VK Nordbayern
Beschluss
vom 07.06.2024
RMF-SG21-3194-9-10
1. Grundsätzlich ist ein Vertrauenstatbestand anzunehmen, wenn in einem Verhandlungsverfahren mit vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Teilnehmer geprüft und die Eignung bejaht hat.
2. Bieter können sich jedoch nicht auf einen solchen Vertrauensschutz berufen, wenn nachträgliche Erkenntnisse zu einer neuen Tatsachengrundlage für die Bewertung der Eignung führen (hier: unrichtige Angaben in einer Referenz). Das gilt auch dann, wenn der öffentliche Auftraggeber bereits in einem vorherigen Teilnahmewettbewerb die Unrichtigkeit durch eine sorgfältigere Prüfung hätte erkennen können.
3. Ein entsprechender Vertrauenstatbestand entsteht überdies nur dann, wenn der Bewerber im Teilnahmewettbewerb alle erforderlichen Unterlagen rechtzeitig übermittelt und wahre Angaben getätigt hat. Bei fahrlässig getätigten Falschangaben und erst recht bei arglistigen Handeln bzw. vorsätzlicher Täuschung ist der Bewerber jedoch nicht schutzwürdig.
Die Vergabekammer Nordbayern bei der Regierung von Mittelfranken erlässt aufgrund mündlicher Verhandlung vom 07.06.2024 durch den Vorsitzenden ..., den hauptamtlichen Beisitzer ... und den ehrenamtlichen Beisitzer ... am 07.06.2024 folgenden
Beschluss:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Vergabestelle war notwendig.
4. Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt x.xxx,- Euro. Auslagen sind nicht angefallen.
Sachverhalt:
1. Die VSt schrieb mit Auftragsbekanntmachung vom ... (TED: ..., Vergabenummer ...) europaweit die Vergabe der HOAI-Fachplanung "Technische Ausrüstung" iSv § 55 HOAI 2021 für den 2. Bauabschnitt zum Bauvorhaben "Sanierung und Erweiterung ..." aus.
Dieser Ausschreibung ist eine außerordentliche Kündigung des alten TA-Fachplaners, namentlich der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) "..." bestehend aus den beiden Mitgliedern X und Y1 GmbH, im Juli xxxx vorausgegangen.
Die ASt ist Mitglied der Y-Gruppe. Die Y-Gruppe besteht u.a. aus der ASt, der Y1 und der Y2.
In Ziffer III. 1.3) der Auftragsbekanntmachung werden u.a. folgende Nachweise verlangt:
"2. Referenzen über die Fachplanung Technische Ausrüstung (LP 6 bis 8 für die Anlagengruppen 4 und 5) für ein großvolumiges Hochbauvorhaben nach näherer Beschreibung in Formblatt 1 "Teilnahmeantrag" (dort Ziffer 7.2)."
"4. Referenzen über die Fachplanung Technische Ausrüstung (LP 5 für die Anlagengruppen 4 und 5) für ein großvolumiges Hochbauvorhaben nach näherer Beschreibung in Formblatt 1 "Teilnahmeantrag" (dort Ziffer 7.4)."
Das Formblatt 1 "Teilnahmeantrag" lautet in Ziffer 7.2 und Ziffer 7.4 jeweils: "Referenzzeitraum: nicht älter als 10 Jahre, das heißt Übergabe des fertig gestellten Gebäudes an den Bauherrn nicht vor dem 14. November 2013" und "Abgabe des vollständig ausgefüllten Formblattes 5 "Referenzbogen" (ein Bogen je Projekt)". Als Mindestanforderung wurden zwei Referenzen gefordert.
In den Bewerbungsbedingungen "D. Verfahrensbrief zur Einreichung der verbindlichen Angebote" lautet Ziffer 7.2 wie folgt: "Der Auftraggeber behält sich vor, nach pflichtgemäßen Ermessen Aufklärung von den Bietern über das verbindliche Angebot zu verlangen. Für die Beantwortung der Aufklärungsfragen wird den Bietern eine angemessene Frist gesetzt. Bei dieser Frist handelt es sich um eine Ausschlussfrist, bei deren Nichteinhaltung der Ausschluss des Bieters aus dem Vergabeverfahren erfolgt, es sei denn, der Bieter hat die Fristversäumnis nicht zu vertreten."
2. Die ASt reichte am 17.11.2023 einen Teilnahmeantrag ein.
Das Formblatt 5 "Referenzbogen" (zu Ziffer 7 des Formblattes 1 Teilnahmeantrag) wurde von der ASt für die Leistungsphase 5 sowie für die Leistungsphasen 6 bis 8 eingereicht. Hierbei benannte die ASt jeweils das "Z...." als eine von zwei Referenzen. Im Punkt "Übergabe des fertig gestellten Gebäudes an den Bauherrn am" gab die ASt jeweils "09/2014" an. Im Punkt "Kurzbeschreibung des Vorhabens" war jeweils "Neubau eines Campus-....., ..... - Verwaltungsgebäude, Labor- und Forschungshalle, Hörsaal" eingetragen.
3. Mit Schreiben vom 29.11.2023 informierten die Verfahrensbevollmächtigten der VSt die ASt darüber, dass die Eignung der ASt festgestellt worden sei. Die ASt wurde zur Abgabe eines indikativen Angebots aufgefordert und zu einem Verhandlungsgespräch eingeladen.
Im Dezember 2023 erhob die VSt gegen die ARGE und deren Mitglieder eine Zivilklage.
Mit Schreiben vom 15.01.2024 wurde die ASt darüber informiert, dass das Verhandlungsgespräch zusätzlich für eine Anhörung genutzt werde.
Am 17.01.2024 fand das Verhandlungsgespräch statt.
4. Die ASt reichte am 25.01.2024 als einzige Bieterin ein Angebot ein.
5. Mit Schreiben vom 15.02.2024 teilten die Verfahrensbevollmächtigten der VSt der ASt mit, dass die VSt entschieden habe, das Angebot der ASt auszuschließen und das Vergabeverfahren mangels zuschlagsfähiger Angebote aufzuheben (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 VgV). Der Ausschluss wurde mit zu erwartender Schlechtleistung nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB und wegen Interessenkonflikts nach § 46 Abs. 2 VgV begründet.
Wegen der engen rechtlichen, wirtschaftlichen und personellen Verflechtungen zwischen der ASt und dem vormals beauftragten ARGE-Mitglied pi new energy GmbH seien beide Gesellschaften ungeachtet der eigenständigen Rechtspersönlichkeiten hier als "ein Unternehmen" im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB zu betrachten. Die mangelhafte Leistungserbringung der ARGE bzw. der Y1 im Vorauftrag in Verbindung mit der weitgehenden Übereinstimmung des angebotenen Projektteams zum vormals in der ARGE tätigen Personal führe zu der Prognose, dass mit einer erneuten Schlechtleistung zu rechnen sei.
Zudem bestehe auf Seiten der ASt ein Interessenkonflikt, der nach Einschätzung der VSt die Ausführung der Leistungserbringung beeinträchtigen werde (§ 46 Abs. 2 VgV). Die Interessen als beklagte Partei bzw. als deren Gesellschafter in einem Schadensersatzprozess wegen mangelhafter vorheriger Leistung und die Aufgaben des im Verfahren gesuchten TA-Fachplaners seien unvereinbar, da die ausgeschriebenen Leistungen insbesondere die Überprüfung dieser vorherigen Leistungen beinhalten würden.
6. Mit Schreiben vom 21.02.2024 rügten die Verfahrensbevollmächtigten der ASt den Ausschluss des Angebotes der ASt sowie die Aufhebung des Vergabeverfahrens (1. Rüge).
7. Mit Schreiben vom 15.03.2024 half die VSt der Rüge nicht ab (1. Nichtabhilfe).
8. Die VSt schrieb mit Auftragsbekanntmachung vom xx.xx.xxxx (TED: ...., Vergabenummer ...) europaweit erneut die Vergabe der HOAI-Fachplanung "Technische Ausrüstung" iSv § 55 HOAI 2021 für den 2. Bauabschnitt zum Bauvorhaben "Sanierung und Erweiterung ..." aus.
9. Mit Schreiben vom 26.03.2024 rügten die Verfahrensbevollmächtigten der ASt die Neuausschreibung (2. Rüge).
10. Mit Schreiben vom 27.03.2024 half die VSt der Rüge vom 26.03.2024 nicht ab (2. Nichtabhilfe).
11. Am 28.03.2024 stellten die Verfahrensbevollmächtigten der ASt einen Antrag auf Nachprüfung und beantragen:
I. Die Antragsgegnerin wird bei fortbestehender Beschaffungsabsicht verpflichtet, in dem EU-Vergabeverfahren "Fachplanung Technische Ausrüstung ..." (= TED: ... vom ...) den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin vom 15.02.2024 zurückzunehmen, um das Angebot wieder in die Wertung aufzunehmen und die Aufhebung der am 15.02.2024 gleichzeitig erfolgten Verfahrensaufhebung zu erklären, um sodann das Ausgangsverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzusetzen.
II. Der Antragsgegnerin wird unter entsprechender Verfahrensverbindung vorläufig untersagt, in dem von ihr - unmittelbar nach Aufhebung des unter Ziffer I. näher bezeichneten Ausgangsverfahren - am ... als inhaltsgleiches EU-Vergabeverfahren veröffentlichten Folgeverfahren (TED: ...) den Zuschlag zu erteilen.
III. Weiterhin wird die Antragsgegnerin unter entsprechender Verfahrensbindung entsprechend verpflichtet, auch dass unter Ziff. II. näher bezeichnete Folgeverfahren aufzuheben, um das unter Ziff. I. näher bezeichnete Ausgangsverfahrens unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer rechtskonform zu beenden.
IV. Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin im EU-Vergabeverfahren "Fachplanung Technische Ausrüstung ..." (TED: ... vom ...) vom 15.02.2024 rechtswidrig war.
V. Der Antragstellerin wird Akteneinsicht gem. § 165 GWB gewährt.
VI. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet. Der Ausschluss des letztverbliebenen Angebots der ASt und die anschließende Aufhebung des Vergabeverfahrens seien rechtswidrig.
Ein Ausschluss wegen prognostizierter Schlechtleistung nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB sei rechtswidrig. Dies scheitere bereits am Wortlaut, denn es fehle an einem Unternehmen als Auftragnehmer in einem vorangehenden Auftragsverhältnis. Unbeschadet dessen bestehe für ARGE-Mitglieder keine vergaberechtliche "sippenhaft". Dies müsse erst recht für die ASt gelten, die am Vorauftrag überhaupt nicht beteiligt gewesen sei.
Es bestehe auch kein ausschlusswürdiger Interessenkonflikt nach § 46 Abs. 2 VgV. Hinzukomme, dass die VSt im Teilnahmewettbewerb die Eignung der ASt bejaht habe und hieran gebunden sei.
Zudem sei die bisherige Begründung der diesbezüglichen Ermessensentscheidungen "Ausschluss" und "Aufhebung" unzureichend.
Nach alledem sei der Aufhebungsgrund nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 VgV lediglich vorgeschoben, es handle sich um eine rechtswidrige und unwirksame Scheinaufhebung.
12. Mit Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten der VSt vom 04.04.2024 wurde die ASt wegen Nichterfüllung von Mindestanforderungen ausgeschlossen (§ 57 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 VgV).
Gefordert seien zwei Mindestreferenzen jeweils für die Fachplanung TA LP 5 gemäß Ziffer 7.4 des Teilnahmeantrages sowie für die Fachplanung TA LP 6 bis 8 gemäß Ziffer 7.2 des Teilnahmeantrages gewesen. Die Referenzen hätten hierbei zum Zeitpunkt des Ablaufs der Frist für die Einreichung der Teilnahmeanträge nicht älter als 10 Jahre alt sein dürfen. Die Übergabe des fertig gestellten Gebäudes an den Bauherren hätte nicht vor dem 14. November 2013 erfolgen dürfen. Die ASt habe das Projekt "Z..." eingereicht. Im Referenzbogen habe sie angegeben, dass das fertig gestellte Gebäude im September 2014 an den Bauherrn übergeben worden sei. Die Überprüfung der Referenz habe jedoch ergeben, dass die Übergabe bereits am 21.05.2012 erfolgt sei und die Referenz damit nicht mehr aus dem zulässigen Referenzzeitraum stamme. Damit fehle der ASt eine zweite erforderliche Mindestreferenz sowohl für Ziffer 7.2 als auch Ziffer 7.4 des Teilnahmeantrags.
Des Weiteren wurde die ASt mit Frist bis 11.04.2024 dazu aufgefordert: "eine Liste mit den Namen der angegebenen 37 Ingenieure, sieben technischen Zeichnern sowie drei Auszubildenden, der sechs kaufmännischen Mitarbeiter und des kaufmännischen Auszubildenden einzureichen. Hierbei ist hinter jedem Namen anzugeben, bei welcher Gesellschaft diese Personen fest angestellt sind. Sollten einzelne Personen bei mehreren Gesellschaften prozentual beschäftigt sein, geben Sie die jeweiligen prozentualen Anteile an".
Begründet wurde die Aufklärung damit, dass die ASt in der Angebotspräsentation auf Slide 4 angegeben habe, dass bei ihr 37 Ingenieure, sieben technische Zeichner sowie drei Auszubildenden und sechs kaufmännische Mitarbeiter und ein Auszubildender tätig seien. Auf Slide 63 heiße es dagegen, dass es über 50 festangestellte Mitarbeiter in der Y-Gruppe gäbe. Die VSt wies daraufhin, "dass der Auftraggeber die Nichteinreichung der Antworten ebenfalls mit einem Ausschluss sanktionieren wird".
13. Mit Schreiben vom 10.04.2024 rügten die Verfahrensbevollmächtigten der ASt das Vorgehen der VSt vom 04.04.2024 (3. Rüge).
Insbesondere sei der Ausschluss nach § 57 VgV rechtswidrig, da aus Sicht der ASt das angegebene Übergabedatum "09/2014" der Wahrheit entsprechen würde. Überdies sei der "...prüfstand" als Teil der einheitlichen Baumaßnahme "Z..." anzusehen. Die VOB-Abnahmen zu diesem Ergänzungsbau seien "09/2014" erfolgt, bauliche Restleistungen seien sogar noch bis "09/2015" erfolgt. Im Übrigen wäre die Mindestanforderung "Übergabe nach Fertigstellung" unklar gewesen, sodass ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vorgelegen habe.
Für die Aufklärung "Mitarbeiter" bestünde kein Aufklärungsbedürfnis, weshalb auf die ASt auf die geforderte Aufstellung verzichte. Stattdessen versichere die ASt abschließend nochmals ausdrücklich, dass sie im Auftragsfall über eine ausreichende Anzahl an qualifizierten Personal verfüge.
14. Mit Schriftsatz vom 15.04.2024 erwiderten die Verfahrensbevollmächtigten der VSt und beantragen:
1. Die Anträge I., II., III., IV. der Antragstellerin aus dem Nachprüfungsantrag gemäß § 160 GWB werden zurückgewiesen.
2. Der Antragstellerin werden die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin auferlegt.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin wird für notwendig erklärt.
Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet. Der Ausschluss der ASt sei zu Recht erfolgt.
Die ASt sei auch nach § 57 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 VgV auszuschließen, da sie die Mindestanforderungen nicht erfülle. Die ASt habe mit ihrem Teilnahmeantrag als eine von zwei erforderlichen Mindestreferenzen in der Referenzkategorie 2 sowie in der Referenzkategorie 4 das Referenzprojekt "Z..." eingereicht. Im jeweiligen Referenzbogen habe sie als Datum für die Übergabe des fertiggestellten Gebäudes an den Bauherrn "09/2014" eingetragen. Diese Angabe sei falsch. Tatsächlich sei das Referenzprojekt deutlich vor dem September 2014 abgeschlossen worden und stamme nicht mehr aus dem zulässigen Referenzzeitraum. Der Forschungsneubau sei bereits am xx. xx 2012 mit einer Einweihungsfeier eröffnet worden.
Aufgrund des rechtmäßigen Ausschlusses des Angebots der ASt habe kein zuschlagsfähiges Angebot vorgelegen. Daher sei die Verfahrensaufhebung nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 VgV sowie die Neuausschreibung des Folgeverfahrens rechtmäßig gewesen.
15. Am 15.04.2024 wurde der ASt teilweise Akteneinsicht gewährt.
16. Mit Schreiben vom 22.04.2024 half die VSt der Rüge vom 10.04.2024 nicht ab (3. Nichtabhilfe).
Insbesondere sei der Ausschluss wegen fehlender Mindestreferenzen zulässig. Die VSt habe sich im Rahmen der Vorbereitung der Zivilklage mit den Sachverhalten auseinandergesetzt.
Die Feststellung der Eignung sei bereits am 29.11.2023 erfolgt und somit einen Monat vor der Erhebung der Zivilklage.
Bei dem als Referenz angegebenen Projekt "Z..." und der Errichtung des "Z...-...prüfstand" handele es sich um zwei getrennte Projekte. Ein einheitliches Projekt habe es nicht gegeben. Vielmehr sei der "Z...-...prüfstand" später und gesondert beauftragt worden. Der ...prüfstand sei für sich genommen kein referenzfähiges Projekt, da es nicht dem gleichzeitigen Aufenthalt einer Vielzahl von Personen im Gebäude diene. Der ...prüfstand sei in den Referenzbögen auch nicht erwähnt worden. Entsprechend würden die in den Referenzbögen enthaltenen Grundrisse nur die Werkstatt und das Verwaltungsgebäude umfassen. Der ...prüfstand sei schon nach der Selbstdarstellung kein Bestandteil der Referenz gewesen. Schließlich sei die Werkstatt und das Verwaltungsgebäude mit einer offiziellen Feier am xx.xx.2012 eingeweiht worden.
Des Weiteren wurde die ASt nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB wegen einer schwerwiegenden Täuschung über Eignungskriterien wegen der Darstellung der Referenzen zum Z... in ... sowie nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 c) GWB ausgeschlossen.
Zudem wurde die ASt nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB wegen einer schwerwiegenden Täuschung über Eignungskriterien wegen des Verschweigens von Interessenkonflikten durch die Gesellschafterstellung von Herrn N... und Herrn S... bei der Y1 sowie nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 c) GWB ausgeschlossen.
Auch wurde die ASt wegen Nichtbeantwortung von Bieterfragen zum Angebot nach Ziffer 7.2 des Verfahrensbriefes zur Einreichung der verbindlichen Angebote (Bewerbungsbedingungen Teil D.) ausgeschlossen.
17. Mit Schreiben vom 30.04.2024 rügten die Verfahrensbevollmächtigten der ASt das Vorgehen der VSt vom 22.04.2024 (4. Rüge).
18. Mit Schriftsatz vom 03.05.2024 erwiderten die Verfahrensbevollmächtigten der ASt.
Die eignungsbezogenen Ausschlüsse wegen Interessenkonflikt nach § 46 Abs. 2 VgV und fehlender Mindestreferenz nach § 57 VgV seien rechtswidrig, da diesen ein Vertrauenstatbestand der ASt entgegenstünde. Im damaligen Teilnahmewettbewerb zum zweistufigen Verhandlungsverfahren sei mit Schreiben vom 29.11.2023 bereits die Eignung der ASt positiv festgestellt worden. Der maßgebliche Sachverhalt nach dem 29.11.2023 sei seitdem unverändert.
Soweit die VSt im Nichtabhilfeschreiben vom 22.04.2024 vortrage, dass die Feststellung der Eignung am 29.11.2023 und somit einen Monat vor Erhebung der Zivilklage am 29.12.2023 erfolgt sei, deren Vorbereitung neue eignungsrelevante Erkenntnisse und damit einen neuen Beurteilungssachverhalt ergeben habe, greife diese Darstellung zu kurz. Richtig sei vielmehr, dass die außerordentliche Kündigung des Vorauftrages gegenüber der ARGE bereits am 28.07.2023 erfolgt sei und somit die kündigungsrelevanten Tatsachen zu diesem Zeitpunkt schon bekannt gewesen wären.
Ein Vertrauenstatbestand ergebe sich auch daraus, dass das Ausgangsverfahren nach Auffassung der VSt mangels wertungsfähiger Angebote - nicht mangels geeigneter Bieter - aufgehoben worden sei. Ein Rückgriff auf das bereits abgeschlossene Ausgangsverfahren sei daher treuwidrig i.S.d. § 242 BGB, da hierin ein widersprüchliches Verhalten liege.
Der Ausschluss wegen Nichtbeantwortung des Aufklärungsverlangens "Mitarbeiterzahlen" sei mangels Aufklärungsbedürfnis und Mitwirkungspflicht ebenfalls rechtswidrig. Ausweislich der Vergabeunterlagen seien keine Mitarbeiterzahlen gefordert gewesen. Ungeachtet dessen könne die Regelung in Ziffer 7.2 Verfahrensbrief nicht als "Freibrief" zu verstehen sein, erst im Nachgang willkürlich Fragen zu erheben, auf deren unzureichende Beantwortung prompt der Ausschluss vom Verfahren folge. Grundsätzlich dürfe die VSt dem Leistungsversprechen eines Bieters vertrauen. Dies müsse insbesondere dann gelten, wenn der Bieter - wie hier - seine personelle Leistungsfähigkeit auf Nachfrage nochmals ausdrücklich versichert habe. Zudem verbiete der Vertrauenstatbestand "Eignung" gleichermaßen eine nachträgliche eignungsbezogene Aufklärung über Mitarbeiterzahlen.
Im Übrigen würden die Ausschlussgründe nach § 124 Abs. 1 Nr. 7 bzw. Nr. 8 bzw. Nr. 9 c) GWB nicht vorliegen.
19. Mit Schreiben vom 03.05.2024 half die VSt der Rüge vom 30.04.2024 nicht ab (4. Nichtabhilfe).
20. Mit Schriftsatz vom 08.05.2024 regten die Verfahrensbevollmächtigten der ASt die vorläufige Aussetzung des Nachprüfungsverfahrens an.
21. Am 10.05.2024 teilte die Vergabekammer der ASt im Rahmen eines schriftlichen Hinweises ihre vorläufige Rechtsauffassung mit, wonach der Ausschluss des Angebotes der ASt, die Aufhebung des Ausgangsvergabeverfahrens und die Neuausschreibung des Folgevergabeverfahrens durch die VSt zu Recht erfolgt sei.
22. Mit Schriftsatz vom 22.05.2024 nahmen die Verfahrensbevollmächtigten der ASt zum Hinweis der Vergabekammer Stellung und teilten mit, dass der Nachprüfungsantrag nicht zurückgenommen werde.
Die ASt genieße vollen Vertrauensschutz. Die ASt habe davon ausgehen dürfen, der VSt bereits sämtliche für die Eignungsprüfung geforderten Unterlagen übermittelt zu haben. Die ASt habe daher auf ihre festgestellte Eignung vertrauen dürfen. Im Übrigen biete sich aus Wertungsgesichtspunkten eine Parallele zum Bieterschadensersatz an. Die VSt habe eine Rücksichtnahmepflicht verletzt, indem sie die beanstandete "Z...-Mindestreferenz" nicht schon während des Ausgangsvergabeverfahrens aufgeklärt habe.
Das nachträgliche Berufen auf den neuen Ausschlussgrund sei daher rechtsmissbräuchlich. Das Motiv der Referenzaufklärung sei einzig und allein ein Obsiegen im Nachprüfungsverfahren. Es würde gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, wenn es der VSt stets erlaubt wäre, sich nach Verfahrensaufhebung mit ihren früheren Erklärungen und ihrem früheren Verhalten in Widerspruch zu setzen. Das Berufen auf den neuen Ausschlusstatbestand sei infolge Zeitablaufs nun verwirkt. Zumindest, weil die VSt viel zu spät von ihrem Recht zur Aufklärung Gebrauch gemacht habe, handele es sich bei den um die Referenz gewonnen Erkenntnissen um keine neuen Tatsachen, die im Nachprüfungsverfahren für den Ausschluss mangels Eignung berücksichtigt werden dürften.
Der Vertrauensschutz stehe auch einem Ausschluss wegen verweigerter Aufklärung entgegen. Zudem mangele es an einem berechtigten Aufklärungsverlangen. Der VSt hätte aus der bisherigen Geschäftsbeziehung mit der ARGE hinreichend bekannt sein müssen, dass sämtliche angebotenen Projektmitarbeiter (Herr N.../Herr S.../Herr .../Frau ...) bei der ASt festangestellt seien. Daher hätte ohne Aufklärung ausgeschlossen werden können, dass es sich um einen unzulässigen Nachunternehmereinsatz handele. Jedenfalls sei das Aufklärungsverlangen in seiner Dimension unverhältnismäßig gewesen.
Ausführliche Listen mit personenbezogenen Daten zu sämtlichen Mitarbeitern der Y-Gruppe habe es nicht bedurft. Im Übrigen habe eine derartige Zuarbeit innerhalb der gesetzten Aufklärungsfrist nicht mit der gebotenen Sorgfalt erstellt und übermittelt werden können. Die VSt habe dem Leistungsversprechen vertrauen dürfen.
Im Übrigen wurde der Vortrag zu den Ausschlüssen nach § 46 Abs. 2 VgV und § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vertieft.
23. Mit Schriftsatz vom 22.05.2024 nahmen die Verfahrensbevollmächtigten der VSt zum Hinweis der Vergabekammer Stellung und wiederholten oder vertieften ihren bisherigen Vortrag.
Insbesondere sei der Ausschluss wegen Nichtbeantwortung der gestellten Aufklärungsfrage rechtmäßig gewesen, da die Aufklärungsfrage zulässig gewesen sei, ein Aufklärungsinteresse bestanden habe und der Ausschluss aus Gründen der Selbstbindung geboten gewesen sei.
In Ziffer 7.2 des Verfahrensbriefes sei ausdrücklich vorbehalten gewesen, Aufklärung über das Angebot zu verlangen. Ausdrücklich sei bestimmt gewesen, dass es sich bei der Frist zur Beantwortung um eine Ausschlussfrist handele, bei deren Nichteinhaltung ein Bieter ausgeschlossen werde. Auf die drohende Konsequenz des Ausschlusses sei die ASt im Schreiben vom 04.04.2024 nochmals ausdrücklich hingewiesen worden. Die ASt habe ein Angebot abgegeben, ohne die Regelung zu rügen.
Es bestehe auch ein Aufklärungsinteresse der VSt an der gestellten Frage nach den konkreten Mitarbeitern der ASt. Zum einen interessiere es die VSt, über wieviel Personal die ASt verfüge. In der Präsentation habe die ASt mit der Möglichkeit des Einsatzes weiterer Mitarbeiter geworben. Insofern bestehe ein Aufklärungsinteresse, welche Mitarbeiter die ASt habe, die die Leistungsfähigkeit gewährleisten. Dies gelte umso mehr, als dass die Y1, die sich selbst auf ihren Briefbögen als ein Unternehmen der ASt bezeichne, offensichtlich nicht über ausreichendes Personal verfüge, sondern bei der Auftragserfüllung im Vorprojekt stets zu wenig Personal gehabt habe.
Zum anderen seien Herrn T... als Fachplaner und Frau W... als Mitarbeiterin für das Controlling und kaufmännische Fragen im Vorprojekt als Mitarbeiter der Y1 aufgetreten. Deshalb habe die VSt ein Interesse daran zu erfahren, wo diese Mitarbeiter angestellt seien. Sofern Herr T... und Frau W... Mitarbeiter der ASt seien, hätten Mitarbeiter der ASt direkt am Vorauftrag der Y1 mitgewirkt. Das Bild der jeweils völlig getrennten Auftragserfüllung durch beide Gesellschaften würde weiter zerstört werden. Zudem hätte die Y1 im Vorprojekt die Nachunternehmerstellung der ASt nicht angegeben. Sofern Herr T... und Frau ... keine Mitarbeiter der ASt seien, hätte es die ASt unterlassen, einen Nachunternehmer im Angebot anzugeben.
Nach Ziffer 6.2 Verfahrensbrief sei dies im verbindlichen Angebot gefordert gewesen. Das Angebot der ASt wäre auch aus diesem Grund auszuschließen.
Das Aufklärungsersuchen sei verhältnismäßig gewesen. Gefordert sei eine Namensliste der Mitarbeiter der ASt. Eine Mitarbeiterliste sei in der Buchhaltung der ASt vorhanden und könne ohne weiteres innerhalb von Minuten bereitgestellt werden. Ebenfalls sei bekannt, wenn Mitarbeiter nur zu einem gewissen Prozentsatz bei der ASt beschäftigt seien.
Ein Auftraggeber dürfe zwar auf die Angaben eines Bieters vertrauen, er müsse es jedoch nicht.
Aufgrund der Selbstbindung in Ziffer 7.2 des Verfahrensbriefes habe die VSt das Angebot der ASt ausschließen müssen.
24. Mit Schriftsatz vom 28.05.2024 wiederholten die Verfahrensbevollmächtigten der VSt ihre bisherige Rechtsauffassung und bestritten, dass der VSt bekannt gewesen sei soll, dass sämtliche angebotenen Projektteammitglieder (Herr N.../Herr S.../ Herr .../ Frau ...) bei der ASt festangestellt gewesen seien. Gerade weil die VSt keine Kenntnis über die interne Mitarbeiterorganisation der Y-Gruppe gehabt habe, sei die entsprechende Aufklärungsfrage gestellt worden. Im aktuellen Teilnahmeantrag habe die ASt wiederum nur Herrn S... und Herrn T... angeboten. Dadurch verfestige sich bei der VSt der Eindruck, dass die Angabe von 37 angestellten Ingenieuren bei der ASt nicht richtig sein könne.
25. Mit Schriftsatz vom 29.05.2024 wiederholten die Verfahrensbevollmächtigten der ASt ihre bisherige Rechtsaufassung.
26. Mit Schreiben vom 29.05.2024 stellten die Verfahrensbevollmächtigten der VSt im Vergabeverfahren mit Vergabenummer ... der ASt aufgrund ihrer Ausführungen im Schriftsatz vom 22.05.2024 folgende Aufklärungsfragen:
"a) Ist es richtig, dass die angebotenen Projektmitglieder (Herr N...../Herr S...../Herr T...../ Frau W.....) nicht bei der Y1 angestellt sind und auch nicht angestellt waren? b) Bitte stellen Sie uns dar, wie die angebotenen Projektmitglieder Herr T... und Frau W... im Vorauftrag (Fachplanungsvertrag TGA vom xx.xx.xxxx) für die Y1 eingebunden waren. c) Bitte teilen Sie uns auch mit, bei welcher Y-Gesellschaft Frau H... angestellt ist, und stellen Sie uns dar, wie Frau H... im Vorauftrag für die Y1 eingebunden war". Die Frist zur Stellungnahme wurde bis 05.06.2024, 12:00 Uhr gewährt. Auf einen Ausschluss bei Nichtbeantwortung der Aufklärungsfragen wurde hingewiesen.
27. Mit Schreiben vom 04.06.2024 rügten die Verfahrensbevollmächtigten der ASt das weitere Aufklärungsverlangen der VSt vom 29.05.2024 (5. Rüge).
28. Mit Schreiben vom 06.06.2024 half die VSt der Rüge vom 04.06.2024 nicht ab (5. Nichtabhilfe).
Die ASt wurde wegen erneut Nichtbeantwortung von Aufklärungsfragen aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen.
29. Die Fünf-Wochen-Frist des § 167 Abs. 1 Satz 1 GWB wurde wegen tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten gem. § 167 Abs. 1 Satz 2 GWB am 25.04.2024 und 07.06.2024 bis einschließlich 12.07.2024 verlängert.
30. In der mündlichen Verhandlung am 07.06.2024 hatten die Beteiligten Gelegenheit, sich zur Sache zu äußern.
Die Parteien bleiben bei ihren schriftsätzlich gestellten Anträgen.
31. Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die Verfahrensakte der Vergabekammer, das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, Bezug genommen.
Begründung:
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a) Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfungsverfahren nach § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 S. 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.
b) Die VSt ist öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 1 GWB.
c) Bei den ausgeschriebenen Dienstleistungen handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 103 Abs. 4 GWB.
d) Der Auftragswert übersteigt den Schwellenwert nach Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU (§ 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB).
e) Die ASt ist antragsbefugt im Sinne des § 160 Abs. 2 GWB, denn sie hat ihr Interesse an dem öffentlichen Auftrag mit der Abgabe eines Angebotes nachgewiesen und eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Sie hat zudem dargelegt, dass ihr durch den Ausschluss ihres Angebotes und Aufhebung des Ausgangsvergabeverfahrens sowie Neuausschreibung des Folgevergabeverfahrens ein Schaden zu entstehen droht.
f) Die ASt hat ihrer Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB genügt. Die ASt hat den Ausschluss ihres Angebotes und die Aufhebung des Ausgangsvergabeverfahrens sowie die Neuausschreibung des Folgevergabeverfahrens rechtzeitig gerügt. Ebenso wurden während des Nachprüfungsverfahren die weiteren seitens der VSt geltend gemachten Ausschlussgründe rechtzeitig gerügt.
g) Zum Zeitpunkt der Stellung des Nachprüfungsantrags am 28.03.2024 war die 15-TagesFrist gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB nicht abgelaufen.
h) Der Zuschlag wurde noch nicht erteilt, § 168 Abs. 2 S. 1 GWB.
2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.
a) Der Ausschluss des Angebotes der ASt ist rechtmäßig.
aa) Die VSt hat das Angebot der ASt zu Recht ausgeschlossen, weil die beigebrachte Referenz den Mindestanforderungen nicht genügt.
Das Angebot der ASt ist zwingend gemäß § 57 Abs. 1 Halbsatz 1 i.V.m. Abs. 3 VgV auszuschließen, da die Eignungskriterien nicht erfüllt werden.
In der Auftragsbekanntmachung wurde in Ziffer III.1.3) für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit unter anderem Referenzen über die Fachplanung Technische Ausrüstung LP 6 bis 8 bzw. LP 5 für die Anlagegruppen 4 und 5 für ein großvolumiges Hochbauvorhaben nach näherer Beschreibung in Formblatt 1 "Teilnahmeantrag" Ziffer 7.2 bzw. 7.4 gefordert.
In Ziffer 7.2 bzw. 7.4 Formblatt 1 "Teilnahmeantrag" wurden u.a. folgende Vorgaben gestellt: "Referenzzeitraum: nicht älter als 10 Jahre, das heißt Übergabe des fertig gestellten Gebäudes an den Bauherrn nicht vor dem 14. November 2013" sowie "Das Gebäude muss als Arbeitsstätte, Versammlungsstätte, Kultureinrichtung, Einrichtung der Daseinsvorsorge oder der öffentlich zugänglichen Infrastruktur (beispielhafte Aufzählung) dem gleichzeitigen Aufenthalt einer Vielzahl von Personen in dem Gebäude dienen und aufgrund der Nutzung einen erhöhten Bedarf an technischer Gebäudeausrüstung aufweisen". Die Abgabe des vollständig ausgefüllten Formblattes 5 "Referenzbogen" (ein Bogen je Projekt) wurde gefordert.
Die ASt reichte jeweils ein ausgefülltes Formblatt 5 "Referenzbogen" für die Fachplanung Technische Ausrüstung LP 6 bis 8 (gemäß Ziffer 7.2 des Teilnahmeantrages) bzw. LP 5 (gemäß Ziffer 7.4 des Teilnahmeantrages) ein. In beiden Referenzbögen wurde das "Z..." als Referenz benannt. In der "Kurzbeschreibung des Vorhabens" wurde jeweils "Neubau eines Campus ..., T... - Verwaltungsgebäude, Labor- und Forschungshalle, Hörsaal" angegeben. Im Punkt "Übergabe des fertig gestellten Gebäudes an den Bauherrn am:" gab die ASt jeweils "09/2014" an. In der beigefügten Objektbeschreibung gab die ASt für die Planungs- und Bauzeit die Jahre 2009-2014 an und dass das Gebäude sich grundsätzlich in zwei Bereiche - die eingeschossige Versuchshalle und das dreigeschossige Bürogebäude unterteile. Auf dem Dach sei eine Technikzentrale im 3. OG geplant und umgesetzt worden. Es wurden ein Grundriss "Werkstatt EG/Ausführungsplanung - Starkstromanlagen" und ein Auszug "Grundriss Neubau EG - Starkstromanlagen Verwaltungsgebäude/Versuchshalle Teil 1" sowie Bilder beigefügt.
Die ASt hat zwar schon in der mündlichen Sitzung ihre Rechtsauffassung insoweit revidiert, dass ihr "nichts unklar" gewesen sei und daher keine Bieterfrage erforderlich gewesen sei, aber zur Klarstellung wird hiermit festgehalten, dass die Vorgabe "Referenzzeitraum: nicht älter als 10 Jahre, das heißt Übergabe des fertig gestellten Gebäudes an den Bauherrn nicht vor dem 14. November 2013" entgegen der in der Rüge vom 10.04.2024 vorgetragenen Rechtsauffassung der ASt nicht unklar gewesen ist. Die ASt hatte insoweit zunächst geäußert, dass an keiner Stelle der Vergabeunterlagen hinreichend transparent gemacht worden sei, was konkret mit "Übergabe nach Fertigstellung" gemeint sei. Unabhängig davon, dass die Möglichkeit einer Bieterfrage bestanden hatte, hat die ASt die Vergabeunterlagen jedenfalls nicht gerügt. Überdies ergibt die Auslegung der Vergabeunterlagen nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (vgl. BGH, Beschluss vom 15.01.2013, X ZR 155/10), dass der Begriff "Übergabe" vorliegend unmissverständlich ist. Für die Auslegung von Vergabeunterlagen ist auf die objektive Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters abzustellen, der mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertraut ist.
Maßgeblich ist nicht das Verständnis eines einzelnen Bieters, sondern wie der abstrakt angesprochene Empfängerkreis die Vergabeunterlagen versteht (vgl. OLG Karlsruhe, NZBau 2016, 449). Aus Sicht eines verständigen und fachkundigen Bewerbers ist vorliegend klar erkennbar, dass der Begriff "Übergabe" nicht die Erfüllung aller Leistungsverpflichtungen, die nach dem HOAI-Vertrag bestehen, bedeutet, sondern in dem Sinne zu verstehen ist, dass dem Bauherrn nach Abschluss der Bauarbeiten das Gebäude zur Nutzung zurückgegeben wurde.
Entgegen der Auffassung der ASt kommt es für die "Übergabe" daher auch nicht auf die seitens der ASt vorgebrachten abschließenden Revisionszeichnungen oder die Schlussrechnungslegung an.
Die von der ASt eingereichte Referenz "Z..." erfüllt den geforderten Referenzzeitraum nicht, denn die Übergabe des fertig gestellten Gebäudes an den Bauherrn erfolgte bereits vor dem 14. November 2013.
Der von der ASt im Formblatt 5 "Referenzbogen" für die Referenz "Z..." angegebene Übergabezeitpunkt "09/2014" ist nach Auffassung der Vergabekammer unzutreffend.
Zur Überzeugung der Vergabekammer erfolgte die Übergabe der Baumaßnahme "Z..." am xx.xx.2012. Zu diesem Zeitpunkt wurde das fertig gestellte Gebäude mit einer offiziellen Feier eingeweiht. Die entsprechende mediale Berichterstattung hat die VSt dokumentiert. Auch die ASt gibt insoweit zu, dass im Jahr 2012 das Auditorium "politisch übergeben" worden sei. Entgegen der Auffassung der ASt kann aber der Übergabezeitpunkt des "...prüfstandes" nicht als maßgebliches Übergabedatum berücksichtigt werden.
Bei der Baumaßnahme "Z..." und dem "...prüfstand" handelt es sich nicht um ein einheitliches Projekt, sondern um zwei getrennte Projekte. Der "...prüfstand" wurde erst später und gesondert beauftragt. Dies und das Übergabedatum wird objektiv belegt durch die seitens der VSt ausführlich dokumentierte Aufklärung beim Referenzgeber (... - Herr ...). Der Referenzgeber hat dies auch in einem Telefonat mit dem Vorsitzenden der Vergabekammer auf Nachfrage bestätigt. Nach der dortigen Auskunft habe es sich beim Neubau des Auditoriums einerseits und dem "...prüfstand" andererseits um zwei eigenständige Projekte und zwei getrennt vergebene Planungsaufträge für die technische Gebäudeausrüstung gehandelt. Bei der Ausschreibung für das Auditorium sei noch gar nicht klar gewesen, dass auch ein "...prüfstand" gebaut werde. Der Bau des "...prüfstands" klärte sich erst mit der späteren Berufung des Professors für den Campus ...... Für beide Projekte habe es daher zwei völlig eigenständige HOAI-Verträge gegeben. Der Referenzgeber hat zur Überzeugung der Vergabekammer die Aussagen der ASt glaubhaft widerlegt und als falsch enttarnt. Insbesondere sind beide Vorhaben nicht untrennbar und wurden nicht von Anfang zusammen geplant. Das Auditorium ist ohne den ...prüfstand nicht funktionslos.
Überdies kann der Übergabezeitpunkt des "...prüfstandes" auch deshalb nicht als maßgebliches Übergabedatum berücksichtigt werden, da der "...prüfstand" im streitgegenständlichen Vergabeverfahren gar nicht Bestandteil der eingereichten Referenz war. Zu dieser Auffassung ist die Vergabekammer nach objektiver Auslegung der eingereichten Unterlagen der ASt gekommen. Hinsichtlich des Angebots eines Bieters ist Maßstab der Auslegung, wie ein mit den Umständen des Einzelfalls vertrauter Dritter in der Lage der Vergabestelle das Angebot nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste oder durfte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.03.2017, Verg 54/16). Die VSt durfte zu Recht davon ausgehen, dass nur das "Z..." als Referenz eingereicht worden ist. Im Formblatt 5 "Referenzbogen" wird der "...prüfstand" an keiner Stelle erwähnt. Die in den Referenzbögen enthaltenen Grundrisse umfassen nur die Werkstatt und das Verwaltungsgebäude des "Z...". Weder die Objektbeschreibung noch die beigefügten Unterlagen enthalten einen Hinweis auf den "...prüfstand". Hingegen findet die Auffassung der ASt, die eingereichte Referenz hätte auch den "...prüfstand" umfasst, keinerlei Grundlage in den eingereichten Unterlagen.
Im Übrigen hat die Vergabekammer Zweifel an der Darstellung der ASt, dass der "...prüfstand" bereits Teil der Referenz gewesen sein soll. Würde man der Argumentation der ASt insoweit und auch bezüglich der Auslegung des Übergabezeitpunktes folgen, dann wäre die Angabe der ASt im Referenzbogen zur Übergabe am "09/2014" falsch, denn der "...prüfstand" wurde erst später "technisch" übergeben.
Gegen die Darstellung der ASt spricht auch, dass die ASt durchaus zwischen beiden Projekten trennt. So hat die ASt bereits in ihrer damaligen Angebotspräsentation gegenüber der VSt den "...prüfstand" gesondert aufgezählt. Bei der Vorstellung des Projektleitungsteams wird sowohl bei Herrn N... als auch bei Herrn S... bei den persönlichen Referenzen neben dem "Z..." ausdrücklich der "...prüfstand" benannt.
Hierfür spricht auch die in der mündlichen Verhandlung an die Vergabekammer übergebene Kopie einer Referenz, die laut ASt von ihr in einer ...... Ausschreibung als Bewerbungsunterlage eingereicht worden sein soll. Zwar sieht die Aufmachung dieser Referenz auf den ersten Blick optisch sehr ähnlich mit der im streitgegenständlichen Verfahren eingereichten Referenz aus, allerdings ergeben sich relevante Unterschiede: Anders als in der streitgegenständlichen Referenz "Z..." hat die ASt in der H... Ausschreibung den "...prüfstand" eindeutig sowohl mit einer eigenständigen Beschreibung und als auch mit eigenen Bildern kenntlich gemacht. Darin wird auch ausdrücklich zwischen dem "Neubau eines Campus ..., ... - Verwaltungsgebäude, Labor- und Forschungshalle, Hörsaal" und "Neubau/Erweiterung eines ...prüfstandes am Campus ..." unterschieden. Dies hat in der streitgegenständlichen Referenz "Z..." aber gerade gefehlt.
Die Vergabekammer hat Zweifel, dass es überhaupt zulässig ist, das Verwaltungsgebäude des Z... und den ...prüfstand als einheitliche Referenz zu betrachten. Die Aufmachung der vorgelegten H... Referenz verschleiert, dass es sich um zwei verschiedene Aufträge handelt.
Der ASt ist der Unterschied zwischen beiden Projekten durchaus bewusst. Im verfahrensgegenständlichen Referenzbogen wurde nur das "Z..." benannt. Der "...prüfstand" findet darin weder mit Worten noch mit Bildern Erwähnung; was nach Auffassung der Vergabekammer auch richtig ist. Denn die beiden Aufträge wurden gesondert beauftragt. Die Vergabekammer wertet die Einlassungen der ASt im laufenden Nachprüfungsverfahren, dass das Verwaltungsgebäude des Z... und der ...prüfstand untrennbar miteinander verbunden seien, als Schutzbehauptung, die nicht den Tatsachen entspricht.
Nach Ansicht der Vergabekammer steht dem Ausschluss vorliegend auch kein Vertrauenstatbestand entgegen: Grundsätzlich wird in der Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand angenommen, wenn in einem Verhandlungsverfahren mit vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Teilnehmer geprüft und die Eignung - wie hier - bejaht hat. Mit der positiven Eignungsprüfung wird ein Vertrauenstatbestand für die zugelassenen Unternehmen dahingehend begründet, dass sie nicht damit rechnen müssen, der ihnen durch die Erstellung der Angebote und Teilnahme am Wettbewerb entstandene Aufwand könnte dadurch nachträglich nutzlos werden, dass der Auftraggeber ihre Eignung auf gleichbleibender tatsächlicher Grundlage später nochmals abweichend beurteilt (vgl. BGH, Beschluss vom 07.01.2014, X ZB 15/13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.04.2022, Verg 25/21).
Im vorliegenden Fall vertritt die Vergabekammer die Auffassung, dass die seitens der VSt nachträglich festgestellte fehlende Eignung der ASt berücksichtigt werden darf. Bei der Erkenntnis der VSt, dass die Angaben der ASt in den oben genannten Referenzbögen hinsichtlich der Übergabe des fertig gestellten Gebäudes an den Bauherrn unzutreffend waren, handelt es sich um einen neuen Umstand. Die Ausschlussentscheidung der VSt beruht somit auf einer neuen Tatsachengrundlage. Dies erachtet die Vergabekammer - auch unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes - für zulässig.
Der Auffassung der ASt, dass es sich bei den um die Referenz gewonnen Erkenntnissen um keine neuen Tatsachen handelt, allein deshalb, weil die VSt "zu spät" von ihrem Recht zur Aufklärung Gebrauch gemacht haben soll, folgt die Vergabekammer nicht. Zum Zeitpunkt der Erkenntniserlangung hat es sich für die VSt um eine neue Tatsache gehandelt. Zwar hätte die VSt bereits zuvor im Teilnahmewettbewerb die Unrichtigkeit der Angaben zur Referenz durch eine sorgfältigere Prüfung erkennen können, allerdings führt dieses Versäumnis - entgegen der Auffassung der ASt - nicht dazu, dass ein Ausschluss der ASt infolge Zeitablaufs verwirkt oder durch eine vermeintliche Rücksichtsnahmepflichtverletzung ausgeschlossen sein soll. Auch ein rechtsmissbräuchliches Verhalten seitens der VSt kann die Vergabekammer hierin nicht erkennen.
Überdies kann sich vorliegend die ASt auch nicht auf einen Vertrauenstatbestand berufen, weil sie unrichtige Angaben getätigt hat. Nach Auffassung der Vergabekammer entsteht ein entsprechender Vertrauenstatbestand nur dann, wenn der Bewerber im Teilnahmewettbewerb alle erforderlichen Unterlagen rechtzeitig übermittelt und wahre Angaben getätigt hat. Im Falle von unrichtigen Angaben zu seinen Referenzen kann sich ein Bewerber nicht uneingeschränkt auf einen Vertrauensschutz bezüglich seiner zunächst festgestellten Eignung berufen. Bei fahrlässig getätigten Falschangaben und erst recht bei arglistigen Handeln bzw. vorsätzlicher Täuschung ist der Bewerber jedoch nicht schutzwürdig, weshalb insoweit kein Vertrauenstatbestand gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber entstehen kann. Insofern darf sich die VSt daher ausnahmsweise auch nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs noch auf den Ausschlussgrund der fehlenden Eignung berufen.
Im Übrigen ergibt sich ein Vertrauensschutz für die ASt auch nicht dadurch, dass sich die VSt laut ASt vermeintlich widersprüchlich verhalten haben soll. Das Ausgangsvergabeverfahren wurde mangels zuschlagsfähiger Angebote aufgehoben. Allein der Umstand, dass sich die VSt zunächst auf die Ausschlussgründe nach § 124 Abs. 1 GWB und § 46 Abs. 2 VgV gestützt hat, verwehrt der VSt nicht, sich nachträglich zusätzlich auf neue Ausschlussgründe - hier fehlende Eignung des letztverbliebenen Bieters - zu berufen. Ein widersprüchliches Verhalten der VSt kann die Vergabekammer hierin nicht erkennen.
bb) Auch der Ausschluss des Angebotes der ASt mit Schreiben vom 22.04.2024 wegen Nichtbeantwortung der im Schreiben vom 04.04.2024 gestellten Aufklärungsfrage nach Ziffer 7.2 des Verfahrensbriefes zur Einreichung der verbindlichen Angebote (Bewerbungsbedingungen Teil D.) ist rechtmäßig.
Die VSt hat sich in den Bewerbungsbedingungen Teil D. vorbehalten, nach pflichtgemäßen Ermessen Aufklärung von den Bietern über das verbindliche Angebot zu verlangen. Es wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei der Frist zur Beantwortung der Aufklärungsfragen um eine Ausschlussfrist handelt, bei deren Nichteinhaltung der Ausschluss des Bieters aus dem Vergabeverfahren erfolgt, es sei denn, der Bieter hat die Fristversäumnis nicht zu vertreten.
Mit Schreiben vom 04.04.2024 erfolgte eine Aufklärung zur Mitarbeiteranzahl der ASt. Die ASt wurde mit Frist bis 11.04.2024, 16:00 Uhr, dazu aufgefordert: "eine Liste mit den Namen der angegebenen 37 Ingenieure, sieben technischen Zeichnern sowie drei Auszubildenden, der sechs kaufmännischen Mitarbeiter und des kaufmännischen Auszubildenden einzureichen. Hierbei ist hinter jedem Namen anzugeben, bei welcher Gesellschaft diese Personen fest angestellt sind. Sollten einzelne Personen bei mehreren Gesellschaften prozentual beschäftigt sein, geben Sie die jeweiligen prozentualen Anteile an". Auf einen Ausschluss des Angebotes bei Nichteinreichung der Antworten wurde im Schreiben nochmals ausdrücklich hingewiesen.
Zwar ist der ASt zuzustimmen, dass ein Auftraggeber grundsätzlich den Angaben eines Bieters vertrauen darf und es keinen "Freibrief für willkürliche Fragen" gibt. Allerdings besteht keine Pflicht des Auftraggebers den Angaben eines Bieters zu vertrauen. Insbesondere wenn sich - wie hier - begründete Zweifel aus dem Angebot ergeben, die das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht plausibel erscheinen lassen, ist der Auftraggeber zur Aufklärung berechtigt.
Nach Auffassung der Vergabekammer ist das Aufklärungsinteresse der VSt an den konkreten Beschäftigenzahlen und Beschäftigungsverhältnisse der ASt berechtigt. Die VSt hat dies nachvollziehbar damit begründet, dass die Angaben der ASt hinsichtlich ihrer Mitarbeiter unklar gewesen sind und die Angabe von 37 angestellten Ingenieuren bei der ASt nicht richtig sein kann. Die VSt beabsichtigte mit der Aufklärungsfrage die Gewährleistung der Leistungsfähigkeit der ASt zu überprüfen und ob die ASt es eventuell unterlassen hat, einen Nachunternehmer im Angebot anzugeben. Der Anlass und die Begründung für die Aufklärung sind somit sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich.
Auch die Vergabekammer sieht insoweit ein Aufklärungsbedürfnis gegeben. Daran ändert auch die mehrmals ausdrücklich geäußerte Versicherung der ASt hinsichtlich ihrer personellen Leistungsfähigkeit nichts. Die Angaben der ASt bezüglich ihrer Mitarbeiter sind unklar. Die interne Mitarbeiterorganisation der Y-Gruppe ist undurchsichtig gestaltet. Mangels klarer Trennung zwischen der ASt und den weiteren Unternehmen in der Y-Gruppe kann die Beschäftigungszahl und die Beschäftigungsverhältnisse bei der ASt nicht eindeutig festgestellt werden. Dies hat sich auch dadurch bestätigt, dass die ASt selbst in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage war, die konkreten Beschäftigungsverhältnisse ihres Personals, in Abgrenzung zur Y-Gruppe transparent und nachvollziehbar darzulegen. Einerseits ist die Rede vom Personal der ASt, andererseits ist die Rede vom ausgeliehenen Personal der Y-Gruppe. Die Angaben der ASt zur Mitarbeiterorganisation sind daher auch weiterhin widersprüchlich und intransparent.
Das Aufklärungsersuchen ist verhältnismäßig gewesen. Die VSt hat von der ASt eine Namensliste mit entsprechenden Angaben zu deren Beschäftigungsverhältnis gefordert. Die Namenliste bezieht sich auf Mitarbeiter, die die ASt selbst in ihrer Angebotspräsentation erwähnt hat. Die Angebotspräsentation erweckt auch den Eindruck, dass die erwähnten Mitarbeiter bei der ASt angestellt sind, schließlich handelt es sich um ein Angebot der ASt und nicht der Y-Gruppe. Insofern stellt die Forderung der Auflistung von eigenen Mitarbeitern keine unzumutbare Aufgabe dar.
Die hierfür gesetzte Frist von 7 Tagen ist auch angemessen gewesen. Ein Antrag auf Fristverlängerung wäre laut VSt sogar möglich gewesen, wurde aber seitens der ASt nicht gestellt.
Die ASt ist dem zulässigen Aufklärungsverlangen der VSt nicht nachgekommen.
Der Ausschluss ist aus Gründen der Selbstbindung in Ziffer 7.2 des Verfahrensbriefes zur Einreichung der verbindlichen Angebote (Bewerbungsbedingungen Teil D.) zwingend geboten gewesen. Die Möglichkeit einer Ermessensentscheidung bestand nicht. Die ASt wurde auch im Aufklärungsschreiben auf die drohende Konsequenz bei Nichtbeantwortung der Aufklärungsfrage nochmals hingewiesen.
Im Übrigen steht entgegen der Auffassung der ASt auch kein Vertrauensschutz einem Ausschluss wegen verweigerter Aufklärung entgegen. Wie bereits unter Ziffer 2. a) aa) dargelegt, liegt bereits kein Vertrauenstatbestand bezüglich der Eignung der ASt vor, der einer nachträglichen eignungsbezogenen Aufklärung über Mitarbeiterzahlen entgegenstehen könnte. Überdies geht es vorliegend bei der Aufklärung der Mitarbeiteranzahl um die Gewährleistung der Leistungsfähigkeit der ASt und ob die ASt möglicherweise einen Nachunternehmereinsatz verschwiegen hat.
cc) Des Weiteren ist der Ausschluss des Angebotes der ASt mit Schreiben vom 06.06.2024 wegen Nichtbeantwortung der im Schreiben vom 29.05.2024 gestellten Aufklärungsfrage rechtmäßig.
Mit Schreiben vom 29.05.2024 stellten die Verfahrensbevollmächtigten der VSt im Ausgangsvergabeverfahren zur weiteren Aufklärung der Mitarbeiterkonstellation folgende Aufklärungsfragen: "a) Ist es richtig, dass die angebotenen Projektmitglieder (Herr N.../Herr S.../Herr T.../ Frau W...) nicht bei der Y1 angestellt sind und auch nicht angestellt waren? b) Bitte stellen Sie uns dar, wie die angebotenen Projektmitglieder Herr T... und Frau W... im Vorauftrag (Fachplanungsvertrag TGA vom ...) für die Y1 eingebunden waren. c) Bitte teilen Sie uns auch mit, bei welcher Y-Gesellschaft Frau H... angestellt ist, und stellen Sie uns dar, wie Frau H... im Vorauftrag für die Y1 eingebunden war". Auf einen Ausschluss des Angebotes bei Nichtbeantwortung der Aufklärungsfragen wurde im Schreiben nochmals ausdrücklich hingewiesen.
Die VSt begründete ihr Aufklärungsinteresse damit, dass sie wissen möchte, wo die abgefragten Personen tatsächlich angestellt sind und wie sie im Vorauftrag für die Y1 eingebunden waren. Die genannten Personen sind gegenüber der VSt bislang als Mitarbeitende der Y1 aufgetreten. Anlass der Nachfrage ist, dass die ASt in ihrer Stellungnahme vom 22.05.2024 vorträgt, dass die abgefragten Personen alle bei der ASt angestellt sind ("sämtliche angebotenen Projektmitglieder (Herr N.../Herr .../ Herr T.../ Frau W...) der Antragstellerin bei dieser als Y1 festangestellt sind"). Das ursprüngliche Aufklärungsinteresse bestehe insoweit fort.
Unter Bezugnahme auf die obigen Darstellungen unter Ziffer 2. a) bb) ist nach Auffassung der Vergabekammer auch das weitere Aufklärungsinteresse der VSt berechtigt und das Aufklärungsersuchen verhältnismäßig. Für die ASt stellt die geforderte Aufklärung zur Mitarbeiterkonstellation keine unzumutbare Aufgabe dar, zumal sie selbst im Schriftsatz vom
22.05.2024 die Mitarbeiter genannt und somit den Grund zur Aufklärung veranlasst hat.
Die hierfür gesetzte Frist von 7 Tagen ist auch angemessen gewesen. Ein Antrag auf Fristverlängerung wäre laut VSt sogar möglich gewesen, wurde aber seitens der ASt nicht gestellt.
Die ASt ist dem zulässigen Aufklärungsverlangen der VSt nicht nachgekommen.
Die Vergabekammer merkt in diesem Zusammenhang an, dass das Verständnis der ASt vom Übermittlungsschreiben der Vergabekammer am 29.05.2024 völlig unzutreffend ist. Die ASt hat insoweit in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, dass sie das Übermittlungsschreiben der Vergabekammer dahingehend verstanden habe, dass sie die Aufklärungsfrage in der mündlichen Verhandlung beantworten kann.
Bei dem Übermittlungsschreiben der Vergabekammer vom 29.05.2024 handelte es sich um ein prozessuales Standardschreiben mit dem der Schriftsatz der VSt vom 28.05.2024 an die ASt zur Kenntnisnahme übersendet worden ist. Der Zusatz "Sofern Sie hierzu eine ergänzende Stellungnahme vortragen möchten, besteht dazu die Möglichkeit in der mündlichen Verhandlung" hat sich allein auf den übermittelten Schriftsatz der VSt vom 28.05.2024 bezogen, in dem die VSt auf den Schriftsatz der ASt vom 22.05.2024 erwidert hat. Der übermittelte Schriftsatz der VSt vom 28.05.2024 hat keinerlei Bezug zu der ohnehin erst zeitlich später gestellten Aufklärungsfrage der VSt im außerprozessualen Schreiben vom 29.05.2024. Wie die anwaltlich vertretene ASt zu der Schlussfolgerung kommen konnte, die erst im Nachgang und außerprozessual im Ausgangsvergabeverfahren gestellte Aufklärungsfrage der VSt im Schreiben vom 29.05.2024 nicht fristgerecht beantworten zu müssen, kann die Vergabekammer nicht nachvollziehen. Vor allem auch im Hinblick darauf, dass das Nachprüfungsverfahren einerseits und das Vergabeverfahren andererseits jeweils unabhängige Verfahren darstellen. Die Anmerkung der Vergabekammer erfolgte lediglich aus prozessökonomischen Gründen, da der Sitzungstermin kurz bevorstand. Im Übrigen erhielt auch die VSt spiegelbildlich ein gleichlautendes Übermittlungsschreiben, in dem der Schriftsatz der ASt vom 29.05.2024 an die VSt zur Kenntnisnahme übersendet worden ist.
Der Ausschluss ist aus Gründen der Selbstbindung in Ziffer 7.2 des Verfahrensbriefes zur Einreichung der verbindlichen Angebote (Bewerbungsbedingungen Teil D.) zwingend geboten gewesen. Die Möglichkeit einer Ermessensentscheidung bestand nicht. Die ASt wurde auch im Aufklärungsschreiben auf die drohende Konsequenz bei Nichtbeantwortung der Aufklärungsfrage nochmals hingewiesen.
Im Übrigen steht entgegen der Auffassung der ASt auch kein Vertrauensschutz einem Ausschluss wegen verweigerter Aufklärung entgegen. Wie bereits unter Ziffer 2. a) aa) dargelegt, liegt bereits kein Vertrauenstatbestand bezüglich der Eignung der ASt vor, der einer nachträglichen eignungsbezogenen Aufklärung entgegenstehen könnte. Überdies geht es vorliegend bei der Aufklärung zur Mitarbeiterkonstellation um die Gewährleistung der Leistungsfähigkeit der ASt und ob die ASt möglicherweise einen Nachunternehmereinsatz verschwiegen hat.
b) Die Entscheidung der VSt das Ausgangsvergabeverfahren mangels zuschlagsfähiger Angebote nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 VgV aufzuheben ist rechtmäßig.
Wie bereits oben unter Ziffer 2. a) dargelegt, erfolgte der Ausschluss des Angebotes der ASt zu Recht.
Infolgedessen durfte die VSt mangels zuschlagsfähiger Angebote das Vergabeverfahren rechtmäßig aufheben. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
Unabhängig von der - hier ohnehin gegebenen - Rechtmäßigkeit ist die Aufhebungsentscheidung jedenfalls wirksam. Entgegen der Auffassung der ASt liegt keine Scheinaufhebung vor. Wie bereits unter Ziffer 2. a) dargelegt, erfolgte der Ausschluss des Angebotes der ASt rechtmäßig. Eine willkürliche oder rechtsmissbräuchliche Aufhebung zum Nachteil der ASt liegt nicht vor. Eine Aufhebung der Aufhebungsentscheidung kommt daher vorliegend nicht in Betracht.
c) Auch die Neuausschreibung des Folgevergabeverfahrens ist rechtmäßig.
Wie unter Ziffer 2. b) dargelegt, war die Aufhebung des Ausgangsvergabeverfahren wirksam und rechtmäßig. Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Ausschreibung des Folgevergabeverfahrens sind nicht ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
a) Die ASt trägt die Kosten des Verfahrens, weil sie mit ihrem Nachprüfungsantrag unterlegen ist (§ 182 Abs. 3 Satz 1 GWB).
b) Die Kostenerstattungspflicht gegenüber der VSt ergibt sich aus § 182 Abs. 4 GWB.
c) Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die VSt notwendig (§ 182 Abs. 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG entspr.). Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach gelagerten Fall, so dass es der VSt nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen. Auch die ASt war gleichermaßen rechtsanwaltlich vertreten.
d) Die Gebühr war nach § 182 Abs. 2 GWB festzusetzen. Im Hinblick auf die Bruttoangebotssumme der ASt und unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von x.xxx,- EUR. Da ohne Beiladung entschieden werden konnte, wird die Gebühr um xxx,- EUR auf x.xxx,- EUR reduziert.
Der Berechnung der Verfahrenskosten liegt kein kumulativer Auftragswert beider Vergabeverfahren zu Grunde. Nach Auffassung der Vergabekammer liegt der streitgegenständliche Schwerpunkt des Nachprüfungsverfahrens allein im Ausgangsvergabeverfahren. Das Folgevergabeverfahren stellt lediglich einen Annex dar (Zuschlagsverbot). Aus wirtschaftlicher Betrachtungsweise handelt es sich im Ausgangs- und Folgevergabeverfahren letztlich um ein und denselben Auftrag.
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VK Bund
Beschluss
vom 27.09.2024
VK 2-69/24
1. Der öffentliche Auftraggeber darf nur solche Zuschlagskriterien berücksichtigen, die in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen genannt sind.
2. Der Katalog der zulässigen Zuschlagskriterien in § 16d EU Abs. 2 VOB/A 2019 ist nicht abschließend. Entscheidend ist, ob das Zuschlagskriterium mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung steht.
3. Verbindung zwischen Zuschlagskriterium und Auftragsgegenstand besteht auch dann, wenn sich ein Zuschlagskriterium auf Prozesse im Zusammenhang mit der Herstellung, Bereitstellung oder Entsorgung der Leistung, auf den Handel mit der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus der Leistung bezieht.
4. Längere als die in § 13 Abs. 4 VOB/B genannten Gewährleistungsfristen für Mängel können ein zulässiges Zuschlagskriterium sein. Durch eine Verlängerung der Gewährleistungsfristen wird den Bietern kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet.
5. Der Preis hat stets ein gewichtiges Merkmal darzustellen, das beim Zuschlagskriterium des wirtschaftlichsten Angebots nicht am Rande der Wertung stehen darf, sondern das vom Auftraggeber in ein angemessenes Verhältnis zu den übrigen Wertungskriterien zu bringen ist.
6. Geht der Preis mit einer Gewichtung von 80 % und die Qualität der Leistung mit einer Gewichtung von 20 % in die Wertung ein, kann nicht angenommen werden, der Zuschlag könne losgelöst von der Qualität der Leistung erteilt werden.
Tenor
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) und die der Antragsgegnerin zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Aufwendungen.
Gründe
I.
1. Die Antragsgegnerin (Ag) veröffentlichte am ### Wohneinheiten ### im Rahmen eines offenen Verfahrens. Die bekanntgemachten Änderungen betrafen auch die Zuschlagskriterien. Während in der ursprünglichen Fassung der Bekanntmachung vom ### als Zuschlagskriterien die Kriterien Preis (Gewichtung: 80 %) und Qualität - Fristen (Gewichtung: 20 %) vorgesehen waren, sah die letzte Bekanntmachung vom 24. Juni 2024 folgende Änderungen hinsichtlich der Unterkriterien des qualitativen Zuschlagskriteriums vor:
"- Ausführungszeiten: (neu): Gewichtung 5 %; ursprüngliche Gewichtung 20 %;
- (neu): Verjährungsfrist für Mängelansprüche; Gewichtung 10 %;
- (neu): Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für opake Bauteile; Gewichtung 2,5 %, inkl. Einführung eines Bietungsfaktors zwischen 1 und 0;
- (neu): Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für transparente Bauteile; Gewichtung 2,5 %, inkl. Einführung eines Bietungsfaktors zwischen 1 und 0."
Zu diesen qualitativen Unterkriterien sind den Vergabeunterlagen folgende Hinweise zu entnehmen:
"Ausführungsfrist: Wird die im Leistungsverzeichnis (LV) angegebene max. zulässige Ausführungsfrist angeboten, erhält der Bieter 0 Punkte. Für jede Woche weniger erhält der Bieter 0,5 Punkte, so dass sich bei einer angebotenen Verkürzung von 20 Wochen die maximale Punktzahl von 10 Punkten ergibt.
Verjährungsfrist für Mängelansprüche: Werden die Regelverjährungsfristen des § 13 VOB/B angeboten, erhält der Bieter 0 Punkte. Macht ein Bieter - abweichend von § 13 VOB/B - das Angebot einer einheitlichen Verjährungsfrist für Mängelansprüche von 4 Jahren, erhält er 2 Punkte. Für darüber hinaus gehende, einheitliche Verjährungsfristen erhält der Bieter für jedes zusätzliche Jahr zwei Punkte. Die Höchstpunktzahl liegt bei 10 Punkten.
Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für opake Bauteile: Der Höchstwert des mittleren Wärmedurchgangskoeffizienten der wärmeübertragenden Umfassungsfläche für opake Außenbauteile nach den Energieeffizienzfestlegungen für klimaneutrale Neu-/Erweiterungsbauten und Gebäudesanierungen des Bundes für beheizte Zonen mit Raumtemperaturen T ≥ 19 Grad Celsius beträgt 0,18 [W/ (m2*K)]. Für jede Verbesserung des mittleren Wertes um 0,004 W/(m2*K) erhält der Bieter 1 Punkt; maximal erreichbar sind 10 Punkte, die bei einer Verbesserung des mittleren Wertes auf 0,14 W/ (m2*K) erreicht werden.
Die ermittelte Punktzahl wird bei diesem Unterkriterium - zusätzlich zum Wertungsfaktor - mit dem auf dem Beiblatt zum Formblatt 227 einzutragenden Bietungsfaktor (Zahl zwischen 1 und 0) multipliziert.
Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für transparente Bauteile: Die Vorgehensweise entspricht weitgehend derjenigen bei dem Unterkriterium Wärmedurchgangskoeffizienten für opake Bauteile. Der Höchstwert des mittleren Wärmedurchgangskoeffizienten der wärmeübertragenden Umfassungsfläche für transparente Außenbauteile liegt bei 1,00 [W/ (m2*K)]. Für eine angebotene Verbesserung des mittleren Wertes um 0,02 [W/ (m2*K)] erhält der Bieter 1 Punkt. 10 Punkte erhält der Bieter, der einen Wert von 0,8 [W/ (m2*K)] anbietet. Auch bei diesem Unterkriterium hat der Bieter einen Bietungsfaktor anzugeben."
Dem Beiblatt "Bietungsfaktor" ist u.a. zu entnehmen:
"Die Bieter können, ergänzend zur vorgegebenen festen Gewichtung des AG, den Zuschlagskriterien "Technischer Wert - opake Bauteile" und "Technischer Wert - transparente Bauteile" mit einem jeweils individuell angebotenen Bietungsfaktor eine von ihnen gewollte Gewichtung geben. Der Bietungsfaktor liegt zwischen 0 und 1 und ist vom Bieter mit seinem Angebot anzugeben .... Für den Fall, dass die angebotene Übererfüllung und somit das Leistungssoll aus den Bieterangaben bei den Zuschlagskriterien "Technischer Wert - opake Bauteile" und "Technischer Wert - transparente Bauteile" bei der späteren Bauausführung nicht erfüllt wird, wird eine Abschöpfung des im Vergabeverfahren erlangten Bietungsvorteils vertraglich vereinbart."
Die Angebotsfrist wurde aufgrund der Änderungen der Vorgaben zuletzt um 21 Tage verlängert und lief letztendlich mit Submissionstermin am ### ab. Nach dem Ergebnis der Submission liegt der von der ASt angebotene Preis auf dem dritten Rang. Die Wertung der qualitativen Zuschlagskriterien ist noch nicht abgeschlossen.
Ein Tag vor dem Submissionstermin, mit einem Schreiben vom ###, rügte die ASt die geänderten Zuschlagskriterien als vergaberechtswidrig. Darin machte die ASt geltend, eine einheitliche Verjährungsfrist für Mängelansprüche von bis zu 8 Jahren sei kein in § 16d VOB/A EU aufgeführtes Zuschlagskriterium. Da es sich um eine Vorgabe handele, an der sich alle Bieter orientieren müssten, sei das Kriterium auch ungeeignet, Aufschluss über die Qualität der angebotenen Leistung zu geben. Außerdem bürde die Verlängerung der Gewährleistungsfrist den Bietern ein ungewöhnliches Wagnis auf.
Die Ag lehnte es noch am 11. Juli 2024 ab, dem Rügevorbringen abzuhelfen. Zur Begründung führte sie aus, anderer Rechtsauffassung als die ASt zu sein.
Unter Bezugnahme auf die knappe Antwort der Ag bat die ASt diese in einem Schreiben vom 15. Juli 2024, ihr die Gründe für die Nichtabhilfe näher zu erläutern. Um ggf. die Vergaberechtswidrigkeit der Verlängerung der Gewährleistungsfrist als Zuschlagskriterium von den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen überprüfen lassen zu können, bat sie die Ag um Übersendung des Submissionsprotokolls, untergliedert nach den einzelnen Zuschlagskriterien, bis zum 16. Juli 2024.
Dem kam die Ag mit Schreiben vom 16. Juli 2024 insoweit nach, als sie der ASt, wie auch den anderen Bietern, eine Übersicht über die angebotenen Preise zur Verfügung stellte. Eine Übersicht über die Wertung der qualitativen Zuschlagskriterien hingegen komme, so die Ag, nicht in Betracht; im Übrigen zeichne sich nach einer ersten Auswertung ab, dass das Unterkriterium "Verjährungsfrist für Mängelansprüche" keinen Einfluss auf die Rangfolge der Bieter haben werde; das Angebot der ASt werde selbst bei Erreichen der maximalen Punktzahl für die qualitativen Kriterien nicht den ersten Rang in der Gesamtwertung erreichen können.
Mit Schreiben der Kanzlei ### erhob die ASt eine weitere Rüge. Sie machte insbesondere geltend, dass auch die Unterkriterien "Ausführungsfrist", "Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für opake Bauteile" und "Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für transparente Bauteile" mit einer Gewichtung von 5 % (Ausführungsfrist) bzw. jeweils 2,5 % für die beiden anderen Unterkriterien bloße Alibi-Kriterien seien, weil sie aufgrund ihrer geringen Gewichtung keinen Einfluss auf die Zuschlagsentscheidung haben könnten.
Dem Vorbringen half die Ag in einem Schreiben vom 18. Juli 2024 nicht ab. Das qualitative Kriterium gehe mit insgesamt 20 % in die Wertung ein, sei daher durchaus geeignet, in der Gesamtwertung die Reihenfolge der wertbaren Angebote zu beeinflussen. Im Übrigen kündigte die Ag an, sich ggf. auf eine Rügepräklusion (§ 160 Abs. 3 GWB) berufen zu wollen, weil der ASt die geänderten Zuschlagskriterien bereits seit dem 21. Juni 2024 bekannt gewesen seien. Das dezidierte Rügevorbringen der ASt vom 11. Juli 2024 lege nahe, dass die ASt über die erforderlichen tatsächlichen und rechtlichen Kenntnisse verfügt habe.
Mit Schreiben ihrer nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten vom 24. Juli 2024 wandte die ASt sich erneut gegen die Zuschlagskriterien. Sie rügte insbesondere die Änderung von Wertungsmethode und Zuschlagskriterien im laufenden Vergabeverfahren durch die Ag zum 3. Mai 2024 und zum 21. Juni 2024. Wertungsmethode und Zuschlagskriterien müssten aus Gründen der Transparenz bereits mit der Bekanntmachung feststehen, dürften im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens nur noch sehr eingeschränkt geändert werden. Außerdem monierten die Verfahrensbevollmächtigten der ASt die Möglichkeit zur Angabe eines Bietungsfaktors.
Hierzu nahm die Ag in einem Schreiben vom 25. Juli 2024 umfangreich Stellung. Darin legte sie u.a. dar, dass die Gewichtung der qualitativen Kriterien mit insgesamt 20 % sehr wohl Einfluss auf die Rangfolge der Bieter haben könne.
2. Mit einem bei der Vergabekammer des Bundes am 25. Juli 2024 über das besondere elektronische Behördenpostfach übermittelten Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten stellte die ASt bei der Vergabekammer des Bundes einen Nachprüfungsantrag.
a) Nach Ansicht der ASt ist die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags gegeben. Die ASt sei antragsbefugt. Ihr Interesse am Auftrag habe sie durch die Abgabe eines Angebots dokumentiert. Die mehrfache Änderung der Zuschlagskriterien im laufenden Vergabeverfahren, die Festlegung des Zuschlagskriteriums Verjährungsfristen für Mängelansprüche sowie die den Bietern eingeräumte Möglichkeit der Gewichtung (Bietungsfaktor) verletzten sie in ihren Bieterrechten.
Der ASt drohe auch die Entstehung eines Schadens. Sollte das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen sein, hätte die ASt die Chance, ein zuschlagsfähiges Angebot abzugeben.
Mit dem gegen die Vergabeunterlagen gerichteten Vorbringen sei die ASt nicht nach § 160 Abs. 3 GWB präkludiert. Voraussetzung für eine Präklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB sei die positive Kenntnis, die sowohl hinsichtlich der Sach- als auch der Rechtslage vorgelegen haben müsse. Für das Vorliegen der positiven Kenntnis sei die Ag beweispflichtig. Solche tatsächlichen Anhaltspunkte, dass die ASt bereits bei der ersten Rügeerhebung (11. Juli 2024) positive Kenntnis der Sach- und Rechtslage gehabt habe, habe die Ag nicht vorgetragen.
Mit den weiteren Vergaberechtsverstößen, welche die ASt mit anwaltlichem Rügeschreiben vom 17. Juli 2024 geltend gemacht habe, sei die ASt nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Die Vergaberechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Wertungssystematik könne nicht unmittelbar dem Gesetz entnommen werden, sondern ergebe sich aus Rechtsprechung und Literatur. Für einen durchschnittlichen Bieter seien die Anforderungen an ein vergaberechtskonformes Wertungssystem nicht erkennbar gewesen. Aus denselben Gründen seien auch die von den Verfahrensbevollmächtigten der ASt mit Rügeschreiben vom 24. Juli 2024 gegen die Wertungssystematik geltend gemachten vergaberechtlichen Bedenken nicht präkludiert.
Die Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB sei ebenfalls gewahrt. Die erste Mitteilung der Ag, dem Rügevorbringen nicht abhelfen zu wollen, sei am 11. Juli 2024 ergangen, so dass die Stellung des Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer unter dem 25. Juli 2024 innerhalb der 15 Tage-Frist erfolgt sei.
Der Nachprüfungsantrag sei begründet.
Die Ag habe gegen das Transparenzgebot (§ 97 Abs. 1 Satz 1 GWB) verstoßen, indem sie nachträglich, d.h. mit Aufforderungsschreiben zur Angebotsabgabe vom 3. Mai 2024 und vom 21. Juni 2024, die Wertungsmethode und die Zuschlagskriterien im laufenden Vergabeverfahren wesentlich geändert habe. Der Ag sei zwar zuzugeben, dass eine Änderung der Zuschlagskriterien vor Angebotsabgabe zulässig sein könne, wenn den Grundsätzen der Gleichbehandlung der Bieter und dem Transparenzgebot Rechnung getragen werde. Das setze aber voraus, dass die Bieter sich der Tragweite der geänderten Wertungsmethode bewusst seien und diese bei der Angebotslegung berücksichtigen könnten. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen.
Zu beanstanden sei, dass die Ag die Berücksichtigung der bauzeitabhängigen Kosten bei dem preislichen Kriterium, die erst mit Schreiben vom 3. Mai 2024 aufgenommen worden sei, mit Schreiben vom 21. Juni 2024 wieder fallen gelassen habe. Die Ermittlung der bauzeitabhängigen Kosten sei für die Bieter zeitaufwändig gewesen.
Das Transparenzgebot sei dadurch verletzt, dass die Ag, in Abweichung von § 13 VOB/B, die Vereinbarung einer einheitlichen Verjährungsfrist veranlasse. Nicht auszuschließen sei, dass eine solche Vereinbarung die Bieter unangemessen benachteilige und damit gem. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei. Durch die einheitliche Verjährungsfrist werde die Vergleichbarkeit der Angebote eingeschränkt.
Bei dem qualitativen Kriterium habe die Ag neue, zusätzliche Unterkriterien eingeführt. Erschwerend komme hinzu, dass zwischen der Änderung der Zuschlagskriterien und der Angebotsabgabefrist (12. Juli 2024) lediglich drei Wochen Zeit gewesen sei, das Angebot neu zu kalkulieren. Die Mindestfrist des § 10a Abs. 4 EU VOB/A sei nicht gewahrt worden. Dadurch würden mittelständische Unternehmen, wie die ASt eines sei, benachteiligt.
Nach Ansicht der ASt stellt es einen Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit dar, dass die qualitativen Unterkriterien Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für opake bzw. transparente Bauteile nur mit einer Gewichtung von jeweils 2,5 % in die Wertung eingehen sollen. Die geringe Gewichtung der Unterkriterien führe dazu, dass diese praktisch keinen entscheidenden Einfluss auf die Angebotswertung haben könnten.
Die Vorgabe, bei diesen beiden Unterkriterien einen Bietungsfaktor anzugeben, sei mit § 127 Abs. 1 Satz 1 und 3 GWB und § 16d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 EU VOB/A unvereinbar. Hierdurch werde eine objektive Bewertung der Wirtschaftlichkeit verhindert. Denn durch den Bietungsfaktor werde es den Bietern ermöglicht, die von der Ag vorgegebene Gewichtung (jeweils 2,5 %) nach eigenem Belieben zu verändern, ohne dass dem ein tatsächlicher qualitativer Mehrwert gegenüberstehe. Nicht auszuschließen sei, dass ein Bieter den Zuschlag nur deshalb erhalte, weil er einen höheren Bietungsfaktor angegeben habe als sein Wettbewerber. Dass der Bietungsfaktor zu einer Abschöpfung des Bietungsvorteils führen könne, ändere daran nichts. Denn zu einer Abschöpfung komme es nur, wenn das Leistungsversprechen nicht eingehalten wurde. Im Übrigen sei der Bietungsfaktor aufgrund seiner Verknüpfung mit der späteren Vertragserfüllung eine Ausführungsbedingung im Sinne des § 128 Abs. 2 GWB.
Die ASt beantragt,
1. ein Vergabenachprüfungsverfahren einzuleiten,
2. der Ag aufzugeben, das Vergabeverfahren in denjenigen Verfahrensstand zurückzuversetzen, der zur vergaberechtskonformen Wiederholung der von der Vergabekammer als rechtswidrig erkannten Verfahrensschritte unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer geboten ist,
3. der ASt Akteneinsicht gemäß § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren,
4. festzustellen, dass die Zuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der ASt zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war,
5. der Ag die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der ASt aufzuerlegen.
b) Die Ag beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag kostenpflichtig zurückzuweisen,
2. der ASt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der der Ag entstandenen Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufzuerlegen.
Die Ag erachtet den Nachprüfungsantrag als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet.
Die ASt gehe mit ihrer Ansicht fehl, ein öffentlicher Auftraggeber sei grundsätzlich daran gehindert, die bekanntgemachten Wertungsmethode oder Zuschlagskriterien nachträglich zu ändern. Aufgrund des Leistungsbestimmungsrechts und der Vertragsfreiheit seien öffentliche Auftraggeber grundsätzlich befugt, auch im laufenden Vergabeverfahren, vor Ablauf der Angebotsfrist, die als fehlerhaft oder unzweckmäßig erkannten Bestandteile der Vergabeunterlagen zu ändern. Dieser Grundsatz gelte auch für Zuschlagskriterien. Voraussetzung sei, dass Änderungen in einem transparenten Verfahren und diskriminierungsfrei erfolgten und den Bietern ausreichend Zeit für eine Anpassung ihrer Angebote eingeräumt werde (Hinweis auf OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Oktober 2015, Verg 28/14; VK Bund, Beschluss vom 13. Oktober 2022, VK 1-83/22). Dem habe die Ag vorliegend Rechnung getragen.
Entgegen der Ansicht der ASt habe der EuGH auch durchaus erhebliche Änderungen der Zuschlagskriterien gebilligt (EuGH, Urt. v. 5. April 2017, Rs. C-298/15). Dies jedenfalls dann, wenn die Änderungen nicht so wesentlich seien, dass diese potenzielle Bieter angezogen hätten, die ohne diese Änderungen kein Angebot abgeben konnten. Derart gravierende Änderungen der Zuschlagskriterien habe die Ag jedoch nicht vorgenommen.
Das Zuschlagskriterium Preis, resp. dessen Gewichtung (80 %), habe in der finalen Version der Zuschlagskriterien keine wesentliche Änderung erfahren. Soweit die Ag mit Schreiben vom 21. Juni 2024 auf die Berücksichtigung der bauzeitabhängigen Kosten bei der Angebotswertung verzichtet habe, sei nicht ersichtlich, inwiefern ein nachträglich in Wegfall geratenes Zuschlagskriterium die Angebotserstellung durch die ASt erschwert haben könne.
Relevante Änderungen habe es alleine bei den qualitativen Unterkriterien gegeben.
Bei dem Unterkriterium "Ausführungsfrist" sei die Gewichtung von zunächst 20 % auf 5 % reduziert worden, bei den Unterkriterien Wärmedurchgangskoeffizienten für opake bzw. transparente Bauteile sei eine Änderung erforderlich geworden, nachdem die Fehlerhaftigkeit der Leistungsbeschreibung von der Ag erkannt worden sei. Das Unterkriterium "Verjährungsfrist für Mängelansprüche" sei neu aufgenommen worden.
Entgegen der Annahme der ASt seien die beiden Unterkriterien Wärmedurchgangskoeffizienten für opake bzw. transparente Bauteile mit einer Gewichtung von jeweils 2,5 % keine "Alibi-Kriterien". Bei der Gewichtung der Zuschlagskriterien stehe dem öffentlichen Auftraggeber ein großer Gestaltungsspielraum zu. Es sei Sache des Auftraggebers zu entscheiden, welche Mehrkosten er für die Übererfüllung von energetischen Mindestanforderungen zu zahlen bereit sei. Nach den Erfahrungen der Ag bei vergleichbaren Ausschreibungen habe der, monetäre Vorteil des Kriteriums "Technischer Wert" durchaus Relevanz, vorliegend in Höhe von ca. 1,2 Mio. Euro.
Im Übrigen sei es seitens der ASt widersprüchlich, einerseits die aufgrund der geringen Gewichtung fehlende Relevanz der beiden Unterkriterien im Rahmen der Wertungsentscheidung zu beanstanden, andererseits den von den Bietern anzugebenden Bietungsfaktor als vergaberechtswidrig zu beanstanden, weil er die Wertung zu beeinflussen geeignet sei. Der Bietungsfaktor bringe zum Ausdruck, wie der Bieter sein Leistungsversprechen einschätze; daran knüpfe die Punktevergabe bei der Angebotswertung an und, im Falle mangelnder Erfüllung bei der Auftragsdurchführung, eine entsprechende Abschöpfung bei der Abrechnung. Damit weise der transparent bekanntgemachte und in den Vergabeunterlagen im Einzelnen erläuterte Bietungsfaktor den erforderlichen Auftragsbezug auf und ermögliche keine willkürlichen Bewertungen.
Die den Bietern eingeräumte dreiwöchige Fristverlängerung für die Angebotsabgabe nach der mit Schreiben vom 21. Juni 2024 erfolgten Änderung der Vergabeunterlagen sei ausreichend lang bemessen gewesen. Die Kriterien Preis und Ausführungsfrist seien den Bietern seit der Auftragsbekanntmachung vom 13. März 2024 bekannt gewesen. Mit dem Unterkriterium Wärmedurchgangskoeffizient seien die Bieter grundsätzlich ebenfalls seit der Bekanntmachung vertraut gewesen. Da die Bieter rd. 3 Monate Zeit gehabt hätten, sich mit den Vergabeunterlagen vertraut zu machen, hätten sie auch ohne weiteres einschätzen können, inwieweit sie eine Gewährleistung für die von ihnen erbrachten Leistungen zu übernehmen bereit sein würden.
3. Die Vergabekammer hat der ASt nach Anhörung der Ag Einsicht in die Vergabeakte gewährt, soweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht betroffen waren. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die elektronische Vergabeakte, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen hat, sowie auf die Verfahrensakte der Vergabekammer wird verwiesen.
Die mündliche Verhandlung fand am 16. August 2024 statt. In der mündlichen Verhandlung erklärte die Ag, dass sie die Angebotswertung vorangetrieben habe. Dabei habe sie festgestellt, dass Zweifel daran bestünden, ob die ASt die Eignungsanforderungen (Referenzen) erfüllen könne. Die Ag sagte zu, die Vergabekammer und die ASt über das endgültige Ergebnis der Prüfung zu informieren. Die ASt deutete an, den Nachprüfungsantrag ggf. zurückzunehmen.
Mit Schreiben vom 19. August 2024 forderte die Ag die ASt dazu auf, Unterlagen und Erklärungen zum Nachweis der Eignung (Referenzen) vorzulegen. In einem Schreiben vom 6. September 2024 setzte die Ag die ASt darüber in Kenntnis, dass ihr Angebot die bekanntgemachten Anforderungen an die Referenzen nicht erfüllten und daher beabsichtigt sei, das Angebot von der Wertung auszunehmen. Hiergegen wandte die Ag sich mit Rügeschreiben vom 1. September 2024. Mit Informationsschreiben nach § 19 Abs. 1 EU VOB/A vom 23. September teilte die Ag der ASt schließlich mit, dass das Angebot ausgeschlossen worden sei, weil die geforderten Unterlagen (Referenzen) weder dem Angebot beigefügt noch auf Nachforderung vorgelegt worden seien.
Mit Schreiben des stellvertretenden Vorsitzenden vom 22. August 2024 wurde die Entscheidungsfrist, die regulär am 29. August 2024 abgelaufen wäre, bis zum 27. September 2024 verlängert.
Mit Hinweisschreiben vom 17. September 2024 setzte die Vergabekammer die Verfahrensbeteiligten darüber in Kenntnis, dass die gegen die Grundlagen der Ausschreibung gerichteten Angriffe wie schon in der Verhandlung erörtert ganz überwiegend präkludiert seien. Der gegen den Bietungsfaktor gerichtete Vortrag sei zwar zulässig, im Ergebnis aber unbegründet. Auf eine Entscheidung der Frage, ob der im Nachgang zur mündlichen Verhandlung ergangene Ausschluss der ASt mangels Eignung zu Recht erfolgt sei, komme es daher nicht mehr an. Hierzu nahm die ASt unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Vortrags Stellung. Die Verfahrensbeteiligten reichten jeweils weitere Schriftsätze ein, die von der Vergabekammer gewürdigt wurden, obwohl keine Stellungnahmefristen mehr liefen. Die Schriftsätze sind jedoch nicht entscheidungserheblich, da dort weitgehend die Frage der Eignung der ASt thematisiert wurde. Auch die Frage, ob das Angebot des preislich erstplatzierten Bieters annehmbar ist, was seitens der ASt ebenfalls im Zweifel gezogen wird, ist nicht entscheidungserheblich, denn die Ag hat bislang aufgrund des Nachprüfungsantrags keine abschließende Vergabeentscheidung getroffen; eine Beiladung ist daher im Nachprüfungsverfahren nicht erfolgt. Der erstplatzierte Bieter hat jedenfalls entgegen der Annahme der ASt die Verlängerung der Bindefrist erklärt. Die Eignungsfrage war indes nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung, denn die Ag hatte im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung den Wertungsprozess einschließlich Eignungsprüfung noch nicht abgeschlossen; das Nachprüfungsverfahren bis zur mündlichen Verhandlung hatte die Eignungsfrage nicht zum Gegenstand. Grundsätzlich müsste ein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung erfolgen, wenn die Frage nach der Eignung verfahrensrelevant wäre; allerdings hat die ASt insoweit mit Schriftsatz vom 20. September 2024 einen Verzicht auf die Durchführung einer zweiten mündlichen Verhandlung erklärt. Aufgrund der partiellen Unzulässigkeit und der Unbegründetheit des Nachprüfungsantrags im Übrigen kommt es indes nicht auf die Frage an, ob die ASt geeignet ist; dies könnte, s. dazu auch unten sub II. am Ende, im Fall des Vorliegens eines Vergabefehlers eine Rechtsverletzung der ASt ausschließen und damit mangels Zuschlagschance aufgrund fehlender Eignung dem Nachprüfungsantrag den Erfolg versagen, § 168 Abs. 1 S. 1 GWB. Da diese Konstellation nicht gegeben ist, ist die Eignungsfrage nicht entscheidungserheblich.
II.
Das Vorbringen im Nachprüfungsantrag ist teilweise präkludiert mangels rechtzeitiger Rüge bzw. unzulässig. Soweit er zulässig ist, ist der Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückzuweisen.
1. Das Nachprüfungsverfahren ist grundsätzlich eröffnet. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch nur teilweise zulässig.
a) Die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach §§ 155, 106 Abs. 1 GWB, ein der Bundesrepublik Deutschland zuzurechnender öffentlicher Bauauftrag mit einem oberhalb der für die gemeinschaftsweite Vergabe geltenden Auftragsschwellenwert, liegen vor.
b) Der ASt ist teilweise antragsbefugt im Sinne des § 160 Abs. 2 GWB.
Ein Unternehmen ist antragsbefugt, wenn es geltend machen kann, ein Interesse am Auftrag zu haben und in eigenen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften verletzt worden zu sein. Durch die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften muss dem Unternehmen zudem ein Schaden entstanden sein.
Das erforderliche Interesse der ASt am Auftrag ist ohne Weiteres zu bejahen. Es folgt aus der Teilnahme der ASt am Wettbewerb durch Abgabe eines Angebots sowie aus dem gegen die Vergabeentscheidung gerichteten Rügevorbringen. Die ASt hat auch die Verletzung in eigenen Rechten geltend gemacht. Mit ihrem Vorbringen wendet die ASt sich primär gegen die Änderung der Zuschlagskriterien sowie gegen die Wertungsmethode im laufenden Vergabeverfahren. Ihren Vortrag als richtig unterstellt, erscheint es als zumindest nicht ausgeschlossen, dass die Wertungskriterien und die Festlegung des Kriteriums Verjährungsfrist Mängelgewährleistung gegen den Grundsatz der Transparenz und der Gleichbehandlung der Bieter verstoßen. Nicht auszuschließen ist auch, dass die Gewichtung der Unterkriterien Wärmedurchgangskoeffizienten für opake bzw. für transparente Bauteile in Höhe von jeweils 2,5 % sowie die zusätzliche Berücksichtigung des Bietungsfaktors bei diesen beiden Unterkriterien gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verstoßen.
Die Entstehung eines Schadens droht, wenn sich die Zuschlagschance durch die geltend gemachte Verletzung von Vergabevorschriften verschlechtert hat. Hier hat die Ag die ASt bereits informiert, dass die ASt den Zuschlag auch dann nicht erhalten würde, wenn ihr Angebot in qualitativer Hinsicht die Maximalpunktzahl erhalten würde. Da die ASt mit ihrem Nachprüfungsantrag aber auch gegen die Grundlagen des Vergabeverfahrens vorgeht, käme bei Erfolg eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens dahin in Betracht, dass nach Korrektur der Vorgaben neue Angebote einzuholen wären. Die ASt hätte dann die Möglichkeit, ein neues, erfolgversprechenderes Angebot abzugeben, was eine Schadensmöglichkeit und damit die Antragsbefugnis begründet (Dicks/Schnabel in Ziekow/Völlink, Kommentar zum GWB, 5. Aufl. (2024), § 160 Rn. 22, 23). An die Darlegung sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass der Schaden nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Entstehung eines Schadens zu verneinen, soweit die ASt geltend macht, bereits die Änderung der Wertungsmethode und der Kriterien als solcher aufgrund des Schreibens vom 3. Mai 2024 sei vergaberechtswidrig gewesen. Da die mit Schreiben vom 3. Mai 2024 vorgenommenen Änderungen der Wertungskriterien und der -methode mit Schreiben vom 21. Juni 2024 erneut geändert wurden, ist nicht ersichtlich, inwieweit der ASt durch die Änderungen vom 3. Mai 2024 noch ein Schaden entstanden sein könnte. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der bauzeitabhängigen Kosten, da diese in der aktualisierten Fassung der Wertungskriterien gänzlich unberücksichtigt bleiben. Der ASt ist zwar zu konzedieren, dass dies für sie - wie auch die anderen Bieter - einen nicht unerheblichen, letztlich nutzlosen Kalkulationsaufwand verursacht hat. Evtl. Streitigkeiten hierüber wären zwischen den Beteiligten zivilrechtlich zu klären. Ein vergaberechtlich relevanter Schaden ist hierdurch jedoch nicht entstanden. Aber selbst dann, wenn die Entstehung eines Schadens insoweit bejaht werden sollte, wäre die ASt mit diesem Vortrag nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert.
Bei dem Vortrag der ASt im Übrigen ist die Entstehung eines Schadens nicht auszuschließen. Sollte die - bezogen auf die Höhe des Angebotspreises - drittplatzierte ASt mit ihrem gegen die Zuschlagskriterien und damit die Grundlagen der Ausschreibung gerichteten Vorbringen durchdringen, müsste die Ag das Verfahren in den Stand vor Angebotsabgabe zurückversetzen; dadurch erhielte die ASt die Möglichkeit, ein neues, zuschlagsfähiges Angebot zu legen.
c) Die ASt hat ihren Rügeobliegenheiten nur teilweise genügt.
Dafür, dass die ASt den sich aus § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ergebenden Rügeobliegenheiten in Bezug auf die Vorgaben des Vergabeverfahrens nicht genügt hätte - was von der Ag zu beweisen wäre - ist nichts ersichtlich.
Den sich aus § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ergebenden Rügeobliegenheiten hat die ASt mit ihrem Vortrag genügt, die Verlängerung der Gewährleistungsfrist für Mängelansprüche als Zuschlagskriterium sei vergaberechtswidrig. Hiergegen wandte die ASt sich mit Rügeschreiben vom 11. Juli 2024, und damit vor dem Ablauf der für den 12. Juli 2024 vorgesehenen Angebotsabgabefrist. Zu diesem Zeitpunkt war die ASt noch nicht anwaltlich vertreten. Alle weiteren Rügen hat die ASt erst nach Ablauf der Angebotsabgabefrist durch ihre Anwälte gestellt.
Die Rechtsprechung geht regelmäßig davon aus, dass ein Vergaberechtsverstoß erkennbar ist, wenn er von einem durchschnittlichen Bieter bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden konnte. Die dem Verstoß zugrundeliegenden Tatsachen müssen erkennbar gewesen sein, es ist aber auch nötig, dass diese bei zumindest laienhafter rechtlicher Bewertung als Vergaberechtsverstöße erkannt werden konnten (OLG München, Beschluss vom 24. März 2021 - Verg 12/20 m.w.N.). Erkennbar in rechtlicher Hinsicht sind Vergaberechtsverstöße, wenn die Rechtsvorschriften, gegen die verstoßen wurde, zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der beteiligten Bieterkreise gehören (OLG München, NZBau 2016, 98 - 100). Eine Rügepräklusion nimmt die Rechtsprechung deshalb regelmäßig nur bei Rechtsverstößen an, die in der Vergabepraxis gängig sind und daher auch den Bietern üblicherweise bekannt sind. Das OLG Düsseldorf meint, dass ein Vergaberechtsverstoß dann erkennbar ist, wenn er sich durch bloßes Lesen der einschlägigen Normen und einen Vergleich mit dem Text der Vergabeunterlagen ohne weiteres feststellen lässt, wobei allerdings eine umfassende Kenntnis der dem Verfahren zugrundeliegenden Vorschriften nicht zu erwarten ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01. Juni 2016, Verg 6/16).
Ausgehend hiervon ist die ASt mit ihrem Vorbringen, die qualitativen Zuschlagskriterien Ausführungsfrist, Verbesserung des Wärmedurchgangskoeffizienten für opake bzw. transparente Bauteile seien wegen ihrer geringen Gewichtung nur sog. Alibikriterien, nicht präkludiert. Die ASt hat die diesbezüglichen Rügen erst mit Schreiben ihrer vormaligen Anwälte vom 17. Juli 2024 erhoben, und damit erst nach dem Submissionstermin.
Um ein erfolgreiches Angebot abgeben zu können, muss sich jeder Bieter intensiv mit der Wertungsmethodik auseinandersetzen. Nur so kann er sein Angebot auf die Wünsche des Auftraggebers abstimmen und ein erfolgversprechendes Angebot erstellen. Sollte dem Bieter aus den Vergabeunterlagen nicht hinreichend klar ersichtlich sein, welche Anforderungen der Auftraggeber stellt, welche Ziele der Bieter also zu erreichen hat und wie diese Zielerreichung gemessen/beurteilt wird, so hätte dies zwangsweise bei Angebotserstellung auffallen müssen (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Dezember 2020 - Verg 25/20). Die Annahme, dass der ASt vorliegend die tatsächlichen Umstände des für die Wertung relevanten Sachverhaltes bekannt gewesen sein konnten, liegt angesichts der Relevanz der Wertungskriterien für eine erfolgreiche Beteiligung an einer Ausschreibung nahe. Dafür spricht auch die Erwägung der Ag, dass es sich bei der ASt um ein im Vergaberecht nicht unerfahrenes Unternehmen handelt, das auch über eine eigenen Rechtsabteilung verfügt. Das Vorbringen der ASt zu den Regelungen in der VOB/B bzgl. der Gewährleistungsfristen lässt erkennen, dass die ASt durchaus über vertiefte Kenntnisse vergaberechtlicher Normen verfügt. Allerdings, was die vorliegend relevante Frage anbelangt, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die vorgesehene Gewichtung qualitativer Unterkriterien vergaberechtswidrig sein kann, handelt es sich um keine Frage, mit der sich die Rechtsprechung oder der Fachliteratur bislang vertieft befasst hätte. Daher geht die Vergabekammer davon aus, dass der behauptete Vergaberechtsverstoß für die ASt nicht erkennbar war.
Das gilt auch, soweit die ASt in der dritten, durch ihre jetzigen Verfahrensbevollmächtigten erhobenen Rüge vom 24. Juli 2024 die Vergaberechtswidrigkeit des sog. Bietungsfaktors geltend machte, der bei den Unterkriterien Wärmedurchgangskoeffizient für opake bzw. transparente Bauteile als zusätzliches Kriterium vorgesehen war. Es kann nicht erwartet werden, dass ein Bieter mit dieser Problematik vertraut ist, zumal auch die Anwaltskanzlei, die von der ASt zunächst mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen betraut worden war, diesen Aspekt nicht zum Gegenstand ihrer Rüge machte.
Soweit die ASt hingegen geltend macht, die mehrfache Änderung der Vergabeunterlagen, insbesondere der Zuschlagskriterien, als solche sei vergaberechtswidrig, ist die ASt mit diesem Vorbringen nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Eine Vergaberechtswidrigkeit hätte die ASt auch ohne vertiefte Kenntnisse des Vergaberechts bis zum Ablauf der Angebotsabgabefrist geltend machen können. Dies gilt auch insoweit, als die ASt in ihrem Rügeschreiben vom 24. Juli 2024 erstmalig geltend macht, die nach der letzten Änderung der Vergabeunterlagen um drei Wochen verlängerte Angebotsabgabefrist sei zu knapp bemessen gewesen. Ergänzend ist aber darauf hinzuweisen, dass in den diversen Änderungen der Vergabeunterlagen, insbesondere der Zuschlagskriterien, auch kein Vergabefehler liegen dürfte, der Nachprüfungsantrag auch bei rechtzeitiger Rüge mithin unbegründet wäre. Zuzustimmen ist der ASt zwar darin, dass die Vergabeunterlagen von Anfang an stimmig sein sollten und nicht verändert werden sollten, wenn es keinen extern, z.B. durch eine Bieterfrage veranlassten Korrektur- oder Änderungsbedarf gibt. Der öffentliche Auftraggeber ist gehalten, sich im Rahmen der Herstellung der Vergabereife vor Veröffentlichung zu überlegen, welche Kriterien aus seiner Sicht für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Angebote maßgeblich sein sollen. Jede Änderung löst bei den Bietern Aufwand aus, denn sie müssen sich erneut mit nun geänderten Vorgaben befassen und die Angebote ggfs. entsprechend bearbeiten und optimieren. Vergaberechtlich bedeutsam ist aber einmal, dass jede einzelne Änderung in sich transparent ist, was hier der Fall war und auch von der ASt nicht anders vorgetragen wird. Insbesondere wichtig ist des Weiteren, dass die Angebotsfrist angemessen angepasst wird, damit die Bieter ausreichend Zeit für eine Neubearbeitung der Angebote haben. Mit einer Verlängerung um drei Wochen ist dies hier ebenfalls der Fall gewesen. Die Vorgaben wurden nicht gänzlich geändert, sondern nur in überschaubaren Teilbereichen, so dass der ASt nicht darin gefolgt werden kann, es hätte einer nochmaligen Einräumung einer kompletten vergaberechtlichen Mindestangebotsfrist von 35 Tagen bedurft. Wären die eingeräumten 21 Tage nicht ausreichend für die ASt gewesen, so wäre im Übrigen zu erwarten gewesen, dass sie zeitnah eine weitere Verlängerung bei der Ag eingefordert hätte.
c) Gegen die Mitteilung der Ag im Schreiben vom 11. Juli 2024, der Rüge nicht abhelfen zu wollen, richtete sich der am 25. Juli 2024 bei der Vergabekammer eingegangene Nachprüfungsantrag. Die Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB von 15 Kalendertagen ist daher gewahrt.
2. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er unbegründet.
a) Die gegen das Zuschlagskriterium Mängelgewährleistungsfristen des § 13 VOB/B gerichteten Angriffe sind unbegründet.
Wie sich aus § 16d Abs. 2 EU VOB/A, § 127 Abs. 3 GWB ergibt, dürfen nur Zuschlagskriterien berücksichtigt werden, die in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen genannt sind. Das streitige Zuschlagskriterium ist in der Bekanntmachung genannt. Das wird von der ASt auch nicht bestritten. Die ASt wendet sich vielmehr dagegen, dass das Zuschlagskriterium in § 16d Abs. 2 EU VOB/A, § 127 Abs. 3 GWB nicht von der Auflistung der zulässigen Zuschlagskriterien umfasst sei.
Hierzu ist anzumerken, dass der Katalog der zulässigen Zuschlagskriterien in § 16d EU VOB/A nicht abschließend ist. Dies ergibt sich bereits aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" in § 16d Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EU VOB/A. Entscheidender ist, ob das Zuschlagskriterium mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung steht; dies ist nach dieser Regelung der Fall, wenn sich das Zuschlagskriterium in irgendeiner Hinsicht und in irgendeinem Lebenszyklus-Stadium auf diesen bezieht, und zwar auch dann, wenn der betreffende Faktor sich nicht auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes beziehen sollte (§ 16d Abs. 2 Satz 3 und 4 EU VOB/A). Der erforderliche Bezug zwischen dem Auftragsgegenstand - hier: der Errichtung eines Bauwerks - und der Gewährleistungsfrist ist gegeben, da der Auftraggeber während der Dauer der Gewährleistungsfrist von dem Auftragnehmer eine Beseitigung etwaiger Mängel auf Kosten des Auftragnehmers verlangen kann. Je länger die Dauer der Gewährleistungsfrist, desto vorteilhafter für den Auftraggeber.
Auch der Hinweis der ASt, eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist sei nicht mit den ausdifferenzierten Regelungen in § 13 VOB/B vereinbar, greift nicht durch. Dem § 1 VOB/B ist der allgemeine Grundsatz zu entnehmen, dass die auszuführende Leistung nach Art und Umfang durch den Vertrag bestimmt wird; die Regelungen der VOB/B kommen demgegenüber nur bei Widersprüchen im Vertrag zur Anwendung, und auch dann nur subsidiär (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 6 VOB/B). Was die Gewährleistungsfristen im Besonderen anbelangt, lässt § 13 Abs. 5 Satz 3 VOB/B abweichende Vereinbarungen ausdrücklich zu ("... jedoch nicht vor Ablauf der Regelfristen nach Absatz 4 oder der an ihrer Stelle vereinbarten Frist ...").
Entgegen der Ansicht der ASt wird den Bietern auch kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 EU VOB/A). In der von der ASt im Rügeschreiben vom 11. Juli 2024 herangezogenen Entscheidung des OLG Dresden (OLG Dresden, Beschluss v. 23.04.2009, WVerg 11/08) hatte der öffentliche Auftraggeber den Bietern nach Ansicht des Gerichts in den Vergabeunterlagen ein ungewöhnliches Wagnis i.S.d. § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A (a.F.) auferlegt. Dabei hatte das Gericht nicht alleine auf die Abweichung der vertraglichen Regelungen von Normen des BGB abgestellt, sondern ausgeführt, dass die Regelungen dem Bieter Wagnisse auferlegt hätten, die normale vertragliche unternehmerische Risiken überstiegen. Die Übernahme der Haftung für Zufall und höhere Gewalt, die unzumutbar lange Ausdehnung von Verjährungsfristen bzw. die Übernahme einer das Normalmaß übersteigenden Gewährleistung seien, so das Gericht, als ungewöhnliches Wagnis anzusehen.
Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich hiervon schon insoweit, als die Ag davon abgesehen hat, den Bietern in den Vergabeunterlagen einseitige Vorgaben zu machen. Vielmehr überließ sie es den Bietern, welche Dauer der Gewährleistungsfrist sie zum Inhalt ihres Angebots machen wollten. Orientierte ein Bieter sich an den Regelungen in § 13 VOB/B, was möglich war und nicht zum Angebotsausschluss führte, erhielt er bei diesem Zuschlagskriterium 0 Punkte. Eine höhere Punktzahl konnte ein Bieter zwar nur durch eine längere als in § 13 VOB/B vorgesehene Dauer der Gewährleistungsfrist erhalten; die Entscheidung, welches rechtliche Risiko der Bieter durch eine längere Gewährleistungsfrist einzugehen bereit war, verblieb aber bei ihm selbst.
b) Nicht zu folgen ist der Ansicht der ASt, bei der vorgesehenen Gewichtung der qualitativen Zuschlagskriterien Verbesserung des Wärmedurchgangskoeffizienten für opake bzw. transparente Bauteile mit jeweils 2,5 % handele es sich um unzulässige Alibikriterien.
Bei dem Zuschlagskriterium des wirtschaftlichsten Angebots ist dem öffentlichen Auftraggeber hinsichtlich der Unterkriterien und ihrer Bewertung aufgrund seines diesbezüglichen Bestimmungsrechts ein von den Nachprüfungsinstanzen nur begrenzt überprüfbarer Festlegungsspielraum einzuräumen. Der Preis hat zwar stets ein gewichtiges Merkmal darzustellen, das beim Zuschlagskriterium des wirtschaftlichsten Angebots nicht am Rande der Wertung stehen darf, sondern das vom Auftraggeber in ein angemessenes Verhältnis zu den übrigen Wertungskriterien zu bringen ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. November 2011, Verg 16/17; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.05.2012, Verg 3/12 und Beschluss vom 27. November 2013, Verg 20/13).
Vorliegend geht der Preis mit einer Gewichtung von 80 % in die Wertung ein, die Qualität der Leistung mit einer Gewichtung von 20 %. Bei einem Quotenverhältnis von 80 % zu 20 % kann nicht angenommen werden, der Zuschlag könne losgelöst von der Qualität der Leistung erteilt werden. Dem entsprechend lässt die ASt das Quotenverhältnis Preis zu Qualität als solches unbeanstandet.
Die ASt ist vielmehr der Ansicht, dass jedes einzelne qualitätsbezogene Kriterium die Gesamtwertung beeinflussen können müsse. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 27. November 2013 (Verg 20/13), auf die sich die ASt maßgeblich beruft, stützt diese Ansicht indes nicht. Der der Entscheidung des OLG Düsseldorf zugrunde liegende Sachverhalt zeichnete sich dadurch aus, dass der Preis mit 95 %, die Terminplanung hingegen mit 5 % in die Wertung eingehen sollten; die qualitative Wertung hatte folglich auf einem einzigen Kriterium beruht. Hinzu kam, dass der Auftraggeber den Bietern die Terminplanung vorgegeben hatte, d.h. ein Bieter hatte die volle Punktzahl bereits dadurch erhalten können, dass er den vorgegebenen Terminplan bestätigt hatte. In dieser spezifischen Fallkonstellation war eine Wertung des Kriteriums Terminplanung sinnentleert. Hiermit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Wie bereits ausgeführt, beruht die qualitative Wertung auf vier Unterkriterien. Diese Unterkriterien sind unterschiedlich gewichtet. Die Binnen-Gewichtung der qualitativen Unterkriterien ist vom Leistungsbestimmungsrecht der Ag gedeckt; es ist nicht erkennbar, wieso eine geringe Gewichtung von je 2,5 % in Bezug auf zwei qualitative Unterkriterien vergaberechtswidrig sein soll. Liegen Konkurrenzangebote im Ergebnis der Bewertung eng beisammen, so kann durchaus auch ein gering gewichtetes Kriterium den Ausschlag geben.
c) Entgegen der Ansicht der ASt ist der sog. Bietungsfaktor nicht vergaberechtswidrig.
Zuschlagskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen, § 127 Abs. 3 S. 1 GWB. Diese Verbindung besteht auch dann, wenn sich ein Zuschlagskriterium auf Prozesse im Zusammenhang mit der Herstellung, Bereitstellung oder Entsorgung der Leistung, auf den Handel mit der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus der Leistung bezieht. Dies folgt gemeinschaftsrechtlich aus Art. 67 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU, innerstaatlich aus § 127 Abs. 3 S. 2 GWB sowie § 16d Abs. 2 Nr. 2 S. 4 EU VOB/A. Ausgehend hiervon ist der Bietungsfaktor nicht zu beanstanden.
Der Bietungsfaktor kommt vorliegend lediglich bei den qualitativen Unterkriterien Wärmedurchgangskoeffizient für opake und transparente Bauteile als zusätzlicher Faktor zur Anwendung: Nachdem im Rahmen der Angebotswertung in einem ersten Schritt die angebotene Absenkung des Wärmedurchgangskoeffizienten mit dem Wichtungsfaktor 2,5 % multipliziert worden ist, wird die sich daraus ergebende Summe in einem zweiten Schritt mit dem Bietungsfaktor (Wert zwischen 0 und 1) multipliziert. Setzt ein Bieter bei dem Bietungsfaktor den Wert 1 an, bleibt die Summe aus Verbesserung des Wärmedurchgangskoeffizienten multipliziert mit 2, 5 % unverändert; ein geringerer Wert würde sich dann ergeben, wenn der Bieter einen Bietungsfaktor < 1 anbieten würde.
Der Bietungsfaktor wirkt sich in zweifacher Hinsicht aus: Bei der Angebotsabgabe, indem der Bieter mittels des Bietungsfaktors zum Ausdruck bringen kann, für wie wahrscheinlich er es hält, dass er die Verbesserung des Wärmedurchgangskoeffizienten wie angeboten wird realisieren können; entsprechend erhält das Angebot bei der Bewertung mehr oder weniger Punkte: Entscheidet er sich für die Angabe des Bietungsfaktors 1, gibt er zu erkennen, die Erreichung des angebotenes Vertragszieles für wahrscheinlich zu halten. Stellt sich sodann im Rahmen der Leistungserbringung heraus, dass das angebotene Ziel tatsächlich nicht erreicht worden ist, erfolgt im Rahmen der Abrechnung der erbrachten Leistungen eine finanzielle Abschöpfung des - in der Angebotsphase durch die höheren Wertungspunkte - erlangten Vorteils.
Entgegen der Annahme der ASt steht dem Bietungsfaktor damit durchaus ein wirtschaftlicher Wert gegenüber, denn der Wärmedurchgangskoeffizient von Bauteilen trifft eine Aussage über die Energieeffizienz eines Gebäudes und damit insbesondere über die Heizkosten, die während der Lebensdauer des Gebäudes anfallen. Es ist vom Normgeber gewünscht, dass gerade auch die Energieeffizienz der zu beschaffenden Leistung Berücksichtigung bei der Bewertung findet. Dies wird deutlich gemacht in § 127 Abs. 3 S. 2 GWB, wonach eine Verbindung mit dem Auftragsgegenstand auch dann anzunehmen ist, wenn es nicht um die Leistung selbst geht, sondern um Prozesse, die im Zusammenhang mit der Bereitstellung der Leistung stehen. Energiekosten für die Nutzung des zu bauenden Gebäudes fallen ohne Weiteres hierunter. Es liegt also keine Konstellation vor, in welcher das Wertungskriterium bzw. ein Element desselben - Bietungsfaktor - über den vertraglich geschuldeten Leistungsumfang hinausginge (vgl. zu einer solchen Konstellation OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Februar 2023 - Verg 6/22). Der Bietungsfaktor im Rahmen des Wertungskriteriums Wärmedurchgangskoeffizient stellt eine Verknüpfung her zwischen dem Angebot und der späteren Durchführung des Vertrags nach Zuschlagserteilung; es wird an dieser Stelle sichergestellt, dass ein Vorteil, den der Bieter bei der Wertung durch die Angebotsgestaltung erzielt, im Rahmen der Vertragsdurchführung wieder rückgängig gemacht wird, indem der errechnete wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft wird. Damit wird eine direkte Sanktionierung erreicht, wenn das insoweit abgegebene Leistungsversprechen nur auf dem Papier steht, die vertragsgerechte Umsetzung jedoch tatsächlich nicht erfolgt und das Gebäude eine geringere Energieeffizienz ausweist, also im Lebenszyklus höhere Heizkosten generiert und insgesamt klimaschädlicher ist. Verknüpfungen zwischen dem Vergabeverfahren und der späteren, erwarteten Vertragsdurchführung insbesondere in Bezug auf das Leistungsversprechen des Bieters, sind dem Vergaberecht nicht fremd; das Vergabeverfahren stellt keinen abstrakten, theoretischen Selbstzweck dar, sondern soll möglichst realitätsnah erfassen und mit Wertungspunkten prämieren, was bei Vertragsdurchführung auch tatsächlich geliefert wird. So ist im Vergabeverfahren grundsätzlich ein gesetzlicher Ausschlussgrund verwirklicht, wenn zwar formal korrekt wie gefordert angeboten wurde, das Leistungsversprechen aber fahrlässig oder gar vorsätzlich unzutreffend abgegeben wurde (vgl. zur Thematik des fehlenden Nachweises der Einhaltung des Leistungsversprechens im Rahmen von § 124 Abs. 1 Nr. 9 c) GWB grundlegend OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Juni 2024 - Verg 25/23, sowie vom 12. Juni 2024 - Verg 36/23). Auch dies stellt eine Verknüpfung zwischen der vergaberechtlichen Eignungsebene und der Prognose der späteren Vertragsdurchführung dar.
Hinzuweisen ist hier auch darauf, dass der Bietungsfaktor im Rahmen der Wertungsentscheidung nur eine sehr geringe Rolle spielt. Die ASt selbst greift die Gewichtung der Wärmedurchgangskoeffizienten mit jeweils 2,5 % als zu niedrig, da marginalisierend, an. Der Bietungsfaktor wiederum fließt hier lediglich als ein Element mit ein.
Der Bietungsfaktor steht folglich mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung. Dem entsprechend kommt der Bietungsfaktor auch in anderen Bereichen des öffentlichen Beschaffungswesens zur Anwendung, so z.B. in den vom Arbeitskreis "Zuschlagskriterien für Vergabeverfahren im Bundesfernstraßenbau" aufgestellten "Empfehlungen für die Verwendung qualitativer Zuschlagskriterien im Bundesfernstraßenbau", Kapitel 6.2 - Sanktionierung über den Bietungsvorteil.
Nach alledem ist der Nachprüfungsantrag auch insoweit unbegründet. Darauf, ob die ASt durch das Informationsschreiben nach § 19 Abs. 1 EU VOB/A zu Recht ausgeschlossen worden ist, kommt es nicht mehr an; die Frage nach der Eignung der ASt würde sich - s. bereits oben sub. I.3. - nur im Fall des Vorliegens eines Vergabefehlers in der Sache stellen, da es bei fehlender Eignung an einer Rechtsverletzung der ASt fehlen könnte, § 168 Abs. 1 GWB. In diesem Fall könnte die ASt den Zuschlag aus anderen als mit dem Nachprüfungsantrag vorgebrachten Gründen nicht erhalten. Da der Nachprüfungsantrag in der Sache jedoch nicht begründet ist, kann die Frage nach der Eignung offenbleiben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 1, 2 und 3 S. 1 sowie Abs. 4 S. 1,2 GWB.
Die ASt trägt als unterliegende Verfahrensbeteiligte die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Ag gemäß § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.
IV.
(...)
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OLG Karlsruhe
Beschluss
vom 20.09.2024
15 Verg 9/24
1. Im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüft der öffentliche Auftraggeber die Eignung der am vorgeschalteten Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Mit der positiven Eignungsprüfung wird - anders als im offenen Verfahren - ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet.
2. Die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen müssen nicht damit rechnen, der ihnen durch die Erstellung der Angebote und Teilnahme am Wettbewerb entstandene Aufwand könnte dadurch nachträglich nutzlos werden, dass der Auftraggeber ihre Eignung auf gleichbleibender tatsächlicher Grundlage später nochmals abweichend beurteilt.
3. Der öffentliche Auftraggeber ist berechtigt, die Vergabeunterlagen im laufenden Vergabeverfahren zu ändern, sei es zur Korrektur von Vergaberechtsverstößen oder aus Gründen der Zweckmäßigkeit, sofern dies nur in einem transparenten Verfahren und diskriminierungsfrei geschieht. Die Änderungsbefugnis des Auftraggebers bezieht sich auf alle Bestandteile der Vergabeunterlagen, so die Leistungsbeschreibung, Zuschlagskriterien, Unterkriterien und Gewichtungen.
4. Der maßgeblichen Stufen des Vergabeverfahrens sind fortlaufend zu dokumentieren. Insbesondere ist die Wertungsentscheidung des Auftraggebers so zu dokumentieren, dass sie inhaltlich nachzuvollziehen ist.
5. Ein Bieter kann sich nur dann auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen Mängel auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben. Die Dokumentation ist kein Selbstzweck.
vorhergehend:
VK Baden-Württemberg, 13.08.2024 - 1 VK 38/24
Tenor:
Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Baden-Württemberg vom 13.08.2024, Az.: 1 VK 38/24, bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern, wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Beschwerdeverfahren wie im vorausgegangenen Nachprüfungsverfahren gegen den beabsichtigten Zuschlag im Vergabeverfahren über die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Betrieb, Bereitstellung und Weiterentwicklung einer Bezahlkarte, insbesondere für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Die Antragsgegner, 14 Bundesländer, schrieben vertreten durch die D. AöR eine Rahmenvereinbarung mit vierjähriger Laufzeit über die Erbringung von Dienstleistungen für die Bezahlkarte als Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb europaweit aus. Die Antragsgegner stellten in Ziff. 5.1.9. Eignungskriterien zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit auf, wobei zum Nachweis der Erfahrung mit einem vergleichbaren Beschaffungsgegenstand Referenzen vorzulegen waren, die mit einem näher beschriebenen Punktesystem bewertet wurden. Anhand der Kriterien wurden die Bewerber ausgewählt, die zum Verhandlungsverfahren zugelassen wurden, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene. Nach den von den Antragsgegnern bekannt gemachten Zuschlagskriterien sollte der Preis mit 40% und die Qualität mit 60% in die Wertung einfließen, wobei Bewertungskriterien der Qualität das Umsetzungskonzept mit 70% und das Servicekonzept mit 30% waren.
Mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe wurden den Bietern weitere Unterlagen zur Verfügung gestellt. Hierzu gehörte auch das Dokument "Teil A - Allgemeiner Teil". Die Auftraggeber formulierten für das Umsetzungskonzept 19 Fragen, für das Servicekonzept 3 Fragen. Für die Antworten auf die einzelnen Fragestellungen sollten jeweils einzelne Punkte vergeben werden, die wiederum mit einem Gewichtungsfaktor versehen waren. Darüber hinaus haben die Auftraggeber in Ziffer 2.2.7.3.2.1.3 Teil A - Allgemeiner Teil festgelegt:
"In beiden Konzepten sind Themen bzw. Fallfragen gefordert. Beim Umsetzungskonzept beträgt die Anzahl 19, beim Servicekonzept beträgt die Anzahl der Gliederungspunkte 3.
Beim Umsetzungskonzept wird jede dieser Themen/Fallfragen mit je 0-5 Punkten bewertet. Da die jeweiligen Themen/Fallfragen von unterschiedlicher Wichtigkeit für den Auftraggeber sind, sind diese mit einem so genannten Gewichtungsfaktor von 1-3 versehen. Das heißt, je nach Wichtigkeit, werden die erreichten Punktwerte (0-5) mit dem jeweiligen Gewichtungsfaktor multipliziert. [...]
So können beim Umsetzungskonzept maximal 225 Leistungspunkte erreicht werden.
Beim Servicekonzept wird jeder Gliederungspunkt (I., II., III.) in Summe mit je 0-5 Punkten bewertet. Da die jeweiligen Gliederungspunkte von unterschiedlicher Wichtigkeit für den Auftraggeber sind, sind diese mit einem so genannten Gewichtungsfaktor von 1-3 versehen. Das heißt, je nach Wichtigkeit, werden die erreichten Punktewerte (0-5) mit dem jeweiligen Punktwert multipliziert.
So können beim Servicekonzept maximal 40 Leistungspunkte erreicht werden."
Die Punktwerte 0-5 wurden nach Notenstufen vergeben, wobei die Notenstufe "sehr gut" einem Punktwert von 5 entspricht und definiert ist:
"Die zur Aufgabenstellung vorgelegten Ausführungen des Bieters entsprechen den Anforderungen des Auftraggebers in außergewöhnlichem Maße. (Das bedeutet eine erhebliche Übererfüllung der Anforderungen des Auftraggebers)."
Die Notenstufe "gut" entspricht einem Punktwert von 4 und wird dahingehend definiert, dass "die zur Aufgabenstellung vorgelegten Ausführungen des Bieters den Anforderungen des Auftraggebers in besonderem Maße [entsprechen]. (Das bedeutet eine mehr als nur geringfügige, aber noch keine erhebliche Übererfüllung der Anforderungen des Auftraggebers)".
Die Notenstufe "befriedigend" entspricht einem Punktwert von 3 und ist beschrieben: "Die zur Aufgabenstellung vorgelegten Ausführungen des Bieters entsprechen den Anforderungen des Auftraggebers voll. (Das ist der Mittelwert)".
Entsprechend waren die Punktwerte 2 - 0 den Notenstufen ausreichend, mangelhaft und ungenügend zugeordnet.
Die Frist zur Angebotsabgabe endete am Montag, den 24.06.2024 um 12:00 Uhr. Die Antragstellerin hat am Freitag, den 21.06.2024 ihr Angebot abgegeben. Mit Vorabinformationsschreiben nach § 134 GWB vom 04.07.2024 teilte die Vergabestelle der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot nicht für den Zuschlag vorgesehen sei. Mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 05.07.2024 rügte die Antragstellerin die eingeschränkte Nachvollziehbarkeit der Absagemitteilung.
Die Antragsgegner ließen mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 05.07.2024 mitteilen, sie würden die Anfrage der Antragstellerin bis zum 09.07.2024 (nachmittags) beantworten, was nicht erfolgte.
Mit Schreiben vom 09.07.2024 rügte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin folgende Vergaberechtsverstöße:
Der mitgeteilte Zuschlagszeitpunkt verstoße gegen die in § 134 Abs. 2 GWB vorgesehene Stillhalte- und Wartefrist. Die Stillhalte- und Wartefrist diene als Mindestüberlegungsfrist zum Schutz der unterlegenen Bieter, falle ihr Ende auf einen Sonntag, ende die Frist erst mit Ablauf des nächstfolgenden Arbeitstages. Die Mitteilung vom 04.07.2024 sei daher für gegenstandslos zu erklären. Einer Auftragserteilung an die Beigeladene stünden mehrere Gründe entgegen: Dass die Beigeladene im Teilnahmewettbewerb ausgewählt worden sei, sei aus ihrer Sicht schon nicht nachvollziehbar. Zudem erweise sich die Vergabeentscheidung als intransparent, weil die Vorinformation nicht den Anforderungen des § 134 Abs. 1 GWB entspreche. Ungeachtet dessen stünde der beabsichtigten Zuschlagserteilung eine mutmaßlich vergabe- und wettbewerbswidrige Preisgestaltung der Beigeladenen entgegen, was von den Auftraggebern offenkundig nicht ausreichend geprüft worden sei. Auch sei davon auszugehen, dass das Angebot der Beigeladenen nicht hinreichend auf die Einhaltung der Vorgaben und Anforderungen der Leistungsbeschreibung geprüft worden sei. Darüber hinaus lägen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Bewertung der Konzepte auf Beurteilungsfehlern beruhe. Das gelte sowohl für ihre Konzepte als auch für die der Beigeladenen. Hinzu komme, dass die Vorinformation den Eindruck erwecke, die Wertung sei nicht von den Auftraggebern, sondern von ihrem externen Dienstleister durchgeführt worden. Darin liege ein Verstoß gegen das Delegationsverbot. Bei der Durchsicht der Vergabeunterlagen im Zuge der Erstellung der Rüge seien zudem weitere fundamentale Vergabefehler aufgefallen, die einer Beendigung des Vergabeverfahrens durch eine Zuschlagserteilung ohnehin grundlegend entgegenstünden. Die Antragsgegner ließen mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 11.07.2024 die Rügen zurückweisen.
Am 11.07.2024 reichte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag ein, mit dem sie die bereits im Rügeschreiben vorgebrachten Argumente wiederholte und vertiefte. Zudem rügte sie, dass gemäß Ziffer 2.5 der Leistungsbeschreibung nicht nur die auftraggebenden Bundesländer selbst, sondern alle durch die Auftraggeber benannten Gebietskörperschaften (also Kommunen) und andere öffentlich-rechtliche Stellen (also Anstalten oder juristische Personen des öffentlichen Rechts) aus der Rahmenvereinbarung abrufberechtigt seien. Die abrufberechtigten Stellen sollten dem Auftragnehmer von den Auftraggebern nach Zuschlagserteilung benannt werden. Im Bereich des AsylbLG sollten dies bis zu 900 Leistungsbehörden/Stellen sein. Änderungen sollten jederzeit möglich sein. Dies verstoße gegen § 21 Abs. 2 VgV.
Durch den angegriffenen Beschluss, auf den wegen der Einzelheiten des Sachverhalts, der gestellten Anträge und der Ausführungen verwiesen wird, hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag gerichtet darauf, festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Bieterrechten verletzt sei, und das Verfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzusetzen, zurückgewiesen.
Die Rüge einer unzureichenden Benennung der abrufberechtigten Auftraggeber/Bedarfsstellen und eines Verstoßes gegen § 21 Abs. 2 S. 2 VgV habe die Antragstellerin erst nach Erhalt des Vorabinformationsschreiben und deutlich nach Einreichung des eigenen Angebots und damit nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB verspätet erhoben, so dass der Nachprüfungsantrag insoweit unzulässig sei. Dass abrufberechtigt nicht nur die Länder, sondern auch 900 weitere Stellen seien, sei aus den Vergabeunterlagen eindeutig hervorgegangen, sei doch dieser Umstand auch kalkulationsrelevant gewesen, so dass davon auszugehen sei, dass sich die Antragstellerin hiermit bei Erstellung des Angebots auseinandergesetzt habe. Die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 S. 1 GWB fehle der Antragstellerin, soweit sie einen Verstoß gegen die Informationspflicht nach § 134 Abs. 1 GWB gerügt habe. Denn die Antragstellerin habe Vergabeverstöße vor Zuschlagserteilung gerügt und nach Zurückweisung der Rüge ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet. Unbeachtlich und ins Blaue hinein erfolgt sei die Rüge der Antragstellerin, dass die Beigeladene die Mindestanforderungen im Teilnahmewettbewerb nicht erfüllt habe und ihre Zulassung auf einer fehlerhaften Prüfung der Mindestanforderungen durch die Antragsgegner beruhe. Ebenso ins Blaue hinein erfolgt seien die Rüge der Antragstellerin, das Angebot der Beigeladenen enthalte vergabe- und wettbewerbswidrige Preise, und die Rüge, dass die Vorgaben und Anforderungen der Leistungsbeschreibung/Mindestkriterien von den Antragsgegnern zu Unrecht bejaht worden seien. Unsubstantiiert und damit unzulässig sei auch die Rüge der Antragstellerin, die Antragsgegner hätten durch die Beauftragung der D. AöR gegen das Delegationsverbot verstoßen. Zudem sei die Rüge, der Preis des Angebots der Beigeladenen sei unangemessen niedrig, unbegründet. Die Aufgreifschwelle von 20% werde nicht erreicht. Auch unbegründet sei die Rüge der Antragstellerin, das Angebot der Beigeladenen erfülle die Mindestanforderungen nicht. Auf das Leistungsversprechen eines Bieters dürfe sich der öffentliche Auftraggeber verlassen. Anlass für weitere Aufklärung habe nicht bestanden. Durch die Bewertung ihrer Konzepte sei die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Antragsgegner hätten ihre Bewertung ausführlich dokumentiert und entsprechend der bekannt gemachten Bewertungskriterien bewertet. Soweit die Antragstellerin rüge, dass bei ihrem Umsetzungskonzept die Ausarbeitung der Problematik der doppelten Kartenausstellung unzutreffend gewürdigt worden und daher die vorgegebene Punktzahl nicht richtig sei, treffe dies nicht zu. Die Beschreibung der Leistungspunkte habe es vorgesehen, dass bei voller Erfüllung der Leistungsbeschreibung drei Punkte vergeben würden, was auch erfolgt sei. Höhere Punktzahlen könnten nur vergeben werden, wenn das Konzept die Anforderungen der Leistungsbeschreibung übererfülle oder in außergewöhnlichem Maß übererfülle. Dass dies bei ihrem Konzept der Fall sei, habe die Antragstellerin nicht dargelegt.
Mit der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde begehrt die Antragstellerin die Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben und die Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats fortzuführen. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen vor der Vergabekammer. Zu Unrecht habe die Vergabekammer angenommen, ihre Rüge der Abrufberechtigung der Leistungsbehörden sei präkludiert. Die Vergabekammer habe nicht zwischen tatsächlichen und rechtlichen Elementen der Erkennbarkeit unterschieden. Mit der rechtlichen Zulässigkeit der Abrufberechtigung habe sie, die Antragstellerin, sich mangels vergaberechtlicher Kenntnisse nicht auseinandergesetzt; diese Kenntnis habe sie erst durch die nachträgliche Prüfung ihres Verfahrensbevollmächtigten erhalten. Sie habe keine Rügen ins Blaue hinein erhoben. Da es sich insoweit im Wesentlichen um Umstände handele, die ihrem Kenntnisbereich entzogen seien, sei nach der Rechtsprechung ein großzügiger Maßstab anzulegen. Die Vergabekammer habe die Anforderungen überspannt. Sie habe die Rügen aufgrund ihrer Marktkenntnis, der im Internet verfügbaren Informationen sowie sonstiger Recherchen, etwa im EU-Amtsblatt zu weiteren Ausschreibungen getroffen. Auch die Rüge des Verstoßes gegen das vergaberechtliche Delegationsverbot sei ausreichend substantiiert. Wie sie schon vor der Vergabekammer vorgetragen habe, sei die Eignungsprüfung und Auswahlentscheidung der Beigeladenen im Teilnahmewettbewerb durch den Antragsgegner ebenso fehlerhaft wie die Angebotsprüfungen und Kalkulation der Beigeladenen. Die Preisgestaltung des Angebots der Beigeladenen sei vergabe- und wettbewerbswidrig. Zudem hätten die Antragsgegner die Vergabeunterlagen intransparent geändert; eine Vergleichbarkeit der Angebote sei nicht mehr gewährleistet. Am 21.06.2024 habe die Vergabestelle nämlich nicht wie sonst geschehen, Frage und Antwort bezüglich einer Bieteranfrage zusammen veröffentlicht, sondern klarstellende Hinweise ohne die dazugehörigen Bieterfragen veröffentlich. Im Hinweis Nr. 1 vom 21.06.2024 sei klargestellt worden, dass die in Ziff. 3.3.3 der Leistungsbeschreibung aufgenommene Anforderung, SEPA-Lastschriften und Überweisungen zu ermöglichen, auch durch eine funktional gleichwertige Lösung erfüllt werden könne, die ohne IBAN und SEPA -Überweisung/Lastschrift einmalige und wiederkehrende Verpflichtungen des Leistungsberechtigten gegenüber Dritten erfülle. Dies stelle eine kalkulationsrelevante wesentliche Änderung dar, was ihr zunächst nicht aufgefallen sei. Es sei aber nicht auszuschließen, dass anders als sie die Beigeladene oder andere Bieter dies bei der Kalkulation ihres Angebots berücksichtigt hätten. Zudem weiche das Angebot der Beigeladenen nach ihrer Überzeugung von den Vorgaben der Leistungsbeschreibung ab. Hierzu habe sie entgegen den Feststellungen der Vergabekammer konkrete Anhaltspunkte vorgetragen. Weder dürfte die Beigeladene in der Lage sein, die Nutzung der Bezahlkarte als Debitkarte über den SEPA-Zahlungsverkehr zu ermöglichen, noch die Anforderungen der Leistungsbeschreibung zu den Personenverbünden erfüllen. Ihre, der Antragstellerin, Konzepte hätten die Antragsgegner fehlerhaft bewertet. Zudem leide das Vergabeverfahren an einem Dokumentationsmangel. Mit Schriftsatz vom 31.07.2024 hätten die Antragsgegner vorgetragen, es bestehe während des Vergabeverfahrens keine Pflicht, einen Vergabevermerk anzufertigen. Dies verstoße gegen § 8 Abs. 1 VgV, sei doch nach der Rechtsprechung anerkannt, dass alle ermessenslenkenden Erwägungen zeitnah zu dokumentieren seien.
Die Antragstellerin hat zudem beantragt, gemäß § 173 Abs. 1 GWB die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer bis zur abschließenden Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern. Ihr Interesse an einer Entscheidung über ihr Rechtsmittel vor Zuschlagserteilung überwiege die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe. Die sofortige Beschwerde habe Aussicht auf Erfolg. Die Antragsgegner hätten nicht dargelegt, dass die Zuschlagserteilung eilbedürftig sei. Zudem sei die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich, weil ihr Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt worden sei, dass sie nur rudimentäre Einsicht in die Vergabeakte erhalten habe, und sie daher keine Möglichkeit gehabt habe, ihr Rügevorbringen im Nachprüfungsverfahren weiter zu vertiefen und sich zu den entscheidungserheblichen Gesichtspunkten einzulassen. Zudem stütze die Vergabekammer ihre Entscheidung auf Dokumente und Informationen, die sie nicht habe einsehen können.
Die Antragsgegner und die Beigeladene treten dem Antrag entgegen. Abgesehen davon, dass die sofortige Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg habe, sei die Vergabe eilbedürftig. Auf Seiten der Allgemeinheit bestehe ein erhebliches Interesse an der raschen Einführung einer einheitlichen Lösung für die Bezahlkarte.
II.
Der nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB statthafte Antrag der Antragstellerin, die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde anzuordnen, hat keinen Erfolg. Im Interesse des zügigen Abschlusses des Vergabeverfahrens ist die aufschiebende Wirkung der Beschwerde nicht zu verlängern.
1. Ein Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB ist gemäß § 173 Abs. 2 Satz 1 GWB abzulehnen, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Bei der erforderlichen Abwägung sind gemäß § 173 Abs. 2 Satz 2 und 3 GWB das Interesse der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben des Auftraggebers, die Erfolgsaussichten der Beschwerde, die allgemeinen Aussichten des Antragstellers, den Auftrag zu erhalten, und das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Verfahrens zu berücksichtigen.
Hier überwiegt das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Verfahrens über die Auftragsvergabe und das Interesse der Antragsgegner, zeitnah eine Bezahlkarte mit einheitlichen Mindeststandards im Asylbereich einzuführen, das Interesse der Antragstellerin, dass das von ihr eingeleitete Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung beendet wird.
Denn die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer bietet nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage keine Aussicht auf Erfolg. Sind die Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde gering, so kann das Interesse des Beschwerdeführers das Interesse an einem zügigen Verfahrensabschluss in der Regel nicht überwiegen. Gründe, trotz fehlender Erfolgsaussichten des Rechtsmittels dennoch ein Überwiegen der Interessen der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zu bejahen, sind hier nicht ersichtlich. Die abstrakte Möglichkeit, dass sich entgegen der Entscheidung der Vergabekammer und der vorläufigen Ansicht des Senats in der mündlichen Verhandlung noch etwas an der Einschätzung des Senats ändert, genügt nicht für eine andere Bewertung, denn sonst könnte die aufschiebende Wirkung praktisch nie abgelehnt werden (Burgi/Dreher/Opitz/Vavra/Willner, 4. Aufl. 2022, GWB § 173 Rn. 27, beck-online). Maßgeblicher neuer Vortrag der Antragstellerin, der zu einer streitentscheidend anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen könnte, ist ungeachtet der Frage, ob der Antragstellerin weitergehende Akteneinsicht zu gewähren ist, angesichts des Stands des Vergabeverfahrens, der erhobenen Rügen und der umfassenden Dokumentation der maßgeblichen Verfahrensschritte und Entscheidungen der Vergabestelle nicht zu prognostizieren.
2. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 171 GWB statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 172 Abs. 1 und 2 GWB), dürfte aber in der Sache keinen Erfolg haben. Die Vergabekammer dürfte den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zu Recht zurückgewiesen haben.
a) Informationsschreiben der Antragsgegner
aa) Wie die Vergabekammer zutreffend ausgeführt hat, ist die Antragstellerin mangels Darlegung eines eventuellen Schadens durch den angeblichen Vergaberechtsverstoß nicht antragsbefugt. Da die Antragsgegner noch keinem Angebot den Zuschlag erteilt haben, kann eine ordnungsgemäße Unterrichtung nach § 134 GWB lediglich für die Einhaltung der Rügefrist und die Substantiierung eines Vergaberechtsverstoßes der Antragsgegner von Bedeutung sein. Die Antragstellerin hat aber innerhalb der gesetzlichen Frist den Antragsgegnern zahlreiche Verstöße vorgeworfen. Dass ihr weitere Verstöße aufgrund unzureichender Unterrichtung unbekannt geblieben sein könnten, ist nicht ersichtlich und hat die Antragstellerin auch nicht angedeutet.
bb) Zudem erfüllt die Mitteilung der Antragsgegner vom 04.07.2024 (Anl. Ast 24), dass sie beabsichtigen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, die Anforderungen von § 134 Abs. 1 GWB. Nach dieser Vorschrift hat ein öffentlicher Auftraggeber den Bietern, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, unter anderem die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung mitzuteilen. Zwar darf sich die Unterrichtung eines Bieters nicht auf Leerformeln beschränken. Erforderlich aber auch ausreichend ist die Information, wenn sie den unterlegenen Bieter in die Lage versetzt, seine Position im Vergabeverfahren zu erkennen und die Sinnhaftigkeit eines Nachprüfungsantrags zu überprüfen (vgl. Ziekow/Völlink/Braun, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 134 GWB Rn. 85 ff.). Hierfür ist nicht notwendig, dass die vollständigen Gründe des Vergabevermerks genannt werden oder die Begründung demjenigen eines schriftlichen Verwaltungsaktes entspricht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.08.2001 - Verg 28/01, zu § 13 VgV).
Um ihre Position im Vergabeverfahren zu erkennen und die Erfolgsaussichten einer Vergabenachprüfung beurteilen zu können, war der Inhalt der Mitteilung vom 04.07.2024 ausreichend. Mit dem Hinweis,
"dass ihr Angebot insbesondere in preislicher Hinsicht nicht für den Zuschlag vorgesehen werden kann",
machten die Antragsgegner hinreichend deutlich, dass das Angebot der Antragstellerin preislich nicht das Günstigste ist. Zwar verwendet das Informationsschreiben bei der Mitteilung zum Preis den Ausdruck "wirtschaftlicheres Angebot", im inhaltlichen Kontext musste die Antragstellerin dies jedoch dahingehend verstehen, dass ihr Angebot preislich nicht das günstigste ist. Denn im Anschluss hieran enthält das Informationsschreiben nähere Ausführungen zur Bewertung der Konzepte. Zudem wird darüber informiert, dass auch im Leistungsteil das Angebot der Antragstellerin nicht auf Platz eins liegt, was dann näher erläutert wird.
b) Eignung der Beigeladenen
aa) Die Rüge der mangelnden Eignung der Beigeladenen erhob die Antragstellerin "ins Blaue hinein", und sie ist damit unzulässig.
Nach der Rechtsprechung ist an Rügen zwar ein großzügiger Maßstab anzulegen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2011 - Verg 58/10; OLG München, Beschluss vom 07.08.2007 - Verg 8/07; OLG Dresden, Beschluss vom 06.02.2002 - WVerg 4/02). Da ein Bieter naturgemäß nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens hat, darf er im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines - oft nur beschränkten - Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergaberechtsverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2011 - Verg 58/10; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 09.07.2010 - 11 Verg 5/10; OLG Dresden, Beschluss vom 06.06.2002 - WVerg 4/02). Der Antragsteller muss aber zumindest tatsächliche Anhaltspunkte oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen (siehe OLG München, Beschluss vom 11.06.2007 - Verg 6/07). Ein Mindestmaß an Substantiierung ist einzuhalten; reine Vermutungen zu eventuellen Vergaberechtsverstößen reichen nicht aus (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2011 - Verg 58/10; OLG Brandenburg, Beschluss vom 29.05.2012 - Verg W 5/12; OLG München, Beschluss vom 07.08.2007 - Verg 8/07). Da die Rüge einerseits den öffentlichen Auftraggeber in die Lage versetzen soll, einen etwaigen Vergaberechtsverstoß zeitnah zu korrigieren (Beschleunigung des Vergabeverfahrens, Selbstkontrolle des öffentlichen Auftraggebers), und andererseits Zugangsvoraussetzung zum Nachprüfungsverfahren ist, ist es unabdingbar, dass der Antragsteller - um unnötige Verzögerungen des Vergabeverfahrens zu vermeiden und einem Missbrauch des Nachprüfungsverfahrens vorzubeugen - bereits frühzeitig diejenigen Umstände benennt, aufgrund derer er vom Vorliegen eines Vergaberechtsverstoßes ausgeht. Aus Gründen der Beschleunigung wie auch zur Vorbeugung gegen den Missbrauch der Rüge beziehungsweise des Nachprüfungsverfahrens ist dem öffentlichen Auftraggeber in der Regel nicht zuzumuten, auf gänzlich unsubstantiierte Rügen hin in eine (ggf. erneute) Tatsachenermittlung einzutreten. Daher ist der Antragsteller gehalten, schon bei Prüfung der Frage, ob ein Vergaberechtsverstoß zu rügen ist, Erkenntnisquellen auszuschöpfen, die ihm ohne großen Aufwand zur Verfügung stehen. Zudem muss er, um eine Überprüfung zu ermöglichen, angeben, woher seine Erkenntnisse stammen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2011 - Verg 58/10; OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.11.2012 - Verg W 10/12).
Mit dem Rügeschreiben vom 09.07.2024 (AST 27) beanstandete die Antragstellerin die mangelnde Eignung der Beigeladenen, weil diese nicht die in den Vergabeunterlagen zu Ziffer 5.4.2.2 lit. b geforderten Nachweise der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit erbringen könne. Sie begründet dies mit ihrer Marktkenntnis, nach der der Fokus und der Tätigkeitsschwerpunkt der Beigeladenen in der Bereitstellung von Zahlungssystemen im Bereich des E-Commerce liege, und verweist zudem auf die auf der Internetseite der Beigeladenen aufgeführten Referenzen sowie auf eine Recherche auf der EU-Vergabeplattform, die zwei Projekte einer Bietergemeinschaft, an der die Beigeladene beteiligt gewesen sei (L. und H.), ergeben habe, die aber nicht bereits sechs Monate implementiert seien. Ungeachtet der Frage, ob die pauschale Behauptung der eigenen Marktkenntnis, ohne diese näher zu erläutern, für das Vorbringen tatsächlicher Anhaltspunkte oder Indizien genügt, hat die Antragstellerin diese Behauptung aufs Geratewohl aufgestellt. Zwar ist die Antragstellerin in ihren Erkenntnisquellen eingeschränkt, die von ihr vorgetragenen Anhaltspunkte sind aber unzureichend. Sie lässt unberücksichtigt, dass auch Referenzen über Bezahlkarten privater Auftraggeber gewertet wurden und weder eine EU-weite Ausschreibung noch eine Selbstvornahme verlangt waren. Es kamen daher eine Vielzahl von Referenzkonstellationen in Betracht, zu denen die Antragstellerin nichts vorzutragen weiß. Im Übrigen ist unstreitig, dass die Beigeladene eine Unterlassungserklärung hinsichtlich einer auf der Homepage der Antragstellerin veröffentlichten vergleichenden Darstellung der von beiden Unternehmen angebotenen Bezahlkarten erwirkte, so dass sie die Beigeladene im hiesigen Verfahren offensichtlich zu Unrecht als "Newcomerin" darstellt.
bb) Ein Wertungsausschluss des Angebots der Beigeladenen aufgrund der Vorlage einer den aufgestellten Anforderungen nicht genügenden Referenz kommt zudem nicht mehr in Betracht, nachdem die Antragsgegner die Eignung der Beigeladenen im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs bejaht und die Beigeladene zum Verhandlungsverfahren zugelassen haben. Im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb prüft der öffentliche Auftraggeber gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 i.V.m. § 51 VgV die Eignung der am vorgeschalteten Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen, bevor er sie zum Verhandlungsverfahren zulässt. Dadurch wird mit der positiven Eignungsprüfung - anders als im offenen Verfahren - ein Vertrauenstatbestand für die zum Verhandlungsverfahren zugelassenen Unternehmen begründet. Sie müssen nicht damit rechnen, der ihnen durch die Erstellung der Angebote und Teilnahme am Wettbewerb entstandene Aufwand könnte dadurch nachträglich nutzlos werden, dass der Auftraggeber ihre Eignung auf - wie hier - gleichbleibender tatsächlicher Grundlage später nochmals abweichend beurteilt (vgl. BGH, Beschluss vom 07.01.2014 - X ZB 15/13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.03.2021 - Verg 9/21; Senat, Beschluss vom 21.05.2021 - 15 Verg 4/21, NZBau 2022, 303 Rn. 22). Ob und unter welchen Voraussetzungen Mitbieter im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb einen Vergaberechtsverstoß, der in der fehlerhaften Bejahung der Eignung eines Unternehmens am Ende des Teilnahmewettbewerbs liegt, ab der Begründung des Vertrauenstatbestands hinzunehmen haben (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.03.2021, a.a.O.) bzw. ob es mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 1 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 RL 2007/66/EG zu vereinbaren ist, wenn konkurrierende Bieter, die nicht zur Angebotsabgabe zugelassen wurden, im Nachprüfungsverfahren nicht geltend machen können, dass die Eignungsprüfung eines zugelassenen Bieters vergaberechtswidrig erfolgte, weil er zB die Mindestanforderungen an die Eignung nicht erfüllt (vgl. zu diesem Aspekt: Ziekow/Völlink/Steck, 5. Aufl. 2024, VOB/A § 16b EU Rn. 7, beck-online), kann im Streitfall dahinstehen. Denn aus der Bejahung der Eignung der Beigeladenen ist der Antragstellerin kein Schaden entstanden, da sie ebenso wie die Beigeladene zur Abgabe eines Angebots aufgefordert wurde. Die Teilnahme der Beigeladenen, selbst wenn diese keine ausschreibungskonforme Referenz besäße, erschwerte der Antragstellerin die Abgabe eines wettbewerblich interessanten Angebots nicht.
c) Vergabe- und wettbewerbswidrige Preisgestaltung
aa) Ob es sich bei der Beantwortung der Bieterfrage vom 21.06.2024, in der "klargestellt" wird, dass die in Ziffer 3.3.3 der Leistungsbeschreibung aufgenommene Anforderung, SEPA-Lastschriften und Überweisungen zu ermöglichen, auch durch eine funktional gleichwertige Lösung erfüllt werden kann, die ohne IBAN und SEPA-Überweisung/Lastschrift einmalige und wiederkehrende Verpflichtungen des Leistungsberechtigten gegenüber Dritten erfüllt, um eine wesentliche Änderung in den Vergabeunterlagen i.S.v. § 20 Abs. 3 Nr. 2 VgV handelt, die eine Verlängerung der Angebotsfrist erfordert, muss nicht entschieden werden. Die Rüge ist unzulässig. Denn abgesehen davon, dass die Antragstellerin einen möglichen Verstoß nicht vor Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe rügte, § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB, kann ihr kein Schaden entstanden sein, denn sie hat nicht vorgetragen, dass sie in diesem Fall ein anderes Angebot abgegeben hätte.
bb) Die Rüge eines unangemessen niedrigen Preises ist jedenfalls unbegründet. Ob in einem Fall, wie dem vorliegenden, bei dem der Preis nur mit 40% in die Wertung eingeht, ein isolierter Vergleich der Preise belastbare Grundlage für die Beurteilung der Angemessenheit sein kann, braucht nicht entschieden zu werden (vgl. Senat, Beschluss vom 21.05.2021 - 15 Verg 4/21, NZBau 2022, 303 Rn. 48). Nach § 60 VgV ist eine Preisprüfung des Auftraggebers grundsätzlich erst angezeigt, wenn die sogenannte Aufgreifschwelle von in der Regel 20% zum nächstgünstigen Angebot erreicht ist (vgl. BGH, Beschluss vom 31.01.2017 - X ZB 10/16; Senat, Beschluss vom 21.05.2021 - 15 Verg 4/21, a.a.O.; Wagner in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl. 2023, § 60 VgV, Rn. 11). Anders als die Antragstellerin mutmaßt, beträgt der Preisabstand zum nächsthöheren Angebot, bei dem es sich im Übrigen nicht um dasjenige der Antragstellerin handelt, weniger als 4% und in Bezug auf den Mittelwert aller Angebote knapp 16%.
Zudem haben die Antragsgegner am 27.06.2024 die Beigeladene um Aufklärung wegen eines Preises gebeten, die diese fristgemäß vollständig beantwortet hat (Anl. BG 1 und BG 2).
d) Intransparente Änderung der Vergabeunterlagen - keine Vergleichbarkeit der Angebote
Der öffentliche Auftraggeber ist berechtigt, die Vergabeunterlagen im laufenden Vergabeverfahren zu ändern, sei es zur Korrektur von Vergaberechtsverstößen oder aus Gründen der Zweckmäßigkeit, sofern dies nur in einem transparenten Verfahren und diskriminierungsfrei geschieht. Die Änderungsbefugnis des Auftraggebers bezieht sich auf alle Bestandteile der Vergabeunterlagen, so die Leistungsbeschreibung, Zuschlagskriterien, Unterkriterien und Gewichtungen (vgl. BGH, Beschluss vom 26.09.2006 - X ZB 14/06; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.09.2016 - Verg 7/16). Ungeachtet der Frage, ob mit der Bieterinformation vom 21.06.2024, in der "klargestellt" wird, dass die in Ziffer 3.3.3 der Leistungsbeschreibung aufgenommene Anforderung, SEPA-Lastschriften und Überweisungen zu ermöglichen, auch durch eine funktional gleichwertige Lösung erfüllt werden kann, die Antragsgegner die Leistungsbeschreibung änderten, bieten die Mehrzahl der Bieter ebenso wie die Antragstellerin Lösungen an, die die Vorgaben von Ziffer 3.3.3. der Leistungsbeschreibung wie ursprünglich gefordert umsetzen.
Die Behauptung der Antragstellerin, der Hinweis Ziff. 5 zu den ATM-Entgelten,
"es wird klargestellt, dass der Auftragnehmer weder berechtigt noch verpflichtet ist, dem Leistungsberechtigten Entgelte für Abhebungen in Rechnung zu stellen. Er wird jedoch anfallende zusätzliche, nicht durch den Vertrag abgedeckte Forderungen dem Auftraggeber monatlich mitteilen und ihn in die Lage versetzen, diese Beträge entweder selbst zu tragen oder sie dem Leistungsberechtigten zu belasten"
sei auf direkte oder indirekte Veranlassung der Beigeladenen erfolgt, ist rein spekulativ.
e) Unzureichende Prüfung des Angebots der Beigeladenen
aa) Der öffentliche Auftraggeber darf ohne Widerspruch zu § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Bieter seine vertraglichen Zusagen erfüllen wird (Senat, Beschluss vom 07.09.2022 - 15 Verg 8/22, NZBau 2022, 615 Rn. 35; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.08.2018 - Verg 23/18; KG, Beschluss vom 21.11.2014 - Verg 22/13). Erst wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dies zweifelhaft ist, ist der öffentliche Auftraggeber gehalten, durch Einholung ergänzender Informationen die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens beziehungsweise die hinreichende Leistungsfähigkeit des Bieters zu prüfen (Senat, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; KG, a.a.O.).
bb) Solche Zweifel mussten die Antragsgegner nicht aufgrund des Vorbringens der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren haben. Die Antragstellerin schließt aus ihr öffentlich zugänglichen Informationen und ihrer "Marktkenntnis" darauf, dass die Beigeladene die Anforderungen zu 3.3.3. "Bereitstellung eines Workflows für Positiv-/Negativlisten für Lastschriften und Überweisungen" nicht erfüllen kann. Dass ein Unternehmen in einem umkämpften Marktumfeld, wie vorliegend und anhand der Vielzahl der Bieter erkennbar, aus Gründen des Wettbewerbs nicht alle eingesetzten Tools öffentlich macht, liegt auf der Hand. Sie hat die Angaben im Rahmen ihres Umsetzungskonzepts dargestellt; die Antragsgegner haben sie als überzeugend befunden. Der Vorwurf der Antragstellerin, die Beigeladene könne die Anforderungen zu Personenverbünden nach Ziff. 3.2.5 und 3.2.20.6 der Leistungsbeschreibung sowie zu Limits und Beschränkungen der Karte und bezüglich der Anpassung der einzelnen Bezahlkarten auf Länderebene nicht erfüllen, entbehrt jeder objektivierbaren Grundlage. Begründeter Anlass, an dem Leistungsversprechen der Beigeladenen, das im Rahmen des Umsetzungskonzeptes erläutert wurde, zu zweifeln, besteht mithin nicht.
Oben Gesagtes gilt auch für die Bewertung der Konzepte der Beigeladenen durch die Antragsgegner.
f) Fehlerhafte Bewertung des Konzepts der Antragstellerin
aa) Grundlage für den Zuschlag ist eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt (§ 127 Abs. 1 S. 2 GWB, § 58 Abs. 1 VgV). Bei der Wertung der Angebote genießt der öffentliche Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum, der von den Nachprüfungsinstanzen nur dahin überprüfbar ist, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten wurde, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen für die Entscheidung herangezogen wurden und nicht gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen wurde. Auch wenn dem öffentlichen Auftraggeber bei der Bewertung und Benotung ein Beurteilungsspielraum zusteht, sind seine diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen insbesondere auch daraufhin überprüfbar, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden (BGH, Beschluss vom 04.04.2017- X ZB 3/17; MüKoEuWettbR/Hölzl, 4. Aufl. 2022, GWB § 127 Rn. 53 mwN). Bei seiner Überprüfung berücksichtigt der Senat analog § 175 Abs. 2 i.V.m. § 70 Abs. 2 S. 4 GWB sämtliche in der Vergabedokumentation enthaltenen und der Entscheidung der Antragsgegner zugrundeliegenden Tatsachen, auch soweit diese wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit der Antragstellerin nicht offenbart werden dürfen (vgl. zur Verwertbarkeit geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen im Vergabenachprüfungsverfahren BGH, Beschluss vom 31.01.2017 - X ZB 10/16).
bb) Gemessen daran führen die gegen die Wertungsentscheidung gerichteten Angriffe der Antragstellerin nicht zum Erfolg.
(1) Selbst wenn sie mit ihrer Rüge zur Bewertung ihres Umsetzungskonzepts unter lfd. Nr. 10 "Wie stellen Sie sicher, dass doppelte Ausstellungen verhindert werden? ..." durchdringen würde und die Antragsgegner diese Antwort nicht nur mit 2 Punkten hätten bewerten dürfen, hätte sie allenfalls erreichen können, dass ein Punktwert von 3 vergeben wird. Denn hiermit wird nach der zugrunde zu legenden Beschreibung im Leistungsverzeichnis bewertet, dass die zur Aufgabenstellung vorgelegten Ausführungen des Bieters den Anforderungen des Auftraggebers voll entsprechen. Dafür, dass ihre Ausführungen zu Punkt 10 des Leistungskonzepts eine Bewertung rechtfertigen würden, wonach die Anforderung erheblich (fünf Punkte) oder mehr als nur geringfügig (vier Punkte) übererfüllt würde, gibt der Vortrag der Antragstellerin nichts her. Denn sie beanstandet, dass ihre Ausführungen wegen Mängeln abgewertet worden seien, obwohl solche nicht vorgelegen hätten, da die Darstellung von Alternativen nicht verlangt gewesen sei. Damit macht sie zugleich geltend, dass ihre Ausführungen den Vorgaben anders als von den Antragsgegnern gewertet, den Vorgaben entsprechen (drei Punkte).
Ob in der Bewertung mit 2 statt mit 3 Punkten ein vergaberechtlicher Verstoß liegt, kann offenbleiben, weil auszuschließen ist, dass es hierdurch zu einer Beeinträchtigung der Auftragschancen der Antragstellerin gekommen ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.08.2019 - Verg 56/18; Beschluss vom 08.09.2017 - Verg 39/16). Die lfd. Nr. 10 ist mit einem Gewichtungsfaktor von 2 versehen, die Antragstellerin hätte daher nicht 155 Punkte, sondern 157 Punkte erhalten können. Im Hinblick auf ihre preisliche Platzierung würde dies unter Anwendung der von den Antragsgegnern vorgegebenen Berechnungsparametern nicht zu einer Verschiebung innerhalb der Reihenfolge der Bieter führen.
(2) Die Behauptung, ihr Servicekonzept hätte durchgehend mit fünf Punkten bewertet werden müssen, weil die Vorabinformation nicht einen Kritikpunkt an ihrem Servicekonzept geäußert habe, entbehrt jeder sachlichen Grundlage und jeglicher inhaltlicher Auseinandersetzung mit der detaillierten Begründung der Bewertung ihres Konzepts, die der Antragstellerin durch Überlassung der Anlage AG 1 durch die Antragsgegner bekannt ist. Ein Servicekonzept, das die Anforderungen erfüllt, ist nach den bekannt gemachten Bewertungskriterien der Antragsgegner grundsätzlich mit drei Punkten zu bewerten. Dies war vorliegend der Fall, weil das Servicekonzept der Antragstellerin in den einzelnen Unterkategorien mit drei oder mehr Punkten bewertet wurde.
g) Verstoß gegen das Delegationsverbot
Der Vorwurf, die Antragsgegner hätten die Zuschlagsentscheidung nicht wie erforderlich selbst getroffen, sondern diese vergaberechtswidrig der D. AöR überlassen, trifft nicht zu. Es kann dahingestellt bleiben, ob die D. AöR überhaupt als "externer Berater" angesehen werden kann. Denn die Vergabeentscheidungen werden durch die von den Antragsgegnern bevollmächtigte Arbeitsgemeinschaft unter Beteiligung der Länder B.-W., H., N. und H. getroffen, wie sich der Vergabeakte eindeutig entnehmen lässt.
h) Benennung der abrufberechtigten Stellen
aa) Die Rüge, die abrufberechtigten Auftraggeber seien in der Bekanntmachung nicht hinreichend benannt, ist nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Nach dieser Vorschrift ist ein Bieter mit einem Nachprüfungsantrag ausgeschlossen, wenn er Verstöße gegen Vergabevorschriften, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt hat. Die Erkennbarkeit ist objektiv zu bestimmen anhand dessen, was ein durchschnittlicher Bieter bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkennen kann. Maßgeblich ist daher, ob der Bieter den Vergaberechtsverstoß bei sorgfältiger Prüfung ohne besonderen Rechtsrat hätte erkennen können und müssen, wobei zu fordern ist, dass der Bieter mit den wichtigsten Regeln des Vergaberechts vertraut ist (vgl. Senat, Beschluss vom 05.11.2014 - 15 Verg 6/14, BeckRS 2015, 4323 Rn. 30, beck-online; Beschluss vom 20.07.2011 - 15 Verg 6/11).
Dies ist im Streitfall anzunehmen. § 21 Abs. 2 S. 2 VgV lautet:
"Die Einzelauftragsvergabe erfolgt ausschließlich zwischen den in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung genannten öffentlichen Auftraggebern und denjenigen Unternehmen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Einzelauftrags Vertragspartei der Rahmenvereinbarung sind."
In Ziff. 2.5 der Leistungsbeschreibung, die den Bietern am 11.04.2024 zur Verfügung gestellt wurde, heißt es:
"Aus der Rahmenvereinbarung sind alle durch die Auftraggeber benannten für eine durch eine Bezahlkarte abzuwickelnde Leistung zuständigen Gebietskörperschaften und andere öffentlich-rechtlichen Stellen der auftraggebenden Länder und/oder diese selbst abrufberechtigt. Die abrufberechtigten Stellen werden dem Auftragnehmer von den auftraggebenden Ländern nach Zuschlagserteilung benannt. Änderungen sind jederzeit möglich."
Diese Regelung wurde in der Leistungsbeschreibung, die den Bietern im Rahmen der finalen Angebotsrunde am 17.06.2024 zur Verfügung gestellt wurde, dahingehend ergänzt, dass es sich hierbei um bis zu 900 Leistungsbehörden/Stellen handeln könne.
Damit war es der Antragstellerin möglich, den behaupteten Vergabeverstoß, dass nicht alle öffentlichen Auftraggeber, die zum Abruf berechtigt sein sollen, in der Bekanntmachung benannt wurden, durch einen Vergleich zwischen dem Verordnungstext und den Ausschreibungsunterlagen zu erkennen. Bei genauem Studium der Bekanntmachung ergab sich, dass darin lediglich die einzelnen Bundesländer aufgeführt sind und nicht andere öffentlich-rechtliche Stellen, die selbst zum Abruf berechtigt sein sollten, wie dies nach den Ausschreibungsunterlagen aber vorgesehen war. Dass nicht nur die Länder selbst, sondern insbesondere auch kreisfreie Städte und Landkreise diejenigen Stellen sein würden, die zum Abruf berechtigt sein würden und die in den Ausschreibungsunterlagen allgemein benannt waren, wusste die Antragstellerin bereits deshalb, weil sie, wie ihrem Beschwerdevorbringen zu entnehmen ist, bereits eine Vielzahl kreisfreier Städte und Landkreise mit vergleichbaren Bezahlkarten versorgt. Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe zwar den Sachverhalt erkannt, bzw. erkennen können, eine rechtliche Wertung aber nicht vornehmen können und müssen. Die Ankündigung einer späteren Benennung der Abrufberechtigten war so offensichtlich nicht mit dem Wortlaut der als bekannt vorauszusetzenden Norm des § 21 Abs. 2 S. 2 VgV vereinbar, dass auch eine rechtlich nicht vorgebildete Bieterin von einer Vergaberechtswidrigkeit auszugehen hatte.
bb) Letztlich kann aber dahinstehen, ob die Aufzählung der Bundesländer in der Bekanntmachung, ohne die weiteren abrufberechtigten Stellen zu benennen, den Vorgaben von § 21 Abs. 2 S. 2 VgV - auch mit Blick auf den Erwägungsgrund 60 der RL 2014/24/EU - genügt bzw. ob und unter welchen Voraussetzungen der Kreis der Abrufberechtigten auf Auftraggeberseite erweitert werden kann. Denn ein solcher Verstoß ist nicht von Amts wegen zu prüfen. Er würde nämlich nicht dazu führen, dass die Ausschreibung schwerwiegend fehlerhaft wäre. Eine Prüfung von Amts wegen kommt allenfalls in Fällen in Betracht, in denen ein so schwerwiegender Fehler vorliegt, dass eine tragfähige Zuschlagsentscheidung bei Fortsetzung des Verfahrens praktisch nicht möglich ist. Zunächst einmal betrifft die beanstandete Regelung nicht die Rahmenvereinbarung selbst. Zwar dient der Abschluss der Rahmenvereinbarung dazu, Einzelaufträge in einem privilegierten Verfahren nach vereinfachten und weitgehend formlosen Verfahrensschritten zu erteilen. Voraussetzung der privilegierten Vergabe ist folglich, dass die Rahmenvereinbarung ihrerseits taugliche Grundlage für den Abruf ist. Daher muss sie auf der Grundlage eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens zwischen den Vertragspartnern abgeschlossen worden sein, weiterhin Bestand haben sowie auch inhaltlich den Einzelauftrag erfassen. Fehlt eine dieser Voraussetzungen kann der geplante Abruf oder der Vertragsschluss nicht auf die Rahmenvereinbarung gestützt und muss als eigenständiger öffentlicher Auftrag gegebenenfalls neu ausgeschrieben werden (Zeise in Kulartz/Kus/Marx/ Portz/Prieß, VgV, § 21 Rn. 40).
Ein Abruf durch die in der Bekanntmachung bereits ausdrücklich genannten 14 Bundesländer und damit ein privilegierter Vertragsschluss ist jedenfalls ohne Zweifel möglich. Ein Abrufrecht der Länder sieht auch Ziff. 2.5 der Leistungsbeschreibung ausdrücklich vor. Eine tragfähige Zuschlagserteilung ist daher möglich.
i) Dokumentationsmangel
aa) Die Rüge einer unzureichenden Dokumentation nach § 8 VgV ist unzulässig.
Die Antragstellerin behauptet lediglich ins Blaue hinein, die Antragsgegner hätten das Verfahren entgegen § 8 Abs. 1 VgV nicht laufend dokumentiert. Begründeter Anhalt, dies aus der Äußerung der Antragsgegner im Schriftsatz vom 31.07.2024:
"Einen zusätzlichen Vergabevermerk musste die Vergabestelle nicht erstellen. Ein solcher Vermerk ist erst erforderlich, wenn das Verfahren beendet ist"
zu schließen, besteht nicht. Denn mit diesem Hinweis gaben die Antragsgegner lediglich die Gesetzeslage wieder. § 8 VgV unterscheidet - entsprechend Art. 84 der RL 2014/24/EU - zwischen Vergabedokumentation und Vergabevermerk. In der Verordnungs-Begründung heißt es (BR-Drs. 87/16 zur Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts, S. 162):
"§ 8 dient der Umsetzung von Artikel 84 der RL 2014/24/EU und entspricht im Grundsatz dem bisherigen § 24 EG VOL/A. In Übereinstimmung mit den Vorgaben des Artikels 84 der RL 2014/24/EU wird nunmehr zwischen der von Beginn des Vergabeverfahrens an bestehenden Dokumentationspflicht und der Pflicht zur Erstellung eines Vergabevermerks (spätestens) nach Abschluss des Vergabeverfahrens unterschieden."
Die einzelnen Verfahrensschritte wurden aber, wie die Vergabeakte eindeutig zeigt, durchgängig festgehalten.
bb) Ungeachtet dessen wäre die Rüge auch unbegründet. Die Bestimmungen in § 8 VgV verlangen eine fortlaufende Dokumentation der maßgeblichen Stufen des Vergabeverfahrens und vorliegend insbesondere eine Dokumentation der Wertungsentscheidung der Antragsgegner, die es erlaubt, sie inhaltlich nachzuvollziehen. Dieser Vorgabe sind die Antragsgegner im Rahmen der Anfertigung einer Bewertungsmatrix zu den jeweiligen Konzepten (Umsetzungskonzept/Servicekonzept) nachgekommen.
Ein Bieter kann sich ohnehin nur dann auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen Mängel auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben. Die Dokumentation ist kein Selbstzweck (vgl. OLG München, Beschluss vom 02.11.2012 - Verg 26/12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. Januar 2007 - 11 Verg 11/06). Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die festzustellenden Dokumentationsmängel den Wertungsvorgang an sich betreffen und ohne hinreichend detaillierte und nachvollziehbare Dokumentation sowohl aus der Sicht eines Mitbieters wie der Nachprüfungsorgane nicht überprüft und nicht festgestellt werden kann, ob sich die Vergabestelle im Rahmen ihres Wertungsspielraumes bewegt und eine sachlich richtige Entscheidung getroffen hat oder sich von unsachlichen, vergaberechtsfernen Gesichtspunkten hat leiten lassen (OLG Frankfurt, a.a.O.). Eine solche Prüfung ist jedoch möglich.
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VK Bund
Beschluss
vom 03.07.2024
VK 2-47/24
1. Der Auftraggeber hat für die Entscheidung der Frage, ob der Preis eines Angebotes ungewöhnlich niedrig erscheint, grundsätzlich einen Einschätzungs- bzw. Beurteilungsspielraum, der von ihm pflichtgemäß und damit fehlerfrei auszuüben ist.
2. Die Aufgreifschwelle für die Einleitung einer Preisprüfung ist erreicht, wenn sich einzelne Angebote erheblich von anderen Angeboten oder von der Kostenschätzung des Auftraggebers absetzen. Das ist im Regelfall bei einem Abstand von mindestens 20% des betroffenen zum nächstgünstigeren Angebot gegeben.
3. Ein Auftraggeber darf auch unabhängig vom Vorliegen eines ungewöhnlich niedrigen Preises jederzeit in eine Preisaufklärung eintreten, wenn wegen des Preisabstands Anlass hierfür gegeben ist. Somit kann er auch das teuerste Angebot in die Aufklärung einbeziehen, um eine plausible Einschätzung der Marktüblichkeit der eingegangenen Angebote vornehmen zu können.
In dem Nachprüfungsverfahren
(...)
hat die 2. Vergabekammer des Bundes durch XXX auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2024 am 3. Juli 2024
beschlossen:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin, der Beigeladenen zu 1) und der Beigeladenen zu 2).
3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird für notwendig erklärt.
Gründe:
I.
1. Die Antragsgegnerin (Ag) veröffentlichte am ### eine unionsweite Auftragsbekanntmachung zum Abschluss von losweise ausgeschriebenen Rahmenvereinbarungen für die Beschaffung von Leistungen ###. Die ausgeschriebene Leistung umfasst die "maschinelle Reinigung von Verkehrsflächen im Nassreinigungsverfahren nach Unfällen oder sonstigen Ereignissen mit wassergefährdenden Stoffen, einschl. der fachgerechten Entsorgung des beim Reinigungsprozess entstandenen Abfallstoffgemisches..." (Ziff. 0 - Vorbemerkungen - der Ausführungsbeschreibung).
Der Vertrag hat eine Mindestvertragslaufzeit vom 1. Juni 2024 bis zum 31. Mai 2025. Die Laufzeit der Rahmenvereinbarung verlängert sich zweimal nach Ziff. 4.2 der losweisen Rahmenvereinbarungen um jeweils 12 Monate, sofern die Auftraggeberin der Verlängerung nicht spätestens 4 Monate vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit bzw. für den Fall, dass sich die Laufzeit bereits automatisch verlängert hat, bis spätestens 4 Monate vor Ablauf der verlängerten Vertragslaufzeit widerspricht. Die maximale Vertragsdauer beträgt 3 Jahre.
Die Ausschreibung umfasst drei Gebietslose für ###, die allesamt streitgegenständlich sind. Einziges Zuschlagskriterium war jeweils der Preis.
Mit der weiteren Änderungsbekanntmachung vom ### informierte die Ag über geänderte Eignungsanforderungen für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit nach Ziff. 5.1.9 der Auftragsbekanntmachung. So forderte die Ag für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit als "Nachweis der Eignung und Leistungsfähigkeit der Reinigungsmaschine" danach u.a. den "Nachweis über technische Mindestausstattung: Anforderungen an alle Reinigungsmaschinen", dass die Ölspurreinigungsmaschinen in der Lage sein müssten, "mit einer Überfahrt mindestens 1,45 m Reinigungsbreite abzudecken." Diese Anforderung nahm die Ag entsprechend dieser Änderungsbekanntmachung in Ziff. 1.4 der zu den Vergabeunterlagen gehörenden "Ausführungsbeschreibung" auf (ebenda Seite 7). Ziff. 1.4 enthielt nähere Vorgaben für die "technische erforderliche Mindestausstattung der Einsatzfahrzeuge".
Auch in der Aufforderung zur Angebotsabgabe, die auf den 28. März 2024 datiert war, hatte die Ag unter Ziff. 7 (Seite 4) gefordert, folgende Nachweise mit dem Angebot einzureichen:
Nachweis der Eignung und Leistungsfähigkeit der Reinigungsmaschine
Ziff. 1.2.1 der Ausführungsbeschreibung schrieb vor, dass der Auftragnehmer ganzjährig an allen Werk-, Sonn- und Feiertagen von 0 bis 24 Uhr Dienstbereitschaft gewährleisten müsse. Der Auftragnehmer müsse spätestens binnen 90 min nach Alarmierung durch den Auftraggeber am jeweiligen Einsatzort mit allen notwendigen Maschinen, Geräten (Reinigungsmaschine mit vollgefülltem Frischwassertank und leerem Schmutzwasserbehälter) und Personal einsatzbereit zur Verfügung stehen.
Die Ausführungsfrist von 90 min nach Alarmierung war auch in Ziff. 7.3 der Rahmenvereinbarungen der Lose geregelt.
Abzugeben war mit dem Angebot eine "Eigenerklärung zur Eignung" gemäß Formular HVA L-StB Eigenerklärung Eignung 01-21, worin unter Ziff. IV u.a. gefordert waren:
Seite 4:
die "Angabe der technischen Fachkräfte..., die im Zusammenhang mit der Leistungserbringung eingesetzt werden sollen" oder eine "Beschreibung der technischen Ausrüstung des Unternehmens".
Seite 7:
"Erklärung, aus der ersichtlich ist, über welche Ausstattung, welche Geräte und welche technische Ausrüstung das Unternehmen für die Ausführung des Auftrags verfügt".
Die Antragstellerin (ASt), langjährige Vorauftragnehmerin der -im streitgegenständlichen Vergabeverfahren ausgeschriebenen Leistungen, bewarb sich auf alle drei Lose, die Beigeladene zu 1) (Bg zu 1) auf die Lose 1 und 3 und die Beigeladene zu 2) (Bg zu 2) gab ein Angebot auf Los 2 ab. In preislicher Hinsicht rangierten die Angebote der ASt bei allen Losen auf dem letzten Platz; sie waren erheblich teurer als die jeweiligen losweisen Angebote der beiden Bg. Alle eingegangenen Angebote wichen jeweils erheblich nach unten (Angebote der Bg) bzw. nach oben (Angebote der ASt) von der Auftragswertschätzung ab, die die Ag in ihrem Vermerk "VOL SIMPLE LV (Systemausdruck).pdf" im Ordner "Vergabeformulare Verfahrensvorbereitung" der elektronischen Vergabeakte dokumentiert hatte.
Die Bg zu 1) und 2) gaben mit ihren Angeboten je eine ausgefüllte Eigenerklärung zur Eignung ab und benannten darin u.a. die technischen Fachkräfte, die im Zusammenhang mit der Leistungserbringung eingesetzt werden sollen, und machten ferner Angaben zur Beschreibung der technischen Ausrüstung des Unternehmens. Des Weiteren gaben Sie zu der auf Seite 7 der Eigenerklärung geforderten Erklärung, aus der ersichtlich ist, über welche Ausstattung, welche Geräte und welche technische Ausrüstung das Unternehmen für die Ausführung des Auftrags verfügt, zu der dort formularhaft vorgegebenen Erklärung "Mein. Unternehmen verfügt für die Ausführung des Auftrags über folgende Geräte und technische Ausrüstung" jeweils näher benannte Reinigungsgeräte an.
Die Ag übersandte an ASt, Bg zu 1) und Bg zu 2) jeweils mit Schreiben vom 10. April 2024 Aufforderungen zur Nachforderung verschiedener Unterlagen nach § 56 VgV sowie zur Aufklärung ungewöhnlich niedriger Preise nach § 60 VgV.
Die ASt wies in ihrer Antwort an die Ag vom 16. April 2024 darauf hin, kein Unterpreisangebot abgegeben zu haben und rügte, durch die Nachfragen der Ag in ihrer Kalkulationsfreiheit verletzt zu sein. Die ASt gab an, das Angebot der ASt als langjähriger Leistungserbringerin sei auskömmlich, wofür sie im Einzelnen auf ihre Kalkulation und ihre langjährige Vorerfahrung mit der ausgeschriebenen Leistung verwies. Bestandteil der Antwort der ASt war eine tabellarische Aufstellung zu der Preiskalkulation bei den von der Ag mit dem Aufklärungsschreiben hinterfragten Positionen des Leistungsverzeichnisses.
Die Bg zu 1) und 2) legten in ihren Antworten auf das Aufklärungsersuchen der ASt zu den darin hinterfragten Positionen ihre Kalkulationserwägungen näher dar und übermittelten die angeforderten Unterlagen.
In einer Prüftabelle zu den Angeboten von ASt, Bg zu 1) und Bg zu 2) hielt die Ag zur Breite einer der von der Bg zu 2) angebotenen Reinigungsmaschinen einen Wert fest, der unterhalb des in Ziff. 1.4 der Ausführungsbeschreibung geforderten Wertes für die "Anforderungen an alle Reinigungsmaschinen" von 1 ,45m Reinigungsbreite lag ("B: nur m").
Die Ag überprüfte im Hinblick auf die erhebliche Preisspreizung der eingegangenen Angebote und deutliche Abweichungen von der ursprünglichen Auftragswertschätzung zudem ihre für die Auftragswertschätzung zugrunde gelegte Kostenberechnung, was sie 'im Dokument "Überprüfung der Kostenberechnung" (abgelegt in der elektronischen Vergabeakte am 30. April 2024) dokumentierte. Darin hielt die Ag fest, dass die Basis ihrer Kostenberechnung der Vertrag mit der ASt aus dem Jahr 2020 gewesen sei. Die Ag stellte fest, dass die von ihr für die Kostenschätzung zugrunde gelegen Preise zu hoch gewesen seien und für die einzelnen Lose zu korrigieren seien. Der Prüfung der Preise sei zu entnehmen gewesen, dass niedrigere Kostenansätze marktüblich seien. Die Angebote der Bg zu 1) wichen für die Lose 1 und 3, das Angebot der Bg zu 2) für das Los 2 in je konkret benannten prozentualen Werten von der korrigierten Kostenschätzung ab, wobei die Ag hierzu jeweils prozentuale Abweichungen von der korrigierten Kostenschätzung der Ag dokumentierte, die geringer als 20% waren.
In einem in der Vergabeakte enthaltenen Dokument "Prüfung der Preise" hielt die Ag nach jeweils näheren Erwägungen im'Ein2elnen fest, dass jeweils das Gesamtangebot der Bg zu 1) und der Bg zu 2) auskömmlich und wirtschaftlich kalkuliert worden sei. Zum Angebot der ASt hielt die Ag u.a. fest, dass die Kalkulation zu einzelnen Positionen deutlich überhöht sei bzw. die Aufklärung der ASt teilweise nur aus einem Verweis auf eine Preis- und Strukturumfrage eines Verbandes bestehe.
Die Ag stellte nach Prüfung der Angebote fest, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag für die Lose 1 und 3 auf die Angebote der Bg zu 1) und für das Los 2 auf das Angebot der Bg zu 2) zu erteilen. Die Angebote der ASt seien nicht zu berücksichtigen, da diese nicht die wirtschaftlichsten Angebote darstellten.
Mit Schreiben vom 30. April 2024 informierte die Ag die ASt gemäß § 134 GWB über die beabsichtigten Zuschläge für die Angebote zu den Losen 1 bis 3. Die Angebote der ASt sei nicht zu berücksichtigen, da diese nicht die wirtschaftlichsten Angebote gewesen seien.
Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 7. Mai 2024 rügte die ASt eine fehlerhafte Information nach § 134 GWB, da die im Schreiben der Ag vom 30. April 2024 angegebenen Zuschlagsprätendenten nicht zweifelsfrei zu identifizieren seien. Auch seien die Angaben zum Grund der Nichtberücksichtigung der ASt Unzureichend. Die ASt bemängelte zudem, dass der Zuschlag nicht auf ungewöhnlich niedrige Angebote erteilt werden dürfe. Die Auswahlentscheidung der Ag sei insofern fehlerhaft bzw. intransparent. Die ausgewählten Bieter besäßen auch nicht die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit; insofern habe die Ag mit Ziff. 5.1.9 der Auftragsbekanntmachung strenge Vorgaben für die technische Mindestausstattung vorgegeben. Schließlich sei das Vergabeverfahren unzureichend dokumentiert, weil zu befürchten sei, dass die Gründe für die Auswahlentscheidung infolge einer unzureichenden Angemessenheitsprüfung der Preise der ausgewählten Bieter nicht hinreichend festgehalten worden seien.
Die Ag teilte mit neuem Schreiben gemäß § 134 GWB vom 10. Mai 2025 die vollständigen Firmenbezeichnungen der Bg zu 1) als Zuschlagsempfängerin für die Lose 1 und 3 sowie der Bg zu 2) für das Los 2 gegenüber der ASt mit. Als Grund für die Nichtberücksichtigung der Angebote der ASt verwies die Ag erneut darauf, dass die ASt nicht die wirtschaftlichsten Angebote für die Lose abgegeben habe.
Mit Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Ag vom 15. Mai 2024 wurden die Rügen der ASt vom 7. Mai 2024 zurückgewiesen.
2. Die ASt beantragt mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 15. Mai 2024 (Eingang bei der Vergabekammer des Bundes) die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Der Nachprüfungsantrag wurde der Ag am 16. Mai 2024 durch die Vergabekammer übermittelt.
a) Zur Begründung führt die ASt aus, die Ag habe keine ordnungsgemäße Preisprüfung durchgeführt, ob die Bg zu 1) und 2) ungewöhnlich niedrige Angebote abgegeben hätten. Aus der Vergabeakte und den Ausführungen der Ag 'lasse sich nicht nachvollziehen, dass eine sachgerechte Aufklärung der Preise erfolgt sei. Soweit die Ag behaupte, die Preise der ASt seien nicht marktgerecht, werde dies bestritten. Die Einbeziehung der Angebotspreise der ASt in die Aufklärung sei ohnehin nicht ordnungsgemäß erfolgt; aus der Aufklärung des hohen Preises der ASt folge nicht die Aufklärung aller Preise. Ausgehend von der eigenen Kalkulation der ASt, die als langjährige Auftragnehmerin der ausgeschriebenen Leistungen alle Wettbewerbsvorteile einkalkuliert habe, seien niedrigere Angebotspreise nicht möglich. Soweit die Bg niedrigere Preise angeboten hätten sei eine Marktverdrängungsabsicht nicht auszuschließen. Die Auswahlentscheidung der Ag sei im Hinblick auf die Preisprüfung fehlerhaft und zudem unzureichend dokumentiert.
Soweit die Ag im Hinblick auf die Preisgestaltung der ASt davon ausgehe, diese habe überhöhte Mondpreise angeboten, sei dies nicht nachvollziehbar.
Beide Bg könnten außerdem die in Ziff. 1.2.1 der Ausführungsbeschreibung vorgegebene Einsatzbereitschaft binnen 90 Minuten nach Alarmierung nicht erfüllen. Die ASt habe die ausgeschriebene Leistung in den letzten Jahren mit ihren 10 Mitgliedern zeitgleich abdecken können. Die Bg könne es unmöglich leisten, mehrere Ölspuren an verschiedenen Einsatzorten zu beseitigen, da sie zu wenig Personal und Fuhrpark habe. Personal und Material seien auch nicht kurzfristig beschaffbar. Es sei auch aus der Akteneinsicht nicht nachvollziehbar, was die Nachforderungen seitens der Ag bei den Bg ergeben hätten. Insbesondere bei möglichen Mehrfachschadensereignissen sei daher zu befürchten, dass die beiden Bg nicht in der Lage seien, rechtzeitig einsatzbereit sein zu können.
Im Hinblick auf die Aufklärungsverfügung der Vergabekammer vom 13. Juni 2024 meint die ASt, die Bg zu 2) sei nicht geeignet. Diese habe unstreitig eine Reinigungsmaschine mit einer Reinigungsbreite im Angebot benannt, die von den Vorgaben der Ziff. 1.4 der Ausführungsbeschreibung abweiche. Hilfsweise trägt die ASt hierzu vor, dass im Falle eines fehlerhaften Angebotes der ASt, das jedoch nicht gegeben sei, auch der Bg zu 2) der Zuschlag nicht erteilt werden dürfe und die ASt dadurch eine zweite Chance habe, weil keine wertbaren Angebote für das Los 2 mehr vorlägen.
Die ASt wiederum habe die von der Ag mit Schreiben vom 16. April 2024 nachgeforderten Nachweise bzw. Erklärungen so vorgelegt, wie sie die Anforderungen der Ag verstanden habe. Die ASt habe insbesondere die unter Ziff. 1.4 der Ausführungsbeschreibung definierten technischen Mindestausstattungen der Einsatzfahrzeuge eingehalten, auch wenn die Ag in ihrer Prüfung der Angebote im Einzelnen das Wort "fehlen" hierzu verwende.
Soweit die Vergabekammer in der Aufklärungsverfügung vom 13. Juni 2024 ausgeführt habe, die ASt habe möglicherweise gegen die Vorgabe der Ziff. 1.2.5 (Verkehrssicherung) der Ausführungsbeschreibung verstoßen, weil sie ein Begleitfahrzeug einkalkuliert habe, diene dieses jedenfalls nicht der Verkehrssicherung. Die Vorgabe der Ziff. 1.2.5 werde von der ASt eingehalten, die Reinigungsarbeiten würden unter Verkehr ausgeführt, sie habe keine Verkehrssicherungsleistungen angeboten, sondern sich an die Ausschreibung gehalten, wozu sie näher in ihrem Schriftsatz vom 19. Juni 2024, allerdings insoweit unter Hinweis auf die Geschäftsgeheimnisse der ASt gegenüber der Bg geschwärzt, ausführt.
Soweit die Ag meine, die ASt sei keine vergaberechtskonforme Bietergemeinschaft, sondern verstoße gegen das Kartellverbot gemäß § 1 GWB, gehe die Ag fehl. Der Zusammenschluss der ASt diene dazu, den Mitgliedern eine Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen. Eine selbständige Teilnahme der einzelnen Unternehmen sei im Hinblick auf die Anforderungen der Ag wirtschaftlich nicht zweckmäßig bzw. kaufmännisch nicht vernünftig, was die ASt in ihrer Stellungnahme vom 13. Juni 2024 näher ausführt, gegenüber den Bg allerdings im Einzelnen als Geschäftsgeheimnis reklamiert hat. Insbesondere rechtfertige die Konkurrenzsituation im Hinblick auf die Bg zu 1) die Gründung einer Bietergemeinschaft seitens der ASt. Die Bg zu 1) habe angeführt, mit über ### Mitarbeitern und Reinigungsmaschinen zu den größten Anbietern in zu gehören. Diese sei mithin ein starker Mitbewerber, während die einzelnen Mitglieder der ASt für sich nicht leistungsfähig seien, für alle Lose die geforderte Einsatzbereitschaft von 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr zu gewährleisten. Diese Anforderungen der Ag erforderten ein ständiges Vorhalten der nötigen Kapazitäten für die Reinigungsleistungen, wozu ein einzelner Betrieb nicht in der Lage seit sondern es die Bietergemeinschaft der ASt bedürfe.
Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Ag hält die ASt nicht für notwendig. Die dem Nachprüfungsverfahren zugrunde liegenden Fragen beträfen solche des Angebotsausschlusses, der Eignungsprüfung und Angebotsauswahl sowie der Dokumentation. Dies seien allesamt Fragen des materiellen Vergaberechts, die die Ag, die über ein eigenes Justitiariat und eine Vergabestelle verfüge, beherrschen müsse und für die sie ohne anwaltlichen Beistand sprechfähig sei.
Überdies bemängelt die ASt insbesondere im Hinblick auf die Art und Weise des Vortrags der Ag im Nachprüfungsverfahren zu Aspekten der Preissetzung der Bietergemeinschaft der ASt ("Mondpreise") als unsachlich bzw. polemisch und sieht das Sachlichkeitsgebot der öffentlichen Hand verletzt.
Die ASt beantragt:
1. Ein Nachprüfungsverfahren gegen das streitgegenständliche Vergabeverfahren wird eingeleitet.
2. Der Ag wird untersagt, auf die Angebote der Bg zu 1) sowie auf das Angebot der Bg zu 2) den Zuschlag zu erteilen.
3. Der Ag wird aufgegeben, das Vergabeverfahren zurückzuversetzen und die Angebotswertung unter Berücksichtigung des Angebotes der ASt nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
4. Hilfsweise: Die Vergabekammer wirkt unabhängig von den Anträgen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hin (vgl. § 168 Abs. 1 S. 2 GWB).
5. Die Vergabeakten der Ag werden hinzugezogen.
6. Der ASt wird Einsicht in die Vergabeakten der Ag gewährt.
7. Der Nachprüfungsantrag wird der Ag unverzüglich zugestellt.
8. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die ASt wird für notwendig erklärt.
9. Die Ag hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
b) Die Ag beantragt:
1. Der Nachprüfungsantrag der ASt wird zurückgewiesen.
2. Der ASt wird die beantragte Akteneinsicht versagt.
3. Die ASt trägt die Kosten des Verfahrens. einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Ag.
4. Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für die Ag notwendig war.
Die Ag hält den durch die ASt bemängelten Verstoß gegen § 134 GWB durch das neue Vorabinformationsschreiben vom 10. Mai 2024 für ausgeräumt. Dies gelte auch im Hinblick auf die Gründe der Nichtberücksichtigung der Angebote der ASt. Der Preis sei das einzige Wertungskriterium; insofern genüge der Hinweis darauf, dass die ASt nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe.
Die Ag hält den Nachprüfungsantrag für unzulässig, weil die zugrunde liegende Rüge der ASt vom 7. Mai 2024 unsubstantiiert sei; die darin geltend gemachten Vergaberechtsverstöße seien lediglich floskelhaft beschrieben worden.
Die beanstandete Preisprüfung sei von der Ag richtig und vollständig durchgeführt worden. Soweit die ASt aus einer angeblichen Auskömmlichkeit ihres hochpreisigen Angebotes auf Unterkostenangebote der beiden Bg schließe, sei dies spekulativ; die ASt habe hierzu keine näheren Umstände dargelegt, woraus sich dies ergeben könne. Entsprechender Vortrag sei der ASt vor dem Hintergrund des Marktgeschehens und der Marktpreise grundsätzlich möglich. Allein der Vortrag der ASt, den günstigsten Preis angeboten bzw. alle Wettbewerbsvorteile auf Basis der bisherigen Erfahrungen einkalkuliert zu haben, reiche für ein substantiiertes Vorbringen insofern nicht aus.
Die Ag habe ihre Preisaufklärung ermessensfehlerfrei betrieben. Die Preise der ASt seien "Mondpreise" und unter diesem Gesichtspunkt sachgemäß näher aufgeklärt, nicht aber wegen des hohen Preises ausgeschlossen worden. Insofern sei der Hinweis im Schreiben vom 10. April 2024 an die ASt auf § 60 VgV zwar unzutreffend, weil es sich insofern nicht um eine Aufklärung der Auskömmlichkeit des ASt-Angebots gehandelt habe. Allerdings sei es der Ag um eine Überprüfung ihrer Kostenberechnung insgesamt gegangen, wozu sie auch die Kalkulation des Angebots der ASt habe aufklären wollen. Bei dem Vorwurf der Mondpreise handele es sich um eine zugespitzte Formulierung der Ag, die aber nicht polemisch oder unsachlich sei. Damit solle deutlich gemacht werden, dass die Preise der ASt sehr überhöht seien. Die Ag habe zudem durch die Betrachtung der historischen Preisentwicklung der Voraufträge mit der ASt belegen wollen, warum die Angebotspreise der ASt auch überhöht seien.
Die. Ag habe die Preise der beiden Bg unabhängig von einer etwaigen Pflicht zur Prüfung der Auskömmlichkeit der Angebotspreise jedenfalls aufgeklärt und dies auch dokumentiert. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang, dass die ASt seit fast 15 Jahren die Vorauftragnehmerin der Ag gewesen sei und sich die ursprüngliche Auftragswertschätzung des streitgegenständlichen Auftrags mithin an den Werten des Vorauftrags orientiert hätten. Die Ag habe in der Vergangenheit immer wieder erfahren müssen, dass Versicherungsgesellschaften die Übernahme der Ölspurbeseitigungskosten durch die ASt mit Hinweis auf überhöhte Kosten verweigert hätten. Nach Öffnung der Angebote im streitgegenständlichen Vergabeverfahren hätten die sehr unterschiedlichen Preise und ihre erheblichen Abweichungen von der ursprünglichen Kostenberechnung bzw. Auftragswertschöpfung der Ag Anlass zur Überprüfung der Angebotspreise aller Bieter und der Auftragswertschätzung gegeben. Die Ag habe hinsichtlich der Bg die Hauptpositionen und den Gesamtpreis anhand der aufgeklärten Angaben der beiden Bg überprüft und hierzu festgestellt, dass die Kalkulationen auskömmlich seien. Ferner sei die Auftragswertermittlung zu korrigieren gewesen, was in der Vergabeakte näher dokumentiert sei.
An der Rangfolge der Angebote habe sich durch die Preisaufklärung nichts geändert. Die losweisen Angebote der ASt seien aufgrund der jeweils hohen Preise im Vergleich zu den Preisen der beiden Bg unwirtschaftlich. Eine Marktverdrängungsabsicht der Bg sei seitens der ASt nicht belastbar vorgebracht worden. Die Preisaufklärung bei den Bg habe ergeben, dass diese jeweils auskömmliche Angebote abgegeben hätten. Die ASt habe dagegen an der durch die Ag geforderten Preisaufklärung nur unzureichend mitgewirkt, was in der Antragserwiderung vom 24. Mai 2024 näher ausgeführt wird.
Soweit die ASt bemängelt habe, die Bg seien nicht geeignet, beziehe die ASt sich insoweit auf eine angeblich fehlende Leistungsfähigkeit der Bg, nicht - wie verlangt - binnen 90 min nach Alarmierung einsatzbereit sein zu können. Die Einsatzbereitschaft sei aber nicht Teil der Eignung, sondern eine nach § 128 Abs. 2 GWB vergaberechtskonform ausgestaltete Ausführungsbedingung, an die gemäß Ziff. 1.2.1 der Ausführungsbeschreibung als solche keine besonderen Nachweise bzw. Zusicherungen geknüpft worden Seien. Die Ausführungsbedingung der Einsatzbereitschaft sei angesichts des Auftragsgegenstands gerechtfertigt. Anhaltspunkte dafür, dass die Ag die Einsatzbereitschaft nicht einhalten könne, Seien nicht gegeben. Die Leistungsfähigkeit der Bg sei zweifelsfrei festgestellt worden. Im Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 24. Juni 2024 weist die Ag darauf hin, die Bg zu 2) sei zwischenzeitlich in interimsweise an sie vergebenen Einzelaufträgen zur Ölspurreinigung tatsächlich in deutlich weniger als 90 min einsatzbereit gewesen. Es sei zudem unverhältnismäßig, bereits zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe abschließend nachweisen zu müssen, dass sie bereits aufgrund ihrer aktuellen Ausrüstung die Ausführungsbedingungen erfüllen könnten. Ein Bieter müsse erst zum Zeitpunkt der Ausführung des Vertrages die erforderlichen Mittel zur Erfüllung der Ausführungsbedingungen vorweisen. Die Ag müsse sich daher zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe Lind für die Eignungsprüfung mit Eigenerklärungen der Bg begnügen.
Im Hinblick auf die Aufklärungsverfügung der Vergabekammer vom 13. Juni 2024 hat die Ag vorgetragen, die Bg zu 2) habe in ihrer Eigenerklärung zwei Reinigungsmaschinen angegeben, von denen eine - wozu näher ausgeführt wird - die technischen Mindestanforderungen erfülle, die zweite dagegen nicht, weil sie die in Ziff. 1.4 der Ausführungsbeschreibung vorgegebene Mindestreinigungsbreite nicht erfülle. Dies stehe aber der Eignung der Bg zu 2) nicht entgegen. Die Ag habe nur den Nachweis der technischen Mindestanforderungen für eine Reinigungsmaschine verlangt, nicht aber für alle Fahrzeuge im Bestand des jeweiligen Bieters. Die ASt sei nach Ansicht der Ag für das Gebiet des Loses 2 auch in der Lage,- die vorgegebene Einsatzbereitschaft binnen 90 min nach Alarmierung erfüllen zu können. Entgegen der ASt seien die von dieser befürchteten Mehrfachschadensereignisse sehr unwahrscheinlich, die Wahrscheinlichkeit gehe vielmehr gegen Null. Im Jahre 2023 habe es im Abschnitt des Loses 2 45 abgerufene Ölreinigungseinsätze gegeben, die von nur drei Mitgliedern der ASt erfüllt worden seien. Ein Mehrfachschadensereignis sei kein einziges Mal aufgetreten. Auch die Bg zu 2) habe im ersten Halbjahr 2023 ihr erteilte Reinigungsaufträge unterhalb der 90 min Einsatzbereitschaft erledigt.
Demgegenüber habe die ASt nur für einige ihrer Mitglieder Reinigungsmaschinen angegeben, die die technischen Mindestanforderungen erfüllten. Bei diesen grundsätzlich geeigneten Fahrzeugen fehlten bei Angebotsabgabe Nachweise zu weiteren Detailfragen der Eignung. Die nötigen Eignungsnachweise habe die ASt als Ganzes auf die Nachforderung nicht im geforderten Umfang nachgereicht, wofür die Ag im Schriftsatz vom 19. Juni 2024 pauschal auf die nachgereichten Unterlagen der ASt verweist.
Es bestünden zudem Indizien, dass es sich bei der Bietergemeinschaft der ASt um ein verbotenes Kartell nach § 1 GWB handele. Die ASt sei fast 15 Jahre die Vorauftragnehmerin der Ag der ausgeschriebenen Dienstleistungen gewesen. Ihre Mitglieder hätten regelmäßig thematisch ähnliche oder dieselben Rügen erhoben, so dass es insofern Absprachen bzw. eine abgestimmte Vorgehensweise gegeben haben müsse, die den Grundsatz des Geheimwettbewerbs verletzten.
Die Grundlagen der Kalkulation seien ein weiteres Indiz für eine wettbewerbsbeschränkende Preisabsprache zu Lasten der Ag, was in der Antragserwiderung näher ausgeführt wird. Hierauf deuteten auch einzelne Angaben in den Stellungnahmen der Bg zu 1) und 2) hin, von Vertretern der ASt im Zusammenhang teils mit dem vorangegangenen Vergabeverfahren teils mit der im streitgegenständlichen Vergabeverfahren erfolgten Mitteilung nach § 134 GWB angesprochen worden zu sein. Schließlich habe sich in der Vergangenheit gezeigt, dass aus der Bietergemeinschaft der ASt heraus nur bis zu drei Mitglieder die ganze Leistung in einem oder allen Losen allein ausführen hätten können, ohne dass es dafür eine Bietergemeinschaft der aktuellen Größe bedurft hätte. Dies lege einen Verstoß gegen das Kartellverbot nahe. Die Mitglieder der Bietergemeinschaft stünden in einem potentiellen Wettbewerbsverhältnis hinsichtlich der relevanten Ausschreibungsmärkte. Die Bietergemeinschaft der ASt brauche nicht alle Mitglieder, um die Leistungen der drei Lose anbieten zu können. Soweit die ASt meine, die Größe ihrer Bietergemeinschaft sei dem Umstand geschuldet, dass sie für alle Lose die erforderlichen Gerätschaften für jeden Tag des Jahres und rund um die Uhr vorhalten müsse, führe das nicht weiter, da die Vorhaltung im Preis ohnehin einkalkuliert sei.
Die von der ASt geltend gemachten Dokumentationsmängel sieht die Ag durch die vorgelegte Vergabeakte widerlegt.
Die Hinzuziehung ihres Verfahrensbevollmächtigten hält die ASt für erforderlich. Dies ergebe sich aus der Komplexität der vergaberechtlichen Vorschriften, die die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes schon im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer zur effektiven Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung erforderten. Nur bei einfachen und auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen sei eine Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten entbehrlich. Träten weitere Rechtsfragen, insbesondere solche des Nachprüfungsverfahrens hinzu, sei eine Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch einen öffentlichen Auftraggeber geboten. Dies folge hier zudem aus Gründen der prozessualen Waffengleichheit im Hinblick auf die durch einen vergaberechtlich spezialisierten Verfahrensbevollmächtigten anwaltlich vertretene ASt.
c) Die mit Beschluss vom 21. Mai 2024 förmlich zum Nachprüfungsverfahren hinzugezogene Bg zu 1) beantragt,
den Nachprüfungsantrag der ASt gegen das Vergabeverfahren zu Los 1 und 3 als nicht begründet abzulehnen,
den Zuschlag aus der ordnungsgemäß durchgeführten Ausschreibung auf die Angebote der Bg zu 1) für die Lose 1 und 3 vorzunehmen,
das Vergabeverfahren fortzusetzen und die Zuschläge nach erfolgter Angebotswertung vorzunehmen, die Akteneinsicht bezüglich der Unterlagen der Bg zu 1) zu versagen,
der ASt die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
Die Bg zu 1) hält die Bietergemeinschaft der ASt im Hinblick auf die Größe für wettbewerbsrechtlich unzulässig. Sie weist näher darauf hin, dass die Bg zu 1) bereits im Rahmen des Vergabeverfahrens des Vorauftrages im Jahre 2019 von Vertretern der ASt aufgesucht und gebeten worden sei, sich an der ASt zu beteiligen, was die Bg zu 1) abgelehnt habe.
Die Bg zu 1) habe kein Unterkostenangebot abgegeben; sie habe alle Aufklärungsfragen der Ag beantwortet. Die Kalkulation der Bg zu 1) beruhe 'auf ihrer jahrzehntelangen Erfahrung und Entwicklung, ihren Geschäftszahlen und der Marktsituation. Die Bg zu 1) habe sich seit 1992 zu dem größten Verkehrsflächen-Reinigungsunternehmen in ### entwickelt. Die Bg zu 1) verfüge über ausgebildetes Personal mit über ### Mitarbeitern und einen technisch einwandfreien, modernen und leistungsstarken Fuhrpark mit mehr als ### Reinigungsfahrzeugen.
d) Die mit Beschluss vom 21. Mai 2024 förmlich zum Nachprüfungsverfahren hinzugezogene Bg zu 2) beantragt,
Einsicht in die Vergabeakten, den Nachprüfungsantrag der ASt gegen das Vergabeverfahren zu Los 2 als nicht begründet abzulehnen,
den Zuschlag aus der ordnungsgemäß durchgeführten Ausschreibung auf das Angebot der Bg zu 2) für das Los 2 vorzunehmen,
das Vergabeverfahren fortzusetzen und die Zuschläge nach erfolgter Angebotswertung vorzunehmen,
die Akteneinsicht bezüglich der Unterlagen der Bg zu 2) zu versagen,
die ASt wegen unzulässiger Preisabsprachen zwischen der ### und der ### vom Vergabeverfahren auszuschließen,
der ASt die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
Die Bg zu 2) ist der Meinung, die Angebote der ASt basierten auf einer unzulässigen Preisabsprache. Die Mitglieder der ASt befänden sich zum Teil auf demselben Grundstück bzw. ihresgleichen Geschäftsräumen. Eine unabhängige Angebotskalkulation sei so nicht möglich. Die Bg zu 2) weist darauf hin, am 10. Mai 2024 von einem Mitarbeiter eines Mitglieds der ASt angerufen worden zu sein, um sich über den beabsichtigten Zuschlag für das Los 2 an die Bg zu 2) auszutauschen und ihren Unmut auszudrücken.
Die Bg zu 2) habe kein Unterkostenangebot abgegeben. Die Bg zu 2) habe auf die Aufklärung der Ag mit ihrem Wirtschaftsprüfer aufgrund ihrer jahrzehntelangen Erfahrung und Entwicklung, ihren Geschäftszahlen und der Marktsituation die Auskömmlichkeit des Angebotes bzw. der hinterfragten Preispositionen dargelegt. Die Bg zu 2) verfüge über das erforderliche und geschulte Personal und die technische Ausstattung; die eingesetzten Maschinen, Geräte und Fahrzeuge.
stammten von namhaften, branchenführenden Herstellern und seien aktuell zertifiziert. Die ASt unterhalte Maschinen des gleichen Herstellers. Die Bg zu 2) gehöre zu den führenden L. was durch entsprechende Unterlagen gegenüber der Ag nachgewiesen worden sei.
Die Bg zu 2) hat mit Schreiben vom 14. Juni 2024, eingegangen bei der Vergabekammer am 19. Juni 2024, die von ihr auf Aufforderung der Ag am 10. April 2024 angeforderten Nachweise vorgelegt und ferner zum Aufklärungsersuchen der Vergabekammer vom 13. Juni 2024 darauf hingewiesen, dass sie mit ihrem Angebot auf Seite 7 der geforderten Eigenerklärung zur Eignung zwei Reinigungsmaschinen für die Auftragsausführung angegeben habe. Die erste dieser Reinigungsmaschinen entspreche den Anforderungen der technischen Mindestanforderungen, wozu die Bg zu 2) sich auf beigefügte Nachweise beruft, die sie bereits auf die Aufforderung der Ag vom 10. April 2024 vorgelegt hat. Zur zweiten in der Eigenerklärung benannten Reinigungsmaschine gab die Bg zu 2) an, dass diese nicht im Auftrag zum Einsatz kommen werde.
3. Die Vergabekammer hat der ASt und der Bg zu 2) nach Anhörung der Ag Einsicht in die Vergabeakte gewährt, soweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht betroffen waren. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Vergabeakte, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen hat, sowie auf die Verfahrensakte der Vergabekammer wird verwiesen.
Mit Verfügung vom 6. Juni 2024 hat die Vorsitzende der Vergabekammer die gemäß § 167 Abs. 1 S. 1 GWB fünfwöchige Entscheidungsfrist, die regulär am 19. Juni 2024 abgelaufen wäre, gemäß § 167 Abs. 1 S. 2 GWB verlängert-bis zum 3. Juli 2024.
Die mündliche Verhandlung hat am 27. Juni 2024 stattgefunden.
Die Vergabekammer hat mit Verfügung vom 13. Juni 2024 von den Verfahrensbeteiligten Aufklärung zu einzelnen Umständen gefordert, um überprüfen zu können, ob die Angebote der ASt und der Bg zu 2) ggf. ausschlussbedürftig sein könnten. Dies betraf zum einen das in der Vergabeakte näher dokumentierte Fehlen bestimmter Angaben zu möglichen technischen Mindestanforderungen hinsichtlich der ASt und der Bg zu 2) und zum anderen eine mögliche Abweichung der Mindestreinigungsbreite einer der von der Bg 'zu 2) benannten Reinigungsmaschinen von den Vorgaben in Ziff. 1:4 der Ausführungsbeschreibung.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a) Das Nachprüfungsverfahren gemäß §§ 160 ff. GWB ist grundsätzlich statthaft, denn für die Vergabe der hier losweise ausgeschriebenen streitgegenständlichen Rahmenvereinbarungen gelten nach § 103 Abs. 5 S. 2 GWB die für die Vergabe öffentlicher Aufträge geltenden Vorschriften entsprechend, hier im Hinblick auf die mit der Rahmenvereinbarung zu vergebenden öffentlichen Dienstleistungsaufträge nach § 103 Abs. 1, 4 GWB für die Ölspurreinigung im Zuständigkeitsbereich der Ag. Die Rahmenvereinbarungen sind auf die Vergabe öffentlicher Aufträge der ### gerichtet, die öffentliche Auftraggeberin im Sinne der SS 98, 99 Nr. 2 GWB und dem Bund nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 GWB zuzurechnen ist, so dass die Vergabekammer des Bundes zuständig ist.
Der Schwellenwert für die unionsweite Vergabe von Dienstleistungen ist sowohl nach der ursprünglichen Auftragswertschätzung für die gemäß § 3 Abs. 7 VgV zu addierenden Schätzungen der Auftragswerte für alle drei Lose (s. hierzu das Dokument, "VOL SIMPLE LV (Systemausdruck).pdf im Ordner "Vergabeformulare/Verfahrensvorbereitung" der elektronischen Vergabeakte) als auch nach der von der Ag auf die Angebotsöffnung hin korrigierten Auftragswertschätzung der Ag (vgl. hierzu Vermerk "Überprüfung der Kostenberechnung FA" im Ordner "Vergabespezifische Dateien" der elektronischen Vergabeakte) überschritten, § 106 GWB.
b) Die Antragsbefugnis der ASt nach § 160 Abs. 2 S. 1 GWB ist als Teilnehmerin am Wettbewerb zu bejahen. Sie beruft sich auf eine Verletzung der gemäß § 97 Abs. 6 GWB ohne Weiteres bieterschützenden Vorschriften über die Eignungsprüfung sowie die Prüfung der Angemessenheit der Preise der Bg zu 1) und 2) nach § 60 VgV (zum bieterschützenden Charakter des § 60 VgV vgl. grundlegend BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017, X ZB 10/16). Hieraus folgt auch die nach § 160 Abs. 2 S. 2 GWB notwendige Darlegung des aus den behaupteten Rechtsverstößen zu Lasten der ASt folgenden Schadens in Gestalt der ihr entgehenden Zuschlagschance. Der Ansicht der Ag, wonach die ASt nicht antragsbefugt sein könne, ist vor diesem Hintergrund nicht zu folgen. Auch wenn die ASt in allen Losen preislich deutlich abgeschlagen von den günstigeren Angeboten der Bg zu 1) und 2) liegt, lässt sich daraus im Zuge der Antragsbefugnis nicht ableiten, dass die ASt unter Wirtschaftlichkeitsaspekten keinerlei Zuschlagschance haben könne. Ausgehend von ihrem Rügevortrag hat sie den Anforderungen des § 160 Abs. 2 S. 2 GWB genügt. Denn sie macht gerade geltend, dass insbesondere die Auskömmlichkeitsprüfung der Angebote der Bg zu 1) und 2) fehlerhaft ist und deren Auskömmlichkeit nicht bejaht werden könne.
c) Ihrer Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB hat die ASt rechtzeitig binnen der dortigen Frist von 10 Kalendertagen nach Kenntnis der behaupteten Rechtsverstöße genügt, indem sie auf das Informationsschreiben nach § 134 GWB vom 30. April 2024 ihre Rügen gegenüber der Ag mit Schreiben vom 7. Mai 2024 angebracht hat.
d) Der am 15. Mai 2024 bei der Vergabekammer eingegangene Nachprüfungsantrag ist auf das Nichtabhilfeschreiben der Ag vom gleichen Tage ersichtlich binnen der Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB von 15 Kalendertagen nach dessen Eingang bei der ASt anhängig gemacht worden.
2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.
a) Die von der ASt gerügten Mängel der Leistungsfähigkeit der Bg zu 1) und 2) sind nicht festzustellen.
Die Ag hat in der letzten Änderung der Auftragsbekanntmachung vom ### hinsichtlich der Anzahl des für den Einsatz einzusetzenden Personals bzw. der einzusetzenden Reinigungsmaschinen keine Mindestanzahl vorgegeben. Unter Ziff. 5.1.9 der Auftragsbekanntmachung fordert die Ag vielmehr den "Nachweis der Eignung und Leistungsfähigkeit der Reinigungsmaschine". Dem entspricht auch die Vorgabe unter Ziff. D.7 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes (Formular HVA L-StB EU Aufforderung zur Angebotsabgabe_mod. RV, Seite 4) zur Vorlage von Nachweisen, Angaben und Unterlagen, die der Vergabestelle auf gesondertes Verlangen vorzulegen sind. Aus der Verwendung des Singulars "Reinigungsmaschine" in diesem Zusammenhang folgt nach der für die Auslegung maßgeblichen Perspektive eines fachkundigen Bieters ohne Weiteres und unmissverständlich, dass für die Leistungsfähigkeit eines Bieters ausreicht, eine den näher definierten technischen Mindestanforderungen entsprechende Reinigungsmaschine in der Eigenerklärung zur Eignung zu benennen und ggf. nachzuweisen. Die Bg zu 1) und 2) haben in der als Eignungsnachweis geforderten Eigenerklärung die erforderlichen Angaben zum Personal und den Reinigungsmaschinen für die Ausführung des Auftrags gemacht. Hinsichtlich der in der Auftragsbekanntmachung angegebenen technischen Mindestanforderungen der Reinigungsmaschinen genügte es vor diesem Hintergrund, wenn eine der benannten Reinigungsmaschinen die Anforderungen erfüllt hat. Dies ist, worauf auch die Ag in der von ihr mit Schriftsatz vom 19. Juni 2024 eingereichten Anlage AG zutreffend hingewiesen hat, ausweislich der von den Bg zu 1) und 2) beigebrachten Nachweise der Fall.
Soweit die Bg zu 2) in ihrer Eigenerklärung zur Eignung Angaben zu einer zweiten Reinigungsmaschine gemacht hat, die die unter Ziff. 5.1.9 der Auftragsbekanntmachung insofern vorgegebene Mindestreinigungsbreite von 1,45 m unstreitig nicht erfüllt, kommt es wegen der gerade nicht vorgegebenen Mindestanzahl für die Leistungsfähigkeit der Bg zu 2) darauf nicht an. Die Ag hat deren Leistungsfähigkeit somit fehlerfrei im Hinblick auf die nachgewiesene erste Reinigungsmaschine bejaht.
b) Es sind keine Anhaltspunkte festzustellen, dass die beiden Bg die in Ziff. 1.2.1 der Ausführungsbeschreibung und Ziff. 7.3 der Rahmenvereinbarung geregelte Ausführungsfrist für die Einzelaufträge spätestens 90 min nach Alarmierung nicht einhalten werden.
Mit der Abgabe ihrer Angebote haben die Bg zu 1) und 2) erklärt, die vorgegebene Einsatzbereitschaft binnen 90 min nach Alarmierung einzuhalten. Auf dieses Leistungsversprechen kann die Ag als öffentliche Auftraggeberin vertrauen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 07. September 2022 - 15 Verg 8/22). Allerdings ist der öffentliche Auftraggeber dann, wenn konkrete Anhaltspunkte Anlass zu Zweifeln geben, gehalten, die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens bzw. die hinreichende Leistungsfähigkeit eines Bieters aufzuklären (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5. Juni 2023 - Verg 34/23 und Beschl. v. 12. Juni 2024 - Verg 36/23). Dies dient in entsprechenden Fällen dazu zu ermitteln, ob der Bieter ggf. nach § 124 Abs. 1. Nr. 9 (it. c) GWB auszuschließen ist, weil er möglicherweise fahrlässig oder vorsätzlich irreführende Informationen übermittelt hat, die die Vergabeentscheidung erheblich beeinflussen könnten.
Derartige Anhaltspunkte sind hier hinsichtlich der geforderten Einsatzbereitschaft binnen 90 min nach Alarmierung auch nicht unter dem Aspekt eines von der ASt angesprochenen etwaigen Mehrschadensereignisses in dem bzw. den bezuschlagten Losgebiet(en) festzustellen. Die Ag hat davon abgesehen, für das Reinigungspersonal bzw. die Reinigungsmaschinen eine Mindestanzahl vorzugeben, so dass allein die Anzahl der seitens der Bieter anforderungskonform angebotenen Reinigungsmaschinen die Leistungsfähigkeit belegen, denn die Ag-seitig gesetzten Eignungsanforderungen sind erfüllt. Auch sonst sind keine Umstände ersichtlich, aus denen sich ergeben könnte, dass die Bg zu 1) und 2) die zu erfüllende Einsatzbereitschaft nicht gewährleisten könnten. Beide Bg haben jeweils nicht auf alle drei, sondern nur auf zwei Lose bzw. auf ein Los ein Angebot abgegeben. Das räumliche Gebiet, welches die Bg abzudecken haben, ist somit kleiner, Unfallstellen sind schneller erreichbar. Hinsichtlich der Bg zu 2) ist auch zu erwähnen, dass diese über mehrere Standorte im Losgebiet verfügt, was ebenfalls eine schnelle Einsatzbereitschaft an einer Unfallstelle gewährleistet. Umgekehrt hat die Ag zur Erfüllung der Zeitvorgaben vielmehr beispielhaft im Schriftsatz vom 24. Juni 2024 nachvollziehbar dargelegt, dass z.B. die Bg zu 2) in jüngsten interimsweisen Einzelaufträgen in deutlich weniger als 90min im Losgebiet 2 einsatzbereit gewesen sei.
c) Auch liegt der von der ASt bemängelte Verstoß gegen § 60 VgV nicht vor. Die Ag ist richtigerweise in eine Preisaufklärung nach § 60 Abs. 1 VgV eingetreten (aa). Die Ag hat zudem fehlerfrei entschieden, dass die Angebote der beiden Bg auskömmlich sind (bb).
aa) Die Aufgreifschwelle für eine Preisprüfung war hier überschritten, so dass die Ag richtigerweise entschieden hat, eine Preisprüfung nach § 60 Abs. 1 VgV durchzuführen.
(1) Nach § 60 Abs. 1 VgV bedarf es einer Preisprüfung durch den Auftraggeber, wenn der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung dem Auftraggeber ungewöhnlich niedrig erscheinen. Der Auftraggeber hat für die Entscheidung der Frage, ob der Preis eines Angebotes ungewöhnlich niedrig erscheint, grundsätzlich einen Einschätzungs- bzw. Beurteilungsspielraum, der von ihm pflichtgemäß und damit fehlerfrei auszuüben ist.
Im Nachprüfungsverfahren ist dieser Beurteilungsspielraum somit nur auf etwaige Beurteilungsfehler hin zu prüfen. Der Auftraggeber muss bei seiner Einschätzung nach § 60 Abs. 1 VgV somit insbesondere sachgemäß und willkürfrei vorgehen und den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zugrunde legen. Dies dient dazu, entsprechend zweifelhafte Angebot zu identifizieren, um ggf. eine Prüfung nach § 60 Abs. 2 VgV einzuleiten.
Für die Einleitung einer Preisprüfung nach § 60 Abs. 1 VgV ist das Überschreiten einer Aufgreifschwelle erforderlich, um den Auftraggeber zu einer entsprechenden Preisaufklärung zu veranlassen. Denn grundsätzlich sind - auch deutliche - Preisabstände zwischen Angeboten einem Vergabewettbewerb immanent. Eine Preisprüfung nach § 60 VgV kommt daher nur in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Unauskömmlichkeit bestehen.
Vor diesem Hintergrund ist im Hinblick auf § 60 Abs. 1 VgV die Aufgreifschwelle erreicht, wenn sich einzelne Angebote erheblich von anderen Angeboten oder von der Kostenschätzung des Auftraggebers absetzen. Das OLG Düsseldorf hat in seiner Rechtsprechung diese Aufgreifschwelle für den Regelfall bei einem Abstand von mindestens 20% des betroffenen zum nächstgünstigeren Angebot konkretisiert (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29. Mai 2020, Verg 26/19 m.w.N.). So liegt der Fall hier.
Die Darlegungen der Ag haben ergeben, dass sie sich nach Öffnung der Angebote zunächst für eine Einschätzung, ob eine Auskömmlichkeitsprüfung der Angebote der Bg geboten ist, auf die Betrachtung der zu den Losen eingegangenen Angebote selbst bezogen hat. Das ergibt sich zunächst einmal daraus, dass ihr eine erhebliche Spreizung der Angebotspreise aufgefallen ist. Schon dies war hier für die Frage, ob die Aufgreifschwelle nach § 60 Abs. 1 VGV überschritten ist, sachgemäß und ausreichend, um in eine Preisprüfung einzutreten, wie es die Ag auch getan hat. Ausweislich der bei der Vergabeakte dokumentierten tabellarischen Übersicht "Zuschlagserteilung" (Datei "Wertungsmatrix.pdf") sind zu den drei Losen die Angebotspreise gegenübergestellt und lassen erkennen, dass für die Lose 1 und 3 die Aufgreifschwelle von 20%-Abstand zwischen dem jeweils günstigsten Angebot der Bg zu 1) und dem nächsthöheren Angebot der ASt jedenfalls überschritten war. Gleiches galt auch für das Los 2 für das Verhältnis des günstigsten Angebots der Bg zu 2) und dem nächsthöheren Angebot der Bg zu 1).
(2) Der von der Ag eingeleiteten Prüfung nach § 60 Abs. 1 VgV steht - entgegen der Auffassung der ASt - nicht entgegen, dass die Ag auch das Angebot der ASt in die Aufklärung einbezogen hat, obwohl dieses schon wegen des jeweils höchsten Preises gar nicht ungewöhnlich niedrig erscheinen konnte. Die Einleitung der Prüfung nach § 60 Abs. 1 VgV wird durch diese Vorgehensweise nicht fehlerhaft; vielmehr konnte die Ag auch das Angebot der ASt in den Zusammenhang der Prüfung nach § 60 Abs. 1 VgV einbeziehen und aufklären. Unzutreffend war insoweit nur, dass die Ag. sich mit ihren Aufklärungsfragen der ASt gegenüber auf die Norm des § 60 VgV bezog, die ausschließlich ungewöhnlich niedrige Angebote erfasst. Aus Sicht der ASt musste infolge dessen zu diesem Zeitpunkt der Eindruck entstehen, sie habe ungewöhnlich niedrige Angebote abgegeben. In der Sache war das Aufklärungsverlangen jedoch dennoch in keiner Weise zu beanstanden, sondern angesichts der Angebotslage im Gegenteil richtig. Ein Auftraggeber darf auch unabhängig vom Vorliegen eines ungewöhnlich niedrigen Preises jederzeit in eine Preisaufklärung eintreten, wenn - wie hier angesichts der Preisspreizung und der Abweichung von der Kostenschätzung - Anlass hierfür gegeben ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Mai 2021 - Verg 41/20). Dies korrespondiert damit, dass der Auftraggeber grundsätzlich alle relevanten Merkmale des konkreten Auftragsgegenstandes in den Blick nehmen muss, die eine Einschätzung ermöglichen können, ob der angebotene Preis, im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheint (vgl. EuGH, Urteil vom 15. September 2020, C-669/22 Rn. 35 ff.). Der Ag ging es darum, ihre Auftragswertschätzung zu überprüfen, denn diese orientierte sich an der Angebotslage seit 2010. Diese Angebotslage war aber geprägt dadurch, dass es mit einer Ausnahme ausschließlich die ASt war, die als Bietergemeinschaft, die jedenfalls eine Vielzahl an Marktteilnehmern vereinte, Angebote abgegeben hatte. Eine Analyse, ob die Angebote der Bg ungewöhnlich niedrig sind oder aber ob im Gegenteil die Angebote der ASt als ungewöhnlich teuer einzuschätzen sind, war hier indiziert und zu Recht von der Ag vorgenommen worden, indem die Ag auch um Aufklärung der Preise bei der ASt nachgesucht hat.
Um nach § 60 Abs. 1 VgV das Verhältnis zwischen dem angebotenen Preis und der zu erbringenden Leistung sachgemäß einschätzen zu können, ist mithin die Berücksichtigung und damit eine grundsätzliche Betrachtung und Würdigung aller für die Angebotskalkulation relevanten Merkmale geboten. Vor diesem Hintergrund ist es nicht unsachgemäß, wenn der öffentliche Auftraggeber nicht nur die jeweils preisgünstigsten Angebote einer Prüfung der Auskömmlichkeit unterwirft und aufklärt, sondern auch darüber hinaus die konkrete Angebotslage insgesamt in den Blick nimmt, mithin - wie hier - auch die teuersten Angebote in den Blick nimmt, um eine plausible Einschätzung der Marktüblichkeit der eingegangenen Angebote vornehmen zu können.
bb) Die Ag hat die Prüfung der Auskömmlichkeit auch fehlerfrei im Hinblick auf § 60 Abs. 2 und 3 S. 1 VgV vorgenommen und sachgemäß festgestellt, dass die Angebote beider Bg auskömmlich sind.
Das Ergebnis ihrer Auskömmlichkeitsprüfung hat die Ag in dem in der Vergabeakte dokumentierten Vermerk "Prüfung der Preise" festgehalten. Den darin dokumentierten Erwägungen der Ag ist nachvollziehbar zu entnehmen, wie die Ag bei der Prüfung nach § 60 Abs. 1, 2 VgV hinsichtlich der von der Bg zu 1) und der Bg zu 2) angebotenen Preise vorgegangen ist. Sie hat diesen je mit Schreiben vom 10. April 2024 sachgemäße Fragen unterbreitet, um deren Kalkulation zu den relevanten LV-Positionen zu überprüfen und damit das Zustandekommen der Preise nachvollziehen zu können. Hierzu sollten die Bieter die Einzelkosten aufgliedern. Die Bg zu 1) und die Bg zu 2) haben jeweils mit Schreiben vom 16. April 2024 (Bg zu 1)) bzw. 11. April 2024 (Bg zu 2)) die Fragen frist- und anforderungsgemäß beantwortet, indem sie ihre Kalkulationen jeweils im Einzelnen aufgeschlüsselt bzw. erläutert haben.
Die Prüfung der Ag hat ausweislich des Vermerks die von ihr nachgefragten Kalkulationsposten aufgegriffen und im Hinblick auf die Erläuterungen der Bg hinterfragt und herausgearbeitet, dass diese im für die Auskömmlichkeitsprüfung nach § 60 VgV maßgeblichen Gesamtergebnis auskömmlich kalkuliert sind. Daraus ergibt sich, dass die Ag den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum sachgemäß und damit fehlerfrei ausgeübt hat. Gegen diese gesamte Vorgehensweise ist nichts zu erinnern, sie berücksichtigt die kalkulatorischen Vorgaben der Angebote, um zu prüfen, ob die Ausführung der Aufträge auf dieser Grundlage zu wirtschaftlichen Bedingungen möglich ist und -gleicht diese zusätzlich mit der von der Ag zugrunde gelegten und auf, ihre Plausibilität überprüften Kostenberechnung ab. Die Darlegungen lassen erkennen, dass die Ag zu der nachvollziehbaren Einschätzung gelangt ist, dass den Bg auf der Grundlage ihrer Angebote ein wirtschaftliches Arbeiten möglich ist.
Im Einzelnen:
Die Erwägungen der Ag in ihrem Vermerk zur Prüfung der Kalkulationen der Bg zu 1) und 2) sind schlüssig. Die Ag hat darin nachvollzogen, ob die Kalkulationen der beiden Bg Anhaltspunkte dafür boten, ob ein jeweils auskömmliches Angebot vorlag, also die Leistung, gemessen an den aufgeschlüsselten Kosten der Bg, wirtschaftlich ausgeführt werden kann. Hierzu hat die Ag sich jeweils mit den von den Bg zu den hinterfragten LV-Positionen aufgeschlüsselten Kostenansätzen auseinandergesetzt und die kalkulierten Zuschläge im Einzelnen nachvollzogen.
Die Ausführungen der Ag haben ergeben, dass sie für die Auskömmlichkeitsprüfung der Angebote auch die Angebotspreise der ASt überprüft hat, um die Plausibilität der von ihr zugrunde gelegten Kostenberechnung insgesamt zu überprüfen. Dies diente dem Zweck, die Marktüblichkeit der Preise einschätzen zu können und ob es sich bei den eingegangenen Angeboten der Bieter im Einzelnen um Ausreißer nach "oben" oder nach "unten", gehandelt hat. Insofern hat die Prüfung der Preise der ASt ergeben, dass die Angebote der ASt hinsichtlich der zu kalkulierenden Positionen im Vergleich zu den Angeboten der beiden Bg im Einzelnen stark überhöht bzw. Kalkulationsansätze von der ASt gar nicht näher konkretisiert worden sind, sondern zum Teil aus einem Verweis auf eine Übersicht eines Verbandes bestanden haben. Diese Ansatzpunkte erschließen sich nachvollziehbar aus den von der Ag im Vermerk zur Prüfung der Preise zur Ag im Einzelnen in Bezug genommenen Zuschlägen bzw. Verweisen, die die ASt in ihrem Schreiben vom 16. April' 2024 bzw. der mit diesem eingereichten Kalkulationstabelle zur Beantwortung des Aufklärungsersuchens der Ag vom 10. April 2024 dargelegt hat. Wenn die Ag vor diesem Hintergrund zu der Einschätzung gelangt ist, dass die Kalkulation der ASt insgesamt überhöht erscheint, so korrespondiert dies mit der von der Ag ebenfalls vorgetragenen Einschätzung, die sie auch in ihrem Vermerk "Überprüfung der Kostenberechnung" dokumentiert hat, marktüblich seien eher geringere Kostenansätze. Die Ag hat sich hierfür - wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert hat - an den Angeboten der beiden Bg sowie an weiteren Aufträgen orientiert. Im Vergleich zu den seitens der beiden Bg auf Aufforderung der Ag aufgeschlüsselten Kalkulationen erschließt sich aber, dass deren Kalkulationen anforderungsgemäß zu allen einzelnen Positionen nachvollzogen werden können während die ASt in ihrer Antwort die Kalkulation zum Teil schon gar nicht näher aufgeschlüsselt, sondern insoweit nur pauschal auf eine Preis- und Strukturumfrage eines Verbandes verwiesen hat, die sie mit ihrer Aufklärung der Ag vorgelegt hat. Eine somit für das Angebot der ASt stellenweise nicht konkret nachvollziehbar aufgeschlüsselte Kalkulation lässt keinen zuverlässigen Rückschluss darauf zu, dass sie marktüblich ist.
Wenn die Ag also zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Angebote der Bg auskömmlich sind, ist dies somit vor dem Hintergrund zu sehen, dass der von der Ag so betrachtete Ausschreibungsmarkt die von der Bg kalkulierten Preise bzw. aufgeschlüsselten Kosten jedenfalls zulässt und dementsprechend nicht von einem Unterkostenangebot der Bg auszugehen ist. Diese Einschätzung der Ag begegnet damit keinen Beurteilungsfehlern.
Soweit die Ag zudem im Vermerk zur Prüfung der Preise für die Bg 2 im Hinblick auf das Los 2 festgehalten hat, dass die Kalkulation zur Position der An- und Abfahrtpauschale nicht in jedem Fall kostendeckend sein könne, folgt daraus für die Einschätzung des Angebots als insgesamt auskömmlich ebenfalls kein Beurteilungsfehler. Die Darlegungen der Ag zur Bg zu 2) ergeben im Vermerk zur Prüfung der Preise, dass die Ag hinsichtlich der übrigen Positionen die Auskömmlichkeit ebenfalls nachvollziehbar bestätigt hat. Vor diesem Hintergrund die Auskömmlichkeit insgesamt zu bejahen, ist nicht unsachgemäß. Zu berücksichtigen ist für diese Einschätzung auch der weitere Vortrag der Ag in ihrem Schriftsatz vom 24. Juni 2024. Damit ist von kürzeren Einsatzanfahrten und damit günstigeren An- und Abfahrtspreisen auszugehen. Dies belegt auch die Auskömmlichkeit der An- und Abfahrtspauschalen bei isolierter Betrachtung. Auch dieser Umstand belegt die sorgfältige Prüfung durch die Ag und führt dazu, dass die Einschätzung des Gesamtangebots der Bg zu 2) durch die Ag als auskömmlich. Sachgemäß und damit fehlerfrei ausgefallen ist. Der von der ASt befürchtete Verstoß gegen § 60 VgV liegt damit nicht vor.
d) Auch die von der Ag befürchteten Dokumentationsmängel im Hinblick auf die Prüfung der Auskömmlichkeit der Preise liegen vor dem Hintergrund der Feststellungen zu § 60 VgV nicht vor.
e) Soweit die ASt im Hinblick auf die Vorabinformationen der Ag einen Verstoß gegen die Maßgaben des § 134 Abs. 1 GWB bemängelt, ist. Dem nicht zu folgen. Durch das von ihr neu gefasste Vorabinformationsschreiben vom 10. Mai 2024 hat sich die entsprechende Rüge hinsichtlich der als unzureichend bemängelte Firmenbezeichnungen der Zuschlagsprätendenten jedenfalls erledigt. Soweit die ASt ferner meint, die Gründe der Nichtberücksichtigung ihrer Angebote seien unzureichend, liegt kein Verstoß gegen § 134 Abs. 1 GWB vor. Im Hinblick auf das einzige Zuschlagskriterium Preis hat die Ag, worauf die Vergabekammer bereits in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, zutreffend darauf verwiesen, dass die Angebote der ASt nicht die wirtschaftlichsten Angebote gewesen seien. Nähere Darlegungen erübrigen sich hier, da die ASt aus dieser Information erkennen konnte, dass ihre Angebote teurer waren als die der Bg; die ASt muss sich hier fragen lassen, welche weitergehende Information sie angesichts des Preises als alleinigem Wertungskriterium vermisst.
f) Ob die ASt im Hinblick auf § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB auszuschließen war, bedarf vor dem Hintergrund der unbegründeten Rügen der ASt und die nach § 167 Abs. 1 S. 1 GWB grundsätzlich auf fünf Wochen begrenzte Entscheidungsfrist im Nachprüfungsverfahren keiner weiteren Prüfung. Überdies hat sich die Ag im Hinblick auf die ASt nicht auf diesen Ausschlussgrund berufen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 Abs. 1, 2 und 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, 2 und 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 1, 2 und 3 Satz 2 VwVfG (Bund).
1. Die ASt trägt als unterliegende Verfahrensbeteiligte die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Ag gemäß § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.
2. Die ASt trägt zudem die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Bg zu 1) und der Bg zu 2) gemäß § 182 Abs. 4 S. 2 GWB. Denn es entspricht gemäß dieser Vorschrift der Billigkeit, diese Aufwendungen der Bg zu 1) und 2) der ASt als unterliegendem Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen. Die ASt hat durch ihren Nachprüfungsantrag den Ausschluss bzw. die Nichtberücksichtigung der Angebote der Bg zu 1) und 2) verfolgt und damit einen direkten Interessengegensatz zu diesen begründet. Dies haben die beiden Bg zum Anlass für schriftsätzlichen Vortrag genommen, um sich gegen das Vorbringen der ASt zu verteidigen und entsprechende Anträge gestellt. Damit haben die beiden Bg ein Kostenrisiko auf sich genommen, das es rechtfertigt, ihre entsprechenden Aufrundungen der ASt aufzuerlegen.
3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag war notwendig gemäß § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 1, 2 und Abs. 3 S. 2 VwVfG (Bund).
Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren bedarf einer einzelfallgerechten Betrachtung, abstellend auf den Zeitpunkt der Hinzuziehung (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06; vgl. ferner OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. September 2022, Verg 15/22). Die Notwendigkeit der Hinzuziehung hängt davon ab, ob der jeweilige Verfahrensbeteiligte nach den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, den Sachverhalt aufgrund der bekannten bzw. erkennbaren Tatsachen zu erfassen, der im Hinblick auf eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung bzw. -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Maßgeblich ist bei der Abwägung, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war oder nicht, ob sich im Nachprüfungsverfahren für den Auftraggeber im Wesentlichen auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazugehörigen vergaberechtlichen Vorschriften gestellt haben. In diesem Fall ist es grundsätzlich nicht notwendig, dass er hierfür einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen muss. Diese Angelegenheiten betreffen den originären Aufgabenkreis des öffentlichen Auftraggebers, für die er sich selbst die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse verschaffen muss, so dass es auch im Nachprüfungsverfahren nicht geboten ist, einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten hinzuzuziehen (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Zu berücksichtigen ist ferner der Grad der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhaltes, die Komplexität oder Überschaubarkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen sowie persönliche Umstände wie u.a. die sachliche oder personelle Ausstattung des Verfahrensbeteiligten (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalt kann daher insbesondere geboten sein, wenn sich im Nachprüfungsverfahren nicht einfachgelagerte Rechtsfragen stellen, insbesondere solcher verfahrensrechtlicher Natur oder solcher Art, die auf einer höheren Rechtsebene als der der Vergabeordnungen zu entscheiden sind (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Vor dem Hintergrund dieser Maßgaben ist die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag hier als notwendig anzuerkennen. Zwar betraf das Nachprüfungsbegehren der ASt auf der einen Seite Fragen der Angebotsprüfung, insbesondere im Hinblick auf die Eignung der beiden Bg sowie die Prüfung der Auskömmlichkeit der Angebotspreise und damit auftragsbezogene Fragestellungen, welche ein öffentlicher Auftraggeber prinzipiell beherrschen muss. Allerdings ergab sich für die Ag auf die Rüge bzw. den Nachprüfungsantrag der ASt hin die Frage nach der Vereinbarkeit der Bietergemeinschaft mit den Maßgaben des § 1 GWB und hierzu auch im Nachprüfungsverfahren vorzutragen. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass die Ag im Rahmen ihrer Angebotsprüfung nicht näher auf die Anforderungen des Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB eingegangen ist bzw. keinen Ausschluss der ASt auf dieser Grundlage verfügt hat. Es ist für die Notwendigkeit der Hinzuziehung vielmehr ausreichend, dass die Ag sich mit diesem Aspekt als Reaktion auf den Nachprüfungsantrag auseinandergesetzt hat, was durch die gesamte Preisthematik indiziert war. Überlegungen zur Zusammensetzung der ASt im Hinblick auf die Anforderungen des Kartellverbots nach § 1 GWB stellen eine nicht einfach gelagerte, nicht dem Vergaberecht zuzurechnende Sach- und Rechtsfrage dar, die hier somit über die auftragsbezogenen vergaberechtlichen Fragestellungen hinausreicht.
Für die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag spricht hier ergänzend auch der Aspekt der prozessualen Waffengleichheit mit der ebenfalls anwaltlich vertretenen ASt.
IV.
(...)
Nicht jedes vergessene Kreuz führt zum Angebotsausschluss!
Nicht jedes vergessene Kreuz führt zum Angebotsausschluss!
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VK Nordbayern
Beschluss
vom 08.08.2024
RMF-SG21-3194-9-19
ohne amtliche Leitsätze
Die Vergabekammer Nordbayern bei der Regierung von Mittelfranken erlässt aufgrund mündlicher Verhandlung vom 08.08.2024 durch den Vorsitzenden ###, den hauptamtlichen Beisitzer ### und den ehrenamtlichen Beisitzer ### am 08.08.2024 folgenden
Beschluss
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle und der Beigeladenen zu 1 tragen die Antragstellerin zu je 3/4 und die Beigeladene zu 2 zu je 1/4.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Beigeladene zu 1 war notwendig.
4. Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt x.xxx,- Euro. Auslagen sind nicht angefallen.
Sachverhalt:
1. Die VSt schrieb mit Auftragsbekanntmachung vom xx.xx.xxx (TED: ....., Vergabenummer .....) europaweit die Leistung "Wärme und kältetechnische Anlagen" Los 1 Bauleistung und Los 2 Interimsbetrieb im Rahmen einer Baumaßnahme für den Neubau eines Forschungsgebäudes in ..... aus.
2. Nach Punkt A) im Formblatt (FB) 211 EU war u.a. das FB 216 (Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen) zu beachten.
Nach Punkt C) sind u.a. das FB 213.H (Angebotsschreiben) und das Vertragsformular für Instandhaltung einzureichen.
In Ziffer 3.3 FB 211 EU wurde die Nachforderung von fehlenden Unterlagen, deren Vorlage mit dem Angebot gefordert war, ausgeschlossen.
Gemäß Ziffer 8 FB 211 EU war die Angebotsabgabe elektronisch in Textform zugelassen. "Bei elektronischer Angebotsübermittlung in Textform muss der Bieter zu erkennen sein". "Das Angebot ist zusammen mit den Anlagen bis zum Ablauf der Angebotsfrist über die Vergabeplattform der Vergabestelle zu übermitteln".
Im FB 213.H konnten die Bieter Anlagen, die Vertragsbestandteil werden, ankreuzen. Ankreuzbar war u.a. das "Vertragsformular für Instandhaltung mit den Preisen sowie den geforderten Angaben und Erklärungen". In Ziffer 2.1 konnte die Vergütung gem. Instandhaltungsvertrag eingetragen werden.
Der Wartungsvertrag enthält unter der Fußnote 1 den Hinweis: "Bei Beauftragung im Rahmen eines Bauausführungsvertrages nach VOB/B handelt es sich nicht um einen eigenständigen Vertrag, sondern um die für den Leistungsteil "Instandhaltung" geltenden Konditionen, auch wenn der Begriff "Vertrag" verwendet wird".
In Ziffer 1 des FB 216, Unterlagen die mit dem Angebot abzugeben sind, war u.a. folgendes angekreuzt: das "Angebotsschreiben" und "Vertragsformular für Instandhaltung" sowie fettgedruckt: "Bitte Wartungsvertrag beachten und ausfüllen. (Kann bei Bedarf auch ausgedruckt, ausgefüllt und in ava-sign als PDF in den Ordner Anlagen zum Angebot hochgeladen werden.)"
3. Die ASt, die BGl zu 1 und die BGl zu 2 reichten jeweils ihre Angebote über die Vergabeplattform ein.
Im Angebot der BGl zu 1 wurde im FB 213.H der Punkt "Vertragsformular für Instandhaltung mit den Preisen sowie den geforderten Angaben und Erklärungen" nicht angekreuzt. In Ziffer 2.1 wurde keine Vergütung gem. Instandhaltungsvertrag eingetragen. Der Wartungsvertrag ist vollständig (insb. Vergütung) ausgefüllt worden und dem Angebot beigefügt gewesen. In Ziffer 5.2 des Wartungsvertrags ("Leistungen nach Nr. 2.4 werden wie folgt vergütet") wurde bei den Stundenverrechnungssätzen neben der konkreten Vergütung noch folgendes angegeben: "Servicetechniker", "Obermonteur" und "0,x".
Im Angebot der BGl zu 2 wurde das FB 213.H sowie der Wartungsvertrag doppelt hochgeladen. Das FB 213.H wurde in einer Version digital ausgefüllt. Hierbei wurde der Punkt "Vertragsformular für Instandhaltung mit den Preisen sowie den geforderten Angaben und Erklärungen" nicht angekreuzt. In Ziffer 2.1 wurde keine Vergütung gem. Instandhaltungsvertrag eingetragen. In der zweiten Version wurde das FB 213.H ausgedruckt, handschriftlich ausgefüllt, eingescannt und als PDF-Datei hochgeladen. Hierbei wurde der Punkt "Vertragsformular für Instandhaltung mit den Preisen sowie den geforderten Angaben und Erklärungen" nicht angekreuzt. In Ziffer 2.1 wurde die Vergütung gem. Instandhaltungsvertrag eingetragen. Der Wartungsvertrag wurde in einer Version nicht ausgefüllt eingereicht. Die zweite Version des Wartungsvertrags wurde ausgedruckt, handschriftlich vollständig ausgefüllt, eingescannt und als PDF-Datei hochgeladen.
Die Submission erfolgte am xx.xx.2024. Ausweislich des Submissionsprotokolls gab die BGl zu 1 das günstigste Angebot ab, die BGl zu 2 landete auf Rang 2 und die ASt auf Rang 3. Das Submissionsprotokoll enthielt weder bei der BGl zu 1 noch bei der BGl zu 2 Preisangaben im Punkt "Wartung/Instandhaltung".
4. Mit Schreiben vom 12.06.2024 rügte die ASt, dass die BGl zu 1 und BGl zu 2 ausweislich des Submissionsprotokolls kein Wartungsangebot rechtzeitig eingereicht hätten. Da die VSt festgelegt habe, keine Unterlagen nachzufordern, seien Angebote ohne Angabe der Wartungskosten bzw. ohne Vorlage des Vertragsformulars Instandhaltung zwingend auszuschließen.
5. Mit Schreiben vom 17.06.2024 teilte die VSt mit, dass die Mitbewerber im vorgesehenen Feld für den Wartungspreis diesen nicht eingetragen hätten. Deshalb werde dieser im Submissionsprotokoll nicht angezeigt. In den jeweiligen Angebotspaketen, welche bereits zur Submission vorgelegen hätten, seien die Wartungsverträge enthalten gewesen. Ein Ausschluss sei nicht erforderlich gewesen.
6. Mit Schreiben vom 18.06.2024 forderte die ASt die VSt auf, ihr einen Nachweis für die rechtzeitige Abgabe der Wartungsverträge durch einen Auszug aus der Vergabeakte zu übersenden. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Angebote der Mitbewerber bei nicht vollständig ausgefüllten Formblatt 213 und damit fehlender Textform zwingend auszuschließen seien.
7. Mit Schreiben vom 19.06.2024 versicherte die VSt, dass sie die Wartungsverträge der Mitbewerber ausschließlich mit dem Angebot erhalten habe und auch die Textform bei allen Angeboten erfüllt gewesen sei. Die Aussage im Schreiben der VSt vom 17.06.2024 müsse dahingehend präzisiert werden, dass die Mitbewerber die Wartungssummen nicht in den Abgabeassistenten übertragen hätten. Deshalb sei eine automatische Anzeige im Submissionsprotokoll systembedingt nicht möglich. Gleichwohl sei für die VSt der Wartungspreis erkennbar und Teil des Angebots gewesen. Alle Bieter hätten die Formblätter 213 rechtsverbindlich in Textform abgegeben. Die Erklärung umfasse ausweislich des Formblattes auch alle Anlagen wie z.B. Wartungsverträge. Die Bieteridentifikation sei zweifelsfrei möglich. In den Vergabeunterlagen sei auch textlich vorgegeben, dass Firmen, soweit erforderlich, den Wartungsvertrag ausdrucken, ausfüllen und als pdf-Dokument wieder als Anlage in ihre Angebotsdatei hochladen könnten.
8. Mit zwei Bieterinformationsschreiben nach § 134 GWB jeweils vom 20.06.2024 teilte die VSt der ASt mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag für Los 1 und Los 2 auf das Angebot der BGl zu 1 zu erteilen. Der Zuschlag auf das Angebot der ASt könne nicht erteilt werden, weil ein niedrigeres Hauptangebot vorliege.
9. Mit Schriftsatz vom 27.06.2024 stellten die Verfahrensbevollmächtigten der ASt einen Antrag auf Nachprüfung und beantragen:
1. die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §§ 160 ff. GWB, verbunden mit der unverzüglichen Information des Antragsgegners gemäß § 169 Abs. 1 GWB in Textform,
2. den Antragsgegner zu verpflichten, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren in den Zustand vor Angebotswertung zurückzuversetzen,
3. das Angebot der ...(BGl zu 2)... und das Angebot der ...(BGl zu 1)... von der Angebotswertung auszuschließen und die verbleibenden Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu werten,
hilfsweise, dass durch die Vergabekammer unabhängig auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hingewirkt wird,
hilfsweise für den Fall, dass der Vertrag bereits abgeschlossen ist, festzustellen, dass der Vertrag gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB von Anfang an unwirksam ist,
4. der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakte gemäß § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren,
5. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gem. § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären,
6. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Der zulässige Nachprüfungsantrag sei begründet. Der fehlende Ausschluss der Angebote der Beigeladenen und die Nichtberücksichtigung des Angebotes der ASt sei vergaberechtswidrig.
Die Angebote der Beigeladenen seien zwingend von der Wertung auszuschließen. Der Ausschluss habe gem. § 16 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A, § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 VOB/A, § 11 EU Abs. 4 VOB/A wegen Nichteinhaltung der geforderten Form für das Wartungsangebot zu erfolgen. Ein Bieter habe die Vergabeunterlagen dahingehend verstehen müssen, dass das Formblatt 213.H zu verwenden und in Ziffer 2.1 der Wartungspreis einzutragen sei. Sofern der Preis für eine geforderte Teilleistung im Angebotsschreiben nicht eingetragen sei, fehle ein Kernbestandteil des Angebotes. Die von den Beigeladenen hochgeladenen einzelnen Angebotsbestandteile könnten die fehlende Textform des Formblattes 213.H nicht ersetzen, da sie nicht das gesamte Angebot inklusive aller Anlagen und Erklärungen umfassen und nicht den gesamten Angebotsinhalt für rechtsverbindlich erklären. Auch aus der Einreichung über die Vergabeplattform ergebe sich keine Rechtsverbindlichkeit. Soweit die VSt darauf abstelle, dass bei den Beigeladenen mit dem Hochladen des Wartungsvertrages der Wartungspreis erkennbar und dadurch Teil des Angebotes gewesen sei, genüge diese Sichtweise nicht den Teilnahmebedingungen.
10. Mit Schriftsatz vom 10.07.2024 vertieften die Verfahrensbevollmächtigten der ASt ihre Rechtsauffassung.
Im FB 213.H sei die Anlage "Vertragsformular für Instandhaltung mit den Preisen sowie den geforderten Angaben und Erklärungen" nicht angekreuzt worden. Damit sei das zwingend einzureichende Vertragsformular Instandhaltung nicht Bestandteil der Angebote gewesen.
Die Bieter hätten die bearbeitbaren Vergabeunterlagen über die Vergabeplattform herunterladen, über das Programm ava-sign ausfüllen und in digitaler Form hochladen müssen. Die BGl zu 2 habe ihr Angebot auf einem ausgedruckten, handschriftlich ausgefüllten, mit Unterschrift und Firmenstempel versehenen und dann eingescannten Angebotsschreiben eingereicht. Dies erfülle nicht die geforderte elektronische Angebotsabgabe in Textform.
11. Mit Schriftsatz vom 11.07.2024 erwiderte die VSt und beantragt:
1. Die Entscheidung nach Lage der Akten ohne mündliche Verhandlung wegen offensichtlicher Unbegründetheit der Klage nach § 166 Abs. 1 S. 3, Alt. 3 GWB zu treffen.
2. Der Antrag der Antragstellerin ..... wird abgewiesen.
3. Der Zuschlag auf das Angebot der ...(BGl zu 1)... wird gestattet.
4. Hilfsweise wird beantragt, zu gestatten, der ...(BGl zu 2)... den Zuschlag zu erteilen, falls die ...(BGl zu 1)... ausgeschlossen werden müsste.
5. Der Antragstellerin werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Vorliegend sei keiner der Ausschlussgründe nach § 16 EU VOB/A erfüllt.
Das von der BGl zu 1 hochgeladene FB 213.H und der Wartungsvertrag seien in einem engen zeitlichen Zusammenhang hochgeladen worden. Es bestünden keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Angebotes. Ebenso bestünden keine Anhaltspunkte, die an der Identität des Bieters zweifeln lassen. Da die Unterlagen ausschließlich durch einen in der Plattform registrierten Bieter abgegeben werden können, sei die Bieteridentität eindeutig erkennbar. Der Leistungsteil "Instandhaltung" im Hinweis des Wartungsvertrags beziehe sich auf Ziffer 2.1 des Vordrucks 213.H. Da es sich bei dem Wartungsvertrag um eine Anlage zu 213.H handle, sei das Nichtausfüllen des Vordrucks 213.H in Ziffer 2.1 zu vernachlässigen, wenn sich die Informationen aus dem ausgefüllten Wartungsvertrag ergeben. Aus dem gleichen Grund sei auch die Identität des Bieters unzweifelhaft, da es nicht notwendig (und auch nicht gefordert) sei, auf jeder Anlage die Identität neu anzugeben. Die Unterlagen der BGl zu 1 seien daher ihr klar zuordenbar, vollständig und auch rechtzeitig eingegangen.
Der Wartungsvertrag habe bei beiden Beigeladenen im Angebotspaket beigelegen. Da das Angebotspaket als Ganzes das Angebot der Bieter darstelle, könne hier nicht "zerpflückt" werden, was nun Teil des Angebotes sein solle und was nicht.
Ebenso verhalte es sich mit den Unterlagen, die von der BGl zu 2 hochgeladen worden seien. Im FB 216 habe die VSt zudem klargestellt, dass sie einen Wartungsvertrag, der händisch ausgefüllt wurde, als verbindlich anerkenne. Bei der Angebotsabgabe beschränke sich die Vorgabe darauf, dass die Übermittlung des Angebotes ausschließlich über ava-sign zu erfolgen habe.
12. Mit Schriftsätzen vom 22.07.2024 und 29.07.2024 wiederholten und vertieften die Verfahrensbevollmächtigten der ASt ihre bisherige Rechtsauffassung.
13. Mit Schriftsatz vom 01.08.2024 wiederholte und vertiefte die VSt ihre Rechtsauffassung.
Es sei lediglich die Textform und die Abgabe des Angebotes über das Programm ava-sign als formale Bedingung in der Vergabe vorgegeben worden. Die Beigeladenen hätten die Vorgaben erfüllt. Die Bieteridentitäten seien zweifelsfrei gegeben. Es würden auch keine Anhaltspunkte vorliegen, dass den von den Beigeladenen hochgeladenen Unterlagen keine Bindungswirkungen zukommen soll. Das Angebot der BGl zu 1 enthalte keine unzulässige Mischkalkulation.
14. Am 02.08.2024 teilte die Vergabekammer der ASt mit, dass keine weitere Akteneinsicht gewährt wird. Die VSt habe festgestellt, dass keine Mischkalkulation vorliege. Der Geheimschutz der BGl zu 1 überwiege.
15. Mit Schriftsatz vom 31.07.2024 nahmen die Verfahrensbevollmächtigten der BGl zu 2 Stellung.
Das Angebot der BGl zu 1 sei auszuschließen, da der Wartungspreis nicht angegeben worden sei. Die Eintragung des Wartungspreises sei nicht im FB 213.H erfolgt. Auch sei der Wartungsvertrag nicht unterschrieben worden. Zudem seien weder die ASt noch die BGl zu 1 im jeweiligen Wartungsvertrag explizit als Auftragnehmer bezeichnet worden.
Hingegen habe das Angebot der BGl zu 2 keine Defizite. Insofern machte sich die BGl zu 2 die Ausführungen der VSt zu eigen. Die Vorwürfe der ASt wurden bestritten und verneint.
16. Mit Schriftsatz vom 01.08.2024 beantragt der Verfahrensbevollmächtigten der BGl zu 1:
1. die Anträge der ...(ASt)... abzuweisen.
2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens - einschließlich der Aufwendungen der ...(BGl 1)... zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung - aufzuerlegen.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene, die Firma ........, für notwendig zu erklären.
Im Wesentlichen schließt sich die BGl zu 1 dem Vortrag der VSt an. Es sei ein vollständiges, stimmiges und auch verbindliches Angebot über die genutzte Vergabeplattform eingereicht worden. Das Angebot der BGl zu 1 sei verbindlich und könne nicht ausgeschlossen werden, weil nicht alle Kreuze und Eintragungen im FB 213.H eingetragen worden seien. Zudem sei das FB 213.H nicht von der VSt wirksam gefordert worden.
17. Mit Schriftsatz vom 06.08.2024 erwiderten die Verfahrensbevollmächtigten der ASt und wiederholten ihre bisherige Rechtsauffassung.
18. Mit Schriftsatz vom 07.08.2024 lehnten die Verfahrensbevollmächtigten der BGl zu 1 die Rechtsausführungen der ASt ab.
19. Die Fünf-Wochen-Frist des § 167 Abs. 1 Satz 1 GWB wurde wegen tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten am 22.07.2024 bis einschließlich 13.09.2024 verlängert.
20. In der mündlichen Verhandlung am 08.08.2024 hatten die Beteiligten Gelegenheit, sich zur Sache zu äußern.
21. Mit Schriftsatz vom 16.08.2024 lehnten die Verfahrensbevollmächtigten der BGl zu 2 eine Kostentragungspflicht ab.
22. Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die Verfahrensakte der Vergabekammer, das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, Bezug genommen.
Begründung:
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a) Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfungsverfahren nach § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 Satz 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.
b) Die VSt ist öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 1 GWB.
c) Bei dem ausgeschriebenen Bauauftrag handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 103 Abs. 3 GWB.
d) Der maßgebliche Schwellenwert nach § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB ist überschritten.
e) Die ASt ist antragsbefugt im Sinne des § 160 Abs. 2 GWB, denn sie hat ihr Interesse an dem öffentlichen Auftrag mit der Abgabe eines Angebotes nachgewiesen und eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht. Sie hat zudem dargelegt, dass ihr durch den Nichtausschluss der Angebote der BGl zu 1 und BGl zu 2 ein Schaden zu entstehen droht. Im Rahmen der Zulässigkeit sind an die Antragsbefugnis keine allzu hohen Anforderungen geknüpft.
f) Die ASt ist ihrer Rügeobliegenheit rechtzeitig nachgekommen.
g) Der Zuschlag wurde noch nicht erteilt, § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB.
2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.
Die ASt ist durch den Nichtausschluss der Angebote der Beigeladenen nicht in ihren Rechten verletzt. Ein Ausschluss jedenfalls des erstplatzierten Angebotes der BGl zu 1 kommt vorliegend nicht in Betracht.
a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des Ausschlussgrundes nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A sind nicht erfüllt.
Nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A sind Angebote auszuschließen, die unter anderem den Bestimmungen des § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A nicht entsprechen.
Nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A legt der öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung von § 11 EU VOB/A fest, in welcher Form die Angebote einzureichen sind. Nach § 11 EU Abs. 4 VOB/A übermitteln Unternehmen ihre Angebote in Textform mithilfe elektronischer Mittel. Soweit erforderlich kann der öffentliche Arbeitgeber nach § 11 EU Abs. 5 VOB/A erhöhte Anforderungen verlangen.
Für die Auslegung von Vergabeunterlagen ist auf die objektive Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters abzustellen, der mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertraut ist. Maßgeblich ist nicht das Verständnis eines einzelnen Bieters, sondern wie der abstrakt angesprochene Empfängerkreis die Leistungsbeschreibung und Vergabeunterlagen versteht (vgl. OLG Karlsruhe, NZBau 2016, 449).
Unter Anwendung des genannten Maßstabes führt die Auslegung der Vergabeunterlagen nach dem objektiven Empfängerhorizont zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Vergabeverfahren die VSt lediglich die elektronische Angebotsabgabe in Textform und keine darüberhinausgehende fortgeschrittene oder qualifizierte Signatur gefordert hat. In Ziffer 8 des FB 211 EU wurde von der VSt angekreuzt, dass die Angebotsabgabe elektronisch in Textform zugelassen ist. Die daneben befindlichen Platzhalterkästchen, mit denen die VSt eine fortgeschrittene/qualifizierte Signatur hätte fordern können, waren nicht angekreuzt. Ziffer 8 enthält zudem die Anmerkungen, dass bei elektronischer Angebotsübermittlung in Textform der Bieter zu erkennen sein muss und dass das Angebot zusammen mit den Anlagen bis zum Ablauf der Angebotsfrist über die Vergabeplattform der Vergabestelle zu übermitteln ist.
Entgegen der Rechtsauffassung der ASt entspricht das Angebot der BGl zu 1 den verlangten Formerfordernissen.
Hinsichtlich des Angebots des Bieters ist Maßstab der Auslegung, wie ein mit den Umständen des Einzelfalls vertrauter Dritter in der Lage der Vergabestelle das Angebot nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste oder durfte, wobei es keinen Erfahrungssatz gibt, dass der Bieter stets das vom Ausschreibenden Nachgefragte anbieten will, auch wenn ihm redliche und interessensgerechte Absichten zu unterstellen sind (OLG Düsseldorf, B.v. 22.03.2017, Verg 54/17).
Die Auslegung des Angebotes der BGl zu 1 anhand des genannten Maßstabes ergibt, dass das Angebot der BGl zu 1 vollständig ist, den Bieter erkennen lässt und rechtzeitig über die Vergabeplattform hochgeladen wurde.
Das Angebot der BGl zu 1 wurde elektronisch in Textform abgegeben und erfüllt daher die Formvorgaben des FB 211 EU bzw. § 11 EU Abs. 4 VOB/A.
Das Angebot wurde auf die Vergabeplattform hochgeladen und damit mithilfe elektronischer Mittel i.S.d. § 11 EU Abs. 4 VOB/A übermittelt.
Die BGl zu 1 hat das Angebotsschreiben FB 213.H ausgefüllt und bei "Name und Anschrift des Bieters" ihren Firmennamen inklusive Anschrift angegeben. Damit ist aus Sicht der Vergabekammer der Bieter eindeutig erkennbar und die Textform eingehalten.
Das Angebot der BGl zu 1 ist auch vollständig. Im FB 213.H hat die BGl zu 1 zwar das Platzhalterkästchen beim Wartungsvertrag nicht angekreuzt und in Ziffer 2.1 den Wartungspreis nicht angegeben, dies ist jedoch nach Auffassung der Vergabekammer unschädlich. Die objektive Auslegung des Angebotes der BGl zu 1 anhand des genannten Maßstabes ergibt, dass der ausgefüllte und zusammen mit dem Angebot als Anlage beigefügte Wartungsvertrag als verbindlicher Bestandteil des Angebotes zu werten ist. Ein anderes Verständnis würde dem objektiven Empfängerhorizont widersprechen und das eingereichte Komplettpaket bestehend aus Angebot und Anlagen auf unnatürliche Weise aufteilen. Im Rahmen einer Gesamtschau aller eingereichten Unterlagen ist die Vergabekammer der Auffassung, dass der Wartungsvertrag Teil des Angebotes ist. Einem unvoreingenommenen Auftraggeber musste sich aufdrängen, dass im FB 213.H das fehlende Kreuz beim Wartungsvertrag und der fehlende Wartungspreis auf einem Missverständnis beruhte, denn der ausgefüllte Wartungsvertrag wurde tatsächlich miteingereicht und ein vollständiges Angebot abgegeben (vgl. BGH, U.v. 18.06.2019, X ZR 86/17). Hierfür spricht auch, dass es sich vorliegend beim Wartungsvertrag nicht um einen eigenständigen Vertrag handelt, sondern um die für den Leistungsteil "Instandhaltung" geltenden Konditionen. Hierauf wird im Wartungsvertrag in der Fußnote 1 ausdrücklich hingewiesen. Dieser Hinweis bezieht sich laut VSt auf Ziffer 2.1 des FB 213.H, weshalb es sich beim Wartungsvertrag um eine Anlage zum FB 213.H handelt. Wie bereits ausgeführt, erfüllt das Angebot der BGl zu 1 die Textform durch das ausgefüllte Angebotsschreiben FB 213.H. Der dem Angebot als Anlage beigefügte Wartungsvertrag ist Teil des Gesamtpaketes und damit eindeutig dem Bieter zurechenbar. Im Wartungsvertrag selbst muss daher keine eigenständige Bieterbezeichnung erfolgen. Die Angabe "0,x" bei den Stundenverrechnungssätzen in Ziffer 5.2 des Wartungsvertrages (Vergütung von Leistungen nach Ziffer 2.4 - Störungsbeseitigung) ist ebenfalls unschädlich, da es sich hierbei um eine nicht wertungsrelevante Angabe handelt. Im Ergebnis ist der Angebotsinhalt eindeutig und enthält keine Widersprüche.
Überdies kommt die Vergabekammer Münster in einer vergleichbaren Fallkonstellation zu dem Ergebnis, dass das Angebotsschreiben FB 213.H schon gar nicht seitens der VSt wirksam gefordert worden ist (VK Münster, B.v. 07.08.2023, VK 1 - 22/23). Wie im Fall der VK Münster enthalten auch hier die Vergabeunterlagen zu Lasten des öffentlichen Auftraggebers gehende widersprüchliche Angaben zur Abgabe des Angebotsschreibens. Anders als im FB 211 EU wird von den Bietern im FB 216 nur ein nicht näher bezeichnetes Angebotsschreiben, nicht aber das FB 213.H, gefordert. Ein Ausschluss kann demnach nicht auf ein unvollständiges Ausfüllen des FB 213.H gestützt werden.
b) Unter Bezugnahme auf die obigen Ausführungen stellt die Vergabekammer fest, dass das Angebot der BGl zu 1 alle geforderten Preise enthält. Ein Ausschluss nach § 16a EU Abs. 2 Satz 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A kommt daher nicht in Betracht.
c) Entgegen der Behauptung der ASt enthält das Angebot der BGl zu 1 auch keine Indizien für eine Mischkalkulation. Die Preisaufklärung seitens der VSt hat zwar auffällige Einheitspreise ergeben, allerdings keine Indizien für eine Mischkalkulation. Auch die Vergabekammer sieht keine Indizien für eine Mischkalkulation. Überdies ist nach Auffassung der Vergabekammer schon gar keine Preisaufklärung veranlasst gewesen, da die maßgeblichen Gesamtpreise der Bieter hierzu keinen Anlass gegeben hatten.
d) Überdies merkt die Vergabekammer nach summarischer Prüfung des Angebotes der BGl zu 2 an, dass auch insoweit keine Ausschlussgründe vorliegen. Die Vergabekammer folgt nicht der Rechtsauffassung der ASt, dass die händisch ausgefüllten und eingescannten Unterlagen wegen vermeintlichen Formverstoß nicht berücksichtigt werden dürfen. Für eine derartige Auslegung finden sich nach oben dargestellten Auslegungsmaßstäben keine ausreichenden Anhaltspunkte in den Vergabeunterlagen. Da jedoch bereits für das auf Rang 1 liegende Angebot der BGl zu 1 kein Ausschlussgrund gegeben ist, kommt es hierauf mangels Relevanz nicht mehr an und weitere Ausführungen hierzu erübrigen sich.
e) Der Antrag der ASt auf weitergehende Akteneinsicht bzw. Mitteilung, bei welchen Positionen der BGl zu 1 überhöhte bzw. untersetzte Einheitspreise festgestellt wurden, ist unbegründet und daher abzulehnen.
Die ASt hat zur Akteneinsicht Auszüge aus der der Vergabekammer vorgelegten Vergabeakte erhalten, soweit keine wichtigen Gründe, insbesondere Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der beiden Beigeladenen, entgegenstanden, § 165 Abs. 2 GWB. Die Vergabekammer hat bei überwiegend schutzbedürftigen Inhalten die entsprechenden Stellen teilgeschwärzt.
Die VSt hat im Schriftsatz vom 01.08.2024 ausgeführt, dass keine unzulässige Mischkalkulation vorliege und dass das Auskunftsbegehren der ASt hinsichtlich der Vorlage von Einzelpreisen der Mitbieter unzulässig sei. Insbesondere sei die vereinzelte Vorlage von Preisen nicht zielführend, weil daraus gerade nicht eine Mischkalkulation zu erkennen wäre.
Nach Auffassung der Vergabekammer hat die ASt den Vorwurf einer vermeintlichen Mischkalkulation im Angebot der BGl zu 1 "ins Blaue hinein" erhoben, da es insoweit keine Anhaltspunkte gibt. Das Verlangen der ASt nach Mitteilung, bei welchen Positionen der BGl zu 1 überhöhte bzw. untersetzte Einheitspreise festgestellt wurden, dient letztlich nur der weiteren Ausforschung des Angebotes der BGl zu 1. Vor diesem Hintergrund ist die entsprechende weitergehende Akteneinsicht der ASt nach Abwägung der betroffenen Interessen nicht geboten und im Hinblick auf § 165 Abs. 2 GWB zu versagen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
a) Die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der VSt und der BGl zu 1 tragen die ASt zu je 3/4 und die BGl zu 2 zu je 1/4.
Die Verfahrenskosten tragen die ASt und die BGl zu 2, weil sie jeweils mit ihren Anträgen unterlegen sind, § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Die ASt trägt 3/4, weil sie mit ihrem Nachprüfungsantrag vollumfänglich unterlegen ist, da sie den Ausschluss beider Angebote von BGl zu 1 und BGl zu 2 beantragt hatte. Die BGl zu 2 trägt 1/4, da sie jedenfalls hinsichtlich ihrem Antrag auf Ausschluss des Angebotes der BGl zu 1 unterlegen ist.
Die Kostenerstattungspflicht gegenüber der VSt ergibt sich aus § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB und gegenüber der BGl zu 1 aus § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB. Der Erstattungsanspruch der BGl zu 1 ist gerechtfertigt, da sie sich aktiv in das Vergabenachprüfungsverfahren eingebracht und dieses gefördert hat. Hinsichtlich der Aufteilung 3/4 bzw. 1/4 wird auf die obige Begründung der Verfahrenskosten verwiesen.
Es entspricht der Billigkeit die BGl zu 2 an den Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der VSt und der BGl zu 1 zu beteiligen, da sie sich mit anwaltlicher Hilfe sowohl schriftsätzlich als auch durch die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung aktiv im Verfahren vor der Vergabekammer mit umfangreichen Ausführungen wesentlich beteiligt hat (vgl. OLG München, B.v. 08.03.2016, Verg 1/16). Durch ihre Mitwirkung versuchte die BGl zu 2 den Verfahrensausgang zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Die BGl zu 2 hat sowohl in ihrem 5-seitigen Schriftsatz vom 31.07.2024 als auch in der mündlichen Verhandlung den Ausschluss des Angebotes der BGl zu 1 und den Nichtausschluss des Angebotes der BGl zu 2 ausdrücklich begehrt. Durch diese aktive Mitwirkung am Verfahren hat sie sich einem Kostenrisiko ausgesetzt. Im Fall des Obsiegens hätte sie auch ihre Aufwendungen erstattet bekommen. Einer aktiven Beteiligung des Beigeladenen am Vergabenachprüfungsverfahren in Form einer eigenen Antragstellung bedarf es für eine Pflicht zur Kostentragung hingegen nicht (vgl. OLG Rostock, B.v. 21.07.2017, 17 Verg 2/17). Eine Beigeladene kann auch dann an den Kosten beteiligt werden, wenn sie zwar ausdrücklich auf eine Antragstellung in der mündlichen Verhandlung verzichtet, das Verfahren jedoch gefördert hat (vgl. OLG Frankfurt, B.v. 12.07.2016, 11 Verg 9/16). Entgegen der Rechtsauffassung der BGl zu 2 kann auch durch einen Vorbehalt des Beitritts, wie im Schriftsatz der BGl zu 2 vom 31.07.2024 erklärt, die Kostentragungspflicht nicht verhindert werden. Einen derartigen Vorbehalt sieht § 182 GWB nicht vor und ist daher unbeachtlich.
b) Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten war für die BGl zu 1 notwendig (§ 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG entspr.). Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach gelagerten Fall, sodass es der BGl zu 1 nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen. Auch die ASt und die BGl zu 2 waren anwaltlich vertreten.
c) Die Gebühr war nach § 182 Abs. 2 und Abs. 3 GWB festzusetzen. Unter Berücksichtigung der Bruttoangebotssumme der ASt und unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen sachlichen Aufwands der Vergabekammer errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamts eine Gebühr in Höhe von x.xxx,- Euro.
Aufhebung geht immer, kann aber teuer werden!
Aufhebung geht immer, kann aber teuer werden!
VK Berlin, Beschluss vom 09.09.2024 - VK B 1-39/23
Nachlass unter Bedingung gestellt: Änderung der Vergabeunterlagen...
Nachlass unter Bedingung gestellt: Änderung der Vergabeunterlagen!
VK Bund, Beschluss vom 30.08.2024 - VK 1-72/24
Kein Rechtsschutz im Unterschwellenbereich bei Dienstleistungskon...
Kein Rechtsschutz im Unterschwellenbereich bei Dienstleistungskonzessionen!
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.09.2024 - 3 VK LSA 25/24
Eignungsleihe muss ausdrücklich ausgeschlossen werden!
Eignungsleihe muss ausdrücklich ausgeschlossen werden!
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.04.2022 - Verg 47/21
Austritt aus BIEGE = Abschied vom Wettbewerb?
Austritt aus BIEGE = Abschied vom Wettbewerb?
EuGH, Urteil vom 26.09.2024 - Rs. C-403/23
Nicht die vorgegebenen Formblätter genutzt: Angebot wird ausgesch...
Nicht die vorgegebenen Formblätter genutzt: Angebot wird ausgeschlossen!
VK Bund, Beschluss vom 26.03.2024 - VK 1-24/24
Kein "in-camera"-Verfahren bei Dokumentationsfehlern!
Kein "in-camera"-Verfahren bei Dokumentationsfehlern!
VK Bund, Beschluss vom 31.07.2024 - VK 1-56/24
Wann liegt ein ausschlusswürdiges Unterkostenangebot vor?
Wann liegt ein ausschlusswürdiges Unterkostenangebot vor?
VK Berlin, Beschluss vom 16.11.2023 - VK B 1-7/22
Auch verdeckt produktspezifische Ausschreibungen sind unzulässig!
Auch verdeckt produktspezifische Ausschreibungen sind unzulässig!
VK Bund, Beschluss vom 07.08.2024 - VK 2-63/24
Wer abschreibt, trifft keine (eigene) Ermessensentscheidung!
Wer abschreibt, trifft keine (eigene) Ermessensentscheidung!
VK Berlin, Beschluss vom 19.07.2024 - VK B 1-19/23