauptvergabeverfahren gegangen. In § 3 Abs. 2 der Vertragsbedingungen sei eine Passage gestrichen worden, wonach der Auftragnehmer die erforderlichen technischen Einrichtungen in eigener Verantwortung zu stellen habe. Diese Änderung hätte leicht so verstanden werden können, dass der Auftragnehmer nicht mehr selbst in der vertraglichen Verantwortung gegenüber dem Auftraggeber verbleiben solle. Ein solches Verständnis läge vorwiegend deshalb nahe, weil nicht ohne Grund Veränderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen werden. Wäre dieses Verständnis zutreffend gewesen, hätte sich die vertragliche Haftung des Bieters verringert und dies als wesentlicher Kalkulationsfaktor Auswirkungen auf die Angebotshöhe gehabt. Je nachdem, welches Verständnis der Vergabeunterlagen zutraf, hätten die Bieter ihre Kalkulation danach unterschiedlich ausrichten müssen. In der Antwort habe der Auftraggeber mitgeteilt, warum er die Vertragsregelung geändert habe und das gewollte Anwendungsverständnis klargestellt, indem er gegenüber der Antragstellerin individuell eine abweichende Auslegung der Regelung verneint habe. Dies sei kalkulationsrelevant gewesen. In Unkenntnis der Antwort hätte ein Bieter sich nur spekulativ für die eine oder andere Auslegungsvariante entscheiden können. Damit sei es vom Zufall abhängig, ob alle Bieter einheitlich von demselben Verständnis der Vergabeunterlagen ausgehen würden. Die Beigeladene habe die Information bei ihrer Angebotskalkulation nicht berücksichtigt. Es sei nicht auszuschließen, dass sie deswegen günstiger kalkuliert und hierdurch einen Vorteil im Vergabewettbewerb erlangt habe.
Zusammenfassend lasse sich feststellen, dass ein Ausnahmefall, in dem die individuelle Beantwortung von Bieterfragen ausnahmsweise zulässig gewesen wäre, hier nicht vorliegt.
Die Beigeladene habe in ihrem Angebot für beide streitigen Lose die Übernahmestelle des Nachunternehmens N unter der Anschrift ... angeboten. Diese Übernahmestelle erfülle in mehrfacher Hinsicht nicht die Anforderungen der Leistungsbeschreibung. Man halte insoweit an der Rüge der fehlenden Wertungsfähigkeit des Angebotes der Beigeladenen unter dem Gesichtspunkt einer mangelnden technischen Leistungsfähigkeit sowie einer unzulässigen Änderung der Vergabeunterlagen fest. Zunächst sei hierzu auszuführen, dass die Übernahmestelle der Beigeladenen nicht über die in der Leistungsbeschreibung geforderten genehmigten Öffnungszeiten für die Anlieferung bzw. Abholung des gesammelten Abfalls verfüge. In der Leistungsbeschreibung seien diesbezüglich konkrete Vorgaben zu den Öffnungszeiten vorgegeben gewesen. Aus der Akteneinsicht habe sich nicht ergeben, dass der Auftraggeber dies überhaupt geprüft hätte. Allein das Unterlassen dieser Prüfung sei schon vergaberechtswidrig. Soweit hierzu vom Auftraggeber zu den genehmigten Öffnungszeiten vorgetragen werde, sei dies nicht relevant, denn diese würden nichts über die tatsächliche vollständige Öffnung der Übernahmestelle für die Anlieferung und die Abholung mittels LKW-Verkehr aussagen. Die von der Beigeladenen benannte Übernahmestelle habe einen Internetauftritt, aus dem sich ergebe, dass die Übernahmestelle von Montag bis Freitag nur in der Zeit von 7:00 bis 16:00 Uhr geöffnet sei, und samstags geschlossen habe. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass die Genehmigung der Übernahmestelle eine Anlieferung und Abholung im durch die Leistungsbeschreibung vorgegebenen Umfang nicht umfasse. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Übernahmestelle zu den in der Leistungsbeschreibung genannten Zeiten auch tatsächlich geöffnet sei.
Die Übernahmestelle der Beigeladenen verfüge zudem nicht über die in der Leistungsbeschreibung geforderte Möglichkeit zur trocknen Lagerung des Altpapiermengenanteils, der für die dualen Systeme bereitzustellen sei. Hierzu werde in Ziffer 9 d der Leistungsbeschreibung verlangt, dass die Papierabfälle trocken zu lagern seien.
Hintergrund hierfür sei, dass der Auftraggeber verantwortlich dafür sei, den Altpapiermengenanteil des dualen Systems trocken zu lagern. Dies setze voraus, dass der Transport, das Abkippen, die Lagerung und die Wiederverladung an der Übernahmestelle unter trockenen Bedingungen stattfinden müsse. Dies sei nur mit einer entsprechend dimensionierten Lagerhalle und/oder Überdachung möglich. Die eingesetzte Halle müsste eine ausreichend genehmigte und tatsächlich vorhandene Lagerkapazität aufweisen. Dabei müsse man nicht nur von den prognostizierten Mengen ausgehen, sondern von der möglichen Höchstmenge, die den Systembetreibern bereitzustellen sei.
Bei der Übernahmestelle N der Beigeladenen seien diese Voraussetzungen nicht gegeben. Papierabfälle könnten dort nicht unter trockenen Bedingungen umgeschlagen und gelagert werden. Die dort ursprünglich vorhandene Lagerhalle sei bei einem mehrtägigen Großbrand, der am 24. Juli 2022 begann, vollständig untergegangen. Durch den Großbrand sei die Lagerhalle vernichtet worden. Sie sei auch nicht wiederaufgebaut worden. Dies würden aktuell verfügbare Luftaufnahmen der Betriebsstätte zeigen. Aus diesen Bildern sei ersichtlich, dass dort auch sonst kein Raum vorhanden sei, der trockene Bedingungen für Umschlag und Lagerung der für die dualen Systeme bereitzustellenden Mengenanteile des Altpapiers gewährleisten würde. Aus den beigefügten aktuellen Bildern vom 16. Oktober 2024 sei ersichtlich, dass sämtliche Papierabfälle in dieser Betriebsstätte im Freien umgeschlagen werden. Die Übernahmestelle der Firma N sei somit eindeutig nicht geeignet, die Vorgaben der Leistungsbeschreibung zu erfüllen. Dies gelte nach dem Großbrand der Anlage im Juli 2022. Kurzfristig können trockene Umschlag- und Lagerflächen dort nicht geschaffen werden. Durch Planen oder andere provisorische Maßnahmen sei ein trockener Umschlag des Altpapiers nicht zu gewährleisten. Abgesehen davon, sei die immissionsschutzrechtliche Zulässigkeit derart baulich und organisatorisch vom Genehmigungstatbestand abweichender Betriebsweisen zu bezweifeln.
Es sei unverständlich, dass der Auftraggeber sich damit nicht auseinandergesetzt habe. Der Großbrand in der Anlage des Nachunternehmens der Beigeladenen werde ihm nicht verborgen geblieben sein können. Aus der Akteneinsicht ergebe sich nicht, dass er sich mit diesem Sachverhalt irgendwie auseinandergesetzt habe. Der Brand in der Übernahmestelle der Firma N habe weiträumige Aufmerksamkeit erregt. Es sei deshalb kaum vorstellbar, dass der Auftraggeber im Rahmen der Angebotsprüfung keine Zweifel an dem Leistungsversprechen der Beigeladenen hätte haben müssen. Spätestens jetzt drängten sich diese Zweifel auf.
Die Übernahmestelle der Beigeladenen verfüge über unzureichend genehmigte Kapazitäten. Es sei wahrscheinlich, dass die von der Beigeladenen benannte Übernahmestelle derzeit über keine ausreichende Genehmigung zum Abfallumschlag verfüge. Der Auftraggeber könne sich diesbezüglich auch nicht auf eine angebliche frühere Genehmigung der Übernahmestelle berufen, denn die heutige Genehmigungslage müsse von der Genehmigungslage vor dem Großbrand unterschieden werden. Durch diesen sei die Genehmigungslage mindestens in zweierlei Hinsicht beeinträchtigt. Zum einen komme in Betracht, dass das Vorhandensein und der Betrieb einer überdachten Anlage bzw. einer Lagerhalle von vornherein Voraussetzung für die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Übernahmestelle in dem bewilligten Umfang gewesen seien. Durch die von einer Halle bewirkten "Einhausung" würden Staub- und Lärmemissionen begrenzt. Ohne die Halle wäre die Genehmigungsvoraussetzung weggefallen und der Fortbestand der Genehmigung stünde im Zweifel. Zum anderen komme in Betracht, dass die Genehmigung zwar weiter Bestand habe, die Übernahmestelle aber infolge ihres technischen Zustandes keinen genehmigungskonformen Betrieb mit der für die Erfüllung der Leistungsbeschreibung erforderlichen Anlagenkapazität mehr erlaube.
Zu diesem ganzen Thema habe weder der Auftraggeber noch die Beigeladene irgendetwas vorgetragen. Der Auftraggeber habe dies nicht zum Umfang der Prüfung der Angebote gemacht. Dies sei vollständig unbeachtet geblieben. Dies seien schwerwiegende Verstöße gegen vergaberechtliche Prüfungs- und Aufklärungspflichten des Auftraggebers.
Die Beigeladene verfüge auch nicht über eine Ersatzübernahmestelle. Aus der Leistungsbeschreibung sei ersichtlich, dass im Bedarfsfall unverzüglich eine Ersatzübernahmestelle zu benennen sei. Die Leistungsbeschreibung werde Vertragsbestandteil und besitze diesbezüglich erhebliche Kalkulationsrelevanz für die Bieter.
Hinsichtlich der Ermittlung der Transportaufwendungen bleibe die Antragstellerin bei ihrer Auffassung, wonach der Auftraggeber diese fehlerhaft ermittelt habe. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Adverb "zuerst" im Formblatt "Zuschlagskriterien", in dem die entsprechende Berechnung beschrieben worden sei.
Zudem sei im Interimsvergabeverfahren die Eignungsprüfung fehlerhaft durchgeführt worden. Der Auftraggeber habe auf die Vorlage des Formblattes VgV-II-7 (Verpflichtungserklärung anderer Unternehmen) verzichtet. Ohne diese sei eine hinreichende Prognose der Eignung aber nicht möglich.
Vom Auftraggeber wurde am 22. Oktober 2024 mitgeteilt, dass alle Bieterfragen in zulässiger Art und Weise beantwortet worden seien. Keine der Antworten auf die Bieterfragen sei kalkulationsrelevant gewesen oder enthielt wichtige Informationen bzw. zusätzliche Auskünfte. Selbst wenn man hiervon ausginge, sei darüber hinaus nicht ersichtlich, welcher Nachteil der Antragstellerin aus der Beantwortung der Bieterfragen im Hauptvergabeverfahren und im Interimsvergabeverfahren entstanden sein soll.
Die Übernahmestelle, welche die Beigeladene in ihrem Angebot benannt habe, entspräche den Anforderungen der Vergabeunterlagen. Vornehmlich die tatsächlichen Öffnungszeiten, die bestehenden öffentlich-rechtlichen Genehmigungen sowie die tatsächliche Kapazität der Übernahmestelle seien hinreichend im Blick auf die Anforderungen der Vergabeunterlagen.
Bezüglich der Öffnungszeiten sei darauf hinzuweisen, dass man zwischen den genehmigten Betriebszeiten, zu denen eine Anlieferung der kommunalen Mengen an Papierabfällen möglich ist und den Öffnungszeiten für den Publikumsverkehr unterscheiden müsse. Die von der Antragstellerin herangezogenen Öffnungszeiten aus einem Internetauftritt der Firma N (Übernahmestelle) bezögen sich nicht auf die Anlieferung von Papierabfällen, sondern die Annahme von Abfällen für Gewerbebetriebe und den Wertstoffankauf.
Der Auftraggeber habe die Transportaufwendungen zutreffend berechnet.
Die Beigeladene nahm mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2024 Stellung. Ihre Übernahmestelle sei technisch leistungsfähig, denn sie verfüge über genehmigte Betriebszeiten von 6:00 bis 22:00 Uhr. Die Beigeladene führe den Interimsauftrag derzeit nach den in der Leistungsbeschreibung geforderten Zeiten durch. Auch im Rahmen des Hauptauftrages werde die Beigeladene sicherstellen, dass die Papierabfälle in den geforderten Zeiten angeliefert und abgeholt werden können. Dem würden auch die veröffentlichten Öffnungszeiten auf der Homepage der Firma N nicht widersprechen. Diese beträfen Öffnungszeiten zur Annahme von Abfällen vor allem für Gewerbebetriebe, welche sofort verwogen und in bar vergütet würden. Die Anlieferung des streitgegenständlichen Altpapiers erfolge hingegen durch ein vom Auftraggeber beauftragtes Unternehmen. Entgelte und Erlöse seien nicht sofort in bar auszuzahlen. Die auf der Homepage veröffentlichten Öffnungszeiten beträfen deshalb nicht die Anlieferung und Abholung des streitigen Altpapiers.
Zutreffend sei, dass die Leistungsbeschreibung eine trockene Lagerung der Papierabfälle vorschreibe. Dies beträfe jedoch nur diejenigen Mengenanteile, die dem dualen System zur Verfügung zu stellen seien. Aus der Leistungsbeschreibung ergebe sich weiter, dass im Jahr 2024 allen dualen Systeme an der gemeinsamen Verwertung teilnehmen. Erst ab 2025 sei dem Auftraggeber signalisiert worden, dass einige duale Systeme beabsichtigen würden, das Recht auf Herausgabe ihres Anteils des Altpapiers in Anspruch zu nehmen. Dies bedeute, dass bis zum Ende des Jahres 2024 den dualen Systemen keine Mengen zur Verfügung zu stellen seien. Aktuell besteht demnach keine Verpflichtung, das Altpapier trocken zu lagern. Gleichwohl sei es auch im Interesse der Beigeladenen, das Altpapier trocken zu lagern, weil die Vergütung der Papierfabrik dann höher sei. Derzeit werde deshalb das Altpapier durch eine provisorische Abdeckung mittels Planen trocken gelagert. Bis zum 1. Januar 2025 werde eine Überdachung errichtet. Hierfür läge ein entsprechendes Angebot vor.
Die Übernahmestelle der Beigeladenen verfüge über eine genehmigte Kapazität, welche sehr weit über die hier in beiden Losen anfallende Gesamtmenge hinausgehe. Nach dem Brand im Jahre 2022 fand im Oktober 2023 durch die zuständige Behörde eine Routinekontrolle der Übernahmestelle statt. Diese sei ohne Beanstandung beendet worden. Dies bedeute, dass keine Verstöße gegen materielle oder organisatorische Anforderungen festgestellt worden seien und von der Anlage keine Umweltbeeinträchtigungen ausgehen würden. Der Betrieb der Übernahmestelle sei demnach auch nach dem Brand im Rahmen des genehmigten Betriebs erfolgt.
Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2024 teilte die Antragstellerin mit, dass der nunmehr verfolgte Feststellungsantrag zulässig und begründet sei.
Durch die Erteilung des Zuschlags im Interimsvergabeverfahren an die Beigeladene sei eine Erledigung eingetreten. Die Antragstellerin behalte sich vor, Schadensersatzansprüche gegen den Auftraggeber geltend zu machen. Sie hätte bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens den Zuschlag in beiden streitigen Losen des Interimsvergabeverfahrens erhalten müssen. Ein solcher Schadensersatzanspruch sei jedenfalls nicht auszuschließen.
Hinsichtlich der beiden letzten Schriftsätze des Auftraggebers und der Beigeladenen sei auszuführen, dass die genehmigten Öffnungszeiten nichts über die tatsächlichen Öffnungszeiten aussagen würden. Es sei bemerkenswert, dass der Auftraggeber es offensichtlich in Abstimmung mit der Beigeladenen dieser überlasse, zu der ausschreibungskonformen Ausstattung und Verfügbarkeit der Übernahmestelle vorzutragen. Der Auftraggeber habe die Eignung zur Auftragserfüllung im Rahmen der Angebotswertung zu prüfen. Er hätte entsprechende Feststellungen in der Vergabeakte dokumentieren müssen. Dies sei hinsichtlich der Öffnungszeiten nicht der Fall.
Bezüglich der trockenen Lagerung trage der Auftraggeber gar nichts mehr vor. Der Auftraggeber habe diesbezüglich seine Prüfpflichten verletzt. Die Verpflichtung zur trockenen Lagerung bestehe seit Vertragsbeginn und nicht erst ab 1. Januar 2025. Es werde bestritten, dass die Übernahmestelle der Beigeladenen über ein entsprechendes Angebot zur Errichtung einer provisorischen Bedachung verfüge und Akteneinsicht in die entsprechende Anlage aus dem Schriftsatz der Beigeladenen vom 22. Oktober 2024 beantragt. Bauarbeiten zur Errichtung eines Daches würden an der Übernahmestelle nicht stattfinden. Der gesamte diesbezügliche Vortrag der Beigeladenen werde bestritten. Es handele sich um unbelegte Schutzbehauptungen. Genehmigungsrechtlich bzw. -planerisch und bautechnisch sei es unmöglich, in einem derart kurzen Zeitraum eine neue Halle bzw. Überdachung zu errichten.
Soweit auf eine Routinekontrolle verwiesen werde, komme es auf diese nicht an. Der Inhalt des Überwachungsberichtes treffe keine Aussage darüber, in welchem Umfang die Übernahmestelle infolge ihres aktuellen technischen Zustandes (nach Brand) einen genehmigungskonformen Betrieb mit der für die Erfüllung der Leistungsbeschreibung erforderlichen Anlagenkapazität erlaube. Weder der Auftraggeber noch die Beigeladene würden sich zu der Frage, ob ein Betrieb der Übernahmestelle im Einklang mit der Leistungsbeschreibung heute unter den dort herrschenden technischen Bedingungen überhaupt zulässigerweise möglich, ist, äußern.
Die beiden Nachprüfungsverfahren 1/SVK/017-24 (Hauptauftrag) und 1/SVK/022-24 (Interimsauftrag) wurden zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung verbunden und danach wieder getrennt.
In der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2024 wurde der Sach- und Streitstand mit den Beteiligten erörtert.
Die Antragstellerin beantragte in der Sache:
Festzustellen, dass der Antragsgegner im Vergabeverfahren "Übernahme und Verwertung von Papierabfällen" (Interimsvergabe) hinsichtlich der Vergabe von Los A (PPK-Region X) und Los B (PPK Region Y) gegen Vergabevorschriften verstoßen hat und die Antragstellerin hierdurch in ihren Rechten verletzt ist.
Daneben beantragte sie die Akteneinsicht in die Anlage Bg1 und Bg2 des Schriftsatzes der Beigeladenen vom 22. Oktober 2024.
Der Auftraggeber beantragt,
dass die Anträge der Antragstellerin abgewiesen werden.
Die Beigeladene stellte in der mündlichen Verhandlung keine Anträge.
Nach der mündlichen Verhandlung teilte der Auftraggeber am 1. November 2024 mit, dass das Vergabeverfahren betreffend den Hauptauftrag (1/SVK/017-24) aufgehoben wurde und der streitige Auftrag zeitnah erneut ausgeschrieben werde.
Die Beigeladene nahm am 4. November 2024 erneut Stellung. Aktuell und für den Hauptauftrag vorgesehen sei, dass das Altpapier auf einer Lagerfläche der Übernahmestelle der Firma N umgeschlagen werde. Es handele sich dabei um eine dreiseitig geschlossene Lagerfläche, für die aktuell zunächst eine provisorische Überdachung errichtet worden sei. Entsprechende Fotos mit provisorischer Abdeckung der Lagerfläche füge man diesem Schriftsatz bei. Für eine feste Überdachung habe sich das Nachunternehmen N ein Angebot eingeholt. Das Nachunternehmen werde eine feste Überdachung errichten lassen, sobald der Interimsauftrag über den 31. Dezember 2024 verlängert bzw. der Hauptauftrag erteilt worden sei.
Man habe die Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer am 25. Oktober 2024 zum Anlass genommen, sich den genehmigungsrechtlichen Umschlag des Altpapiers von der zuständigen Immissionsschutz- und Abfallbehörde bestätigen zu lassen. Ein Mitarbeiter der Firma N habe sich an die Immissionsschutz- und Abfallbehörde der Stadt gewandt. Aus der Antwort dieser Behörde ergebe sich, dass das Altpapier genehmigungskonform umgeschlagen und trocken gelagert werde.
Von der Antragstellerin wurde am 6. November 2024 mitgeteilt, dass hinsichtlich des Vortrags der Beigeladenen zur temporären Überdachung anzumerken sei, dass diese ausweislich des beigefügten Fotos keinen wirksamen Nässeschutz darstelle. Es handele sich um eine Art "Sonnensegel", welches an 5 schiefen Gerüststangen aufgehangen sei und überschirme nur einen kleinen Teil der Lagerfläche für das Papier. Eine trockene Lagerung der Papierabfälle sei nicht gewährleistet. Die Ankündigung der Beigeladenen zur Errichtung einer festen Überdachung habe unter der Bedingung gestanden, dass ihr der Hauptauftrag erteilt werde oder der Interimsvertrag verlängert werde. Diese Ankündigung sei nunmehr hinfällig, weil der Hauptauftrag wegen Aufhebung nicht mehr erteilt werden könne und der Interimsvertrag mit der Beigeladenen nicht mehr zulässigerweise verlängert werden dürfe.
Soweit die Beigeladene auf eine angebliche Bestätigung der trockenen Lagerung durch die Genehmigungsbehörden verwiesen habe, seien die entsprechenden Angaben gegenüber der Antragstellerin geschwärzt. Auch in der Sache könnten sie nichts belegen, da das Papier auf der Übernahmestelle der Beigeladenen ausweislich der vorgelegten Bilder nicht trocken gelagert werde.
Unabhängig von alldem sei nach dem Schriftsatz des Auftraggebers vom 1. November 2024 festzustellen, dass sich der Auftraggeber weder vor der mündlichen Verhandlung noch danach mit der Übernahmestelle der Beigeladenen auseinandergesetzt habe. Auf Fragen der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung konnten die Vertreter des Auftraggebers keine Auskunft geben. In der Vergabeakte sei nichts dazu dokumentiert.
Auch der Auftraggeber nahm am 15. November 2024 erneut Stellung. Soweit sich die Antragstellerin in ihrem letzten Schriftsatz zu der ihres Erachtens unzureichenden provisorischen Überdachung bei Übernahmestelle der Beigeladenen äußere, möchte man darauf nicht näher eingehen. Die provisorische Abdeckung sei weder für das Vergabeverfahren noch für das Nachprüfungsverfahren relevant. Die entsprechende Anforderung an die Übernahmestelle, dass die Papierabfälle trocken zu lagern seien, finde sich ausschließlich an einer Stelle in den Vergabeunterlagen. Dieser Abschnitt betreffe die Bereitstellung von Mengenanteilen an duale Systeme. Nur wenn Mengenanteile an die dualen Systeme zur Verfügung gestellt werden müssten, sei diese Vorgabe einschlägig. In den Vergabeunterlagen sei weiter ausgeführt worden, dass frühestens zum 1. Januar 2025 die Bereitstellung von Mengenanteilen an duale Systeme relevant werden könnte. Die Beigeladene habe erklärt, dass eine feste Überdachung bis zum 1. Januar 2025 errichtet werden solle. Darauf dürfe der Auftraggeber grundsätzlich vertrauen. Anhaltspunkte dafür, dass der Umschlag auf der Übernahmestelle der Beigeladenen nicht in genehmigungskonformer Weise möglich sein solle, gäbe es nicht. Die Genehmigung habe nach der Aussage der Beigeladenen auch nach dem Brand im Juni 2022 Bestand. Der Auftraggeber sei nicht dazu angehalten, öffentlich einsehbare Genehmigungen und die Aussagen der Beigeladenen in Zweifel zu ziehen.
Mit sehr großem Erstaunen habe der Auftraggeber nunmehr zur Kenntnis genommen, dass es in der Nacht vom 9. August 2023 auf den 10. August 2023 zu einem Großbrand in der Übernahmestelle der Antragstellerin für Los 4 gekommen sei. Dies gehe aus dem als Anlage beigefügten Presseartikel hervor. Dabei sei beispielsweise die Sortieranlage für Leichtverpackungen vollständig zerstört worden. Die Halle sei durch den Brand einsturzgefährdet. Es seien mehrere Explosionen hörbar gewesen. Die Antragstellerin habe den Großbrand im Vergabeverfahren als auch im Nachprüfungsverfahren nicht erwähnt. Darüber sei der Auftraggeber sehr verwundert, weil die Antragstellerin den Brand auf dem Gelände der Übernahmestelle der Beigeladenen nunmehr wiederholt und intensiv zum Anlass genommen habe, der Beigeladenen die Eignung abzusprechen. Vor diesem Hintergrund hätte der Auftraggeber im Verfahren zur Vergabe des Hauptauftrages erneut in die Eignungsprüfung über das Angebot der Antragstellerin eintreten müssen, wenn es nicht zur Aufhebung des Vergabeverfahrens gekommen wäre. Möglicherweise sei das Angebot der Antragstellerin auszuschließen.
Im Hinblick auf die Kosten des Nachprüfungsverfahrens für das Interimsvergabeverfahren (1/SVK/022-24) sei auszuführen, dass die Antragstellerin die Kosten zu tragen habe. Ein Vergaberechtsverstoß des Auftraggebers läge hier nicht vor. Rein vorsorglich weise man darauf hin, dass die Beigeladene an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen sei. Sie habe ausführlich Stellung genommen und den Auftraggeber so unterstützt. Auch wenn sie keinen Antrag gestellt habe, sei in einem solchen Fall an der Kostentragung zu beteiligen. Der Auftraggeber sei ohne anwaltliche Unterstützung nicht in der Lage, das Nachprüfungsverfahren durchzuführen.
Am 19. November 2024 nahm die Antragstellerin erneut Stellung.
Zum Erfordernis der trockenen Lagerung sei umfassend vorgetragen worden. Eine Beschränkung dieser Anforderungen auf einen bestimmten Zeitraum sei nicht ersichtlich. Es sei unstreitig, dass die Übernahmestelle jedenfalls ab dem 1. Januar 2025 die trockene Lagerung der Papierabfälle gewährleisten müsse. Die Übernahmestelle der Beigeladenen gewährleiste dies nicht. Das hierzu errichtete aktuelle Provisorium sei dazu vollkommen ungeeignet. Eine feste Überdachung in ausreichender Größe könne bis zum 31. Dezember 2024 nicht mehr errichtet werden. Die hierfür erforderlichen Arbeiten hätten noch nicht begonnen und seien wahrscheinlich noch nicht einmal immissions- und denkmalschutzrechtlich genehmigt. Unter keinen Umständen dürfe der Auftraggeber darauf vertrauen, dass die Beigeladene unter diesen Umständen schon leistungsbeschreibungskonform leisten werde. Soweit der Auftraggeber auf ein Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen verweise, sei darauf hinzuweisen, dass der Auftraggeber in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt habe, den unzureichenden technischen Zustand der Übernahmestelle, die fehlende Überdachung und die fehlende Gewährleistung einer trockenen Lagerung überhaupt nicht geprüft und thematisiert habe. Dies, obwohl die Antragstellerin mit ihrer Rüge und dem Nachprüfungsantrag hierfür hinreichend konkrete Anhaltspunkte genannt habe. Ein Verzicht auf jegliche Prüfung trotz entgegenstehender Anhaltspunkte sei nicht mehr rechtmäßig. Weder vor der mündlichen Verhandlung noch danach habe sich der Auftraggeber überhaupt irgendwie mit der Übernahmestelle und dem Betrieb der Beigeladenen auseinandergesetzt. In der Vergabeakte sei zu diesem ganzen Thema nichts dokumentiert.
Überraschend sei, dass der Auftraggeber jetzt einen Brand in der Übernahmestelle der Antragstellerin für Los 4 thematisiere, denn es wäre seine Sache gewesen, dies und den Zustand der Übernahmestelle der Beigeladenen im Vergabeverfahren zu berücksichtigen und zu prüfen. Es sei nicht Sache der Antragstellerin, hierzu vorzutragen. Nur vorsorglich werde ausgeführt, dass bei dem Brand die Sortieranlage für Leichtverpackungen abgebrannt sei. Nicht hingegen die Lagerhalle für Papierabfälle. Auf die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin für den hier streitigen Auftrag habe der Brand keine Auswirkungen. Die Übernahmestelle sei für Papierabfälle nur für ein paar Tage eingeschränkt erreichbar gewesen. Auf die vorangegangene Auftragsausführung habe dies aber keine Auswirkungen gehabt, da das Papier nahtlos an die von der Antragstellerin vorgehaltene Ersatzübernahmestelle umgeleitet worden sei. Dabei entstandene Mehrkosten habe die Antragstellerin dem Auftraggeber kurzfristig erstattet. Auf die Genehmigungssituation der Übergabestelle habe der Brand keine Auswirkungen. Dies sei dem Auftraggeber alles selbst genau bekannt.
Hinsichtlich der Kostentragung sei auszuführen, dass sowohl das Haupt- als auch das Interimsvergabeverfahren rechtswidrig gewesen seien und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt hätten. Dies ergebe sich aus dem Sach- und Streitstand beider Nachprüfungsverfahren. Die ungleichmäßige Beantwortung von Bieterfragen und die rechtswidrige Auswahl der Beigeladenen für den Zuschlag seien Vergaberechtsverstöße, welche in beiden Vergabeverfahren gleichermaßen festzustellen seien und sich zu Lasten der Antragstellerin ausgewirkt hätten. Beide Nachprüfungsanträge seien somit ursprünglich zulässig und begründet gewesen. Diese hätten sich nunmehr erledigt. Einerseits durch die Aufhebung des Hauptvergabeverfahrens, andererseits durch die Zuschlagserteilung im Interimsvergabeverfahren. Infolgedessen habe die Antragstellerin ihre Anträge auf zulässige Fortsetzungsfeststellungsanträge umgestellt. Beide Feststellungsanträge seien zulässig und begründet. Da der Auftraggeber unterliege, trage er die Kostenlast ggf. gemeinsam mit der Beigeladenen. Raum für eine Be rücksichtigung eines angeblichen Teilunterliegens gäbe es nicht. In beiden Verfahren habe die Antragstellerin die Feststellung beantragt, dass der Auftraggeber gegen Vergabevorschriften verstoßen habe und die Antragstellerin hierdurch in ihren Rechten verletzt sei. Auf ein bestimmtes primäres Rechtsschutzziel seien diese Anträge nicht gerichtet. Dies gelte auch für die ursprünglichen Anträge.
Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die vorgelegte Vergabeakte wird ergänzend Bezug genommen. Es wird des Weiteren vollumfänglich auf den Gestattungsbeschluss vom 12. September 2024 (1/SVK/022-24G) zum Interimsauftrag sowie auf die Ausführungen im Beschluss vom 19. Dezember 2024 (1/SVK/017-24) zum Hauptauftrag verwiesen.
Die Frist zur Entscheidung wurde gemäß § 167 Abs. 1 Satz 2 GWB verlängert.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig (A.) und begründet (B.).
A. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
1. Die 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen ist gemäß § 2 der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über Einrichtung, Organisation Vergabekammern des Freistaates Sachsen (SächsVgKVO) für den Antrag zuständig.
2. Die Gesamtauftragssumme überschreitet den maßgeblichen Schwellenwert, § 106 Abs. 1 GWB i. V. m. Artikel 4 a) der RL 2014/24/EU i. V. m. Artikel 1 Absatz 1 c) der delegierten Verordnung (EU) 2023/2495.
Bei der ausgeschriebenen Leistung handelt es sich um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 103 Abs. 1 und 4 GWB (vgl. zur Einordnung als Dienstleistungsvertrag BGH, Beschluss vom 1. Februar 2005 - X ZB 27/04; OLG Celle, Beschluss vom 5. Februar 2004 - 13 Verg 26/13). Der Auftraggeber bezweckt insoweit die gesetzeskonforme Verwertung des gesammelten Altpapiers und damit die Erfüllung einer ihm als zuständigem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger obliegenden Verpflichtung durch die Beauftragung eines Dienstleisters zu erfüllen.
Der maßgebliche Schwellenwert für öffentliche Dienstleistungsaufträge beträgt gemäß § 106 Abs. 1 GWB i. V. m. Artikel 4 c) der RL 2014/24/EU i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 c) der delegierten Verordnung (EU) 2023/2495 221.000 EUR und wurde vorliegend überschritten.
Bei der Schätzung des Auftragswerts ist vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer auszugehen, § 3 Abs. 1 VgV. Dabei ist nicht nur auf das Entgelt - als Geldmittel - des Auftraggebers an die Auftragnehmer abzustellen, sondern jeder vermögenswerte Vorteil, den der Auftraggeber dem Auftragnehmer als Gegenleistung für die Ausführung des Auftrags gewährt. Darunter fallen z. B. Erlöse aus der Verwertung des Verkaufs von Altpapier. Denn nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 VgV sind ausdrücklich auch von dem öffentlichen Auftraggeber vorgesehene Prämien oder Zahlungen an Bieter zu berücksichtigen. Es sind somit umfassend alle geldwerten Zuwendungen zu berücksichtigen, d. h. in die Wertschätzung einzubeziehen (OLG Koblenz, Beschluss vom 1. September 2021 - Verg 1/21). Deshalb werden sogar andere Formen der Leistungserbringung durch den Auftraggeber unter den Begriff der "Zahlungen" subsumiert, wenn es sich um einen geldwerten Vorteil handelt (vgl. Lausen in jurisPK, VgV § 3 Rn. 31). Ein solcher liegt zum Beispiel auch gerade dann vor, wenn ein Unternehmen im Rahmen eines Vertrags über die Entsorgung von Alttextilien berechtigt ist, die Textilien selbst zu verwerten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Dezember 2014 - Verg 24/14). Dementsprechend ist bei der Verwertung von Altpapier der Wert des (vom Auftraggeber an die Bieter) überlassenen Altpapiers selbst in der Auftragswertschätzung zu berücksichtigen. Daneben sind die geschätzten Dienstleistungskosten (hier Entgelt, Handlingkosten) mit in die Schätzung einzubeziehen.
Auf der anderen Seite sind Rückzahlungen des Auftragnehmers an den Auftraggeber ebenfalls zu berücksichtigen. Erst der sich nach den Abzügen ergebende Wert ist für die Bestimmung des Auftragswerts und für die Erreichung des einschlägigen Schwellenwerts maßgeblich (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Dezember 2014 - Verg 24/14; Greb in: Ziekow/Völlink, § 3 VgV Rn. 7 m. w. N.).
Der Interimsauftrag hatte eine feste Laufzeit von drei Monaten sowie einen Optionszeitraum von weiteren sechs Monaten, der bei der Bestimmung des Auftragswerts nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VgV mit zu berücksichtigen ist. Aus der Vergabeakte und den abgegebenen Angeboten ist ersichtlich, dass das Entgelt (Handlingkosten) für die streitigen Lose 1 und 4 bezogen auf die Gesamtlaufzeit des streitigen Auftrags allein über dem Schwellenwert von 221.000 EUR liegt.
Daneben ist der Wert des zur Verwertung überlassenen Altpapiers abzüglich der Rückzahlungen (Vergütung der Bieter an den Auftraggeber) zu berücksichtigen. Hierbei setzt die Vergabekammer das Delta zwischen Wert Altpapier und Vergütung mit mindestens 0 an. Denn es ist aus wirtschaftlicher Sicht naheliegend, dass die Bieter zumindest über die Gesamtlaufzeit des Vertrages mehr Geld von der Papierfabrik erhalten, als sie über die Vergütung dem Auftraggeber wieder zurückzahlen. Wegen des schwankenden Altpapierpreises und der mangelnden Entscheidungserheblichkeit dieses Aspektes kann nach Auffassung der Vergabekammer eine nähere Betrachtung dahinstehen. Es ist jedenfalls auszuschließen, dass das Delta zwischen den Erlösen der Bieter und der Vergütung nennenswert negativ ist, sprich die Bieter dem Auftraggeber mehr Vergütung zahlen, als sie selbst von der Papierfabrik für das Altpapier erhalten. Daher geht die Summe aus dem Wert des Altpapiers abzüglich der Vergütung mit 0 in den zu berücksichtigenden Auftragswert ein und es verbleiben die Entgelte (Handlingkosten), welche den maßgeblichen Schwellenwert übersteigen.
3. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag der Antragstellerin ist statthaft, § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB
Hat sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags des Vergabeverfahrens erledigt, stellt die Vergabekammer auf Antrag eines Beteiligten fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat, § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB.
Diese Vorschrift soll den Beteiligten die Möglichkeit geben, im Falle einer Erledigung die im Nachprüfungsverfahren bereits erarbeiteten Ergebnisse zu erhalten und eine nochmalige gerichtliche Prüfung derselben Sach- und Rechtsfragen in einem späteren Schadensersatzprozess zu vermeiden. Die Umstellung des Nachprüfungsantrags auf einen Feststellungsantrag verhindert, dass dem Antragsteller nach Erledigung die Früchte des eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens verloren gehen.
Voraussetzung für den nunmehr von der Antragstellerin gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag ist, dass dieser statthaft ist.
Vorliegend hat die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren angestrengt und sich gegen die beabsichtigte Zuschlagserteilung des streitigen Interimsauftrags an die Beigeladene gewendet. Nach Einleitung dieses Nachprüfungsverfahrens hat der Auftraggeber einen Antrag nach § 169 Abs. 2 GWB auf Gestattung der vorzeitigen Zuschlagserteilung gestellt. Durch den Beschluss der Vergabekammer vom 9. September 2024 wurde dem Auftraggeber dies gestattet. Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist wurde der Zuschlag auf die Angebote der Beigeladenen erteilt. Dadurch hat sich das Nachprüfungsverfahren nach § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB erledigt.
Nunmehr begehrt die Antragstellerin allein die Feststellung, dass der Auftraggeber im streitigen Vergabeverfahren gegen Vergabevorschriften verstoßen hat. Ein solcher Fortsetzungsfeststellungsantrag ist in dieser Situation nach § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB statthaft.
4. Die Antragstellerin hat ein Feststellungsinteresse, § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB.
Der Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB setzt nach allgemeiner Auffassung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Feststellungsinteresse voraus (z. B. OLG München, Beschluss vom 19. Juli 2012 - Verg 8/12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Juni 2013 - Verg 55/12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. März 2013 - 11 Verg 7/12; Fett in MüKo, § 168 GWB Rn. 65 m. w. N.). Dies ergibt sich bereits aus den allgemeinen prozessualen Grundsätzen, nach denen die Inanspruchnahme eines Gerichts bzw. der Vergabekammer nicht zulässig ist, wenn kein berechtigtes Interesse vorliegt.
Ein solches Feststellungsinteresse rechtfertigt sich durch jedes nach vernünftigen Erwägungen und nach Lage des Falls anzuerkennenden Interesses rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition der Antragstellerin in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung ihrer Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. August 2019 - Verg 9/19). Ein solches Feststellungsinteresse ist bspw. gegeben, wenn die Feststellung zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs dient. Dabei genügt für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags die nicht auszuschließende Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches des Bieters gegen den Auftraggeber (OLG München, Beschluss vom 19. Juli 2012 - Verg 8/12).
Vorliegend hat die Antragstellerin diesbezüglich im Schriftsatz vom 24. Oktober 2024 vorgetragen, dass ein Schadensersatzanspruch besteht und sie sich die Geltendmachung eines solchen vorbehält. Dies ist ausreichend, um ein hinreichendes Feststellungsinteresse zu begründen. Da die Anforderungen an ein hinreichendes Feststellungsinteresse gering sind (vgl. Antweiler in: Burgi/Dreher/Opitz, § 168 GWB Rn. 66) und ein Schadensersatzanspruch der Antragstellerin hier jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann.
5. Der ursprüngliche Nachprüfungsantrag war statthaft und zulässig.
Es kann dahinstehen, ob es für die Zulässigkeit der beantragten Feststellung erforderlich ist, dass der ursprüngliche Nachprüfungsantrag zulässig war (Fett in MüKo, § 168 GWB Rn. 67 m. w. N.) oder es ausreicht, dass der ursprüngliche Nachprüfungsantrag statthaft war (Steck in: Ziekow/Völlink, § 168 GWB Rn. 37-38). Denn der ursprünglich gestellte Nachprüfungsantrag war sowohl statthaft als auch zulässig.
a) Statthaftigkeit ursprünglicher Nachprüfungsantrag
Zum Zeitpunkt der Antragstellung hatte die Antragstellerin noch die Möglichkeit, den streitigen Auftrag zu erhalten, da der Zuschlag noch nicht erteilt war. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag auch nicht als offensichtlich unzulässig oder unbegründet angesehen und deswegen auf eine Übermittlung nach § 163 Abs. 2 GWB verzichtet. Die Zuständigkeit der Vergabekammer war wegen Überschreiten der Schwellenwerte gegeben (siehe hierzu oben unter Ziffer II A. 2.). Daher handelte es sich um einen ursprünglich statthaften Nachprüfungsantrag.
b) Antragsbefugnis
Die Antragstellerin war für den ursprünglichen Nachprüfungsantrag antragsbefugt.
Nach § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag zulässig, wenn ein Unternehmen ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB geltend macht.
Diesem Erfordernis ist genügt, wenn mit dem Nachprüfungsantrag eine Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften schlüssig vorgetragen wird. Darüber hinaus ist es gemäß § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB erforderlich, dass mit dem Nachprüfungsantrag auch dargelegt wird, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
Diesen Anforderungen genügte der Vortrag der Antragstellerin. Sie legte im ursprünglichen Nachprüfungsantrag und in der vorherigen Rüge dar, dass der Zuschlag nicht auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden dürfe und sie selbst aussichtsreiche Angebote für die streitigen Lose des Interimsauftrags abgegeben und somit Chancen auf den Zuschlag habe. Dadurch hat die Antragstellerin ursprünglich schlüssig vorgetragen, dass sie in ihren Rechten verletzt ist und ihr durch die ehemals beabsichtigte - aus ihrer Sicht vergaberechtswidrige - Erteilung des Zuschlags auf die Angebote der Beigeladenen ein Schaden zu entstehen drohe, da sie so keine Chance hatte, den streitigen Auftrag zu erhalten.
c) Keine Rüge ins Blaue hinein
Die Antragstellerin hat ihre Rügeobliegenheit sowohl in zeitlicher als auch inhaltlicher Hinsicht erfüllt. Sie hat keine Rügen ins Blaue hinein erhoben.
An den Inhalt von Rügen sind im Allgemeinen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Der rügende Bieter muss aber - wenn sich der Vergaberechtsverstoß nicht vollständig seiner Einsichtsmöglichkeit entzieht - zumindest Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. März 2021 - Verg 9/21; OLG Brandenburg, Beschluss vom 16. Februar 2012 - Verg W 1/12). Eine Rüge "ins Blaue hinein" liegt dann nicht vor, wenn der Bieter unter Hinweis auf seine Branchen- und Marktkenntnis und unter Bezugnahme auf konkrete Umstände das Wertungsergebnis anzweifelt (VK Sachsen, Beschluss vom 28. März 2022 - 1/SVK/041-22).
Vorliegend hat die Antragstellerin in ihrer Rüge vom 19. August 2024 unter Bezugnahme auf ihre Marktkenntnisse und die öffentlich zugängliche Zertifizierung der Beigeladenen geltend gemacht, dass diese nicht über eine den Anforderungen der Vergabeunterlagen entsprechende Übernahmestelle verfügt. Damit hat sie (noch) hinreichende Indizien für die von ihr diesbezüglich vermuteten Vergaberechtsverstöße genannt, welche die Vergabekammer als ausreichend ansieht, um den Vortrag nicht als reine Vermutung "ins Blaue hinein" anzusehen.
Soweit die Antragstellerin eine unzureichende Preisprüfung nach § 60 Abs. 2 VgV, Vergaberechtsverstöße im Zusammenhang mit den Bieterfragen, eine fehlerhafte Ermittlung der Transportaufwendungen sowie weitere Verstöße hinsichtlich der Angebotswertung rügt, bedurften diese geltend gemachten Vergaberechtsverstöße jeweils keiner weitergehenden Untersetzung. Die Antragstellerin hat in ihrer Rüge diesbezüglich genügend Anknüpfungstatsachen vorgetragen. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich die Wertung des Auftraggebers - zum Zeitpunkt der Rüge - des eigenen Angebots und des Angebots der Beigeladenen im Regelfall - wie auch hier - vollständig der Einsichtsmöglichkeit eines Antragstellers entzieht. Je weniger der Auftraggeber an tatsächlichen Gründen für eine abschlägige Wertung des Angebots in der Bieterinformation preisgibt, desto geringer sind dann die Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsverletzung (Dicks in: Ziekow/Völlink, § 160 GWB, Rn. 12). Die Antragstellerin hatte hinsichtlich der Wertung der Angebote, einer eventuellen Preisprüfung sowie des Umgangs mit Bieterfragen einen sehr beschränkten Informationsstand. Dementsprechend ist ihr Vortrag in der Rüge ausreichend.
d) weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen
Der ursprüngliche Nachprüfungsantrag wurde innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB eingereicht und entsprach im Übrigen den Anforderungen des § 161 GWB.
B. Der Nachprüfungsantrag ist begründet.
1. Leistungsfähigkeit Beigeladene
Der Auftraggeber hat die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen nicht hinreichend geprüft.
Die Vergabekammer hält an ihrer Auffassung zur Prüfung der Leistungsfähigkeit aus dem Beschluss zum Hauptauftrag (VK Sachsen, Beschluss vom 19. Dezember 2024 - 1/SVK/017-24) auch in diesem Nachprüfungsverfahren zur Vergabe des Interimsauftrags fest. Der summarischen Einschätzung der Vergabekammer aus dem Beschluss zur vorzeitigen Zuschlagsgestattung vom 9. September 2024, wonach der Nachprüfungsantrag wenig Aussicht auf Erfolg habe, insbesondere hinsichtlich der Thematik Bieterfragen Prüfung der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen keine Rechtsverletzung vorliegt, folgt die Vergabekammer hingegen nicht mehr. Dies maßgeblich deshalb, weil der Vergabekammer zum Zeitpunkt des Erlasses des Gestattungsbeschlusses nicht bekannt war, dass es einen Großbrand auf dem Gelände der Übernahmestelle der Beigeladenen gab und in dessen Folge große Teile der Betriebshalle vernichtet wurden. Auch wenn die Rüge der Antragstellerin zur fehlenden Leistungsfähigkeit der Beigeladenen erst nach der Zuschlagserteilung (Interimsauftrag) in den Nachprüfungsverfahren weiter konkretisiert wurde (Großbrand auf der Übernahmestelle Beigeladene) wurde, ergaben sich auch ohne diese Hinweise durch die Antragstellerin bereits aus den im Beschluss zum Hauptauftrag (1/SVK/017-24) genannten Gründen, Anhaltspunkte und Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen, denen der Auftraggeber von sich aus hätte nachgehen müssen.
Hierzu im Einzelnen:
Der streitige Sachverhalt bezüglich der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen unterscheidet sich zwischen dem Haupt- und Interimsvergabeverfahren nur insoweit, als der hier streitige Interimsauftrag eine wesentlich kürzere Laufzeit besitzt. Die Anforderungen an die Übernahmestelle aus der Leistungsbeschreibung sind identisch mit denen des vorangegangenen Vergabeverfahrens zum Hauptauftrag. Lediglich die Vertragslaufzeit bzw. Durchführungszeitraum ändert sich. Für den Interimsauftrag war vorgesehen, dass der Leistungszeitraum am 1. Oktober 2024 beginnt und am 31. Dezember 2024 endet. Danach konnte der Interimsauftrag zweimal um jeweils weitere drei Monate einseitig vom Auftraggeber verlängert werden.
Zur Leistungsfähigkeit macht die Antragstellerin zusammengefasst geltend, dass die Beigeladene über keine Übernahmestelle verfügt, welche den Anforderungen der Leistungsbeschreibung gerecht werde, die über hinreichende Genehmigungen verfüge und alle erforderlichen Anforderungen erfüllt. Nachdem die Vergabekammer dem Auftraggeber mit Beschluss vom 9. September 2024 gestattet hat, den Zuschlag auf die Angebote der Beigeladenen zu erteilen und diese daraufhin später ihre Tätigkeit aufnahm, konkretisierte die Antragstellerin ihr Vorbringen. Sie trägt vor, dass die vom Nachunternehmen der Beigeladenen verwendete Übernahmestelle in Folge eines Großbrands nicht den Anforderungen der Vergabeunterlagen entspricht, nicht (mehr) über erforderliche Genehmigungen verfüge und insbesondere eine aus Sicht der Antragstellerin bestehende Verpflichtung zur trockenen Lagerung des Altpapiers von der Beigeladenen nicht mehr erfüllt werden könne. Der Auftraggeber sei nach dem Dafürhalten der Antragstellerin verpflichtet gewesen, die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen wegen konkreter Zweifel zu prüfen, habe dies aber nicht getan. Der Auftraggeber verteidigt sich im Wesentlichen damit, dass an der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen keine Zweifel bestehen würden. Diese habe eine hinreichend leistungsfähige und genehmigte Übernahmestelle, die dem Auftraggeber seit Jahren bestens bekannt sei. Hinsichtlich der später eingetretenen Diskussion wegen der Auswirkungen des Großbrandes verwies sie im Wesentlichen auf die Ausführungen der Beigeladenen. Von dieser wurde geltend gemacht, dass die Übernahmestelle alle Anforderungen der Vergabeunterlagen erfüllt, sie über eine hinreichend genehmigte Kapazität verfüge und der Brand auf dem Gelände der Übernahmestelle daran nichts geändert habe.
Ein Auftraggeber darf den Angaben eines Bieters und den Leistungsversprechen, die sie in ihren Angeboten gemacht haben, grundsätzlich vertrauen. Nur dann, wenn sich Zweifel ergeben, die das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht plausibel erscheinen lassen und Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der Bieter die auftraggeberseitig gesetzten Vorgaben möglicherweise nicht einhalten kann, ist der Auftraggeber verpflichtet, eine Aufklärung herbeizuführen und die hinreichende Leistungsfähigkeit des Bieters durch Einholung ergänzender Informationen zu prüfen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. Mai 2020 - 15 Verg 2/20 -; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2020 - Verg 20/19 -, OLG Celle, Beschluss vom 13. Dezember 2007 - 13 Verg 10/07 -; VK Bund, Beschluss vom 27. November 2019 - VK 2-84/19 -; VK Sachsen - 1/SVK/041-21 -, BayObLG, Beschluss vom 29. Mai 2024 - Verg 15/23 - und OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juni 2024 - Verg 36/23).
Nach Auffassung der Vergabekammer hätten sich dem Auftraggeber bereits bei der Prüfung der Angebote für den Interimsauftrag wegen des Großbrandes auf dessen Übernahmestelle von sich aus Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Nachunternehmens der Beigeladenen aufdrängen müssen. Weder der Inhalt der Vergabeakte noch der Vortrag im Nachprüfungsverfahren belegen, dass diesbezüglich eine Prüfung stattgefunden hat. Deshalb hat der Auftraggeber gegen seine Pflicht zur hinreichenden Prüfung der Leistungsfähigkeit der Angebote der Beigeladenen verstoßen.
Hinsichtlich der Übernahmestelle sind in den Vergabeunterlagen verschiedene Anforderungen enthalten. Es handelt sich bei diesen in der Leistungsbeschreibung aufgeführten Anforderungen um Bedingungen der Leistungsausführung und nicht um Eignungskriterien. Vorgegeben war u. a.:
"Der Auftragnehmer hat die Papierabfälle an einer für diese Abfallart geeigneten Übernahmestelle zu übernehmen. Die Übernahmestelle muss allen öffentlichrechtlichen Vorschriften, insbesondere den abfall- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsanforderungen, genügen."
Die Anlieferung der Papierabfälle muss von Montag bis Freitag in der Zeit von 07:00 Uhr bis 18:00 Uhr erfolgen können. An Samstagen muss in der Zeit von 7:00 Uhr bis 16:00 Uhr die Anlieferung im Zusammenhang mit Vor- bzw. Nachberäumungen, die in der Regel vor oder nach Feiertagen möglich sind, gewährleistet werden. Im Einzelfall können Vereinbarungen über eine angemessene Verlängerung der Öffnungszeiten getroffen werden."
Seite 5 der Leistungsbeschreibung
Hinsichtlich der Bereitstellung von Mengenanteilen an Duale Systeme hieß es:
Im Jahr 2024 beteiligen sich noch alle Dualen Systeme an der gemeinsamen Verwertung. In Abstimmungsgesprächen für den Zeitraum ab 2025 wurde dem Auftraggeber signalisiert, dass einige Duale Systeme beabsichtigen, das Recht auf die Herausgabe in Anspruch zu nehmen. Die jeweiligen Mengenanteile werden im Kapitel 7 tabellarisch dargestellt.
Seite 1-2 der Leistungsbeschreibung
Der Auftraggeber hat im Kapitel 7 der Leistungsbeschreibung eine Prognose erstellt, welche Mengen Altpapier insgesamt anfallen und wie sie sich voraussichtlich auf die gemeinsame Verwertung einerseits und die Herausgabe an die Dualen Systeme mengenmäßig verteilt:
[Abbildung nicht dargestellt]
Seite 4 der Leistungsbeschreibung
Schließlich gab es in den Vergabeunterlagen Vorgaben wie im Falle der Herausgabe an Duale Systeme mit dem Altpapier umgegangen werden soll:
Für den Fall, dass Mitbenutzer des Sammelsystems (Duale Systeme) vom Auftraggeber die Herausgabe von Mengenanteilen der im Vertragsgebiet gesammelten Papierabfälle verlangen, muss der Auftragnehmer nach Aufforderung durch den Auftraggeber diese Mengenanteile denjenigen Dualen Systemen, die eine Herausgabe gefordert haben, bereitstellen.
Seite 7 der Leistungsbeschreibung
Im gleichen Abschnitt heißt es dann weiter unten:
"Darüber hinaus sind folgende Anforderungen zu beachten: - Die Papierabfälle sind trocken zu lagern."
Seite 7 der Leistungsbeschreibung
Hinreichende und konkrete Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Übernahmestelle der Beigeladenen in Bezug auf die gerade genannten Anforderungen der Vergabeunterlagen ergeben sich daraus, dass es auf dem Gelände der Übernahmestelle im Sommer 2022 einen tagelangen Großbrand gegeben hat, welcher die zuvor vorhandene riesige Lagerhalle komplett zerstörte. In den unzähligen reichweitenstarken Pressberichten hieß es dazu unter anderem:
+++Großbrand in Sachsen+++Explosionen im Gebäude+++:
Flammen zerstören Recycling-Lagerhalle ... - Die Flammen und dicken Rauchschwaden waren am Freitagabend kilometerweit in und um ... zu sehen. ... im Industriegelände war gegen 21.30 Uhr aus noch ungeklärter Ursache ein Feuer in einem alten Fabrikgebäude ausgebrochen.
Durch den Großbrand im ... Industriegelände wurde die Recycling-Lagerhalle der Firma "N" komplett zerstört. Auch der in dem historischen Gebäude untergebrachte Kult-Technoclub "S" steht vor dem Aus. Als die Feuerwehr mit einem Großaufgebot von insgesamt mehr als 100 Kameraden am Brandort eintraf, drang zunächst starker Rauch aus dem Dach der Halle, in der unter anderem auch die Firma "N" Recyclingmüll lagert. Nach kurzer Zeit hatte sich das Feuer zu einem Großbrand entwickelt, es kam immer wieder zu Explosionen im Inneren des Gebäudes, die den Löscheinsatz der Feuerwehr enorm erschwerten.
Quelle
Die Bevölkerung wurde in Folge des Großbrandes in einer amtlichen Mitteilung vor einem Aufenthalt im Freien in 2 km Umgebung des betroffenen Industriegeländes gewarnt und von weiteren Notrufen abgehalten (Überlastung Notrufzentrale). Benachbarte Straßen und Bahngleise wurden zeitweise gesperrt. Nach den Presseberichten brannte das Feuer Tage und es fanden in Folge des Brandes Notabrissmaßnahmen statt, um ein weiteres Ausbreiten des Großbrandes zu verhindern.
Es finden sich zu diesem Ereignis unzählige Presseartikel, Berichte im Radio und TV. Der Oberbürgermeister ... äußerte sich zu dem Vorfall.
Das Nachunternehmen der Beigeladenen (Betreiber der Übernahmestelle) äußerte sich zu dem Großbrand auf der eigenen Homepage:
"...am Freitagabend, den 24.06.2022 gab es im Industriegebiet ... einen Großbrand. Der N Betriebsstandort ... ist stark betroffen. Glücklicherweise gab es nach aktuellem Kenntnisstand keine Verletzten."
Quelle
Der medienwirksame Großbrand auf dem Gelände der Übernahmestelle der Beigeladenen hat nach Auffassung der Vergabekammer bereits Anlass genug gegeben, dass der Auftraggeber im Rahmen der Prüfung der Angebote der Beigeladenen für den Interimsauftrag - schon ohne die Rüge der Antragstellerin - Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen hätte haben müssen. Denn dieser beruft sich im Nachprüfungsverfahren gerade darauf, dass ihm die betroffene Übernahmestelle der Beigeladenen seit Jahren bekannt sei und er deren Kapazitäten, Öffnungszeiten, technische Merkmale usw. kenne. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, dass ein Abfallzweckverband den medienwirksamen Großbrand bei einer von ihm in der Vergangenheit genutzten Übernahmestelle nicht gekannt haben will und daraus keine Zweifel an der Leistungsfähigkeit entstanden sind.
Konkret ergeben sich die Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen daraus, dass in der Leistungsbeschreibung vorgegeben war, dass die Übernahmestelle allen öffentlichrechtlichen Vorschriften, insbesondere den abfall- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsanforderungen, genügen muss und der Auftraggeber prognostizierte Jahresmengen des anfallenden Altpapiers veröffentlicht hat. Zur Begründung der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen verwies der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren auf eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Nachunternehmens der Beigeladenen vom 8. März 2007. Diese bestätige nach Auffassung des Auftraggebers eine hinreichende Kapazität der Übernahmestelle. Diese Genehmigung "umfasst die in einer Halle betriebene Anlage zum Sortieren von" u. a. Papier und gibt eine entsprechende Durchsatzleistung pro Jahr an. Eine Halle ist auf dem Gelände der Übernahmestelle der Beigeladenen nicht mehr vorhanden. Das Gebäude der ursprünglichen Halle gleicht einer Ruine. Das Dach fehlt vollständig. Welchen weiteren Aussagegehalt die Genehmigung hat und ob bzw. wie derzeit die abfall- und immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsanforderungen durch die Ablagerung des Papiers im Freien erfüllt werden, kann für die Vergabekammer dahinstehen. Denn der Auftraggeber hat sich weder im Vergabeverfahren noch im Nachprüfungsverfahren irgendwie weiter mit der Genehmigung, den Auswirkungen des Brandes auf die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen und der Frage, ob die derzeitige Form der Leistungserbringung (ohne Nutzung einer Halle, stattdessen Ablagerung des Papiers im Freien) von der zur Begründung der Leistungsfähigkeit herangezogenen Genehmigung umfasst ist, auseinandergesetzt. Im Wesentlichen verwies er im Nachprüfungsverfahren lediglich auf die Ausführungen der Beigeladenen. Eine hinreichende Prüfung der Leistungsfähigkeit unter Einbezug vorhandener Zweifel stellt dies jedenfalls nicht dar. Schon gar nicht hat der Auftraggeber selbst ergänzende zusätzliche Informationen eingeholt und diese mit zum Gegenstand der Prüfung der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen gemacht.
Des Weiteren ergeben sich konkrete Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen daraus, dass in den Vergabeunterlagen für den Fall, dass die dualen Systeme die Herausgabe ihres Mengenanteils verlangen, dieser trocken gelagert werden muss. Hierzu ist in den Vergabeunterlagen weiter festgehalten, dass einige Dualen Systeme beabsichtigen, ab 2025 ihren Anteil herauszufordern und es wurden hierzu konkrete Angaben zu den prognostizierten Mengen des dann trocken zu lagernden Papiers gemacht. In Folge des Brandes wurde die auf dem Gelände der Übernahmestelle der Beigeladenen befindliche Halle zerstört. Die Beigeladene lagert das Papier derzeit in einem Teilbereich des Außengeländes, welcher mit einer planenartigen Konstruktion teilweise vor Regen geschützt ist. Eine trockene Lagerung des gesamten Papiers ist so nicht möglich. Auch wenn zum Zeitpunkt der Prüfung der Angebote für den Interimsauftrag (und der ursprünglich beabsichtigten Zuschlagserteilung am (26. August 2024) die laut den Vergabeunterlagen signalisierte und beabsichtigte Herausgabe von Mengen an die dualen Systeme und damit die Verpflichtung zur trockenen Lagerung dieses Mengenanteils (ab 2025) noch nicht unmittelbar bevorstand, hätte sich nach Auffassung der Vergabekammer zumindest eine Nachfrage des Auftraggebers bei der Beigeladenen, wie diese angesichts der zerstörten Halle das Papier in Zukunft trocken lagern will, aufgedrängt. In der Vergabeakte wurde dies jedoch, wie der Brand an sich, überhaupt nicht thematisiert.
Der Interimsauftrag hat zwar nur einen festen Leistungszeitraum vom 1. Oktober 2024 bis zum 31. Dezember 2024, doch daran anschließend einen weiteren optionalen Zeitraum bis zum 30. Juni 2025. Die Verpflichtung zur trockenen Lagerung für das Altpapier der Dualen Systeme, dessen Herausgabe ab 2025 "signalisiert und beabsichtigt" sei, greift demnach erst im Optionszeitraum. Es ist diesbezüglich nach Auffassung der Vergabekammer aber nicht angebracht, diese "signalisierte und beabsichtigte" Anforderung bei der Vergabe des Interimsauftrags und der Prüfung der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen außen vor zu lassen. Denn der Auftraggeber konnte zum damaligen Zeitpunkt nicht davon ausgehen, dass er nur den festen Zeitraum der Interimsbeauftragung (1. Oktober 2024 bis zum 31. Dezember 2024) ausschöpfen wird. Diesem war die Belastung der Vergabekammer mit einer Vielzahl von Nachprüfungsverfahren und der dadurch zu erwartenden längeren Verfahrensdauer laut dem Vergabevermerk vom 5. August 2024 bekannt. Genauso bekannt sein dürfte dem Auftraggeber, dass die Antragstellerin zur Wahrung ihrer Rechte (soweit sie im Nachprüfungsverfahren betreffend den Hauptauftrag (1/SVK/017-24) verloren hätte) auch regelmäßig in der Beschwerdeinstanz durchzusetzen versucht. Sodass eine rechtskräftige Entscheidung über den Hauptauftrag vor Ende 2024 nicht zu erwarten gewesen ist.
Soweit im laufenden Nachprüfungsverfahren zuletzt von der Beigeladenen vorgetragen wurde, dass man die Errichtung einer festen Überdachung plane, falls man längerfristig beauftragt werde, entfällt hierdurch nicht eine gebotene Prüfung der Leistungsfähigkeit durch den Auftraggeber.
Die von der Beigeladenen eingeholte Stellungnahme des Umweltamts der Stadt ... ist nach Auffassung der Vergabekammer ebenfalls nicht geeignet, alle Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen zur genehmigungskonformen Leistungserbringung zu beseitigen.
Abgesehen davon sind durch die Rügen der Antragstellerin zwar noch nicht konkret auf den Brand bezogene, doch jedenfalls zumindest weitere Anhaltspunkte dafür entstanden, dass die Beigeladene die auftraggeberseitig gesetzten Vorgaben zur Übernahmestelle möglicherweise nicht einhalten kann. Denn diese hatte in ihren Rügen bereits vorgetragen, dass die Beigeladene über keine Übernahmestelle verfüge, die den Anforderungen der Leistungsbeschreibung insbesondere im Hinblick auf Kapazitäten und Genehmigungen, entspricht.
Die gebotene Aufklärung und Prüfung der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen durch Einholung weiterer Informationen hat nicht stattgefunden. In der Vergabeakte ist hierzu nichts vermerkt. In den Schriftsätzen des Nachprüfungsverfahrens hat der Auftraggeber zu der Thematik Leistungsfähigkeit nach Brand in der Übernahmestelle im Wesentlichen auf die Ausführungen der Beigeladenen verwiesen. Dies stellt keine eigene hinreichende Prüfung dar.
Es handelt sich bei den im Nachprüfungsverfahren vorgebrachten Erwägungen auch nicht um ein Nachschieben von Gründen, da insoweit einerseits nichts vorhanden ist, an das angeknüpft werden könnte und andererseits die hierzu im Nachprüfungsverfahren vom Auftraggeber getätigten Aussagen nicht ausreichend sind, um eine hinreichende Prüfung der Leistungsfähigkeit zu ersetzen.
Unabhängig davon wäre ein Nachschieben von Gründen betreffend die Prüfung der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen hier auch aus anderen Gründen ausgeschlossen. Denn Dokumentationsmängel sind zwar grundlegend heilbar, wenn bereits im Vergabevermerk enthaltene Begründungen ergänzt oder erläutert werden, wenn die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers inhaltlich richtig ist und eine Verzögerung des Vergabeverfahrens durch Wiederholung von Verfahrensschritten unangemessen wäre (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 22. März 2021 - 1/SVK/46-20). Eine Heilung ist aber wiederum dann ausgeschlossen, wenn - wie hier - nichts vorhanden ist, an das angeknüpft werden könnte und zu besorgen ist, dass die Berücksichtigung der nachgeschobenen Dokumentation lediglich im Nachprüfungsverfahren nicht ausreichen könnte, um eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - X ZB 4/10). Da die Nachholung nicht dokumentierter oder nicht vorab angestellter Erwägungen einer Wertung die Gefahr birgt, dass der öffentliche Auftraggeber nur eine am Ausgang des Nachprüfungsverfahrens orientierte Bewertung der Tatsachen vornimmt und dies nicht eine ergebnisoffene Bewertung der Tatsachen durch den öffentlichen Auftraggeber sicherstellt (OLG München, Beschluss vom 9. März 2018 - Verg 10/17).
Der Auftraggeber war angesichts der bestehenden Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen gehalten, eine Aufklärung herbeizuführen, und zwar insbesondere zu den beiden oben genannten Punkten.
Auf den Vortrag der Antragstellerin zu den Öffnungszeiten der Übernahmestelle der Beigeladenen kommt es damit nicht mehr entscheidend an.
2. Bieterfragen
Der Auftraggeber hat gegen das Gebot der Transparenz und Gleichbehandlung verstoßen, weil er Bieterfragen nur selektiv beantwortet hat.
Der Grundsatz der Gleichbehandlung erfordert, dass ein öffentlicher Auftraggeber regelmäßig jede Auskunft, die er einem anfragenden Bieter gibt, auch allen anderen Bietern erteilt. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Auftraggeber gegen das Gebot der Gleichbehandlung und Chancengleichheit aller Bieter verstößt. Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz erhebt einen umfassenden und unmittelbaren Geltungsanspruch. Im Hinblick auf die Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen bei der Abgabe der Angebote sind die Bieter gleichmäßig über nachträgliche Ergänzungen oder Erläuterungen zu den Vergabeunterlagen zu informieren. Das bedeutet, dass wettbewerbsrelevante Fragen eines Bieters nicht ausschließlich individuell gegenüber diesem beantwortet werden dürfen, sondern die Antworten und, soweit es zwecks Nachvollziehbarkeit ihres Inhalts und ihrer Relevanz erforderlich ist, auch die gestellten Fragen allen Bietern mitzuteilen sind (VK Bund, Beschluss vom 27. Januar 2017 - VK 2-131/16).
Die unterlassene Weiterleitung von Bieterfragen und -antworten begründet einen schwerwiegenden Verfahrensfehler (VK Bund, Beschluss vom 10. März 2020 - VK 2 - 9/20). Werden nur einem Unternehmen wettbewerbs- und preisrelevante Informationen zur Verfügung gestellt, kann diese Ungleichbehandlung die Vergleichbarkeit der Angebote aufheben und zur Rückversetzung oder im Ausnahmefall zur Aufhebung des Vergabeverfahrens führen. Dabei reicht es aus, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die unterbliebene Bieteröffentlichkeit auf die Angebotserstellung Auswirkungen hatte (BayObLG, Beschluss vom 1. August 2024 - Verg 19/23).
Ein Auftraggeber kann allenfalls im Einzelfall eine Bieterfrage individuell beantworten, wenn es sich nicht um eine zusätzliche sachdienliche Auskunft handelt. Der Begriff der zusätzlichen Auskunft ist dabei weit auszulegen. Sachdienlich sind Auskünfte, wenn sie objektiv mit der Sache zu tun haben und Missverständnisse ausräumen oder Verständnisfragen zu den Vergabeunterlagen beantworten (VK Thüringen, Beschluss vom 25. April 2019 - 250-4002-11352/2019-N-006-EF). Ein Ausnahmefall kann vorliegen, wenn offensichtlich ein individuelles Missverständnis des Bieters betroffen ist und die allseitige Beantwortung der Frage Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse verletzen oder die Identität des Bieters preisgeben würde (VK Sachsen, Beschluss vom 24. August 2016 - 1/SVK/017-16 m. w. N.).
Die weite Auslegung des Begriffs der sachdienlichen zusätzlichen Auskunft ist geboten, weil die Bieter einen Anspruch haben, sich selbst eine Meinung über die Relevanz von zusätzlich erteilten Auskünften zu bilden und selbst einzuschätzen, inwieweit sie diesen Bedeutung für die eigene Angebotserstellung beimessen. Anderes gilt allenfalls für solche Fragen, deren Beantwortung sich in bloßen Wiederholungen von ohnehin bekannten und zweifelsfrei transparenten Vorgaben erschöpfen und die damit die Schwelle zur Auskunft oder Zusatzinformation nicht überschreiten, sondern die lediglich einem rein subjektiven, redundanten Informationsbedürfnis des Fragestellers entspringen. Nur in solchen Fällen kann es vorstellbar sein, dass eine bloße Wiederholung nicht allen Bietern zur Verfügung gestellt werden muss (VK Bund, Beschluss vom 28. Januar 2017 - VK 2 - 129/16). Die Weiterleitung der Antwort darf deshalb nicht von einer qualitativen Überprüfung des Frageinhaltes abhängig gemacht werden (Franzius in: Pünder/Schellenberg, § 12a VOB/A Rn. 13). Es reicht daher für einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die unterbliebene Bieteröffentlichkeit auf die Angebotserstellung Auswirkungen haben könnte (VK Bund, Beschluss vom 27. Januar 2017 - VK 2 -131/16; Völlink in: Ziekow/Völlink, § 12a VOB/A, Rn. 15 und § 20 VgV Rn. 15).
Im Ergebnis müssen alle interessierten Unternehmen die gleichen Informationen erhalten, damit sie die gleichen Erfolgschancen haben (VK Bund, Beschluss vom 10. März 2020 - VK 2-5/20).
Gemessen an diesem strengen Maßstab liegt hier eine Verletzung der Pflicht zur umfassenden Beantwortung von Bieterfragen gegenüber allen Bietern vor.
Vorliegend hat die Antragstellerin am 12. Juli 2024 vier Bieterfragen gestellt. Eine Antwort (zur dritten Bieterfrage) wurde allgemein beantwortet, die anderen nur individuell gegenüber der Antragstellerin.
Die Antragstellerin fragte u. a. in ihrer zweiten Bieterfrage vom 12. Juli 2024:
Wir haben festgestellt, dass in § 3 Abs. 2 der Vertragsbedingungen gegenüber der im Offenen Verfahren verwendeten Fassung die Verpflichtung des Auftragnehmers entfallen ist, die erforderlichen technischen Einrichtungen "in eigener Verantwortung" zu stellen. Ist unser Verständnis richtig, dass der Auftragnehmer auch unter der Neufassung der Vertragsbedingung jederzeit in der vertraglichen Verantwortung gegenüber dem AG für die von ihm in die Leistungserbringung eingebundenen technischen Einrichtungen verbleibt? Anderenfalls: Wie ist die Neuregelung zu verstehen?
Die Antwort an die Antragstellerin lautete:
Es ist richtig, dass der Auftraggeber die Wortgruppe "in eigener Verantwortung" gestrichen hat. Denn hierbei handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit. Da wir aber bemerkt haben, dass die Wortgruppe zu Missverständnissen führen kann, haben wir sie gestrichen. Ihr Verständnis ist richtig, dass der Auftragnehmer auch unter der Neufassung der Vertragsbedingung jederzeit in der vertraglichen Verantwortung gegenüber den Auftraggeber für die von ihm in die Leistungserbringung eingebundenen technischen Einrichtungen verbleibt.
Die Antwort des Auftraggebers stellt eine zusätzliche sachdienliche Auskunft dar, welche objektiv mit der Sache zu tun hat und mögliche Missverständnisse zur Änderung der Vergabeunterlagen ausräumt bzw. schlicht eine Verständnisfrage zu den Vergabeunterlagen beantwortet. Sie war deshalb allgemein und nicht nur individuell zu beantworten.
In der Antwort stellt der Auftraggeber klar, dass die entsprechende Passage trotz Änderungen am Wortlaut genau so zu verstehen sei wie früher mit der entsprechenden Passage. Damit schließt er eine andere - eventuell auch sehr fernliegende - Auslegungsvariante (nämlich, dass wegen der Streichung der Wortgruppe nunmehr die Bieter nicht mehr selbst für die technischen Einrichtungen verantwortlich sind) definitiv aus. Er stellt somit eindeutig klar, wie die Vergabeunterlagen diesbezüglich zu verstehen sind. Das Argument der Antragstellerin, wonach gerade wegen der Streichung der Wortgruppe "in eigener Verantwortung" nunmehr ein anderes Verständnis möglich wäre, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Der Auftraggeber schreibt in der Antwort selbst, dass es bezüglich § 3 Abs. 2 der Vertragsbedingungen früher zu Missverständnissen bei Bietern gekommen ist, so dass (Neu-)Regelungen an dieser Stelle ebenfalls Fragen aufwerfen können. Die Antwort überschreitet somit die Schwelle zur Auskunft oder Zusatzinformation.
Dass es sich offensichtlich nur um ein individuelles Missverständnis der Antragstellerin handelt und die allgemeine Beantwortung der Frage Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin verletzt oder deren Identität offenlegt, ist nicht ersichtlich. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Antwort kalkulationsrelevant ist.
Der Umstand, dass die Antragstellerin die Frage selbst gestellt hat und eine Antwort erhalten hat, lässt eine Rechtsverletzung nicht entfallen (vgl. zu dieser Konstellation VK Nordbayern, Beschluss vom 11. September 2024 - RMF-SG21-3194-9-18; VK Thüringen, Beschluss vom 25. April 2019 - 250-4002-11352/2019-N-006-EF). Denn es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin durch Beachtung der erhaltenen Information einen Wettbewerbsnachteil erlangt hat. Dies begründet sich darin, dass die anderen Bieter, die klarstellende Antwort des Auftraggebers nicht kannten und so eventuell günstiger angeboten haben als die Antragstellerin, die sich an die eindeutige Vorgabe gehalten hat. Aus den Angaben der Bieter in den Angeboten lässt sich dies jedenfalls nicht vollständig ausschließen.
Angesichts des oben beschrieben strengen Maßstabes hält die Vergabekammer an ihrer summarischen Einschätzung aus dem Gestattungsbeschluss (1/SVK/022-24) zu dieser Bieterfrage deshalb nicht mehr fest.
Die beiden weiteren Bieterfragen vom 12. Juli 2024 stellen nach Auffassung der Vergabekammer jedoch keine Fragen dar, bei denen wettbewerbs- und preisrelevante Informationen zur Verfügung gestellt wurden. Es ist bei diesen nicht ersichtlich, wie diese und die jeweilige Antwort des Auftraggebers Auswirkungen auf die Angebotserstellung der Bieter hätte haben können. Durch die nur individuelle Beantwortung dieser beiden Bieterfragen liegt demnach kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor.
In der ersten weiteren Bieterfrage vom 12. Juli 2024 wollte die Antragstellerin wissen:
Wir verstehen die Aufforderung zur Angebotsabgabe so, dass das Vergabeverfahren lediglich die Interimsvergabe der im Offenen Verfahren ausgeschriebenen, derzeit aber nicht bezuschlagbaren Leistungen in den Losen A und B beabsichtigt. Dennoch haben wir festgestellt, dass die Vergabeunterlagen nicht vollständig jenen im Offenen Verfahren entsprechen, sondern einige Änderungen an der Verfahrensbeschreibung (Bewerbungsbedingungen) und den Vertragsbedingungen enthalten. Was sind die Gründe für diese Änderungen?
In der Antwort führt der Auftraggeber aus:
Ihr Verständnis ist richtig. Die Interimsvergabe betrifft diejenigen Leistungen, die wir im offenen Verfahren aktuell nicht vergeben können, weil eine Zuschlagsperre durch das Nachprüfungsverfahren besteht. Gleichwohl handelt es sich bei dem offenen Verfahren einerseits und dem Verhandlungsverfahren andererseits um getrennte Vergabeverfahren. Die Interimsvergabe im Verhandlungsverfahren ist nicht Teil des offenen Verfahrens. Selbstverständlich haben wir im Wesentlichen die gleichen Bedingungen, Vertragsinhalte usw. ausgeschrieben wie im offenen Verfahren, auch verweisen wir in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots vom 05.07.2024 auf das offene Verfahren und insbesondere die beiden Bieterinformationen. Die Interimsvergabe ist gleichwohl kein Bestandteil des offenen Verfahrens. Daher steht es dem Auftraggeber frei, Änderungen gegenüber dem offenen Verfahren vorzusehen. Insbesondere haben wir uns bei der Gestaltung der Vergabeunterlagen von den Erfahrungen leiten lassen, die wir im offenen Verfahren gemacht haben.
Maßgeblich ist hier, dass sich die Frage nicht auf Einzelheiten der Vergabeunterlagen selbst richtet, sondern nach den Gründen für die Änderung von einzelnen Passagen der Vergabeunterlage. Trotz des insoweit äußerst engen Maßstabes für eine individuelle Beantwortung von Bieterfragen, erkennt die Vergabekammer hier keinerlei mögliche Kalkulationsrelevanz der Frage und der Antwort. Es wird in der Antwort keine Erläuterung zu den Vergabeunterlagen gegeben, sondern die Gründe dargelegt, warum Änderungen möglich waren. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Frage und die darauf folgende Antwort Bedeutung für die Angebotserstellung haben können. Sie erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass ausgeführt wird, dass die Interimsvergabe diejenigen Leistungen betrifft, die im Vergabeverfahren zum Hauptauftrag derzeit nicht vergeben werden können und es sich um getrennte Vergabeverfahren handelt. Hierzu wurden im Übrigen schon in der Aufforderung zur Abgabe der Angebote gleichlautende Angaben gemacht. Dementsprechend ist eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch die nur individuelle Beantwortung dieser Bieterfrage nicht gegeben.
Die andere weitere nur individuell beantwortete vierte Frage vom 12. Juli 2024 lautete:
Bitte bestätigen Sie unser Verständnis, dass der Auftraggeber die Eignung der Bieter nicht vorab außerhalb des Vergabeverfahrens geprüft und bejaht hat, sondern dass er diese anhand der nach Maßgabe der Vergabeunterlagen erstellten Angebote, insbesondere anhand der in den Angeboten enthaltenen eignungsrelevanten Erklärungen und Nachweise, prüfen wird.
Diesbezüglich wurde geantwortet:
Ihr Verständnis ist richtig.
§ 17 VgV enthält keine Regelungen, wie der Auftraggeber die Eignungsprüfung in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchzuführen hat. In § 17 Abs. 5 VgV heißt es nur, dass vom öffentlichen Auftraggeber ausgewählte Unternehmen zur Abgabe von Erstangeboten aufzufordern sind. Aus dieser Formulierung wird üblicherweise geschlossen, dass der Auftraggeber im Vorfeld der Angebotsaufforderung eine Eignungsprüfung vorzunehmen hat. Nur Unternehmen, die aus Sicht des Auftraggebers geeignet sind, wird der Auftraggeber überhaupt zur Angebotsabgabe auffordern. Hier haben wir nun die Situation, dass Sie die Eignung der ... GmbH bestreiten. Aus Gründen der Gleichbehandlung sehen wir uns allerdings als verpflichtet an, auch die ... GmbH an der Interimsvergabe zu beteiligen. Wir wollten uns nun nicht Vorwürfen aus Ihrem Hause aussetzen, wir hätten die ... GmbH fehlerhaft zur Angebotsabgabe aufgefordert, weil die ... GmbH gerade nicht über die notwendige Eignung verfüge. Daher haben wir gewissermaßen die gleichen Eignungsvoraussetzungen noch einmal aufgestellt, weil die ... GmbH entgegen Ihren Ausführungen im Nachprüfungsverfahren (die die ausschließlich ins Blaue hinein gebracht wurden) über die von uns verlangte Eignung verfügt. Unsere Gestaltung des Vergabeverfahrens verfolgt also den Zweck, weiteren Streitigkeiten mit Ihrem Hause von vornherein den Boden zu entziehen.
Bezüglich dieser Frage und Antwort ist eine Relevanz für die Angebotserstellung ebenfalls nicht ersichtlich. Es geht offenkundig nicht um den Inhalt der Vergabeunterlagen, sondern um die Motive, warum der Auftraggeber im Interimsvergabeverfahren eine Eignungsprüfung vornehmen möchte und das Verständnis des Auftraggebers von § 17 VgV. Konkrete Angaben zum Inhalt der Vergabeunterlagen werden hingegen nicht gemacht. Wie durch diese Antwort Vorteile oder Nachteile, welche in einer Ungleichbehandlung der Bieter resultieren könnten, entstehen sollen, ist nicht erkennbar. Es handelt sich nicht um wettbewerbs- und preisrelevante Informationen, die irgendeinen Einfluss auf die Angebotserstellung haben können. Es ist aus den Vergabeunterlagen auch eindeutig erkennbar, dass der Auftraggeber für das Interimsvergabeverfahren Eignungsnachweise angefordert hat, so dass jede Antwort auf diese Frage keine weiterführenden Informationen für die weiteren Bieter enthält. Entsprechend hat der Auftraggeber zulässig individuell gegenüber der Antragstellerin auf diese Frage geantwortet und dabei auch Bezug auf vorherige Auseinandersetzung mit der Antragstellerin genommen, welche aus Gründen der Geheimhaltung ohnehin gegenüber den anderen Bietern nicht hätte bekannt gemacht werden dürfen.
Soweit von der Antragstellerin im Zusammenhang mit den Bieterfragen geltend gemacht wurde, dass sich die Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aus dem Vergabeverfahren zum Hauptauftrag im Vergabeverfahren zum Interimsauftrag fortsetzt, weil die beiden Vergabeverfahren miteinander verknüpft seien und im Interimsvergabeverfahren auf die beiden zum Hauptauftrag veröffentlichten allgemeinen Bieterinformationen verwiesen wurde, kann hierzu eine Entscheidung dahinstehen. Die Vergabekammer hält dies aus den im Gestattungsbeschluss vom 9. September 2024 (1/SVK/022-24G) genannten Gründen, wonach es sich um zwei getrennte und eigenständige Vergabeverfahren handelt, weiter für zweifelhaft.
3. Preisprüfung
Eine Verpflichtung des Auftraggebers zur Preisprüfung bestand nicht.
Hinsichtlich des Preisabstands sind in der Rechtsprechung Aufgreifschwellen anerkannt, bei deren Erreichen eine Verpflichtung des Auftraggebers angenommen wird, in eine nähere Prüfung der Preisbildung des fraglichen Angebots einzutreten. Die Vergabekammer Sachsen geht diesbezüglich in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Preisprüfung dann stattzufinden hat, wenn ein Preisabstand von 20% oder mehr zum nächsthöheren Angebot besteht und dabei auf die Differenz des Gesamtpreises abzustellen ist und nicht auf einzelne Preispositionen (VK Sachsen, Beschluss vom 30. März 2023 - 1/SVK/002-23 m. w. N.).
Diese Aufgreifschwelle wurde hier weder erreicht noch überschritten, sondern im Gegenteil deutlich unterschritten. Es sprechen auch keine weiteren besonderen Umstände des Einzelfalls dafür, dass die Antragsgegnerin zu einer Preisprüfung verpflichtet gewesen wäre.
Soweit die Antragstellerin hierzu geltend macht, dass die Aufgreifschwelle nicht nur auf den gebildeten Gesamtpreis anzuwenden wäre, sondern auch auf dessen einzelne Bestandteile (Entgelt und Vergütung), ist dies nach bereits oben Dargestelltem nicht der Fall. Darüber hinaus wäre auch bei einer einzelnen Betrachtung des Entgelts und der Vergütung die Aufgreifschwelle vorliegend nicht erreicht.
4. Angebotswertung - Ermittlung Vergleichspreis
Die Vergabekammer hat die Ermittlung des Vergleichspreises nachgehalten. Zutreffend hatte die Antragstellerin diesbezüglich auf einen Rechenfehler des Auftraggebers hingewiesen.
Aus diesem Rechenfehler ergeben sich aber keine Konsequenzen für die Rangfolge der Angebote. Der Fehler tritt bei den Angeboten der Antragstellerin und der Beigeladenen gleichermaßen auf und begründet Abweichungen vom ursprünglichen Ergebnis der Ermittlung des Vergleichspreises um Cent-Beträge.
Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin, die ihr einen Schaden verursacht, ist darin nicht zu erkennen.
5. Angebotswertung - Ermittlung Transportkosten
Hinsichtlich der Transportkosten macht die Antragstellerin geltend, dass der Auftraggeber diese falsch einfach (Hinweg zur Übernahmestelle) und nicht zutreffend doppelt (Hin- und Rückweg zur Übernahmestelle) berechnet hätte. Hierzu stützt sich die Antragstellerin auf den Wortlaut der Leistungsbeschreibung, wonach die "Kosten für Transportaufwendungen" zu berücksichtigen seien und dies bedeute, dass zwingend die Kosten für die Hin- und Rückfahrt berücksichtigt werden müssten.
Nach Auffassung der Vergabekammer ist die Herleitung der Transportkosten mathematisch exakt in der Leistungsbeschreibung (Formblatt Zuschlagskriterien V-II-13) vorgegeben. Dort wird ausdrücklich ausgeführt:
[Abbildung nicht dargestellt]
Daraus ergibt sich nach Auffassung der Vergabekammer eindeutig, dass die Kosten der Transportaufwendungen aus dem Produkt der einfachen Entfernung (Lx) und den spezifischen Transportkosten zu ermitteln ist. Die abgebildete Rechenformel in der ausschließlich auf "Lx" (was weiter oben als einfache Entfernung definiert wurde) lässt keine andere Schlussfolgerung zu.
Dies wird dann durch die dem Formblatt abgebildete Beispielsrechnung:
[Abbildung nicht dargestellt]
nochmals verdeutlicht. An keiner Stelle findet sich ein Rechenschritt in dem für die die Entfernung ein anderer Wert als die "einfache Entfernung" verwendet wird oder ein weiterer Rechenschritt, in der nochmals der Faktor 2 für die Entfernung hinzugerechnet wird.
Dementsprechend liegt bei der Ermittlung der Transportkosten kein Vergaberechtsfehler vor.
6. Ersatzübernahmestellen
Der Auftraggeber war nach Auffassung der Vergabekammer nicht verpflichtet, das Vorhandensein einer Ersatzübernahmestelle der Beigeladenen zu prüfen.
Es ist unzutreffend, dass die Beigeladene über eine Ersatzübernahmestelle verfügen müsse und diese bereits mit dem Angebot hätte benennen müssen. Der Auftraggeber war auch nicht verpflichtet, zu prüfen, ob diese Ersatzübernahmestelle wiederum alle Vorgaben der Vergabeunterlagen hinsichtlich Genehmigungen und Ausstattung entspricht. An keiner Stelle der Angebotsunterlagen musste eine entsprechende Ersatzübernahmestelle benannt werden oder für diese irgendwelche Unterlagen vorgelegt werden. Aus der Leistungsbeschreibung ergibt sich lediglich, dass
"In Fällen, in denen an der Übernahmestelle aufgrund von betrieblichen Störungen keine Übernahme möglich ist, ist dem Auftraggeber ersatzweise unverzüglich eine andere Übernahmestelle zu benennen.
Leistungsbeschreibung, Seite 5
Dies ist eine Bedingung für möglicherweise auftretende Störungsfälle im Rahmen der späteren Auftragsdurchführung und Vertragsabwicklung. Es ist abwegig, wenn die Antragstellerin meint, dass der Auftraggeber verpflichtet wäre, diesbezüglich näheres zu einer Ersatzübernahmestelle zu prüfen und Nachweise zu fordern, obwohl der Auftraggeber dies in den Vergabeunterlagen nicht gefordert hat.
7. Eignung Beigeladene
Eine Entscheidung der Vergabekammer zur Eignungsprüfung der Beigeladenen durch den Auftraggeber und der in diesem Zusammenhang von der Antragstellerin maßgeblich aufgeworfenen Frage, ob eine solche ohne Vorlage einer Verpflichtungserklärung speziell für das Interimsvergabeverfahren mit einer positiven Eignungsprognose zum Abschluss gebracht werden kann, kann mangels Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang dieses Nachprüfungsverfahrens dahinstehen.
III.
1. Der Auftraggeber und die Beigeladene haben die Kosten des Hauptsacheverfahrens (Nachprüfungsverfahren) gesamtschuldnerisch zu tragen, § 182 Abs. 3 Satz 1 und 2 GWB.
Der Auftraggeber und die Beigeladene haben als Unterliegende die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Hauptsacheverfahrens (Nachprüfungsverfahren) gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 und 2 GWB als Gesamtschuldner zu tragen.
Die Beigeladene ist als Unterliegende anzusehen, da sie sich aktiv am Verfahren beteiligt hat.
§ 182 Abs. 3 Satz 1 GWB gilt für alle Beteiligten, d. h. auch ein unterlegener Beilgeladener ist an den Kosten zu beteiligen. Ein Beigeladener ist allerdings nur dann als "unterlegen" anzusehen, wenn er sich - regelmäßig auf Seiten des Auftraggebers - selbst aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt und/oder eigene Anträge gestellt hat und damit erfolglos geblieben ist (vgl. zum ganzen Krohn in: Burgi/Dreher/Opitz, § 182 GWB Rn. 33 m. w. N.; Hafkesbrink in: Gabriel/Mertens/Stein/Wolf, § 182 GWB Rn. 70 f. m. w. N.; OLG Celle, Beschluss vom 24. September 2014 - 13 Verg 9/14, OLG Rostock, Beschluss vom 21. Juli 2017- 17 Verg 2/17). Dabei kommt es auf die Zielsetzung und den Grad an, mit dem der Beigeladene das Verfahren gefördert hat. Tritt der Beigeladene dem Nachprüfungsantrag mit eigenem substantiellem Vortrag oder eigenen Anträgen aktiv entgegen, ist er bei einem Obsiegen des Antragstellers neben dem Auftraggeber regelmäßig ebenfalls als unterlegen anzusehen. Eine aktive Beteiligung kann demnach auch ohne eigene Antragstellung gegeben sein.
Die Beigeladene hat zunächst im Schriftsatz vom 12. September 2024 Anträge gestellt bzw. diese angekündigt und sich dann im weiteren Verlauf mit mehreren substanziellen Schriftsätzen aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt und unter anderem um eine antragsgemäße Entscheidung gebeten (Schriftsatz vom 22. Oktober 2024). Sie nahm zudem aktiv an der mündlichen Verhandlung teil, stellte in dieser jedoch keinen Antrag. Mit ihren schriftsätzlichen Äußerungen hat die Beigeladene versucht, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen. Auch ohne förmliche Antragstellung ist deshalb eindeutig zu erkennen, welches Rechtsschutzziel (Abweisung des Nachprüfungsantrags) sie verfolgte.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hatte die Vergabekammer darauf hingewiesen, dass sie hinsichtlich der Thematik Bieterfragen und Leistungsfähigkeit der Beigeladenen erhebliche Risiken im Vorgehen des Auftraggebers sieht. Es wäre nicht sachgerecht der Beigeladenen, die bis zum Schluss aktiv an der Seite des Auftraggebers gegen die Antragstellerin gekämpft hat, die Möglichkeit zu geben, das damit verbundene Kostenrisiko - in Kenntnis des mutmaßlichen Verfahrensausgangs - durch bloßen Verzicht auf einen förmlichen Antrag in letzter Sekunde (in der mündlichen Verhandlung) noch abzuschütteln (Krohn in: Burgi/Dreher/Opitz, § 182 GWB Rn. 50, vgl. hierzu auch OLG Rostock, Beschluss vom 21. Juli 2017 - 17 Verg 2/17 m. w. N.).
Ein Teilunterliegen ist vorliegend nicht gegeben. Die Kosten des Hauptsacheverfahrens sind nicht zu quotieren. Zutreffend ist, dass die Pflicht zur Kostentragung nur besteht "soweit" der Beteiligte unterliegt, § 182 Abs. Satz 1 GWB. In der vorliegenden prozessualen Situation ist aber kein Teilunterliegen der Antragstellerin gegeben. Weder nach schematischer Betrachtung der gestellten Anträge noch nach einer materiellen Betrachtung kommt ein Teilunterliegen in Betracht. Mit ihrem zulässigen und begründeten Feststellungsantrag, wonach festzustellen sei, dass der Auftraggeber im streitigen Vergabeverfahren gegen Vergabevorschriften verstoßen hat und die Antragstellerin hierdurch in ihren Rechten verletzt wurde, hat sie Erfolg. Genau dies stellt die Vergabekammer hier fest. In materieller Hinsicht konnte sie in diesem Nachprüfungsverfahren nach der Zuschlagserteilung nichts weiter erreichen. Durch diese tritt eine Erledigung ein, § 168 Abs. 2 GWB. Sie obsiegt daher in materieller Hinsicht zu 100%.
Die Kosten des Hauptsacheverfahrens (Nachprüfungsverfahren) tragen demnach der Auftraggeber und die Beigeladene gesamtschuldnerisch.
2. Die Verfahrensgebühr für das Hauptsacheverfahren (Nachprüfungsverfahren) wird auf x.... EUR festgesetzt und ist allein von der Beigeladenen zu tragen, § 182 Abs. 3 Satz 2 GWB. Der Auftraggeber ist von der Zahlung der Gebühr befreit, § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 des Verwaltungskostengesetzes (Bund).
Die Gebühr beträgt mindestens 2.500 EUR und soll den Betrag von 50.000 EUR nicht überschreiten (§ 182 Abs. 2 Satz 1 und 2 GWB). Die Höhe der Gebühr bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der erkennenden Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes des Nachprüfungsverfahrens (§ 182 Abs. 2 GWB). Der Gesetzgeber hat mit dieser an § 80 Abs. 2 GWB orientierten Regelung klargestellt, dass - wie im Kartellverwaltungsverfahren - vorrangig auf die wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens abzustellen ist. Die Vergabekammern des Bundes haben eine Gebührenstaffel erarbeitet, die die erkennende Vergabekammer im Interesse einer bundeseinheitlichen Handhabung in der Regel übernimmt. Zur Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses wird in der Regel auf den Angebotswert des Angebotes der Antragstellerin abgestellt.
Vorliegend ergibt sich die Besonderheit, dass die Angebotspreise negativ sind. Dies resultiert daraus, dass den Bietern das Altpapier zur Verwertung überlassen wird und diese dadurch Verwertungseinnahmen generieren. Diese reichen sie (teilweise) an den Auftraggeber weiter. Der Wert dieser Vergütung übersteigt die angegebenen Entgelte für die zu erbringenden Dienstleistungen. Es ist für die Vergabekammer nicht erkennbar, ob die Bieter bei der Angabe der an den Auftraggeber zu zahlenden Erlöse eigene Gewinne einkalkuliert haben bzw. wie hoch diese sind. Es wird deshalb für das wirtschaftliche Interesse allein auf die positiv kalkulierten Entgelte für die zu erbringenden Dienstleistungen abgestellt (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 23. Mai 2018 - Verg 2/18). Ausgehend davon ergibt sich hier unter Berücksichtigung der Laufzeit des Vertrags von drei Monaten und des Optionszeitraums von weiteren sechs Monaten, dessen Inanspruchnahme einseitig durch den Auftraggeber bestimmt werden kann (und deshalb nur zu 50% berücksichtigt wird, vgl. (BGH, Beschluss vom 18. März 2014 - X ZB 12/13) ein Auftragswert, für den die Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes eine Gebühr in Höhe von x.... EUR vorsieht.
Dieser Betrag kann entsprechend § 182 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs. GWB ermäßigt werden, ggf. bis auf ein Zehntel. Als Gründe einer Ermäßigung sind dabei nur solche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Bedeutung sowie dem erforderlichen Verwaltungsaufwand stehen. Gründe, die dies rechtfertigen, sind hier nicht gegeben.
Auslagen, die nicht mit der Gebühr abgegolten wären, sind nicht angefallen.
Der Auftraggeber ist als Zweckverband von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 des Verwaltungskostengesetzes (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit. Zwar sieht die genannte Norm eine Befreiung ausdrücklich nur für die Gemeinden und Gemeindeverbände, sofern die Amtshandlungen nicht ihre wirtschaftlichen Unternehmen betreffen, vor. Doch sind auf Zweckverbände nach § 47 Abs. 2 Satz 1 SächsKomZG und § 5 Abs. 3 Satz 1 SächsKomZG die für Gemeinden geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, weshalb Zweckverbände (auch wenn es keine Gemeindeverbände sind) von der Zahlung der Gebühr befreit sind.
Der Auftraggeber haftet zusammen mit der Beigeladenen gesamtschuldnerisch, für die von der Vergabekammer festgesetzte Verfahrensgebühr (insgesamt), § 182 Abs. 3 Satz 2 GWB. Diese gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Kostenschuldner wurde zwingend vom Gesetzgeber in § 182 Abs. 3 Satz 2 GWB angeordnet. Deren Anordnung steht nicht im Ermessen der Vergabekammer. Dies hat gemäß § 421 BGB zur Folge, dass die Vergabekammer als Kostengläubigerin die Zahlung von jedem Schuldner ganz fordern kann. Dies hätte vorliegend die Konsequenz, dass allein die Beigeladene zur Erstattung des gesamten Betrags in Höhe von x.... EUR heranzuziehen wäre, da der Auftraggeber als Zweckverband eine persönliche Gebührenfreiheit nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 des Verwaltungskostengesetzes (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung genießt. Ein Beteiligter darf jedoch nicht zur Erstattung eines Gebührenanteils herangezogen werden, welcher auf einen zwar gesamtschuldnerisch mithaftenden, von der persönlichen Gebührenzahlungspflicht jedoch befreiten Kostenschuldner entfällt (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 4. April 2003 - 6 Verg 4/03). Die Beigeladene, welche mit dem Auftraggeber gesamtschuldnerisch die Verfahrenskosten trägt, profitiert insoweit von der Gebührenbefreiung des Auftraggebers, als auch sie nach allgemeinen Regeln des Kostenrechts (vgl. Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, § 2, Rd. 23 m. w. N.) nicht zur Erstattung des auf den Auftraggeber (intern) entfallenden Gebührenanteils herangezogen werden kann. Dieses Ergebnis beruht auf allgemeinen Ausgleichsregeln zur Gesamtschuld, wie sie im Bereich des materiellen Rechts überwiegend (vgl. etwa Heinemeyer in: MüKo, § 426 BGB Rn. 3 ff. m. w. N.) und im Bereich des Kostenrechts ganz herrschend vertreten werden (Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl. 2004, § 2 GKG Rn. 22; OLG Oldenburg, Beschluss vom 2. Februar 1993 - 5 U 76/89 m. w. N.).
Die Verfahrensgebühr ist deshalb vorab um den anteiligen Betrag zu kürzen, der dem internen Haftungsanteil des Inhabers des Haftungsprivilegs in der Gesamtschuld entspräche (OLG Dresden, Beschluss vom 25. Januar 2005 - WVerg 014/04). Vorliegend hat dies zur Folge, dass die Verfahrensgebühr von 2.725 EUR weiter um den auf den Auftraggeber entfallenden Haftungsanteil zu kürzen ist. Dieser entspräche hier 50%. Folglich ist die Verfahrensgebühr abschließend auf x.... EUR festzusetzen. Diesen Betrag hat dann allein die Beigeladene zu tragen.
Die Beigeladene hat daher den Betrag von x.... EUR binnen zwei Wochen nach Bestandskraft dieser Entscheidung einzuzahlen.
3. Der Auftraggeber und die Beigeladene haben die notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren (Nachprüfungsverfahren) je zur Hälfte zu tragen, § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.
Gemäß 182 Abs. 4 Satz 1 GWB hat ein Beteiligter die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendigen Aufwendungen seines Gegners zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt.
Vorliegend sind der Auftraggeber und die Beigeladene im Hauptsacheverfahren (Nachprüfungsverfahren) die Unterliegenden. Daher haben sie die zur Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin nach § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB als Teilschuldner jeweils zur Hälfte zu tragen.
4. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren (Nachprüfungsverfahren) war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. i. V. m. § 1 SächsVwVfZG und § 80 Abs. 2 VwVfG notwendig.
Ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten erforderlich war und die hieraus entstandenen Kosten damit zu den notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin i. S. d. § 80 Abs. 1 Satz 3 VwVfG gehören, ist nach dem individuellen Streitstoff des einzelnen Nachprüfungsverfahrens zu beurteilen (OLG Dresden, Beschluss vom 22. Februar 2010 - WVerg 1/10).
Vorliegend wurde der Nachprüfungsantrag mit vielfältigsten Argumenten und rechtlichen Schlussfolgerungen begründet. Die in diesem Zusammenhang zu beantwortenden Rechtsfragen des Nachprüfungsverfahrens sind sehr schwierig und komplex. Der Sachverhalt war umfangreich.
Zudem handelt es sich bei dem Vergaberecht allgemein aufgrund vielfältiger europarechtlicher Überlagerung um ein wenig übersichtliches und zudem stetigen Veränderungen unterworfenes überdurchschnittlich kompliziertes Rechtsgebiet, das wegen des gerichtsähnlich ausgestalteten Verfahrens bei der Vergabekammer bereits prozessrechtliche Kenntnisse verlangt, einem hohen Zeitdruck unterliegt und für das in vielen Bereichen gesicherte Rechtsprechungsergebnisse noch nicht vorhanden sind. Deshalb ist die Beauftragung eines Rechtsanwaltes durch einen Bieter in vergaberechtlichen Streitigkeiten schon grundsätzlich als notwendig anzusehen (Krohn in: Burgi/Dreher, GWB, § 182 Rn. 45).
Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin notwendig war.
5. Die Antragstellerin hat die Kosten des Eilverfahrens (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) zu tragen, § 182 Abs. 3 GWB analog.
Der Auftraggeber hatte mit Schriftsatz vom 28. August 2024 beantragt, dass ihm gestattet wird, den Zuschlag vorzeitig zu erteilen. Diesem Antrag hat die Vergabekammer mit rechtskräftigem Beschluss vom 9. September 2024 (1/SVK/022-24) stattgegeben und ausgeführt, dass die Entscheidung über die Kosten des Eilverfahrens (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) dem Beschluss in der Hauptsache (Nachprüfungsverfahren) vorbehalten bleibt.
Über die Kosten des Eilverfahrens (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) wird im Hauptsacheverfahren entschieden, weil das Eilverfahren als eigenständiges Zwischenverfahren Teil des Hauptsacheverfahrens ist. Es löst gesonderte Vergabekammergebühren aus (OLG München, Beschluss vom 28. Februar 2011 - Verg 23/10; OLG Dresden, Beschluss vom 15. Mai 2014 - Verg 2/14 -, nicht veröffentlicht, VK Sachsen Beschluss vom 12. Februar 2004 - 1/SVK/164-03G; VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. Juli 2005 - VK-SH 18/05) über die getrennt und unabhängig zu entscheiden ist, wer die Kosten der Hauptsache trägt. Es ist dabei anerkannt, dass die Kostenlast für das Eilverfahren und den Nachprüfungsantrag in der Hauptsache unterschiedliche Beteiligte treffen kann (Krohn in: Burgi/Dreher/Opitz, § 182 GWB Rn. 37).
Dabei gelten für die Kosten des Eilverfahrens nach § 169 Abs. 2 Satz 1 GWB die gleichen Grundsätze wie für die Kosten des Nachprüfungsverfahrens in der Hauptsache. Die Frage der Kostenverteilung des Eilverfahrens (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) richtet sich deshalb konkret nach den §§ 182 Abs. 3 Satz 1 GWB analog, der ausführt, dass soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, er die Kosten zu tragen hat (OLG München, Beschluss vom 28. Februar 2011 - Verg 23/10).
Die Antragstellerin unterliegt im Eilverfahren (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) und hat deshalb die Kosten (Gebühren und Auslagen) dieses Eilverfahrens gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB analog zu tragen.
Soweit hierzu von der Antragstellerin vorgetragen wird, dass der Auftraggeber abweichend davon die Kosten des Eilverfahrens wegen Verschuldens im Sinne des § 182 Abs. 3 Satz 3 GWB analog zu tragen habe, weil dieser durch objektive Vergaberechtsverstöße Anlass zum Nachprüfungsantrag gegeben habe und es ohne diesen Nachprüfungsantrag nicht zum Eilantrag auf vorzeitige Gestattung der Zuschlagserteilung durch den Auftraggeber selbst gekommen wäre, folgt dem die Vergabekammer nicht. Zutreffend ist, dass § 182 Abs. 3 S. 3 GWB es der Vergabekammer abweichend vom Grundsatz der Kostentragung aufgrund Unterliegens gem. § 182 Abs. 3 S. 1 GWB ermöglicht, die durch das "Verschulden eines Beteiligten" entstandenen Kosten auch diesem aufzuerlegen. Die Regelung lässt es zu, bei der Kostenverteilung unabhängig vom Verfahrensausgang zu berücksichtigen, ob ein Beteiligter, der formal obsiegt hat, in vorwerfbarer Weise zur Einleitung des Nachprüfungsverfahrens bzw. zur Auslösung von Kosten beigetragen hat. In diesem Fall können die Kosten abweichend vom strikten Unterliegensprinzip aufgeteilt werden (BTDrucks. 16/10117 vom 13. August 2008, S. 25).
§ 182 Abs. 3 Satz 3 GWB erlaubt es auch, bei der Kostenentscheidung etwaige grundlose Mehrkosten aufgrund eines Antrags auf vorläufige Maßnahmen nach § 169 Abs. 3 GWB zu (durch Quotelung) berücksichtigen. So können einem Antragsteller, der erfolglos vorläufige Maßnahmen nach § 169 Abs. 3 GWB beantragt hat, die damit verbundenen Mehrkosten auch dann auferlegt werden, wenn dem Nachprüfungsantrag stattgegeben wird. Bei einem Antrag auf sofortige Zuschlagsgestattung nach § 169 Abs. 2 Satz 1 GWB - wie hier - stellt sich die Frage richtigerweise nicht, weil über diese Kosten ohnehin gesondert zu entscheiden ist (Krohn in: Burgi/Dreher/Opitz, § 182 GWB Rn. 37).
Es kann somit nach Auffassung der Vergabekammer höchstens relevant sein, ob im Eilverfahren (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) selbst Verschuldensaspekte festzustellen sind. Für dieses sieht die Vergabekammer kein schuldhaftes bzw. vorwerfbares Verhalten des Auftraggebers. Dieser hatte wegen Eilbedürftigkeit zunächst ein Interimsvergabeverfahren eingeleitet, weil eine rechtskräftige Entscheidung über den Hauptauftrag (1/SVK/017-24) absehbar nicht mehr rechtzeitig erfolgen würde. Nachdem bezüglich der Interimsvergabe erneut ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet wurde, hatte er aus den im Gestattungsbeschluss vom 9. September 2024 (1/SVK/022-24G) genannten Gründen den Eilantrag auf vorzeitige Gestattung der Zuschlagserteilung gestellt, um Leistungen der Daseinsvorsorge unterbrechungsfrei zu gewährleisten. Die Vergabekammer erkennt hierin kein vorwerfbares Verhalten. Diese Möglichkeit eines Antrags nach § 169 Abs. 2 GWB ist im Gesetz für solche Situationen vorgesehen und dessen Ingebrauchnahme musste von der Antragstellerin hier auch erwartet werden.
Unabhängig davon wäre bereits zweifelhaft, ob allein die (später) festgestellten objektiven Vergaberechtsverstöße im Interimsvergabeverfahren überhaupt als "Verschulden" im Sinne des § 182 Abs. 3 Satz 3 GWB anzusehen sind, die eine Umkehr der grundsätzlichen Kostenverteilungsregel des § 182 Abs. 3 Satz 1 zur Folge haben könnten.
Deshalb trägt die Antragstellerin als in diesem Zwischenverfahren Unterliegende die Kosten des Eilverfahrens.
6. Die Verfahrensgebühr für das Eilverfahren (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) wird auf x.... EUR festgesetzt und ist von der Antragstellerin zu tragen, § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB analog.
Die Vergabekammer setzt bei der Gebührenbemessung für einen Eilantrag auf Gestattung der vorzeitigen Zuschlagsgestattung in stetiger Spruchpraxis die Hälfte der für das Hauptsacheverfahren (Nachprüfungsantrag) zu entrichtenden Gebühr an (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 14. November 2022 - 1/SVK/018-22; sowie weiter u. a. VK Berlin, Beschluss vom 15. April 2011 - VK-B2-12/11, VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 9. Dezember 2011 - VK-SH 22/119.12.2011), weil insoweit ein erheblicher Mehraufwand entstanden ist.
Unter Berücksichtigung der oben gemachten Ausführungen zur Höhe der Gebühren im Hauptsacheverfahren (Nachprüfungsverfahren) ergibt sich demnach eine Gebühr in Höhe von x.... EUR für das Eilverfahren (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung).
Diesen hat die Antragstellerin als Unterliegende zu tragen.
Die Antragstellerin hat daher den Betrag in Höhe von x.... EUR binnen zweier Wochen nach Bestandskraft dieser Entscheidung einzuzahlen.
7. Die Antragstellerin hat die notwendigen Aufwendungen des Auftraggebers im Eilverfahren (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) zu tragen, § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB analog.
Gemäß 182 Abs. 4 Satz 1 GWB hat ein Beteiligter die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendigen Aufwendungen seines Gegners zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt.
Vorliegend ist die Antragstellerin im Eilverfahren (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) die Unterliegende. Daher hat sie die zur Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Auftraggebers für das Eilverfahren nach § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB analog zu tragen.
Im Rahmen der Entscheidung über die Verpflichtung, wer die erforderlichen Aufwendungen nach § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten hat, besteht per se kein Raum, entsprechend der Regelung des § 182 Abs. 3 Satz 3 GWB Verschuldensaspekte zu berücksichtigen, sofern kein Fall der Antragsrücknahme oder sonstigen Erledigungen gem. § 182 Abs. 4 Satz 3 GWB vorliegt (OLG Frankfurt a. M. Beschluss vom 16. April 2018 - 11 Verg 1/18) und sowieso nach Billigkeit über diese Frage zu entscheiden wäre. Deshalb ist es vorliegend ausgeschlossen, anzuordnen, dass die Aufwendungen der Antragstellerin im Eilverfahren vom Auftraggeber zu tragen sind.
Es bestünde allenfalls die Möglichkeit, Aufwendungen des Auftraggebers gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 1 Satz 4 VwVfG ganz oder teilweise von der Erstattungspflicht auszunehmen. Dazu müsste die Aufwendungen eines Erstattungsberechtigten durch dessen eigenes Verschulden entstanden sein. Da die Vergabekammer bereits im Rahmen der Entscheidung über Kosten des Eilverfahrens kein Verschulden des Auftraggebers feststellen konnte, besteht hierfür kein Raum.
Deshalb richtet sich die Frage, wer die Aufwendungen des Auftraggebers im Eilverfahren zu tragen hat, nach dem allgemeinen Grundsatz des § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB analog. Danach hat die Antragstellerin als Unterliegende die Aufwendungen des Antragsgegners zu tragen.
8. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Auftraggeber im Eilverfahren (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) war gemäß § 182 Abs. 4 GWB analog i. V. m. § 80 Abs. 1 Satz 3 VwVfG und § 1 SächsVwVfG notwendig.
Ob die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten erforderlich war und die hieraus entstandenen Kosten damit zu den notwendigen Aufwendungen des Auftraggebers i.S.d.
§ 80 Abs. 1 Satz 3 VwVfG gehören, ist nach dem individuellen Streitstoff des einzelnen Nachprüfungsverfahrens zu entscheiden (OLG Dresden, Beschluss vom 22. Februar 2010 - WVerg 1/10).
Es kommt mithin darauf an, ob der Auftraggeber nach den Umständen des Einzelfalles auch selbst, ohne Beistand eines Anwalts, in der Lage gewesen wäre, den streitgegenständlichen Sachverhalt zu erfassen, hieraus die notwendigen rechtlichen Schlüsse zu ziehen und sich dementsprechend im Verfahren vor der Vergabekammer zu verteidigen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - X ZB 14/06, OLG Brandenburg, Beschluss vom 14. Oktober 2020 - Verg 36/19) bzw. dort seine Interessen geltend zu machen. Aspekte, die in diesem Zusammenhang relevant sein können, sind die Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, die Schwierigkeit der Rechtsfragen, aber auch persönliche Umstände, wie z. B. die sachliche und personelle Ausstattung des Auftraggebers (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Juni 2020 - Verg 43/18).
Nach Auffassung der Vergabekammer sind diese Entscheidungsmaßstäbe für das Hauptsacheverfahren (Nachprüfungsverfahren) entsprechend für die Frage der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Eilverfahren (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) anzuwenden.
Vorliegend wurde der Eilantrag auf Gestattung der vorzeitigen Zuschlagserteilung mit unterschiedlichsten Argumenten begründet. Dabei wurden die unterschiedlichen Interessen und die Folgen einer Untersagung bzw. Gestattung aufgezeigt sowie die Eilbedürftigkeit dargestellt. Daneben hat der Auftraggeber auch umfassend zu den Erfolgsaussichten in der Hauptsache Stellung genommen, die bei der Entscheidung über den Eilantrag Berücksichtigung fanden.
Die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen des Eilverfahrens sind sehr schwierig und komplex. Der Sachverhalt war umfangreich.
Es handelt sich deshalb nicht um schlichte auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen, für die der Auftraggeber die erforderlichen Sach- und Rechtskenntnisse in seinem originären Aufgabenkreis ohnehin organisieren muss und daher auch im Nachprüfungsverfahren nicht notwendig eines anwaltlichen Bevollmächtigten bedarf (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Januar 2011 - Verg 60/10), sondern um darüberhinausgehende schwierige vergaberechtliche Fragestellungen bei denen auch prozessuale Kenntnisse erforderlich sind.
Darüber hinaus ist die personelle Ausstattung des Auftraggebers zu berücksichtigen. Zwar unterhält dieser eine Rechtsabteilung. Doch verfügt diese nicht über Mitarbeiter mit speziellen vergaberechtlichen Kenntnissen, die über die Abwicklung von Standardverfahren hinausgehen.
Zudem handelt es sich bei dem Vergaberecht generell aufgrund vielfältiger europarechtlicher Überlagerung um ein wenig übersichtliches und zudem stetigen Veränderungen unterworfenes, überdurchschnittlich kompliziertes Rechtsgebiet, dass wegen des gerichtsähnlich ausgestalteten Verfahrens bei der Vergabekammer bereits prozessrechtliche Kenntnisse verlangt, einem hohe, Zeitdruck unterliegt und für das in vielen Bereichen gesicherte Rechtsprechungsergebnisse noch nicht vorhanden sind.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Auftraggeber im Eilverfahren (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) ist demnach als notwendig anzusehen.
9. Die Aufwendungen der Beigeladenen im Eilverfahren (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) sind ihr nicht zu erstatten, § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB analog.
Die Aufwendungen der Beigeladenen sind gemäß § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB analog nur erstattungsfähig, soweit sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterliegenden Partei auferlegt.
Im Eilverfahren (Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung) unterliegt die Antragstellerin.
Einen Kostenerstattungsanspruch steht der Beigeladenen aber nur dann zu, wenn sie das Verfahren selbst aktiv gefördert hat (vgl. schon oben III. 1. Sowie Losch in: Ziekow/Völlink, GWB, § 182 Rn. 37 m. w. N.). Das ist eine Frage des Einzelfalls (Krohn in: Burgi/Dreher, GWB, § 182 Rn. 49). Es ist zu prüfen, ob die Beigeladene das Verfahren durch Stellung eines Antrags oder durch seinen Vortrag in einer solchen Weise gefördert und beeinflusst hat, dass es sachgerecht erscheint, ihr einen Kostenerstattungsanspruch zuzugestehen.
Ausgehend davon erachtet es die Vergabekammer hier nicht als billig, der Beigeladenen einen Kostenerstattungsanspruch zuzugestehen. Die Beigeladene hat sich an dem Eilverfahren nicht aktiv beteiligt. In diesem hat sie weder Anträge gestellt noch zur Sache vorgetragen. Ihr steht deshalb kein Kostenerstattungsanspruch zu.
IV.
Gegen die Entscheidungen der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen ist gemäß § 171 Abs. 1 GWB die sofortige Beschwerde zulässig.
Sie ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt (§ 172 Abs. 1 GWB), schriftlich beim Beschwerdegericht einzulegen. Beschwerdegericht für die 1. Vergabekammer des Freistaates ist das Oberlandesgericht Dresden, Vergabesenat, Schlossplatz 1, 0... Dresden.
Die sofortige Beschwerde kann beim Oberlandesgericht Dresden auch elektronisch erhoben werden (vgl. Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa über den elektronischen Rechtsverkehr, die elektronische Aktenführung, die elektronischen Register und das maschinelle Grundbuch in Sachsen (Sächsische E-Justizverordnung - SächsEJustizVO) vom 6. Juli 2010 (SächsGVBl. S. 190) in der jeweils geltenden Fassung).
Die Beschwerde muss zugleich mit ihrer Einlegung begründet werden (§ 172 Abs. 2 GWB). Die Beschwerdebegründung muss enthalten: die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Kammer angefochten wird und eine abweichende Entscheidung beantragt wird sowie die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.
Die Beschwerdeschrift muss durch einen zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 175 Abs. 1 GWB). Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 172 Abs. 4 GWB). Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist (§ 173 Abs. 1 GWB).
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VK Niedersachsen
Beschluss
vom 30.09.2024
VgK-22/2024
1. Grundsätzlich ist das Vergaberecht auf einen reinen Veräußerungsvorgang wie den Verkauf eines kommunalen Grundstücks nicht anwendbar ist, weil keine Beschaffung der öffentlichen Hand vorliegt.
2. Ein Bauauftrag kann aber bei einer dem öffentlichen Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommende Bauleistung durch Dritte vorliegen. Ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse des öffentlichen Auftraggebers liegt vor, wenn er sich finanziell an der Erstellung des Bauwerks beteiligt; ein nur mittelbares fiskalisches Eigeninteresse der Gemeinde genügt nicht.
3. Das Vorliegen eines Bauauftrags erfordert ferner die Eingehung einer einklagbaren Bau- oder Realisierungsverpflichtung.
VK Niedersachsen, Beschluss vom 30.09.2024 - VgK-22/2024
Tenor:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten werden auf ... Euro festgesetzt.
3. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Begründung:
I.
Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin eines im Grundbuch des ..., Blatt ..., eingetragenen Grundstücks mit einer Größe von ca. 180.000,00 m². Auf dem Grundstück befinden sich derzeit diverse Sportanlagen, eine Schule und eine Schützenhalle.
Auf einer Teilfläche (ca. 8.000 m²) dieses Grundstücks, auf dem sich momentan noch die Schützenhalle befindet, soll die Ansiedlung eines Verbrauchermarktes als Vollsortimenter mit einer Verkaufsfläche von über 1.200 m² ermöglicht werden. Dazu hat die Antragsgegnerin die Änderung des Flächennutzungsplans und des bestehenden Bebauungsplans, welche für die Fläche Festsetzungen als Gemeinde-, Schul- und Sportzentrum enthält, auf den Weg gebracht. Eine endgültige Entscheidung über die Änderung des Flächennutzungsplans und die geplante Änderung des Bebauungsplans liegt noch nicht vor.
Die Antragsgegnerin beabsichtigt, unter der aufschiebenden Bedingung der entsprechenden Beschlüsse zur Aufstellung des Flächennutzungsplans und des Bebauungsplans, die Teilfläche an einen Investor zu veräußern. Es soll ein Grundstückskaufvertrag abgeschlossen werden.
Hierzu hat die Antraggegnerin in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht ... (...) erklärt, dass sie einen ursprünglich für den ....2024 beabsichtigten Notartermin zur Beurkundung des Grundstückkaufvertrages aufgehoben hat und zunächst die Entscheidung sowohl des Landgerichts als auch der Vergabekammer abwarten will.
Laut Entwurf des Grundstückskaufvertrages bemisst sich der Kaufpreis nach dem Bodenrichtwert, der durch den zuständigen ... festgestellt worden ist.
Der Grundstückskäufer verpflichtet sich laut dem Vertragsentwurf, innerhalb einer bestimmten Frist entsprechend den Festsetzungen eines noch aufzustellenden Bebauungsplanes einen Verbrauchermarkt als Vollsortimenter mit einer bestimmten Mindestverkaufsfläche sowie den erforderlichen Parkplätzen zu bauen und fertig zu stellen.
Nur für den Fall, dass das nicht erfolgt, steht der Antragsgegnerin ein Wiederkaufsrecht zu. Im Übrigen enthält der gesamte Grundstückskaufvertragsentwurf nur die Verpflichtung, die Festsetzungen des Bebauungsplans bei Umsetzung des Projektes zu berücksichtigen.
Mit dem Gutachten über den Verkehrswert des Grundstücks des ... vom ....2024 ist ein Verkehrswert für das Grundstück von ... Euro/m² und damit bei der Größe von 8.094 m² einen Bodenwert von ... Euro ermittelt worden.
Die Antragsgegnerin hat mit dem Käufer des Grundstücks laut Entwurf des Grundstückskaufvertrages diesen Bodenrichtwert abzüglich der Kosten für den Abriss einer vorhandenen Schützenhalle vereinbart.
In der Projektierungsvereinbarung vom ....2022 hat die Antragsgegnerin mit dem Investor die Planung eines Bauvorhabens mit bestimmtem Nutzen innerhalb eines festgelegten Bereiches auf Kosten und durch den Projektierer vereinbart. Zudem wurde ein Exklusivitätsrecht zur Planung des festgelegten Bereiches und damit verbundene Verschwiegenheitsverpflichtungen festgelegt. Andere Verpflichtungen, insbesondere Bauverpflichtungen des Projektierers, sieht die Projektierungsvereinbarung nicht vor.
Die Unternehmensgruppe der Antragstellerin betreibt im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin Verbrauchermärkte. Mit Schreiben vom 15.01.2024 hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass sie zur Kenntnis genommen habe, dass die Antragsgegnerin einen großflächigen Verbrauchermarkt im Gemeindezentrum entwickeln möchte und dass aus ihrer Sicht auf dem vorgenannten Grundstück die Ansiedlung eines zusätzlichen Verbrauchermarktes nicht mit den Zielen des Landesraumordnungsprogramms vereinbar sei, da weder das Kongruenzgebot noch das Beeinträchtigungsverbot bei diesen Überlegungen berücksichtigt werde. Sie sehe hier ihre beiden bestehenden Märkte in der Gemeinde als stark gefährdet an. Ihrer Meinung nach sei allenfalls eine Verlagerung eines bestehenden Anbieters innerhalb der Gemeinde unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar, weshalb sie in diesem Zusammenhang ihr "Interesse an einem Erwerb der für den großflächigen Verbrauchermarkt vorgesehenen Fläche bekundet." Sie gehe zudem davon aus, dass über eine Vergabe in Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung entschieden werde. Weiteren Inhalt enthielt dieses Schreiben nicht.
Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin daraufhin mit, dass der Grundstücksverkauf der Gemeinde an einen privaten Investor nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts falle und hat hierzu entsprechend ausgeführt.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass sie mit Schreiben vom 15.01.2024 gegenüber der Antragsgegnerin Interesse am Erwerb des Grundstückes bekundet habe. Sie sei davon ausgegangen, dass über den Verkauf im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung entschieden werde und habe die Antragsgegnerin um rechtzeitige Übermittlung der Ausschreibungsunterlagen gebeten.
Nach ihrer Meinung sei mit der kaufvertraglichen Vereinbarung des Grundstücksverkaufs ein Bauauftrag im Sinne von § 103 Abs. 3 GWB verbunden, so dass mangels Ausschreibung des Grundstückverkauf ein Verstoß gegen das Vergaberecht vorliegt.
Selbst wenn kein Beschaffungsbezug im Sinne des Kartellvergaberechts gegeben sei, unterfalle das vorliegende Grundstücksgeschäft dem europäischen Primärrecht und damit müsse sich die Antragsgegnerin bei der Auswahl der Käufer von den europäischen Grundfreiheiten leiten lassen und dürfe das Grundstück dementsprechend nur nach Durchführung eines transparenten Auswahlverfahrens veräußern.
Weiterhin sei das von der Antragstellerin eingeholte Marktwertgutachten inhaltlich unschlüssig und stelle daher keine taugliche Marktpreisermittlung dar, sofern dort auf der Grundlage eines entsprechenden Bodenwertes ein Verkehrswert von angeblich ... Euro angenommen wird.
Die Antragstellerin sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch gewillt, der Antragsgegnerin ein über den in Rede stehenden Kaufpreis liegendes Kaufpreisangebot zu unterbreiten. Sofern ein solches Angebot vorliegend angekündigt wird, läge in dem Verkauf des Grundstücks durch die Antragsgegnerin nach dem Wertgutachten ermittelten Kaufpreis auch eine staatliche Beihilfegewährung in Höhe der Differenz vor.
Ihr stehe aus den vorgenannten Gründen auch ein Recht auf Akteneinsicht und Offenlegung entsprechender Verwaltungsvorgänge zu, welche sie in den Schriftsätzen vom 22.03.2024, 11.07.2024 und 30.07.2024 gegenüber der Antragsgegnerin auch bereits einforderte.
Die Antragstellerin beantragt,
1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, vor dem geplanten Verkauf des Grundstücks/der Grundstücke und der Beauftragung damit ggf. im Zusammenhang stehender Bauleistungen ein den Anforderungen des Vierten Teils des GWB und/oder den Vorgaben des EU-Beihilfenrechts entsprechendes Vergabeverfahren durchzuführen;
2. für den Fall, dass ein entsprechender Grundstückskaufvertrag und weitere damit im Zusammenhang stehende Verträge bereits abgeschlossen bzw. beurkundet worden sind, festzustellen, dass der Auftrag/Vertrag von Anfang an unwirksam gewesen ist;
3. der Antragstellerin Einsicht in die (Vergabe-) Akte der Antragsgegnerin zu gewähren, insbesondere
- Einsicht in die Aufstellungsvorgänge zum Bebauungsplan Nr. ..., .... Änderung, einschließlich etwaiger in diesem Zusammenhang bereits erstellter Verträge oder Vertragsentwürfe (v.a. städtebauliche Verträge aller Art) zu gewährleisten;
- die Grundstücke zu benennen, die den Kaufgegenstand bilden werden oder bilden;
- den Verkaufspreis für die insofern zum Verkauf beabsichtigten Grundstücke mitzuteilen,
- Auskunft über den Sachstand etwaiger Beschlussfassung zum Verkauf des Grundstückes sowie über den Stand des Verkaufes allgemein zu erteilen;
- Einsicht in einen etwaigen Kaufvertragsentwurf/Kaufvertrag zu gewähren;
- Einsicht in weitere damit im Zusammenhang stehende Vertragsentwürfe oder bereits abgeschlossene Verträge wie z.B. Projektierungsvereinbarungen zu gewähren, sowie
- Einsicht in sämtliche Verwaltungsvorgänge im Zusammenhang mit dem Verkauf bzw. geplanten Verkauf des Grundstücks einschließlich etwaig eingeholter Verkehrswertgutachten zu gewähren;
4. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären;
5.der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Akteneinsicht als unzulässig, jedenfalls unbegründet zurückzuweisen.
Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, da der EU-Schwellenwert nicht überschritten sei.
Weiterhin sei die Antragstellerin auch nicht antragsbefugt, da sie selbst bekundet habe, kein Interesse an der Umsetzung des Projektes zur Errichtung eines Verbrauchermarktes zu haben. Allein die vorgeschobene Interessenbekundung, das Grundstück erwerben zu wollen, um das Projekt zu verhindern, reiche als Antragsbefugnis nicht aus und sei letztlich rechtsmissbräuchlich. Mit dem Schreiben der Antragstellerin vom 15.01.2023 sei nicht der Eindruck vermittelt worden, dass diese tatsächlich Interesse am Erwerb des Grundstückes und der Errichtung eines Verbrauchermarktes habe.
Der potentielle Käufer übernehme zudem keine Bauverpflichtung.
Er werde hier lediglich verpflichtet, die Vorgaben des Bebauungsplans nach dem städtebaulichen Konzept der Antragsgegnerin innerhalb einer bestimmten Frist umzusetzen. Nur für den Fall, dass das nicht erfolgt, stehe der Antragsgegnerin ein Wiederkaufsrecht zu. Damit werde die Umsetzung des städtebaulichen Konzeptes in einem entsprechenden Zeitfenster sichergestellt.
Im Übrigen enthalte der gesamte Grundstückskaufvertrag nur die Verpflichtung, die Festsetzungen des Bebauungsplans bei Umsetzung des Projektes zu berücksichtigen.
Es sei auch offensichtlich, dass die Antragsgegnerin, bis auf die Zahlung des Kaufpreises, keine wirtschaftlichen Vorteile erlangt. Da sich der Kaufpreis an dem Marktwert auf
Grundlage des Gutachtens des ... orientiere, liege auch offensichtlich kein Verstoß gegen das EU-Beihilferecht vor.
Die Projektierungsvereinbarung beziehe sich nicht nur auf das streitgegenständliche Grundstück, sondern auf weitere Bereiche zur Aufwertung des Zentrums der Gemeinde. Auf Grundlage eines entsprechenden Gremienbeschlusses habe die Gemeinde die Projektierungsvereinbarung mit dem Projektierer abgeschlossen, um Entwürfe für eine Umsetzung des städtebaulichen Konzeptes im Zentrum der Gemeinde zu erhalten und auf dieser Grundlage weitere städtebauliche Maßnahmen einzuleiten.
Aus dieser Projektierungsvereinbarung ergebe sich weder die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Veräußerung eines Grundstücks an einen bestimmten Investor noch die Verpflichtung zur Umsetzung der Entwürfe des Projektierers.
Soweit die Antragstellerin schließlich behauptet, sie sei bereit, ein höheres Kaufpreisangebot abzugeben, liege ein solches Angebot nicht vor. Der Grundstückskaufvertrag beinhalte zudem nicht nur die Übereignung des Grundstücks und die Zahlung des Kaufpreises, sondern auch die Verpflichtung, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes die Festsetzungen des Bebauungsplans umzusetzen. Da die Antragstellerin bekundet hat, dass sie dies ablehnt, käme sie als Vertragspartnerin für die Antragsgegnerin ohnehin nicht in Betracht.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die von der Antragsgegnerin übersandten Unterlagen Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Der Rechtsweg zu den Vergabekammern gemäß §§ 155 ff. GWB ist nicht eröffnet, weil es sich bei dem von der Antragstellerin beanstandeten Grundstückskaufvertrag nicht um einen Bauauftrag im Sinne des § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB handelt. Die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Grundstücksveräußerung unterfällt nicht den Vorschriften nach dem 4. Teil des GWB.
Gemäß § 103 Abs. 1 GWB ist ein öffentlicher Auftrag ein entgeltlicher Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und Unternehmer über die Beschaffung von Leistungen, die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen.
Im Grundsatz gilt, dass das GWB-Vergaberecht auf einen reinen Veräußerungsvorgang wie den Verkauf eines kommunalen Grundstücks nicht anwendbar ist, weil keine Beschaffung der öffentlichen Hand vorliegt. Vergaberecht ist erst dann zu beachten, wenn in der Grundstücksveräußerung quasi eine inkludierte Beschaffung von Leistungen durch die Kommune liegt (Schneider, "Veräußerung von kommunalen Grundstücken - (K)ein Fall für das Vergaberecht?", www.vergabeblog.de).
Deshalb liegt nach § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB ein Bauauftrag auch bei einer dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommende Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen vor. Der Gesetzgeber hat mit dieser Konkretisierung der Rechtsprechung des EuGH Rechnung getragen (Hüttinger in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl., § 103 GWB, Rn. 192).
Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "H. M. GmbH" (vgl. EuGH, Urteil vom 25.03.2010 - C-451/08, ergangen auf die Vorlage des OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.10.2008 - Verg 25/08), ist von einem unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse eines öffentlichen Auftraggebers an einer Bauleistung dann auszugehen, wenn der öffentliche Auftraggeber
- Eigentümer der Bauleistung oder des zu errichtenden Bauwerks werden soll,
- über einen Rechtstitel verfügen soll, der die Verfügbarkeit der Bauwerke, die Gegenstand des Auftrags sind, im Hinblick auf die öffentliche Zweckbestimmung sicherstellt,
- wirtschaftliche Vorteile aus der zukünftigen Nutzung oder Veräußerung des Bauwerks ziehen kann,
- an der Erstellung des Bauwerks finanziell beteiligt ist (etwa in Form eines Baukostenzuschusses) oder
- Risiken im Fall eines wirtschaftlichen Fehlschlags des Bauwerks trägt.
Nach dieser Rechtsprechung des EuGH kann ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse des öffentlichen Auftraggebers u.a. auch vorliegen, wenn sich der öffentliche Auftraggeber finanziell an der Erstellung des Bauwerks beteiligt.
Dies wird auch in den Fällen angenommen, in denen der öffentliche Auftraggeber bei der Veräußerung des Grundstücks einen Kaufpreisnachlass gewährt oder das betroffene Grundstück unter Marktwert veräußert wird, denn eine Reduzierung des dem Marktwert entsprechenden Kaufpreises stellt faktisch einen Zuschuss zur baulichen Realisierung einer Maßnahme dar und muss damit im Ergebnis als finanzielle Beteiligung an der Realisierung des Bauwerkes betrachtet werden (Ganske in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht Kommentar, 4. Aufl. 2018, § 103, Rn. 124).
Eine finanzielle Beteiligung der Antragsgegnerin an einem Bauvorhaben des voraussichtlichen Grundstückerwerbers oder eine auch nur teilweise Übernahme des wirtschaftlichen Risikos an der Realisierung des vom Erwerber avisierten Vollsortimenter-Verbrauchermarkts liegt hier jedoch nicht vor.
Der Erwerber erhält nach der vorliegenden Aktenlage das streitbefangene Grundstück nicht etwa zu einem zu niedrigen Kaufpreis, der für eine Subventionierung und damit ggf. für ein wirtschaftliches Interesse der Antragsgegnerin an einer künftigen Bauleistung sprechen könnte (vgl. Otting, Anm. zu EuGH, Urteil vom 25.03.2010 - Rs. C-451/08, IBR 2010, 284). Der im Grundstücksvertragsentwurf genannte Kaufpreis orientiert sich am Marktwert. Dieser ist mit dem Gutachten über den Verkehrswert vom ....2024, welches der ... erstellt hat, ermittelt worden. Ein vor Abschluss des Kaufvertrags eingeholtes Wertgutachten ist ein geeignetes Mittel, den Marktwert eines Grundstückes zu ermitteln und nachzuweisen (vgl. Schneider, a.a.O., S. 3).
Ein nur mittelbares fiskalisches Eigeninteresse der Gemeinde, etwa an der Ansiedlung eines Gewerbebetriebs im Hinblick auf die Erzielung des reinen Grundstückskaufpreises, Gewerbesteuereinnahmen oder eine "Umwegrendite" (Schaffung gut bezahlter Arbeitsplätze etc.), begründet kein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.01.2011 - 1 VK7 60/10).
Damit fehlt es im vorliegenden Fall schon an dem Merkmal des unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses des öffentlichen Auftraggebers.
Der Käufer übernimmt zudem nach dem Entwurf des Grundstückskaufvertrages auch keine einklagbare Bauverpflichtung.
Allein die Tatsache, dass mit dem Verkauf von Grundstücken bestimmte städtebauliche Pläne oder Maßnahmen verfolgt werden, begründet noch keinen öffentlichen Auftrag (vgl. Willenbruch in: Willenbruch/Wieddekind/Hübner, Vergaberecht, 5. Aufl., § 103 GWB, Rn. 40). Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber in einem Durchführungsvertrag (vorhabenbezogener Bebauungsplan) oder in einem sonstigen städtebaulichen Vertrag zur Bebauung verpflichtet wird. Das städtebauliche Interesse, dass die neu ausgewiesenen Flächen tatsächlich bebaut werden und keine Leerstände entstehen (Stichwort: unzulässige Vorratsplanung), begründet keine Beschaffung (Bulla, "Die Ausschreibungspflicht von Grundstücksgeschäften der öffentlichen Hand", VergabeR 2019, Seite 457 ff., 459).
Das Vorliegen eines Bauauftrages gemäß § 103 Abs. 3 GWB erfordert auch immer die Eingehung einer einklagbaren Bau- oder Realisierungsverpflichtung. Der Auftragnehmer muss also direkt oder indirekt die Verpflichtung zur Erbringung der Bauleistung, welche Gegenstand des Auftrages ist, übernehmen (EuGH 25.03.2010 - C-451/08). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
Eine "indirekte" Verpflichtung kann zwar genügen. Nicht ausreichend ist aber die Vereinbarung eines Rückkauf- oder Widerrufsrechts, wenn ein verkauftes Grundstück nicht bebaut wird; denn dies führt nur zu einem Bauanreiz, nicht zu einer Bauverpflichtung (v. Engelhardt/Kaeble in: Müller-Wrede, GWB, § 103, Rn. 119).
Der Grundstückskäufer verpflichtet sich laut dem der Vergabekammer von der Antragsgegnerin übersandten Vertragsentwurf, innerhalb einer bestimmten Frist entsprechend den Festsetzungen eines noch aufzustellenden Bebauungsplanes einen Verbrauchermarkt als Vollsortimenter mit einer bestimmten Mindestverkaufsfläche sowie den erforderlichen Parkplätzen zu bauen und fertigzustellen. Damit wird er hier lediglich verpflichtet, die Vorgaben des Bebauungsplanes nach dem städtebaulichen Konzept innerhalb einer bestimmten Frist umzusetzen. Zur Sicherstellung der Umsetzung des städtebaulichen Konzeptes im festgelegten Zeitraum legt der Entwurf fest, dass der Antragsgegnerin andernfalls ein Wiederkaufsrecht - also eine entsprechende Option - zusteht. Einklagbare Baupflichten i.S. der Rechtsprechung des EuGH sieht der Vertragsentwurf nicht vor.
Eine Grundstücksveräußerung, die in Verbindung mit der Realisierung rein privatnütziger Vorhaben (wie eben einem Einkaufszentrum, Hotel o. A.) erfolgt, kommt allenfalls mittelbar dem öffentlichen Auftraggeber, etwa zur Verfolgung eines allgemeinen städtebaulichen Ziels, zugute (Düsterdiek in: Ingenstau Korbion, VOB, 21. Aufl, § 23 VOB/A, Rn. 12). Die Anwendung des Vergaberechts scheidet daher mangels eines unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses der öffentlichen Hand in derartigen Fällen aus (Otting, VergabeR 2013, Seite 343).
Ein Rechtsschutz in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren kann in diesen Fällen nicht erfolgen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.10.2010 - Verg 25/08, zitiert nach ibr-online).
Da mit der von der Antragstellerin beanstandeten Grundstücksveräußerung kein öffentlicher Auftrag im Sinne des § 103 GWB einhergeht, war der Nachprüfungsantrag vorliegend als unzulässig zurückzuweisen.
Da der Nachprüfungsantrag unzulässig ist, konnte die Vergabekammer vorliegend gemäß § 166 Abs. 1 Satz 3 GWB im schriftlichen Verfahren nach Lage der Akten entscheiden.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 Euro, die Höchstgebühr 50.000 Euro und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 Euro.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 Euro (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 Euro zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 Euro (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. Euro (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Es wird eine Gebühr in Höhe von ... Euro festgesetzt. In Ermangelung einer Angebotssumme oder eines Auftragsgegenstandes ist die Vergabekammer für die Kostenfestsetzung von der gesetzlichen Mindestgebühr in Höhe von 2.500 Euro als Basisgebühr ausgegangen.
Diese Basisgebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Vorliegend ist die Herabsetzung der ermittelten Basisgebühr aus Billigkeitsgründen gemäß § 182 Abs. 2 S. 2, 2. HS GWB geboten, da insgesamt ein eher unterdurchschnittlicher personeller und sachlicher Aufwand für eine Entscheidung notwendig war. Die Vergabekammer konnte über den vorliegenden Nachprüfungsantrag gemäß § 166 Abs. 1 Satz 3 GWB im schriftlichen Verfahren nach Lage der Akten entscheiden. Dadurch ist der Aufwand für die Vorbereitung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen. Die ermittelte Basisgebühr wird daher gemäß § 182 Abs. 2 S. 1, 2. HS GWB entsprechend dem Antrag der Antragstellerin auf 5/6 = ... Euro ermäßigt.
Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag keinen Erfolg hatte.
Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag auf Erstattung ihrer zur Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen gestellt (§ 182 Abs. 4 Satz 1 GWB) und sich in der Antragserwiderung auch nicht zur Notwendigkeit der Hinzuziehung ihres Verfahrensbevollmächtigten geäußert.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Gebühr in Höhe von ... Euro unter Angabe des Kassenzeichens ... auf folgendes Konto zu überweisen:
...
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