VGH Baden-Württemberg
Beschluss
vom 19.07.2022
1 S 1121/22
1. Der bei gemeindlichen Bauplatzvergaben grundsätzlich bestehende, in Art. 3 Abs. 1 GG wurzelnde sog. Vergabeverfahrensanspruch vermittelt Bewerbern einen Anspruch auf eine ermessens-, insbesondere gleichheitsrechtsfehlerfreie Vergabeentscheidung.*)
2. Jeder Mitbewerber muss aufgrund seines Anspruchs auf Gleichbehandlung eine faire Chance erhalten, nach Maßgabe der für die spezifische Vergabe wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden. Das setzt voraus, dass der die Vergabeentscheidung treffende Hoheitsträger etwaige ermessenslenkende Richtlinien im Hinblick auf die Vergabekriterien so klar und eindeutig formuliert, dass jeder verständige Bewerber sie gleichermaßen verstehen, seine Chancen abschätzen und insbesondere erkennen kann, welche Unterlagen er einreichen und Angaben er machen muss, um im Vergabeverfahren zugelassen und inhaltlich berücksichtigt zu werden (sog. Transparenzgebot).*)
vorhergehend:
VG Sigmaringen, 22.04.2022 - 4 K 4006/21
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 22. April 2022 - 4 K 4006/21 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im ersten und zweiten Absatz des Tenors des Beschlusses hinter den Worten "solange nicht" jeweils die Worte "im Klageverfahren rechtskräftig" eingefügt werden.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1, aber mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 und zu 3, die diese jeweils selbst tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Vergabe von Baugrundstücken.
Die Antragsgegnerin beabsichtigt, sechs in ihrer Gemarkung im Baugebiet "Obere Halde" liegende und ihrem Eigentum stehende Grundstücke zu veräußern. Die Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der ein allgemeines Wohngebiet (Bauplätze Nrn. 28 und 38) bzw. ein eingeschränktes Mischgebiet (Bauplätze Nrn. 51, 61/1, 61/2 und 62) festsetzt.
Am 14.07.2021 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin "Vergaberichtlinien für die Zuteilung von gemeindeeigenen Baugrundstücken nach Konzeptvergabe im Baugebiet Obere Halde" (im Folgenden: Vergaberichtlinien). Nach den Richtlinien erfolgt die Vergabe im Wege einer sog. Konzeptvergabe nach dem Bestpreis, der sich aus dem Kaufpreis (Gewichtung 30%) und der Konzeptqualität (Gewichtung 70%) ermittelt. Um "festzustellen, ob Bewerber als Einzelpersonen oder als bewerbende Gemeinschaft zum Vergabeverfahren zugelassen" werden können, wurden in den Richtlinien zum einen sog. Eignungskriterien ("Allgemeine Nachweise der Bewerber") aufgestellt. Die Bewerber sollten dazu u.a. die "Befähigung zur Berufsausübung" nachweisen und eine "Unternehmensbeschreibung" sowie die "Umsatzzahlen der letzten drei Jahre" vorlegen. Zum Zweiten wurden sog. Bewertungskriterien zur "Sicherstellung der Qualität der einzelnen Angebote/Konzepte und des positiven Nutzens für das Quartier" festgelegt und gewichtet ("Qualität des Bewerbers" x2, "Soziale Qualität" x2, "Ökologische/Energetische Qualität" x2, "Architektonische Qualität" x4, "Parkierungskonzept" x1) sowie bestimmt, dass die Bewerber für jedes einzelne Kriterium 0 bis 3 Punkte erhalten könnten. Zum Dritten wurden in den Richtlinien die (weiteren) "einzureichenden Unterlagen" festgelegt, darunter ein "Bewerbungsschreiben mit Konzeptbeschreibung und Erläuterung der Planung". Wegen der Einzelheiten der Richtlinien wird auf die von der Antragsgegnerin vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Der Beschluss und die Richtlinien vom 14.07.2021 wurden im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 29.07.2021 bekannt gemacht. Sie wies dort u.a. darauf hin, dass Bewerbungen bis zum 05.10.2021 eingereicht werden könnten und die Bewerber ihr Konzept auf eigene Kosten und Risiken erstellten.
Bei den Antragstellern handelt es sich um sieben Privatpersonen, die auf dem Grundstück Nr. 28 als Bauherrengemeinschaft vier Doppelhaushälften errichten möchten. Sie beabsichtigen, dieses Vorhaben gegebenenfalls von der ... GmbH als Bauträgerin umsetzen zu lassen. Diese GmbH fragte im Rahmen eines Telefonats - dessen Inhalt im Übrigen zwischen den Beteiligten umstritten ist - bei der Antragsgegnerin nach, ob sich auch private Bauherrengemeinschaften auf die Bauplätze Nr. 28 und 38 bewerben könnten, was die Antragsgegnerin bejahte.
Bei den Beigeladenen zu 1 bis 3 handelt es sich jeweils um Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die als Bauträger am Markt agieren.
Auf den Bauplatz Nr. 28 bewarben sich die Antragsteller und die Beigeladene zu 3, auf den Bauplatz Nr. 38 die Beigeladene zu 3 (und weitere, nicht am vorliegenden Gerichtsverfahren beteiligte Bauherrengemeinschaften), auf den Bauplatz Nr. 51 die Beigeladene zu 3, auf die die Bauplätze Nrn. 61/1 und 61/2 jeweils die Beigeladenen zu 1 und zu 2 und auf den Bauplatz Nr. 62 die Beigeladene zu 2.
Die Antragsteller reichten ihre Bewerbung selbst als Privatpersonen - d.h. nicht etwa über die ... GmbH - ein und traten als Bauherrengemeinschaft auf. Sie legten ein Kaufpreisangebot, einen Lageplan mit Baugrenzen im Maßstab 1:500, Grundrisse, Ansichten und Schnitte der geplanten Doppelhaushälften, eine Wohnflächenberechnung, eine Berechnung der GFZ und GRZ sowie jeweils ein Vorstellungsschreiben der vier Familien der Antragsteller nebst Finanzierungsbestätigungen vor. Zusätzlich beschrieben sie ihr Vorhaben wie folgt: "[...] zur Bebauung mit 4 Doppelhaushälften nach Konzeptvergabe. Errichtet werden die Doppelhäuser in KFW 55 Massivbauweise mit regionalen Handwerksbetrieben. Ausgestattet mit erneuerbaren Energien, wie Wärmepumpe mit Fußbodenheizung, Installation/bzw. Vorbereitung Photovoltaikanlagen mit Batteriespeicher (deswegen Haus mit Satteldach Ausrichtung Süden), Vorbereitung E-Ladestationen. Des Weiteren begrünte Flachdachgaragen. Die Neuvermessung und zusätzlich benötigte innere Erschließung wird ebenfalls von uns übernommen. [...] Die Unterlagen entsprechen dem Bebauungsplan - alle Vorschriften wurden eingehalten!".
Der von dem Gemeinderat der Antragsgegnerin gebildete Grundstücksvergabeausschuss, dem ihre Bürgermeisterin und fünf weitere Mitglieder des Gemeinderats angehören, erörterte die Bewerbungen in einer nichtöffentlichen Sitzung am 11.10.2021. Dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Protokoll der Sitzung ist zu entnehmen, dass die Bürgermeisterin u.a. ausführte, für die Bauplätze Nrn. 28 und 38 seien mehrere Bewerbungen eingegangen, allerdings könne nur das Konzept der Beigeladenen zu 3 berücksichtigt werden, weil die Bewerbungen der Bauherrengemeinschaften (darunter die Antragsteller) nicht vollständig seien. Es seien nicht alle geforderten Unterlagen beigelegt worden und es handele sich weniger um Konzepte, sondern eher um Baugesuche. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen. Dieses wurde von der Antragsgegnerin allerdings in Absprache mit dem Verwaltungsgericht wegen von der Beigeladenen zu 2 geltend gemachter Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nur mit Schwärzungen vorgelegt und ist daher nur auszugsweise lesbar.
Am 20.10.2021 wurde die Grundstücksvergabe im Gemeinderat erörtert. In dem - von der Antragsgegnerin ebenfalls nur mit Schwärzungen vorgelegten - Protokoll der Sitzung ist u.a. festgehalten, dass der Gemeinderat auf Vorschlag der Bürgermeisterin einem Vorschlag des Grundstücksvergabeausschusses zur punktemäßigen Bewertung der von den Beigeladenen zu 1 bis 3 für die Grundstücke 61/1, 61/2 bzw. 62 vorgelegten Konzepte sowie dem Vorschlag, diese Grundstücke an die Beigeladene zu 2 zu vergeben, zustimmte. Dem Protokoll ist weiter zu entnehmen, dass die Bürgermeisterin erklärte, dass in Bezug auf die Vergabe der Grundstücke 28 und 38 nur ein Konzept eingegangen sei, "das nach den Vergaberichtlinien gewertet werden könne. Die anderen Bewerbungen der Bauherrengemeinschaften (darunter die Antragsteller) erfüllten die Kriterien der Vergaberichtlinien nicht und die Unterlagen sind nicht vollständig". Weitere Erläuterungen dazu sind dem auch insoweit teilgeschwärzten Protokoll nicht zu entnehmen. Dem Vorschlag des Vergabeausschusses entsprechend beschloss der Gemeinderat, die Grundstücke Nrn. 28, 38 und 51 an die Beigeladene zu 3 zu vergeben. Die Beschlüsse wurden in der öffentlichen Sitzung des Gemeinderats vom 17.11.2021 bekannt gegeben.
Mit Schreiben vom 19.11.2021 unterrichtete die Antragsgegnerin die Beigeladenen zu 2 und 3 von den zu ihren Gunsten ausgefallenen Beschlüssen und teilte ihnen mit, dass notarielle Kaufverträge vorbereitet würden.
Mit Schreiben vom 24.11.2021 teilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen zu 1 mit, dass ihre Bewerbung "aufgrund der zu geringen Punktzahl" nicht habe berücksichtigt werden können. Den Antragstellern teilte die Antragsgegnerin mit vier weiteren Schreiben ebenfalls vom 24.11.2021 mit, dass ihre Bewerbung "aufgrund der zu geringen Punktzahl und der fehlenden Erfüllung der Voraussetzungen" nicht habe berücksichtigt werden können.
Am 29.11.2021 legten die Antragsteller Widerspruch gegen die Vergabeentscheidung betreffend das Grundstück Nr. 28 ein. Die Beigeladene zu 1 widersprach der Entscheidung betreffend die Grundstücke 61/1 und 61/2.
Am 21.12.2021 haben die Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht beantragt, es der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, "die Bauplätze des Baugebiets Obere Halde" zu vergeben und notarielle Kaufverträge über sie abzuschließen, solange nicht "über die Rechtswirksamkeit der Vergaberichtlinien" vom 14.07.2021 entschieden ist. Zur Begründung haben sie u.a. vorgetragen, die Vergaberichtlinien enthielten mehrere Regelungen, die zu unbestimmt und daher nichtig seien. Sie verlangten z.B., dass ein "Konzept" vorgelegt werde, ohne näher zu bestimmen, was dies sein solle. Auch die Regelungen über die Bewertungskriterien selbst seien rechtswidrig. Über die Bewerbernachweise würden von Privatpersonen Unterlagen verlangt, die diese nicht vorlegen könnten, nämlich die Befähigung zur Berufsausbildung, eine Unternehmensbeschreibung, Umsatzzahlen und eine Berufshaftpflichtversicherung. Welche Unterlagen Privatleute insoweit vorzulegen hätten und wie dies jeweils bewertet würde, sei in den Vergaberichtlinien nicht geregelt. Auch die Anwendung der Vergaberichtlinien sei fehlerhaft erfolgt.
Die Antragsgegnerin ist dem Eilantrag entgegengetreten. Sie hat u.a. geltend gemacht, die Vergaberichtlinien seien rechtmäßig und auch ihre Anwendung im Einzelfall sei nicht zu beanstanden. Die Antragsteller hätten kein Konzept eingereicht, sondern lediglich ein Bewerbungsschreiben. Entgegen den Vergaberichtlinien hätten die Antragsteller ihre Planung nicht näher erläutert. Ausführungen zu deren sozialen, ökologischen sowie architektonischen Qualität sowie der ihres Parkierungskonzepts hätten sie nicht gemacht. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin das Grundstück Nr. 28 nicht an die Antragsteller vergeben habe. Ferner sei es so, dass die Antragsteller gemäß den Richtlinien ungeeignet für den Erwerb des Grundstücks seien. Sie verfügten über keinerlei Fachkunde bezüglich der Errichtung von Reihenhäusern und der Umsetzung von Konzepten zur Sicherung der geordneten städtebaulichen Entwicklung. Da ihre Bewerbung unvollständig sei, seien sie zu Recht vom weiteren Verfahren ausgeschlossen worden. Mangels konzeptioneller Ausführungen in ihrem Angebot sei dieses auch mit 0 Punkten zu bewerten gewesen.
Mit Beschluss vom 28.02.2022 hat das Verwaltungsgericht die Beigeladenen zu 1 bis 3 zu dem Verfahren beigeladen.
Die Beigeladene zu 1 hat ebenfalls einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, "die Bauplätze des Baugebiets Obere Halde ... zu vergeben" und notarielle Kaufverträge über sie abzuschließen, "bis die Rechtmäßigkeit der Vergabeentscheidung und Zurückweisung der Bewerbung der Beigeladenen (zu 1) rechtskräftig entschieden ist". Sie hat geltend gemacht, sie sei durch die Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin in ihrem Anspruch auf eine sachgerechte, willkürfreie und transparente Entscheidung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Bereits die Vergaberichtlinie sei rechtswidrig, weshalb jede auf ihr basierende Vergabeentscheidung ebenfalls rechtswidrig sei. Die einzelnen Bewertungskriterien seien zu unbestimmt und daher nichtig. Das bei Vergabeentscheidungen zu beachtende Transparenzgebot verlange, dass die aufgestellten Vergabekriterien so klar, eindeutig und unmissverständlich formuliert seien, dass jeder verständige und durchschnittliche Bewerber sie gleichermaßen verstehen und seine Chancen hierauf abschätzen könne. Dem genügten die Vergaberichtlinien nicht. Die Antragsgegnerin habe sich im Laufe des Vergabeverfahrens auch intransparent verhalten, was einen eigenständigen Rechtsverstoß darstelle. Sie habe der Beigeladenen zu 1 zugesagt, sie erhalte die Bewertungsmatrix der Punktevergabe, um sich ein eigenes Bild hinsichtlich ihres Angebots machen zu können. Dem sei sie indessen nie nachgekommen.
Die Beigeladene zu 2 hat erstinstanzlich u.a. vorgetragen, der Beigeladenen zu 1 fehle zum Teil schon die Antragsbefugnis. Im Hinblick auf eine Unbestimmtheit der Vergaberichtlinien sei sie zudem präkludiert. Die Vergaberichtlinien seien aber ohnehin rechtmäßig. In den Vergaberichtlinien sei detailliert aufgeführt und erläutert, nach welchen einzelnen Kriterien die eingereichten Konzepte bewertet würden. Die in den Vergaberichtlinien verwendeten Eignungskriterien entsprächen dem Standardkatalog des § 45 VgV und seien daher nicht zu beanstanden. Auch die von ihr behauptete Intransparenz des Vergabeverfahrens liege nicht vor.
Mit Beschluss vom 22.04.2022 - 4 K 4006/21 - hat das Verwaltungsgericht auf den Antrag der Antragsteller der Antragsgegnerin untersagt, den Bauplatz Nr. 28 zu vergeben und notarielle Kaufverträge über ihn abzuschließen, solange nicht über die Rechtswirksamkeit der Vergaberichtlinien vom 14.07.2021 entschieden ist. "Auf den Antrag der Beigeladenen zu 1" hat das Verwaltungsgericht eine auf die Bauplätze Nrn. 61/1 und 61/2 bezogenen und im Übrigen gleichlautende einstweilige Anordnung erlassen. Im Übrigen hat es die Anträge abgelehnt. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, die Anträge der Antragsteller und der Beigeladenen zu 1 seien unzulässig, soweit sie Bauplätze beträfen, auf die sie sich nicht beworben hätten. Soweit sie zulässig seien, seien die Anträge auch begründet. Die Antragsteller und die Beigeladene zu 1 hätten insbesondere jeweils einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Dieser folge aus Art. 3 Abs. 1 GG. Es sei Ausfluss der in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 71 Abs. 1 und 2 LV verbürgten kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, dass eine Gemeinde frei darüber entscheiden könne, ob und inwieweit sie in ihrem Eigentum stehende Grundstücke veräußere. Entschließe sie sich zu einem solchen Schritt, habe der betroffene Bürger einen Anspruch im Rahmen der Vergabepraxis auf ermessensfehlerfreie Entscheidung und Berücksichtigung im Auswahlverfahren (Vergabeverfahrensanspruch). Die Gemeinde könne dabei das ihr zustehende Ermessen durch ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften - hier Vergaberichtlinien - ausgestalten. In einem solchen Fall binde sich die Gemeinde bei künftigen Entscheidungen selbst mit der Folge, dass ein Bewerber sich allein deshalb auf einen Verstoß seines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung berufen könne, wenn die Gemeinde von der in der Richtlinie vorgesehenen Anwendungspraxis abweiche. Eine solche Selbstbindung der Verwaltung setze voraus, dass die Richtlinie ihrerseits mit dem höherrangigen Recht, insbesondere mit Verfassungsrecht, vereinbar sei. Das Recht der Antragsteller und der Beigeladenen zu 1 auf ermessensfehlerfreie Entscheidung habe die Antragsgegnerin durch ihre Auswahlentscheidung verletzt. Dies folge daraus, dass die Vergaberichtlinien jedenfalls materiell rechtswidrig seien, weil sie gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstießen. Die sog. Eignungskriterien in den Vergaberichtlinien führten zu einer ungerechtfertigten Schlechterstellung von privaten Bauplatzbewerbern gegenüber Bauträgern und anderen gewerblichen Bauplatzbewerbern. Die Vergaberichtlinien sähen vor, dass nur Bewerber, die die Eignungskriterien erfüllen, zum Vergabeverfahren zugelassen werden könnten. Personen, die hiernach ungeeignet seien, würden von vornherein vom Vergabeverfahren ausgeschlossen, ungeachtet der Qualität ihres Bebauungskonzepts. Zum Nachweis der Eignung sollen nach den Vergaberichtlinien Unterlagen beigebracht werden, darunter die Befähigung zur Berufsausübung, einschließlich Auflagen hinsichtlich der Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister, eine Unternehmensbeschreibung, Umsatzzahlen der letzten drei Jahre, eine Berufshaftpflichtversicherung und Referenzen früherer Bauprojekte. Diese Liste an vorzulegenden Unterlagen sei offensichtlich § 45 Abs. 1 und 4 VgV nachgebildet, der sich ausweislich der amtlichen Überschrift des 5. Unterabschnitts in Abschnitt 2 der Vergabeverordnung ("Anforderungen an Unternehmen; Eignung") ausschließlich auf Unternehmen beziehe - bei denen die Eignungskriterien ihre Berechtigung hätten -, nicht aber auf Privatpersonen (Verbraucher). Die Art der vorzulegenden Unterlagen seien Dokumente mit Kennzahlen, die eine natürliche Person, die einen Bauplatz zur Errichtung eines Eigenheims erwerben wolle, typischerweise nicht vorlegen könne, ein gewerblicher Bauplatzbewerber (z.B. Bauträger) hingegen schon. Die Eignungskriterien mit den vorzulegenden Unterlagen bewirkten damit, dass private Bauplatzbewerber regelmäßig mangels Eignung vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen würden, obwohl sich die hier streitgegenständliche Konzeptvergabe von Bauplätzen nach eigenen Angaben der Antragsgegnerin gerade auch an private Bauplatzbewerber richten sollte. Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung von privaten Bauplatzbewerbern (Verbrauchern) gegenüber gewerblichen Bauplatzbewerbern habe die Antragsgegnerin nicht vorgetragen und sei auch für das Gericht nicht ersichtlich. Wenn die Antragsgegnerin mit den Eignungskriterien habe sicherstellen wollen, dass der Bauplatzbewerber wirtschaftlich in der Lage sei, sein Bebauungskonzept auch zu verwirklichen, hätte es in den Eignungskriterien näherer Vorgaben dazu bedurft, wie auch Privatpersonen (Verbraucher) ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gegenüber der Antragsgegnerin belegen könnten. Derartige Regelungen enthielten ihre Vergaberichtlinien aber nicht. Art. 3 Abs. 1 GG verlange, dass die Vergaberichtlinien so ausgestaltet seien, dass jede der beiden Bewerbergruppen bei Bewerbung auf denselben Bauplatz eine bei abstrakter Betrachtung gleich hohe Chance habe, den Zuschlag zu erhalten. Vergabekriterien, die für beide Bewerbergruppen Anwendung fänden, jedoch von einer Bewerbergruppe typischerweise nicht erfüllt werden könnten, seien nichtig. Entsprechendes gelte für das Bewertungskriterium der "Qualität des Bewerbers". Auch dieses Kriterium führe zu einer nicht von Sachgründen getragenen Benachteiligung privater Bauplatzbewerber (Verbraucher) gegenüber gewerblichen Bauplatzbewerbern. Das Gericht habe angesichts der besonderen Diskriminierungsverbote aus Art. 3 Abs. 3 GG schon erhebliche Bedenken, ob die nach den Vergaberichtlinien vorgesehene Bewertung der "Qualität" eines Menschen rechtlich überhaupt zulässig sei. Sachliche Gründe für die Schlechterstellung privater Bauplatzbewerber durch das Kriterium der Qualität seien im Übrigen weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Anträge der Beschwerdegegner (Antragsteller) und der Beigeladenen zu 1 abzulehnen.
Die Antragsgegnerin macht u.a. geltend, ihre Vergaberichtlinien seien rechtmäßig. Die Eignungskriterien in den Vergaberichtlinien führten nicht zu einer Schlechterstellung von privaten Bauherrengemeinschaften gegenüber gewerblichen Bauplatzbewerbern. Sie (die Antragsgegnerin) verfolge mit der Aufstellung der Eignungskriterien den Zweck, zu gewährleisten, dass Bauplatzbewerber, die einen Zuschlag für eines der im Baugebiet "Obere Halde" gelegenen Grundstücke erhielten, das geplante Bauvorhaben auch tatsächlich errichteten und der Errichtung keine finanziellen Gründe bzw. kein Mangel an Fachkenntnissen entgegenstünden. Das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass private Einzelpersonen in der Regel weder die finanziellen Möglichkeiten noch die notwendigen Fachkenntnisse hätten, um Mehrfamilien- sowie Reihen- oder Doppelhäuser in einem Zug zu bauen. Private Einzelpersonen müssten sich daher eines (gewerblichen) Bauträgers bedienen, der ihr Bauvorhaben erstellen könne. Im Hinblick auf die Vergaberichtlinien wäre es privaten Einzelpersonen problemlos möglich gewesen, einen gewerblichen Bauträger zu finden, der die Eignungskriterien erfülle, um so zu dem Vergabeverfahren zugelassen zu werden. Dieser gewerbliche Bauträger hätte als Unterauftragnehmer beauftragt werden können. Ferner hätten private Einzelpersonen mit gewerblichen Bauträgern Bietergemeinschaften gründen können. Die Vergaberichtlinien der Beschwerdeführerin hätten nicht zur Voraussetzung, dass die Eignungskriterien in der Person der sich bewerbenden privaten Einzelperson selbst vorliegen müssten. Es bestehe - jedenfalls - ein sachlich gerechtfertigter Grund für die (ggf.) Ungleichbehandlung. Das genannte Ziel, die Verwirklichung der Bauvorhaben zu gewährleisten, könne nur durch die Aufstellung von Eignungskriterien erreicht werden, die einen Schluss auf die finanzielle Potenz und das fachliche Know-How der Bewerber zuließen. Das Bewertungskriterium "Qualität des Bewerbers" in den Vergaberichtlinien der Beschwerdeführerin vom 14.07.2021 führe dementsprechend ebenfalls nicht zu einer Schlechterstellung von privaten Bauherrengemeinschaften gegenüber gewerblichen Bauplatzbewerbern. Sie (die Antragsgegnerin) habe ihre Vergaberichtlinien im Rahmen des Vergabeverfahrens auch zutreffend auf die Antragsteller angewandt. Die Antragsteller hätten kein Konzept und keine Referenzen vorgelegt. Damit sei von vornherein ihre fachliche Eignung nicht nachgewiesen. Allein die Vorlage eines Lageplans mit Grundrissen zu Ansichten und Schnitten sowie der Wohnflächenberechnung ergebe noch kein "Konzept", wie dies seitens der Vergaberichtlinien gefordert gewesen sei. Ferner fehlten Aussagen zu Mobilitäts- und Parkierungskonzepten. Selbst wenn die Bewerbung der Antragsteller in die Wertung einbezogen worden wäre, hätten diese nicht obsiegt, da mangels Konzept deren Bewerbung nach den hierfür einschlägigen Kriterien der Vergaberichtlinien keine Punkte im Vergleich zum Bestbieter erhalten hätte. Ebenso wären sie bei der Preisbewertung unterlegen, weil der Bestbieter der Beschwerdeführerin einen deutlich höheren Preis angeboten habe. Auch auf die Beigeladene zu 1 seien die Vergaberichtlinien zutreffend angewandt worden. Die Beigeladene zu 1 habe ebenfalls nicht obsiegen können, da ihr Angebot gegenüber dem des begünstigten Bewerbers weniger Punkte erhalten habe. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts sei unabhängig davon bereits deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil der Tenor letztlich zu einem dauerhaften Veräußerungsverbot im Hinblick auf die Grundstücke der Beschwerdeführerin führen würde. Sollte keiner der Beteiligten einen Antrag im Hauptsacheverfahren stellen, bestünde für sie (die Antragsgegnerin) die nicht hinzunehmende Gefahr, die Grundstücke Nrn. 28, 61/1 und 61/ 2 auf ewig nicht veräußern zu können.
Die Beigeladene zu 2 hat sich den Ausführungen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren angeschlossen. Ergänzend trägt sie u.a. vor, der Eilantrag der Beigeladenen zu 1 sei unzulässig und jedenfalls unbegründet, weil diese (auch) ausgehend von der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht in ihren Rechten verletzt sei. Das Gericht habe seine Entscheidung ausschließlich mit dem Argument begründet, dass die Vergaberichtlinien gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen würden, weil sie zu einer ungerechtfertigten Schlechterstellung von privaten Bauplatzerwerbern gegenüber Bauträgern und anderen gewerblichen Bauplatzerwerbern führen würden. Selbst wenn man diese Auffassung als zutreffend unterstellen würde, würde die Beigeladene zu 1 durch diese Rechtsverletzung nicht benachteiligt, sondern sogar bevorteilt, da es sich bei ihr um einen gewerblichen Bewerber handele. Nach dem Grundsatz "venire contra factum proprium" könne sich die Beigeladene zu 1 nicht auf die Unwirksamkeit einer für sie günstigen Regelung berufen. Das Verwaltungsgericht sei unabhängig davon über die Anträge der Antragsteller und der Beigeladenen zu 1 hinausgegangen und habe insbesondere den Antrag dieser Beigeladenen auch im Tatbestand des Beschlusses unzutreffend wiedergegeben.
Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss unter Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und tragen vor, sie beabsichtigten, zeitnah einen Antrag im Hauptsacheverfahren zu stellen.
Die Beigeladene zu 1 beantragt ebenfalls,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Vortrag der Beigeladenen zu 2 zum Grundsatz "venire contra factum proprium" liege neben der Sache. Weder habe sie (die Beigeladene zu 1) einen hierfür erforderlichen Vertrauenstatbestand gesetzt noch habe das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung festgestellt, dass die Vergaberichtlinien in identischer Weise erneut erlassen werden könnten. Zutreffend habe es angenommen, dass die Vergaberichtlinien jedenfalls private Bewerber erheblich benachteiligten und mithin rechtswidrig seien. Bereits auf dieser Grundlage können die Vergaberichtlinien keine geeignete Grundlage für ein Vergabeverfahren darstellen, sodass auch gegenüber ihr (der Beigeladenen zu 1) das Vergabeverfahren rechtswidrig gewesen sei. Die Rechtsverletzung liege bereits darin, dass ihr auf Grundlage eines rechtswidrigen Vergabeverfahrens kein Zuschlag erteilt worden sei. Im Übrigen verstießen die Vergaberichtlinien gegen das gleichheitsrechtliche Transparenzgebot und seien auch deshalb nicht als Grundlage für die Vergabeentscheidung geeignet. Bereits hinsichtlich des Kriteriums der "Qualität des Bewerbers" sei nicht erkennbar, was dieses Kriterium von dem allgemeinen Eignungskriterium unterscheide. Auch die weiteren festgesetzten Kriterien erfüllen nicht das Gebot der Transparenz, da lediglich eine exemplarische Erläuterung erfolge, sodass nicht abgeschätzt werden könne, ob weitere Kriterien in die Vergabekriterien miteinbezogen werden sollten und gegebenenfalls welche. Insofern seien die Vergabekriterien derart offen gefasst, dass diese der Willkür geöffnet seien, da letztlich nicht definiert werde, was konkret in die Bewertung miteinfließe und was nicht. Im Übrigen seien die Vergabekriterien auch fehlerhaft angewendet worden. Die Entscheidung sei seitens des Gemeinderats letztlich wohl allein vom Ergebnis her getroffen worden. Die Antragsgegnerin hebe etwa hervor, dass es ihr um die Sicherstellung der "finanziellen Potenz" der Bewerber gegangen sei, die Beigeladene zu 2 habe aber keine Finanzierungsbestätigung vorgelegt. Auch im Übrigen sei davon auszugehen, dass die Kriterien nicht ordnungsgemäß angewendet worden seien. Seitens der Antragsgegnerin seien lediglich so umfangreich geschwärzte Unterlagen vorgelegt wurden, dass ein Vergleich der Kriterien nicht möglich sei. Damit werde eine entsprechende Nachprüfung der Entscheidung vereitelt, was nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung zu ihren Lasten zu berücksichtigen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und die von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgänge, soweit diese lesbar sind, verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, aber nicht begründet. Die fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats grundsätzlich beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), geben dem Senat keinen Anlass, über die Anträge der Antragsteller und der Beigeladenen zu 1 auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abweichend vom Verwaltungsgericht zu entscheiden. Das Vorbringen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 2 gegen die Tenorierung des erstinstanzlichen Beschlusses (1.), gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Antragsauslegung (2.) und gegen dessen Sachentscheidung zum Eilantrag der Antragsteller (3.) sowie der Beigeladenen zu 1 (4.) rechtfertigt keine wesentliche Änderung des angefochtenen Beschlusses.
1. Ohne Erfolg machen die Antragsgegnerin und die Beigeladene zu 2 geltend, der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts sei bereits deshalb aufzuheben, weil der von dem Verwaltungsgericht formulierte Tenor zu einem "dauerhaften Veräußerungsverbot" in Bezug auf die Grundstücke der Antragsgegnerin führen würde, falls keiner der Beteiligten einen Antrag im Hauptsacheverfahren stellen (d.h. Klage erheben) sollte.
Unabhängig davon, dass die Antragsteller eine Klageerhebung angekündigt haben, übersehen die Antragsgegnerin und die Beigeladenen zu 2, dass es die Antragsgegnerin im Bedarfsfall selbst in der Hand hat, den Eintritt eines "dauerhaften Veräußerungsverbotes" zu verhindern. Das ergibt sich aus § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 926 ZPO. Nach der zuletzt genannten, für den Erlass einstweiliger Anordnungen gemäß § 123 Abs. 3 VwGO entsprechend geltenden Vorschrift hat, wenn die Hauptsache (noch) nicht anhängig ist, das Arrestgericht (hier das Verwaltungsgericht) auf Antrag ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass die Partei, die den Arrestbefehl (hier die einstweilige Anordnung) erwirkt hat, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben hat (Abs. 1). Wird dieser Anordnung nicht Folge geleistet, ist auf Antrag die Aufhebung des Arrestes (hier der einstweiligen Anordnung) auszusprechen (vgl. § 926 Abs. 2 ZPO und näher zum sog. Klageerzwingungsverfahren OVG NRW, Beschl. v. 18.06.2021 - 13 B 331/21 - NVwZ-RR 2021, 823; Schoch, in: dems./Schneider, Verwaltungsrecht, Stand 42. Erg.-Lfg., § 123 VwGO Rn. 181; jeweils m.w.N.).
2. Ebenfalls ohne Erfolg bleibt der ergänzende Einwand der Beigeladenen zu 2, das Verwaltungsgericht habe den erstinstanzlichen Eilantrag der Beigeladenen zu 1 im Tatbestand des Beschlusses unzutreffend wiedergegeben und sei inhaltlich weit über diesen hinausgegangen.
Das Verwaltungsgericht hat den von der Beigeladenen zu 1 in deren Schriftsatz vom 29.03.2022 formulierten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Tatbestand seines Beschlusses zwar in der Tat nicht wörtlich wiedergegeben. Dazu war es indes auch nicht verpflichtet. Denn es ist an die Fassung der Anträge nicht gebunden (vgl. § 122 Abs. 1 i.V.m. 88 Halbs. 2 VwGO) und zur sachdienlichen, am inhaltlichen Begehren der Beteiligten ausgerichteten Auslegung von Anträgen berufen. Die vom Verwaltungsgericht der Sache nach vorgenommene Auslegung des Eilantrags der Beigeladenen zu 1 weist gemessen an dem im deren Schriftsatz vom 29.03.2022 im Kern zum Ausdruck gebrachten Begehren, eine Schaffung von vollendeten Tatsachen zu verhindern, solange über die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Vergabeentscheidung, die ihrerseits auf den Vergaberichtlinien vom 14.07.2021 beruht, nicht rechtskräftig entschieden wurde, keine Rechtsfehler auf. Die Beigeladene zu 1 ist der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung ihres Antrags dementsprechend im Beschwerdeverfahren nicht entgegengetreten, sondern hat die angefochtene Entscheidung (auch insoweit) verteidigt. Erst recht ist das Verwaltungsgericht mit dem in Ausübung der ihm bei dem Erlass einer einstweiligen Anordnung zustehenden weiten Gestaltungsbefugnis (vgl. nur Schoch, a.a.O., §123 Rn. 133 m.w.N.) gewählten Tenor nicht unter Verstoß gegen § 88 Halbs. 1 VwGO inhaltlich über das Antragsbegehren hinausgegangen.
Lediglich klarstellend ergänzt der Senat den Sachausspruch in Ausübung derselben, im Beschwerdeverfahren auch ihm zustehenden Befugnis wie aus dem Tenor seines vorliegenden Beschlusses ersichtlich.
3. Gründe, über den Eilantrag der Antragsteller inhaltlich abweichend vom Verwaltungsgericht zu entscheiden, hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt.
a) Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen genügt bereits den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht.
Das Verwaltungsgericht hat in Bezug auf den Eilantrag der Antragsteller im Kern entschieden, die Antragsgegnerin habe den von ihm näher umschriebenen Vergabeverfahrensanspruch verletzt, weil es sein Ermessen bei der Vergabeentscheidung auf die Vergaberichtlinien vom 14.07.2021 gestützt habe, die ihrerseits gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstießen, weil die sog. Eignungskriterien und das Bewertungskriterium "Qualität der Bewerber" jeweils private Bauplatzbewerber gegenüber gewerblichen Bewerbern ohne sachlichen Grund benachteilige. Wenn die Antragsgegnerin mit den Eignungskriterien habe sicherstellen wollen, dass der Bauplatzbewerber wirtschaftlich in der Lage sei, sein Bebauungskonzept auch zu verwirklichen, hätte es in den Eignungskriterien näherer Vorgaben dazu bedurft, wie auch Privatpersonen (Verbraucher) ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gegenüber der Antragsgegnerin belegen könnten.
Mit dieser Begründung des Verwaltungsgerichts setzt sich die Antragsgegnerin nicht in einer § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Weise auseinander. Denn sie geht nur auf die erste, nicht aber auf die zweite der beiden genannten und selbständig tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ein. Die Antragsgegnerin hat zwar dargelegt, aus welchen Gründen ihres Erachtens entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine Benachteiligung von privaten Bewerbern vorliege, und zur Begründung u.a. ausgeführt, dass die Eignungs- und Qualitätskriterien nicht in der Person von sich bewerbenden Privatpersonen vorliegen müssten und dass diese ihre Bewerbung auf verschiedene Weisen zusammen mit gewerblichen Beiträgern einreichen könnten. Mit der zweiten sinngemäßen Erwägung des Verwaltungsgerichts, dass es dann näherer Vorgaben gerade in der Richtlinie selbst dazu bedurft hätte, welche Schritte Privatpersonen aus Sicht der Antragsgegnerin konkret unternehmen müssten, um eine zulassungsfähige und inhaltlich berücksichtigungsfähige Bewerbung abzugeben, setzt sich die Antragsgegnerin hingegen nicht auseinander.
Es ist unabhängig von diesem Darlegungsdefizit auch in der Sache nicht erkennbar, dass die Vergaberichtlinie der Antragsgegnerin die vom Verwaltungsgericht als fehlend beanstandeten Vorgaben enthält. Das Gegenteil ist der Fall. Die Richtlinie definiert den Begriff des "Bewerbers", der eine Bewerbung einreichen kann, in den auf S. 3 enthaltenen "Hinweisen" durch einen Klammerzusatz als "Bauträger, Investor, Bauherrengemeinschaft". Nach der Richtlinie können sich demnach - wie es die Antragsgegnerin im vorgerichtlichen Verfahren auf Nachfrage der ... GmbH eigens bestätigt hatte - auch private Bauherrengemeinschaften bewerben. Hinweise dazu, dass Bauherrengemeinschaften - wie die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren wohl sinngemäß geltend machen will - eine Bewerbung nur zusammen mit einem gewerblichen Bauträger einreichen können oder auf welche sonstige Weise Private die in den Richtlinien genannten Angaben machen und Nachweise führen können, finden sich in den Richtlinien hingegen nicht.
b) Unabhängig davon weist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zum Eilantrag der Antragsteller auch in der Sache keine Rechtsfehler auf.
Der von dem Verwaltungsgericht zutreffend umschriebene (vgl. § 122 Abs. 3 Satz 3 VwGO), in Art. 3 Abs. 1 GG wurzelnde sog. Vergabeverfahrensanspruch vermittelt den Bewerbern einen Anspruch auf eine ermessens-, insbesondere materiell gleichheitsrechtsfehlerfreie Vergabeentscheidung. Jeder Mitbewerber muss aufgrund seines Anspruchs auf Gleichbehandlung eine faire Chance erhalten, nach Maßgabe der für die spezifische Vergabe wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden (vgl. zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen BVerfG, Beschl. v. 13.06.2006 - 1 BvR 1160/03 - BVerfGE 116, 135, m.w.N.). Das setzt voraus, dass der die Vergabeentscheidung treffende Hoheitsträger etwaige ermessenslenkende Richtlinien im Hinblick auf die Vergabekriterien so klar und eindeutig formuliert, dass jeder verständige Bewerber sie gleichermaßen verstehen, seine Chancen abschätzen und insbesondere erkennen kann, welche Unterlagen er einreichen und Angaben er machen muss, um im Vergabeverfahren zugelassen und inhaltlich berücksichtigt zu werden. Ohne eine in diesem Sinne transparente, d.h. hinreichend bestimmte Ausgestaltung und Formulierung der Vergaberichtlinien ist es in der Regel nicht möglich, die gebotene Chancengleichheit zu gewährleisten und fehlt es daher an einer verfahrensmäßigen Grundlage, auf der eine gleichheitskonforme Auswahl getroffen werden kann (vgl. zu diesem sog. Transparenzgebot speziell in kommunalrechtlichen Bauplatzvergabeverfahren VG Sigmaringen, Beschl. v. 03.03.2022 - 14 K 4018/21 -, und v. 21.12.2020 - 7 K 3840/20 -; VG Weimar, Beschl. v. 30.07.2018 - 8 E 841/16 We ["allgemeiner Grundsatz des öffentlichen Vergabewesens"]; zu strukturierten Bieterverfahren zur Veräußerung von Vermögensgegenständen durch die öffentliche Hand Brbg. OLG, Urt. v. 24.04.2012 - 6 W 149/11 - ZfBR 2012, 508; LG Stuttgart, Urt. v. 24.03.2011 - 17 O 115/11 -; zum Vergaberecht i.e.S. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.11.2017 - Verg 16/17 - NZBau 2018, 248; zu "Einheimischenmodellen" bei der Vergabe von Liegenschaften im Lichte des unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts EuGH, Urt. v. 08.05.2013 - C-197/11 u.a. - DVBl 2013, 1041; zum ggf. auch aus dem unionsrechtlichen Verbot der Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit folgenden Transparenzgebot für Vergabeentscheidungen EuGH, Urt. v. 13.10.2005 - C-458/03 - Slg. 2005, I-8585; zu Marktzulassungsentscheidungen auf der Grundlage von § 70 Abs. 3 GewO BayVGH, Beschl. v. 12.08.2013 - 22 CE 13.970 - NVwZ-RR 2013, 933; zur Ausschreibung von öffentlichen Ämtern BVerwG, Beschl. v. 20.06.2013 - 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.11.2020 - 4 S 2582/20 - VBlBW 2021, 208; jeweils m.w.N.).
Diesem gleichheitsrechtlichen Transparenzgebot werden die verfahrensgegenständlichen Vergaberichtlinien der Antragsgegnerin nicht gerecht. Das betrifft bereits die in den Richtlinien mit den sog. Eignungskriterien geregelte erste, die Zulassung zum Verfahren betreffende Stufe. Die Richtlinien suggerieren, wie gezeigt (oben a)), einerseits, dass sich auch Private (Bauherrengemeinschaften) eigenständig um die Bauplätze bewerben können. Sie benennen aber andererseits Eignungskriterien - Zulassungsvoraussetzungen -, die ersichtlich nur auf gewerbliche Bewerber zugeschnitten sind, ohne klarzustellen, ob diese Kriterien ggf. auch - und dann mit welchen Modifikationen - für Private gelten. Ebenso wenig ist den Richtlinien mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, wie ein privater Bewerber, falls er zugelassen ist, seine "Qualität" im Sinne der sog. Bewertungskriterien darlegen kann. Erst recht enthalten die Richtlinien, wie gezeigt, keinen Hinweis darauf, dass die Antragsgegnerin wohl - und entgegen der abschließenden "Hinweise" in den Richtlinien - Bewerbungen von Privaten nur zulassen und ggf. bewerten will, falls diese zusammen mit einem gewerblichen Bauträger eingereicht werden.
Die Richtlinien versetzten einen privaten Interessenten damit insgesamt nicht in die Lage, seine Chancen abschätzen und erkennen zu können, welche Unterlagen er einreichen und Angaben er machen musste, um im Vergabeverfahren zugelassen und inhaltlich berücksichtigt zu werden. Die Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin war an den mithin gleichheitswidrigen und deshalb unwirksamen Vergaberichtlinien ausgerichtet und ihrerseits rechtswidrig. Denn die Antragsgegnerin ließ die Bewerbung der Antragsteller bereits auf der ersten Stufe des Auswahlverfahrens mit der Begründung, die Antragsteller hätten nicht alle erforderlichen Unterlagen eingereicht, nicht zu, obwohl die Antragsgegnerin es zuvor unterlassen hatte, zu gewährleisten, dass die Antragsteller erkennen konnten, welche Unterlagen sie als Private einreichen mussten.
Aus im Wesentlichen demselben Grund kann die Antragsgegnerin auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Bewerbung der Antragsteller wäre selbst bei einer Zulassung wegen der fehlenden Unterlagen nicht ausreichend hoch gepunktet worden, um zum Zuge kommen zu können. Auch insoweit gilt, dass die Vergaberichtlinien Private wie die Antragsteller von vornherein nicht dazu in die Lage versetzten, zu erkennen, was sie vorlegen mussten, um mit Aussicht auf Erfolg berücksichtigt zu werden. Deshalb wäre auch eine auf den Einwand fehlender Unterlagen gestützte inhaltliche Auswahlentscheidung gleichheitswidrig gewesen. Unabhängig davon spricht - was keiner abschließenden Entscheidung bedarf - viel dafür, dass die Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren eine tatsächlich unterlassene Auswahlentscheidung nicht durch Vortrag hypothetischer Überlegungen zu einer tatsächlich nicht durchgeführten Auswahl heilen kann. Denn zuständig für die Auswahl war der Gemeinderat (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 2 GemO) und es ist nicht erkennbar, dass dieser sich inhaltlich mit der Bewerbung der Antragsteller auseinandergesetzt hätte (vgl. zur Ergänzung von Ermessensentscheidungen aus dem Zuständigkeitsbereich des Gemeinderats im gerichtlichen Verfahren den erkennenden Senat, Beschl. v. 09.08.2021 - 1 S 1764/21 - NVwZ-RR 2022, 55, und Urt. v. 02.11.2021 - 1 S 3252/20 -).
4. Gründe, über den Eilantrag der Beigeladenen zu 1 inhaltlich abweichend vom Verwaltungsgericht zu entscheiden, haben weder die Antragsgegnerin noch die Beigeladene zu 2 dargelegt.
a) Ohne Erfolg macht die Beigeladene zu 2 geltend, der Eilantrag der Beigeladenen zu 1 sei bereits unzulässig, weil sie mit ihrem Vortrag gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) verstoßen habe und ihr deshalb das Rechtsschutzbedürfnis fehle.
Einem Beteiligten fehlt das Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich nur dann, wenn das prozessuale Vorgehen seine Rechtsstellung nicht verbessern kann und daher nutzlos ist (st. Rspr., vgl. nur Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 42 Rn. 350, m.w.N.). Das ist nur anzunehmen, wenn die Klage bzw. der Antrag für den Kläger bzw. Antragsteller offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.2004 - 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3>; Urt. v. 06.03.2014 - 1 C 5.13 -). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der von der Beigeladenen zu 1 gestellte Eilantrag vermag ihr tatsächliche und rechtliche Vorteile zu vermitteln. Denn im Falle einer - wie hier erstinstanzlich teilweise geschehen - Stattgabe kann sie die Schaffung vollendet Tatsachen verhindern und sich eine Chance in dem Vergabeverfahren erhalten.
Unabhängig davon ist auch der Vorwurf der Beigeladenen zu 2, die Beigeladene zu 1 verhalte sich rechtsmissbräuchlich, nicht begründet. Es ist insbesondere nicht missbräuchlich, dass sie eine Vergabeentscheidung mit dem sinngemäßen Einwand angreift, die der Entscheidung zugrunde gelegten Richtlinien seien (u.a.) aus Gründen rechtswidrig, die unmittelbar andere Bewerbergruppen betreffen, ihres Erachtens aber gleichwohl zur Gesamtunwirksamkeit der Richtlinie führen. Ein dahingehender Vortrag ist nicht widersprüchlich. Unabhängig davon stützt die Beigeladene zu 1 ihren Vortrag auch auf andere, nicht nur private, sondern auch gewerbliche Bewerber wie sie selbst betreffende Einwände.
b) Ebenfalls ohne Erfolg bleibt der Vortrag der Beigeladenen zu 2, die Beigeladene zu 1 sei mit ihren Einwänden zur Rechtmäßigkeit der Vergaberichtlinien "präkludiert", weil sie diese nicht bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist oder aus anderen Gründen rechtzeitig geltend gemacht habe.
Falls die Beigeladene zu 2 diesen inhaltlich nur andeutungsweise ausgeführten Einwand unter Verweis auf die Regelung zur Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln aus § 531 ZPO begründen möchte, übersieht sie, dass diese Vorschrift im Verwaltungsprozessrecht nicht anwendbar ist. Falls sie mit ihrem Einwand auch oder stattdessen an die in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur teils vertretene Auffassung anknüpfen möchte, wonach im vergaberechtlichen sog. Unterschwellenbereich eine ungeschriebene Pflicht zur rechtzeitigen Rüge von etwaigen Fehlern im Ausschreibungsverfahren bestehe, rechtfertigt auch das keine "Präklusion" des Vortrags der Beigeladenen zu 2. Die zur Begründung der genannten Rügepflicht (tatsächlich -obliegenheit) für zivilrechtliche Verfahren erwogenen dogmatischen Begründungsansätze wie eine analoge Anwendung des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB oder eine Anknüpfung an § 241 Abs. 2 BGB oder an § 242 BGB (vgl. LG Bielfeld, Urt. v. 27.02.2014 - 1 O 23/14 -) kommen in einem - wie hier - öffentlich-rechtlich ausgestalteten, an Art. 3 Abs. 1 GG auszurichtenden Vergabeverfahren nicht in Betracht. Es ist bereits nicht erkennbar, dass die für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke vorliegt. Eine im Ergebnis rechtsschutzverkürzende Präklusion für ein öffentlich-rechtliches Vergabeverfahren bedürfte einer dahingehenden Entscheidung des Gesetzgebers (vgl. aus dem Planungsrecht etwa § 73 Abs. 4 Satz 3 [L]VwVfG oder im Verwaltungsprozessrecht § 87b Abs. 3 VwGO), an der es hier fehlt.
c) Eine Änderung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigt auch nicht das sinngemäße Vorbringen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 2, jedenfalls in Bezug auf gewerbliche Bewerber seien die Vergaberichtlinien vom 14.07.2021 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts rechtmäßig. Es bedarf keiner Entscheidung, ob der oben genannte Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wie das Verwaltungsgericht wohl angenommen hat, bereits per se die Gesamtunwirksamkeit der Richtlinien zur Folge hat und schon deshalb auch die die Beigeladene zu 1 betreffende Auswahlentscheidung rechtswidrig ist. Diese Entscheidung erweist sich unabhängig davon als rechtswidrig, weil die Vergaberichtlinien auch in Bezug auf gewerbliche Bewerber dem o.g. Transparenzgebot nicht genügen. Es kommt nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin die Maßstäbe für die Punktevergabe innerhalb der einzelnen Bewertungskriterien ausreichend transparent und in einer gerichtlich nachprüfbaren Weise bestimmt hat. Jedenfalls sind den Richtlinien, wie das Verwaltungsgericht bereits in Zweifel gezogen hat, zu dem Kriterium "Parkierungskonzept" keine transparenten Vorgaben zu entnehmen. Die Antragsgegnerin hat sich insoweit auf den Hinweis beschränkt, dass flächensparende und "zukunftsträchtige Mobilitäts- und Parkierungskonzepte" Einfluss auf die Gesamtqualität eines Wohnbaukonzepts hätten, ohne wenigstens ansatzweise zu erläutern, welche Konzepte sie als "zukunftsträchtig" ansieht und deshalb in einer Bewerbung mit einer hohen Punktzahl bewerten würde, und ob dies unabhängig von der Zahl der zu erstellenden Wohneinheiten gelten soll.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen (§ 162 Abs. 3 VwGO), dass die Beigeladene zu 2 ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sie auf eigene Rechtsmittel und eine Antragstellung verzichtet und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausgesetzt hat.
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 GKG und folgt der von den Beteiligten nicht beanstandeten Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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BayObLG
Beschluss
vom 03.06.2022
Verg 7/22
1. Der öffentliche Auftraggeber kann ein Verhandlungsverfahren so gestalten, dass Abweichungen der indikativen Angebote von einzelnen Vergabeunterlagen, soweit es sich nicht um Mindestanforderungen handelt, erlaubt sind und Abweichungen vom gewünschten Angebotsinhalt unter Umständen in nachfolgenden Angebotsrunden beseitigt werden können.
2. Das gilt nicht für die finalen Angebote, über die keine weiteren Verhandlungen mehr stattfinden.
3. Erklärt ein Bieter in seinem finalen Angebot, die von ihm angebotene Leistung erfülle die geforderten Kriterien, darf der Auftraggeber sich auf dieses Leistungsversprechen grundsätzlich auch ohne Überprüfung verlassen.
vorhergehend:
VK Nordbayern, 29.03.2022 - RMF-SG21-3194-7-2
nachfolgend:
BayObLG, 05.08.2022 - Verg 7/22
In dem Nachprüfungsverfahren
betreffend Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb zur Beschaffung einer Therapieplanungssoftware
(
)
erlässt das Bayerische Oberste Landesgericht - Vergabesenat - durch die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht Willner, die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Muthig, die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Schwegler, den Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Seiler und die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht von Geldern-Crispendorf am 3. Juni 2022 folgenden
Beschluss
1. Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 29. März 2022, Az. RMF-SG21-3194-7-2, bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern, wird in Abänderung des Senatsbeschlusses vom 17. Mai 2022 abgelehnt.
2. Die Antragstellerin erhält Gelegenheit, bis 12. Juli 2022 mitzuteilen, ob sie die sofortige Beschwerde aufrechterhält.
3. Die Beteiligten erhalten die Möglichkeit, sich bis zum 12. Juli 2022 zum Wert des Beschwerdeverfahrens zu äußern.
Gründe:
A.
Die Antragsgegnerin schrieb mit Bekanntmachung im Amtsblatt der EU vom
die Lizenzierung und Implementierung einer Software zur Therapieplanung in ihren Kliniken im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb aus.
Als Zuschlagskriterien legte die Antragsgegnerin in den Vergabeunterlagen fest:
"1. Zuschlagskriterien
Insgesamt können 100 Punkte erreicht werden, wobei bis zu 30 Punkte auf den Preis und 70 Punkte auf die angebotene Leistung entfallen. Die 70 Leistungspunkte unterteilen sich dabei in max. 35 Leistungspunkte für den Anforderungskatalog der Leistungsbeschreibung sowie max. 35 Leistungspunkte für das Umsetzungskonzept.
Der Bieter mit der höchsten Gesamtpunktzahl erhält den Zuschlag
...
a) Gesamtpreis (maximal 30 Preispunkte erreichbar)
Das Angebot mit dem niedrigsten Gesamtpreis
erhält 30 Preispunkte. Alle anderen Angebote werden
linear interpoliert.
...
b) Qualität/Leistung - Anforderungskatalog (maximal 35 Leistungspunkte erreichbar)
Von 70 maximal erreichbaren Leistungspunkten für die Qualität/Leistung können max. 35 Leistungspunkte für die Erfüllung der B-Kriterien gemäß Leistungsbeschreibung erreicht werden.
Hinweis des Auftraggebers:
Die im Lastenheft/Anforderungskatalog aufgeführten A-Kriterien sind zwingend von der angebotenen Leistung zu erfüllen. Die Nichterfüllung auch nur eines A-Kriteriums führt zum Ausschluss des Angebotes vom weiteren Verfahren. Eine punktemäßige Bewertung der A-Kriterien erfolgt nicht.
Bewertung der B-Kriterien:
Sämtliche B-Kriterien des Lastenhefts/Anforderungskatalogs fließen in die Berechnung der Leistungspunkte ein. Für jedes B-Kriterium werden Bewertungspunkte vergeben. Die Bewertung erfolgt für die durch den Bieter mit eingetragenem "X" in der Spalte "erfüllt/nicht erfüllt" bestätigten Anforderungen in Verbindung mit der jeweilig angegebenen Gewichtung. Alle nicht vom Bieter beantworteten bzw. bestätigten Anforderungen erhalten keine Punkte.
c) Umsetzungskonzept (maximal 35 Leistungspunkte erreichbar)
Der Auftraggeber vergibt für die Ausführungen des Bieters in Teil C je Unterkriterium zwischen 0 und 5 Punkten
Hierfür wertet der Auftraggeber das Konzept je Unterkriterium nach den dort genannten Wertungsmaßstäben aus. Dabei erfolgt eine Gesamtbewertung des Konzepts zu dem jeweiligen Unterkriterium
Die erreichte Punktzahl je Unterkriterium wird sodann
- für Unterkriterium 1 mit dem Wert 3,
- für Unterkriterium 2 mit dem Wert 4 multipliziert."
Ergänzend wird auf die Vergabebedingungen, Ziffer VIII Bezug genommen.
Unter Ziffer 8.2.4 der Leistungsbeschreibung führte die Antragsgegnerin als Anforderung aus:
"Anwendungs-/Anzeigemöglichkeiten auf mobilen Geräten: Handy, Tablet, IOS/Android"
Die Anforderung wurde als B-Kriterium gekennzeichnet.
Bezogen auf diese Anforderung ging folgende Bieterfrage der Antragstellerin ein:
"Wie viele mobile Endgeräte sollen angebunden werden?"
Die Antragsgegnerin antwortete:
"Nach derzeitigem Stand soll für die Angebote mit 10 mobilen Endgeräten kalkuliert werden. Die Anzahl kann sich zu einem späteren Zeitpunkt verändern".
Bestandteil der Vergabeunterlagen war ferner der "EVB-IT Überlassungsvertrag Typ A". Der Vertrag sieht unter Ziffer 8 drei Möglichkeiten zum Ankreuzen vor ("Die Leistungen des Auftragnehmers weisen keine Kopier- oder Nutzungssperren auf. / Die Leistungen des Auftragnehmers weisen folgende Kopier- oder Nutzungssperren auf: ... / Die Leistungen des Auftragnehmers weisen folgende technische Merkmale nicht auf: ... "). Während in den ursprünglichen Vergabeunterlagen die Ziffer 8 nicht vorausgefüllt war, kreuzte die Antragsgegnerin in den Vergabeunterlagen für die finalen Angebote die erste Möglichkeit an. Die "Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Überlassung von Standardsoftware gegen Einmalvergütung - EVB-IT Überlassung-AGB (Typ A)" sahen unter Ziffer 3 für den Auftraggeber das Recht zur Übertragung des Nutzungsrechts auf einen Dritten vor. Nach § 1 (3) des Vertrags über die Überlassung und Pflege von Software werden allgemeine Geschäftsbedingungen des Auftragnehmers zu keinem Zeitpunkt Inhalt des Vertrags.
Nach Durchführung des Teilnahmewettbewerbs und der Verhandlungsrunde gaben auf Anforderung der Antragsgegnerin die Antragstellerin und die Beigeladene als einzige Bieter finale Angebote ab.
Im finalen Angebot der Antragstellerin ist unter Ziffer 8 des EVB-IT Überlassungsvertrags Typ A die zweite Möglichkeit angekreuzt und der Text ergänzt wie folgt:
"Die Leistungen des Auftragnehmers weisen folgende Kopier- oder Nutzungssperren auf: Nutzungssperre durch Lizenzablaufdatum
"
Zudem fügte die Antragstellerin ihrem Angebot ein Begleitschreiben bei, in dem sie Preise für die angebotenen Leistungen aufführte. Ferner erklärte sie, allgemeine Geschäftsbedingungen des Auftraggebers fänden keine Anwendung und ihre ###-Lizenzen seien nicht übertragbar.
Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 5. Januar 2022 (Bl. 63 ff. d. A. VK) mit, es sei beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Der Wertungspreis des Angebots der Beigeladenen sei niedriger, die Antragstellerin erfülle nach eigenen Angaben nicht alle B-Kriterien der Leistungsbeschreibung und habe im Unterkriterium 1 zum Umsetzungskonzept nur vier von fünf erreichbaren Punkten erzielt. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass das Angebot der Antragstellerin auch bei voller Punktzahl im Leistungskriterium Umsetzungskonzept nicht das wirtschaftlichste gewesen wäre.
Mit Schreiben vom 11. Januar 2022 (Bl. 59 ff. d. A. VK) rügte die Antragstellerin, es gebe an ihrem Umsetzungskonzept nichts zu bemängeln. Von den B-Kriterien der Leistungsbeschreibung habe sie nur eines nicht erfüllt. Ihr sei somit jeweils die volle Punktzahl zu erteilen. Im Übrigen werde bezweifelt, dass die Beigeladene hinreichende B-Kriterien oder auch nur alle A-Kriterien erfüllen könne. Die Software der Beigeladenen sei 17 Jahre alt.
Die Antragsgegnerin wies die Rügen mit Schreiben vom 12. Januar 2022 (Bl. 55 ff. d. A. VK) zurück.
Am 13. Januar 2022 reichte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Nordbayern ein (Bl. 21 ff. d. A. VK). Sie behauptet, das Angebot der Beigeladenen erfülle die A-Kriterien Ziffer 8.3.1 ("Stabilität: Das Programm muss ausgesprochen performant und störungsfrei sein") und Ziffer. 8.4.2 ("Rekonstruktion: Im Falle eines Absturzes muss eine Funktion vorhanden sein, mit welcher die Daten bis zur letzten Bestätigung wiederhergestellt werden können - maximaler Datenverlust 1 Stunde") der Leistungsbeschreibung nicht. Bei der Software handle es sich um eine Eigenentwicklung der
, es sei kein kommerzielles Produkt, das den Sicherheitsanforderungen entspreche. Zudem genüge die Software der Beigeladenen nicht Ziffer 8.2.4 der Leistungsbeschreibung, die durch die Antwort der Antragsgegnerin auf die Bieterfrage vom B- zum A-Kriterium geändert worden sei. Die zehn mobilen Endgeräte, mit denen nach den Angaben der Antragsgegnerin zu kalkulieren sei, bezögen sich auf Endgeräte des Klinikpersonals, nicht der Patienten. Die Beigeladene sei daher zwingend auszuschließen. Ein Ausschluss der Antragstellerin komme hingegen nicht in Betracht, insbesondere habe sie keine unzulässigen Änderungen der Vergabeunterlagen vorgenommen. Der Preisunterschied ihres Angebots zu dem der Beigeladenen könne auch nicht so gewaltig sein. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihre Ausführungen aus dem Rügeschreiben.
Die Antragstellerin hat im Verfahren vor der Vergabekammer zuletzt beantragt,
der Antragsgegnerin aufzugeben, die Angebotswertung unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen zu wiederholen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Das Angebot der Beigeladenen sei nicht auszuschließen. Allein das Alter der angebotenen Software sei kein Ausschlussgrund. Die Beigeladene sei ein kommerziell handelndes Unternehmen, dessen Produkt auch von anderen Auftraggebern erfolgreich eingesetzt werde. Ziffer 8.2.4 der Leistungsbeschreibung stelle ausweislich der Vergabeunterlagen für die finalen Angebote nur ein B-Kriterium dar. Mit der Antwort auf die Bieterfrage sei lediglich das B-Kriterium präzisiert, aber nicht in ein A-Kriterium umgewandelt worden. Im Übrigen erfülle die Beigeladene diese Anforderung, da das Programm unstreitig auf den Handys oder Tablets der Patienten laufe. Das Angebot der Antragstellerin sei wegen der Änderung von Ziffer 8 EVB-IT Überlassungsvertrag Typ A auszuschließen. Zudem habe die Antragstellerin im Angebotsschreiben die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin unzulässigerweise ausgeschlossen und Preise angegeben, die in Widerspruch zum vorgegebenen Preisblatt stünden. Auf die Leistungswertung komme es nicht an, da selbst bei voller Punktzahl für das Angebot der Antragstellerin dieses nicht das wirtschaftlichste sei. Die Vorgaben der Vergabeverordnung zur Aufklärung der Angebotspreise habe die Antragsgegnerin eingehalten.
Die Beigeladene hat an der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer nicht teilgenommen. Sie behauptet, ihr Programm erfülle die Kriterien Ziffer 8.3.1, Ziffer 8.4.2 und Ziffer. 8.2.4 der Leistungsbeschreibung. Die Software sei als kommerzielles Produkt mit allen Sicherheitsanforderungen entwickelt worden. Sie werde permanent gepflegt und weiterentwickelt. Das Programm basiere auf der Web-App-Technologie und laufe daher mit allen Betriebssystemen von Handy und Tablet. Eine zusätzliche Funktionalität als Ärzte- und Pflegekräfteapplikation sei nicht als A-Kriterium ausgeschrieben gewesen.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Er sei bereits unzulässig, soweit die Antragstellerin rüge, das Angebot der Beigeladenen genüge den A-Kriterien Ziffer 8.3.1 und Ziffer 8.4.2 der Leistungsbeschreibung nicht. Es handle sich um bloße Behauptungen ins Blaue. Im Übrigen sei der Nachprüfungsantrag unbegründet. Das Angebot der Beigeladenen sei nicht auszuschließen. Das B-Kriterium Ziffer 8.2.4 der Leistungsbeschreibung sei nicht durch die Antwort der Antragsgegnerin auf die Bieterfrage zu einem A-Kriterium geworden. Auch sei weder den Vergabeunterlagen noch dem Wortlaut der Antwort zu entnehmen, dass mit 10 mobilen Endgeräten gerade für Klinikpersonal kalkuliert werden müsse. Auszuschließen sei hingegen das Angebot der Antragstellerin wegen Abweichungen von den Vergabeunterlagen. Zudem sei das Angebot der Antragstellerin selbst bei fehlendem Ausschluss und Vergabe der Höchstpunktzahl auf alle Leistungskriterien nicht das wirtschaftlichste. Die von der Antragsgegnerin durchgeführte Preisprüfung sei nicht zu beanstanden. Auf die gerügte Leistungswertung des Angebots der Antragstellerin komme es daher nicht an.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Das Angebot der Beigeladenen sei auszuschließen. Angaben der Antragstellerin erfolgten nicht ins Blaue, vielmehr handle es sich um den Hinweis eines Fachunternehmens. Das Angebot erfülle zudem die Anforderungen nach Ziffer 8.2.4 der Leistungsbeschreibung nicht. Es komme darauf an, ob die Verordnung und Leistungserfassung durch das Klinikpersonal mobil möglich sei. Durch die Antwort der Antragsgegnerin sei das Kriterium zum AKriterium geworden, zumal in einem Verhandlungsverfahren über den Inhalt der Angebote verhandelt werden dürfe. Das Angebot der Antragstellerin sei hingegen nicht auszuschließen. Jedenfalls sei das Vergabeverfahren aufzuheben. Aus Gründen der Fairness hätte die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hinweisen müssen, dass sie wie die Beigeladene das Angebot ohne eine mobile Nutzung für das Klinikpersonal abgeben solle. Da die Vergabe nicht eilbedürftig sei, führe eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu keinem Nachteil.
Die Antragstellerin beantragt daher,
unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer
1. der Beschwerdegegnerin aufzugeben, die Angebotswertung unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen zu wiederholen;
2. hilfsweise, das Vergabeverfahren aufzuheben;
3. die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen:
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern, wird abgelehnt.
Die Antragsgegnerin verteidigt den Beschluss der Vergabekammer. Das Kriterium Ziffer 8.2.4 der Leistungsbeschreibung sei nicht allein durch die Antwort auf die Bieterfrage zu einem A-Kriterium geworden. Die Antwort habe nur dazu gedient, den Aufwand für die Erfüllung des B-Kriteriums kalkulierbar zu machen. Hingegen sei das Angebot der Antragstellerin auszuschließen, da sie ein von den Vorgaben der Antragsgegnerin abweichendes Lizenzmodell angeboten habe. Sie habe nunmehr die Antragstellerin am 13. Mai 2022 ausdrücklich nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. a) und c) GWB ausgeschlossen. Der Geschäftsführer der Antragstellerin habe mit einer Mail vom 30. März 2022 an den Vorstand der Bezirkskliniken XXX versucht, die Entscheidungsfindung über die Vergabe zu beeinflussen. Die Antragstellerin habe auch keinen Anspruch auf Aufhebung des Vergabeverfahrens. Alle Bieter hätten die gleichen Informationen von der Antragsgegnerin erhalten. Eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung sei mangels Erfolgsaussichten der Beschwerde und im Hinblick auf zu befürchtende Nachteile abzulehnen. Die Therapieplanung ohne die Software sei fehleranfälliger und zeitaufwändiger.
Die Beigeladene behauptet, ihre Software laufe seit 2005, sei in 100 Rehabilitationseinrichtungen aller Größenordnungen installiert und habe am Markt einen einzigartigen Ruf bezüglich Stabilität, Performanz und Wiederherstellung der Daten. Das Kriterium Ziffer 8.2.4 der Leistungsbeschreibung sei nie zu einem zwingenden Kriterium geworden, sonst hätte die Beigeladene ohne Mehrkosten auch dieses Kriterium erfüllt. Die aufschiebende Wirkung sei nicht zu verlängern, da das öffentliche Interesse an der Auftragserteilung überwiege.
B.
Der Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde ist gemäß § 173 Abs. 2 Satz 1 GWB abzulehnen. Unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen überwiegen die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die mit einer weiteren Verzögerung verbundenen Vorteile. Dies gilt namentlich bei Berücksichtigung des Interesses der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben der Antragsgegnerin nach § 173 Abs. 2 Satz 2 GWB sowie der in § 173 Abs. 2 Satz 4 GWB genannten Gesichtspunkte, darunter insbesondere der Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin bleibt aller Voraussicht nach ohne Erfolg. Dem Interesse der Antragsgegnerin an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens ist damit schon aus diesem Grund der Vorrang zu gewähren (h. M., vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 3. Mai 2022, Verg 3/22, S. 10 f. - nicht veröffentlicht -; Beschl. v. 28. Mai 2021, Verg 5/21, S. 12 - nicht veröffentlicht -; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3. August 2018, Verg 30/18; Vavra/Willner in Burgi/Dreher, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl. 2022, GWB § 173 Rn. 25). Nach summarischer Prüfung erachtet der Senat die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags durch die Vergabekammer für zutreffend. Die Ausführungen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vermögen hieran nichts zu ändern.
I.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht nach § 172 Abs. 1 bis 3 GWB eingelegt.
II.
Bei der gebotenen summarischen Prüfung verbleibt die sofortige Beschwerde in der Sache ohne Erfolg. Die Beschwerdebegründung bringt keine stichhaltigen Argumente vor, die die Richtigkeit der Entscheidung der Vergabekammer in Frage zu stellen vermögen.
Dabei kann zugunsten der Antragstellerin die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags unterstellt werden. Die Rügen der Antragstellerin, soweit sie in der Beschwerde noch verfolgt werden (vgl. zur Eingrenzung des Prüfungsumfangs im Beschwerdeverfahren OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16. Mai 2018, Verg 24/17; Vavra/Willner in Burgi/Dreher, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, GWB § 172 Rn. 20; Gröning in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, GWB § 172 Rn. 31), greifen jedenfalls in der Sache nicht durch.
1) Das Angebot der Beigeladenen ist bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV auszuschließen.
a) § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV findet vorliegend Anwendung. Zwar kann der Auftraggeber ein Verhandlungsverfahren so gestalten, dass Abweichungen der indikativen Angebote von einzelnen Vergabeunterlagen, soweit es sich nicht um Mindestanforderungen handelt, erlaubt sind und Abweichungen vom gewünschten Angebotsinhalt unter Umständen in nachfolgenden Angebotsrunden beseitigt werden können (ausführlich OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29. Juni 2017, Verg 7/17 m. w. N.; Herrmann in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, VgV § 57 Rn. 37). Indessen gilt dies nicht für die finalen Angebote, über die nach § 17 Abs. 10 Satz 1 VgV keine weiteren Verhandlungen mehr stattfinden.
b) Das Angebot der Beigeladenen ist nicht wegen Nichterfüllung der Kriterien Ziffer 8.3.1 ("Stabilität: Das Programm muss ausgesprochen performant und störungsfrei sein") und Ziffer 8.4.2 ("Rekonstruktion: Im Falle eines Absturzes muss eine Funktion vorhanden sein, mit welcher die Daten bis zur letzten Bestätigung wiederhergestellt werden können - maximaler Datenverlust 1 Stunde") der Leistungsbeschreibung auszuschließen.
Insoweit handelt es sich ausweislich der Vergabeunterlagen für die finalen Angebote um A-Kriterien, deren Nichterfüllung zu einem Ausschluss des Angebots führen sollte.
Die Beigeladene hat in ihrem finalen Angebot angegeben, sie erfülle diese Kriterien. Ein Auftraggeber darf sich grundsätzlich auch ohne Überprüfung auf das Leistungsversprechen des Bieters verlassen (BayObLG, Beschl. v. 9. November 2021, Verg 5/21; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29. Mai 2020, 15 Verg 2/20; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15. Januar 2020, Verg 20/19 m. w. N.). Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte, die an den Angaben der Beigeladenen Zweifel wecken könnten und die Antragsgegnerin zu einer Überprüfung der Angaben hätten veranlassen müssen, sind nicht erkennbar. Die Antragstellerin hat insoweit nur vorgetragen, das Programm der Beigeladenen stamme aus dem Jahr 2005. Zudem basiere es auf einer Eigenentwicklung der XXX und sei kein kommerzielles Produkt mit allen Sicherheitsanforderungen. Es handle sich bei ihren Ausführungen auch nicht um Angaben ins Blaue, sondern basiere auf Presseveröffentlichungen und dem Hinweis eines Fachunternehmens. Indessen hat die Antragstellerin weder die Presseartikel vorgelegt noch präzisiert, welche konkrete Kritik welches Fachunternehmen an der Software der Beigeladenen geäußert hat. Die Beigeladene hingegen hat dargetan, das Programm sei seit 17 Jahren erfolgreich, werde permanent gepflegt und weiterentwickelt. Es sei eine Entwicklung der Beigeladenen als kommerzielles Produkt mit allen Sicherheitsanforderungen. Dies erscheint jedenfalls nachvollziehbar und plausibel. Allein das Alter einer Software lässt keine Rückschlüsse auf deren Qualität zu, sofern die Software stets gepflegt und weiterentwickelt wurde. Zweifel an den Angaben, es handle sich um eine kommerzielle Entwicklung, die alle Sicherheitsanforderungen berücksichtige, sind weder ersichtlich noch werden entsprechende Tatsachen von der Antragstellerin ausreichend konkret dargetan.
c) Die Beigeladene ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht deshalb nach § 57 Abs. 1 Nr. 4, § 53 Abs. 7 Satz 1 VgV auszuschließen, da sie das Kriterium Ziffer 8.2.4 der Leistungsbeschreibung nicht erfüllte.
Ein Ausschluss der Beigeladenen käme nur in Betracht, wenn das Kriterium Ziffer 8.2.4 der Leistungsbeschreibung ein A-Kriterium wäre. Dies ist indessen nicht der Fall.
In den ursprünglichen Vergabeunterlagen ebenso wie in den Vergabeunterlagen für die finalen Angebote vom November 2021 ist das Kriterium Ziffer 8.2.4 der Leistungsbeschreibung ausdrücklich als B-Kriterium gekennzeichnet. Die Angaben der Leistungsbeschreibung konnten nicht anders verstanden werden.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Bieterfrage der Antragstellerin ("Wie viele mobile Endgeräte sollen angebunden werden?")und der Antwort der Antragsgegnerin ("Nach derzeitigem Stand soll für die Angebote mit 10 mobilen Endgeräten kalkuliert werden. Die Anzahl kann sich zu einem späteren Zeitpunkt verändern"). Grundsätzlich gehören zu den Vorgaben der Vergabeunterlagen auch die Antworten des Auftraggebers auf Bieterfragen (Herrmann in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, VgV § 57 Rn. 35 Fn. 61). Leistungsanforderungen können im laufenden Verfahren auch durch einen allen Bietern zugänglich gemachten Fragen- / Antwortenkatalog geändert werden (Haak/Hogeweg in Burgi/Dreher, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Aufl. 2019, VgV § 57 Rn. 48).
Dabei sind die Antworten des Auftraggebers ebenso wie sonstige Vergabeunterlagen nach dem objektiven Empfängerhorizont eines potentiellen Bieters auszulegen (vgl. BGH, Beschl. v. 7. Januar 2014, X ZB 15/13). Maßgeblich ist, wie ein verständiger, sachkundiger und mit derartigen Beschaffungsvorgängen vertrauter Bieter die Vergabeunterlagen verstehen muss (zu diesem Maßstab OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 5. November 2019, 11 Verg 4/19; Goede/Hänsel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, VgV § 29 Rn. 4).
Unter Anwendung dieser Maßstäbe wurde die Qualifizierung von Ziffer 8.2.4 der Leistungsbeschreibung als B-Kriterium nicht geändert. Eine ausdrückliche Erklärung, Ziffer 8.2.4 sei nunmehr als A-Kriterium eingestuft, enthält die Antwort der Antragsgegnerin nicht. Vielmehr bezieht sich die Frage auf Ziffer 8.2.4 als BKriterium, so dass die Antwort offensichtlich Ziffer 8.2.4 als B-Kriterium lediglich präzisiert. Ein derartiges Verständnis der Antwort erscheint auch sinnvoll. Wenn ein Bieter sich dazu entschließt, das Leistungskriterium Ziffer 8.2.4, also eine mobile Nutzung, anzubieten, soll er mit zunächst 10 Geräten kalkulieren. Damit wird für alle Bieter transparenter, mit welchem Aufwand und gegebenenfalls welchen Mehrkosten sie für dieses Leistungskriterium rechnen müssen. Auf diese Weise wird einerseits die Vergleichbarkeit der Angebote, soweit sie die mobile Nutzung umfassen, verbessert und andererseits die Planungssicherheit für die Bieter erhöht. Dies ändert aber nichts daran, dass es den Bietern freigestellt bleibt, ob sie überhaupt den Zusatzaufwand und die Mehrkosten einkalkulieren möchten. Im Übrigen wäre eine Umqualifizierung von einem B-Kriterium in ein A-Kriterium eine Änderung von erheblichem Gewicht. Während die Erfüllung oder Nichterfüllung eines von insgesamt 21 B-Kriterien sich nur geringfügig in der Leistungswertung niederschlägt, führt die Nichterfüllung auch nur eines AKriteriums zwingend zum Ausschluss des Angebots. Dies spricht massiv dagegen, dass eine derart bedeutsame Umqualifizierung lediglich konkludent, ohne ausdrückliche Erklärung und expliziten Hinweis an alle Bieter, erfolgen sollte, während gleichzeitig in den Vergabeunterlagen für die finalen Angebote Ziffer 8.2.4 der Leistungsbeschreibung unverändert als B-Kriterium eingestuft ist.
Zu keinem anderen Ergebnis führt der Vortrag der Antragstellerin, bei einer Präsentation ihres ursprünglichen Angebots, in dem sie mit 150 mobilen Nutzern kalkuliert habe, sei es (u. a.) darum gegangen, dass die Anzahl der Lizenzen für mobile Nutzer die Kosten treibe. So sei es zu der Bieterfrage gekommen. Vor diesem Hintergrund konnte und musste die Antragsgegnerin die Frage aber gerade so verstehen, dass die Antragstellerin einerseits das B-Kriterium erfüllen aber andererseits nicht unübersehbare Mehrkosten generieren wollte. In Kenntnis dieser Sachlage konnte die Antragstellerin die Antwort der Antragsgegnerin ebenfalls nur in dieser Weise verstehen. Die Problematik, ob Ziffer 8.2.4 der Leistungsbeschreibung als A- oder als B-Kriterium zu qualifizieren ist, wird davon nicht berührt. Wenn es ihr darauf angekommen wäre, hätte die Antragstellerin ohne Weiteres fragen können, ob Ziffer 8.2.4 der Leistungsbeschreibung als A-Kriterium zu verstehen bzw. ob eine mobile Nutzung zwingend anzubieten sei. Eine derartige Frage wurde von ihr aber nicht gestellt.
Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin, die Vergabekammer habe die Natur des Verhandlungsverfahrens verkannt, in diesem bestünde eine größere Flexibilität, die auch für die Beurteilung von Antworten auf Bieterfragen zu berücksichtigen sei. Die von der Antragstellerin angeführte Flexibilität bedeutet vor allem, dass gemäß § 17 Abs. 10 VgV über den gesamten Angebotsinhalt verhandelt werden darf, allerdings mit Ausnahme der Mindestanforderungen und der Zuschlagskriterien. Zudem gilt dies nicht für die endgültigen Angebote. Wie sich daraus eine abweichende Beurteilung der Antwort der Antragsgegnerin ableiten sollte, erschließt sich nicht.
Ob das Angebot der Beigeladenen das Kriterium Ziffer 8.2.4 der Leistungsbeschreibung tatsächlich erfüllt und wie dieses auszulegen ist - mobile Nutzung für Klinikpersonal und/oder mobile Nutzung für Patienten - bedarf keiner Entscheidung. Da es sich um kein A-Kriterium handelt, kommt ein Ausschluss des Angebots nicht in Betracht. Die Nichterfüllung des B-Kriteriums ist nur für die Wertung relevant, für die vorliegende Entscheidung aber ohne Bedeutung (s. unten Ziff. 2).
2) Nach summarischer Prüfung ist das Angebot der Beigeladenen das wirtschaftlichste, so dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin auch im Hinblick auf die Wertung ohne Erfolg bleibt. Zugunsten der Antragstellerin kann unterstellt werden, dass die Antragsgegnerin bei der Wertung der B-Kriterien zu Unrecht davon ausging, das Angebot der Beigeladenen erfülle Ziffer 8.2.4 der Leistungsbeschreibung. Des Weiteren kann zugunsten der Antragstellerin zugrunde gelegt werden, ihr Angebot hätte für die Bewertung sowohl der B-Kriterien als auch des Umsetzungskonzepts je die volle Punktzahl erhalten müssen. Dennoch verbleibt es nach Aktenlage aufgrund des erheblichen Unterschieds der angebotenen Preise dabei, dass die Beigeladene eine höhere Gesamtpunktzahl erzielt und ihr Angebot damit das wirtschaftlichere ist.
3) Keiner Prüfung bedarf vorliegend, ob das Angebot der Antragstellerin nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV aufgrund etwaiger Änderungen der Vergabeunterlagen, nach § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV wegen unklarer Preisangaben oder ob die Antragstellerin nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. a) oder c) GWB auszuschließen war. Ist das Angebot der Antragstellerin nicht zu berücksichtigen, kann die Antragsgegnerin bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das einzig verbleibende Angebot der Beigeladenen bezuschlagen. Liegt kein Ausschlussgrund vor, kommt eine Zuschlagserteilung an die Antragstellerin bei der gebotenen summarischen Prüfung dennoch nicht in Betracht, da ihr Angebot wie ausgeführt nicht das wirtschaftlichste ist.
4) Der von der Antragstellerin hilfsweise gestellte Antrag, das Vergabeverfahren aufzuheben, bleibt bei der gebotenen summarischen Prüfung ohne Erfolg.
Der Ansicht der Antragstellerin, das Verfahren sei entgegen § 17 Abs. 13 VgV unfair und intransparent gewesen, vermag der Senat nicht zu folgen. Ausgehend von den Vergabeunterlagen für die finalen Angebote und die Antwort auf die Bieterfrage wurde hinreichend deutlich, welche Leistungsanforderungen gestellt und wie diese bewertet werden sollten. Insbesondere war, wie ausgeführt, für einen verständigen und sachkundigen Bieter klar erkennbar, dass die mobile Nutzung ein Kann-Kriterium und keine Mindestanforderung darstellte. Ein Hinweis der Antragsgegnerin an die Antragstellerin, sie solle - ebenso wie die Beigeladene - keine mobile Nutzung für das Klinikpersonal anbieten, war entgegen der Ansicht der Antragstellerin weder geboten noch wäre er zulässig gewesen.
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BayObLG
Beschluss
vom 29.07.2022
Verg 13/21
1. Dem Auftraggeber steht das Bestimmungsrecht zu, ob und welchen Gegenstand er beschaffen will, sowie über die technischen und ästhetischen Anforderungen. Die Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers und damit auch die Frage, welche Anforderungen an die zu beschaffenden Leistungen gestellt werden dürfen, unterliegt allerdings allgemeinen vergaberechtlichen Grenzen.
2. Die Bestimmung des Auftragsgegenstands muss sachlich gerechtfertigt sein und es bedarf nachvollziehbarer, objektiver und auftragsbezogener Gründe. Die Festlegung hat willkür- und diskriminierungsfrei zu erfolgen. Ob die Vorgaben erforderlich oder zweckmäßig sind, ist ohne Belang.
3. Bei der Beschaffung einer digitalen Lösung zur Kontaktdatenerfassung vorstößt die Forderung nach einer bestimmten Schnittstelle nicht gegen Vergaberecht, wenn ein System beschafft werden soll, das Händler, Gastronomie, Behörden, Kulturtreibende und alle weiteren Einrichtungen mit Publikumsverkehr bei der Erfassung von Kontaktdaten und der Weiterleitung dieser Daten an die Gesundheitsämter unterstützt, um die ressourcen- und zeitaufwändige Datenerhebung in Form von Papierlisten durch ein einfach zu nutzendes digitales Verfahren abzulösen.
4. Die Antragsbefugnis muss während des gesamten Vergabenachprüfungsverfahrens fortbestehen. Sie entfällt, wenn der Antragsteller das Interesse am Auftrag verliert.
5. Im Fall einer Insolvenz des Antragstellers ist die Erklärung zu fordern, dass der Insolvenzschuldner sein operatives Geschäft trotz Zahlungsunfähigkeit beziehungsweise Überschuldung fortführen wird und sich daher an der Ausschreibung nach wie vor beteiligen will.
vorhergehend:
BayObLG, 16.12.2021 - Verg 13/21
VK Südbayern, 14.09.2021 - 3194.Z3-3_01-21-23
Im Nachprüfungsverfahren
betreffend die Beschaffung einer digitalen Lösung für die Besucher-Kontaktdatenerfassung für Einrichtungen im ...
(...)
erlässt das Bayerische Oberste Landesgericht - Vergabesenat - durch den Vorsitzenden Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Fischer, die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Muthig, den Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Hagspiel, die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht Willner und die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Löffler mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung am 29. Juli 2022 folgenden
Beschluss
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 14. September 2021, Gz. 3194.Z3-3_01-21-23, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners und der Beigeladenen zu tragen.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 276.318,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner erteilte nach Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb der Beigeladenen am 6. April 2021 den Zuschlag für einen Auftrag zur Beschaffung einer digitalen Lösung für die Besucher-Kontaktdatenerfassung. Das von der Beigeladenen angebotene System beinhaltete unter anderem die sogenannte "LucaApp".
Der Antragsgegner hatte, unter anderem gestützt auf eine Markterkundung des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Februar 2021, die Beigeladene und ein weiteres Unternehmen mit Schreiben vom 25. März 2021 zur Angebotsabgabe aufgefordert. Dem Aufforderungsschreiben waren die Vergabeunterlagen samt Leistungsbeschreibung und Vertragsbedingungen beigefügt. In der Leistungsbeschreibung wurde ausgeführt:
"Folgende Mindestanforderungen an die Leistung sind vom Auftragnehmer einzuhalten (Ausschlusskriterien):
(...)
Die automatisierte und vollständige Weitergabe der gefilterten Daten über die SORMASSchnittstelle zu den Gesundheitsämtern muss implementiert sein ... Die Gesundheitsämter müssen die Daten direkt elektronisch anfragen und nach Freigabe durch die Einrichtungen sicher (mindestens transportverschlüsselt) abrufen können."
Das System der Beigeladenen beinhaltet die geforderte SORMAS-Schnittstelle, in der Software der Antragstellerin war sie hingegen im Frühjahr 2021 nicht installiert.
Der Antragsgegner veröffentlichte am 12. April 2021 die Auftragsvergabe an die Beigeladene im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union. Mit Schriftsatz der Antragstellerin vom 15. April 2021 beantragte diese ein Nachprüfungsverfahren.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, der Antragsgegner habe zu Unrecht eine besondere Dringlichkeit im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV angenommen. Zum einen sei die Software SORMAS ohnehin nur bei 290 von 400 Gesundheitsämtern bundesweit installiert gewesen und nur 90 Gesundheitsämter hätten aktiv produktiv mit ihr gearbeitet. Zum anderen sei absehbar gewesen, dass wegen des Auftretens neuer Virusmutationen ohnehin neuerliche Kontaktreduzierungen nötig würden. Selbst wenn eine besondere Dringlichkeit vorgelegen hätte, sei der Antragsgegner seiner Pflicht zur Einholung mehrerer Angebote nicht nachgekommen. Ferner habe die Beigeladene wohl über Insider-Wissen verfügt, da zum Zeitpunkt der Markterkundung in ihrer Software schon die SORMAS-Schnittstelle implementiert gewesen sei, ohne dass diese Anforderung bzw. der Beschluss der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten vom 3. März 2021 über die Beschaffung eines Systems für die Digitalisierung der Kontaktnachverfolgung bekannt gewesen sei. Zudem lasse sich die SORMAS-Schnittstelle binnen weniger Stunden entwickeln.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Beschaffung der sogenannten Luca-App durch den Antragsgegner zur Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsämter nichtig ist (§ 135 Abs. 2 Satz 1 GWB) und
2. den Antragsgegner zu verpflichten, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren zurückzuversetzen und bei erneuter Durchführung mindestens drei Bewerber zur Angebotsabgabe aufzufordern, wobei die Auswahl unter den Bewerbern diskriminierungsfrei erfolgen muss.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens als unzulässig zu verwerfen und darüber hinaus als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Nach Ansicht des Antragsgegners fehlt es bereits an der Antragsbefugnis der Antragstellerin. Die Software verfüge über keine SORMAS-Schnittstelle, sodass ein Zuschlag an die Antragstellerin ohnehin nicht in Betracht gekommen wäre. Der Antragsgegner habe diese Schnittstelle zulässigerweise als Mindestkriterium gefordert. Maßgeblich sei allein die damalige Situation in Bayern. Am 26. Februar 2021 sei in allen 76 bayerischen Gesundheitsämtern SORMAS implementiert gewesen. Eine Pflicht des Antragsgegners, der Antragstellerin die Programmierung der Schnittstelle noch zu ermöglichen, habe nicht bestanden. Die Dringlichkeit folge daraus, dass sich Ende Februar 2021 abgezeichnet habe, dass einerseits die Inzidenzwerte aufgrund neuer Virusvarianten anstiegen und andererseits der Bund, anders als auf der Ministerpräsidentenkonferenz vom 16. November 2020 versprochen, kein einheitliches System zur Kontaktnachverfolgung bereitstellen würde. Zudem hätte jede Verlängerung des Lockdowns einen schwerwiegenden Eingriff in die verfassungsmäßig geschützten Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger bedeutet.
Die Beigeladene hält den Nachprüfungsantrag für unbegründet. Gegenstand der Beschaffung sei nicht die Entwicklung, sondern die Lieferung einer fertigen Software samt Schnittstelle gewesen. Die Beigeladene habe über kein Insiderwissen verfügt, sondern die Schnittstelle aufgrund der Berichterstattung in den Medien und der öffentlichen Diskussion über eine Kontaktnachverfolgung mit SORMAS vorsorglich programmiert.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 14. September 2021, der Antragstellerin zugestellt am 17. September 2021 zurückgewiesen. Der Antrag sei zulässig, aber offensichtlich unbegründet. Die Leistungsbestimmung des Antragsgegners, dass die zu liefernde Software über eine bestehende SORMAS-Schnittstelle verfügen müsse, sei vergaberechtskonform. Eine Verletzung der Antragstellerin in bieterschützenden Rechten scheide schon deshalb aus, da ihre Software zum Zeitpunkt der Beschaffungsentscheidung nicht über eine derartige Schnittstelle verfügt habe. Aufgrund der Eilbedürftigkeit der Beschaffung habe sich der Antragsgegner nicht auf die Risiken der Entwicklung einer neuen Softwarefunktion einlassen müssen.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 1. Oktober 2021, eingegangen beim Bayerischen Obersten Landesgericht am selben Tag. Die Vorgabe einer SORMAS-Schnittstelle sei unzulässig gewesen. Der Antragsgegner habe mit seiner Anforderung den Wettbewerb künstlich eingeschränkt. SORMAS sei Ende Mai 2021 nur in 93 Gesundheitsämtern bundesweit produktiv eingesetzt worden. Die Installation der SORMAS-Schnittstelle sei nicht fehlerträchtig. Dringliche Gründe für eine Vergabe nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV hätten nicht vorlegen. Außerdem fehle es an einer ausreichenden Markterkundung durch den Antragsgegner.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 14. September 2021 abzuändern und
1. festzustellen, dass die von dem Antragsgegner vorgenommene Beschaffung der sogenannten Luca-App zum Zweck der Kontaktnachverfolgung durch die
Gesundheitsämter nichtig ist (§ 135 Abs. 2 Satz 1 GWB) und
2. den Antragsgegner zu verpflichten, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren zurückzuversetzen und bei erneuter Durchführung mindestens drei Bewerber zur Angebotsabgabe aufzufordern, wobei die Auswahl unter den Bewerbern diskriminierungsfrei erfolgen muss.
Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner und die Beigeladene verteidigen den Beschluss der Vergabekammer. Die Vorgabe einer SORMAS-Schnittstelle sei zulässig, da zumindest einzelne bayerische Gesundheitsämter die Technik im Leistungszeitraum genutzt hätten. Entgegen der Behauptung der Antragstellerin sei die Schnittstelle nicht leicht und ohne Fehleranfälligkeit herstellbar gewesen. Dieses Risiko habe der Antragsgegner bei der vorliegenden zeitkritischen Beschaffung nicht eingehen müssen. Die Markterkundung des Antragsgegners unter Heranziehung der Erkenntnisse aus Mecklenburg-Vorpommern sei nicht zu beanstanden. Die Software der Antragstellerin habe mangels SORMAS-Schnittstelle nie eine Chance auf den Zuschlag gehabt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 16. Dezember 2021 darauf hingewiesen, dass die sofortige Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte und die Rücknahme des Rechtsmittels empfohlen. Die Antragstellerin hat sich hierzu nicht geäußert. Auf Anregung des Senats haben die Verfahrensbeteiligten einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II.
Das Beschwerdeverfahren ist nicht durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Antragstellerin unterbrochen. Auf den Beschluss des Senats vom 16. Dezember 2021, Ziffer 3, wird Bezug genommen.
Der Senat kann gemäß § 175 Abs. 2, § 65 Abs. 1 Halbsatz 2 GWB ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sämtliche Beteiligten auf diese verzichtet haben (vgl. Vavra/Willner in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Band 1, 4. Aufl. 2022, GWB § 175 Rn. 9).
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 171 Abs. 1 GWB statthaft sowie nach § 172 Abs. 1 und 2 GWB form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sie verbleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
Die ordnungsgemäße Vertretung des Antragsgegners ist dargetan. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h), § 2 Abs. 2 Nr. 5 VertrV ist grundsätzlich das Landesamt für Finanzen - Dienststelle München - für das vorliegende Verfahren Vertretungsbehörde. Das Staatsministerium der Finanzen und für Heimat hat allerdings gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d) VertrV die Prozessvertretung mit Zustimmung des Staatsministeriums für Digitales auf dieses übertragen.
b) Die nach § 135 Abs. 2 Satz 1 GWB maßgebliche 30-tägige Frist für die Geltendmachung der Unwirksamkeit seit Information über den Vertragsschluss ist eingehalten.
c) Die Antragstellerin ist antragsbefugt nach § 160 Abs. 2 GWB.
aa) Die Antragstellerin hat ursprünglich ein ausreichendes Interesse an dem Auftrag und eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB dargelegt, § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB. Mit Schreiben vom 5. März 2021, gerichtet unter anderem an den bayerischen Ministerpräsidenten und die bayerische Staatskanzlei, erklärte die Antragstellerin, sie verfüge über ein System zur Kontaktnachverfolgung, das mit SORMAS kompatibel sei. Zudem beanstandet die Antragstellerin, sie sei zu Unrecht nicht zur Angebotsabgabe aufgefordert worden. Dies genügt grundsätzlich als hinreichende Darlegung eines konkreten Interesses an dem Auftrag (vgl. zu dieser Anforderung Dreher/Hoffmann in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Band 1, GWB § 135 Rn. 49).
Allerdings muss die Antragsbefugnis während des gesamten Vergabenachprüfungsverfahrens fortbestehen. Sie entfällt, wenn der Antragsteller das Interesse an dem Auftrag verliert (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8. Juli 2020 - Verg 17/16, NZBau 2020, 806 Rn. 31; OLG Koblenz, Beschl. v. 23. Mai 2018, Verg 2/18, NZBau 2018, 639 Rn. 2). Daher wird im Fall einer Insolvenz des Antragstellers regelmäßig eine Erklärung zu fordern sein, dass die Insolvenzschuldnerin ihr operatives Geschäft trotz Zahlungsunfähigkeit beziehungsweise Überschuldung fortführen wird und sich daher an der angestrebten Ausschreibung nach wie vor beteiligen möchte (so OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8. Juli 2020 - Verg 17/16, NZBau 2020, 806 Rn. 31 f.; Vavra/Willner in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Band 1, GWB § 178 Rn. 21; Jaeger in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, GWB § 160 Rn. 21). Eine derartige Erklärung fehlt vorliegend, ohne dass es aber im konkreten Fall noch einer weiteren Aufklärung durch einen Hinweis an die Antragstellerin bedürfte. Vielmehr kann zu ihren Gunsten unterstellt werden, dass ihr Interesse an dem Auftrag fortbesteht.
Die Antragstellerin rügt, der Antragsgegner habe zu Unrecht den Auftrag im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb und ohne ausreichende Markterkundung vergeben sowie durch die Vorgaben einer SORMAS-Schnittstelle den Wettbewerb unzulässig zugunsten der Beigeladenen und zulasten der Antragstellerin eingeschränkt. Die damit als verletzt gerügten Normen § 97 Abs. 1 und 2 GWB, § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV sind bieterschützende Vorschriften im Sinne des § 97 Abs. 6 GWB (zu § 97 Abs. 1 und 2 GWB: Dörr in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Band 1, GWB § 97 Rn. 24; zu § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV: BayObLG, Beschl. v. 20. Januar 2022, Verg 7/21; OLG Rostock, Beschl. v. 11. November 2021, 17 Verg 4/21 - LUCA-App II; Dieckmann in Dieckmann/Scharf/Wagner-Cardenal, VgV, UVgO, 3. Aufl. 2022, VgV § 14 Rn. 92).
bb) Die Antragstellerin hat ferner einen durch die geltend gemachte Verletzung der Vergabevorschriften ihr entstandenen bzw. drohenden Schaden dargelegt, § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB. Hierzu genügt, dass die Antragstellerin bei einem behaupteten Verstoß im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB in vergaberechtswidriger Weise nicht am Verfahren beteiligt wurde. Dies stellt eine Verschlechterung der Zuschlagsaussichten und damit einen potentiellen Schaden dar (BVerfG, Beschl. v. 29. Juli 2004, 2 BvR 2248/03, VergabeR 2004, 597 [noch zum alten Recht]; BayObLG, Beschl. v. 20. Januar 2022, Verg 7/21). Für die Antragsbefugnis und die Möglichkeit eines Schadenseintritts ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin den Zuschlag ohne den behaupteten Verstoß gegen Vergabevorschriften tatsächlich erhalten hätte. Ausreichend ist vielmehr, dass die Zuschlagserteilung an diesen Bieter jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann (BVerfG, Beschl. v. 29. Juli 2004, 2 BvR 2248/03, VergabeR 2004, 597 noch zum alten Recht]; BGH, Beschl v. 10. November 2009, X ZB 8/09, VergabeR 2010, 21; OLG Rostock, Beschl. v. 1. September 2021, 17 Verg 2/21 - LUCA-App I; Horn/Hofmann in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Band 1, GWB § 160 Rn. 39).
Vorliegend wäre eine Zuschlagserteilung an die Antragstellerin nicht von vornherein ausgeschlossen gewesen, wenn der Antragsgegner sie am Verhandlungsverfahren beteiligt bzw. einen Teilnahmewettbewerb durchgeführt hätte und die Existenz einer SORMAS-Schnittstelle kein Ausschlusskriterium gewesen wäre. Letzteres bemängelt die Antragstellerin als unzulässige Einschränkung des Wettbewerbs. Ein Schaden der Antragstellerin durch die von ihr als vergaberechtswidrig beanstandeten zwingenden Vorgaben des Antragsgegners und die Art der Durchführung des Vergabeverfahrens erscheint daher zumindest möglich.
cc) Zugunsten der Antragstellerin geht der Senat davon aus, dass sich das Nachprüfungsverfahren nicht infolge des Zeitablaufs erledigt hat und die Antragsbefugnis daher auch nicht aus diesem Grund entfallen ist (vgl. KG, Beschl. v. 25. April 2022, Verg 1/22, zum Wegfall der Antragsbefugnis bezüglich eines Antrags nach § 135 Abs. 2 GWB). Anhaltspunkte hierfür finden sich im Vortrag der Beteiligten nicht.
d) Die Rügen der Antragstellerin sind nicht präkludiert. § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB findet im Rahmen eines Antrags nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWG keine Anwendung, § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB (vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 20. Januar 2022, Verg 7/21; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4. Dezember 2020, 15 Verg 8/20).
2. Der Nachprüfungsantrag verbleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der Antragsgegner konnte zulässigerweise eine bereits implementierte SORMAS-Schnittstelle als Mindestkriterium fordern. Da das System der Antragstellerin diese nicht aufwies, wäre eine Zuschlagserteilung an die Antragstellerin nicht in Betracht gekommen. Auf die weiteren von der Antragstellerin gerügten Verstöße gegen Vergabevorschriften, insbesondere die fehlende Dringlichkeit im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV, kommt es daher nicht an.
a) Der Antragsgegner verlangte ausweislich der Leistungsbeschreibung (Bl. 873 d. A. VK) als einzuhaltende "Mindestanforderung", dass eine automatisierte und vollständige Weitergabe der gefilterten Daten über die SORMAS-Schnittstelle zu den Gesundheitsämtern "implementiert" sein müsse. Es handele sich um ein "Ausschlusskriterium". Diese Leistungsbeschreibung wurde der Beigeladenen und einem weiteren Unternehmen, das der Antragsgegner zur Angebotsabgabe aufforderte, übersandt. Dieselbe Vorgabe findet sich im Vergabevermerk (Bl. 856 d. A. VK). Das System der Antragstellerin erfüllte weder vor dem noch im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung dieses Kriterium. Hiervon geht die Vergabekammer in ihrem Beschluss vom 14. September 2021 aus, ohne dass sich die Antragstellerin dagegen in der Beschwerde verwahrt hätte.
b) Die Entscheidung des Antragsgegners, eine bereits implementierte SORMAS-Schnittstelle als Mindestanforderung bzw. Ausschlusskriterium vorzusehen, war nicht vergaberechtsrechtswidrig.
aa) Dem Auftraggeber steht das Bestimmungsrecht zu, ob und welchen Gegenstand er beschaffen will, sowie über die technischen und ästhetischen Anforderungen. Indessen unterliegt die Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers und damit auch die Frage, welche Anforderungen an die zu beschaffenden Leistungen gestellt werden dürfen, allgemeinen vergaberechtlichen Grenzen. Die konkrete Bestimmung des Auftragsgegenstands durch den öffentlichen Auftraggeber muss sachlich gerechtfertigt sein und es bedarf nachvollziehbarer, objektiver und auftragsbezogener Gründe hierfür. Die Festlegung hat willkür- und diskriminierungsfrei zu erfolgen und die Vorgaben des § 31 Abs. 6 VgV zu beachten (BayObLG, Beschl. v. 25. März 2021, Verg 4/21; OLG Rostock, Beschl. v. 1. September 2021, 17 Verg 2/21 - LUCA-App I; OLG München, Beschl. v. 26. März 2020, Verg 22/19; Beschl. v. 9. März 2018, Verg 10/17, NVwZ 2018, 995 Rn. 37; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7. Juni 2017 - Verg 53/16; OLG Koblenz, Beschl. v. 5. September 2002, 1 Verg 2/02). Ob die Vorgaben erforderlich oder zweckmäßig sind, ist demgegenüber ohne Belang (OLG Rostock, Beschl. v. 1. September 2021, 17 Verg 2/21 - LUCA-App I).
bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze verstieß es nicht gegen Vergaberecht, dass der Antragsgegner eine Software mit einer SORMAS-Schnittstelle forderte. Der Antragsgegner trägt vor, Ende Februar 2021 seien die Infektionszahlen, nachdem sie zuvor gesunken waren, aufgrund neuer, besonders ansteckender Virusvarianten wieder angestiegen. Gleichzeitig sei ein erheblicher Druck der Öffentlichkeit entstanden, die schwerwiegenden Grundrechtseingriffe infolge des Lockdowns aufzuheben oder zumindest zu verringern. Vor diesem Hintergrund sei beschlossen worden, ein System zu beschaffen, das Händler, Gastronomie, Behörden, Kulturtreibende und alle weiteren Einrichtungen mit Publikumsverkehr bei der Erfassung von Kontaktdaten und der Weiterleitung dieser Daten an die Gesundheitsämter unterstützte, um die ressourcen- und zeitaufwändige Datenerhebung in Form von Papierlisten durch ein einfach zu nutzendes digitales Verfahren abzulösen. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf der Erleichterung der Arbeit für die Gesundheitsämter und der schnellen Benachrichtigung der Kontaktpersonen liegen (s. auch Vergabevermerk S. 1, Bl. 852 d. A. VK). Diese Erwägungen sind ausgehend von der damaligen Situation nachvollziehbar und plausibel. Dass eine automatisierte Weitergabe der Daten ermöglicht werden sollte, die eine schnellere und effektivere Kontaktnachverfolgung erlaubt als eine manuelle unter Verwendung von Papierlisten, erscheint sachlich gerechtfertigt. Ob bereits damals ein weiterer Lockdown und verschärfte Maßnahmen zur Kontaktvermeidung vorzugswürdig oder gar unvermeidbar erschienen, betrifft die Zweckmäßigkeit oder gegebenenfalls die Dringlichkeit, nicht aber die rechtliche Zulässigkeit der Beschaffung an sich (so auch im Parallelverfahren OLG Rostock, Beschl. v. 1. September 2021, 17 Verg 2/21 - LUCA-App I).
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin war die Vorgabe einer SORMAS-Schnittstelle nicht deshalb unzulässig, weil SORMAS bundesweit nur bei 290 von 400 Gesundheitsämtern installiert und lediglich bei rund 90 Gesundheitsämtern aktiv genutzt worden sei. Zum einen kommt es für die Beschaffung durch den Freistaat Bayern als öffentlichen Auftraggeber primär auf die Situation in Bayern an. Unstreitig war im Vergabezeitpunkt SORMAS in allen 76 bayerischen Gesundheitsämtern implementiert, von denen zumindest einige die Software bereits aktiv nutzten. Zum anderen war auch bei den Gesundheitsämtern, die SORMAS schon installiert hatten, sich aber noch im Testbetrieb befanden, eine Verwendung zur automatisierten Kontaktnachverfolgung jedenfalls in Zukunft möglich und naheliegend. Die Forderung nach einer SORMASSchnittstelle auch schon vor deren flächendeckenden Einsatz in den Gesundheitsämtern erscheint mithin objektiv nachvollziehbar und nicht willkürlich (so auch OLG Rostock, Beschl. v. 1. September 2021, 17 Verg 2/21 - LUCA-App I).
cc) Der Antragsgegner war nicht verpflichtet, generell den Bietern oder gerade der Antragstellerin die Möglichkeit einzuräumen, die SORMAS-Schnittstelle nach Angebotsabgabe oder Zuschlagserteilung noch zu programmieren.
Das Gleichbehandlungsgebot und das Diskriminierungsverbot, § 97 Abs. 2 GWB, stellen Anforderungen an das Verhalten des Auftraggebers bei der Vorbereitung und Durchführung der Ausschreibung. Davon unberührt bleiben jedoch Umstände, die nicht auf die Ausschreibung zurückzuführen sind, sondern etwa aus der regelmäßig unterschiedlichen Marktstellung der teilnehmenden Unternehmen resultieren. Dies betrifft etwa den Umstand, dass ein Unternehmen wegen seiner bisherigen Geschäftstätigkeit gegebenenfalls größere Chancen für die Abgabe eines wirtschaftlicheren Angebots hat. Der öffentliche Auftraggeber ist nicht berechtigt und erst recht nicht verpflichtet, unabhängig von der konkreten Ausschreibung bestehende Wettbewerbsvorteile auszugleichen. Der Auftraggeber kann, wenn es dafür vernünftige wirtschaftliche Gründe gibt, den Leistungsinhalt so bestimmen, dass einzelne Bieter Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen haben, solange dies nicht durch die Absicht der Bevorzugung eines bestimmten Unternehmens motiviert ist (OLG Schleswig, Beschl. v. 13. Juni 2019, 54 Verg 2/19 - Triebzüge; OLG Naumburg, Beschl. v. 5. Dezember 2008, 1 Verg 9/08; OLG Koblenz, Beschl. v. 5. September 2002, 1 Verg 2/02).
Die Mindestvoraussetzung einer bereits installierten SORMAS-Schnittstelle war vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Die Programmierung einer derartigen Schnittstelle wäre auch anderen Unternehmen als der Beigeladenen möglich gewesen. Unstreitig handelte es sich bei SORMAS um eine Open-Source Software. Ob es für die Realisierung einer solchen Schnittstelle zudem noch der Mitwirkung des Anbieters von SORMAS bedurfte, wie die Antragstellerin vorträgt, ist ohne Belang. Dass durch die Vorgabe faktisch die Beigeladene, in deren Programm die Schnittstelle schon installiert war, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Antragstellerin erhielt, die noch keine SORMAS-Schnittstelle implementiert hatte, ändert nichts. Dieser Wettbewerbsvorteil der Beigeladenen bestand bereits vor und unabhängig von der konkreten Vergabe durch den Antragsgegner. Zu einem Ausgleich dieses Wettbewerbsvorteils war der Antragsgegner nicht verpflichtet.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Mindestkriterium gerade eine Bevorzugung der Beigeladenen oder eine Diskriminierung der Antragstellerin bezweckte. Selbst wenn die Programmierung der Schnittstelle, wie die Antragstellerin behauptet, in kurzer Zeit und in der Regel ohne Probleme erfolgen kann, musste sich der Antragsgegner nicht darauf einlassen. Angesichts der Situation Mitte / Ende Februar 2021, der aufgetretenen neuen Virus-Mutationen und der steigenden Infektionszahlen durfte der Antragsgegner den sichersten Weg wählen und eine bereits vorhandene und funktionierende SORMAS-Schnittstelle fordern. Zudem war für den Antragsgegner im Vorfeld der Vergabe nicht hinreichend sicher abschätzbar, wieviel Zeitaufwand die Programmierung erfordern und welche Risiken sie bergen würde. Nur ergänzend wird insoweit auf die erheblich divergierenden Angaben zum nötigen Zeitaufwand von Antragstellerin - zwei Stunden - und Beigeladener - mehrere Wochen - verwiesen (so im Ergebnis auch OLG Rostock, Beschl. v. 1. September 2021, 17 Verg 2/21 - LUCA-App I). Zudem birgt eine erst neu einzurichtende Softwarefunktion wie die SORMAS-Schnittstelle gegenüber einer schon implementierten Funktionalität jedenfalls ein (etwas) höheres Risiko und eine (zumindest leicht) gesteigerte Fehleranfälligkeit.
dd) Die Vorgabe einer bereits implementierten SORMAS-Schnittstelle durch den Antragsgegner verstieß nicht gegen § 31 Abs. 6 VgV.
Die Mindestvoraussetzung, dass die angebotene Software über eine Schnittstelle zu der bei den Gesundheitsämtern installierten Software SORMAS verfügen müsse, ist keine offen produktspezifische Vorgabe im Sinne der Festlegung auf ein bestimmtes (Vor-) Produkt, sondern lediglich die Beschreibung einer nötigen Funktion bzw. Eigenschaft des angebotenen Systems.
Allerdings wird gegen die Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung nicht nur dann verstoßen, wenn ein bestimmtes Fabrikat offen in der Leistungsbeschreibung genannt wird, sondern auch, wenn durch die Vielzahl der Vorgaben verdeckt ein bestimmtes Produkt vorgegeben wird und nur mit diesem die Anforderungen der Leistungsbeschreibung erfüllt werden können (OLG München, Beschl. v. 26. März 2020, Verg 22/19; Trutzel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, VgV § 31 Rn. 50).
Eine verdeckte produktspezifische Vorgabe wäre möglicherweise anzunehmen, wenn tatsächlich nur die Software der Beigeladenen die geforderte Funktionalität hätte erfüllen können. Dies ist aber nicht der Fall. Zum einen ist SORMAS unstreitig eine Open-Source-Software, deren Schnittstelle bereits 2015 allgemein zugänglich gemacht wurde, sodass im Grundsatz jedem Anbieter eine entsprechende Programmierung möglich war. Zum anderen forderte der Antragsgegner nicht nur die Beigeladene, sondern ein weiteres Unternehmen zur Angebotsabgabe auf. Somit war im Beschaffungszeitpunkt offensichtlich das Produkt der Beigeladenen gerade nicht das einzige System am Markt, das über eine schon vorhandene Schnittstelle zu SORMAS verfügte.
ee) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene über Insiderwissen verfügt und daher bereits die Vorgabe einer SORMAS-Schnittstelle gegen § 97 Abs. 1 und 2 GWB verstoßen hätte.
Unabhängig davon, ob ein etwaiges Insiderwissen der Beigeladenen überhaupt zur Unzulässigkeit der Mindestanforderung führen und nicht nur einen Ausschluss der Beigeladenen bedingen könnte, fehlt es bereits an Anhaltspunkten hierfür. Auch nach dem Vortrag der Antragstellerin waren im Februar 2021 bundesweit bereits 290 Gesundheitsämter mit SORMAS ausgestattet, davon nutzten ca. 90 diese Software aktiv.
Unstreitig waren eine Kontaktnachverfolgung mittels SORMAS und der Einsatz dieser Software in den Gesundheitsämtern bereits seit Sommer 2020 in der öffentlichen Diskussion. Somit erschien es auch aus damaliger Sicht nicht fernliegend, dass im Rahmen des weiteren Pandemieverlaufs Bedarf an einer automatisierten Kontaktnachverfolgung über eine Schnittstelle zu SORMAS entstehen könnte. Dass die Beigeladene anders als die Antragstellerin dies erkannte und vorsorglich die Schnittstelle programmierte, lässt nicht den Schluss zu, die Beigeladene habe über Insiderwissen verfügt (so im Ergebnis auch OLG Rostock, Beschl. v. 1. September 2021, 17 Verg 2/21 - LUCA-App I).
d) Auf die weiteren von der Antragstellerin behaupteten Verstöße gegen vergaberechtliche Bestimmungen kommt es nicht. Dahingestellt bleiben kann insbesondere, ob eine Dringlichkeit gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV vorlag, die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b) VgV erfüllt waren und ob der Antragsgegner eine ausreichende Markterkundung durchgeführt hatte sowie mehr als zwei Unternehmen zur Angebotsabgabe hätte auffordern müssen.
Wurde ein Bieter in seinem Recht auf Einhaltung der Vergabevorschriften verletzt, ist sein Nachprüfungsantrag dennoch nicht begründet, wenn ihm tatsächlich weder ein Schaden entstanden noch ein solcher wahrscheinlich ist. Droht wegen einer Rechtsverletzung kein Schaden, mithin keine Beeinträchtigung der Aussichten auf Erhalt des Auftrags, sind die Vergabenachprüfungsinstanzen nicht berechtigt, in das Vergabeverfahren einzugreifen. Dies folgt nicht zuletzt aus dem Wortlaut des § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB, wonach geeignete Maßnahmen zu treffen sind, um eine Rechtsverletzung des Antragstellers zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Die Vergabekammer und der Vergabesenat sind keine allgemeinen Kontrollinstanzen, die abstrakt für die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der objektiven Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens sorgen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20. Dezember 2019 - Verg 18/19 - Trockenausbau; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 11. Juni 2013, 11 Verg 3/13; OLG Naumburg, Beschl. v. 12. April 2012, 2 Verg 1/12 - Landesdatennetz; OLG München, Beschl. v. 12. Mai 2011, Verg 26/10; Dreher/Hoffmann in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Band 1, GWB § 135 Rn. 45; Prell in BeckOK Vergaberecht, 24. Edition Stand: 31. Januar 2022, GWB § 168 Rn. 27; Fett in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, GWB § 168 Rn. 12; kritisch Antweiler in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Band 1, GWB § 168 Rn. 28).
Die Software der Antragstellerin verfügte über keine SORMAS-Schnittstelle und wäre daher mangels Erfüllung des - zulässigen - Mindestkriteriums für einen Zuschlag auf keinen Fall in Betracht gekommen. Die Antragstellerin hatte mithin keinerlei Aussicht, den Auftrag zu erhalten. Die behaupteten weiteren Verstöße gegen Bestimmungen über das Vergabeverfahren konnten folglich eine solche Aussicht nicht beeinträchtigen. Der Nachprüfungsantrag ist daher unabhängig davon unbegründet, ob weitere Rechtsverletzungen tatsächlich vorlagen (so im Parallelverfahren auch OLG Rostock, Beschl. v. 1. September 2021, 17 Verg 2/21 - LUCA-App I). Anhaltspunkte dafür, dass auch die Angebote der Beigeladenen und des weiteren zur Angebotsabgabe aufgeforderten Bewerbers hätten ausgeschlossen werden müssen, der Antragsgegner sodann das Mindestkriterium einer SORMAS-Schnittstelle aufgehoben und die Antragstellerin infolgedessen eine Chance auf den Auftrag erhalten hätte (vgl. OLG Rostock, Beschl. v. 1. September 2021, 17 Verg 2/21 - LUCA-App I; OLG München, Beschl. v. 5. November 2009, Verg 15/09), sind nicht erkennbar.
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 175 Abs. 2, § 71 Sätze 1 und 2 Alt. 1 GWB. Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin die gesamten Kosten aufzuerlegen, da sie mit ihrer Beschwerde unterlegen ist. Dies gilt auch für die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die sich aktiv am Verfahren beteiligt hat. Bei der Kostenentscheidung der Vergabekammer hat es sein Bewenden.
Den Streitwert hat der Senat gemäß § 50 Abs. 2 GKG auf 5 % der im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union unter Nr. 2021/S 070-179017 veröffentlichen Auftragssumme von 4.644.000,00 Euro netto, mithin 5.526.360,00 Euro brutto, festgesetzt.
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VK Bund
Beschluss
vom 03.06.2022
VK 1-45/22
1. Im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüft der öffentliche Auftraggeber die Eignung der am Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Dadurch wird mit der positiven Eignungsprüfung - anders als im offenen Verfahren - grundsätzlich ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet.
2. Voraussetzung für einen solchen Vertrauenstatbestand ist jedoch, dass der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Bieter abschließend bejaht hat, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Hieran fehlt es, wenn der Bieter bis zum Abschluss des Teilnahmewettbewerbs nicht alle zur abschließenden Prüfung seiner Eignung erforderlichen Unterlagen eingereicht hat.
3. Ein Bewerber oder Bieter, der selbst nicht über die erforderliche Eignung verfügt, kann sich zwar im Rahmen der sog. Eignungsleihe auf die Eignung eines anderen Unternehmens - ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesem Unternehmen bestehenden Verbindungen - berufen.
4. Es besteht für Bewerber oder Bieter eine Nachweispflicht dafür, dass ihnen die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, wenn sie sich für einen bestimmten Auftrag auf die Leistungsfähigkeit anderer Unternehmen berufen. Zu den "anderen" Unternehmen im Sinne der Eignungsleihe zählen auch Unternehmen innerhalb eines Konzernverbunds, auf deren Eignung sich der Bewerber oder Bieter stützen will.
5. Die bloße Konzernverbundenheit selbst genügt noch nicht für den Nachweis, dass der Bewerber tatsächlich auf die Kapazitäten oder Fähigkeiten eines verbundenen Unternehmens zurückgreifen kann. Auch in diesen Fällen muss vom Bewerber nachgewiesen werden, dass ihm die Kapazitäten des Unternehmens zur Verfügung stehen.
In dem Nachprüfungsverfahren
[...]
wegen der Vergabe "Bewachung des [...]" - Bearbeitungs-Nr.: [...], EU-Bekanntmachungs-Nr. [...],
hat die 1. Vergabekammer des Bundes durch den Vorsitzenden Direktor beim Bundeskartellamt Behrens, die hauptamtliche Beisitzerin Leitende Regierungsdirektorin Brauer und den ehrenamtlichen Beisitzer Freitag aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2022 am 3. Juni 2022
beschlossen:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene war notwendig.
Gründe:
I.
1. Die Antragsgegnerin führt ein Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb zur Vergabe "Bewachung des [...]", EU-Bekanntmachungs-Nr. [...], abgesandt am [...] Oktober 2021, durch. Ausgeschrieben ist die Bewachungsdienstleistung für einen Zeitraum von 8 Monaten ab 30.04. bis 31.12.2022. Der Vertrag kann bis zu vier Mal um jeweils ein halbes Jahr einseitig durch den Auftraggeber verlängert werden.
In der EU-Bekanntmachung waren in den Teilnahmebedingungen unter Ziffer III.2.1) Persönliche Lage des Wirtschaftsteilnehmers Ziffer 1) bis 10) verschiedene "Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen" aufgeführt:
"8) Formlose Eigenerklärung, dass § 28 Waffengesetz beachtet wird, [...] 10) Eigenerklärung über das eingesetzte Personal".
In Ziffer III.2.2) Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit hieß es:
"[...] 2) Exakt 3 Referenzen;
3) Formlose Eigenerklärung über die Höhe des Gesamtumsatzes/Umsatzes mit vergleichbaren Leistungen der letzten 3 Geschäftsjahre [...]".
Zur Technischen Leistungsfähigkeit, Ziffer III.2.3), waren keine Unterlagen vorzulegen. In den Vergabeunterlagen war eine Checkliste für den Teilnahmewettbewerb enthalten. Dort hieß es:
"(Das Fehlen von im Folgenden gelisteten Belegen in der geforderten Form führt zum Ausschluss am weiteren Verfahren):
Mit dem Teilnahmeantrag sind folgende Belege vorzulegen:
* Eigenerklärung, dass ausschließlich Personal eingesetzt wird,
* das körperlich, geistig und sprachlich zur Erfüllung der vertraglichen Bewachungsleistungen geeignet ist (das Personal kann sich in Wort und Schrift in deutscher Sprache verständigen),
* [...]
* das über eine fundierte Waffen- und Schießausbildung entsprechend den vertraglichen Vorgaben verfügt.
* Eigenerklärung, dass der Teilnehmer im Auftragsfall
* auf Verlangen des Auftraggebers die vorstehenden Einzelnachweise vor Leistungsbeginn bzw. vor dem ersten Einsatz des betreffenden Mitarbeiters vorlegen wird,
* als Aufsichtführende Wachperson nur solche Mitarbeiter einsetzen wird, die im Hinblick auf die dabei erforderlichen besonderen Aufgaben hinreichend ausgebildet und geschult sind,
* als Wachbegleithundeführer nur solche Mitarbeiter eingesetzt werden, die im Hinblick auf die erforderlichen besonderen Aufgaben hinreichend ausgebildet und geschult sind.
* [...]
* Exakt drei Referenzen (gemäß Anlage "Referenzbescheinigung") der wesentlichen in den letzten fünf Jahren erbrachten vergleichbaren Dienstleistungen unter Angabe folgender Mindestangaben:
* [...]
* Formlose Eigenerklärung über die Höhe des Gesamtumsatzes / Umsatzes mit vergleichbaren Leistungen der letzten 3 Jahre
* [...]"
In dem in den Vergabeunterlagen enthaltenen Bewachungsvertrag ist geregelt, dass der Auftraggeber zusätzlich zu den in der VOL/B geregelten Tatbeständen vom Vertrag zurücktreten oder den Vertrag mit sofortiger Wirkung kündigen kann, wenn er nicht in der vorgeschriebene Weise ausgebildetes und überprüftes Wachpersonal (§ 16 Abs. 2 Ziffer 3.2 der Vertrages) oder wiederholt nicht in der geforderten Weise ausgebildetes und überprüftes Personal einsetzt (§ 16 Abs. 2 Ziffer 3.3 der Vertrages) oder wiederholt ungeeignete oder nicht nach Anlage 5 ausgebildete und überprüfte Diensthunde einsetzt (§ 16 Abs. 2 Ziffer 3.8 der Vertrages).
Nachdem die Antragstellerin - die aktuelle Vorauftragnehmerin - den Teilnahmewettbewerb erfolgreich durchlaufen hat, gab sie nach Aufforderung zur Angebotsabgabe zum 10. Januar 2022 ein Angebot ab. Auch die Beigeladene gab einen Teilnahmeantrag ab. Die von ihr abgegebenen Referenzen lauteten nicht auf sie selbst, sondern auf ein Konzernunternehmen. Die vorgelegten Referenzen wurden in englischer Sprache aufgelistet und enthielten eidesstattliche Erklärungen zu den Referenzen, beigefügt waren zudem (viersprachige) "Referenzzertifikate". Die Antragsgegnerin ließ sich eine deutsche Übersetzung nachreichen. Sie forderte die Beigeladene zur Angebotsabgabe auf. Diese gab ein Angebot ab.
Mit Schreiben vom 16. März 2022 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden könne, da es nach der qualitativen Prüfung ausgeschlossen werden müsse. Der Zuschlag solle auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden.
Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 22. März 2022 rügte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin die Vergabeentscheidung als vergaberechtswidrig in Bezug auf den Ausschluss ihres Angebots und die Feststellung der Eignung der Beigeladenen.
Die Antragsgegnerin half der Rüge der Antragstellerin mit E-Mail vom 30. März 2022 teilweise ab und nahm den Ausschluss zurück. Die von der Antragstellerin beanstandete Eignung und Leistungsfähigkeit der Beigeladenen sah die Antragsgegnerin hingegen als gegeben an. Mit erneutem Schreiben gemäß § 134 GWB vom 7. April 2022 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin darüber, dass ihr Angebot im qualitativen Teil der Wertung unterlegen sei. Der Zuschlag solle an die Beigeladene erteilt werden. Die Antragstellerin rügte am 8. April 2022 weiteres Mal.
2. Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 11. April 2022 bei der Vergabekammer des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag am 12. April 2022 an die Antragsgegnerin übermittelt.
a) Nach Auffassung der Antragstellerin ist der Nachprüfungsantrag begründet, weil das Angebot der Beigeladenen auszuschließen sei. Diese sei nicht in der Lage eine ordnungsgemäße Auftragserfüllung sicherzustellen. Die Beigeladene sei allein im Bereich der Bewachung von Flughäfen tätig. Sie habe nicht die erforderlichen Referenzen vorgelegt. Unter Ziffer III.2.2) der EU-Bekanntmachung seien in Ziffer 2) "exakt drei Referenzen" gefordert worden, in Ziffer 3) eine formlose Eigenerklärung über die Höhe des gesamten Umsatzes/Umsatz mit vergleichbaren Leistungen der letzten drei Geschäftsjahre. Die vorzulegenden Referenzen müssten daher vergleichbare Dienstleistungen betreffen. Ferner stünden die Eignungskriterien nicht zur Disposition
des Auftraggebers. Referenzen für irgendeine Dienstleistung seien nicht ausreichend, um die Leistungsfähigkeit darzulegen. Bloße Minimaleignungskriterien, die von einer Vergleichbarkeit der Dienstleistungen absehen oder alle Bewachungsleistungen als gleichwertig ansehen würden, seien unzulässig.
Bei Referenzen von anderen Unternehmen müsse die Eignungsleihe überprüft werden. Die Eignungsleihe setze voraus, dass die Personen, von denen sich die Eignung ableite, tatsächlich bei der Ausführung eingesetzt würden. Eine Überprüfung sei offenbar nicht vorgenommen worden. Ein Bieter dürfe sich im Übrigen nicht nachträglich auf die Eignungsleihe berufen, wenn er Referenzen als eigene eingereicht habe. Dies stelle eine unzulässige Änderung des Angebots dar.
Es sei ferner fraglich, ob die Beigeladene als Unternehmen rechtzeitig eine Waffentrageerlaubnis für das Bewachungsobjekt nach § 28 WaffenG erhalte. Die Beigeladene sei dazu verpflichtet gewesen, im Wege einer eigenen Rüge auf die nicht einzuhaltenden Zeiten für die notwendigen Genehmigungen hinzuweisen und realistische Fristen zu fordern. Auch die erforderliche Ü2 sowie Sabo-Ü2 werde sie nicht nachweisen können. Anmeldung und Freigabe durch das Bewacherregister dauerten mehrere Wochen. Die Lieferzeit für die speziellen Schutzwesten und Schutzhelme betrage zwölf Wochen. Es sei nicht zu erwarten, dass sie diese vorhalte. Nicht plausibel sei auch, dass die Beigeladene die Anforderungen nach der "Prüfungsordnung für Diensthunde im Wachdienst [...]" an den Einsatz von Diensthunden zum Auftragsbeginn nachweisen könne. Nach ihrer Einschätzung spekuliere die Beigeladene allein darauf, Personal bei der Antragstellerin abzuwerben. Entsprechende Versuche habe es bereits gegeben. Da die Antragstellerin aber eine deutlich bessere Bezahlung anbiete, werde dies nicht erfolgreich sei. Die Antragstellerin könne ihre Mitarbeiter auch an anderen Standorten einsetze, so dass keine Mitarbeiter abgegeben würden. Ein Betriebsübergang scheide ohne die erforderliche waffenrechtliche Zulassung des Unternehmens nach § 28 Abs. 1 WaffenG schon aus Rechtsgründen aus.
Es obliege der Antragsgegnerin, aufzuklären, wie die Beigeladene den Auftrag auftragsgerecht erfüllen beziehungsweise die entsprechenden Mitarbeiter (mit Waffenkundenachweis / mit Diensthunden) beschaffen wolle. Die Antragsgegnerin gehe offenbar davon aus, dass sie sich - wie bei sonstigen Leistungen, die am Markt ohne weiteres beschafft werden könnten - auf die bloße Zusage des Bieters verlassen könne, dieser sei im Zeitpunkt der Auftragserteilung leistungsfähig. Da die Antragsgegnerin als öffentlicher Auftraggeber selbst die notwendigen Prüfungen abnehme, seien ihr die Ausbildungszeiten bekannt. Bei zivilem Wachpersonal müssten vor dem Einsatz die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten an der Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr erworben und durch eine Prüfung nachgewiesen werden. Auch der Diensthund müsse vor seinem Einsatz im Wachdienst grundsätzlich mit seinem Diensthundeführer dort ausgebildet werden. Vertragliche Regelungen zu Schadensersatzforderungen oder Vertragsstrafen seien kein Äquivalent für eine korrekte Eignungsprüfung.
Aufgrund der erheblichen Abweichung der Bewertung im qualitativen Teil ihres Angebots zu der Bewertung der Beigeladenen trägt die Antragstellerin hierzu nicht vertieft vor, weist aber auf einige Punkte hin, in der eine angebliche Unklarheit in ihrem Angebot hätte aufgeklärt werden müssen.
Die Antragstellerin beantragt über ihre Verfahrensbevollmächtigten
1. festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist,
2. die festgestellte Rechtsverletzung zu beseitigen, insbesondere
a) der Antragsgegnerin aufzugeben, das Angebot der Beigeladenen von der
Wertung auszuschließen,
b) den Zuschlag der Antragstellerin zu erteilen,
c) hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichtet, eine Neubewertung des Angebots der Antragstellerin hinsichtlich der Qualitätskriterien vorzunehmen,
d) hilfsweise das Verfahren in den Stand vor Bekanntmachung der Ausschreibung zurückzuversetzen und der Antragsgegnerin aufzugeben, im Fall weiterbestehender Vergabeabsicht Eignungskriterien aufzustellen, die die Anforderungen an eine vergleichbare Dienstleistung abbilden, insbesondere eine Erfahrung in der Bewachung mit Waffen und Diensthunden fordern.
3. Einsicht in die Vergabeakte der Antragsgegnerin zu gewähren,
4. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären.
b) Die Antragsgegnerin beantragt:
1. Den Antrag auf Nachprüfung als unbegründet zurückzuweisen,
2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Beigeladene sei geeignet, die Leistung zu erbringen. Die Anforderungen des Teilnahmewettbewerbs seien von ihr vollumfänglich erfüllt. Es seien drei Referenzen vorgelegt worden. Es handele sich um vergleichbare Dienstleistungen. Alle Angaben seien bestätigt. Die Antragsgegnerin habe (zunächst) keine mögliche Eignungsleihe geprüft. Alle Eigenerklärungen und Nachweise seien (teilweise auf Nachforderung) vorgelegt worden. Die Antragsgegnerin sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beigeladene grundsätzlich geeignet sei und somit als Auftragnehmer in Betracht komme. Die Bewertungskommission habe keine Anhaltspunkte dafür gehabt, dass die Ausführungen des Bieters im Konzept sowie zu den einzelnen Kriterien nicht auftragsgerecht oder unschlüssig seien. Es lägen auch keine Anhaltspunkte vor, dass die Eignung nicht mehr vorliege. Ob die vertraglich geschuldete Leistung auf der Grundlage des Angebots auch tatsächlich erbracht werde, lasse sich erst zum Vertragsbeginn bzw. mit Beginn der Bewachungsleistung prüfen und feststellen. Bis dahin müsse der Auftraggeber auf eine vertragsgemäße Leistungserfüllung vertrauen. Im Rahmen der Eignungsprüfung prüfe der Auftraggeber, ob ein Bieter geeignet sei das Leistungsversprechen überhaupt abzugeben. Es sei unzulässig zu verlangen, dass der Bieter das benötigte Personal zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe bereits arbeitsvertraglich gebunden habe. Alle Bieter würden gleichermaßen entsprechend der Ausführungen ihres Angebots bewertet und im Falle der Zuschlagserteilung mit Vertragsbeginn daran gemessen.
Im Hinblick auf das Angebot der Antragstellerin sei festzustellen, dass es in der Qualität mit 275 Punkten weit abgeschlagen hinter dem mit 700 Punkten und damit der Maximalpunktzahl in der Qualität bewerteten Angebot der Beigeladenen liege. Wegen des geringen Preisabstands müsste das Angebot der Antragstellerin selbst 700 Punkte erzielen. Dies sei aber ausgeschlossen.
c) Mit Beschluss vom 14. April 2022 wurde die Beigeladene zum Verfahren hinzugezogen. Sie hat Akteneinsicht beantragt.
Die von der Antragstellerin vorgetragenen Erwägungen seien nicht geeignet, die Eignung der Beigeladenen oder die Rechtmäßigkeit der Vergabe an sich in Frage zu stellen. Die eingereichten Referenzleistungen seien solche, bei denen bewaffnetes Wachpersonal eingesetzt worden sei. Die Beigeladene berufe sich auch nicht nachträglich auf die Eignungsleihe. Die Referenzen seien zu keinem Zeitpunkt im Verfahren als eigene Referenzen der Beigeladenen ausgegeben worden. Die Vorlage einer Verpflichtungserklärung weder in der Bekanntmachung, noch in der dem Teilnahmeantrag beigelegten Checkliste gefordert worden. § 16 Abs. 2 VSVgV fordere, dass den Vergabeunterlagen im Teilnahmewettbewerb eine Checkliste beigelegt werden müsse, die alle zu erbringenden Nachweise aufzähle. Da die Checkliste die Vorlage einer Verpflichtungserklärung nicht vorsehen, sei schon fraglich, ob überhaupt eine Pflicht zur unaufgeforderten Vorlage bestanden habe. Jedenfalls hätte bei ordnungsgemäßer Ermessensausübung die fehlende Erklärung eingeholt werden müssen. Die Antragsgegnerin habe in ihrem Nachforderungsschreiben ausdrücklich keine Verpflichtungserklärung verlangt. Es seien auch keine Nachweise zur technischen Leistungsfähigkeit durch den Auftraggeber verlangt worden.
Es sei nicht ersichtlich, unter welchen Gesichtspunkten sich eine weitergehende Pflicht der Antragsgegnerin zu einer weiteren Aufklärung ergeben könnte. Sie führt weiter aus, wie sie im Falle der Auftragserteilung organisatorisch und logistisch vorgehen werde. Die Durchführung des Auftrags, insbesondere der rechtzeitige Leistungsbeginn, sei gesichert. Substanzielle Aspekte, die der Eignung entgegenstehen, seien nicht vorgebracht worden. So könne die Beantragung einer Erlaubnis zum Erwerb, Besitz und Führen von Schusswaffen und Munition durch Bewachungsunternehmen und ihr Bewachungspersonal nach § 28 Abs. 1 bzw. Abs. 3 WaffenG nach allgemeiner Auffassung erst dann erfolgen, wenn es hinreichend wahrscheinlich sei, dass es zu einem Bewachungsauftrag mit Waffen kommen werde und sich dieser bereits hinreichend konkretisiert habe. Die Erteilung des Waffenscheins erfolge nur für konkrete Aufträge als Einzelerlaubnis. Dies werde auch von der hier zuständigen Behörde so gehandhabt. Danach sei die reine Ankündigung einer Zuschlagserteilung nicht ausreichend, um eine entsprechende Genehmigung zu erteilen.
Im Hinblick auf den Vortrag, die anfänglich aufgestellten Eignungsanforderungen seien unangemessen niedrig, sei die Antragstellerin gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB präkludiert. Dieser Aspekt sei aus den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen. Im Übrigen habe die Antragsgegnerin im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums hier Anforderungen an die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit aufgestellt. Auch wenn die Anforderungen an die Eignung nicht hoch seien, seien sie dennoch aufgestellt.
Eine Reduzierung der Anforderungen habe nicht stattgefunden.
Die Vergabekammer hat der Antragstellerin und der Beigeladenen nach vorheriger Zustimmung der Antragsgegnerin Akteneinsicht in die Vergabeakte gewährt, soweit diese keine Geschäftsgeheimnisse enthielt.
Mit Schreiben vom 3. Mai 2022 hat die Vergabekammer Aufklärungsschreiben an die Antragsgegnerin und die Beigeladene versandt, mit denen sie um Stellungnahme zu der Frage bat, ob und wie im Rahmen der Eignungsprüfung eine mögliche Eignungsleihe berücksichtigt wurde. Die Antragsgegnerin teilte mit, dass sie im Rahmen der Eignungsprüfung keine Eignungsleihe geprüft habe. Die Beigeladene legte der Vergabekammer am 6. Mai 2022 eine Verpflichtungserklärung des Eignungsverleihers vom 12. Oktober 2021 vor. Diese hat die Vergabekammer an die Antragsgegnerin weitergeleitet.
In der mündlichen Verhandlung am 10. Mai 2022 hatten die Beteiligten Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen und mit der Vergabekammer umfassend zu erörtern. Die Antragsgegnerin teilte mit, dass der Vertragsbeginn mittlerweile auf 1. Juli 2022 verschoben worden sei.
Mit Datum vom 12. Mai 2022 hat die Antragsgegnerin die vorgelegten Referenzen der Beigeladenen einer erneuten Prüfung unterzogen. Dabei stellte sie fest, dass die Beigeladene
"unter Berücksichtigung der Unterstützung der Konzerngruppe, insbesondere der [...] (siehe unterschriebene Verpflichtungserklärung), geeignet ist, die geforderten Aufgaben wahrzunehmen. Die Leistungsfähigkeit konnte demzufolge gemäß § 26 Abs. 3 und § 27 Abs. 4 VSVgV nachgewiesen werden."
Die Antragsgegnerin hat diesen Vorgang zur Vergabeakte nachgereicht. Die Vergabekammer hat Antragstellerin und Beigeladener insoweit ergänzende Akteneinsicht gewährt.
Die Beteiligten haben jeweils mit Schreiben vom 24. Mai 2022 auf den Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung nach Mitteilung der Ergebnisse der Eignungsprüfung der Beigeladenen durch die Antragsgegnerin vom 12. Mai 2022 verzichtet. Die Antragstellerin ist zudem der Auffassung, dass die Voraussetzungen für einen Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung nicht vorlägen, wenn der öffentliche Auftraggeber nach Schluss der mündlichen Verhandlung weitere Unterlagen beibringe. Maßgeblich sei hier allein der Sach- und Streitstand aus der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2022.
Durch Verfügung des Vorsitzenden vom 16. Mai 2022 wurde die Entscheidungsfrist bis zum 8. Juni 2022 einschließlich verlängert.
Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Vergabekammer entscheidet vorliegend gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 GWB auf Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2022 sowie den schriftlichen Stellungnahmen der Beteiligten zu der ergänzenden Akteneinsicht in die erneute Eignungsprüfung vom 12. Mai 2022. Allen Beteiligten wurde vor der Beschlussfassung rechtliches Gehör eingeräumt. Die Beteiligten haben mit Erklärungen vom 24. Mai 2022 gemäß § 166 Abs. 1 Satz 3 GWB jeweils auf den Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung verzichtet.
Die Vergabekammer berücksichtigt das Ergebnis der erneuten Prüfung der Eignung der Beigeladenen unter Berücksichtigung der Eignungsleihe unter dem Gesichtspunkt der Verfahrenseffizienz und des Beschleunigungsgebots gemäß § 167 Abs. 1 GWB. Die erneute Prüfung geht auf das Aufklärungsersuchen der Vergabekammer vom 3. Mai 2022 zurück. Die Prüfung war nach Auskunft der Vertreterinnen der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 10. Mai 2022 noch nicht abgeschlossen. Insofern hält es die Vergabekammer für geboten, das Ergebnis der Prüfung im laufenden Nachprüfungsverfahren zu berücksichtigen. Der von der Antragstellerin zitierte Beschluss der Vergabekammer des Bundes vom 3. Juni 2018 (VK 2 - 44/18) steht dem nicht entgegen. Auch dort hatte die Vergabekammer eine teilweise Berücksichtigung der Stellungnahmen der Beteiligten auf die verspätet vorgelegten Vermerke der dortigen Antragsgegnerin akzeptiert, hingegen nicht die verspätet vorgelegten Vermerke und weitere nicht nachgelassene Schriftsätze der Beteiligten. Die Vergabekammer verwies in ihrer Entscheidung darauf, dass der Beschleunigungsgrundsatz von allen Verfahrensbeteiligten eine auf raschen Abschluss des Nachprüfungsverfahrens bedachte Mitwirkung an der Aufklärung im Hinblick auf etwaige Nachbesserungen verlange, die ein Auftraggeber im Rahmen des ihm im Hinblick auf das Vergabeverfahren grundsätzlich zustehenden Verfahrensermessens vornimmt. Aus den im dortigen Verfahren begründeten Umständen sah die Vergabekammer keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Dies ist angesichts des hier vergaberechtlich eingegrenzten Sachverhalts (Prüfung der Eignungsleihe), der bereits vor der mündlichen Verhandlung bekannt war, vorliegend anders. Die erkennende Vergabekammer hält insoweit eine Berücksichtigung der erneuten Eignungsprüfung aus den Gesichtspunkten der Verfahrenseffizienz und des Beschleunigungsgebots heraus für statthaft.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
Die Antragstellerin ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Ihr Interesse am Auftrag hat sie durch Teilnahme am Verhandlungsverfahren und Abgabe eines Angebots dokumentiert. Sie hat Vergaberechtsverstöße geltend gemacht, die bei Vorliegen ihre Zuschlagschancen beeinträchtigt haben können.
Sie ist ihrer Rügeobliegenheit gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB im Hinblick auf die als vergabefehlerhaft monierte Eignungsprüfung des Angebots der Beigeladenen sowie der qualitativen Wertung nachgekommen.
Die Frist für die Einreichung des Nachprüfungsantrags nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB wurde eingehalten.
2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.
Die Entscheidung der Antragsgegnerin, von der Eignung der Beigeladenen gemäß § 22 Abs. 3 VSVgV im vorgelagerten Teilnahmewettbewerb auszugehen und diese zur Abgabe eines Angebots aufzufordern, begründet vorliegend keinen Vertrauenstatbestand zugunsten der Beigeladenen. Die Antragstellerin kann in dem von ihr angestrengten Nachprüfungsverfahren die fehlende Eignung der Beigeladenen geltend machen (dazu unter lit.a). Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin keine gesonderten Anforderungen an die Leistungsfähigkeit im Hinblick auf den Nachweis vergleichbarer Dienstleistungen, die eine Bewachung mit Waffen und Diensthunden abbilden, aufgestellt hat (unter lit. b). Die Antragsgegnerin ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene ihre Eignung im Hinblick auf die geforderte wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit nachgewiesen hat (unter lit. c). Soweit die Antragstellerin der Auffassung ist, die Beigeladene sei personell und technisch nicht leistungsfähig, kann dem nicht gefolgt werden (dazu unter lit. d). Die qualitative Bewertung des Angebots der Antragstellerin ist nicht mehr zu prüfen (lit. e).
a) Die Entscheidung der Antragsgegnerin, von der Eignung der Beigeladenen gemäß § 22 Abs. 3 VSVgV im vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb auszugehen und diese zur Abgabe eines Angebots aufzufordern, begründet vorliegend keinen Vertrauenstatbestand zugunsten der Beigeladenen. Die Antragstellerin kann in dem von ihr angestrengten Nachprüfungsverfahren die - nach ihrer Ansicht - fehlende Eignung geltend machen.
Im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüft der öffentliche Auftraggeber gemäß § 22 Abs. 5 Satz 1 und § 29 Abs. 1 VSVgV die Eignung der am Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Dadurch wird mit der positiven Eignungsprüfung - anders als im offenen Verfahren - grundsätzlich ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet. Sie müssen nicht damit rechnen, dass der ihnen durch die Erstellung der Angebote und Teilnahme am Wettbewerb entstandene Aufwand dadurch nachträglich nutzlos werden könnte, dass der Auftraggeber ihre Eignung auf gleichbleibender tatsächlicher Grundlage später nochmals abweichend beurteilt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. März 2021, Verg 9/21 unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014 - X ZB 15/13). Dieser Vertrauenstatbestand ist ein in § 242 BGB wurzelnder Grundsatz, der im Interesse einer fairen Risikoabgrenzung zwischen öffentlichem Auftraggeber und Bieterunternehmen einer späteren Verneinung der Eignung bei gleichem Sachverhalt entgegensteht. Mitbieter im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb haben danach einen Vergaberechtsverstoß, der in der fehlerhaften Bejahung der Eignung eines Unternehmens am Ende des Teilnahmewettbewerbs liegt, ab der Begründung des Vertrauenstatbestands hinzunehmen (so OLG Düsseldorf, aaO.). Voraussetzung für einen solchen Vertrauenstatbestand ist jedoch, dass der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Bieter abschließend bejaht hat, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Hieran fehlt es, wenn der Bieter bis zum Abschluss des Teilnahmewettbewerbs nicht alle zur abschließenden Prüfung seiner Eignung erforderlichen Unterlagen eingereicht hat. Fehlt dem öffentlichen Auftraggeber im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung zum Verhandlungsverfahren die Grundlage für eine abschließende Prüfung der Eignung eines Bieters, kann dieser Bieter kein Vertrauen in die Beurteilung seiner Eignung haben (vgl. zuletzt OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. April 2022, Verg 25/21).
Vorliegend hat die Beigeladene unstreitig keine Referenzen für ihr eigenes Unternehmen eingereicht, sondern Referenzen für ein verbundenes (Konzern-)Unternehmen. Ein Bewerber oder Bieter, der selbst nicht über die erforderliche Eignung verfügt, kann sich zwar im Rahmen der sogenannten Eignungsleihe auf die Eignung eines anderen Unternehmens - ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesem Unternehmen bestehenden Verbindungen - berufen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2019, Verg 36/18). Es besteht für Bewerber oder Bieter aber eine Nachweispflicht dafür, dass ihnen die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, wenn sie sich für einen bestimmten Auftrag auf die Leistungsfähigkeit anderer Unternehmen berufen (in der VSVgV: §§ 26 Abs. 3 und 27 Abs. 4). Zu den "anderen" Unternehmen im Sinne der Eignungsleihe zählen auch Unternehmen innerhalb eines Konzernverbunds, auf deren Eignung sich der Bewerber oder Bieter stützen will (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2019, Verg 36/18). Die bloße Konzernverbundenheit selbst genügt indes noch nicht für den Nachweis, dass der Bewerber tatsächlich auf die Kapazitäten oder Fähigkeiten eines verbundenen Unternehmens zurückgreifen kann. Auch in diesen Fällen muss vom Bewerber nachgewiesen werden, dass ihm die Kapazitäten des Unternehmens zur Verfügung stehen (vgl. OLG Düsseldorf, aaO.).
Einen solchen Nachweis hat die Beigeladene vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens durch die Antragstellerin nicht geführt. Zwar war in den Vergabeunterlagen keine Verpflichtungserklärung des Eignungsleihgebers gefordert. Auch hat die Antragsgegnerin im Rahmen der Nachforderung einer Übersetzung der eingereichten Referenzen nicht zusätzlich eine Verpflichtungserklärung eingefordert. Dennoch ist hier bis zur Vornahme einer vergaberechtlich abschließenden Prüfung der Eignung durch die Antragsgegnerin ein Vertrauenstatbestand zu Gunsten der Beigeladenen nicht entstanden. Es ist davon auszugehen, dass die Beigeladene als Teilnehmerin eines EU-weiten Vergabeverfahrens annehmen musste, die Prüfung ihrer Eignung sei (möglicherweise) noch nicht abgeschlossen. So hat sie auf das Aufklärungsschreiben der Vergabekammer eine - bereits vorhandene - Verpflichtungserklärung des Konzernunternehmens vom 12. Oktober 2021 vorgelegt. Die Eignungsprüfung der Beigeladenen ist daher im Nachprüfungsverfahren durch die Antragstellerin angreifbar und durch die Vergabekammer überprüfbar.
b) Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin keine gesonderten Anforderungen an die Leistungsfähigkeit im Hinblick auf den Nachweis vergleichbarer Dienstleistungen, die eine Bewachung mit Waffen und Diensthunden abbilden, aufgestellt hat.
Anhaltspunkte dafür, dass die Eignungsanforderungen - wie die Antragstellerin meint - unangemessen niedrig sind, liegen nicht vor. Es ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin ihren Beurteilungsspielraum bei der Aufstellung von Eignungskriterien überschritten hätte. Eignungskriterien, die nicht mit dem Auftragsgegenstand in einem sachlichen Zusammenhang stehen und durch ihn gerechtfertigt sind, sind gemäß § 21 Abs. 1 VSVgV, § 122 Abs. 4 GWB unzulässig. Sie können nicht den Zweck erfüllen, eine belastbare Prognoseentscheidung zu tragen. Ein Katalog möglicher Eignungsnachweise ergibt sich aus §§ 26 und 27 VSVgV. Vorliegend hat die Antragsgegnerin keine Angaben zur technischen Leistungsfähigkeit in Form von Referenzen gemäß § 27 Abs. 1 Ziffer 2 a) VSVgV gefordert. Angaben zu bereits erbrachten Dienstleistungen hat sie aber zum Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gefordert. Gemäß § 26 Abs. 1 VSVgV können Auftraggeber je nach Art oder Umfang der zu erbringenden Dienstleistungen angemessene Nachweise der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bewerber oder Bieter verlangen, insbesondere Bankerklärungen, Haftpflichtversicherungen, Bilanzen oder Bilanzauszüge oder Erklärungen zum Gesamtumsatz und den Umsatz für den durch den Auftragsgegenstand vorausgesetzten Tätigkeitsbereich. Die Antragsgegnerin hat hier, neben den in § 26 Abs. 1 VSVgV beispielhaft aufgeführten Nachweisen in der EU-Bekanntmachung die Vorlage von "exakt 3 Referenzen" gefordert, also der Zahl nach drei Referenzen. Wie sie den Begriff der Referenzen verstanden haben will, hat die Antragsgegnerin in der Bekanntmachung indes nicht weiter definiert, so dass es nach allgemeinem vergaberechtlichen Verständnis naheliegt, dass hiermit der Nachweis über früher ausgeführte Leistungen (vgl. z.B. § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV, § 6a EU Nr. 3 lit. a VOB/A) gemeint ist. Dieses Verständnis haben offensichtlich auch die Antragstellerin und die Beigeladene gehabt, indem sie in ihren Angeboten entsprechende Aufträge in Bezug genommen haben. Die Antragsgegnerin hat in der Bekanntmachung allerdings keine weiteren Angaben dazu gemacht, ob die vorzulegenden Referenzen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen sollen, so dass insoweit auch keine weiteren Anforderungen gestellt werden können. Die Forderung nach der Vorlage von drei Referenzen zum Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bewerbers hält sich in den Grenzen des zur Auftragserfüllung in wirtschaftlicher Hinsicht Notwendigen. Zusätzlich hat die Antragsgegnerin zum Nachweis der Eignung der Bewerber zahlreiche Angaben nach Ziffer III.2.1) der EU-Bekanntmachung zur persönlichen Lage des Wirtschaftsteilnehmers verlangt, die für die Ausführung der Dienstleistung aus ihrer Sicht von Bedeutung sind. So hat sie Eigenerklärungen gemäß § 22 Abs. 2 VSVgV u.a. zur Beachtung von § 28 WaffenG sowie über das eingesetzte Personal gefordert. Die Anforderung von Eigenerklärungen ist in § 22 Abs. 2 VSVgV ausdrücklich zugelassen. Ferner hat die Antragsgegnerin für die Angebotswertung in der Verhandlungsphase ein umfassendes Konzept von den Bewerbern eingefordert, dass sie in qualitativer Hinsicht bewerten wird. In diesem Konzept haben die Bewerber u.a. auch zur Frage der Personalgewinnung und zum Einsatz der Diensthunde auszuführen. Die von der Antragsgegnerin aufgestellten Eignungsanforderungen sind in ihrer Gesamtschau geeignet, eine belastbare Prognose über die Leistungsfähigkeit der Bewerber zu ermöglichen. Im Zusammenspiel mit der Konzeptbewertung erscheinen sie aus Sicht der Vergabekammer grundsätzlich ausreichend, um leistungsfähige Bewerbungen zu erhalten. Anders als in der von der Antragstellerin angeführten Entscheidung des OLG Frankfurt (Beschluss vom 23. Dezember 2021, 11 Verg 6/21), in der es um die Ausschreibung eines Videokonferenzsystems, in dem der erfolgreiche Bieter keine auch nur ansatzweise vergleichbaren Erfahrungen aufwies, haben sich vorliegend aufgrund der Eignungsanforderungen im Teilnahmewettbewerb ausschließlich Unternehmen beworben, die in der Bewachungs- und Sicherheitsbranche tätig sind.
Ob zusätzlich zu der Vorlage von "exakt 3 Referenzen" konkludent eine Anforderung von mit dem Auftragsgegenstand vergleichbaren Referenzen anzunehmen ist, kann vorliegend offen bleiben. Die Antragstellerin leitet dies aus der Anforderung in Ziffer II.2.2) unter Ziffer 3) geforderten "Eigenerklärung über die Höhe des Gesamtumsatzes/Umsatzes mit vergleichbaren Leistungen der letzten 3 Geschäftsjahre" her. Es sei nicht ausreichend für den Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, lediglich Referenzen für irgendeine Dienstleistung z.B. den Betrieb eines Kaufhauses vorzulegen. Die Beigeladene hat allerdings drei Referenzen aus dem Bereich Sicherheitsdienstleistungen (Bewachung mit Waffen) vorgelegt. Diese Referenzen haben jedenfalls den von der Antragstellerin geforderten Bezug zur ausgeschriebenen Dienstleistung, weil sie - wenn auch nicht identisch - jedenfalls vergleichbare Leistungen darstellen, denn es handelt sich jeweils um Bewachungsdienstleistungen mit Waffen. Hätte die Antragsgegnerin hier strengere Maßstäbe an die Vergleichbarkeit anlegen wollen, hätte sie in der Bekanntmachung entsprechende Mindestanforderungen in Bezug auf die Vergleichbarkeit aufstellen können und müssen. (zur weiteren Prüfung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Eignungsleihe siehe nachfolgend unter lit. c).
c) Die Antragsgegnerin ist mit der am 12. Mai 2022 erneut vorgenommen Überprüfung der Eignung im Hinblick auf die geforderte wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene diese nachgewiesen hat.
(1) Die Beigeladene ist nicht gemäß § 22 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 26 Abs. 1 VSVgV von der Wertung auszuschließen, weil sie keine eigenen Referenzen vorgelegt hat. Sie durfte sich zum Nachweis ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die einzureichenden drei Referenzen der sogenannten Eignungsleihe gemäß § 26 Abs. 3 VSVgV bedienen. Das Recht eines Wirtschaftsteilnehmers in Bezug auf die Leistungsfähigkeit für einen bestimmten Auftrag die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch zu nehmen, kann nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände eingeschränkt werden (siehe Art. 63 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU; Art. 41 Abs. 2 und Art. 42 Abs. 2 der Richtlinie Verteidigung und Sicherheit 2009/81/EG ohne weitere Einschränkungen). Die Vergabeunterlagen der Antragsgegnerin sehen hier keinen Ausschluss der Eignungsleihe vor. Schweigen die Vergabeunterlagen zur Eignungsleihe, so ist diese grundsätzlich zulässig (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. April 2022, Verg 25/21 unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 7. April 2016, Rs. C-324/14). Die Beigeladene durfte sich daher gemäß § 26 Abs. 3 VSVgV auf die Leistungsfähigkeit anderer Unternehmer berufen.
Die auf das Aufklärungsschreiben der Vergabekammer vom 3. Mai 2022 von der Beigeladenen am 6. Mai 2022 vorgelegte Verpflichtungserklärung des Eignungsverleihers vom 12. Oktober 2021 durfte seitens der Antragsgegnerin der erneuten Eignungsprüfung zugrunde gelegt werden. Die nachgereichte Verpflichtungserklärung stellt - entgegen der Ansicht der Antragstellerin - keine unzulässige nachträgliche Änderung des Angebots der Beigeladenen dar. Die Beigeladene hat die Referenzen nicht als eigene Referenzen vorgelegt. Sie hat die Referenzen vielmehr mit ihrem Teilnahmeantrag deutlich erkennbar unter dem Briefkopf des [...] Konzernunternehmens aufgeführt. Die Antragsgegnerin hat dies auch erkennen können. Sie hat sich mit dem Referenzschreiben explizit auseinandergesetzt und eine Übersetzung des Schreibens bei der Beigeladenen angefordert. Die Beigeladene hat sich damit anders als im Sachverhalt der Entscheidung des OLG Düsseldorf (vgl. Beschluss vom 17. April 2019, Verg 36/18) nicht erst nachträglich auf eine mögliche Eignungsleihe berufen, sondern bereits in ihrem Teilnahmeantrag offen und erkennbar auf die "fremden" Referenzen des Konzernunternehmens berufen.
(2) Das Angebot der Beigeladenen ist auch nicht deshalb von der Wertung auszuschließen, weil die Verpflichtungserklärung des Eignungsleihgebers nicht - wie grundsätzlich erforderlich - zum Zeitpunkt des Teilnahmeantrags vorgelegen hat. Zwar werden Bewerber oder Bieter, die den Nachweis für die an die Eignung gestellten Mindestanforderungen nicht erbringen, gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 VSVgV nicht zur Abgabe eines Angebots aufgefordert. Eignungsnachweise sind jedoch nur dann wirksam gefordert und führen zu einem Ausschluss beziehungsweise zu einer Nichtaufforderung im Teilnahmewettbewerb, wenn die Vergabebekanntmachung entsprechende Vorgaben enthält. Vorliegend hat die Antragsgegnerin nicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 VSVgV in der Vergabebekanntmachung gefordert, dass der Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit, durch eine Erklärung, dass dem Bewerber die Kapazitäten des Eignungsleihgebers zur Verfügung stehen, gemäß § 26 Abs. 3 VSVgV zu führen ist. Die Vergabebekanntmachung erhält auch keine Angaben zu eventuellen Vorlagepflichten gemäß § 27 Abs. 4 VSVgV. Dies führt aber nicht dazu, dass die gesetzliche Regelung des § 22 Abs. 3 Satz 1 VSVgV eine wirksame Aufforderung zur Abgabe der Erklärungen zur Eignungsleihe zu einem späteren Zeitpunkt - hier nach Angebotsabgabe - ausschließt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. April 2022, Verg 25/21). Die fehlende Aufforderung zur Vorlage im Teilnahmewettbewerb führt daher nicht zu einem Ausschluss der Beigeladenen mangels nachgewiesener Verpflichtungserklärung bereits im Bewerbungsverfahren.
(3) Die Antragsgegnerin hat das Vergabeverfahren mit der am 12. Mai 2022 nach der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2022 vorgenommenen Prüfung der Verpflichtungserklärung des Eignungsverleihers in den Stand der Eignungsprüfung zurückversetzt und ihre bisherige Entscheidung überprüft. Diese ergänzte Prüfung der Antragsgegnerin ist der Entscheidung der Vergabekammer zugrunde zu legen.
Die ergänzte Prüfung der Verpflichtungserklärung des Eignungsverleihers bewegt sich Rahmen des der Antragsgegnerin zustehenden Beurteilungsspielraums. Sie hat die "geliehenen" Referenzen des Eignungsleihgebers unter dem Aspekt "vergleichbare Sicherheitsdienstleistungen" geprüft und kommt in dem zur Vergabeakte gereichten Schreiben zu dem Ergebnis, dass die Referenzen als den Anforderungen entsprechend anerkannt werden können. Die Beigeladene sei unter Berücksichtigung der Unterstützung der Konzerngruppe geeignet, die geforderten Aufgaben wahrzunehmen. Die Feststellung der Antragsgegnerin ist nicht zu beanstanden, sie bewegt sich im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beigeladenen.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bezieht sich der Prüfungsumfang hinsichtlich der vorgelegten Referenzen nicht auf die Frage, ob das Personal, von denen sich die Eignung ableitet, tatsächlich bei der Ausführung eingesetzt wird. Die geforderte Eignung war nach Ziffer III.2.2) der EU-Bekanntmachung allein bezogen auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit mit der Vorlage von "exakt 3 Referenzen" nachzuweisen. Nicht hingegen hat die Antragsgegnerin Referenzen zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit gefordert. Auf den Einsatz entsprechenden Fachpersonals aus den Referenzaufträgen des Eignungsleihgebers kommt es daher an dieser Stelle nicht an.
d) Die Eignungswertung der Antragsgegnerin weist in Bezug auf die von der Antragstellerin geltend gemachten weiteren Umstände (Personal, Material, Diensthunde) keine Fehler auf. Sie wird nicht in ihrem Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
(1) Die Feststellung der Antragsgegnerin, dass die Beigeladene aufgrund der abgegebenen Eigenerklärungen über die erforderlichen personellen Ressourcen verfügt, um den Auftrag in der geforderten Qualität und innerhalb der Ausführungsfrist ausführen zu können, ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden.
Die vom Auftraggeber zu prüfenden Eignungskriterien sowie die zum Nachweis erforderlichen Unterlagen ergeben sich gemäß §§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 1 VSVgV, 122 Abs. 4 Satz 2 GWB vorliegend aus der EU-Bekanntmachung des betreffenden Auftrags. Vorzulegen waren nach der EU-Bekanntmachung u.a. eine formlose Eigenerklärung, dass § 28 WaffenG beachtet wird sowie eine Eigenerklärung über das eingesetzte Personal. In ihrer Checkliste zum Teilnahmeantrag hat die Antragsgegnerin diese und weitere Eigenerklärungen (zum Teil mit weiteren Angaben versehen) aufgelistet. Die Antragsgegnerin hat die Einhaltung dieser Vorgaben überprüft. Sie hat den ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt zutreffend und vollständig berücksichtigt und ist in nicht zu beanstandender Weise zu der Einschätzung gelangt, dass die Beigeladene den Auftrag mit dem zum Zeitpunkt des Vertragsbeginns zur Verfügung stehenden Personal fristgerecht und unter Wahrung der vorgesehenen Anforderungen des Auftrags (Waffenberechtigung, Sicherheitsüberprüfung, Einsatz von Diensthunden) ausführen wird.
Grundsätzlich muss der Auftragnehmer, sofern sich der öffentliche Auftraggeber nicht in der Bekanntmachung einen anderen Zeitpunkt vorbehält, schon im Interesse eines offenen Wettbewerbs erst zum Zeitpunkt der Leistungserbringung über die eignungsrelevanten Mittel verfügen und das benötigte Personal einstellen. Dies gilt insbesondere für Personal, das erst auf der Grundlage des erteilten Auftrags für den Bieter erforderlich ist und arbeitsvertraglich gebunden werden muss. Im Regelfall ist es einem Bieter auf die bloße Erwartung eines Zuschlags nicht zumutbar, bereits Personal einzustellen, das erst auf der Grundlage des erteilten Auftrags für den Bieter erforderlich ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Juli 2018, Verg 28/18). Ausnahmen können allerdings bei besonderen, insbesondere technisch aufwändigen Dienstleistungen gelten, für die auf dem Arbeitsmarkt nur eine begrenzte Anzahl an geeigneten Mitarbeitern zur Verfügung steht. Kann von einer jederzeitigen Verfügbarkeit nicht ohne weiteres ausgegangen werden, bedarf es der konkreten Darlegung, aus welchen Gründen dem Bieter das zur Auftragserfüllung erforderliche Personal bei Vertragsbeginn tatsächlich zur Verfügung stehen wird. Dass der Bieter das benötigte Personal bereits bei Angebotsabgabe arbeitsvertraglich gebunden haben muss, kann aus Gründen der Verhältnismäßigkeit jedoch auch in diesen Fällen grundsätzlich nicht gefordert werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juni 2019, Verg 52/18 zu den Anforderungen bei Berufstauchern, die Unterwasserschweißarbeiten vornehmen).
Die Beigeladene hat alle im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs geforderten Eigenerklärungen hinsichtlich des einzusetzenden Personals eingereicht. Soweit sich die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die genannte Rechtsprechung des OLG Düsseldorf darauf beruft, es bedürfe hier aufgrund der Umstände der Ausschreibung einer gesonderten Erklärung des Bieters, wie er die Leistung tatsächlich anbieten könne, einschließlich einer Verpflichtungserklärung der speziellen Fachkräfte, ist dem nicht zu folgen. Im Unterschied zu der der Entscheidung des OLG Düsseldorf zugrundeliegenden Fallkonstellation der am Arbeitsmarkt schwer verfügbaren Berufstaucher mit Zusatzqualifikation, ist die Situation im Bewachungsgewerbe eine andere. Zwar ist der Antragstellerin zuzugeben, dass die Anforderungen an das Personal in der vorliegenden Ausschreibung über eine "normale" zivil-gewerbliche Bewachung [...] hinausgehen. Dennoch ist davon auszugehen, dass ein Bieter, der nicht Bestandsauftragnehmer ist, mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf die entsprechenden Genehmigungen und Prüfungen durch die zuständigen Behörden zur leistungsgerechten Ausführung zum Vertragsbeginn beibringen kann. So hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung auf den Vorhalt der Antragstellerin, dass in zeitlicher Hinsicht eine Beibringung kaum möglich sei, ausgeführt, dass im Falle einer Übernahme eines Auftrags durch einen neuen Auftragnehmer verschiedene zuständige Behörden zu einer beschleunigten Bearbeitung bereit seien. Es seien flächendeckend Ausnahmegenehmigungen nach § 34 WaffenG möglich. Dies gelte auch hinsichtlich notwendiger Sicherheitsüberprüfungen. Ein flexibler Umgang der entsprechenden Behörden sei hier durchaus üblich. Damit werde auch in wettbewerblicher Hinsicht ein Wechsel eines Auftragnehmers möglich gemacht. Sie habe keinen Zweifel, dass angesichts der Verschiebung des Auftragsbeginns auf nunmehr 1. Juli 2022 die entsprechenden Genehmigungen, jedenfalls in vorläufiger Ausfertigung, erbracht werden könnten. Die gilt auch für die gemäß § 28 WaffenG nötige Erlaubnis zum Erwerb, Besitz und Führen von Schusswaffen und Munition des Bewachungsunternehmers und seines Bewachungspersonals. Die Erlaubnis für den Bewachungsunternehmer wird danach erteilt, wenn er gegenüber der Behörde glaubhaft macht, dass Bewachungsaufträge wahrgenommen werden oder werden sollen. Die Beigeladene hat dazu vorgetragen, dass nach Auskunft der zuständigen Behörde die Erlaubnis erst bei Vorliegen der Zuschlagserteilung nicht aber bei einer reinen Ankündigung der Zuschlagserteilung beantragt werden kann. Sie befinde sich angesichts der besonderen Situation des Nachprüfungsverfahrens im Kontakt mit der Behörde, um bei Zuschlagserteilung eine schnelle Genehmigung zu erwirken. Unmittelbar nach Zuschlagserteilung werde mit den Vorbereitungen zur Auftragsdurchführung beginnen. Die Vergabekammer kann angesichts der plausiblen Ausführungen der Beigeladenen keinen Wertungsfehler der Antragsgegnerin hinsichtlich der Waffenerlaubnis erkennen.
Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin in der Phase des Verhandlungsverfahrens von allen Bietern für die qualitative Wertung der Bewachungsdienstleistung Konzepte eingefordert hat. Aufgrund der umfangreichen Ausführungen im Konzept der Beigeladenen zur Gewinnung von Personal unter Zugrundelegung sowohl der Möglichkeit des Betriebsübergangs mit Übernahme des Personals als auch der Option externe Fachkräfte für den Auftrag zu gewinnen, ist hier kein anderer Schluss in Bezug auf die von der Antragsgegnerin vorgenommene Prognose der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen zu ziehen. Die Beigeladene hat nach Auffassung der Vergabekammer in ihrem Konzept überzeugend dargelegt, wie sie den Auftrag u.a. in personeller Hinsicht zu erfüllen gedenkt. Die Entscheidung der Antragsgegnerin über die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen in personeller Hinsicht ist als sachgerecht anzusehen.
(2) Gleiches gilt für die Annahme der Antragsgegnerin, die Beigeladene sei auch im Hinblick auf die sonstigen Anforderungen der Ausschreibung an Ausrüstung (Waffen, Schutzwesten, Schutzhelme) und Verfügbarkeit/Einsetzbarkeit von Diensthunden leistungsfähig. Die Beigeladene hat sowohl in ihrem Konzept als auch in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sie über die geforderte Ausrüstung bereits jetzt verfüge beziehungsweise zum Auftragsbeginn verfügen werde, weil entsprechende Ausrüstungsgegenstände beim Lieferanten bereits vorgehalten würden und abrufbar seien. Auch hinsichtlich der Verfügbarkeit von Diensthunden und des entsprechenden Personals hat die Beigeladene in ihrem Konzept inhaltlich ausgeführt. Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die Prüftermine nach der "Prüfungsordnung für Diensthunde im Wachdienst [...]" von den in ihrem eigenen Geschäftsbereich angesiedelten Prüfkommissionen bei einem Auftragnehmerwechsel flexibel gehandhabt würden. So sei es möglich, neben den regulär anberaumten Prüfterminen gesonderte Prüftermine vorzunehmen. Es bestünden auch insoweit keine Zweifel daran, dass die Beigeladene hinsichtlich des Einsatzes von Diensthunden in die Lage versetzt werde, entsprechend vertragskonform zu leisten. Die Bewertung und Einschätzung durch die Wertungskommission der Antragsgegnerin ist plausibel und damit als sachgerecht anzusehen.
e) Die qualitative Bewertung des Angebots der Antragstellerin ist an dieser Stelle nicht zu weiter zu prüfen. Die Antragstellerin hat - da ihr Konzept an verschiedenen Stellen der Wertung nicht die Höchstpunktzahl erhalten hat - davon abgesehen, die qualitative Wertung weiter anzugreifen (siehe Schriftsatz vom 4. Mai 2022, Seite 7 f.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1, 2, 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 VwVfG.
Da sich die Beigeladene zuletzt schriftsätzlich mit eigenem Sachvortrag am Nachprüfungsverfahren beteiligt und damit ein Kostenrisiko auf sich genommen hat, entspricht es gemäß § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB der Billigkeit, eine Kostenerstattung zu Lasten der Antragstellerin auszusprechen (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 23. Juni 2014, Verg 41/13 und vom 10. Mai 2012, Verg 5/12).
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Beigeladene war notwendig, da das Nachprüfungsverfahren grundlegende Rechtsfragen zur Prüfung der Eignung aufgeworfen hat, die die Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten als sachgerecht erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06). Da auch die Antragstellerin anwaltlich vertreten war, war die Zuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter durch die Beigeladene darüber hinaus zur Herstellung der "Waffengleichheit" erforderlich (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Mai 2019, Verg 55/18).
IV.
(...)
Vergabestelle prüft Rüge noch: Nachprüfungsantrag verfrüht!
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Preisprüfung auch unterhalb der Aufgreifschwelle!
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