OLG Naumburg
Beschluss
vom 19.07.2024
6 Verg 1/24
1. Reicht ein Bieter im Rahmen eines Offenen Verfahrens, in dem die Lieferung einer produktscharf und modellbezogen beschriebenen Ware gefordert und die Lieferung des Nachfolgenmodells unter der Bedingung der Vorlage einer zusätzlichen Herstellerbescheinigung über die Kompatibilität eröffnet wurde, innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot über die Lieferung des geforderten Produkts ein, so ist eine Verschlechterung seiner Zuschlagschancen im Vergabeverfahren auszuschließen, wenn er selbst nachträglich erklärt, zur Lieferung des angebotenen Produkts nicht in der Lage zu sein. Dem steht nicht entgegen, dass er nach Ablauf der Angebotsfrist erklärt, zur Lieferung des Nachfolgemodells fähig zu sein.*)
2. Allein dadurch, dass der Auftraggeber trotz erteilter Vorabinformation i.S.v. § 134 GWB zugunsten eines Bieters den Zuschlag in dem Vergabeverfahren nicht an diesen Bieter erteilt, verstößt der öffentliche Auftraggeber noch nicht gegen eine bieterschützende vergaberechtliche Regelung.*)
3. Ein anderer schwerwiegender, vom Gewicht den enumerativ in § 63 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 VgV aufgeführten Aufhebungsgründen äquivalenter Grund für eine Aufhebung der Ausschreibung liegt darin, dass zum Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung kein Angebot mehr vorliegt, welches den Ausschreibungsbedingungen entspricht.*)
OLG Naumburg, Beschluss vom 19.07.2024 - 6 Verg 1/24
vorhergehend:
VK Sachsen-Anhalt, 23.01.2024 - 1 VK LSA 19/23
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt vom 23. Januar 2024 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf eine Wertstufe bis zu 19.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
A.
Die Antragsgegnerin, eine obere Landesbehörde mit Zuständigkeiten im Bereich des regionalen Straßennetzes, veranlasste am 26.06.2023 die EUweite Ausschreibung eines Lieferauftrags über die Lieferung von 250 Stück Notebooks mit Zubehör bis zum 31.08.2023 im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Vergabeverordnung (VgV). Der Gegenstand der Lieferung wurde in der Bekanntmachung der Ausschreibung produktspezifisch mit "A. Gen 3 (...), Modellnummer: C. (ohne Betriebssystem)" angegeben. Weiter hieß es, dass die zu liefernde Hardware aus Kompatibilitätsgründen den angegebenen Spezifikationen entsprechen müsse; ähnliche oder gleichwertige Modelle seien nicht anzubieten (vgl. Abschnitt II.1.4.). Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Das Ende der Angebotsfrist wurde auf den 26.07.2023, 10:00 Uhr, festgesetzt (vgl. IV.2.2.). Als Kommunikationsweg wurde ausschließlich eine elektronische Kommunikation über das Internetportal www. ... de (künftig: Vergabeplattform) unter der o.a. Referenznummer eröffnet. Weder die Angebotsabgabe noch Anfragen waren in Papierform oder per E-Mail zugelassen (vgl. VI.3.). Auf der Vergabeplattform wurden auch die Vergabeunterlagen in elektronischer Form zum Download bereitgestellt.
Auf entsprechende Bieteranfragen informierte die Antragsgegnerin am 17.07.2023 über die Vergabeplattform darüber, dass abweichend von den Vorgaben der Leistungsbeschreibung und entgegen vorausgegangener Auskünfte nun auch das Nachfolgemodell (Gen 4) angeboten werden könne. Im Falle eines Angebots des Nachfolgemodells sei die vollständige Kompatibilität mit der aktuellsten G. OS Version zu gewährleisten. Mit dem Angebot sei eine entsprechende Bestätigung der G. T. GmbH einzureichen. In einer Bieterinformation vom 19.07.2023 wurde bestätigt, dass die Konfiguration der angebotenen Geräte so zu wählen sei, dass die Mindestanforderungen des Modells C. erfüllt würden. Eine entsprechende Bescheinigung durch G. sei dem Angebot "UNBEDINGT BEIZUFÜGEN". Am 24.07.2023 teilte eine Bieterin mit, dass G. sie darüber informiert habe, dass das Nachfolgemodell Gen 4 noch nicht auf Kompatibilität mit der aktuellsten Version von G. OS geprüft worden sei.
Innerhalb der Angebotsfrist gingen insgesamt neun Angebote ein, darunter auch das Angebot der Antragstellerin vom 25.07.2023. Dieses bezog sich auf das von der Antragsgegnerin ursprünglich vorgegebene Modell A. Gen 3 (...), Modellnummer C. . Nach Abschluss der formalen und rechnerischen Prüfung wurden sieben Angebote ausgeschlossen, weil sie jeweils die Lieferung des Nachfolgemodells der Generation 4 beinhalteten und kein Nachweis der Kompatibilität der angebotenen Laptops mit der aktuellen Version von G. OS beigefügt war.
Mit Schreiben vom 07.08.2023 informierte die Antragsgegnerin die Teilnehmer des Vergabeverfahrens u.a. darüber, dass am 18.08.2023 eine Zuschlagserteilung auf das Angebot der Antragstellerin beabsichtigt sei. Tatsächlich wurde im Verfahren kein Zuschlag erteilt.
Am 22.08.2023 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass sie von ihrem Distributor (Großhändler) die Mitteilung bekommen habe, dass Geräte der Gen 3 nicht mehr in der geforderten Stückzahl verfügbar seien. Sodann hieß es in der Mitteilung "daher weichen wir mit ihrer Zustimmung auf das Modell Gen 4 um." Ihrer Nachricht fügte die Antragstellerin ein Produktdatenblatt des neuen Modells bei. Am 24.08.2023 erklärte die Antragstellerin, dass sie von G. die Bestätigung erhalten habe, dass die Notebooks kompatibel seien.
Die Antragsgegnerin bat die Antragstellerin und zwei weitere Bieter am 24.08.2023 um eine Verlängerung der Bindefrist.
Am 15.09.2023 informierte die Antragsgegnerin die Bieter, darunter die Antragstellerin, über die Aufhebung des Vergabeverfahrens. Zur Begründung wurde angeführt, dass der den Vergabeunterlagen zugrundeliegende Lieferauftrag "aufgrund der dynamischen Prozesse am Markt sowie insbesondere hinsichtlich der vorgegebenen erforderlichen Zertifizierung durch G. bis zum ausgeschriebenen Liefertermin nicht im nachgefragten Umfang beschafft werden" könne. Es sei beabsichtigt, ein erneutes Vergabeverfahren mit überarbeiteter Leistungsbeschreibung durchzuführen. Auf nahezu gleichlautende Nachfragen der Antragstellerin vom 16.09.2023 und vom 01.10.2023 führte die Antragsgegnerin im Schreiben vom 02.10.2023 weiter aus, dass zum Ende der Angebotsfrist nur Angebote vorgelegen hätten, welche nicht den Ausschreibungsbedingungen entsprochen hätten, da das geforderte Modell nicht mehr lieferbar gewesen sei. Angebote mit anderen, gleichwertigen Produkten oder Nachfolgemodellen seien nicht zugelassen gewesen. Die nachträgliche Öffnung des Verfahrens für andere Modelle sei nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Die weitere Prüfung habe ergeben, dass es zweckmäßiger sei, die Ausschreibung aufzuheben und die neue Ausschreibung so zu gestalten, dass die Dynamik der Produktzyklen der Hardware und die unumgänglichen Anforderungen an die Kompatibilität (Zertifizierung) Berücksichtigung fänden.
Mit Schriftsatz vom 05.10.2023 beanstandete die Antragstellerin, dass die über die Vergabeplattform versandte Mitteilung der Antragsgegnerin vom 15.09.2023 über die Aufhebung der Ausschreibung keine ordnungsgemäße Information i.S.v. §§ 63 Abs. 2 i.V.m. 62 Abs. 1 VgV darstelle, weswegen eine Abhilfe durch Übersendung eines ordnungsgemäßen Informationsschreibens bis zum 10.10.2023 unter Mitteilung der Gründe für die Aufhebung des Vergabeverfahrens verlangt werde. Darüber hinaus rügte sie die Aufhebung der Ausschreibung als "schwerwiegend vergaberechtswidrig" und verlangte, das Verfahren in den Stand vor der Aufhebung zurückzuversetzen, es teilweise zu wiederholen und letztlich den Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen. Sie vertrat die Auffassung, dass die Antragsgegnerin nach Übersendung der Vorabinformation an deren Inhalt bezüglich der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots gebunden sei. Auch sei eine Verlängerung der Bindefrist nach Absendung der Vorabinformation nach § 134 GWB verboten. Die Aufhebung sei unwirksam, weil sie auf sachfremde Erwägungen gestützt worden sei. Der angeführte Aufhebungsgrund nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 VgV - kein den Bedingungen entsprechendes Angebot - habe nicht vorgelegen, wie sich aus der Vorabinformation ergebe. Auch eine Aufhebung nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 VgV wegen wesentlicher Änderung der Grundlage des Vergabeverfahrens sei nicht gerechtfertigt, hierfür seien die Prozesse am Markt nicht schnelllebig genug.
Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 10.10.2023 mit, dass sie den Rügen nicht abhelfe.
Mit Schriftsatz vom 10.10.2023 hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt mit dem Ziel beantragt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet werden möge, die willkürliche Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben, das Angebot der Antragstellerin im Vergabeverfahren zu berücksichtigen und eine erneute Vorabinformation i.S.v. § 134 GWB zu erteilen (Antrag zu 2), hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren in den Stand vor der Aufhebung zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Nachprüfungsinstanz fortzusetzen (Antrag zu 3).
Der Vorsitzende der Vergabekammer hat die nach § 167 Abs. 1 Satz 1 GWB bis zum 14.11.2023 laufende Entscheidungsfrist durch seine Verfügung vom 14.11.2023 zunächst bis zum 19.12.2023 sowie durch Verfügung vom 15.12.2023 bis zum 23.01.2024 verlängert. Die Vergabekammer hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 22.11.2023 darauf hingewiesen, dass und aus welchen Gründen sie den Nachprüfungsantrag für unzulässig halte.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin im schriftlichen Verfahren durch Beschluss vom 23.01.2024 als unzulässig verworfen. Sie stützt ihre Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass es der Antragstellerin an der nach § 160 Abs. 2 GWB erforderlichen Antragsbefugnis fehle, weil ihr eigenes Angebot einer Zuschlagserteilung nicht zugänglich sei, so dass ausgeschlossen sei, dass sie durch eine etwaig rechtswidrige Aufhebung der Ausschreibung in ihren geschützten Rechten beeinträchtigt sein könne. Weitere Rügen der Antragstellerin im Nachprüfungsantrag, so die Rüge einer vermeintlich unzulässigen Vergabeart, einer vermeintlich unangemessen kurzen Angebotsfrist, einer vermeintlich vergaberechtswidrigen Nichtveröffentlichung einer Änderungsbekanntmachung mit Öffnung für das Nachfolgemodell Gen 4 sowie einer vermeintlich fehlerhaften Information über die Aufhebungsgründe, seien nach § 160 Abs. 3 GWB präkludiert, weil sie vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens nicht gegenüber der Antragsgegnerin erhoben worden seien.
Gegen diese ihr am 25.01.2024 zugestellte Entscheidung richtet sich die mit Schriftsatz vom 06.02.2024 erhobene und am selben Tage per beA beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin.
Die Antragstellerin ist u.a. der Meinung, dass sie antragsbefugt sei. Die Vorabinformation der Antragsgegnerin vom 07.08.2023 belege, dass sie ein zuschlagsfähiges Angebot abgegeben habe. Im Übrigen genüge es für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags, dass ihr Angebot nicht offensichtlich auszuschließen gewesen sei. Ihre eigene Mitteilung vom 22.08.2023 sei unbeachtlich, weil sie erst vier Tage nach dem avisierten Termin der Zuschlagserteilung bei der Antragsgegnerin eingegangen sei. Zudem sei die Änderung des Angebots von der Zustimmung der Antragsgegnerin abhängig gemacht worden. Die Antragsgegnerin habe versäumt, eine Angebotsaufklärung durchzuführen.
Es folgen Ausführungen zur Begründetheit des Nachprüfungsantrags. So sei eine Aufhebung der Aufhebung der Ausschreibung vorzunehmen, weil es für die Aufhebung an einem sachlichen Grund fehle. Insbesondere sei keiner der Gründe des § 63 Abs. 1 VgV einschlägig. Es sei keine ordnungsgemäße Information über die Aufhebung erfolgt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift Bezug genommen.
Die Antragstellerin beantragt in der Hauptsache,
1.den Beschluss der 1. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt vom 23.01.2024 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren "Lieferung von 250 Stück A. Notebooks mit Zubehör", Vergabenummer Z ... 2023 bei fortbestehender Beschaffungsabsicht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Vergabesenats fortzuführen, das Angebot der Antragstellerin in diesem Vergabeverfahren zu berücksichtigen und eine erneute Vorabinformation i.S.d. § 134 GWB zu erteilen,
2.festzustellen, dass die Aufhebung des vorgenannten Vergabeverfahrens durch die Antragsgegnerin willkürlich, unter mehrfachen Verletzungen der Bestimmungen über das Vergaberecht erging und die Antragstellerin deshalb in ihren Rechten verletzt hat.
Zudem hat sie den Antrag gestellt, ihr Einsicht in die Vergabeakte zu gewähren, und diesen Antrag auf Nachfrage des Senats dahin konkretisiert, dass sie Einblick in die Vergabedokumentation und in den Vergabevermerk begehre.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt in ihrer Stellungnahme vom 03.06.2024 im Wesentlichen die angefochtene Entscheidung und vertieft u.a. die Ansicht, dass ein Zuschlag auf das geänderte Angebot der Antragstellerin wegen eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Nachverhandlungsverbot rechtswidrig gewesen wäre. Es erschließe sich nicht, welcher Schaden aus der Aufhebung der Ausschreibung für die Antragstellerin entstanden sein solle, da sie zur Erfüllung ihres ursprünglichen Angebots nicht in der Lage gewesen sei.
Der Senat hat mit seinem Beschluss vom 04.06.2024 das Akteneinsichtsgesuch der Antragstellerin zurückgewiesen und ausführliche Hinweise zur vorläufigen Bewertung der Sach- und Rechtslage erteilt. Mit Zustimmung beider Beteiligter hat der Senat mit Beschluss vom 20.06.2024 das schriftliche Verfahren nach §§ 175 Abs. 2, 65 Abs. 1 Halbsatz 2 GWB, d.h. die Verhandlung und Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, angeordnet und den 10.07.2024 als Schlusstermin bestimmt.
Die Verfahrensbeteiligten haben im schriftlichen Verfahren jeweils ergänzend Stellung genommen, die Antragstellerin mit Schriftsätzen vom 17.06.2024 (und teilweise übereinstimmend vom 18.06.2024) sowie vom 09.07.2024, die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 28.06.2024.
B.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zwar zulässig, sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Die Vergabekammer ist zu Recht von der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrages der Antragstellerin ausgegangen; die von der Antragstellerin hiergegen erhobenen Einwendungen sind unbegründet.
I. Die Antragstellerin hat für ihren Antrag zu 1, gerichtet auf eine Fortführung des Vergabeverfahrens, keine Antragsbefugnis.
1. Nach § 160 Abs. 2 GWB liegt eine Antragsbefugnis des Antragstellers dann vor, wenn er ein Interesse an dem konkreten, den Gegenstand des zur Nachprüfung gestellten Vergabeverfahrens bildenden öffentlichen Auftrag hat - dieses Interesse hat die Antragstellerin durch ihre Angebotserstellung, ihre Rügen und nicht zuletzt auch durch das Betreiben des Nachprüfungsverfahrens hinreichend erkennen lassen -, er eine Verletzung von Vergabevorschriften geltend macht - auch dies steht hinsichtlich der von der Antragstellerin erhobenen Rügen nicht in Zweifel - und zumindest schlüssig darlegen kann, dass ihm durch die behauptete Rechtsverletzung entweder bereits ein Schaden entstanden ist oder zumindest ein Schaden zu entstehen droht. Der Begriff des Schadens ist unter dem Gesichtspunkt des Primärrechtsschutzes dahin auszulegen, dass durch die beanstandeten Rechtsverletzungen die Aussichten des jeweiligen Antragstellers auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können. Entscheidend ist dabei die Eignung der geltend gemachten Vergaberechtsverstöße, eine solche Chancenbeeinträchtigung zu begründen. Die Antragstellerin hat zu Recht darauf verwiesen, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags keine zu hohen Anforderungen an diese Darlegung gestellt werden dürfen und die Frage der Kausalität eines festgestellten Vergaberechtsverstoßes für die Beeinträchtigung der Zuschlagschance des antragstellenden Bieters u.U. im Rahmen der Prüfung der Begründetheit einer Rüge erneut aufzugreifen ist (vgl. nur BVerfG, Beschluss v. 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03, BVerfGK 3, 355).
2. Nach diesen Maßstäben ist es hier auszuschließen, dass die Zuschlagschance der Antragstellerin in dem am 26.06.2023 eingeleiteten Vergabeverfahren durch ein vergaberechtswidriges Verhalten der Antragsgegnerin beeinträchtigt ist.
a) Die Antragsgegnerin hat ein EU-weites Offenes Verfahren i.S.v. § 119 Abs. 3 GWB durchgeführt, auf welches sich die Antragstellerin rügelos eingelassen hat - eine Rüge hätte sie nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB bis zum Ablauf der Angebotsfrist am 26.07.2023 erheben müssen, um sie in einem Nachprüfungsverfahren weiterverfolgen zu können. Das Offene Verfahren ist nach § 15 Abs. 5 VgV u.a. dadurch gekennzeichnet, dass die Vergabestelle nach dem Ablauf der Angebotsfrist über den Inhalt des Angebots nicht mehr verhandeln darf, was einschließt, dass der betreffende Bieter keine inhaltlichen Änderungen an seinem Angebot mehr vornehmen darf (vgl. nur Rechten in: Röwekamp/ Kus/ Portz/ Prieß, a.a.O., § 15 Rn. 52 ff. m.w.N.).
b) Innerhalb der hier bis zum 26.07.2023 laufenden Angebotsfrist gab die Antragstellerin ein Angebot ab, welches die Lieferung von 250 Notebooks der von der Antragsgegnerin in der Leistungsbeschreibung produktscharf beschriebenen Modellversion der Generation 3 bis zum 31.08.2023 beinhaltete. Dieses Angebot ist maßgeblich für die weitere Betrachtung der Zuschlagschancen der Antragstellerin im konkreten Vergabeverfahren. Das von ihr im Rahmen der Bieterkommunikation über die Vergabeplattform am 22.08.2023 unterbreitete Angebot von Notebooks der Generation 4 ist insoweit von vornherein unbeachtlich, weil es nach dem Ablauf der Angebotsfrist bei der Antragsgegnerin einging und deswegen schon nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 VgV nicht zuschlagsfähig war. Für diese Bewertung kommt es auch nicht darauf an, ob die Antragstellerin im Hinblick auf die Bieterinformation vom 17.07.2023 berechtigt gewesen wäre, Notebooks der Generation 4 anzubieten, weil sie von dieser Möglichkeit jedenfalls innerhalb der Angebotsfrist keinen Gebrauch machte.
c) Hinsichtlich ihres Angebots vom 25.07.2023, bezogen auf Notebooks der Generation 3, hat die Antragstellerin am 22.08.2023 selbst eingeräumt, dass sie zu der von ihr angebotenen Lieferleistung in dieser Form jedenfalls ab dem 22.08.2023 nicht mehr in der Lage war. Für diese Feststellung ist es nicht erheblich, ob die Antragstellerin bis zum 22.08.2023 zu einer Lieferung der Notebooks der Generation 3 imstande gewesen wäre, wie sie zwar behauptet, woran aber angesichts des Wortlauts ihrer Mitteilung vom 22.08.2023, welcher eine Kommunikation mit ihrem Großhändler zeitlich vorausgegangen sein muss, und angesichts des Angebotsverhaltens anderer Bieter erhebliche Zweifel bestehen. Insoweit hatten sich die tatsächlichen Verhältnisse im Verlaufe des Vergabeverfahrens objektiv verändert. Dieser nachträglich eingetretene Umstand durfte und musste von der Antragsgegnerin bei ihren zeitlich nachfolgenden Entscheidungen im Vergabeverfahren berücksichtigt werden.
d) Dem steht die von der Antragstellerin am 24.08.2023 erklärte Verlängerung der Bindefrist nicht entgegen, denn diese Erklärung konnte sich aus der nach §§ 133, 157 BGB maßgeblichen objektivierten Sicht der Antragsgegnerin nicht mehr auf das Angebot vom 25.07.2023 beziehen, sondern nur auf das geänderte Angebot vom 22.08.2023, welches von der Antragstellerin an die Stelle des Angebots vom 25.07.2023 gesetzt worden war und aus den vorgenannten Gründen von der Antragsgegnerin nicht bezuschlagt werden durfte.
e) Bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung der Antragsgegnerin, das Verfahren aufzuheben - das war hier der Zeitraum nach dem 24.08.2023 und vor dem 15.09.2023 -, lag jedenfalls kein zuschlagsfähiges Angebot der Antragstellerin mehr vor. Das Rechtsschutzziel des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes, die Beeinträchtigungen von Zuschlagschanden für das maßgebliche Angebot des jeweiligen Antragstellers im laufenden Vergabeverfahren zu beseitigen, konnte bei Einleitung des Nachprüfungsverfahrens erst recht nicht mehr erreicht werden, denn eine Chance auf den Zuschlag auf ihr Angebot vom 25.07.2023, an welchem sie selbst nicht festhält, hatte die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Einreichung des Nachprüfungsantrages nicht mehr. Eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor der Aufhebung der Ausschreibung durch die Antragsgegnerin ist untauglich, der Antragstellerin eine bessere Zuschlagschance auf ihr - inzwischen überholtes und aufgegebenes - Angebot vom 25.07.2023 zu verschaffen.
f) Nur vorsorglich ist darauf zu verweisen, dass die das Vergabeverfahren beendende Entscheidung der Antragsgegnerin, die Ausschreibung aufzuheben, jedenfalls wirksam war. Sie erfolgte nicht etwa zum Schein (vgl. Portz in: Röwekamp u.a., a.a.O., § 63 Rn. 21 ff.), sondern war allein deswegen sachlich gerechtfertigt, weil ein zuschlagfähiges Angebot - wie noch aufzuzeigen wird - zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorlag.
II. Der Antrag zu 2, gerichtet auf die Feststellung einer Verletzung der subjektiven Rechte der Antragstellerin im Sinne von § 97 Abs. 6 GWB durch die Antragsgegnerin, ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Der Feststellungsantrag ist in einem Nachprüfungsverfahren nach §§ 155 ff. GWB zulässig. Zwar dient das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren der Beseitigung von Rechtsverletzungen i.S.v. § 97 Abs. 6 GWB in einem bereits begonnenen und grundsätzlich noch laufenden Vergabeverfahren. Ein Fall der Durchbrechung dieses Grundsatzes nach § 135 GWB liegt hier nicht vor. Es entspricht aber einhelliger Auffassung, dass auch dann, wenn ein öffentlicher Auftraggeber die Ausschreibung für einen öffentlichen Auftrag bereits aufgehoben hat, bevor ein Nachprüfungsantrag anhängig ist - wie im vorliegenden Fall -, ein Bieter noch in zulässiger Weise die Vergabekammer anrufen und jedenfalls geltend machen kann, durch die Nichtbeachtung der die Aufhebung der Ausschreibung betreffenden Vergabevorschrift in seinen subjektiven Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt zu sein (vgl. BGH, Beschluss v. 18.02.2003 - X ZB 43/02 "Jugendstrafanstalt R.", BGHZ 154, 32; vgl. auch Byok in: Byok/ Jaeger, GWB, 4. Aufl. 2018, § 160 Rn. 23 ff.).
2. Der Senat kann offenlassen, ob ein Feststellungsantrag nach der Aufhebung der Ausschreibung auch mit dem - hier streitgegenständlichen - Begehren zulässig ist, die vorherige Nichterteilung eines Zuschlags trotz entsprechender Ankündigung als vergaberechtswidrig geltend zu machen. Insoweit fehlt es jedenfalls an der Verletzung einer vergaberechtlichen Vorschrift.
a) Es ist allgemein anerkannt, dass der öffentliche Auftraggeber allein dadurch, dass er ein Vergabeverfahren eingeleitet hat, keinem Vertragsabschlusszwang unterliegt (vgl. Portz in: Röwekamp/ Kus/ Portz/ Prieß, a.a.O., § 63 Rn. 16 ff.). Der Gesetzgeber hat gerade keine klagbaren Rechte der Bieter auf Abschluss eines Vertrages geschaffen (vgl. Herrmann in: Ziekow/Völlink, VergabeR, 5. Aufl. 2024, § 63 VgV Rn. 25 m.w.N.). Das gilt unabhängig davon, ob der Auftraggeber zwischenzeitlich die Erteilung eines Zuschlags allgemein oder gegenüber einem Bieter in Aussicht gestellt hat. Auch eine Vorabinformation i.S.v. § 134 GWB begründet keinen Anspruch des als Zuschlagsaspiranten bezeichneten Bieters auf den Zuschlag. Sie hat - im Zusammenhang mit der Wartepflicht des öffentlichen Auftraggebers - lediglich die Funktion, den nicht berücksichtigten Bewerbern und Bietern eine Gelegenheit zu verschaffen, die Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz zu prüfen und ggf. vor der Schaffung irreversibler Zustände, d.h. vor wirksamer Zuschlagserteilung (vgl. § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB), ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten. Jeder in einer solchen Vorabinformation genannte Zuschlagsaspirant muss noch damit rechnen, dass der Zuschlag u.U. doch nicht auf sein Angebot erteilt wird, insbesondere im Falle einer erfolgreichen Rüge eines Mitbewerbers oder im Falle einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Vergabeverfahren.
b) Nach diesen Maßstäben kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen die Antragsgegnerin vor dem 22.08.2023 keinen Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin vom 25.07. 2023 erteilte. Sie verstieß damit gegen keine bieterschützende Rechtsvorschrift. Maßgeblich ist allein, dass ein Vertrag mit der Antragstellerin bis zum 22.08.2023 noch nicht zustande gekommen und das Vergabeverfahren nicht durch einen Zuschlag beendet worden war, so dass der nachträglich eingetretene Umstand - die Abstandnahme der Antragstellerin von ihrem einzigen fristgerecht eingereichten Angebot vom 25.07.2023 - von der Antragsgegnerin bei weiteren Entscheidungen zu berücksichtigen war.
3. Entgegen deren Auffassung verletzt die Aufhebung der Ausschreibung durch die Antragsgegnerin nach dem 24.08.2023 die Antragstellerin nicht in ihren subjektiven Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB.
a) Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 04.06.2024 darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Aufhebung einer Ausschreibung nach der einhelligen Auffassung in der Rechtsprechung zwischen der Rechtmäßigkeit und der Wirksamkeit der Aufhebung differenziert wird. Dem folgt auch der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung. Die Rechtmäßigkeit der Aufhebung hängt vor allem vom Vorliegen mindestens eines der in § 63 Abs. 1 VgV genannten Aufhebungsgründe sowie von einer fehlerfreien Ermessensausübung ab. Die Antragstellerin verweist in ihrer Stellungnahme zu den gerichtlichen Hinweisen zu Recht darauf, dass dann, wenn die Aufhebung eine Maßnahme zur Korrektur eines eigenen vergaberechtlichen Fehlverhaltens der Vergabestelle ist, bei der Prüfung eines zur Aufhebung berechtigenden Grundes eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen ist (vgl. nur BGH, Beschluss v. 20.03.2014 - X ZB 18/13 "Fahrbahnerneuerung I", VergabeR 2014, 1409, Rz. 25).
b) Zum Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung der Antragsgegnerin waren die Voraussetzungen des von ihr auch in Anspruch genommenen Aufhebungsgrundes des § 63 Abs. 1 Nr. 4 VgV erfüllt. Es liegt ein anderer schwerwiegender, vom Gewicht den enumerativ in Nr. 1 bis Nr. 3 aufgeführten Aufhebungsgründen äquivalenter Grund darin, dass jedenfalls ab dem 24.08.2023 kein Angebot mehr vorlag, welches den Ausschreibungsbedingungen entsprach.
aa) Diejenigen Bieter, welche Notebooks der Generation 4 angeboten hatten, konnten jeweils die zwingend geforderte Kompatibilitätsbescheinigung der der G. T. GmbH nicht vorlegen, weil eine entsprechende Prüfung noch nicht stattgefunden hatte. Sie waren deswegen nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV auszuschließen. Eine Nachforderung der fehlenden Bescheinigung hätte gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Vergabeverfahren verstoßen, weil feststand, dass keinem Wirtschaftsteilnehmer eine rechtzeitige Beibringung der Bescheinigung möglich war und die Antragsgegnerin deswegen damit rechnen musste, dass andere Wirtschaftsteilnehmer von einer entsprechenden Angebotsabgabe gerade im Hinblick darauf Abstand genommen hatten, dass sie die Notebooks der Generation 3 nicht mehr liefern und für Notebooks der Generation 4 keine Kompatibilitätserklärung beibringen konnten.
bb) Diejenigen Bieter, wie die Antragstellerin, welche Notebooks der Generation 3 angeboten hatten, hatten zwar ursprünglich wertungsfähige Angebote eingereicht, waren nach dem Kenntnisstand der Antragsgegnerin vom 24.08.2023 aber nicht mehr leistungsfähig, weil das Produkt am Markt nicht mehr verfügbar war. Insbesondere hatte die Antragstellerin ausdrücklich erklärt, dass sie zu einer entsprechenden Lieferung nicht mehr in der Lage war. Diese Konstellation ist von derjenigen zu unterscheiden, welche die Antragstellerin in ihrer Stellungnahme vom 17.06.2024 anführt: Ohne entgegenstehende Anhaltspunkte darf die Vergabestelle einem Leistungsversprechen des Bieters - also einer vom Bieter im Rahmen seines Angebotes übernommenen, nach einem Vertragsschluss auch einklagbaren Leistungsverpflichtung - vertrauen, ohne es nachprüfen zu müssen. Begründen aber konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Realisierbarkeit der Leistungsverpflichtung oder schließt der Bieter - wie hier die Antragstellerin - eine Leistungserbringung nachträglich selbst aus, so ist die Vergabestelle (selbstverständlich) gehalten, diese nachträgliche Feststellung bei ihren Entscheidungen im Vergabeverfahren zu berücksichtigen. Eine Wertung des neuen Angebots der Antragstellerin vom 22.08.2023 kam ebenfalls nicht in Betracht, weil sie, wie vorausgeführt, vergaberechtswidrig gewesen wäre.
cc) In dieser Situation war die Vergabe des Auftrags durch Zuschlag auf eines der vorhandenen, innerhalb der Angebotsfrist eingegangenen Angebote in vergaberechtskonformer Weise ausgeschlossen. Das Vergabeverfahren konnte rechtmäßig nur durch Aufhebung beendet werden. Dem steht nicht entgegen, dass vor dem 22.08.2023 eine Zuschlagserteilung auf das Angebot der Antragstellerin u.U. noch möglich und rechtlich zulässig gewesen wäre und - dies zugunsten der Antragstellerin unterstellt - von der Antragsgegnerin lediglich versäumt wurde. Für die vergaberechtliche Beurteilung der Aufhebung der Ausschreibung durch die Antragsgegnerin kommt es auf deren Entscheidungssituation nach dem 24.08.2023 an. Die Ermessensausübung der Antragsgegnerin, das derart gescheiterte Verfahren zu beenden und eine Neuausschreibung vorzunehmen, ist deswegen nicht zu beanstanden.
C.
1. Die Entscheidung über die Kostentragung im Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 175 Abs. 2, 78 GWB.
2. Die Festsetzung des Gegenstandswertes des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Der Senat legt dabei die geprüfte Angebotssumme des Hauptangebotes der Antragstellerin zugrunde.
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OLG Naumburg
Urteil
vom 17.01.2025
6 U 1/24
1. Zum Schadensersatzanspruch des öffentlichen Auftraggebers gegen einen Bieter nach § 180 Abs. 1 GWB.*)
2. Für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen einen Teilnehmer des Vergabeverfahrens kann sich der öffentliche Auftraggeber neben § 180 GWB auch auf die Vorschriften des allgemeinen Zivilrechts, insbesondere auf §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB, stützen.*)
3. In einem durch die Teilnahme an einem Vergabeverfahren begründeten vorvertraglichen Schuldverhältnis zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und einem Wirtschaftsteilnehmer obliegen den Parteien wechselseitig die Nebenpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB, welche durch die im Verfahren geltenden Vergabevorschriften konkretisiert werden. Ein Bieter, der gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs verstößt, indem er sein Angebot in Kenntnis der Kalkulationsgrundlagen des Angebots eines Mitbewerbers erstellt und dabei dessen Preisansätze jeweils systematisch unterschreitet, verstößt auch gegen die Rücksichtnahmepflicht des § 241 Abs. 2 BGB.*)
OLG Naumburg, Urteil vom 17.01.2025 - 6 U 1/24
vorhergehend:
LG Stendal, 17.01.2024 - 23 O 217/19
Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 17. Januar 2024 verkündete Grund- und Teilurteil des Einzelrichters der Zivilkammer 3 des Landgerichts Stendal wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1 des Urteilsausspruchs wie folgt abgeändert wird:
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit im Feststellungsantrag zu Ziffer 2 in der Hauptsache erledigt ist.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Zwangsvollstreckung durch den Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
A.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung vorvertraglicher Nebenpflichten sowie insbesondere wegen der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes.
Die Klägerin, ein kommunales Unternehmen, dessen Geschäftsanteile der Landkreis ... hält und welches mit der Abfallentsorgung im Landkreis betraut ist, schrieb mittels Auftragsbekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom xx.xx.2017 (2017/a ...) EU weit im Wege des Offenen Verfahrens die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen zur Abfallentsorgung auf der Grundlage der Vergabeverordnung aus. Der mit einer Ausnahme jeweils auf die Sammlung und den Transport verschiedener Abfallfraktionen gerichtete Auftrag war in sechs Fachlose unterteilt, wobei Los 1 den Restabfall, Los 2 den Sperrmüll und die Elektrogeräte, Los 3 den Bioabfall, Los 4 die Fraktion PPK (Papier, Pappe, Kartonagen) und Los 5 gefährliche Abfälle beinhaltete. Das Los 6 umfasste die Übernahme, den Transport und die Verwertung von PPK. Die Laufzeit der Verträge in den Losen 1 bis 5 sollte jeweils drei Jahre betragen (vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2020); die Klägerin behielt sich optional jeweils eine zweimalige Vertragsverlängerung jeweils um ein Jahr vor. Im Los 6 war ein Leistungszeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2022 ohne Verlängerungsoption vorgesehen. Einziges Zuschlagskriterium in sämtlichen Losen war jeweils der niedrigste Angebotspreis.
Nach dem Inhalt der Vergabeunterlagen waren zu jedem Los verschiedene Preisangaben in das Angebotsschreiben einzutragen, in den Losen 1 bis 4 und 6 wurden Preisangaben in jeweils fünf Mengenstaffeln gefordert. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf die Darstellung im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (LGU S. 3 f.) Bezug. Das Anbieten von Rabatten wurde zugelassen.
Die ursprünglich am 15.06.2017 enden sollende Angebotsfrist wurde aufgrund einer Rüge auf den 16.08.2017 verlegt. Die Bindefrist für die Angebote wurde auf eine Rüge der hiesigen Beklagten unter Verweis auf notwendige Rüstzeiten vom 16.10.2017 auf den 06.10.2017 verkürzt.
Die Beklagte beteiligte sich jeweils mit einem Hauptangebot an den Ausschreibungen zu den Losen 1 bis 4 und zum Los 6. In den Losen 1, 2 und 4 war sie eine von jeweils vier Bieterinnen, im Los 3 eine von fünf Bieterinnen. In sämtlichen vorgenannten Losen gab auch die R. GmbH (künftig: die Mitbewerberin) jeweils ein Hauptangebot ab. Die Beklagte und die Mitbewerberin waren die einzigen Bieterinnen, welche auch jeweils Rabattangebote unterbreiteten. In den Losen 1, 2, 4 und 6 waren die Hauptangebote der hiesigen Beklagten die preisgünstigsten Angebote.
Die Beklagte bediente sich zur Angebotserstellung der Dienste der P. GmbH in A., dort des Beraters T. W. (künftig: der Berater), der die Beklagte später auch bei der Erarbeitung von vergaberechtlichen Rügen unterstützte.
Im Rahmen der Angebotsaufklärung wies die Klägerin die Beklagte auf Anhaltspunkte für eine Angebotserstellung in Kenntnis von der Angebotskalkulation ihrer Mitbewerberin hin. Hierauf antwortete die Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 08.09.2017, dass sich die Ähnlichkeiten aus den Vorgaben der Ausschreibung ergäben und letztlich die Verhältnisse der jeweiligen Mitbewerber im Entsorgungsgebiet hinlänglich bekannt seien. Sie selbst prüfe derzeit, ob eine Strafanzeige wegen des Ausspähens und Abfangens ihrer Daten oder wegen der Verwertung ihrer Betriebsgeheimnisse durch Dritte erstattet werde. Auf die Ähnlichkeiten im Einzelnen ging sie dabei weder in dieser Stellungnahme noch in einer weiteren, durch nochmalige Vorhalte veranlassten Stellungnahme mit Schriftsatz vom 15.09.2017 ein.
Die Klägerin schloss die Angebote der Beklagten mit Schreiben vom 22.09.2017 nach § 124 Abs. 1 Nrn. 3, 4 und 9b GWB aus und stützte die Entscheidung im Wesentlichen auf erhebliche Ähnlichkeiten in Aufbau und Struktur der Angebote der hiesigen Beklagten zu den Angebotsinhalten der Mitbewerberin.
Die Beklagte rügte am 29.09.2017 ihren Angebotsausschluss in allen fünf Losen, zu denen sie ein Angebot abgegeben hatte, als vergaberechtswidrig. Die Klägerin half den Rügen mit Schreiben vom 04.10.2017 nicht ab und vertiefte darin ihre Ausführungen dazu, dass die Angebote der Beklagten in jedem der fünf Lose jeweils in Kenntnis der Kalkulation des entsprechenden Angebots der Mitbewerberin kalkuliert und gelegt worden seien. Bereits die Kalkulation eines eigenen Angebots in Kenntnis der Kalkulation eines anderen Bieters rechtfertige den Ausschluss des Angebots, unabhängig von einem bewussten Informationsaustausch. Im Übrigen stehe aus ihrer Sicht fest, dass entweder ein (kollusiver) Informationsaustausch mit der Mitbewerberin stattgefunden habe oder aber die hiesige Beklagte die Daten der Mitbewerberin sich selbst beschafft oder sie erhalten und für die eigene Angebotskalkulation verwendet habe.
Am 16.10.2017 reichte die Beklagte einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, betreffend die Vergabeverfahren zu den Losen 1 bis 4 und 6, ein, der zur Einleitung von fünf Nachprüfungsverfahren bei der 1. Vergabekammer unter dem - mit Beschluss vom 02.02.2018 verbundenen - Aktenzeichen 1 VK 33-37/17 führte (künftig: das Nachprüfungsverfahren). Die Vergabekammer übermittelte den Nachprüfungsantrag am 17.10.2017 an die hiesige Klägerin. Auf Hinweis der Vergabekammer vom 23.01.2018, wonach der Nachprüfungsantrag bezüglich des Vergabeverfahrens zu Los 6 mangels Antragsbefugnis bereits unzulässig sei, nahm die hiesige Beklagte den Nachprüfungsantrag hinsichtlich des Loses 6 am 30.01.2018 zurück.
Im Rahmen dieses Nachprüfungsverfahrens berief sich die hiesige Beklagte darauf, dass weder sie noch ihr Berater bei Angebotserstellung Kenntnis von der Kalkulation der Angebote der Mitbewerberin gehabt hätten, und weiter darauf, dass der Klägerin die Feststellungslast für die tatsächlichen Grundlagen der Ausschlussentscheidung obliege. Mit Schriftsatz vom 30.01.2018 erläuterte sie, weswegen sie von einer zielgerichteten Kampagne der hiesigen Klägerin zu einer Verdrängung der Beklagten und zur Sicherung der von ihr angestrebten Zusammenarbeit mit ihrer bisherigen Nachauftragnehmerin, der Mitbewerberin, ausgehe. Nachdem die Vergabekammer der hiesigen Beklagten Akteneinsicht gewährt und sie erneut zur Stellungnahme zu den einzelnen Ähnlichkeiten der Angebotskalkulationen aufgefordert hatte, trug diese erstmalig mit Schriftsatz vom 14.03.2018 vor, dass ihr Berater im Rahmen seines Auftrags u.a. auch Verhandlungen mit der Mitbewerberin über mögliche Nachauftragnehmerleistungen sowie über Behälteranmietungen geführt habe, und dass ihm ein Umschlag mit einem USB-Stick in den Briefkasten geworfen worden sei, auf welchem Daten einer Kostenkalkulation enthalten gewesen seien, die der Berater der Beklagten zugeordnet habe. Zwar sei ihm aufgefallen, dass Personal-, Grundstücks- und Fahrzeugkosten nicht den ihm bekannten betrieblichen Daten der Beklagten entsprochen hätten; insoweit sei er aber davon ausgegangen, dass Mitarbeiter der Beklagten diese für sie unwichtigen Daten ungenau und lediglich als sog. Fülldaten eingesetzt hätten. Er habe deswegen teilweise deren Korrektur vorgenommen. Im Übrigen habe er die Daten stillschweigend übernommen.
Die 1. Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag der hiesigen Beklagten mit ihrem Beschluss vom 27.04.2018 zurück und stützte ihre Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass jedenfalls ein Ausschluss der Angebote der dortigen Antragstellerin nach § 124 Abs. 1 Nr. 9c GWB wegen fahrlässiger Übermittlung irreführender Angaben gerechtfertigt sei. Die Vergabekammer stellte u.a. fest, dass es in der konkreten Ausgestaltung der Angebote samt Urkalkulation eine Vielzahl von Parallelen in den Angeboten jeweils der hiesigen Beklagten einerseits und der Mitbewerberin andererseits gebe, darunter eine weitgehend identische formale und inhaltliche Struktur, identische Schreibfehler und Zeilenumbrüche, inhaltliche Zuordnungsfehler und zahlreiche übereinstimmende quantitative Annahmen, z.B. bei den Behälterentleerungszahlen. Die Häufung und der Grad der Übereinstimmungen belegten, dass die Angebotskalkulation der dortigen Antragstellerin derjenigen der Mitbewerberin jeweils folge und lediglich so modifiziert worden sei, dass die Angebotspreise der Mitbewerberin knapp unterboten würden. Die Herkunft der vom Berater der Antragstellerin verwendeten Daten auf dem USB-Stick aus der Sphäre der Mitbewerberin habe sich aufgedrängt. Insoweit habe die dortige Antragstellerin zumindest fahrlässig gehandelt, indem sie auf dieser Grundlage ihre Angebote kalkuliert habe. Für die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses ihrer Angebote genüge es, dass die Erwägungen der dortigen Antragsgegnerin (der hiesigen Klägerin) einen Ausschluss rechtfertigten und dieser auch weiterhin durch die Antragsgegnerin angestrebt werde.
Während des Nachprüfungsverfahrens erteilte die Klägerin jeweils am 27.10.2017 in den Losen 1 (Restabfall), 2 (Sperrmüll und Elektrogeräte), 3 (Bioabfall) und 4 (PPK) Interimsaufträge mit einer Laufzeit jeweils bis zum 28.02.2018. Im Los 6 erteilte die Klägerin am 14.12.2017 einen Interimsauftrag mit einer Laufzeit bis zum 31.03.2018 (vgl. Anlagenkonvolut K 31). Jeweils mit Schreiben vom 10.01.2018 verlängerte die Klägerin die Interimsbeauftragungen in den Losen 1 bis 4 bis zum 30.04.2018 (künftig: Übergangslösung 1). Im Los 6 erteilte sie den Zuschlag auf das Angebot des Bestbieters im Hauptverfahren mit einer Leistungszeit ab dem 01.04.2018.
Die hiesige Beklagte legte am 14.05.2018 sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer vom 27.04.2018 ein, welche beim Vergabesenat des Oberlandesgerichts Naumburg unter dem Geschäftszeichen 7 Verg 1/18 geführt wurde. Dabei erhob sie in der Beschwerdeschrift keine Einwendungen gegen den Sachbericht der angefochtenen Entscheidung. Mit Schriftsatz vom 14.08.2018 wiederholte und vertiefte sie in Replik auf die Beschwerdeerwiderung ihre Darstellung zu einer bewussten Diskriminierung durch die hiesige Klägerin. Auf Hinweise des Vergabesenats auf die fehlende Erfolgsaussicht im Beschwerdeverfahren nahm die hiesige Beklagte ihr Rechtsmittel im Termin der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2018 zurück.
Die Klägerin führte zur Sicherstellung der Abfallentsorgung bezüglich der Lose 1 bis 4 der ursprünglichen Ausschreibung (Hauptverfahren) ein EU weites Offenes Verfahren mit verkürzten Fristen (2017/b ...) durch (künftig: Übergangslösung 2). Als Laufzeit der Verträge war eine Zeit mindestens bis zum 31.08.2018, maximal bis zum 28.02.2019 - in Abhängigkeit von der Dauer des Fortbestehens eines prozessualen Zuschlagsverbots -, vorgesehen. Die ausgeschriebenen Verträge enthielten jeweils ein Kündigungsrecht der hiesigen Klägerin mit einer Frist von zwei Monaten zum Monatsende für den Fall des Auslaufens des o.a. Zuschlagsverbots. Die Klägerin beschaffte die entsprechenden Dienstleistungen aus den aufgrund dieser Ausschreibung geschlossenen Interimsverträgen jeweils bis zum 31.10.2018, wobei sie nach Rücknahme der sofortigen Beschwerde der hiesigen Beklagten am 17.08.2018 unverzüglich von dem o.a. Kündigungsrecht Gebrauch machte. In den Losen 1, 3 und 4 erteilte sie nachfolgend den Zuschlag auf das Angebot des jeweiligen Bestbieters im Hauptverfahren. Im Los 2 hatte der Bestbieter auf Anfragen der Klägerin vom 28.09.2017 und vom 06.11.2017 sein Einverständnis mit der Verlängerung der Bindefrist insgesamt bis zum 06.06.2018 erklärt. Auf die erneute Anfrage der Klägerin vom 28.05.2018 verweigerte der Bestbieter eine weitere Verlängerung der Bindefrist. Die Klägerin erteilte den Zuschlag in Los 2 am 10.09.2018 auf das Angebot der Zweitplatzierten.
Mit ihrer - sukzessive erweiterten - Klage hat die Klägerin gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz wegen der Einreichung von Angeboten unter Nutzung der Kenntnisse über die Angebotskalkulation der Mitbewerberin, wegen wahrheitswidriger Angaben im Verlaufe des Vergabeverfahrens sowie wegen rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes geltend gemacht. Als Schadenspositionen hat sie in dem nachträglich am 03.05.2021 durch teilweise Klagerücknahme geringfügig reduzierten Leistungsantrag zu Ziffer 1 zunächst aufgeführt jeweils die tatsächlichen Kosten der ingenieurtechnischen und rechtlichen Beratung im Rahmen der Aufklärung der Auffälligkeiten in den Angeboten der Beklagten im Vergabeverfahren (künftig: Mehraufwand Hauptverfahren), im Rahmen der übergangsweisen Sicherstellung der Abfallentsorgung im Zeitraum ab dem 01.01. bis 28.02.2018 (künftig: Aufwand Übergangslösung 1) sowie im Rahmen der übergangsweisen Sicherstellung der Abfallentsorgung im Zeitraum vom 01.05.2018 bis maximal zum 28.02.2019 (künftig: Aufwand Übergangslösung 2), die Mindererlöse bei der PPK-Verwertung (Los 6) im Zeitraum 01.01. bis 31.03.2018, die Mehrkosten bei der Bioabfallentsorgung (Los 3) im Zeitraum 01.01. bis 31.10.2018 und die Mehrkosten bei der Sperrmüllsammlung (Los 2) im Zeitraum 01.01. bis 30.04.2018.
Mit Klageerweiterung vom 10.08.2021 (GA Bd. II Bl. 141) hat sie den Leistungsantrag zu Ziffer 1 erweitert im Hinblick auf Mehrkosten bei der Entsorgung des Sperrmülls (Los 2) in der Zeit vom 01.05.2018 bis 31.05.2021 und einen Feststellungsantrag zu Ziffer 2 gestellt im Hinblick auf künftige Mehrkosten bei der Entsorgung des Sperrmülls (Los 2).
Mit Klageerweiterung vom 15.11.2021 (GA Bd. III Bl. 1) hat sie den Leistungsantrag zu Ziffer 3 gestellt, welcher sich auf Mehrkosten bei der Sperrmüllsammlung (Los 2) in der Zeit vom 01.06. bis 31.10.2021 bezieht, und den Feststellungsantrag zu Ziffer 2 entsprechend angepasst.
Mit Klageerweiterung vom 17.05.2022 (GA Bd. III Bl. 37) hat die Klägerin den Leistungsantrag zu Ziffer 4 gestellt, welcher sich auf Mehrkosten bei der Sperrmüllentsorgung (Los 2) in der Zeit vom 01.11.2021 bis 30.04.2022 bezieht.
Mit Klageerweiterung vom 23.03.2023 (GA Bd. III Bl. 95) hat die Klägerin den Leistungsantrag zu Ziffer 5 gestellt, welcher sich auf Mehrkosten bei der Sperrmüllentsorgung (Los 2) in der Zeit vom 01.05. bis 31.12.2022 bezieht.
Das Landgericht hat Beweis erhoben u.a. durch die Vernehmung der Zeugen N. M. (verantwortlicher Ingenieur der Beklagten) am 17.05.2022 und T. W. (Berater) - im Wege der Rechtshilfe - am 26.05.2023 über die Umstände der Angebotserstellung durch die Beklagte.
Mit seinem am 17.01.2024 verkündeten Grund- und Teilurteil hat das Landgericht die Klage hinsichtlich der Leistungsanträge zu Ziffern 1, 3, 4 und 5 für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt und auf den Antrag zu Ziffer 2 festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin sämtliche weitere Schäden zu ersetzen, welche ihr dadurch entstanden sind oder entstehen werden, dass die Beklagte gegen den Beschluss der Vergabekammer vom 17.04.2018 sofortige Beschwerde eingelegt hat. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass ein Anspruch auf Ersatz der Schäden in Gestalt der mit der Verzögerung der Auftragsvergabe verbundenen Mehrkosten und des erhöhten Aufwands im Nachprüfungsverfahren nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB begründet sei. Die Beklagte habe ihre vorvertraglichen Rücksichtnahmepflichten dadurch verletzt, dass sie mit Angeboten an der Ausschreibung teilgenommen habe, die bei Kenntnis aller Umstände ihres Zustandekommens auf Seiten der Klägerin nicht zuschlagsfähig gewesen seien. Denn der für sie tätige Zeuge M. habe die Angebote der Beklagten in Kenntnis der Angebote der Mitbewerberin erstellt und jeweils knapp unterboten. Für die Beweiswürdigung hat sich das Landgericht auf vielfältige Parallelen der Angebote der Beklagten und der Mitbewerberin sowie auf das Verhalten der Beklagten im Rahmen der Preisaufklärung durch die Klägerin berufen. Den aus den Unterlagen gewonnenen Erkenntnissen stünden die Aussagen der beiden Zeugen nicht entgegen, insbesondere deswegen nicht, weil sie keine Erklärung für den weitgehenden Gleichlauf der Preis- und Rabattangaben in den Angeboten der Beklagten in Relation zu den Angeboten der Mitbewerberin böten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 25.01.2024 zugestellte Urteil mit einem am 31.01.2024 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung innerhalb der ihr bis zum 25.04.2024 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit einem am selben Tage eingegangenen Schriftsatz begründet. Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt sie das Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.
Die Beklagte meint, dass es für den Feststellungsantrag kein Feststellungsinteresse mehr gebe, da die Leistungsanträge zu Ziffern 3 bis 5 den Zeitraum möglicher Mehrkosten bis zum 31.12.2022 abdeckten, so dass angesichts der Maximal-Laufzeit der Verträge die Schadensentwicklung abgeschlossen sei.
Die Beklagte meint weiter, dass die vom Landgericht herangezogene Anspruchsgrundlage nicht einschlägig sei. Die zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung beziehe sich auf potenzielle Schadensersatzansprüche des übergangenen Bieters. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Haftung sei das wechselseitige Vertrauen der Verhandlungspartner in das jeweils redliche Verhalten des anderen. Dieser Vertrauenstatbestand habe hier nicht vorgelegen. Das Landgericht habe auch zu Unrecht unterstellt, dass die Angebote der Beklagten ausgeschlossen werden mussten, weil es sich bei § 124 Abs. 1 Nr. 9 GWB lediglich um einen fakultativen Ausschlussgrund handele. Im Übrigen schließe § 180 GWB als lex specialis andere Anspruchsgrundlagen aus, ein Missbrauch des Antrags- bzw. Beschwerderechts sei zu keinem Zeitpunkt gegeben gewesen.
Im Hinblick auf die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts rügt die Beklagte die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil der in der Klageerwiderung enthaltene Vortrag übergangen worden sei, wonach die Parallelen in den Angeboten der Beklagten und der Mitbewerberin aus den Vorgaben der Ausschreibung und den Beschränkungen des Marktes für die einzusetzende Technik sowie aus dem vergleichbaren Lohnniveau für die Mitarbeiter resultierten (Beweisangebot: Sachverständigengutachten). Es sei nicht erkennbar, auf welche, ggf. eigene Sachkunde sich das Gericht bei seiner Einschätzung einer auffälligen Parallelität berufe. Es sei nicht logisch, dass sich aus dem - inzwischen unstreitigen - Umstand, dass die Angebotskalkulation der Beklagten auf der Grundlage der teilausgefüllten Kalkulationstabelle der Mitbewerberin erstellt worden sei, zugleich ergebe, dass der Beklagten die Angebote der Mitbewerberin bekannt gewesen seien.
Das vom Landgericht angeführte Indiz des Verhaltens der Beklagten im Rahmen der Preisaufklärung sei dadurch zu erklären, dass sich die Beklagte erstmals nach der Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren im Februar 2018 in einem Kenntnisstand befunden habe, der ihr eine Nachforschung ermöglicht habe. Die Bewertung der Aussagen der beiden Zeugen sei spekulativ und fernab des Parteivorbringens erfolgt.
Schließlich meint die Beklagte, dass ihr Vorbringen im Nachprüfungsverfahren nach der ihr gewährten Akteneinsicht den Vorwurf einer fahrlässig irreführenden Information der Klägerin im Vergabeverfahren habe entfallen lassen, so dass die nach dem 14.03.2018 entstandenen Vermögensschäden nicht mehr auf den ursprünglichen Verstoß zurückzuführen seien. Schadenskausal sei ausschließlich die Entscheidung der Klägerin gewesen, die Angebotsbindefrist ohne Not verstreichen zu lassen.
Die Beklagte regt die Aussetzung des Verfahrens bis zur Erledigung des Strafverfahrens gegen N. M. u.a. mit dem Geschäftszeichen ... (Amtsgericht ...) an.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen,
hilfsweise, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil und fasst die vielfachen Auffälligkeiten in der Angebotskalkulation der hiesigen Beklagten nochmals zusammen.
Der Senat hat die Akten des vorangegangenen Nachprüfungsverfahrens (BeiA I 1 VK LSA 33-37/17 der 1. Vergabekammer Sachsen-Anhalt und BeiA II 7 Verg 1/18 OLG Naumburg) beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Der Senat hat am 13.12.2024 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats vom selben Tage Bezug genommen.
B.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klage bezüglich der Leistungsanträge zu Ziffern 1, 3, 4 und 5 dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Soweit das Landgericht dem zu Ziffer 2 gestellten Feststellungsantrag der Klägerin stattgegeben hat, hat die Klägerin im Berufungsrechtszug Erledigung erklärt. Da sich die Beklagte dieser Teilerledigungserklärung nicht angeschlossen hat, ist der Eintritt der Erledigung in der vorgenommenen Weise festzustellen.
I. Das Berufungsverfahren ist zur Entscheidung reif.
1. Der Senat folgt nicht der Anregung der Beklagten, das Berufungsverfahren im Hinblick auf das o.a. Strafverfahren gegen N. M. u.a. beim Amtsgericht ... (Az.: ...) nach § 149 Abs. 1 ZPO auszusetzen.
a) Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Aussetzung des Rechtsstreits anordnen, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlungen auf die Entscheidung von Einfluss sind. Eine entsprechende Anregung einer Prozesspartei - ein formelles Antragsrecht und einen subjektiven Rechtsanspruch gibt es insoweit nicht - hat das Gericht entweder durch separaten Beschluss oder - wie hier - in seiner die Instanz abschließenden Entscheidung zu bescheiden.
b) Der Senat sieht bereits den Tatbestand der Norm als nicht erfüllt an, denn die Vorschrift dient dazu, den Ausgang des Strafverfahrens abwarten zu können, wenn und soweit das Strafverfahren bessere Erkenntnismöglichkeiten bietet und diese nutzbar gemacht werden sollen. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Denn der im o.a. Strafverfahren angeklagte verantwortliche Ingenieur der Beklagten ist im vorliegenden Zivilprozess nach ordnungsgemäßer Belehrung bereits ausführlich als Zeuge vernommen worden und hat hier Angaben zur Sache gemacht; im Strafverfahren steht ihm ein umfassendes Verweigerungsrecht jeglicher Angaben zur Sache zu. Die ebenfalls der Strafverfolgung unterliegende Prokuristin der Mitbewerberin hat bisher keine weiterführenden Angaben zur Sache gemacht. Gegenüber den im Zivilprozess bereits berücksichtigten Beweismitteln sind keine neuen, insbesondere auch keine überlegenen Beweismittel für den Tatvorwurf bezeichnet oder ersichtlich. Auch die Beklagte hat - auf entsprechenden Vorhalt im Termin - keine Anhaltspunkte für bessere Erkenntnismöglichkeiten im Strafverfahren benennen können, insbesondere auch bezüglich solcher, der Beklagten im hiesigen Rechtsstreit günstigen tatsächlichen Umstände.
c) Selbst wenn der Senat unterstellte, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen vorlägen, hat er eine Ermessensentscheidung zu treffen, bei der alle für und gegen die Aussetzung und damit die Verzögerung der Entscheidung im Rechtsstreit sprechenden Umstände abgewogen werden müssen. Diese Abwägung spräche hier, wäre sie vorzunehmen, gegen eine Aussetzung des Berufungsverfahrens. Auch bei einer unterstellten abstrakten Möglichkeit eines zusätzlichen Erkenntnisgewinns wäre der zu erwartende Erkenntnisgewinn sehr ungewiss. Die Dauer des Strafverfahrens ist nicht prognostizierbar; es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass zeitnah mit einem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens zu rechnen wäre. Dem gegenüber ist die Verzögerung der Entscheidung im Schadensersatzprozess bereits jetzt beträchtlich, denn der behauptete Schaden der Klägerin ist in Teilen bereits Anfang des Jahres 2018 - also vor sieben Jahren - entstanden und hat sich bis zum 31.12.2022 über fünf Jahre fortentwickelt. Hieraus ergibt sich neben dem Interesse der Allgemeinheit an einem zügigen Verfahrensfortgang insbesondere ein schwerwiegendes Interesse der Klägerin an einem Verfahrensfortschritt. Daneben ist aber auch aus der - objektivierten - Sicht der Beklagten ein Interesse an einer Zwischenentscheidung - hier in Gestalt eines Grundurteils - vorhanden, denn die Beklagte ist während des gesamten Zeitraums mit dem Risiko erheblicher Schadensersatzzahlungen belastet.
2. Soweit die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung geltend macht, dass das Landgericht in verfahrensrechtlich zu beanstandender Weise die Beweisaufnahme nicht vollständig durchgeführt habe, ist - vorgezogen zu einer inhaltlichen Bewertung - festzustellen, dass die von der Beklagten vermisste Einholung eines Gutachtens über die Richtigkeit von deren pauschaler Gegenbehauptung nicht geboten gewesen ist, wonach sich die vom Gericht festgestellten und von der Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogenen mannigfachen Parallelen in der Struktur, dem Inhalt und sogar in den taktischen Prämissen der Angebotskalkulationen in den Angeboten der Beklagten und in den Angeboten der Mitbewerberin quasi zwangsläufig aus der Struktur des Marktes ergäben. Die u.a. in der angefochtenen Entscheidung im Abschnitt 6. lit. a) der Entscheidungsgründe aufgeführten Parallelen dienten zwar im Stadium der Angebotsaufklärung im Vergabeverfahren im Herbst 2017 noch als Anhaltspunkte für den Verdacht einer Angebotserstellung durch die Beklagte in Kenntnis zumindest wesentlicher Teile der Angebotskalkulation der Mitbewerberin und lösten damals weitere Aufklärungsmaßnahmen aus.
Inzwischen kommt es darauf nicht mehr entscheidend an. Denn die Beklagte hat inzwischen eingeräumt, dass ihre Angebotskalkulation nicht eigenständig erfolgte und nicht nur zufällig diese Parallelen aufwies, sondern dass sie auf der Grundlage der Daten auf dem USB-Stick erstellt wurde, welchen der Berater in seinem Briefkasten aufgefunden haben will. Es steht inzwischen auch fest, dass die Kalkulationsdaten auf dem USB-Stick aus der Urkalkulation der Angebote der Mitbewerberin im selben Vergabeverfahren stammten (vgl. die unstreitigen - zusammenfassenden - Angaben der Klägerin in ihrer Klageschrift vom 28.06.2019, S. 19). Daraus folgt, dass unabhängig von der Richtigkeit der Gegenbehauptung jedenfalls im streitgegenständlichen Vergabeverfahren die Übereinstimmungen zwischen den Angeboten der Beklagten und der Mitbewerberin nicht zufälliger Natur waren, sondern auf der Verwendung übereinstimmender, von der Mitbewerberin stammender Kalkulationsdaten beruhten. Darüber hinaus ist die Unrichtigkeit der pauschalen Gegenbehauptung der Beklagten offenkundig, ohne dass es einer besonderen Sachkunde des Gerichts oder gar der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf. Bereits die Ergebnisse der streitgegenständlichen Ausschreibung zeigen einen (teilweise) funktionierenden Wettbewerb im Hinblick auf die Angebotspreise der anderen Bieter. Maßgeblich für diese Bewertung sind aber auch die Umstände, welche eine Identifizierung der Herkunft der Daten auf dem USB-Stick ermöglichten. Diesen Daten war nicht nur zu entnehmen, dass sie mit einem spezifischen, bei der Mitbewerberin eingesetzten Tool und auf der Grundlage von mit einem hausinternen Programm der Mitbewerberin ("... ") erfassten und ausgewerteten Leistungsansätzen erstellt worden waren, sondern auch, dass kalkulationsrelevante betriebliche Daten teilweise sehr spezifisch waren und in Relation zu den betrieblichen Besonderheiten beider Unternehmen auch erheblich variierten, beispielsweise bezüglich der Anschaffungskosten der Fahrzeuge, bezüglich der auf der Grundlage von individuellen Betriebsvereinbarungen gezahlten Stundenlöhne oder bezüglich der von den jeweiligen Betriebsstandorten abhängigen unterschiedlichen Umschlagskosten.
II. Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die mit den Leistungsanträgen zu Ziffern 1, 3, 4 und 5 geltend gemachten Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte nach §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 282, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB dem Grunde nach gerechtfertigt sind.
1. Die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften zum Anspruch auf Schadensersatz aus vorvertraglichen Schuldverhältnissen sind entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auf den vorliegenden Fall anwendbar.
a) Allerdings ist auf den vorliegenden Sachverhalt die Vorschrift des § 180 GWB aus dem 4. Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen anwendbar, denn für das Vergabeverfahren bestand eine EUweite Ausschreibungspflicht nach den §§ 98 ff. GWB - die Klägerin ist öffentliche Auftraggeberin nach § 99 Nr. 2 GWB, der Auftrag betrifft entgeltliche Dienstleistungen i.S.v. § 103 Abs. 1 und Abs. 4 GWB, der Netto-Auftragswert des Gesamtauftrags überschreitet den sog. Schwellenwert i.S.v. § 106 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 GWB i.V.m. Art. 4 RL 2014/24/EU und Art. 1 VO (EU) 2015/2170, es liegt keiner der Ausschlussgründe der §§ 107 bis 109 GWB vor. Das steht der Anwendung des allgemeinen Zivilrechts aber nicht entgegen, insbesondere nicht i.S. einer Gesetzeskonkurrenz wegen Spezialität.
b) Der Wortlaut der Vorschrift enthält keine Anhaltspunkte für die Klärung der Streitfrage.
Anders, als beispielsweise die Vorschrift des § 181 GWB, enthält sie insbesondere nicht die Regelung, dass weiterreichende Ansprüche auf Schadensersatz unberührt bleiben. Der Senat stützt seine Auslegung der Norm insbesondere auf die Gesetzesgenese und den mit der Vorschrift verfolgten Zweck. Die Rechtsnorm wurde zugleich mit der im Jahre 1998 geschaffenen, ab dem 01.01.1999 in Kraft getretenen Möglichkeit der Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz in Vergabeverfahren mit EUweiter Ausschreibungspflicht erlassen. Mit ihr wurde eine eigene vergaberechtliche Anspruchsnorm für Fälle des Missbrauchs dieses Primärrechtsschutzes geschaffen (vgl. RegE v. 29.01.1998, BT-Drs. 13/9340, S. 22 - damals zu § 134 GWB-E), weil der Gesetzgeber eine spezifische Missbrauchsgefahr und ein übermäßiges Blockieren von Beschaffungsmaßnahmen besorgte (vgl. nur Hattig in: Praxiskomm. VergabeR, 2010, § 125 Rn. 2). Der Gesetzgeber hat selbst bereits verdeutlicht, dass es sich um eine "spezielle Ausprägung" der Rechtsgedanken des § 826 BGB - im Sinne einer Urteilserschleichung - und des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB - im Sinne eines sog. "Prozessbetrugs" - handeln soll, also um einen spezifischen deliktsrechtlichen Anspruch mit besonders hohen tatbestandlichen Voraussetzungen, der im Zivilrechtsweg geltend zu machen ist (ebenso OLG Naumburg, Beschluss v. 14.03.2014 - 2 Verg 1/14 "Projektsteuerung" - VergabeR 2014, 787). Schon nach der Systematik des Zivilrechts stehen deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen mit unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen parallel nebeneinander (vgl. Franßen in: Byok/Jaeger, GWB, 4. Aufl. 2020, § 180 Rn. 10) und verdrängen regelmäßig (vor-) vertragliche Anspruchsgrundlagen nicht. Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - die Anspruchsgrundlagen unterschiedliche Schadenspositionen erfassen. Während § 180 GWB nur spezifische Verhaltensweisen im Nachprüfungsverfahren sanktioniert und für die hieraus resultierenden Schäden eine Ausgleichsmöglichkeit begründet, beziehen sich Ansprüche aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis auch auf Verhaltensweisen im Vergabeverfahren selbst - unabhängig von einer Inanspruchnahme des Primärrechtsschutzes - und können auch auf den Ausgleich von Schäden gerichtet sein, deren Eintritt nicht im Zusammenhang mit einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren steht. Darüber hinaus ist darauf zu verweisen, dass die Vorschrift des § 180 Abs. 3 GWB der Norm des § 945 ZPO nachgebildet ist. Für diese zwar in der Prozessordnung normierte, aber ihrer Natur nach ebenfalls deliktsrechtliche Anspruchsgrundlage ist allgemein anerkannt, dass Ansprüche auch nach anderen materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen begründet sein können (vgl. nur Vollkommer in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 945 Rn. 5 m.w.N.). Deswegen mag § 180 GWB die Anwendung der § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB als speziellere Norm verdrängen; nach allgemeiner Auffassung kommt aber neben § 180 GWB z.B. auch eine Sanktionierung nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, insbesondere §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 und 241 Abs. 2 BGB, in Betracht (vgl. Gnittke/Hattig in: Müller-Wrede, GWB, 2. Aufl. 2023, § 180 Rn. 62; Scharen in: Willenbruch/Wieddekind, KK-VergabeR, 4. Aufl. 2017, § 180 GWB Rn. 16).
c) Während es zur Vorschrift des § 180 GWB keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, ist zu der ebenfalls spezifischen vergaberechtlichen Anspruchsnorm des § 126 GWB a.F./ § 181 GWB n.F. - Ersatz des Vertrauensschadens des teilnehmenden Unternehmens gegen den öffentlichen Auftraggeber bei Vergaberechtsverstoß - bereits entschieden worden, dass sie die Anwendung anderer Anspruchsgrundlagen nicht ausschließt (vgl. BGH, Urteil v. 01.08.2006 - X ZR 146/03 - VergabeR 2007, 194; BGH, Urteil v. 27.11.2007 - X ZR 18/07 "Hochwasserschutzanlage" - VergabeR 2008, 219). Die in diesen Entscheidungen niedergelegten Erwägungen sind ohne Weiteres auf § 180 GWB übertragbar.
2. Die Beklagte hat nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts mehrfach gegen vorvertragliche Pflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB verstoßen.
a) Die Prozessparteien streiten nicht darüber, dass mit der Teilnahme der Beklagten am Offenen Verfahren der Klägerin ein vorvertragliches Schuldverhältnis i.S.v. § 311 Abs. 2 BGB entstanden ist, in denen den Beteiligten wechselseitig die Nebenpflichten des § 241 Abs. 2 BGB oblagen, also auch der Beklagten als Bieterin die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Klägerin als Vergabestelle und Auftraggeberin.
Unterwerfen sich die Parteien eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses besonderen Regelungen, wie hier den Vorschriften der Vergabeverordnung, so werden die wechselseitigen Rücksichtnahme- und Schutzpflichten durch dieses Vergaberegime konkretisiert. Ein vergaberechtswidriges Verhalten entweder des Auftraggebers oder des Bieters ist regelmäßig zugleich ein pflichtwidriges Verhalten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB. Die Klägerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass eine schadensersatzträchtige Pflichtverletzung nach § 241 Abs. 2 BGB nicht voraussetzt, dass der Geschädigte, hier die Klägerin, auf ein pflichtgemäßes Verhalten des Schädigers, hier der Beklagten, vertraut hat (vgl. nur BGH, Urteil v. 09.06.2011 - X ZR 143/10 "Rettungsdienstleistungen II" - BGHZ 190, 89 für Pflichtverletzungen im Vergabeverfahren).
b) Nach diesen Maßstäben stellte es bereits eine Pflichtverletzung i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB dar, dass sich die Beklagte am Vergabeverfahren mit Angeboten beteiligte, welche unter Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Wettbewerbs und der Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GWB), aus denen das Gebot des Geheimwettbewerbs hergeleitet wird, erstellt wurden.
aa) In § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB ist der zentrale Grundsatz des öffentlichen Auftragswesens dahin formuliert, dass der öffentliche Auftraggeber seine Leistungen im Wettbewerb zu beschaffen hat. Die Einhaltung des Wettbewerbsgrundsatzes erfordert insoweit u.a. von den Bietern, dass die Abgabe eines Angebots in Unkenntnis der Konkurrenzangebote erfolgen muss, weil anderenfalls die Ziele des Wettbewerbs nicht erreicht werden können, insbesondere das Ziel, durch die Organisation eines fairen Wettbewerbs einen wirtschaftlichen Anreiz für Wirtschaftsteilnehmer zu schaffen, die vom öffentlichen Auftraggeber benötigten Leistungen in einem von ihm definierten Sinne wirtschaftlich (§ 127 Abs. 1 GWB) anzubieten. Wenn der einzelne Bieter nicht weiß, welche Konditionen der Konkurrent seiner Offerte zugrunde legt, wird er, um seine Aussicht auf den Erhalt des Zuschlags zu steigern, bis an die Rentabilitätsgrenze seiner individuell berechneten Gewinnzone kalkulieren. Kennt ein Bieter hingegen wesentliche Kalkulationsdaten eines Konkurrenzangebotes, muss er nicht mehr potenziell günstigere Angebote unterbreiten, sondern er braucht sein Angebot nur noch an die ihm bekannten Bedingungen der Konkurrenz auszurichten. Durch die Abgabe eines nicht eigenständigen, sondern an den Kalkulationsgrundlagen eines Konkurrenzangebotes orientierten und dessen Ansätze jeweils knapp unterschreitenden Angebotes hat ein solcher Bieter gegenüber den anderen Bietern ungerechtfertigte Vorteile. Wesentliches und unverzichtbares Kennzeichen einer Auftragsvergabe im Wettbewerb ist daher die sowohl durch den öffentlichen Auftraggeber als auch durch die Bieter jeweils bewirkte Gewährleistung eines Geheimwettbewerbs zwischen den an der Ausschreibung beteiligten Bietern (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 16.09.2003 - Verg 52/03 - VergabeR 2003, 690; Thüringer OLG, Beschluss v. 06.07.2004 - 6 Verg 3/04; OLG Naumburg, Beschluss v. 02.08.2012 - 2 Verg 3/12 "Müllheizkraftwerk I" - VergabeR 2013, 123; OLG München, Beschluss v. 14.03.2013 - Verg 32/12 "Vergärungsanlage I" - VergabeR 2013, 917; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 04.02.2013 - VII-Verg 31/12 - VergabeR 2014, 188). Diese Rechtsauffassung zur Auslegung letztlich des Unionsrechts hat der Gerichtshof der Europäischen Union auch unter Geltung der aktuellen Richtlinien bestätigt (vgl. EuGH, Urteil v. 15.09.2022 - C 416/21 "Landkreis Aichach-Friedberg" - VergabeR 2023, 30, Rz. 58, 64; nachfolgend BayObLG, Beschluss v. 11.01.2023 - Verg 2/21 "Regionalbuslinienverkehr" - VergabeR 2023, 411). Mit der Abgabe eines nicht eigenständig, sondern unter Verstoß gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs erstellten Angebots verletzt der Bieter objektiv seine in § 241 Abs. 2 BGB definierte Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber.
bb) Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Beklagte bei der Erstellung ihrer Angebote objektiv gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs verstoßen hat, indem sie ihre Angebotskalkulation an dem Kalkulationsschema und den Daten der Urkalkulation der Mitbewerberin orientierte und die hieraus resultierenden Preise jeweils bewusst unterbot.
(1) Zunächst ist darauf zu verweisen, dass das Berufungsgericht im Zivilprozess einer sog. Tatsachenbindung unterliegt. Hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen der zu treffenden Entscheidung im Rechtsstreit ist der Prüfungsumfang des Berufungsgerichts eingeschränkt. Auch wenn das Berufungsgericht noch Tatsachengericht ist, hat es grundsätzlich gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO als den Kernbestimmungen des Berufungsrechtes von den Tatsachen auszugehen, die das Gericht des ersten Rechtszuges festgestellt hat. Das gilt nur dann und insoweit nicht, soweit konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Eine erneute Beweisaufnahme und damit ein Abweichen von den Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts kommen daher nur dann in Betracht, wenn eine gewisse, nicht notwendig überwiegende, aber auch nicht nur theoretische Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen unrichtiger oder unvollständiger Feststellungen besteht (vgl. Heßler in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 529 Rn. 8 m.w.N.). Dies ist etwa dann der Fall, wenn die beweiswürdigenden Erwägungen einer festen Tatsachengrundlage entbehren, also nur Vermutungen wiedergeben, lückenhaft sind oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder schließlich bei einer Verkennung der Beweislastverteilung, und wenn dies zu einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung geführt hat. An solchen Anhaltspunkten fehlt es hier; vielmehr folgt der Senat uneingeschränkt den erstinstanzlichen Feststellungen.
(2) Das Landgericht hat zutreffend eine Vielzahl von Indizien aufgeführt, welche in ihrer Gesamtheit nur den Schluss zulassen, dass die Beklagte wesentliche Kalkulationsgrundlagen der Angebote der Mitbewerberin kannte, ihrer eigenen Angebotskalkulation zugrunde legte und sie bewusst jeweils knapp unterbot, um ihre Zuschlagschancen zu verbessern. In den Losen 1, 2, 4 und 6 unterbot die Beklagte die Preise in Euro/Mg jeweils um genau 1,00 Euro, zahlreiche weitere anzugebende Einzelpreise in Abhängigkeit von der behandelten Abfallmenge wiesen jeweils annähernd den gleichen Abstand zueinander auf; insoweit nimmt der Senat auf die tabellarische Aufstellung auf Seite 7 ff. der Klageschrift Bezug, welcher die Beklagte inhaltlich nicht entgegengetreten ist. In der von der Klägerin vorgelegten schematischen Darstellung der Kostenverläufe in den Losen 1, 3, 4 und 6 hinsichtlich der jeweils fünf Mengenkorridore ergibt sich ein exakt paralleler Kurvenverlauf. Bei den leerungsabhängigen Preisen unterbot die Beklagte das Angebot der Mitbewerberin für drei Behältergrößen um 0,2 Cent und für zwei Behältergrößen um 0,3 Cent und lediglich für eine Behältergröße um 0,6 Cent. Die Beklagte führte in ihren Angeboten für exakt dieselben Loskombinationen, wie die Mitbewerberin, Rabattangebote auf, welche mit einer einzigen Ausnahme jeweils 0,1 bzw. 0,2% höher lagen als diejenigen der Mitbewerberin. Dabei fehlte bei der Beklagten ausgerechnet diejenige (mögliche) Rabattkombination, welche auch von der Mitbewerberin nicht angeboten wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf die tabellarische Darstellung auf S. 11 der Klageschrift Bezug genommen. Im Übrigen macht sich der Senat die erstinstanzlichen Feststellungen bezüglich der jeweils losweisen Betrachtungen (LGU S. 15 f.) zu Eigen.
(3) Angesichts der Vielzahl der Parallelen in den jeweiligen Angeboten der Beklagten und der Mitbewerberin in allen fünf Losen sowie weiterer Umstände - die weitgehend identische formale und inhaltliche Struktur, die weitgehende Identität des Aufbaus der aus einer Standard-Software-Lösung der Mitbewerberin stammenden Kalkulationstabellen einschließlich der Spaltenüberschriften, der Zeilenumbrüche und einzelner Textfelder, identischer Rechtschreib- und inhaltliche Zuordnungsfehler - hat die Beklagte inzwischen eingeräumt, dass sie ihre Angebotskalkulation nach den Kalkulationsdaten auf einem USB-Stick ausgerichtet und diese Daten bewusst unterschritten hat. Es ist inzwischen unstreitig, dass die Daten auf dem USB-Stick die Daten der Kalkulation der Angebote der Mitbewerberin im selben Vergabeverfahren waren.
c) Ein weiterer objektiver Verstoß der Beklagten gegen die nach § 241 Abs. 2 BGB bestehende Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Rechtsgüter und Interessen der Klägerin liegt darin, dass die Beklagte im Rahmen der Aufklärung ihrer Angebotskalkulation nach der Öffnung der sog. Urkalkulationen der hiesigen Beklagten und der Mitbewerberin ihre Orientierung an den Kalkulationsdaten der Mitbewerberin in Abrede stellte und dadurch weitere Ermittlungen der Klägerin veranlasste, statt das tatsächliche Zustandekommen ihrer Angebotskalkulation umfassend wahrheitsgemäß offenzulegen. Gleiches gilt für die hier missbräuchliche Inanspruchnahme des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (dazu unter Abschnitt B. III. der Gründe).
3. Die vorgenannten Pflichtverletzungen sind ursächlich im Sinne einer haftungsbegründenden Kausalität für die mit den Leistungsanträgen zu Ziffern 1, 3, 4 und 5 geltend gemachten Schäden.
a) Für Schadenspositionen, welche den erhöhten Prüfungsaufwand der hiesigen Klägerin bereits vor der Inanspruchnahme des Primärrechtsschutzes durch die hiesige Beklagte betreffen und die teilweise Gegenstand des Leistungsantrags zu Ziffer 1 sind, besteht ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den objektiv unwahren Angaben der Beklagten zur angeblichen Eigenständigkeit ihrer Angebotskalkulation und den zusätzlichen Aufwendungen der Klägerin für eine ingenieurtechnische und rechtliche Beratung im Umgang mit den Angeboten der Beklagten. Die Ursächlichkeit ist evident.
b) Für die Schadenspositionen, die auf die beiden Übergangslösungen sowie - hinsichtlich der Dienstleistungen des Loses 2 - auf den Ausfall des Angebots des nach dem Ausschluss der Beklagten verbliebenen Bestbieters zurückgeführt werden, genügt es, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den unwahren Angaben der hiesigen Beklagten im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren und dem Inkraftsetzen des prozessualen Zuschlagsverbots durch Übermittlung der Antragsschrift nach §§ 163 Abs. 2, 169 Abs. 1 GWB besteht. Die unwahren Angaben zur Angebotsgenese und insbesondere zur Eigenständigkeit der Angebotskalkulation sowie die gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe einer bewussten Diskriminierung und Verdrängung zugunsten der Mitbewerberin können nicht hinweggedacht werden, weil sie den Kern der von der hiesigen Beklagten im Nachprüfungsverfahren erhobenen Rüge des vergaberechtswidrigen Angebotsausschlusses bildeten. Da die ausgeschriebenen Dienstleistungen zur Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvorsorge unverzichtbar waren, mussten sie für die Zeit des prozessualen Zuschlagsverbots im Hauptvergabeverfahren anderweitig - interimsweise - beschafft werden. Damit im Zusammenhang stehende Mehrkosten gegenüber den fiktiven Kosten bei rechtzeitiger Zuschlagserteilung im Hauptverfahren stehen in einem Kausalverhältnis zur vorgenannten Pflichtverletzung der Beklagten.
4. Die Beklagte hat die vorgenannten Pflichtverletzungen nach § 241 Abs. 2 BGB auch schuldhaft begangen. Hierfür genügte ein fahrlässiges Verhalten. Der Senat ist nach den o.a. Maßstäben des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auch insoweit an die vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, wonach die Beklagte in Person ihres verantwortlichen Ingenieurs positive Kenntnis davon hatte, dass die Daten auf dem USB-Stick die Kalkulation der Mitbewerberin im Vergabeverfahren enthielten, welche die Beklagte bewusst und systematisch unterbot.
a) Das Landgericht ist in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Beklagte bereits bei Angebotserstellung positive Kenntnis davon hatte, dass die ihrer Angebotskalkulation zugrunde gelegten Daten auf dem USB-Stick von einem anderen Bieter im selben Vergabeverfahren stammten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte in rechtlicher Hinsicht das Wissen ihres verantwortlichen Ingenieurs und ihres externen Beraters nach §§ 166 Abs. 1, 278 BGB zurechnen lassen muss.
aa) Zwar ist ungeklärt geblieben, auf welchem Wege der betreffende USB-Stick in den Briefkasten des Beraters der Beklagten gelangte und wann ein konkretes Gespräch zwischen dem Berater und dem verantwortlichen Ingenieur der Beklagten über die eigene Angebotskalkulation stattfand. Ob und inwieweit dem Berater der Beklagten zur Zeit der Angebotserstellung positiv bekannt war, dass die Daten von der Mitbewerberin stammten, konnte nicht festgestellt werden. In seiner Person kommt in Betracht, dass er lediglich grob fahrlässig handelte, weil er trotz der massiven Anhaltspunkte für das Vorliegen der Leistungsansätze eines anderen Unternehmens diese seiner Mitwirkung an der Angebotskalkulation der Beklagten zugrunde legte. Für eine mit dem Unternehmen der Beklagten und dessen betrieblichen Strukturen vertraute sowie mit Angebotskalkulationen für die Beklagte befasste fachkundige Person, wie hier für den Berater der Beklagten, war klar erkennbar, dass die Leistungsansätze der Kalkulationsdaten auf dem USB-Stick nicht dem Unternehmen der Beklagten zuzuordnen waren. Demgemäß hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass ihrem Berater aufgefallen sei, dass die auf dem USB-Stick gespeicherte Excel-Datei Zahlen enthielt, welche nicht mit den von ihm selbst ermittelten Daten zu den Leistungsansätzen, z.B. zu Fahrzeuggrößen, Grundstückskosten, Personalkosten oder Kosten des Identsystems, passten (vgl. Schriftsatz der Beklagten im Nachprüfungsverfahren vom 14.03.2018, BeiA I Bd. II Bl. 306). Dabei handelte es sich um Kostenansätze, welche nicht nur unbedeutende Nebenpunkte einer Angebotskalkulation betrafen, sondern typischerweise erheblichen Einfluss auf die Preisbildung nehmen. Der Berater hat in seiner Zeugeneinvernahme am 26.05.2023 darüber hinaus auch mehrfach angegeben, dass er die in der Angebotskalkulation für die Beklagte letztlich festgelegten Preise als zu niedrig und zu knapp kalkuliert erachtete, insbesondere die Preise im Los 1 (Restmüll). Seine Aussage, dass er hinsichtlich der Abweichungen der Kostenansätze zwischen den von ihm ermittelten und den auf dem USB-Stick gespeicherten Daten von - versehentlich fehlerhaft eingetragenen - "Füllangaben" ausgegangen sei, ist unter diesen Umständen nicht glaubhaft. Wenn schon die Kostenparameter nicht mit den Betriebsdaten der Beklagten übereinstimmten, konnte die gesamte hierauf aufbauende Angebotskalkulation nicht mehr stimmig sein. Die vermeintlichen "Fülldaten" können in dem Kalkulationsschema nicht durch Übertragung der bereits zuvor an ihn übermittelten Realdaten der Beklagten ersetzt werden, ohne dass dies Einfluss auf die hierauf beruhende gesamte übrige Preiskalkulation hat.
bb) Die Bewertung des Landgerichts, wonach das Verhalten des verantwortlichen Ingenieurs den Schluss zulässt, dass er sich bewusst war, dass es sich bei den Daten auf dem USB-Stick um die Angebotskalkulation der Mitbewerberin im Vergabeverfahren handelte, und dass er bestrebt war, die Preise der Mitbewerberin jeweils knapp zu unterschreiten, dass er also vorsätzlich handelte, ist nicht zu beanstanden. Der Berater hat in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung bekräftigt, dass es dem verantwortlichen Ingenieur darum gegangen sei, diesen Auftrag unbedingt zu erhalten. Eine andere als die vom Landgericht angenommene Erklärung dafür, warum die in der Excel-Tabelle vorhandenen Preisangaben jeweils nochmals systematisch reduziert wurden und sich der Angebotspreis damit noch weiter von einem aus Sicht des Beraters angemessenen Preis entfernte, ist nicht ersichtlich. Die Zeugenaussage des verantwortlichen Ingenieurs, wonach die Daten des USB-Sticks unverändert in die Angebotsunterlagen der Beklagten übernommen worden seien, ist nachweislich falsch. Nach den Aussagen beider Zeugen beruhten jedenfalls die Rabattangebote auf den Entscheidungen des verantwortlichen Ingenieurs. Die auffällige vorbeschriebene Parallelität zu den Rabatten für Loskombinationen der Mitbewerberin ist nur nachvollziehbar, wenn der Ingenieur Kenntnis von diesen Daten des Konkurrenzangebotes hatte.
b) Nur ergänzend ist darauf zu verweisen, dass selbst dann, wenn man davon ausginge, dass die Beklagte - insbesondere in Person ihres verantwortlichen Ingenieurs - zum Zeitpunkt der Erstellung ihrer Angebote lediglich fahrlässig nicht erkannte, dass sie ihre Angebotskalkulation an der Angebotskalkulation der Mitbewerberin orientierte und damit gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs verstieß, sie im Hinblick auf die Verletzung ihrer vorvertraglichen Rücksichtspflichten spätestens nach der Gewährung der Akteneinsicht im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren im Februar 2018 vorsätzlich handelte. Denn durch den Vorhalt der diversen Parallelen in den Angebotskalkulationen der Beklagten und der Mitbewerberin wurde für sie evident, dass ihre Preiskalkulation der Preiskalkulation der Mitbewerberin folgte und diese bewusst jeweils knapp unterbot. Es war spätestens zu diesem Zeitpunkt offensichtlich, dass die Daten auf dem USB-Stick, welche der Angebotskalkulation der Beklagten zugrunde lagen, die Kalkulationsdaten der Mitbewerberin waren. Die Beklagte beharrte in Kenntnis des eigenen objektiv pflichtwidrigen Verhaltens gleichwohl darauf, den Ausschluss ihrer Angebote rückgängig zu machen, indem sie diesen Ausschluss weiter als vergaberechtswidrig rügte und der Nachprüfung unterstellte. Dabei war ihr bewusst, dass die Klägerin durch das prozessuale Zuschlagsverbot nach § 169 Abs. 1 GWB in den Losen 1, 2, 3 und 4 die benötigten Dienstleistungen im Hauptverfahren nicht beschaffen konnte und deswegen anderweitige, im Zweifel kostenungünstigere Lösungen zur Sicherstellung der Abfallentsorgung finden musste.
c) Den Feststellungen zum Verschulden der Beklagten stehen die Erkenntnisse der Vergabekammer in ihrem Beschluss vom 27.04.2018 nicht entgegen. Die Feststellungen entfalten keine Bindungswirkung; insbesondere waren das Landgericht und ist der Senat trotz der Feststellung der Vergabekammer, wonach die hiesige Beklagte "zumindest fahrlässig" irreführende Angaben zur Genese ihrer Angebotskalkulation gemacht habe, nicht gehindert, einen vorsätzlichen Verstoß gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs festzustellen.
aa) Nach § 179 Abs. 1 GWB ist ein ordentliches Gericht, welches mit einer Schadensersatzforderung wegen eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften befasst ist, an eine bestandskräftige Entscheidung der Vergabekammer bzw. eine rechtskräftige Entscheidung des Vergabesenats des Oberlandesgerichts gebunden. Die Bindungswirkung erstreckt sich dabei auf die Feststellung des Vergaberechtsverstoßes. Da das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren, wie sich insbesondere aus §§ 160, 168 GWB ergibt, lediglich die Verletzung subjektiver Rechte der Teilnehmer des Vergabeverfahrens durch den öffentlichen Auftraggeber oder - soweit abweichend - durch die Vergabestelle zum Gegenstand haben kann, kann sich auch die Bindungswirkung nur auf die Feststellung von Vergabeverstößen des Auftraggebers bzw. der Vergabestelle beziehen. Etwaige Feststellungen zu einem Fehlverhalten des Teilnehmers am Vergabeverfahren erwachsen schon nicht in Bestands- oder Rechtskraft.
bb) Darüber hinaus erstreckt sich die Bindungswirkung, selbst wenn sie eintritt, nur auf die Beurteilung der Verletzung des Teilnehmers am Vergabeverfahren (regelmäßig des Antragstellers, u.U. auch eines Beigeladenen) in seinen subjektiven Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und mithin auf die Vergaberechtswidrigkeit, nicht aber auf ein etwaiges Verschulden oder gar den Verschuldensgrad (vgl. nur Hänisch in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB, 5. Aufl. 2020, § 179 Rn. 7).
5. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein Mitverschulden der Klägerin nach § 254 Abs. 2 BGB an der Entstehung der von ihr geltend gemachten Schäden nicht festzustellen.
a) Zwar können sowohl ein Ersatzanspruch nach § 180 GWB (vgl. Scharen, a.a.O., § 180 GWB Rn. 13; Gnittke/Hattig, a.a.O., § 180 Rn. 49 f. m.w.N.) als auch derjenige nach § 280 Abs. 1 BGB gemäß § 254 BGB gemindert oder aufgehoben sein. Die Beklagte leitet eine Mitverantwortung der Klägerin i.S.v. § 254 Abs. 2 BGB für deren Mehrkosten durch die Beauftragung des Zweitplatzierten im Los 2 (Sperrmüll und Elektrogeräte) daraus ab, dass die Klägerin nach der Entscheidung der Vergabekammer vom 27.04.2018, welche der Beklagten am 30.04.2018 zugestellt wurde, nicht dafür Sorge getragen habe, unverzüglich nach Ablauf der Frist des § 173 Abs. 1 GWB am 28.05.2018 auf das Angebot der Bestbieterin in Los 2 den Zuschlag zu erteilen. Dem folgt der Senat nicht.
b) Der Vorschrift des § 254 BGB liegt der Gedanke zugrunde, dass der Geschädigte für einen Schaden mitverantwortlich ist, an dessen Entstehung er in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat. Der Geschädigte muss die ihm in eigenen Angelegenheiten obliegende Sorgfalt zumindest fahrlässig verletzt haben (vgl. nur Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 84. Aufl. 2025, § 254 Rn. 8 m.w.N.). Im Hinblick auf die sog. Schadensminderungspflicht i.S.v. § 254 Abs. 2 BGB besteht der Mitverschuldensvorwurf darin, dass der Geschädigte Maßnahmen unterlässt, die ein verständiger Mensch zur Verminderung des Umfangs des eintretenden Schadens ergreifen würde (vgl. Grüneberg, a.a.O., § 254 Rn. 36 m.w.N.).
c) Die Klägerin hatte zwar rechtlich die Möglichkeit, vor dem Ablauf der Bindefrist des Angebots des Bestbieters in Los 2 am 06.06.2018 einen Zuschlag auf dessen Angebot zu erteilen. Denn das prozessuale Zuschlagsverbot des § 169 Abs. 1 GWB lief zwei Wochen nach dem Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist, mithin am 28.05.2018, automatisch aus. Die Beklagte hatte in ihrer Beschwerdeschrift keinen Antrag auf Anordnung der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung - also auf Verlängerung des prozessualen Zuschlagsverbots - nach § 171 Abs. 1 Satz 3 GWB gestellt. Das Unterlassen der Zuschlagserteilung ist aber hier nicht als ein sorgfaltswidriges Verhalten der Klägerin zu bewerten. Die Beklagte verfolgte im Beschwerdeverfahren weiter das Ziel, den Ausschluss ihres Angebots rückgängig zu machen. Auch im Los 2 hatte sie das preisgünstigste Angebot im Wettbewerb abgegeben. Aus Sicht der Klägerin bestand mithin das Risiko, sich gegenüber der Beklagten haftbar zu machen, wenn sie den Zuschlag auf das Angebot des Bieters erteilte, der ohne den Ausschluss des Angebots der Beklagten nur Zweitplatzierter war. Dieser Schadensersatzanspruch hätte ggf. das positive Interesse der Beklagten an der Auftragserteilung umfasst. Dieses Risiko musste die Klägerin zu einer potenziellen Schadensminderung nicht eingehen. Jedenfalls verstieß ihr Verhalten angesichts der sich gegenüberstehenden wirtschaftlichen Risiken nicht gegen die in eigenen Angelegenheiten gebotene Sorgfalt.
d) Hilfsweise ist darauf zu verweisen, dass selbst dann, wenn in dem Verhalten der Klägerin eine fahrlässige Pflichtverletzung zu sehen wäre, eine Abwägung zwischen den Verschuldensanteilen beider Parteien zu erfolgen hätte. Für die Haftungsverteilung käme es entscheidend darauf an, ob das Verhalten der Klägerin oder das der Beklagten den Eintritt des Schadens in einem wesentlich höheren Maße wahrscheinlich gemacht hat (vgl. Scharen, a.a.O., § 180 GWB Rn. 13 m.w.N.; Gnittke/Hattig, a.a.O., § 180 Rn. 50). Nach diesen Maßstäben überwiegt das - bei Einlegung der sofortigen Beschwerde vorsätzliche - Verschulden der Beklagten so erheblich gegenüber dem allenfalls als leicht fahrlässig zu bewertenden Verschulden der Klägerin, dass es bei einer vollen Haftung der Beklagten zu verbleiben hätte.
III. Die Klägerin kann ihre mit den Leistungsanträgen zu Ziffern 1, 3, 4 und 5 verfolgten Schadensersatzansprüche daneben auch auf § 180 Abs. 1 und 2 GWB stützen; diese Anspruchsgrundlage vermag jedoch nicht alle von ihr geltend gemachten Schadenspositionen zu rechtfertigen.
1. Nach den vorausgeführten Feststellungen sind die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm erfüllt.
a) Die in § 180 Abs. 2 GWB enthaltene Aufführung von Regelbeispielen für Missbrauch ist nicht abschließender Natur ("insbesondere"), so dass für die Entscheidung des Senats in erster Linie auf die Generalklausel in Absatz 1 abzustellen ist. Danach sind ein objektiv von Anfang an aussichtsloser Nachprüfungsantrag bzw. ein entsprechendes Rechtsmittel sowie das Hinzutreten besonderer Umstände erforderlich, welche die Würdigung zulassen, dass der Antragsteller sein Recht auf Primärrechtsschutz rechtsmissbräuchlich einsetzt, also mit einer subjektiv verwerflichen Zielrichtung. Das subjektive Merkmal ist erfüllt, wenn ein Teilnehmer am Vergabeverfahren die Antragstellung im Primärrechtsschutz in dem Bewusstsein, dass sein Begehren aufgrund der materiellen Rechtslage und bei richtiger Rechtsanwendung chancenlos ist, in rücksichtslosem Eigeninteresse vornimmt. Insoweit ist darauf zu verweisen, dass die Missbrauchshandlung nicht nur durch die Antragstellung selbst begangen werden kann, sondern auch durch sonstige Verfahrenshandlungen, mit denen der Antragsteller auf das (weitere) Nachprüfungsverfahren Einfluss zu nehmen sucht (vgl. Gnittke/Hattig, a.a.O., § 180 Rn. 23 m.w.N.). Anders als der Mangel der Rechtfertigung von Antrag oder Rechtsmittel muss die Missbräuchlichkeit nicht von Anfang an vorliegen (vgl. Franßen, a.a.O., § 180 Rn. 17 m.w.N.).
b) Der Nachprüfungsantrag der hiesigen Beklagten war von Anfang an objektiv aussichtslos. Die Beklagte war durch den Ausschluss ihrer Angebote, die objektiv jeweils unter Verstoß gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs erstellt worden waren, nicht in ihren subjektiven Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
Es kann offenbleiben, ob der von der hiesigen Klägerin herangezogene Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB vorlag. Hierfür wäre erforderlich gewesen, dass die Klägerin über hinreichende Anhaltspunkte dafür verfügte, dass die Beklagte mit der Mitbewerberin eine Vereinbarung getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt habe, welche eine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Für eine Verständigung der Beklagten mit der Mitbewerberin fehlten wohl ausreichende Anhaltspunkte. Es kann ebenfalls offenbleiben, ob im Hinblick auf das Verhalten der Beklagten im Vergabeverfahren ein Ausschluss der Angebote der Beklagten nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB wegen einer nachweislich schweren Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit gerechtfertigt gewesen wäre. Jedenfalls lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 lit. c GWB vor, denn nach den erstinstanzlichen Feststellungen übermittelte die Beklagte im Rahmen ihrer Anhörung im Vergabeverfahren zu den Umständen ihrer Angebotskalkulation zumindest fahrlässig irreführende Informationen, die den Anschein erwecken sollten, dass ihre Angebote jeweils eigenständig und ohne Kenntnis der Kalkulationsparameter der Mitbewerberin erstellt worden seien. Sie erhob darüber hinaus den Vorwurf einer bewussten und direkten Diskriminierung durch die Klägerin zugunsten der Mitbewerberin, obwohl sie hierfür keine konkreten Anhaltspunkte hatte. Maßgeblich ist jedoch, dass die Beklagte deswegen keine Zuschlagschance hatte, weil ihre Angebote wegen des o.a. Verstoßes gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs ausgeschlossen werden durften und die hierzu von der Klägerin angestellten Ermessenserwägungen den Ausschluss tragen. Insoweit ist darauf zu verweisen, dass die Aufzählung der Ausschlussgründe in den §§ 123, 124 GWB zwar abschließend ist, dass sie aber Maßnahmen des öffentlichen Auftraggebers zur Gewährleistung des Geheimwettbewerbs nicht entgegenstehen (vgl. EuGH, Urteil v. 15.09.2022 - C-416/21 - VergabeR 2023, 30, Rz. 58, 64; nachfolgend BayObLG, Beschluss v. 11.01.2023 - Verg 2/21 "Regionalbuslinienverkehr" - VergabeR 2023, 411, in juris Rz. 84).
c) Die Beklagte handelte bei der Inanspruchnahme des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes auch mit einer subjektiv verwerflichen Zielrichtung. Die Beklagte hatte in Person ihres verantwortlichen Ingenieurs Kenntnis davon, dass ihre eigenen Angebote unter vorsätzlichem Verstoß gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs erstellt worden waren. Sie führte das Nachprüfungsverfahren ausschließlich in der Hoffnung durch, dass es der hiesigen Klägerin nicht gelingen werde, den Nachweis dieses vergaberechtswidrigen Verhaltens der hiesigen Beklagten zu führen. Ihr war dabei bewusst, dass durch die Inanspruchnahme des Primärrechtsschutzes eine Verzögerung des Abschlusses des Vergabeverfahrens und damit der Beschaffung der für die Erfüllung der Aufgaben der Daseinsvorsorge notwendigen Dienstleistungen eintrat, welche negative Auswirkungen auf die Vermögenslage der Klägerin haben musste. Unter Berücksichtigung der Beweggründe der Beklagten, welche in der Durchsetzung einer durch unlauteres Verhalten erlangten Wettbewerbsposition im Vergabeverfahren bestanden, der in Kauf genommenen erheblichen Beeinträchtigungen der Abfallbeseitigung im gesamten Landkreis und der hierfür eingesetzten Mittel bis hin zum Vorwurf eines kartellrechtswidrigen Verhaltens der Klägerin wider besseren Wissens ist das Verhalten der Beklagten seinem Gesamtcharakter nach als verwerflich zu bewerten.
d) Die Beklagte handelte unter Zurechnung des Wissens ihres verantwortlichen Ingenieurs vorsätzlich, sodass es keiner Entscheidung darüber bedarf, ob für die Begründung eines Anspruchs nach § 180 GWB stets ein Vorsatz nachzuweisen ist. Zwar kann der Missbrauch i.S.v. § 180 GWB grundsätzlich nur vorsätzlich begangen werden, das Regelbeispiel des § 180 Abs. 2 Nr. 1 GWB zeigt jedoch, dass fallweise auch grob fahrlässiges Verhalten ausreichen kann (vgl. Scharen, a.a.O., § 180 GWB Rn. 11; Franßen, a.a.O., § 180 Rn. 15) und dieses Regelbeispiel - Erwirkung der Aussetzung bzw. weiteren Aussetzung des Vergabeverfahrens (durch das prozessuale Zuschlagsverbot) durch grob fahrlässig vorgetragene falsche Angaben - gerade bei einem festgestellten Ausschlussgrund nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 lit. a oder c naheliegt (vgl. Gnittke/Hattig, a.a.O., § 180 Rn. 25).
2. Hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität, des Schadens und des Nichtvorliegens eines zu berücksichtigenden Mitverschuldens der Klägerin kann auf die Vorausführungen Bezug genommen werden.
IV. Das erstinstanzliche Urteil ist teilweise neu zu fassen, soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz bezüglich eines Antrags - des Klageantrags zu Ziffer 2, gerichtet auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden - die Erledigung der Hauptsache erklärt hat.
1. Da die Beklagte sich dieser Erledigungserklärung nicht angeschlossen und auch insoweit ihren Klageabweisungsantrag aufrechterhalten hat, ist die einseitig gebliebene Erledigungserklärung der Klägerin als eine nach § 264 Nr. 2 ZPO stets zulässige Klageänderung auszulegen (vgl. nur Althammer in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 91a Rn. 34 m.w.N.). Das Gericht hat danach darüber zu entscheiden, ob der ursprüngliche Klageantrag zulässig und begründet gewesen und im Verlaufe des Rechtsstreits gegenstandslos geworden ist (vgl. Althammer, a.a.O., § 91a Rn. 43).
2. Der auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden gerichtete Antrag zu Ziffer 2 ist ursprünglich nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig gewesen. Das Landgericht hat das Feststellungsinteresse zutreffend bejaht, weil die Schadensentwicklung zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht abgeschlossen war und ein rechtliches Interesse an dem Vorbehalt der Geltendmachung weiterer Schäden unter dem Gesichtspunkt einer drohenden Verjährung bestand. Der Feststellungsantrag ist nach den Vorausführungen ursprünglich auch begründet gewesen.
3. Das Feststellungsinteresse der Klägerin ist entfallen, nachdem einerseits die Schadensentwicklung abgeschlossen war, also zum 31.12.2022, und andererseits die Klägerin sämtliche ihr entstandenen Schäden abschließend zum Gegenstand bestimmter, klageerweiternder Leistungsanträge, zuletzt am 23.03.2023, gemacht hatte.
C.
I. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 91 Abs. 1 und 97 Abs. 1 ZPO.
II. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 sowie 543, 544 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
III. Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Insbesondere stellt es - für sich genommen - keinen Zulassungsgrund dar, dass es bisher zur Frage der Anspruchskonkurrenz noch keine höchstrichterliche Entscheidung gibt.
IV. Die Festsetzung des Streitwerts für die Gebührenberechnung (Kostenwert) im Berufungsverfahren ist bereits im Termin der mündlichen Verhandlung erfolgt.
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VK Thüringen
Beschluss
vom 12.03.2025
5090-250-4003/499
1. Die künstliche Aufspaltung von eines einheitlichen (Interims-)Beschaffungsbedarfs, sei es durch mehrere Interimsaufträge, sei es durch eine Kombination aus Vertragsverlängerungen und (neuen) Interimsaufträgen, verstößt gegen das Umgehungsverbot mit der Folge, dass die Auftragswerte zu addieren sind.
2. Es ist nicht zulässig, wenn der Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung hinsichtlich der vorzulegenden Eignungsunterlagen lediglich auf die Vergabeunterlagen verweist. Eine konkrete Verlinkung auf ein elektronisch ohne Weiteres zugängliches Dokument ist dagegen ausreichend, wenn an dem Auftrag interessierte Unternehmen durch bloßes Anklicken zu dem verlinkten Formblatt gelangen können und auf einen Blick erkennen können, welche Anforderungen an sie gestellt werden.
3. Aus dem Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz resultiert grundsätzlich die Verpflichtung, Antworten auf Bieterfragen allen Bietern zur Verfügung zu stellen.
4. Bei der Festlegung des Auftragsbeginns handelt es sich grundsätzlich um eine Vertragsbestimmung und nicht um eine Vorschrift über das Vergabeverfahren, deren Verletzung im Nachprüfungsverfahren zur Überprüfung steht. Etwas anderes gilt dann, wenn sich eine Vertragsbestimmung auf die Auftragschancen eines Bieters auswirkt (hier bejaht für eine dreitägigen Ausführungsfrist).
VK Thüringen, Beschluss vom 12.03.2025 - 5090-250-4003/499
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass sich das Nachprüfungsverfahren erledigt hat.
2. Das Nachprüfungsverfahren wird eingestellt.
3. Der Auftraggeber hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen.
4. Der Auftraggeber ist gem. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB persönlich von der Zahlung von Gebühren für Amtshandlungen befreit.
5. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten seitens der Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
6. Die Beigeladene hat ihre Aufwendungen selbst zu tragen.
7. Auslagen der Vergabekammer sind nicht angefallen.
Gründe:
I.
Mit Veröffentlichung am 02.12.2024 im Th. Staatsanzeiger - Öffentlicher Teil (Nr. ...) hat der AG im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung (UVgO; Vergabe-Nr. ...) die Interimsvergabe "Unterhaltsreinigung in verschiedenen Objekten des Landkreises Sch M " vom 02.01.2025 bis 31.01.2025 national ausgeschrieben. Die zu vergebene Dienstleistung war nach Ziffer 5 der Bekanntmachung vom 02.12.2024 in drei Lose aufgeteilt: Los 1 Meiningen-Grabfeld, Los 2 Meiningen und Los 4 Schmalkalden. Streitgegenständlich ist vorliegend das Los 4.
Unter Ziffer 4 der Bekanntmachung war ausgeführt, dass aufgrund eines Nachprüfungsverfahrens in der noch laufenden Hauptvergabe BGV 87/2024 der AG in diesem Verfahren (BGV 121/2024) die Reinigungsleistung für die Lose 1, 2 und 4 übergangsweise für die Zeit von einem Monat ab 02.01.2025 vergibt.
Nach Ziffer 9 der Bekanntmachung wurde hinsichtlich der Vergabeunterlagen auf die elektronische Adresse "www.vergabe-suche.de" verwiesen. Gemäß dem, in den Vergabeunterlagen enthaltenen, Formblatt 631 "Aufforderung zur Abgabe eines Angebots" umfasste die Dienstleistung die Unterhaltsreinigung in verschiedenen Objekten des Landkreises Schmalkalden-Meiningen.
Unter Ziffer 13 der Bekanntmachung wurde zu den Eignungskriterien Folgendes ausgeführt:
"Der Bewerber hat zum Nachweis seiner Eignung folgende Unterlagen mit dem Angebot vorzulegen: siehe Formular 124 Eigenerklärung zur Eignung; Eigenerklärung nach § 8 ThürVgG".
Nach Ziffer 14 der Bekanntmachung war beabsichtigt, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen und es wurde bezüglich der weiteren Zuschlagskriterien auf die Vergabeunterlagen verwiesen.
Gemäß dem, in den Vergabeunterlagen enthaltenen, Formblatt "Erläuterung der Zuschlagskriterien" wurde u.a. Folgendes ausgeführt:
"Der Zuschlag wird gemäß § 127 Abs. 1 GWB und § 58 VgV auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt.
Die Gesamtnote je Los setzt sich in dieser Ausschreibung wie folgt zusammen:
1. Preis (50 Prozent der Gesamtnote)
2. Reinigungsstunden (50 Prozent der Gesamtnote)
Nachfolgend wird das Bewertungssystem mit Beispielen erläutert.
I. Zuschlagskriterien Los 1, 2 und 4 Unterhalts- und Grundreinigung:
1. Preis in Euro
2. Reinigungsstunden in Stunden (h)
II. Bewertungssystem:
1. Das niedrigste Preisangebot in Euro erhält die Note 1,00. Diese Note orientiert auf einen niedrigen Preis.
Der Preis setzt sich aus dem Gesamtpreis aller kalkulierten Leistungen inklusive Mehrwertsteuer zusammen. Preise nach Bedarf werden einmalig oder, sofern angegeben, mit der Anzahl der geforderten Durchführungen bewertet. Nachlässe werden nicht bewertet.
2. Das Angebot mit den höchsten Unterhalts- und Grundreinigungsstunden (alle Reinigungsstunden werden berücksichtigt) in h erhält die Note 1,00. Reinigungsstunden nach Bedarf werden einmalig oder, sofern angegeben, mit der Anzahl der geforderten Durchführungen bewertet. Diese Note ist der Gradmesser für die Qualität der Reinigung.
3. Die Noten der anderen Angebote berechnen sich entsprechend den Abweichungen von dem niedrigsten Preis und den höchsten Reinigungsstunden in der Unterhaltsreinigung.
4. Um eine bessere Differenzierung der Noten zu erreichen, wird der Höchstfaktor mit 10 genutzt.
[...]"
Folgende Tabelle war auf Seite 4 des Formblatts "Erläuterung der Zuschlagskriterien" enthalten:
(...)
Die beste Gesamtnote erhält der Bieter 1 mit der Gesamtnote 1,59.
[...]".
Gemäß dem Formblatt 227 "Gewichtung der Zuschlagskriterien" waren sowohl der Preis, wobei minimal 0 bis maximal 10 Punkte erreichbar waren, als auch die Energieeffizienz, wobei minimal 0 bis maximal 10 Punkte erreichbar waren, Zuschlagskriterien. Die Summe der beiden Zuschlagskriterien sollte eine Gewichtung von 100 % ergeben.
Entsprechend der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (Formblatt 631) sollten die Bieter, soweit erforderlich, das Formblatt 125 "Sicherheitsauskunft und Verpflichtungserklärung Teilnehmer" ausgefüllt mit dem Angebot einreichen. Nach Formblatt 631 wurde gefordert, dass sich das Unternehmen in der Geheimschutzbetreuung bei einer Behörde befindet oder über eine zur Auftragsausführung ausreichende Anzahl an Beschäftigten verfügt, die aufgrund Sicherheitsüberprüfung für Tätigkeiten in Sicherheitsbereichen zugelassen sind und/oder zum Umgang mit Verschlusssachen bis zu folgendem Geheimhaltungsgrad (VS-vertraulich, geheim, streng geheim) ermächtigt sind.
Nebenangebote waren nach Ziffer 7 der Bekanntmachung nicht zugelassen. Schlusstermin für den Eingang der Angebote war gemäß Ziffer 10 der Bekanntmachung der 17.12.2024, 10 Uhr.
Im Zuge des Vergabeverfahrens versandte der AG an die Interessenten mehrere Nachschreiben.
Mit erstem Nachschreiben vom 02.12.2024 teilte der AG auf der Plattform "www.staatsanzeiger-eservices.de" den Interessenten mit, dass es sich um eine Interimsvergabe von Reinigungsarbeiten für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer (BGV 87/2024) bzgl. der Lose 1, 2 und 4 bis längstens 31.12.2025 handle.
Mit zweitem Nachschreiben vom 05.12.2024, Bezug nehmend auf eine Bieterfrage der AST, teilte der AG der AST auf obiger Plattform mit, dass aufgrund der neuen Tarifanpassung sowie der Anpassung der Beiträge zu den Krankenkassen und Pflegekassen, die zum Zeitpunkt der Ausschreibung noch nicht bekannt gewesen seien, der AG bitte, die Kalkulation entsprechend für das Jahr 2025 anzupassen.
Mit drittem Nachschreiben vom 12.12.2024, Bezug nehmend auf eine Bieterfrage der AST, teilte der AG der AST auf obiger Plattform mit, dass er das Formblatt 125 gewählt habe, da er in verschiedenen Bereichen des Landratsamtes vertrauliche Vorgänge und Akten aufbewahre. Das Formblatt 125 müsse nicht zum Submissionstermin vorgelegt werden. Gegebenenfalls würde der AG das Formblatt 125 bei Bedarf nachfordern.
Mit Schreiben vom 13.12.2024 rügte die AST die vom AG veröffentlichten Ausschreibungsunterlagen. Das bislang durchgeführte Vergabeverfahren verstoße gegen die bieterschützenden Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz, der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit gemäß § 97 Abs. 1 und 2 GWB. Die Interimsvergabe habe europaweit ausgeschrieben werden müssen, da der einschlägige Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungsaufträge i.H.v. 221.000 Euro überschritten sei. Die AST trug vor, die national bekanntgemachte Interimsvergabe sei nicht entsprechend den Vorgaben des GWB und der VgV durchgeführt worden. Der AG habe nicht die Vorgaben von § 3 VgV beachtet und er habe deshalb die gegenständlichen Dienstleistungen nur national ausgeschrieben. Bei der Schätzung des Auftragswertes nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 und Abs. 11 Nr. 1 VgV sei vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer auszugehen. Zudem seien etwaige Optionen oder Vertragsverlängerungen zu berücksichtigen, bzw. bei Aufträgen über Liefer- oder Dienstleistungen, für die kein Gesamtpreis angegeben werde, sei Berechnungsgrundlage für den geschätzten Auftragswert bei zeitlich begrenzten Aufträgen mit einer Laufzeit von bis zu 48 Monaten, der Gesamtwert für die Laufzeit dieser Aufträge. So habe die Vergabekammer Thüringen (Beschl. v. 27.08.2024, 5090-250-4003/469) in einem Fall bemängelt, dass der Auftraggeber bei der Schätzung des Auftragswertes nur das eine Jahr der Interimsvergabe und nicht die Option nach 2.1.4. der europaweiten Auftragsbekanntmachung
"... verlängert sich der Vertrag ungeachtet der oben genannten Kündigungsmöglichkeit, einmalig um ein Jahr bis zum 30.09.2026"
berücksichtigt habe. Vorliegend habe der AG in seinem Nachschreiben vom 02.12.2024 ausgeführt, dass die Interimsvergabe für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer bzgl. der Lose 1, 2 und 4 bis längstens 31.12.2025 laufen solle. Daher habe der AG nach den dargelegten Grundsätzen (Berücksichtigung der Verlängerungen) die gesamte mögliche Vertragslaufzeit (also ein Jahr) bei der Auftragswertschätzung zu berücksichtigen. Bereits in ihrer Rüge vom 12.11.2024, betreffend die Hauptausschreibung, habe die AST dargelegt, dass ein weiterer Mitbieter bei Los 1 den niedrigsten Preis angeboten habe. Bei Los 2 habe die BEI den niedrigsten Preis geboten und bei Los 4 habe die AST den niedrigsten Preis angeboten. Daher sei bei Zusammenrechnung der gegenständlichen Lose und der Zugrundelegung der maximalen Laufzeit von einem Jahr der Schwellenwert deutlich überschritten.
Soweit der AG davon ausgegangen sei, dass die Interimsausschreibung nur für den Monat Januar 2025 erfolge, habe die Vergabekammer Thüringen mit Verfügung vom 10.12.2024 die Entscheidungsfrist in den Nachprüfungsverfahren bis zum 26.02.2025 verlängert. Das heiße, eine Entscheidung werde frühestens im Februar 2025 ergehen. Das bedeute, dass auch bei Zugrundelegung der tatsächlichen Ausführungszeit der Interimsvergabe der Schwellenwert bereits überschritten sei. Nach den oben genannten (niedrigsten) Angebotspreisen für die drei Lose, ergebe sich ein Auftragswert in bestimmter Höhe (der jeweilige Jahresangebotspreis durch 12 dividiert). Daher betrage der Auftragswert für die Monate Januar und Februar 2025 bereits über 300.000,00 Euro für die Lose 1, 2 und 4.
Der AG habe gegen die unionsrechtliche Ausschreibungspflicht verstoßen. Eine unionsrechtswidrige De-facto-Vergabe liege immer dann vor, wenn - wie hier-ein öffentlicher Auftrag oder eine Konzession oberhalb der Schwellenwerte national vergeben werde und damit auch gegen die unionsweite Ausschreibungspflicht verstoßen werde. Der AG habe, obwohl der Schwellenwert überschritten sei, den Auftrag nur national ausgeschrieben. Der AG müsse nicht nur sicherstellen, dass die Ausschreibung überhaupt veröffentlicht werde, sondern vielmehr darauf achten, dass die Ausschreibung im Amtsblatt der EU (also auf TED) bekanntgegeben werde. Die fehlende Bekanntgabe in TED werde gerügt. Welches vergaberechtliche Regelwerk im konkreten Verfahren anzuwenden sei, richte sich unabhängig von Art und Inhalt der Bekanntmachung nach Faktoren wie Auftragsart und Auftragswert. Alle De-facto-Vergaben seien erfasst, gleichgültig, ob eine vorsätzliche oder fahrlässige Missachtung der unionsweiten Ausschreibungspflicht vorliege. Eine rein nationale Ausschreibung könne nicht die gebotene europaweite Bekanntmachung ersetzen. Da eine rechtswidrige De-Facto-Vergabe vorliege, bestehe eine vorherige Rügepflicht vor Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nicht.
Es lägen intransparente und widersprüchliche Zuschlagskriterien vor. Es existiere ein Dokument "Muster_Bewertungsmatrix", wo von einer 50/50-Gewichtung (Preis sowie Reinigungsstunden) gesprochen werde. Gleichzeitig sei aber auch das Formblatt 227 "Gewichtung der Zuschlagskriterien" veröffentlicht worden, was der Bewertungsmatrix widerspreche und wo auch Punkte für Energieeffizienz erreicht werden könnten. Hier würden also "Reinigungsstunden" nicht als Zuschlagskriterium genannt. Zudem würde in der Tabelle im Formblatt 227 "Gewichtung der Zuschlagskriterien" die Gewichtung zwischen den Zuschlagskriterien "Preis" und "Energieeffizienz" nicht angegeben, sondern nur die zu erreichende Gesamtsumme von 100 %. Unter Nummer 5 stehe als Zuschlagskriterium "Energieeffizienz". Bewertet werden solle höchstes Energieeffizienzniveau/Energieeffizienzklasse und niedrigstes Energieeffizienzniveau / Energieeffizienzklasse. Die AST rüge die Kriterien als intransparent und widersprüchlich zu anderen Kriterien. Die vom AG gewählte Medianmethode sei rechtswidrig. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe und den beiliegenden Ausschreibungsunterlagen sei festgehalten, dass sich die Wertung der kalkulierten produktiven Jahresreinigungsstunden am Medianwert aller zur Wertung zugelassenen Angebote orientiere. Die "Medianmethode" verstoße gegen § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB, da sie keinen wirksamen Wettbewerb der Angebote gewährleiste und damit die Gefahr einer willkürlichen Erteilung des Zuschlags bestehe.
Die Eignungskriterien seien nicht ordnungsgemäß aufgestellt worden. Nach § 122 Abs. 1 GWB würden öffentliche Aufträge nur an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123, 124 GWB ausgeschlossen seien. Gemäß 122 Abs. 4 Satz 2 GWB seien die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung aufzuführen. Der AG habe keine Eignungskriterien in der nationalen Bekanntmachung angegeben. Des Weiteren habe der AG die Anforderungen im Formblatt 125 "Sicherheitsauskunft und Verpflichtungserklärung Teilnehmer" auch zwingend als Eignungskriterium fordern bzw. bekannt machen müssen. Ferner beziehe sich das Formblatt 125 auf "Verschlusssachen des Geheimhaltungsgrades VS - nur für den Dienstgebrauch (VS-NfD)". Informationen, die mit VS-NfD gekennzeichnet seien, dürften nur von berechtigten Personen eingesehen werden. Daher sei fraglich, ob beim AG überhaupt Dokumente vorlägen, die mit VS-NfD gekennzeichnet seien. Das geforderte Formblatt 125 stehe mit der tatsächlich ausgeschriebenen Leistung in keinem Zusammenhang und stelle damit zu hohe Eignungsanforderungen.
Das Vergabeverfahren sei nicht ordnungsgemäß dokumentiert. Ein Vergabeverfahren sei von Anbeginn an fortlaufend zu dokumentieren, indem die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten würden. Der Bieter könne alle Rechtsverletzungen vortragen, die er aus seiner Sicht der Dinge für wahrscheinlich oder zumindest für möglich halte. Eine ordnungsgemäße Dokumentation habe nicht stattgefunden. Dies folge schon daraus, dass der einschlägige Schwellenwert überschritten sei; der AG aber eine nationale Vergabe durchführe (UVgO-Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes). Auch die Zuschlagskriterien seien widersprüchlich. Dies alles lege die Annahme nahe, dass nur eine mangelhafte Dokumentation stattgefunden habe. Deswegen seien die subjektiven Rechte der AST verletzt.
Die Leistungsbeschreibung und die sonstigen Vergabeunterlagen seien intransparent. Die AST habe die Vorgaben an die Leistungsbeschreibung gemäß § 121 Abs. 1 Satz 1 GWB nicht eingehalten. In der Abgabeaufforderung sei nur die Unterhaltsreinigung erwähnt, bepreist werden müsse aber auch die Grundreinigung. In dem Formblatt 227 "Gewichtung der Zuschlagskriterien" habe der AG folgenden Hinweis gegeben:
"Bitte beachten Sie unsere Anlage: Bewertung-Darstellung 50 Prozent".
Ein Schreiben mit diesem Namen existiere aber nicht.
Der AG habe seine Pflicht zur Beantwortung von Bieterfragen verletzt. Der Grundsatz der Gleichbehandlung und des Wettbewerbs erfordere zunächst, dass die zusätzlichen Informationen gegenüber allen Unternehmen in gleicher Weise erteilt würden. Ausnahmen von der Beantwortungspflicht seien nur dann denkbar, wenn die Frage eindeutig keinen Bezug zum Vergabeverfahren habe oder dem Auftraggeber die Informationen weder vorlägen noch von ihm in zumutbarer Weise beschafft werden könnten. Die Vergabeunterlagen des AG seien intransparent und nicht verständlich. Die gestellten Fragen seien daher vom AG zu beantworten.
Die AST fordere daher den AG zur Durchführung einer Neuausschreibung auf Grundlage des GWB und der VgV auf. Darüber hinaus müsse der AG die Zuschlagskriterien überarbeiten.
Die AST reichte mit Angebotsschreiben vom 16.12.2024 ein Angebot für das Los 4 für den Monat Januar 2025 ein.
Mit Schreiben vom 17.12.2024 half der AG der Rüge der AST vom 13.12.2024 nicht ab. Er teilte ihr mit, dass die Ausschreibung der Leistungen für einen Monat erfolgt sei, mit Option einer Verlängerung um einen Monat, sofern die Angebote unter dem Schwellenwert blieben. Gegebenenfalls sei bei Fortdauern des Nachprüfungsverfahrens erneut auszuschreiben. Der Schwellenwert sei nicht überschritten, die Ausschreibung entspreche den anerkannten Regelungen. Nur EU-Ausschreibungen müssten auf TED bekanntgegeben werden. Da es sich um eine öffentliche Ausschreibung handle, erfolge die Bekanntmachung nach UVgO Formular L121.
In Ausschreibungen würden grundsätzlich unterschiedliche Positionen abgefragt. Die Grundreinigung sei ebenfalls Bestandteil und als eine Position in der Ausschreibung zu verstehen. Die Notwendigkeit im Titel der Ausschreibung sei nicht gegeben. Ein Fehler sei hier nicht ersichtlich.
Die Eignungskriterien würden in einem standardisierten Formblatt abgefragt und seien Bestandteil der Ausschreibung. Ein Fehler sei nicht ersichtlich.
Hinsichtlich der Zuschlagskriterien wende der AG die Medianmethode nicht an. Er gehe davon aus, dass die "Medianmethode" falsch interpretiert werde. Eine Punkteverteilung von 50 % auf den Preis und 50 % auf die Leistung habe nichts mit der Medianmethode zu tun. Diese finde bei der vorliegenden Ausschreibung keine Anwendung.
In den Ausschreibungsunterlagen sei klar und eindeutig definiert, welche Zuschlagskriterien und welche Dokumente Gültigkeit hätten. Energieeffizienz sei kein Kriterium. Die Darstellung zur Bewertung liege den Ausschreibungsunterlagen bei.
Das Formblatt 125 sei kein Eignungskriterium, es solle nur bei Bedarf ausgefüllt und angewandt werden, da auch Gebäude im sicherheitstechnischen Bereich bewirtschaftet würden. Das Formblatt 125 sei Bestandteil der Ausschreibungsplattform.
Die nicht ordnungsgemäße Dokumentation des Vergabeverfahrens stelle eine reine Behauptung der AST dar. Die Ausschreibung laufe noch, die Dokumentation erfolge ordnungsgemäß.
Mit Schreiben vom 19.12.2024 rügte die AST ergänzend, sie habe erfahren, dass die BEI am 18.12.2024 im Berufsbildungszentrum Meiningen bereits Geräte und andere Utensilien eingeräumt habe. Die AST gehe daher davon aus, dass der AG der BEI auch im Los 4 bereits den Zuschlag erteilt habe. Der AG habe dies jedoch in einem Telefonat am 18.12.2024 mit den Verfahrensbevollmächtigten nicht bestätigt. Entweder der AG habe im Hauptverfahren das Zuschlagsverbot nach § 169 Abs. 1 GWB missachtet oder er habe bereits in der Interimsvergabe den Zuschlag erteilt. Selbst wenn keine Oberschwellenvergabe vorliege, sei der AG nach § 14 Abs. 1 ThürVgG dazu verpflichtet gewesen, die nicht berücksichtigten Bieter spätestens sieben Kalendertage vor dem Vertragsschluss zu informieren.
Das Nichtabhilfeschreiben vom 17.12.2024 offenbare wiederum eklatante Vergaberechtsfehler. Der einschlägige Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungsaufträge i.H.v. 221.000,00 Euro sei nach § 3 VgV überschritten. Insoweit sei die Darstellung der AST im Nichtabhilfeschreiben fehlerhaft, dass die gegenständliche Ausschreibung für einen Monat erfolgt sei, mit Option einer Verlängerung um einen Monat. Dies sei unzutreffend. Im Nachschreiben vom 02.12.2024 habe der AG ausgeführt, dass die vorliegende Interimsvergabe für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer bzgl. der Lose 1, 2 und 4 bis längstens 31.12.2025 laufen solle. Nach § 3 Abs. 1 VgV sei für die Wertberechnung die gesamte mögliche Vertragslaufzeit, bis 31.12.2025, zu berücksichtigen. Daher sei unzweifelhaft der Schwellenwert überschritten.
Die Zuschlagskriterien seien weiterhin rechtswidrig. Es sei fraglich, welche Bedeutung das Formblatt 227 "Gewichtung der Zuschlagskriterien" habe und ob die anderen Bieter darauf hingewiesen worden seien. Die Ausführungen des AG zur Medianmethode seien abwegig. Die AST habe nicht die Aufteilung bzw. Gewichtung der Zuschlagskriterien angegriffen, sondern die Bewertung des jeweiligen Zuschlagskriteriums. Bei der Medianmethode gehe es darum, dass ggf. ein auskömmliches Angebot mit einer hohen Produktivität nicht den Zuschlag erhalte. Da der AG festgelegt habe (soweit er das Formblatt "Erläuterung der Zuschlagskriterien" zugrunde lege), dass das Angebot mit den höchsten Unterhalts- und Grundreinigungsstunden die Note 1,00 erhalte, mache es für den einzelnen Bieter Sinn mehr Stunden anzubieten (die ggf. gar nicht erbracht würden), um eine bessere Bewertung zu erhalten. Auf diese Weise erhalte der AG aber nicht das auskömmlichste Angebot, sondern ggf. sogar ein Angebot, dass nicht kostendeckend sei (abhängig vom angebotenen Preis). Es gehe nicht, so die Darstellung des AG im Nichtabhilfeschreiben, um eine 50/50-Aufteilung. Es bestehe mithin die Gefahr einer willkürlichen Zuschlagserteilung.
Die Eignungskriterien seien nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Die Abfrage der Eignungskriterien in einem standardisierten Formblatt sei nicht ausreichend. Im Übrigen sei die Verpflichtung zur Bekanntmachung der Eignungskriterien direkt in der Bekanntmachung ein "Klassiker". Der AG habe sich nicht mit den Ausführungen der AST zum Formblatt 125 "Sicherheitsauskunft und Verpflichtungserklärung Teilnehmer" auseinandergesetzt. Zum einem erfülle ein "normales" Reinigungsunternehmen die inhaltlichen Voraussetzungen des Formblatts 125 nicht und zum anderen müssten diese als Eignungskriterien aufgestellt werden, denn ansonsten könnten diese vom AG nicht gefordert werden. Darüber hinaus sei eine Forderung danach unverhältnismäßig, da keine VS-NfD vorlägen und der AG damit den Wettbewerb unnötig einschränke.
35Mit Vorabinformationsschreiben vom 19.12.2024 informierte der AG die AST darüber, dass auf ihr jeweiliges Angebot der Zuschlag nicht erteilt werden könne, weil sie nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Es hätten drei Bieter ein Angebot abgegeben. Die Zusage solle nach Ablauf der in § 14 ThürVgV genannten Frist an die BEI erteilt werden.
Die AST hat mit Schreiben vom 23.12.2024 bei der Vergabekammer einen Nachprüfungsantrag gestellt. Sie hat im Einzelnen beantragt:
1. Ein Nachprüfungsverfahren wird gemäß § 160 Abs. 1 GWB gegen die rechtswidrige De-facto-Vergabe "Interimsvergabe Unterhaltsreinigung in verschiedenen Objekten des Landkreises Schmalkalden-Meiningen" betreffend das Los 4 eingeleitet.
2. Dem Antragsgegner wird untersagt, auf das Angebot der Beizuladenden betreffend das Los 4 den Zuschlag zu erteilen.
3. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht, Dienstleistungen in dem o.g. Bereich nur nach einem vergaberechtskonformen Vergabeverfahren nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu vergeben.
4. Hilfsweise (für den Fall, dass der Zuschlag bereits erteilt wurde) wird festgestellt,
a.) dass die Antragstellerin durch das Vergabeverfahren "Interimsvergabe Unterhaltsreinigung in verschiedenen Objekten des Landkreises Schmalkalden-Meiningen" betreffend das Los 4 in ihren Rechten verletzt ist,
b.) dass die geschlossenen Verträge zwischen dem Antragsgegner und der Beizuladenden nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 134 Abs. 2 Satz 1 GWB unwirksam sind.
5. Hilfsweise: Die Kammer wirkt unabhängig von den Anträgen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hin (vgl. § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB).
6. Die Vergabeakten des Antragsgegners werden hinzugezogen.
7. Der Antragstellerin wird Einsicht in die Vergabeakten des Antragsgegners gewährt.
8. Der Nachprüfungsantrag wird dem Antragsgegner unverzüglich zugestellt.
9. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
10. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die AST hat zur Begründung ihres Nachprüfungsantrages ausgeführt, dass der AG die streitgegenständlichen Leistungen an Dritte vergeben wolle, ohne ein unionsrechtskonformes Ausschreibungsverfahren durchzuführen. Auf die Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren habe die AST gemäß § 97 Abs. 6 GWB einen Anspruch.
Ergänzend zu den Rügeschreiben vom 13.12.2024 und 19.12.2024 vertiefte die AST im Nachprüfungsantrag ihr Vorbringen.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Die angerufene Vergabekammer sei für die Entscheidung über den Antrag gemäß §§ 155, 156 Abs. 1 GWB zuständig, da es sich um öffentliche Dienstleistungsaufträge im Sinne von § 103 Abs. 3 GWB handle und der einschlägige Schwellenwert für Dienstleistungsaufträge i.H.v. 221.000,00 Euro überschritten sei. Auch der AG habe in der Nichtabhilfe vom 17.12.2024 ausgeführt, dass die Ausschreibung der Leistung für einen Monat erfolgt sei, mit Option der Verlängerung um einen Monat. Auch danach wäre, selbst wenn die Option der Verlängerung nur zur Hälfte berücksichtigt werde, der Schwellenwert überschritten. Denn in diesem Fall würde sich ein geschätzter Gesamtauftragswert in bestimmter Höhe ergeben, wobei zu berücksichtigen sei, dass die AST nicht einmal den durchschnittlichen Angebotspreis zugrunde gelegt habe, sondern die niedrigsten Angebotspreise.
Die AST sei gemäß § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB antragsbefugt. Sie habe mit ihren Rügeschreiben vom 13.12.2024 und vom 19.12.2024 sowie dem hiesigen Nachprüfungsantrag ihr Interesse am Auftrag zweifellos dargelegt. Ein Schaden der AST sei durch die geltend gemachten Rechtsverletzungen, insbesondere die Nichtbeachtung der Grundsätze von Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit (§ 97 Abs. 1 und 2 GWB) nicht ausgeschlossen.
Bei De-Facto-Vergaben bestehe keine Rügeverpflichtung. Die AST habe vorsorglich die Vergabe rechtzeitig am 13.12.2024 gerügt und damit gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 GWB vor Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe am 17.12.2024, um 10:00 Uhr, gerügt.
Der Begründungspflicht nach § 161 Abs. 2 GWB sei genüge getan. Bei der Auslegung des § 161 Abs. 2 GWB dürften die Anforderungen an den Bieter nicht überspannt werden. Gemessen an diesen Vorgaben sei das Nachprüfungsbegehren der AST hinreichend begründet und erfülle damit die Sachentscheidungsvoraussetzungen.
Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Die AST sei durch die unterbliebene gebotene europaweite Ausschreibung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Eine Zuschlagserteilung an die BEI sei rechtswidrig und sei daher zu untersagen. Es liege eine rechtswidrige De-Facto-Vergabe vor. Trotz der Überschreitung des Schwellenwertes sei der Auftrag nur national ausgeschrieben worden.
Es lägen intransparente und rechtswidrige Zuschlagskriterien vor, auf deren Grundlage kein Zuschlag erfolgen könne. Soweit der AG in der Nichtabhilfe ausgeführt habe, dass in den Ausschreibungsunterlagen klar und eindeutig definiert sei, welche Zuschlagskriterien und welche Dokumente Gültigkeit hätten, sei dies nichtzutreffend. Energieeffizienz sei laut AG kein Kriterium. Dies hätte der AG - vor Ablauf der Angebotsfrist - gegenüber allen Bietern erklären müssen und die Vergabeunterlagen entsprechend ändern müssen. Dies sei nicht erfolgt. Die vom AG gewählte Medianmethode sei rechtswidrig. Die "Medianmethode" verstoße gegen § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB, da sie keinen wirksamen Wettbewerb der Angebote gewährleiste und damit die Gefahr einer willkürlichen Erteilung des Zuschlags bestehe. Bei der Medianmethode gehe es darum, dass gegebenenfalls ein auskömmliches Angebot mit einer hohen Produktivität nicht den Zuschlag erhalte. Da der AG hier festgelegt habe, dass das Angebot mit den höchsten Unterhalts- und Grundreinigungsstunden die Note 1,00 erhalte, mache es für den einzelnen Bieter Sinn mehr Stunden anzubieten (die gegebenenfalls gar nicht erbracht würden), um eine bessere Bewertung zu erhalten. Auf diese Weise erhalte der AG aber nicht das auskömmlichste Angebot, sondern gegebenenfalls sogar ein Angebot, dass nicht kostendeckend sei.
Die Eignungskriterien seien nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Der AG habe im Formblatt 125 "Sicherheitsauskunft und Verpflichtungserklärung Teilnehmer" vorausgesetzt, dass sich das Unternehmen entweder in der Geheimschutzbetreuung befinde oder Beschäftigte des Unternehmens eine Sicherheitsprüfung für Tätigkeiten in Sicherheitsbereichen besäßen und/oder zum Umgang mit Verschlusssachen bis zu einem bestimmten Geheimhaltungsgrad ermächtigt seien. Diese Anforderungen seien jedoch nicht als Eignungskriterium aufgestellt worden. Soweit sich der AG in seiner Nichtabhilfe darauf berufe, dass das Formblatt 125 nur bei Bedarf gefordert werde, ändere das nichts daran, dass der Bieter diese Voraussetzungen grundsätzlich erfüllen müsse, um sich an der Vergabe zu beteiligen (denn ansonsten könne der Bieter auch nicht "bei Bedarf" das Formblatt vorlegen). Ferner beziehe sich das Formblatt 125 auf VS-NfD. Informationen, die mit VS-NfD gekennzeichnet seien, dürften nur von berechtigten Personen eingesehen werden. Insofern sei fraglich, ob beim AG überhaupt Dokumente vorlägen, die mit VS-NfD gekennzeichnet seien. Eine Forderung nach dem Formblatt 125 sei unverhältnismäßig, da nach dem Verständnis der AST keine VS-NfD vorlägen.
Die Leistungsbeschreibung und die sonstigen Vergabeunterlagen seien intransparent gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB. Der AG habe die Vorgaben an die Leistungsbeschreibung gemäß § 121 Abs. 1 Satz 1 GWB nicht eingehalten. In der Abgabeaufforderung sei nur die Unterhaltsreinigung erwähnt, bepreist werden müsse aber auch die Grundreinigung. In dem Schreiben "Gewichtung der Zuschlagskriterien" habe der AG folgenden Hinweis gegeben: "Bitte beachten Sie unsere Anlage: Bewertung-Darstellung 50 Prozent". Ein Schreiben mit diesem Namen existiere aber nicht. Zudem widersprächen sich das Dokument "Erläuterung der Zuschlagskriterien" und das Schreiben "Gewichtung der Zuschlagskriterien", da dort unterschiedliche Zuschlagskriterien aufgestellt würden.
Die AST gehe davon aus, dass eine ordnungsgemäße Dokumentation des Vergabeverfahrens nicht stattgefunden habe. Dies folge schon daraus, dass der einschlägige Schwellenwert überschritten sei; der AG aber eine nationale Vergabe durchführe. Die Zuschlagskriterien seien widersprüchlich, die Eignungskriterien seien nicht in der Bekanntmachung genannt und es werde ein Formblatt (Formblatt 125 "Sicherheitsauskunft und Verpflichtungserklärung Teilnehmer") gefordert, dass in keinem Zusammenhang mit der zugrundeliegenden Ausschreibung stehe und auch nicht bei der Hauptvergabe gefordert worden sei. Dies alles lege die Annahme nahe, dass nur eine mangelhafte Dokumentation stattgefunden habe.
Der AG habe seine Pflicht zur Beantwortung von Bieterfragen verletzt. Die Auskunftspflicht diene der Einhaltung eines fairen, mit möglichst großer Beteiligung geführten, Wettbewerbs und der Gleichbehandlung der beteiligten Unternehmen. Hier seien schon nicht alle Fragen der AST gegenüber allen Bietern veröffentlicht worden. Somit liege eine Verletzung des Gleichbehandlungs- und Wettbewerbsgrundsatzes aus § 97 Abs. 1 und 2 GWB vor.
Es liege eine rechtswidrige De-Facto-Vergabe vor, weil keine europaweite Ausschreibung unter Anwendung des 4. Teils des GWB stattgefunden habe. Das Vergabeverfahren sei aufzuheben und in den Stand vor Bekanntmachung zurückzuversetzen.
Die Vergabekammer hat am 23.12.2024 beschlossen, dem AG den Nachprüfungsantrag der AST zu übermitteln, den Nachprüfungsantrag am 02.01.2025 dem AG übersendet und diesen um Vorlage der Vergabeakte bis zum 02.01.2025 und um Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag bis zum 07.01.2025 gebeten.
Die AST hat auf Anforderung der Vergabekammer vom 23.12.2024 für das Nachprüfungsverfahren einen Kostenvorschuss in Höhe von 2.500,00 Euro entrichtet.
Der AG hat der Vergabekammer am 06.01.2025, in einem unter dem Az. 5090-250-4003/498 vor der Vergabekammer geführten Parallelverfahren, die Vergabeakte übersendet.
Der AG hat mit Schriftsatz vom 06.01.2025 auf den Nachprüfungsantrag erwidert und beantragt:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zweckentsprechenden Rechtsverfolgungskosten des Antragsgegners.
Zur Begründung führte der AG über sein Schreiben vom 17.12.2024 hinaus aus, der von der AST gestellte Nachprüfungsantrag sei nicht statthaft, sei daher unzulässig und daher zurückzuweisen. Die AST sei nicht in ihren Rechten verletzt.
Die AST habe mit Nachprüfungsantrag vom 13.11.2024 das Vergabeverfahren des AG betreffend Gebäudereinigung - BGV87/2024 OJ S 143/2024, 24/07/2024, Unterhaltsreinigung in verschiedenen Objekten des Antragsgegners Lose 1 und 2 - zur Nachprüfung gestellt. Die Vergabekammer habe mit Verfügung vom 14.11.2024, Az. 5090-250-4003/490, die beabsichtigte Zuschlagserteilung der Leistung ab 01.01.2025 an die BEI gemäß § 169 Abs. 1 GWB, bis zur Entscheidung der Vergabekammer und dem Ablauf der Beschwerdefrist, untersagt. Der AG beachte das Zuschlagserteilungsverbot, müsse aber sicherstellen, dass seine öffentlichen Gebäude - insbesondere die Schulgebäude - auch ab 02.01.2025 während des Nachprüfungsverfahrens den gegebenen Hygienevorschriften entsprechend gereinigt würden und habe sich veranlasst gesehen, eine Interimsvergabe für den Monat Januar 2025 vorzunehmen. Dabei habe sich der AG rechtsfehlerfrei von der in § 167 Abs. 1 Satz 1 GWB festgelegten Regelfrist von 5 Wochen ab Eingang des Antrags am 14.11.24 leiten lassen. Eine Interimsvergabe für den Monat Januar 2025 sei daher für ausreichend angesehen worden.
Der Gesamtbetrag der ermittelten Kostenschätzung für die Interimsvergabe der drei Lose 1, 2 und 4 im Monat Januar 2025 beziffere sich auf 184.840,00 Euro und liege damit deutlich unter dem EU-Schwellenwert von 221.000,00 Euro. Die gebotene Interimsvergabe für den Zeitraum 02.01.2025 bis 31.01.2025 sei rechtsfehlerfrei im Vergabeverfahren gemäß UVgO erfolgt. Aus den Vergabeunterlagen gehe der ausgeschriebene Maßnahmenzeitraum 02.01.2025 bis 31.01.2025 unzweideutig hervor. Davon gehe die AST in ihrem Nachprüfungsantrag vom 23.12.2024 folgerichtig aus. Eine von der AST gleichwohl vorgenommene Hochrechnung auf einen Jahresbetrag sei seitens des AG nicht nachvollziehbar und daher obsolet. Der Nachprüfungsantrag sei im Ergebnis wegen des Nichterreichens des EU-Schwellenwertes als unzulässig zurückzuweisen.
Einen Nachprüfungsantrag - ausdrücklich nach § 14 Abs. 2 Satz 1 ThürVgG - habe die AST nicht gestellt. Auf das weitere Vorbringen der AST werde daher nicht weiter eingegangen, hilfsweise werde auf den gesamten Akteninhalt der vorgelegten Vergabeakten und auf das Vorbringen in den Verfahren Az. 5090-250-4003/490 und 5090-250-4003/491 Bezug genommen.
Mit weiterer Veröffentlichung am 06.01.2025 im Th. Staatsanzeiger - Öffentlicher Teil (Nr. 1/2025) schrieb der AG im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung (UVgO; Vergabe-Nr. ...) die Interimsvergabe "Gebäudereinigung in verschiedenen Objekten des Landkreises Schmalkalden-Meiningen" vom 03.02.2025 bis 28.02.2025 national aus. Die zu vergebene Dienstleistung war nach Ziffer 5 der Bekanntmachung vom 06.01.2025 in drei Lose aufgeteilt: Los 1 Meiningen-Grabfeld, Los 2 Meiningen und Los 4 Schmalkalden. Streitgegenständlich ist vorliegend das Los 4.
Nach Ziffer 9 der Bekanntmachung wurde hinsichtlich der Vergabeunterlagen auf die elektronische Adresse "www.vergabe-suche.de" verwiesen. Gemäß dem, in den Vergabeunterlagen enthaltenen, Formblatt 631 "Aufforderung zur Abgabe eines Angebots" umfasste die Dienstleistung die Gebäudereinigung in verschiedenen Objekten des Landkreises Schmalkalden-Meiningen.
Unter Ziffer 13 der Bekanntmachung wurde zu den Eignungskriterien Folgendes ausgeführt:
"Der Bewerber hat zum Nachweis seiner Eignung folgende Unterlagen mit dem Angebot vorzulegen: siehe Formular 124 Eigenerklärung zur Eignung; Eigenerklärung nach § 8 ThürVgG; evtl. gemäß Leistungsverzeichnis geforderte Nachweise, Qualifikationen und Zertifikate".
Nach Ziffer 14 der Bekanntmachung war beabsichtigt, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen und es wurde bezüglich der weiteren Zuschlagskriterien auf das Formblatt "Erläuterung der Zuschlagskriterien" verwiesen. Der Inhalt des Formblatts war identisch zum Inhalt des in der öffentlichen Ausschreibung (Vergabe-Nr. ... ) vom 02.12.2024 verwandten Formblatts "Erläuterung der Zuschlagskriterien".
Das Formblatt 227 "Gewichtung der Zuschlagskriterien" sowie das Formblatt 125 "Sicherheitsauskunft und Verpflichtungserklärung Teilnehmer" waren nicht mehr in den Vergabeunterlagen des AG enthalten.
Nebenangebote waren nach Ziffer 7 der Bekanntmachung nicht zugelassen. Schlusstermin für den Eingang der Angebote war gemäß Ziffer 10 der Bekanntmachung der 14.01.2025, 10 Uhr.
Auf Nachfrage der Vergabekammer vom 08.01.2025 teilte der AG mit Schreiben vom 10.01.2025 mit, der Zuschlag hinsichtlich der Interimsvergabe "Unterhaltsreinigung in verschiedenen Objekten des Landkreises Schmalkalden-Meiningen vom 02.01.2025 bis 31.01.2025" (Vergabe-Nr. ... ) sei am 27.12.2024 an die BEI erteilt worden. Zudem überreichte der AG mit obigem Schreiben eine sogenannte "Kostenschätzung zur Interims-Ausschreibung Reinigungsleistungen für Januar 2025 (Aufstellung nach bestehenden Verträgen)". Aus dieser Kostenschätzung geht hervor, dass der geschätzte Gesamtauftragswert für einen Monat, betreffend die Lose 1, 2 und 4, 155.327,73 Euro netto beträgt.
Die AST rügte erneut mit Schreiben vom 10.01.2025 die vom AG veröffentlichten Ausschreibungsunterlagen sowie das bisher durchgeführte Vergabeverfahren (Vergabe-Nr. BGV001/2025). Das bisher durchgeführte Vergabeverfahren verstoße gegen die bieterschützenden Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz, der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit gemäß § 97 Abs. 1 und 2 GWB. Die Interimsvergabe habe europaweit ausgeschrieben werden müssen. Die AST rüge vorsorglich, dass die BEI nicht geeignet sei. Die fehlende Eignung ergebe sich anhand der durch die AST festgestellten mangelhaften Reinigungsleistungen. Die BEI habe nicht genügend Personal. In diesem Zusammenhang verweise die AST auf die Rechtsprechung der Vergabekammer Südbayern (Beschl. v. 30.05.2022, 3194.Z3-3_01-21-61, beck-online, Rn. 45), wonach sich eine Überprüfungspflicht des öffentlichen Auftraggebers ergebe, wenn konkrete Tatsachen das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht plausibel erscheinen ließen. Konkrete Tatsachen seien vorgetragen. Der AG sei zur Aufklärung und zum Ausschluss der BEI verpflichtet.
Mit Schreiben vom 13.01.2025 machte die AST die Interimsvergabe "Kurzfristige Vergabe von Reinigungsleistungen von 03.02.2025 bis 28.02.2025" bzgl. des Loses 4 des AG im Wege der Antragserweiterung zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens und beantragte nunmehr ergänzend:
Zu 1. Das anhängige Nachprüfungsverfahren wird wegen der rechtswidrigen De-facto-Vergabe "Kurzfristige Vergabe von Reinigungsleistungen von 03.02.2025 bis 28.02.2025" betreffend Los 4 erweitert.
Zu 4. Hilfsweise (für den Fall, dass der Zuschlag bereits erteilt wurde oder während des Verfahrens erteilt wird) wird festgestellt,
a.) dass die Antragstellerin durch das Vergabeverfahren "Kurzfristige Vergabe von Reinigungsleistungen von 03.02.2025 bis 28.02.2025" betreffend Los 4 in ihren Rechten verletzt ist,
b.) dass die geschlossenen Verträge zwischen dem Antragsgegner und der Beizuladenden nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 134 Abs. 2 Satz 1 GWB unwirksam sind.
Zu 8. Die Antragserweiterung wird dem Antragsgegner unverzüglich zugestellt.
Zu 10. Der Antragsgegner hat auch die Kosten der Antragserweiterung zu tragen.
Sodann führte die AST zur Antragserweiterung aus, dass diese zulässig und begründet sei. Der AG habe auch die Interimsvergabe "Kurzfristige Vergabe von Reinigungsleistungen vom 03.02.2025 bis 28.02.2025" europaweit ausschreiben müssen.
Unter Umgehung des Zuschlagsverbots infolge der Nachprüfungsverfahren betreffend die Interimsvergabe erbringe die BEI die Dienstleistung. Der AG habe ein Schreiben an die Hausmeister gefertigt, aus denen sich Leistungsausfälle ergäben. In dem Schreiben stehe, dass der AG derzeit in regem Austausch mit der Firma stehen würde, um schnellstmöglich eine geordnete Reinigung zu erreichen. Zu allen Problemen würde der AG im ständigen Kontakt mit der neuen Reinigungsfirma stehen. Der AG sei um eine Lösung bemüht. Die Recherchen der AST (Stand: 08.01.2025) hätten folgendes Ergebnis erbracht: Im Gebiet Meiningen (Los 1 und 2) gebe es vor allem Probleme mit der Materialbeschaffung. Eine Reinigungskraft der AST solle unbedingt bei der BEI anfangen und sei gebeten worden, den Antragsteller-Arbeitsvertrag einmal mitzubringen, dieser würde dann geprüft werden. Im Gebiet Schmalkalden (Los 4) gebe es vor allem Probleme dabei Personal zu finden.
Der AG habe im Th. Staatsanzeiger - Öffentlicher Teil, 0010014 - die Lose Nummer 1, 2 und 4 für die "kurzfristige Vergabe von Reinigungsleistungen vom 03.02.2025 bis 28.02.2025" ausgeschrieben. In der Bekanntmachung sei unter Nummer 10 folgendes vorgegeben: "Ablauf der Angebotsfrist: 14.01.2025, um 10:00 Uhr; Ablauf der Bindefrist: 31.01.2025". Mit Schriftsatz vom 10.01.2025 habe die AST die Vergabe gerügt und mit E-Mail vom 10.01.2025 noch die zu kurze Ausführungsfrist gerügt. Eine Reaktion des AG sei nicht erfolgt, so dass die Antragserweiterung zur Wahrung der Rechte der AST notwendig sei.
Die Antragserweiterung sei zulässig. Die angerufene Vergabekammer sei für die Entscheidung über den Antrag zuständig. Der einschlägige Schwellenwert sei überschritten, da der Auftragswert der Interimsvergaben zusammen zu addieren sei. Der AG habe zunächst die gegenständliche Leistung interimsweise ab 02.01.2025 bis 31.01.2025 ausgeschrieben und rechtswidrig trotz Nachprüfungsverfahren De-facto an die BEI vergeben. Jetzt wolle er die Reinigungsdienstleistungen vom 03.02.2025 bis 28.02.2025 vergeben. Insoweit gehe aus den Vergabeunterlagen der ausgeschriebene Maßnahmenzeitraum von einem Monat unzweideutig hervor. Gerade die Festlegung auf einen Monat werde gerügt, weil - wie die Notwendigkeit der zweiten Interimsvergabe zeige -, der gewählte Monatszeitraum viel zu kurz sei. Der AG müsse bei der Terminierungspraxis der Vergabekammer von einem längeren Zeitraum ausgehen. Dies sei dem AG spätestens seit der Verfügung der Vergabekammer vom 10.12.2024 betreffend die Hauptvergabe, in der die Entscheidungsfrist in dem Nachprüfungsverfahren bis zum 26.02.2025 verlängert worden sei, sowie aus dem Vortrag der AST bezüglich der Hauptvergabe und der ersten Interimsvergabe, bekannt.
Daher sei die gegenständliche Interimsvergabe letztlich nur eine Verlängerung der ersten Interimsvergabe und es sei zumindest der Auftragswert für die gesamte Leistungszeit (ab dem 01.01.2025) zu Grunde zulegen. Dies folge auch daraus, dass nach § 3 Abs. 2 Satz 1 VgV die Wahl der Methode zur Berechnung des geschätzten Auftragswerts nicht in der Absicht erfolgen dürfe, die Anwendung der Bestimmungen des 4. Teils des GWB oder der VgV zu umgehen. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 VgV dürfe eine Auftragsvergabe nicht so unterteilt werden, dass sie nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des GWB oder der VgV falle, es sei denn, es lägen objektive Gründe dafür vor, etwa wenn eine eigenständige Organisationseinheit selbstständig für ihre Auftragsvergabe oder bestimmte Kategorien der Auftragsvergabe zuständig sei. Aus der Rechtsprechung des OLG Frankfurt (Beschl. v. 14.11.2022, 11 Verg 5/22, Rn. 33) folge, dass Interimsaufträge zwar grundsätzlich selbständig neben den Hauptverträgen stünden und in ihrer Zuordnung zum Unterschwellen- bzw. Oberschwellenbereich selbständig zu beurteilen seien. Jedoch seien die Interimsaufträge im Hinblick auf das im Rahmen der Schätzung des Auftragswertes nach § 3 VgV zu beachtende Umgehungsverbot des § 3 Abs. 2 Satz 1, 2 VgV zu addieren, soweit der einheitliche (Interims-) Beschaffungsbedarf in der Absicht, die Anwendung des Kartellvergaberechts zu umgehen, künstlich aufgespalten werde, sei es durch mehrere Interimsaufträge, sei es durch eine Kombination aus Vertragsverlängerungen und (neuen) Interimsaufträgen. Das sei durch die zahlreichen Einzelverträge der Fall, die alle dem gleichen Beschaffungsbedarf dienen würden, nämlich der Sicherstellung der Leistung bis zur Neuvergabe, der sachgerecht und naheliegend durch eine auf diesen Zeitpunkt abstellende Vertragsverlängerung oder einen hierauf abstellenden Interimsvertrag zu decken gewesen wäre. Dies sei auch vorliegend der Fall. Die zugrundeliegenden zwei Interimsvergaben dienten der Sicherstellung der Leistungserbringung aufgrund der anhängigen Nachprüfungsverfahren bei der angerufenen Vergabekammer betreffend die Hauptvergabe. Bereits bei der Ausschreibung der ersten Interimsvergabe sei absehbar gewesen, dass das Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Hauptausschreibung bei der üblichen Verfahrensdauer der angerufenen Vergabekammer mehrere Monate in Anspruch nehme. Mithin sei, unabhängig von der bisherigen Begründung, der einschlägige Schwellenwert überschritten.
Die Antragserweiterung sei aufgrund der Sachnähe zum Nachprüfungsantrag zulässig. Insoweit seien auch Antragsänderungen und -erweiterungen (vgl. §§ 263, 264 ZPO) mit dem Vergaberecht grundsätzlich vereinbar, soweit keine bestands- oder rechtskräftige Entscheidung ergangen sei. Es liege eine Erweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO vor, die ohne weiteres zulässig sei. Auch eine Änderung nach § 263 ZPO sei zulässig, da sachdienlich. Es wäre eine unnötige Förmelei die AST auf einen weiteren Nachprüfungsantrag zu verweisen, insbesondere, weil sie argumentiere, dass die Interimsvergabe vergabewidrig in verschiedene Einzelaufträge aufgeteilt worden sei. Die AST sei für die Antragserweiterung gemäß § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB antragsbefugt. Die Rüge sei, obwohl nicht notwendig, unverzüglich erhoben worden.
Die Antragserweiterung sei auch begründet. Der AG habe das Zuschlagsverbot missachtet. Die Ausführung des AG, dass er das Zuschlagserteilungsverbot beachten werde, sei erkennbar unwahr. Die BEI habe bereits am 18.12.2024 im Berufsbildungszentrum Meiningen Geräte und andere Utensilien eingeräumt. Dies sei lange vor Vertragsbeginn. Der AG habe genügend Zeit für ein ordnungsgemäßes Verfahren gehabt, was gerügt worden sei. Auch aus der Mitteilung an die Hausmeister ergebe sich, dass eine "neue" Firma (ohne Vergabeverfahren) beauftragt worden sei.
Soweit der AG sich damit verteidige, dass die AST einen Nachprüfungsantrag - ausdrücklich nach § 14 Abs. 2 Satz 1 ThürVgG - nicht gestellt habe, sei darauf hinzuweisen, dass bei einer oberschwelligen Vergabe (wie vorliegend) das GWB Anwendung finde und nicht das ThürVgG. Mit der Zustellung eines oberschwelligen Nachprüfungsantrages seien einschneidendere Folgen verbunden als mit einer unterschwelligen Beanstandung, nämlich das Zuschlagsverbot während des Nachprüfungsverfahrens, welches nach § 14 Abs. 2 Satz 2 ThürVgG nicht vorgesehen sei. Auch ein aus Sicht des AG unzulässiger Nachprüfungsantrag löse das Zuschlagsverbot aus.
Es lägen intransparente und rechtswidrige Zuschlagskriterien vor, auf deren Grundlage kein Zuschlag erfolgen könne. Auch wenn der AG bei der zugrundeliegenden Interimsvergabe (Februar 2025) nicht mehr das Formblatt "Gewichtung der Zuschlagskriterien" verwende, seien die Zuschlagskriterien entsprechend dem Formblatt "Erläuterungen der Zuschlagskriterien" weiterhin rechtswidrig. Unabhängig davon müsse der AG in dem Nachprüfungsverfahren abhelfen, da der AG das Formblatt "Gewichtung der Zuschlagskriterien" nicht mehr verwende und seine Rechtswidrigkeit mithin erkannt habe.
Die Eignungskriterien seien nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Die AST habe vorsorglich gerügt, dass die BEI nicht geeignet sei. Die fehlende Eignung ergebe sich anhand der durch die AST festgestellten mangelhaften Reinigungsleistungen (vgl. Sachverhalt). Des Weiteren habe die BEI nicht genügend Personal. In diesem Zusammenhang verweise die AST auf die Rechtsprechung der Vergabekammer Südbayern (a.a.O.), wonach sich eine Überprüfungspflicht des öffentlichen Auftraggebers ergebe, wenn konkrete Tatsachen das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht plausibel erscheinen ließen. Konkrete Tatsachen seien vorliegend im Sachverhalt vorgetragen worden. Der AG sei also zur Aufklärung und zum Ausschluss der BEI verpflichtet, was er rechtswidrig unterlassen habe. Die Leistungsbeschreibung und die sonstigen Vergabeunterlagen seien intransparent gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB. Das Vergabeverfahren leide auch allgemein an Verfahrensfehlern. Insofern verweise die AST auf den bisherigen Sachvortrag.
Der AG habe seine Pflicht zur Beantwortung von Bieterfragen verletzt. Dies gelte auch für die mit der Rüge vom 10.01.2025 gestellten Fragen.
Die gerügten Vergabeunterlagen hätten zur Folge, dass - je nachdem wie lange der AG zur Auswertung der Angebote benötige - die Ausführungsfrist nur zwei Tage betragen könne, wobei der 1. Februar ein Samstag und der 2. Februar ein Sonntag sei. Das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 19.06.2013, Verg 4/13) habe anerkannt, dass eine lediglich drei Tage umfassende Ausführungsfrist unangemessen kurz sei. Ein Wochenende zum Leistungsbeginn sei zu kurz, zumal die AST und auch andere Leistungserbringer für die Vertragsaufnahme umfassende Vorbereitungsmaßnahmen treffen und eine entsprechende Sorgfaltspflicht walten lassen müssten. Die AST habe die mit diesen Vorgaben einhergehende rechtswidrige Bevorzugung des De-Facto-Leistungserbringers, mithin die BEI, gerügt. Es liege eine rechtswidrige De-Facto-Vergabe vor, weil keine europaweite Ausschreibung unter Anwendung des 4. Teils des GWB stattgefunden habe. Das Vergabeverfahren sei aufzuheben und in den Stand vor Bekanntmachung zurückzuversetzen.
Die Vergabekammer hat am 13.01.2025 dem AG die Antragserweiterung übermittelt und diesen um Vorlage der Vergabeakte bzgl. der Interimsvergabe "Kurzfristige Vergabe von Reinigungsleistungen vom 03.02.2025 bis 28.02.2025" (Vergabe-Nr. BGV001/2025) bis zum 16.01.2025 und um Stellungnahme zur Antragserweiterung bis zum 20.01.2025 gebeten.
Der AG hat der Vergabekammer am 16.01.2025 die Vergabeakte übersendet.
Die übersandte Vergabeakte enthielt eine sogenannte "Kostenschätzung zur Interims-Ausschreibung Reinigungsleistungen für Februar 2025 (Aufstellung nach bestehenden Verträgen)". Aus dieser Kostenschätzung geht hervor, dass der geschätzte Gesamtauftragswert für einen Monat, betreffend die Lose 1, 2 und 4, 155.327,73 Euro netto beträgt.
Die AST reichte kein Angebot im Rahmen der Interimsvergabe "Kurzfristige Vergabe von Reinigungsleistungen vom 03.02.2025 bis 28.02.2025" (Vergabe-Nr. BGV001/2025) für das Los 4 ein. Die BEI gab ein Angebot für das Los 4 ab.
Der AG hat mit Schriftsatz vom 17.01.2025 auf die Antragserweiterung erwidert und beantragt:
1. Die Erweiterung des Nachprüfungsantrags vom 13.01.2025 wird zurückgewiesen.
2. Vorsorglich werden die Hilfsanträge zurückgewiesen.
3. Die Antragstellerin trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens einschließlich der zweckentsprechenden Rechtverfolgungskosten des Antragsgegners.
Zur Begründung wiederholte und vertiefte der AG sein bisheriges Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 06.01.2025. Der neuerliche Nachprüfungsantrag sei nicht statthaft, unzulässig und daher zurückzuweisen. Die AST sei nicht in ihren Rechten verletzt.
Die AST habe mit E-Mails vom Freitag, den 10.01.2025, um 12:49 Uhr und 16:42 Uhr vermeintliche Vergabefehler gerügt und am Montag, den 13.01.2025, bereits den neuerlichen Nachprüfungsantrag mit Hilfsanträgen gestellt. Die AST rüge vermeintliche zu kurze Ausführungsfristen, lasse aber dem AG überhaupt keine Gelegenheit, auf ihre Rügen einzugehen. Auf eine Bewertung dieses "Zeitfensters" werde verzichtet. Dies könne letztlich dahinstehen, da der AG rechtsfehlerfrei gehandelt habe und auch weiterhin rechtsfehlerfrei handeln werde. Das Ende der Bindefrist habe mit dem Beginn der Ausführungsfrist nichts zu tun. Gerügt werde nicht die Angebotsfrist. Diese sei angemessen gewesen, da die Vergabegrundlagen sich eigentlich seit 08/2024 nicht verändert hätten und im Ergebnis zum dritten Mal - diesmal heruntergebrochen auf den Monat Februar 2025 - bekanntgemacht worden seien.
Die AST habe den Nachprüfungsantrag bzgl. des Loses 4 für die "große Vergabe" für den Zeitraum 01.01.2025 - 22.07.2028 gestellt. Der AG dürfe bis zur Entscheidung der Vergabekammer und dem Ablauf der Beschwerdefrist den Zuschlag für das "große Vergabeverfahren" nicht erteilen. Der AG müsse und dürfe diesen Zeitraum, das Vakuum/die Vakanz, überbrücken können. Er sei hierzu gesetzlich verpflichtet. Die gesetzlichen Pflichten für Reinigung und Einhaltung der Hygienevorschriften insbesondere an den Schulen - der AG sei Schulträger - ergebe sich namentlich aus § 33 Infektionsschutzgesetz (i.V.m. DIN 77400). Die Einholung einer Stellungnahme des Gesundheitsamtes des AG werde angeregt. Die Vergabekammer habe den AG mit Schreiben vom 14.11.2024 über den gestellten Nachprüfungsantrag vom 13.11.2024 informiert. Der AG sei fortan rechts- und ermessensfehlerfrei von der gesetzlichen fünfwöchigen Regelfrist des § 167 Abs. 1 Satz 1 GWB, einer etwaigen zweiwöchigen Verlängerungsfrist nach § 167 Abs. 1 Satz 4 GWB und der zweiwöchigen Notfrist nach § 170 Abs. 1 GWB für die Einlegung der sofortigen Beschwerde und mit einem Abschluss des Nachprüfungsverfahrens einschließlich des Ablaufs der Rechtsmittelfrist am 15.01.2025, ausgegangen. Im Ergebnis habe sich der AG veranlasst gesehen, eine Interimsvergabe für den Monat Januar 2025 auf den Weg zu bringen. Dementsprechend sei ausschließlich für den Monat Januar 2025 am 02.12.2024 die Ausschreibung der Interimsvergabe wegen Nichterreichens des EU-Schwellenwertes im nationalen Verfahren (Vergabe-Nr. BGV 121/2024) erfolgt.
Mit Verfügung vom 10.12.2024 habe die Vergabekammer die Entscheidungsfrist im "großen Vergabeverfahren" bis zum 26.02.2025 verlängert. Der AG habe sich daher veranlasst gesehen, eine weitere - neue - Interimsvergabe für den Monat Februar 2025 (Vergabe-Nr. BGV001/2025) auf den Weg zu bringen. Da bei dieser Interimsvergabe für den Monat Februar 2025 der EU-Schwellenwert wiederum deutlich unterschritten werde, habe der AG ein nationales Vergabeverfahren eingeleitet. Dieses sei für den AG im November 2024 - bei der Einleitung des ersten Interimsverfahrens für den Monat Januar 2025 - nicht absehbar gewesen. Nach Rechtsauffassung des AG könne daher der für das neuerliche Vergabeverfahren zugrundeliegende Auftragswert des Vergabeverfahrens für die Interimsvergabe Januar 2025 nicht aufaddiert werden, sondern müsse getrennt betrachtet werden. Das Bemühen der AST zur rechtswidrigen Erreichung des EU-Schwellenwertes sei nicht zu verkennen. Dies mache die nunmehrige Erweiterung ihres Nachprüfungsantrages vom 13.01.2025 überdeutlich.
Der AG sei nach wie vor der Rechtsauffassung, dass beide Interimsvergaben völlig unabhängig voneinander zu betrachten seien und dass die gewählten nationalen Vergabeverfahren rechtsfehlerfrei seien. Der Vorwurf, der AG unterlaufe das Umgehungsverbot, werde zurückgewiesen. Die Antragserweiterung vom 13.01.2025 sei daher wegen Nichterreichens des EU-Schwellenwertes ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen. Die AST habe gemäß § 14 Abs. 2 Satz 4 ThürVgG im unterschwelligen Bereich keinen Anspruch auf Tätigwerden der Vergabekammer.
Hinzu komme, dass die AST kein Angebot für die Interimsvergabe für Februar 2025 abgegeben habe, sodass das Tatbestandsmerkmal "Bieter" gänzlich fehle. Allein aus diesem Grunde sei eine Rechtsverletzung der AST undenkbar. Im Ergebnis bleibe für den AG auch für den Monat Februar 2025 alternativlos eine Interimsvergabe im nationalen Verfahren. Der AG habe dabei insbesondere das höherrangige Bundesrecht des § 33 Infektionsschutzgesetz mit dem landesrechtlichen § 14 Abs. 2 ThürVgG abzuwägen. Nach der Gesetzespyramide habe § 33 Infektionsschutzgesetz eindeutig Vorrang.
Mit Beschluss der Vergabekammer vom 21.01.2025 wurde die BEI zum Verfahren hinzugezogen.
Mit Schreiben vom 21.01.2025 erteilte der AG der BEI den Zuschlag für das Los 4 bzgl. der Interimsvergabe "Kurzfristige Vergabe von Reinigungsleistungen vom 03.02.2025 bis 28.02.2025" (Vergabe-Nr. BGV001/2025).
Mit Schriftsatz vom 24.01.2025 überreichte die AST der Vergabekammer zwei Zeitungsartikel vom 19.01.2025 sowie vom 22.01.2025 und wiederholte ihr Vorbringen, dass die BEI nicht geeignet sei. In den Zeitungsartikeln werde über die derzeit vorherrschende Reinigungssituation an einigen Schulen in Thüringen berichtet, die seit dem 01.01.2025 von der BEI gereinigt würden.
Mit weiterer Veröffentlichung am 27.01.2025 im Th. Staatsanzeiger - Öffentlicher Teil (Nr. 4/2025) schrieb der AG im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung (UVgO; Vergabe-Nr. BGV008/2025) die Interimsvergabe "Gebäudereinigung in verschiedenen Objekten des Landkreises Schmalkalden-Meiningen" vom 03.03.2025 bis 31.03.2025 national aus. Die zu vergebene Dienstleistung war nach Ziffer 5 der Bekanntmachung vom 27.01.2025 in drei Lose aufgeteilt: Los 1 Meiningen-Grabfeld, Los 2 Meiningen und Los 4 Schmalkalden. Streitgegenständlich ist vorliegend das Los 4.
Nach Ziffer 9 der Bekanntmachung wurde hinsichtlich der Vergabeunterlagen auf die elektronische Adresse "www.vergabe-suche.de" verwiesen. Gemäß dem, in den Vergabeunterlagen enthaltenen, Formblatt 631 "Aufforderung zur Abgabe eines Angebots" umfasste die Dienstleistung die Gebäudereinigung in verschiedenen Objekten des Landkreises Schmalkalden-Meiningen.
Unter Ziffer 13 der Bekanntmachung wurde zu den Eignungskriterien Folgendes ausgeführt:
"Der Bewerber hat zum Nachweis seiner Eignung folgende Unterlagen mit dem Angebot vorzulegen: siehe Formular 124 Eigenerklärung zur Eignung; Eigenerklärung nach § 8 ThürVgG; evtl. gemäß Leistungsverzeichnis geforderte Nachweise, Qualifikationen und Zertifikate".
Nach Ziffer 14 der Bekanntmachung war beabsichtigt, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen und es wurde bezüglich der weiteren Zuschlagskriterien auf das Formblatt "Erläuterung der Zuschlagskriterien" verwiesen. Der Inhalt des Formblatts war identisch zum Inhalt des in der öffentlichen Ausschreibung (Vergabe-Nr. ... ) vom 02.12.2024 verwandten Formblatts "Erläuterung der Zuschlagskriterien".
Das Formblatt 227 "Gewichtung der Zuschlagskriterien" sowie das Formblatt 125 "Sicherheitsauskunft und Verpflichtungserklärung Teilnehmer" waren nicht mehr in den Vergabeunterlagen des AG enthalten.
Nebenangebote waren nach Ziffer 7 der Bekanntmachung nicht zugelassen. Schlusstermin für den Eingang der Angebote war gemäß Ziffer 10 der Bekanntmachung der 10.02.2025, 10 Uhr.
Die Vergabekammer hat der AST am 28.01.2025 Einsicht in die Vergabeakten mit den Vergabenummern BGV121/2024 und BGV001/2025 gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren.
Die AST rügte erneut mit Schreiben vom 04.02.2025 die vom AG veröffentlichten Ausschreibungsunterlagen sowie das bisher durchgeführte Vergabeverfahren (Vergabe-Nr. BGV008/2025). Das bisher durchgeführte Vergabeverfahren verstoße gegen die bieterschützenden Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz, der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit gemäß § 97 Abs. 1 und 2 GWB. Die Interimsvergabe habe europaweit ausgeschrieben werden müssen. Die monatlichen Ausschreibungen (Januar, Februar und März) des AG seien rechtsmissbräuchlich und dienten nur dazu, die BEI zu bevorzugen. Mit der Aufspaltung der Interimsvergabe in einzelne Aufträge umgehe der AG rechtswidrig das Vergaberecht.
Mit Schreiben vom 06.02.2025 machte die AST die Interimsvergabe "Kurzfristige Vergabe von Reinigungsleistungen von 03.03.2025 bis 31.03.2025" bzgl. des Loses 4 des AG im Wege der Antragserweiterung zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens und beantragte nunmehr ergänzend:
Zu 1. Das anhängige Nachprüfungsverfahren wird wegen der rechtswidrigen De-facto-Vergabe "Kurzfristige Vergabe von Reinigungsleistungen von 03.03.2025 bis 31.03.2025" betreffend das Los 4 erweitert.
Zu 4. Hilfsweise (für den Fall, dass der Zuschlag bereits erteilt wurde oder während des Verfahrens erteilt wird) wird festgestellt,
a.) dass die Antragstellerin durch das Vergabeverfahren "Kurzfristige Vergabe von Reinigungsleistungen von 03.03.2025 bis 31.03.2025" betreffend das Los 4 in ihren Rechten verletzt ist,
b.) dass die geschlossenen Verträge zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 134 Abs. 2 Satz 1 GWB unwirksam sind.
Zu 8. Die Antragserweiterung wird dem Antragsgegner unverzüglich zugestellt.
Zu 10. Der Antragsgegner hat auch die Kosten der Antragserweiterung zu tragen.
Sodann wiederholte und vertiefte die AST ihr Vorbringen aus dem Nachprüfungsantrag vom 23.12.2024 und der Antragserweiterung vom 13.01.2025. Die AST führte aus, dass die zulässige Antragserweiterung begründet sei. Auch diese Vergabe habe europaweit ausgeschrieben werden müssen.
Mit Schreiben vom 04.02.2025 habe die AST auch die Vergabe "März 2025" gerügt. Eine Reaktion sei nicht erfolgt, so dass die Antragserweiterung zur Wahrung der Rechte der AST erforderlich sei, zumal der AG deutlich gemacht habe, dass er weiterhin monatliche Interimsvergaben vornehmen werde. Der Auftragswert der Interimsvergaben Januar, Februar und März 2025 sei nach § 3 Abs. 1 VgV zusammenzurechnen. Die von dem AG gewählten Monatszeiträume seien viel zu kurz bemessen. Die gegenständliche Interimsvergabe sei letztlich nur eine Verlängerung der ersten Interimsvergabe und es sei zumindest der Auftragswert für die gesamte Leistungszeit (also ab dem 01.01.2025) zugrunde zu legen. Auch die aktuelle Vergabe für den März 2025 erfolge zur Sicherstellung der Leistungserbringung aufgrund des anhängigen Nachprüfungsverfahrens bei der hiesigen Vergabekammer betreffend die Hauptvergabe. Dem AG gehe es eindeutig um die Überbrückung des Zeitraums bis zu einer Entscheidung der Vergabekammer hinsichtlich der Hauptvergabe. Ferner sei der AG bei seiner Entscheidung über den zu überbrückenden Zeitraum nicht von realistischen Verhältnissen ausgegangen. Im Nachprüfungsverfahren "Hauptvergabe" sei noch nicht einmal absehbar, wann eine mündliche Verhandlung stattfinden könne. Zudem habe die hiesige Vergabekammer im zugrundeliegenden Verfahren die Entscheidungsfrist zuletzt mit Verfügung vom 21.01.2025 auf den 03.03.2025 verlängert. Das bedeute, dass auch die Interimsvergabe für den März (weil auch schon wieder Januar vorbei sei) nicht ausreichen werde. Realistisch sei eine weitere Interimsvergabe von mindestens drei (besser neun) Monaten. Ein Auftraggeber habe Verzögerungen, die sich aus einem Nachprüfungsverfahren ergäben, grundsätzlich hinzunehmen und in seine Planungen einzukalkulieren. Dies sei vorliegend nicht geschehen. Daher schreibe der AG jetzt monatsweise die Leistungen aus. Soweit der AG vortrage, dass er durch die Vergabekammer mit Schreiben vom 14.11.2024 über den gestellten Nachprüfungsantrag vom 13.11.2024 informiert worden sei und er fortan rechts- und ermessensfehlerfrei von der gesetzlichen fünfwöchigen Regelfrist des § 167 Abs. 1 Satz 1 GWB ausgegangen sei, einer etwaigen zweiwöchigen Verlängerungsfrist nach § 167 Abs. 1 Satz 4 GWB und der zweiwöchigen Notfrist nach § 170 Abs. 1 GWB für die Einlegung der sofortigen Beschwerde, unterschlage der AG, dass die AST ihn bereits mit Rüge vom 13.12.2024 ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass die Entscheidungsfrist im Verfahren betreffend die Hauptvergabe bis zum 27.02.2025 verlängert worden sei. Hier habe dem AG also auffallen müssen, dass seine Kalkulationen nicht zutreffend seien. Er habe wenigstens für die Vergabe ab Februar einen längeren Zeitraum wählen müssen. Mithin seien die Auftragswerte der drei Interimsvergaben zusammenzurechnen. Nach der Kostenschätzung des AG sei der Schwellenwert bereits ab zwei Monaten überschritten. Zudem mache die nun dritte Interimsvergabe in Folge sehr deutlich, dass hier eine vorsätzliche Umgehung des Vergaberechts nach § 3 Abs. 2 Satz 1, 2 VgV vorliege.
Die Antragserweiterung sei aufgrund der Sachnähe zum Nachprüfungsantrag zulässig. Auch sei die AST nach § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Maßgeblich sei ihr Interesse an dem ausgeschriebenen Auftrag und den Vertragsfortsetzungen. Die AST habe sich auf die Interimsvergabe "Januar 2025" beworben. Hinsichtlich der Vergaben Februar und März gehe die AST davon aus, dass eigentlich eine zusammenhängende Vergabe vorliege und habe damit auch ihr Interesse an den künstlich aufgespalteten Ausschreibungen bekundet. Die AST könne nicht dazu gezwungen werden, sich an einer diskriminierenden und willkürlichen Ausschreibung, die sie mehrmals gerügt habe, zu beteiligen.
Die Antragserweiterung sei auch begründet. Es liege eine rechtswidrige De-Facto-Vergabe vor. Es lägen intransparente und rechtswidrige Zuschlagskriterien vor, auf deren Grundlage kein Zuschlag erfolgen könne. Die Eignungskriterien seien nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Die Leistungsbeschreibung und die sonstigen Vergabeunterlagen seien gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB intransparent.
Das Vergabeverfahren leide auch allgemein an Verfahrensfehlern. Die Akteneinsicht habe zwar ergeben, dass jeweils eine Kostenschätzung für die Monate Januar und Februar vorliege, wobei aber wegen fehlender Datumsangabe schon gar nicht nachvollzogen werden könne, wann diese erstellt worden sei bzw. ob diese in Übereinstimmung mit § 3 Abs. 3 VgV an dem Tag, an dem die Auftragsbekanntmachung abgesendet oder das Verfahren auf sonstige Weise eingeleitet worden sei, vorgenommen worden sei. Auch die Vergabeempfehlung des AG habe aufgezeigt, dass dieser sich gar nicht mit dem Thema Überschreitung des Schwellenwertes auseinandergesetzt habe. Er habe insbesondere nicht geprüft, für welchen Zeitraum eine Interimsvergabe notwendig sei. Dazu heiße es lediglich unter Ziffer 1 der Vergabeempfehlung, für den Monat Januar betrügen die Kosten entsprechend der Auswertung aller Angebote für die Dienstleistung in Summe 154.680,18 Euro/brutto. Dies deute daraufhin (da die Vergabeempfehlung lediglich auf den Angebotspreisen basiere), dass zuvor gar keine Auftragswertschätzung stattgefunden habe. Die AST habe bereits bei ihrer Rüge vom 10.01.2025 vorgetragen, dass die BEI nicht geeignet sei, da diese schon nicht genügend Personal habe. Aus der Akteneinsicht lasse sich nicht entnehmen, dass der AG diesen Rügepunkt in irgendeiner Weise geprüft bzw. dokumentiert habe. Letztlich fehlten auch die Zuschlagsschreiben in der Vergabeakte. Mithin liege eine ungenügende Dokumentation vor.
Der AG habe auch weiterhin seine Pflicht zur Beantwortung von Bieterfragen verletzt. Die Ausführungsfristen seien gegebenenfalls zu kurz gewählt - je nachdem wie lange der AG zur Auswertung der Angebote benötige. Der AG trage lediglich vor, dass das Ende der Bindefrist mit dem Beginn der Ausführungsfrist nichts zu tun habe. Dies sei von der AST auch gar nicht behauptet worden. Sodann heiße es vom AG, gerügt worden sei nicht die Angebotsfrist. Dies sei zutreffend, für die AST sei nur nicht ersichtlich wie dies mit der zu kurzen Ausführungsfrist (also der Zeit zwischen Zuschlag und Leistungsbeginn) zusammenhänge.
Die Vergabekammer hat am 07.02.2025 dem AG die Antragserweiterung übermittelt und diesen um Vorlage der Vergabeakte bzgl. der Interimsvergabe "Kurzfristige Vergabe von Reinigungsleistungen vom 03.03.2025 bis 31.03.2025" (Vergabe-Nr. BGV008/2025) bis zum 12.02.2025 und um Stellungnahme zur Antragserweiterung bis zum 14.02.2025 gebeten. Die AST reichte kein Angebot im Rahmen der Interimsvergabe "Kurzfristige Vergabe von Reinigungsleistungen vom 03.03.2025 bis 31.03.2025" (Vergabe-Nr. BGV008/2025) für das Los 4 ein. Die BEI gab ein Angebot für das Los 4 ab.
Der AG hat der Vergabekammer am 12.02.2025 die Vergabeakte übersendet. Die übersandte Vergabeakte enthielt eine sogenannte "Kostenschätzung für den Monat März 2025 mit Tariferhöhung (5 %)". Aus dieser Kostenschätzung geht hervor, dass der geschätzte Gesamtauftragswert für einen Monat, betreffend die Lose 1, 2 und 4, 163.096,64 Euro netto beträgt.
Der AG hat mit Schriftsatz vom 14.02.2025 auf die Antragserweiterung erwidert und beantragt:
1. Die Erweiterung des Nachprüfungsantrags vom 06.02.2025 als unzulässig zu verwerfen.
2. Vorsorglich die Hilfsanträge als unzulässig zu verwerfen.
3. Die Antragstellerin trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens einschließlich der zweckentsprechenden Rechtverfolgungskosten des Antragsgegners.
Zur Begründung wiederholte und vertiefte der AG sein bisheriges Vorbringen aus den Schriftsätzen vom 06.01.2025 und vom 17.01.2025. Der neuerliche Nachprüfungsantrag sei nicht statthaft, unzulässig und daher zu verwerfen. Die AST sei nicht in ihren Rechten verletzt und sie habe keine Antragsbefugnis. Die AST habe mit E-Mail vom 04.02.2025 pauschal und wieder nahezu gleichlautend vermeintliche Vergabefehler gerügt und am 06.02.2025 bereits den neuerlichen Nachprüfungsantrag mit Hilfsanträgen gestellt.
Der AG habe rechtsfehlerfrei gehandelt und werde auch weiterhin rechtsfehlerfrei handeln, da die Vergabegrundlagen sich eigentlich seit 07/2024 nicht verändert hätten und im Ergebnis zum vierten Mal - diesmal heruntergebrochen auf den Monat März 2025 - bekannt gemacht worden seien. Der AG gehe davon aus und dürfe auch davon rechtsfehlerfrei ausgehen, dass die Vergabekammer bis zum 26.02.2025 über das "Haupt-Vergabe-Nachprüfungsverfahren" entscheiden werde, sodass nur noch der Monat März 2025 durch eine weitere zulässige Interimsvergabe für den Monat März 2025 "überbrückt" werden müsse. Aus diesem Grunde habe der AG die zur Nachprüfung gestellte Interimsvergabe für den Monat März 2025 als nationales Vergabeverfahren, BGV008/2025, auf den Weg gebracht. Die Notwendigkeit der erneuten Interimsvergabe für den Monat März 2025 sei weder bei der Interimsvergabe für Januar 2025, noch bei der Interimsvergabe für Februar 2025 vorhersehbar gewesen. Nach Rechtsauffassung des AG könne daher der für das neuerliche Vergabeverfahren zugrundeliegende Auftragswert des Vergabeverfahrens für die Interimsvergabe März 2025 nicht aufaddiert werden, sondern müsse getrennt betrachtet werden.
Das Bemühen der AST zur rechtswidrigen Erreichung des EU-Schwellenwertes sei nicht zu verkennen. Dies mache die nunmehrige Erweiterung ihres Nachprüfungsantrags vom 06.02.2025 abermals überdeutlich. Der AG sei nach wie vor der Rechtsauffassung, dass die bisherigen monatlichen Interimsvergaben völlig unabhängig voneinander zu betrachten seien, und dass die gewählten nationalen Vergabeverfahren rechtsfehlerfrei seien. Der Vorwurf, der AG unterlaufe das Umgehungsverbot, werde zurückgewiesen. Der Nachprüfungsantrag vom 06.02.2025 sei daher im Ergebnis wegen Nichterreichens des EU-Schwellenwertes als unzulässig zu verwerfen.
Die AST habe wiederum kein Angebot für die Interimsvergabe für März 2025 abgegeben, sodass das Tatbestandsmerkmal "Bieter" auch diesmal gänzlich fehle. Die AST habe auch diesmal vermeintliche Fehler beim Vergabeverfahren pauschal gerügt, noch vor dem Submissionstermin einen Nachprüfungsantrag gestellt und wiederum kein Angebot abgegeben.
Die Vergabeunterlagen seien seit 07/2024 unverändert, sie hätten diesmal nur auf den Monat März 2025 heruntergebrochen werden müssen.
Die Einlassung, die Leistungsbeschreibung und die sonstigen Vergabeunterlagen seien fehlerhaft, sei nicht ansatzweise nachvollziehbar, zumal die AST im "Haupt-Vergabeverfahren" gerade auf die dann "fehlerhaften Vergabeunterlagen" (von ihr nicht beanstandet) den Zuschlag für das Los 3 - Rhön und Umgebung - erhalten habe.
Die AST müsse an der Abgabe eines Angebots gehindert oder erheblich beeinträchtigt sein. Es müssten gewichtige Vergaberechtsverstöße vorliegen. Bei dieser Sachlage lasse es die Vergabekammer Sachsen (Beschl. v. 22.10.2020, 1/SVK/023-20) im dortigen Fall ausreichen, wenn der Antragsteller nur vorprozessual Rüge erhebe und anschließend einen Nachprüfungsantrag stelle. Im Fall hier lägen aber keine Verfahrensverstöße vor, geschweige denn Gewichtige oder erheblich Beeinträchtigende.
All diese Widersprüche möge die AST aufklären. Der AG könne sich (bis dahin) nicht des subjektiven Eindrucks des Rechtsmissbrauchs der AST aus nicht mehr auszuschließenden sachwidrigen Gründen erwehren. Im Ergebnis bleibe für den AG auch für den Monat März 2025 alternativlos eine Interimsvergabe im nationalen Verfahren.
In dem AG erst am 12.02.2025 zugegangenen Schriftsatz vom 23.01.2025 rüge die AST erneut pauschal die Eignung der BEI. Der AG bekunde nochmals, dass er die Leistungsfähigkeit der BEI selbstverständlich nach den gesetzlichen Vorgaben geprüft habe. Der AG habe keine Zweifel an der Eignung der seit 115 Jahren bestehenden und bundesweit tätigen BEI mit inzwischen 5 Tochtergesellschaften, 8.500 Mitarbeiter/innen und 44 Standorten, vgl. Ausschnitt aus der Homepage der BEI.
Der AG verkenne auch nicht, dass bei der Auftragsvergabe in der vorliegenden Größenordnung eine marktübliche Vorlaufsfrist von 4 bis 6 Wochen nicht von der Hand zu weisen sei, ein Auftragnehmer einer Interimsvergabe durchaus ein gewisses oder gar hohes wirtschaftliches Risiko eingehe.
Mit Schreiben vom 20.02.2025 erteilte der AG der BEI den Zuschlag für das Los 4 bzgl. der Interimsvergabe "Kurzfristige Vergabe von Reinigungsleistungen vom 03.03.2025 bis 31.03.2025" (Vergabe-Nr. BGV008/2025).
Die Vergabekammer hat zuletzt mit Schreiben vom 27.02.2025 die Frist für die Entscheidung in der Sache um 2 Wochen bis zum 17.03.2025 verlängert.
Die Vergabekammer hat der AST am 04.03.2025 ergänzende Einsicht in die Vergabeakten mit den Vergabenummern BGV001/2025 und BGV008/2025 gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren.
Der nunmehr anwaltlich vertretene AG hat mit Schriftsatz vom 04.03.2025 wie folgt Stellung genommen. Aufgrund der Entscheidung der Vergabekammer vom 28.02.2025 in dem Parallelverfahren 5090-250-4003/498 halte der AG an den Interimsvergaben Los 4 für die Monate Januar bis März 2025 nicht fest. Der Vertrag für März 2025 werde nicht weiter vollzogen. Es sei bereits ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb für die Reinigungsleistungen vom 10. bis 31. März 2025 eingeleitet worden. Aus Sicht des AG habe sich das Nachprüfungsverfahren damit erledigt. Der AG sei mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Die AST hat mit Schriftsatz vom 04.03.2025, bezugnehmend auf den Schriftsatz des AG vom 04.03.2025, das Verfahren für erledigt erklärt. Zudem hat sie beantragt:
1. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der AST werden dem AG auferlegt.
2. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die AST wird für notwendig erklärt.
3. Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird verzichtet.
Die AST führte aus, dass die zulässigen Anträge begründet seien. Mit Beschluss der Vergabekammer vom 28.02.2025 (5090-250-4003/498) sei festgestellt worden, dass die AST durch die De-facto-Vergabe des AG in dem Parallelverfahren in ihrem Anspruch aus § 97 Abs. 6 GWB auf Einhaltung der Vergabevorschriften verletzt worden sei. Weiterhin sei festgestellt worden, dass die dort streitgegenständlichen Lose gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB von Anfang an unwirksam seien. Soweit der AG an seiner Beschaffungsabsicht festhalte, werde er verpflichtet, ein europarechtskonformes Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen.
Der AG habe die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen gemäß § 182 Abs. 3 Satz 4, 5 GWB zu tragen, sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der AST nach § 182 Abs. 4 Satz 3 GWB. Grundsätzlich sei die Entscheidung über die Kostentragung in den Fällen einer Verfahrensbeendigung durch Rücknahme oder anderweitige Erledigung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen gemäß § 182 Abs. 3 Satz 4, 5 GWB zu treffen. Dabei komme es bei anderweitiger Erledigung in erster Linie darauf an, welcher Beteiligte im materiellen Sinne unterlegen sei oder obsiegt habe beziehungsweise bei einer Fortführung unterlegen wäre oder obsiegt hätte. Gesichtspunkte der Billigkeit könnten es dabei im Einzelfall gebieten, von der Maßgeblichkeit des voraussichtlichen Verfahrensausgangs abzuweichen und den Auftraggeber ganz oder teilweise mit den Verfahrenskosten zu belasten. Ein Ausnahmefall (Abweichen vom voraussichtlichen Verfahrensausgang) werde von der Rechtsprechung u.a. angenommen, wenn der Auftraggeber der Rüge des Antragstellers nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens doch noch abhelfe.
Dies sei vorliegend der Fall, weil der AG erklärt habe, dass er an den Interimsvergaben zu Los 4 für die Monate Januar bis März 2025 nicht festhalten werde. Der Vertrag für März 2025 werde nicht weiter vollzogen. Es sei bereits ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb für die Reinigungsleistungen vom 10. bis 31. März 2025 eingeleitet worden. Infolgedessen seien dem AG die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren notwendigen Kosten der AST bereits unter dem Gesichtspunkt aufzuerlegen, dass sich der AG durch die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Bekanntmachung freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben habe. Gerade die Berücksichtigung einer Fallkonstellation wie der Vorliegenden, in welcher der Antragssteller in einem materiellen Sinne obsiegt habe, weil der Auftraggeber nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens dem Begehren des Antragsstellers abhelfe und das Verfahren durch eine beiderseitige Erledigungserklärung beendet werde, solle § 182 Abs. 4 Satz 3 Hs. 1 GWB ermöglichen.
Dem AG seien zudem die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der AST nach § 182 Abs. 4 Satz 3 GWB aufzuerlegen. Die Entscheidung, wer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen anderer Beteiligter zu tragen habe, bestimme sich nach § 182 Abs. 4 Satz 3 GWB ebenfalls nach billigem Ermessen. Die Norm stelle für die Kostenerstattung zwischen den Beteiligten den Gleichlauf der Regelungen für die Vergabekammergebühren und die Kostenerstattung her. Es handle sich um eine Frage des Einzelfalls, die in der Regel nach den gleichen Grundsätzen zu entscheiden sei, wie bei § 182 Abs. 3 Satz 5 GWB. Vorliegend sei nicht ersichtlich, dass insoweit eine andere Billigkeitsentscheidung zu treffen sei wie bezüglich der Verfahrenskosten vor der Vergabekammer. Insoweit werde auf die o.g. Ausführungen verwiesen.
Der AG habe die Kosten des Verfahrens auch aufgrund eines Verschuldens nach § 182 Abs. 3 Satz 3 GWB zu tragen. Nach § 182 Abs. 3 Satz 3 GWB könnten Kosten, die durch "Verschulden" eines Beteiligten entstanden seien, diesem auferlegt werden. Ein Verschulden sei zu bejahen, wenn der Beteiligte unter Außerachtlassung der erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt durch sein Verhalten einen anderen Beteiligten oder das Gericht zu Prozesshandlungen oder Entscheidungen veranlasst habe und an sich nicht erforderliche Kosten verursacht habe. Eine Kostenauferlegung in diesem Sinne könne veranlasst sein, wenn der Auftraggeber durch eine fehlerhafte oder zögerliche Beantwortung der Rüge in vorwerfbarer Weise Anlass zur Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gegeben habe. Vorliegend habe der AG durch Außerachtlassen der erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens durch die AST und die damit verbundenen Kosten verursacht. Der AG hätte der AST rechtzeitig mitteilen müssen, dass eine Abhilfe geplant sei. Dies sei vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens unterblieben. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die AST sei gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 80 Abs. 3 Satz 2 VwVfG für notwendig zu erklären. Ein Unternehmen auf Bieterseite dürfe sich regelmäßig eines Verfahrensbevollmächtigten für das Nachprüfungsverfahren bedienen. So liege der Fall hier. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei vorliegend nicht ersichtlich.
Die Vergabekammer nimmt ergänzend Bezug auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakten der Vergabekammer sowie die Vergabeakten des AG, soweit vorgelegt.
II.
1. Zuständigkeit
Die Vergabekammer ist vorliegend für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 2. Hs., 158 Abs. 2, 159 Abs. 3 Satz 1 GWB in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 1 ThürVkVO.
Der AG ist öffentlicher Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB.
Der maßgebliche Schwellenwert ist durch den geschätzten Wert der hier in Rede stehenden Aufträge überschritten, vgl. § 106 Abs. 1 Satz 1 GWB.
Nach § 106 GWB gilt der vierte Teil des GWB nur für die Vergabe solcher öffentlicher Aufträge und Konzessionen sowie für die Ausrichtung solcher Wettbewerbe, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweils festgelegten Schwellenwerte erreicht oder überschreitet. Maßgeblich für die daraus abzuleitende Frage der Statthaftigkeit eines Nachprüfungsverfahrens (§§ 155 ff. GWB) wegen Erreichens beziehungsweise Überschreitens der Schwellenwerte im Sinne des § 106 GWB i.V.m. § 3 VgV ist allein die objektive Rechtslage (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 01.09.2021, Verg 1/21; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.11.2008, 15 Verg 4/08; Dittmann in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, GWB, § 155 Rn. 19).
Der maßgebliche Schwellenwert für die ausgeschriebenen Dienstleistungsaufträge ist über § 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB i.V.m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU i.V.m. der delegierten Verordnung 2023/2495 der Kommission vom 15.11.2023 festgelegt und beträgt seit dem 01.01.2024 221.000 Euro netto.
Ob der Auftragswert den maßgeblichen Schwellenwert erreicht oder überschreitet, ist von dem öffentlichen Auftraggeber durch eine Schätzung zu ermitteln, vgl. § 3 VgV. Der AG verstößt mit seiner vorgenommenen Schätzung des Auftragswertes gegen die Festlegungen aus § 3 Abs. 1, Abs. 2 VgV.
Bei der Schätzung des Auftragswerts ist vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer, mithin dem Nettobetrag, auszugehen, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 VgV. Etwaige Optionen oder Vertragsverlängerungen sind vom Auftraggeber zu berücksichtigen, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 VgV. Bei Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen, für die kein Gesamtpreis angegeben wird, ist gemäß § 3 Abs. 11 Nr. 1 VgV Berechnungsgrundlage für den geschätzten Auftragswert bei zeitlich begrenzten Aufträgen mit einer Laufzeit von bis zu 48 Monaten der Gesamtwert für die Laufzeit dieser Aufträge.
Die Kostenschätzung des AG verstößt gegen das Umgehungsverbot aus § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 VgV.
Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 VgV darf die Wahl der Methode zur Berechnung des geschätzten Auftragswerts nicht in der Absicht erfolgen, die Anwendung der Bestimmungen des Teils 4 des GWB oder der VgV zu umgehen. Dies umfasst im Grundsatz zwei Varianten der manipulativen Schätzung. Zum einen verbietet die Vorschrift die Schätzung in der Absicht, den Auftrag der Anwendung der VgV zu entziehen (Alexander in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl. 2019, VgV, § 3 Rn. 27). Zum anderen richtet sich das Umgehungsverbot gegen eine Unterteilung von Aufträgen, wenn diese in der Absicht vorgenommen wird, den Auftrag der Anwendung der VgV zu entziehen (Alexander in: Pünder/Schellenberg, a.a.O.). Die manipulative Aufteilung des Auftrags bezieht sich auf die Fälle, in denen der Auftrag künstlich aufgespalten wird (Alexander in: Pünder/Schellenberg, a.a.O.; Preussler/Hartwecker in: Leinemann/Otting/Kirch/Homann, VgV/UVgO, § 3 Rn. 41). Dies kann dadurch geschehen, indem ein einheitlicher Auftrag ohne objektive Notwendigkeit in verschiedene Aufträge mit Auftragswerten unterhalb der Schwellenwerte aufgeteilt wird (Alexander in: Pünder/Schellenberg, a.a.O.; Preussler/Hartwecker in: Leinemann/Otting/Kirch/Homann, VgV/UVgO, 1. Aufl. 2024, § 3 Rn. 42).
Vorliegend sind die Interimsaufträge für die Zeiträume Januar, Februar und März 2025 im Hinblick auf das im Rahmen der Auftragswertschätzung gemäß § 3 VgV zu beachtende Umgehungsverbot des § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 VgV zu addieren, da nach der notwendigen funktionalen Betrachtungsweise die Aufträge von Januar bis März 2025 dieselbe wirtschaftliche Funktion erfüllen.
Was zu dem Auftrag, dessen Wert zu schätzen ist, gehört, ist anhand einer funktionalen Betrachtungsweise zu ermitteln. Bevor eine Aufteilung in verschiedene Aufträge erfolgen darf, sind organisatorische, inhaltliche, wirtschaftliche und technische Zusammenhänge zu berücksichtigen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.06.2018, 15 Verg 7/17; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.01.2021, 54 Verg 6/20). Von Bedeutung sind auch räumliche und zeitliche Zusammenhänge. Vorliegend ist der Vertragsgegenstand bei allen drei Aufträgen mit der Erbringung von Reinigungsdienstleistungen "in verschiedenen Objekten des Landkreises Schmalkalden-Meiningen" identisch. Ferner dienen die drei Aufträge der Überbrückung des Zeitraums des am 14.11.2024 bereits eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens (Az.: 5090-250-4003/490), die Hauptvergabe betreffend, um eine lückenlose Beschaffung der Reinigungsdienstleistungen zu gewährleisten. Damit weisen diese Leistungen in inhaltlicher und wirtschaftlicher Hinsicht eine innere Kohärenz und eine funktionelle Kontinuität auf. Schließlich hat auch der AG mit Nachschreiben vom 02.12.2024 darauf hingewiesen, dass er von einer "Interimsvergabe von Reinigungsarbeiten für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer (BGV 87/2024) bzgl. der Lose 1, 2 und 4 bis längstens 31.12.2025" ausgehe. Insofern erschließt sich der Vergabekammer auch nicht, dass der AG nunmehr mit Schreiben vom 17.01.2025 vorträgt, dass er im November 2024 davon ausgegangen sei, dass eine Ausschreibung der Interimsvergabe für den Monat Januar 2025 ausreichend sei. Denn dem Nachschreiben vom 02.12.2024 lässt sich entnehmen, dass der AG bereits am 02.12.2024 von einer bis zu einjährigen interimsweisen Vergabe ausgegangen ist. Vieles spricht dafür, dass der AG diese Methode der Unterteilung der Aufträge gewählt hat, um so den Schwellenwert des EU-Vergaberechts zu unterschreiten. Denn bereits die Addition der Monate Januar und Februar 2025 hätte dazu geführt, dass der maßgebliche Schwellenwert in Höhe von 221.000 Euro eindeutig überschritten worden wäre.
Interimsaufträge, die selbständig neben dem Hauptvertrag stehen, sind im Hinblick auf das im Rahmen der Schätzung des Auftragswertes nach § 3 VgV zu beachtende Umgehungsverbot des § 3 Abs. 2 Satz 1, 2 VgV zu addieren, soweit der einheitliche (Interims-) Beschaffungsbedarf in der Absicht, die Anwendung des Kartellvergaberechts zu umgehen, künstlich aufgespalten wird, sei es durch mehrere Interimsaufträge, sei es durch eine Kombination aus Vertragsverlängerungen und (neuen) Interimsaufträgen (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.11.2022, 11 Verg 5/22, Rn. 33). Das ist vorliegend durch die "monatlichen" Interimsaufträge an die BEI der Fall, die alle dem gleichen Beschaffungsbedarf dienen, nämlich der Sicherstellung der Reinigungsdienstleistung "in verschiedenen Objekten des Landkreises Schmalkalden-Meiningen" bis zur Neuvergabe. Nach Überzeugung der Vergabekammer war vom AG eine Umgehung der vergaberechtlichen Kontrolle auch beabsichtigt, insbesondere, weil keine andere plausible Erklärung für das Nachschreiben des AG vom 02.12.2024 ersichtlich ist. Ebenso sind andere objektive Gründe, die für eine zulässige Unterteilung der Interimsaufträge im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 VgV sprechen würden, den Unterlagen nicht zu entnehmen.
Die Schätzung des Auftragswertes des AG ist mithin nicht nachvollziehbar und nicht plausibel. Demnach ist festzustellen, dass die streitgegenständlichen Interimsaufträge und die von Januar 2025 bis März 2025 beauftragten Reinigungsdienstleistungen einen einheitlichen Dienstleistungsauftrag bilden, der angesichts seines Gesamtwerts den Schwellenwert überschreitet. Eine mit dem Ziel der Vermeidung eines europaweiten Vergabeverfahrens vorgenommene künstliche Aufspaltung des einheitlichen Interimsbeschaffungsbedarfs stellt eine gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 VgV unzulässige Aufteilung des Gesamtauftrags und damit eine Umgehung vergaberechtlicher Vorschriften dar (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.11.2022, 11 Verg 5/22, Rn. 33; Preussler/Hartwecker in: Leinemann/Otting/Kirch/Homann, VgV/UVgO, 1. Aufl. 2024, § 3 Rn. 41). Auf eine besondere Umgehungsabsicht des Vergaberechts kommt es im Falle einer Aufteilung eines einheitlichen Beschaffungsbedarfs nicht an (vgl. EuGH, Urt. v. 15.03.2012, Rs. C-574/10, Rn. 49).
Im Ergebnis verstößt die interimsweise Vergabe der Reinigungsdienstleistungen in getrennten Ausschreibungen gegen das Umgehungsverbot aus § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 VgV. Die Auftragswerte der Interimsaufträge Januar, Februar und März 2025 sind zu addieren, sodass der maßgebliche EU-Schwellenwert mit den vorliegenden Ausschreibungen überschritten wird. Das Nachprüfungsverfahren ist wegen des Überschreitens des für die europaweite Vergabe einschlägigen Schwellenwerts nach den §§ 155 ff. GWB statthaft.
2. Feststellung der Erledigung des Verfahrens und seine Einstellung
Der AG hat mit Schriftsatz vom 04.03.2025 ausgeführt, dass er aufgrund der Entscheidung der Vergabekammer vom 28.02.2025 in dem Parallelverfahren 5090-250-4003/498 an den Interimsvergaben zu Los 4 für die Monate Januar bis März 2025 nicht festhalte. Der Vertrag für März 2025 werde nicht weiter vollzogen. Aus Sicht des AG habe sich das Nachprüfungsverfahren damit erledigt. Die AST hat daraufhin mit Schriftsatz vom 04.03.2025 das Nachprüfungsverfahren für erledigt erklärt. Das Nachprüfungsverfahren hat sich mit den übereinstimmenden Erledigungserklärungen des AG und der AST erledigt und wird eingestellt.
Die Feststellung der Erledigung (Ziffer 1. des Tenors der Entscheidung) war daher ebenso wie die Einstellung des Nachprüfungsverfahrens (Ziffer 2. des Tenors der Entscheidung) auszusprechen.
Das von der AST beantragte Nachprüfungsverfahren ist dadurch gegenstandslos geworden. Es hat sich mithin erledigt und der ursprüngliche Prüfungsgegenstand ist nunmehr der Entscheidungskompetenz der Vergabekammer entzogen. Die Vergabekammer kann nach § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB nicht mehr über den Nachprüfungsantrag entscheiden, sondern nur noch die Einstellung des Nachprüfungsverfahrens aussprechen und hat weiterhin über die Kosten des Nachprüfungsverfahrens zu entscheiden.
3. Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
Der AG hat nach § 182 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 Satz 3 GWB die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der AST zu tragen.
Grundsätzlich ist die Entscheidung über die Kostentragung in den Fällen einer Verfahrensbeendigung aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu treffen (OLG München, Beschl. v. 10.04.2019, Verg 8/18; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.09.2018, Verg 35/17). Es hält sich in dem der Vergabekammer nach § 182 Abs. 3 Satz 5 GWB eingeräumten billigem Ermessen, wenn sie sich lediglich auf eine summarische Prüfung des voraussichtlichen Verfahrensausgangs beschränkt (Radu in: Müller-Wrede, GWB-Kommentar, 2. Aufl. 2023, § 182 Rn. 85, 86).
Billigem Ermessen entspricht hierbei eine an dem voraussichtlichen Verfahrensausgang ohne Erledigung orientierte Kostenverteilung.
Die Vergabekammer geht bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage davon aus, dass der AG - wenn keine Erledigung des Verfahrens eingetreten wäre - in dem Vergabenachprüfungsverfahren unterlegen wäre und es daher billigem Ermessen entspricht, ihm die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der AST aufzuerlegen.
Der Nachprüfungsantrag vom 23.12.2024 sowie die Antragserweiterungen vom 13.01.2025 und vom 06.02.2025 wären bei summarischer Prüfung zulässig und begründet gewesen.
a.) Der Nachprüfungsantrag und die beiden Antragserweiterungen wären nach summarischer Prüfung voraussichtlich zulässig.
Die AST war gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. In Bezug auf die Interimsvergabe Januar 2025 hatte die AST mit Angebotsabgabe am 16.12.2024, ihren Rügeschreiben vom 13.12.2024 und 19.12.2024 sowie ihrem Nachprüfungsantrag vom 23.12.2024 ihr Interesse am Auftrag bekundet und die Verletzung eigener Rechte geltend gemacht. Die AST hatte zudem dargelegt, dass ihr durch die behauptete Nichtbeachtung von Vergaberecht ein Schaden droht.
In Bezug auf die Interimsvergaben Februar 2025 und März 2025 war die AST antragsbefugt gemäß § 160 Abs. 2 GWB, obwohl sie sich nicht mit einem fristgerechten Angebot an den nationalen Ausschreibungen beteiligt hatte. Wer als Antragstellerin geltend macht, durch rechtsverletzende Bestimmungen in den Vergabeunterlagen an der Einreichung eines chancenreichen Angebots gehindert oder erheblich beeinträchtigt zu sein, muss zur Begründung seines Auftragsinteresses kein Angebot abgeben, sondern kann dieses Interesse durch seine vorprozessuale Rüge gemäß § 160 Abs. 3 GWB und den anschließenden Nachprüfungsantrag dokumentieren (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2011 - Verg 92/11; Dicks/Schnabel in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, GWB, § 160 Rn. 12). Durch Rügeschreiben vom 10.01.2025 und vom 04.02.2025 sowie Antragserweiterungen vom 13.01.2025 und vom 06.02.2025 hatte die AST ihr Interesse an den Aufträgen hinreichend dokumentiert. Ebenso hatte die AST dargelegt in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch die unterbliebene europaweite Ausschreibung verletzt zu sein. Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags und dessen Antragserweiterungen stand keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB entgegen. Bei einer De-facto-Vergabe bzw. einem Feststellungsantrag gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB besteht keine Rügeverpflichtung nach § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB (stRspr; Braun in: Ziekow/Völlink, 5. Auflage 2024, GWB, § 135 Rn. 108; Gnittke/Hattig in: Müller-Wrede, GWB, 2. Auflage 2023, § 135 Rn. 59). Vorliegend hatte die AST das Verhalten des AG mit Schreiben vom 13.12.2024 und 19.12.2024 hinsichtlich der Interimsvergabe Januar 2025, mit Schreiben vom 10.01.2025 hinsichtlich der Interimsvergabe Februar 2025 und mit Schreiben vom 04.02.2025 hinsichtlich der Interimsvergabe März 2025 vor Ablauf der jeweiligen Frist zur Angebotsabgabe gerügt. Nichtsdestotrotz hätte es dieser Rügen der AST nach dem gesetzlichen Wortlaut des § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB nicht bedurft.
Die Antragserweiterungen der AST vom 13.01.2025 und vom 06.02.2025 waren ohne Weiteres zulässig. Antragsänderungen und -erweiterungen (vgl. §§ 263, 264 ZPO) sind mit dem Vergaberecht grundsätzlich vereinbar, soweit keine bestands- oder rechtskräftige Entscheidung ergangen ist (Gabriel/Mertens in: BeckOK Vergaberecht, Gabriel/Mertens/Stein/Wolf, 34. Edition, GWB, § 160 Rn. 29; Dicks/Schnabel in: Ziekow/Völlink, 5. Auflage 2024, GWB, § 160 Rn. 5).
b.) Der Nachprüfungsantrag und die beiden Antragserweiterungen wären nach summarischer Prüfung voraussichtlich auch begründet.
Mit der Entscheidung über die Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung nach UVgO hat der AG gegen die unionsweite Ausschreibungspflicht des § 106 Abs. 1, 2 GWB verstoßen und somit die AST in ihren Rechten auf Einhaltung des Vergabeverfahrens aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Wie bereits unter Ziffer 1. festgestellt, hat der AG hinsichtlich des einheitlichen Interimsbeschaffungsbedarfs für die Monate Januar 2025 bis März 2025 gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 VgV eine unzulässige Aufteilung des Gesamtauftrags vorgenommen und mithin gegen das Umgehungsverbot des § 3 Abs. 2 VgV verstoßen. Die Auftragswerte der Interimsaufträge Januar, Februar und März 2025 sind entgegen der Auffassung des AG zu addieren, sodass der maßgebliche EU-Schwellenwert mit den vorliegenden Ausschreibungen überschritten wird. Demzufolge hätte der AG die Dienstleistungsaufträge in einem europaweiten Vergabeverfahren gemäß § 97 Abs. 1 GWB i.V.m. §§ 119 ff. GWB ausschreiben müssen.
Es gibt keine Gestattung aufgrund Gesetzes. Der AG hat die Aufträge an die BEI nicht unter Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 119 Abs. 2 Satz 2 GWB i.V.m. § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV vergeben. Der AG hat vorliegend dreimal eine öffentliche Ausschreibung nach UVgO durchgeführt. Hätte der AG ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV für notwendig erachtet, dann hätte er dieses entsprechend § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV durchführen und auch ordnungsgemäß nach § 8 VgV dokumentieren müssen.
Die AST hat zunächst allein wegen des Fehlens einer europaweiten Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der EU keinen rechtsverletzenden Nachteil erfahren. Ein Nachteil kann vielmehr auch darin liegen, wenn im Rahmen der Durchführung des Vergabeverfahrens Normen zur Anwendung kommen, die sich dem Bieter gegenüber als nachteilig im Vergleich zu den korrekterweise anzuwendenden Normen darstellen (vgl. VK Bund, Beschl. v. 27.05.2014, VK 2-31/14; VK Südbayern, Beschl. v. 05.08.2019, Z3-3-3194-1-14-05/19, Rn. 70). Vorliegend hat die AST hinreichend dargelegt, dass sie auf der Grundlage der anzuwendenden Normen eines europaweiten Vergabeverfahrens eine bessere Zuschlagschance gehabt hätte:
aa.) In den vorliegenden Vergabeverfahren sind die Eignungsanforderungen vom AG nicht wirksam aufgestellt worden. Nach § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB sind die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung aufzuführen. An der Einhaltung dieser Erfordernisse mangelte es vorliegend. Denn in den Auftragsbekanntmachungen wurde lediglich unter Ziffer 13 ausgeführt, dass "der Bewerber zum Nachweis seiner Eignung folgende Unterlagen mit dem Angebot vorzulegen hat: siehe Formular 124 Eigenerklärung zur Eignung; Eigenerklärung nach § 8 ThürVgG; evtl. gemäß Leistungsverzeichnis geforderte Nachweise, Qualifikationen und Zertifikate". Nach einhelliger Rechtsprechung ist es unzulässig, wenn der Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung hinsichtlich der vorzulegenden Eignungsunterlagen lediglich auf die Vergabeunterlagen verweist (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.06.2010 - Verg 18/10; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 07.05.2014, 15 Verg 4/13). Eine konkrete Verlinkung auf ein elektronisch ohne Weiteres zugängliches Dokument ist dagegen ausreichend, wenn an dem Auftrag interessierte Unternehmen durch bloßes Anklicken zu dem verlinkten Formblatt gelangen können und auf einen Blick erkennen können, welche Anforderungen an sie gestellt werden (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 15.02.2019, Verg 5/18; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.07.2018, Verg 24/18; VK Sachsen, Beschl. v. 30.10.2018, 1/SVK/021-18; VK Nordbayern, Beschl. v. 11.05.2015, 21. VK-3194-10/15). Vorliegend wurden weder die im Formblatt 124 genannten Eignungsanforderungen in den Auftragsbekanntmachungen aufgeführt noch wurde das Formblatt verlinkt. Es wurde lediglich unter Ziffer 9 auf die elektronische Adresse "www.vergabe-suche.de" verwiesen. Es war vorliegend gerade nicht gewährleistet, dass der Bieter über den Link aus dem Bekanntmachungstext ohne weiteres das Formblatt mit den geforderten Eignungskriterien und Nachweisen öffnen konnte. Der Bieter konnte nicht auf einen Blick erkennen, ob er als potentiell geeigneter Wettbewerbsteilnehmer in Betracht kommt. Hierbei handelt es sich um einen Vergaberechtsverstoß.
Die AST ist jedoch deswegen in ihren subjektiven Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt, weil die materielle Eignungsprüfung einer vergaberechtlichen Nachprüfung nicht standhält. Ob der AG den bei der Eignungsprüfung nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum beachtet hat, ist aus der der Vergabekammer vorliegenden Dokumentation des Vergabeverfahrens nicht ersichtlich. Es ist nicht nachvollziehbar, wie der AG zur Bejahung der Eignung der BEI gelangte. Die Vergabevermerke vom 18.12.2024, vom 20.01.2025 und vom 11.02.2025 lassen nicht erkennen, von welchen Erwägungen der AG bei der Eignungsprüfung ausgegangen ist und erlaubt auch keine Prüfung, ob und in welcher Weise er sein Ermessen bei der materiellen Eignungsprüfung ausgeübt hat. Somit fehlt es an einer hinreichenden Dokumentation der Eignungsprüfung des AG.
Das Formblatt 125 "Sicherheitsauskunft und Verpflichtungserklärung Teilnehmer" wurde, in Bezug auf die Interimsvergabe Januar 2025, nicht wirksam entsprechend § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB aufgestellt. Vorliegend fehlt es bereits an der Nennung des Eignungskriteriums in der Auftragsbekanntmachung vom 02.12.2024. Muss der potenzielle Bewerber/Bieter erst die gesamten Vergabeunterlagen sichten, um sich die Eignungsanforderungen und die zu erbringenden Nachweise zu erschließen, wird dies weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und § 48 Abs. 1 VgV gerecht (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.7.2018, Verg 24/18, Rn. 38). Aus Sicht eines potentiellen Bieters sollte laut Buchstabe C) der Angebotsaufforderung das Formblatt 125 genauso wie das Formblatt 124 "Eigenerklärung zur Eignung" mit dem Angebot ausgefüllt eingereicht werden. Demnach war es für einen potentiellen Bieter nicht erkennbar, dass das Formblatt 125 nach Auffassung des AG kein Eignungskriterium darstellen sollte. Diese Unklarheit geht zu Lasten des AG (vgl. Friton in: BeckOK Vergaberecht, Gabriel/Mertens/Stein/Wolf, 34. Edition, GWB, § 122 Rn. 58), wobei das obige Eignungskriterium aufgrund fehlender Nennung in der Auftragsbekanntmachung vom 02.12.2024 bereits nicht wirksam gefordert war.
bb.) Vorliegend verstößt der AG gegen den Transparenzgrundsatz, indem er in Bezug auf die Interimsvergabe Januar 2025 den Vergabeunterlagen das Formblatt 227 "Gewichtung der Zuschlagskriterien" und das Dokument "Erläuterung der Zuschlagskriterien" beigefügt hat. Gemäß § 127 Abs. 4 GWB müssen die Zuschlagskriterien so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Demzufolge müssen sämtliche Zuschlagskriterien auch hinreichend klar und deutlich formuliert sein (Steck in: Ziekow/Völlink, 5. Auflage 2024, VgV, § 58 Rn. 35). Missverständlich formulierte oder sonst unklare oder widersprüchliche Kriterien dürfen bei der Wertung der Angebote nicht berücksichtigt werden (Steck in: Ziekow/Völlink, a.a.O.; BGH, Urt. v. 03.06.2004, X ZR 30/03). Vorliegend stehen das Dokument "Erläuterung der Zuschlagskriterien" und das Formblatt 227 "Gewichtung der Zuschlagskriterien" in Widerspruch zueinander, da das Kriterium "Energieeffizienz" sich nicht im Dokument "Erläuterung der Zuschlagskriterien" wiederfindet und insofern für einen fachkundigen Bieter unklar bleibt, inwiefern das Kriterium "Energieeffizienz" aus dem Formblatt 227 bei der Wertung der Angebote Berücksichtigung findet.
Die vom AG, anhand des Formblatts "Erläuterung der Zuschlagskriterien", angewandte Bewertungsmethode ist hingegen nicht als vergaberechtswidrig zu beanstanden. Nach verständiger Würdigung basiert die Bewertungsmethode des AG im vorliegenden Fall nicht auf der sogenannten "Medianmethode". Denn es wird als Maßstab der Bewertung kein Zentral- bzw. Mittelwert gebildet, der sich erst durch die Parameter der Mitangebote ergibt, an dem die einzelnen Angebote bewertet werden (siehe insoweit VK Bund, Beschl. v. 06.11.2023, VK 1-77/23). Der Bieter mit dem niedrigsten Preis und/oder der höchsten Stundenzahl bekommt vorliegend die höchsten Punkte. Hier hat der Bieter innerhalb dieses vom AG vorgegebenen Rahmens zu kalkulieren, wie er dieses Ergebnis für sich erreicht. Dies ist seine ureigene Aufgabe. Nach ständiger Rechtsprechung sind Bieter in ihrer Preiskalkulation grundsätzlich frei (siehe etwa VK Bund, Beschl. v. 22.08.2022, VK 1-73/22 sowie OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.08.2023, 15 Verg 4/23). Eine Beschränkung der Kalkulationsfreiheit der Bieter lässt sich nicht feststellen.
cc.) Die Leistungsbeschreibung des AG ist gemäß §§ 121 GWB, 31 VgV nicht zu beanstanden. Die Leistungsbeschreibung muss für alle Bieter in gleicher Weise zu verstehen sein, d.h. Vorgaben dürfen keinen Spielraum für unterschiedliche Auslegungen zulassen (VK Nordbayern, Beschl. v. 16.09.2020, RMF-SG21-3194-5-34). Es kommt nicht darauf an, wie der einzelne Bieter die Leistungsbeschreibung verstanden hat, sondern wie der durchschnittliche Bieter des angesprochenen Bieterkreises sie verstehen musste oder durfte (Lampert in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl. 2022, GWB, § 121 Rn. 72; BGH, Urt. v. 15.01.2013, X ZR 155/10, Rn. 9). Bei der Prüfung, welcher Erklärungsgehalt den Vergabeunterlagen im vorliegenden Fall in ihrer Gesamtheit aus der Sicht der Bieter zukam, ist zu berücksichtigen, dass diese Unterlagen ein vom AG vorformuliertes Leistungsverzeichnis im Excel-Format mit der Bezeichnung "LV Landratsamt SM-MGN" enthielten. Aus diesem Leistungsverzeichnis ging bzw. geht hervor, dass sowohl die allgemeinen Leistungen der Unterhaltsreinigung ("LV allgemein") als auch die Leistungen der Grundreinigung ("LV GrundRG"), jeweils anhand von Kalkulationsblättern (Preisblättern), zu bepreisen sind. Der AG hat also in der Leistungsbeschreibung im Sinne von § 121 Abs. 1 Satz 1 GWB bis ins Detail eindeutig und erschöpfend beschrieben, welche Reinigungsleistungen von den Bietern zu erbringen sind. Zwar trifft es, wie von der AST vorgetragen, zu, dass nach der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (Formblatt 631) der Leistungsgegenstand lediglich mit "Unterhaltsreinigung in verschiedenen Objekten des AG" bezeichnet war, jedoch wurde zugleich unter Buchstabe B) der Angebotsabgabeaufforderung auf "Teile der Leistungsbeschreibung: Beschreibung, Pläne, sonstigen Anlagen" verwiesen. Insofern konnte von einem fachkundigen Bieter, wie der AST, erwartet werden, dass sie sich auch mit dem Leistungsverzeichnis "LV Landratsamt SM-MGN" verständig auseinandersetzt. Aus dem Leistungsverzeichnis des AG geht nach verständiger Würdigung eindeutig hervor, dass auch die Grundreinigung (vgl. "LV GrundRG") Bestandteil der Leistungsbeschreibung ist.
dd.) Die Dokumentation der drei Interimsvergabeverfahren verstößt gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB. Die Anforderungen an die Dokumentation des Vergabeverfahrens gemäß § 8 VgV wurden nicht eingehalten. Dies betrifft wie dargelegt, die Wahl der Verfahrensart zusammen mit der Schätzung des Auftragswertes sowie die Eignungsprüfung.
Die Dokumentation im Vergabeverfahren und der Vergabevermerk dienen der Einhaltung des Transparenzgebotes des § 97 Abs. 1 GWB (Langenbach in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Auflage 2019, VgV, § 8 Rn. 18; Fülling in: Müller-Wrede, VgV, 5. Auflage 2017, § 8 Rn. 5). Gemäß § 8 VgV sind die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen darzulegen und die das gesamte Vergabeverfahren tragenden Aspekte detailliert aufzuführen, damit ein mit der Sachlage des Vergabeverfahrens Vertrauter den Ablauf des Vergabeverfahrens ohne Schwierigkeit nachvollziehen kann (ebenda).
ee.) Der AG hat Antworten auf Bieterfragen, im Rahmen der Interimsvergabe Januar 2025, nicht allen anderen Bietern bekannt gemacht und somit gegen den Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 und 2 GWB verstoßen.
Aus dem Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz resultiert grundsätzlich die Verpflichtung, Antworten auf Bieterfragen allen Bietern zur Verfügung zu stellen (VK Nordbayern, Beschl. v. 11.09.2024, RMF-SG21-3194-9-18; VK Sachsen, Beschl. v. 24.08.2016, 1/SVK/017-16; VK Bund, Beschl. v. 27.01.2017, VK 2-131/16; Völlink in: Ziekow/Völlink, 5. Auflage 2024, VgV, § 20 Rn. 14). Das Absehen von der Übermittlung der Antworten an die anderen Bieter stellt nach der Rechtsprechung die Ausnahme dar, die nur unter bestimmten Umständen angenommen werden kann: Das betrifft etwa generelle, auf allgemeinen Kenntnissen beruhende Auskünfte (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.05.2016, 1 Verg 1/16). Mitteilungsbedürftig sind insbesondere Bieterfragen, die zu einer Änderung der Vergabeunterlagen führen oder solche Antworten, die Auswirkungen auf die Kalkulation der Angebote haben (vgl. VK Nordbayern, a.a.O.; VK Sachsen, a.a.O.).
In der Vergabeakte bzgl. der Interimsvergabe Januar 2025 sind zwei Bieterfragen der AST enthalten. Die beiden Fragen wurden vom AG zwar beantwortet, jedoch wurde keine der Antworten und auch keine der Fragen gegenüber allen anderen Bietern bekannt gemacht. Die Antworten des AG vom 05.12.2024 und vom 12.12.2024 enthielten zusätzliche Informationen die angebots- und kalkulationsrelevant und daher mitteilungsbedürftig waren. Insbesondere der Wegfall des Formblatts 125 hat zu einer inhaltlichen Änderung der Vergabeunterlagen geführt, daher hätte diese Bieterantwort gegenüber allen anderen Bietern durch den AG bekannt gemacht werden müssen. Die Vorhaltung von Personal, welches eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen hat, stellt eine kalkulationsrelevante Angabe dar, die allen Bietern hätte zur Verfügung gestellt werden müssen, vgl. § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VgV.
ff.) In Bezug auf die Interimsvergabe Februar 2025 ist eine lediglich drei Tage umfassende Ausführungsfrist zwischen dem Ablauf der Bindefrist am 31.01.2025 und dem Ausführungsbeginn am 03.02.2025 unangemessen kurz, da der AG nach dieser Ausgestaltung des Vergabeverfahrens den Zuschlag noch spätestens am 31.01.2025 erteilen konnte. Ebenso stellt sich die Ausführungsfrist bezüglich der Interimsvergabe März 2025 als nicht angemessen dar, da vom AG keinerlei Zeit zur Vorbereitung der Reinigungsdienstleistungen zwischen dem Ablauf der Bindefrist am 03.03.2025 und dem Ausführungsbeginn am 03.03.2025 vorgesehen war.
Bei der Festlegung des Auftragsbeginns handelt es sich grundsätzlich um eine Vertragsbestimmung und nicht um eine Vorschrift über das Vergabeverfahren, deren Verletzung im Nachprüfungsverfahren zur Überprüfung steht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.06.2013 - Verg 4/13; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07.03.2012 - Verg 82/11). Das gilt dann aber nicht, wenn sich eine Vertragsbestimmung auf die Auftragschancen eines Bieters auswirkt. Eine nur drei Tage umfassende Ausführungsfrist zwingt den Bieter bei einem logistisch aufwändigen Auftrag, Vorbereitungshandlungen für eine spätere Auftragsausführung in die Angebotsphase vor zu verlagern (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Die Ausführungsfrist von drei Tagen sowie von null Tagen ist im vorliegenden Fall nicht ausreichend bemessen. Ein Bieter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die sachlichen Mittel für die angebotene Leistung bereits im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung vorzuhalten (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.06.2013, Verg 4/13). Ihm muss vielmehr eine angemessene Frist für die Vorbereitung und den Beginn der Ausführung der mit Zuschlagserteilung vereinbarten Leistungen gewährt werden (ebenda). Die in den Bekanntmachungen vom 06.01.2025 und vom 27.01.2025 vorgesehenen Fristen von drei Tagen sowie von null Tagen werden dem Leistungsprofil der Reinigungsdienstleistungen in einer Vielzahl von Objekten des AG nicht gerecht. Zu Recht weist die AST daraufhin, dass umfangreiche Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen und genügend Personal bereitzustellen oder sogar einzustellen ist. Der AG durfte von einem Bieter nicht erwarten, dass dieser im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung bereits Reinigungsmaterial beschafft hat und Personal eingestellt worden ist. Demnach wurde die AST durch die unangemessen kurzen Ausführungsfristen in ihren Rechten aus § 97 Abs. 1 und 2 GWB verletzt.
c.) Nach alledem wäre der AG im Nachprüfungsverfahren bei streitiger Entscheidung und summarischer Prüfung voraussichtlich unterlegen und es entspricht daher aus diesem Grund der Billigkeit, dem AG die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der AST aufzuerlegen.
Die Hinzuziehung von anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die AST war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 1, 2 und 3 Satz 2 VwVfG analog für notwendig zu erklären. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigtem im Nachprüfungsverfahren bedarf einer einzelfallgerechten Betrachtung, abstellend auf den Zeitpunkt der Hinzuziehung (BGH, Beschl. v. 26.09.2006, X ZB 14/06; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.12.2022, Verg 37/22). Die Notwendigkeit der Hinzuziehung hängt davon ab, ob der jeweilige Verfahrensbeteiligte nach den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, den Sachverhalt aufgrund der bekannten bzw. erkennbaren Tatsachen zu erfassen, der im Hinblick auf eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung bzw. -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen (BGH, a.a.O.). Vorliegend waren insbesondere Fragestellungen zur Schätzung des Auftragswertes, zu wirksam aufgestellten Eignungsanforderungen und zu den Zuschlagskriterien Gegenstand des Verfahrens. Hierbei handelt es sich um eine auch verfahrensrechtlich nicht einfach zu beurteilende Materie. Der AST als mittelständisches Unternehmen konnte daher nicht zugemutet werden, ihre rechtlichen Interessen im Nachprüfungsverfahren selbst wahrzunehmen.
Die BEI trägt ihre Aufwendungen selbst. Gemäß § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind die Aufwendungen eines Beigeladenen nur erstattungsfähig, soweit sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterlegenen Partei auferlegt. Bei der Billigkeitsprüfung kommt es darauf an, inwieweit sich der Beigeladene aktiv in das Verfahren eingebracht und dieses durch substantiellen Vortrag gefördert hat. Dies kann der Fall sein, wenn der Beigeladene eigene Anträge stellt oder, wenn er dem Nachprüfungsantrag durch Schriftsätze aktiv und substantiell entgegentritt. In diesem Fall ist ein Kostenerstattungsanspruch im Erfolgsfall auch ohne eigenen Antrag gerechtfertigt (vgl. Krohn in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Auflage 2022, GWB, § 182 Rn. 49). Die BEI hat keinen Antrag gestellt und sich auch sonst nicht aktiv durch Schriftsätze am Nachprüfungsverfahren beteiligt, so dass es gemäß § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB nicht der Billigkeit entspricht, deren Aufwendungen dem AG aufzuerlegen.
Die Vergabekammer erhebt vom AG keine Verwaltungskosten, da dieser als Landkreis gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB von der Verpflichtung zur Zahlung von Verwaltungsgebühren persönlich befreit ist und zu erstattende Auslagen der Vergabekammer nicht angefallen sind.
Die AST hat bereits einen Kostenvorschuss in Höhe der Mindestgebühr von 2.500,00 Euro gezahlt. Da die AST im vorliegenden Nachprüfungsverfahren obsiegt hat und sie daher keine Verwaltungskosten zu tragen hat, ist ihr dieser Betrag nach Eintritt der Bestandskraft dieses Beschlusses zurückzuerstatten.
Die AST wird schon jetzt aufgefordert, eine SEPA-fähige Bankverbindung (Angabe von IBAN und BIC) mitzuteilen, auf welche die Überweisung des Betrages erfolgen soll.
Hinweis:
Ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren findet nicht statt (§ 182 Abs. 4 Satz 5 GWB).
(...)
"Bietungsfaktor" ist vergaberechtswidrig!
"Bietungsfaktor" ist vergaberechtswidrig!
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OLG Düsseldorf
Beschluss
vom 16.04.2025
Verg 35/24
Eine Wertungsmethode, die einen individuell von jedem Bieter selbst zu bestimmenden sog. Bietungsfaktor enthält, ist wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vergaberechtswidrig.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.04.2025 - Verg 35/24
vorhergehend:
VK Bund, Beschluss vom 27.09.2024 - VK 2-69/24
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes, VK 2 - 69/24 vom 27.09.2024 wird das Vergabeverfahren aufgehoben und in den Stand vor Auftragsbekanntmachung zurückversetzt.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.
Die Antragsgegnerin hat auch die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer zu tragen einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.
Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Nachprüfungsverfahren gegen die bekannt gemachten Wertungskriterien sowie den aus ihrer Sicht vergaberechtswidrig erfolgten Ausschluss ihres Angebots aus dem Vergabeverfahren.
Die Antragsgegnerin schrieb mit Bekanntmachung vom 13.03.2024 im offenen Verfahren (Ziff. 2.1 der Bekanntmachung) einen Auftrag zur schlüsselfertigen Errichtung von drei Unterkunftsgebäuden mit 321 Wohneinheiten in der Falckenstein- Kaserne in Koblenz aus (Supplement zum Amtsblatt der europäischen Union 2024/S 52-151245). Zuschlagskriterien waren nach Ziff. 5.1.10 der Bekanntmachung der Preis mit 80 Prozent und die Qualität und Fristen mit 20 Prozent. Mit Änderungsbekanntmachung vom 26.03.2024 (Supplement zum Amtsblatt der europäischen Union 2024/S 61-180666) machte sie zunächst die Beantwortung von Bieterfragen bekannt und verlängerte die Angebotsfrist sowie die Ausführungsfristen. Mit letzter Änderungsbekanntmachung vom 24.06.2024 (Supplement zum Amtsblatt der europäischen Union 2024/S 121-374009) hat die Antragsgegnerin nachfolgende neue Zuschlagskriterien unter Ziff. 5.1.10 der Bekanntmachung bekannt gemacht und die Angebotsfrist bis zum 12.07.2024 verlängert. Vorgesehen war eine Gewichtung des Preises mit 80% (Kriterium 1), der Ausführungszeiten mit 5% (Kriterium 2), der Dauer der Verjährung für Mängelansprüche mit 10 % (Kriterium 3), der Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für opake Bauteile mit 2,5 % (Kriterium 4) sowie der Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für transparente Bauteile mit 2,5 % (Kriterium 5). In der Beschreibung heißt es hierzu zu jedem Kriterium wie folgt:
"Beschreibung: Die Zuschlagskriterien, welche Gültigkeit haben, sind Preis, Ausführungszeiten, Dauer der Verjährungsfrist für Mängelansprüche, Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für opake Bauteile (inkl. Bietungsfaktor) und Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für transparente Bauteile (inkl. Bietungsfaktor) Gewichtung (Prozentanteil, genau)
In dem den Vergabeunterlagen beigefügte "Beiblatt zu Formblatt 227" (Anlage BF 3), welches nach Ziff. 10.2 der "Besonderen Vertragsbedingung" (Anlage BF 21) mit den jeweiligen Angaben der Bieter Vertragsbestandteil wird, haben die Bieter Angaben zu den oben aufgeführten Kriterien Ausführungszeit, Dauer der Verjährungsfristen und dem angebotenen Wärmedurchgangskoeffizienten zu machen. Zugleich hat die Antragsgegnerin mit dem Formblatt die Wertungsmethode festgelegt. In jedem Wertungskriterium waren 0-10 Punkte zu erreichen, die mit einem Faktor entsprechend ihrer Gewichtung zu multiplizieren waren."
So ist für das Zuschlagskriterium Preis (80%) eine relative Bewertung vorgesehen, bei der derjenige Bieter die Höchstpunktzahl von 10 Punkten erhält, der das günstigste Angebot abgegeben hat (maximal zu erreichende Punktzahl 10 x 80% = 800).
Für das Kriterium "Ausführungsfrist" erhält der Bieter je Woche schnellerer Ausführung im Verhältnis zur maximal zulässigen Ausführungsfrist (148 Wochen) 0,5 Punkte, so dass bei einer angebotenen Verkürzung von 20 Wochen maximal 10 Punkte zu erlangen sind (maximal zu erreichende Punktzahl 10 x 5% = 50).
Für das Kriterium "Verjährungsfrist für Mängelansprüche" erhält der Bieter 0 Punkte, wenn er die Regelverjährungsfristen des § 13 VOB/B anbietet. Bietet er eine einheitliche Verjährungsfrist von 4 Jahren für Mängelansprüche an, erhält er 2 Punkte und für jedes darüber hinausgehende Jahr einer einheitlichen Verjährungsfrist jeweils weitere zwei Punkte, wobei 10 Punkten bei einer einheitlich angebotenen Verjährungsfrist von 8 Jahren erlangt werden können (maximal zu erreichende Punktzahl 10 x 10% = 100).
Zudem Kriterium 4 "Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für opake Bauteile" heißt es:
"Der Höchstwert des mittleren Wärmedurchgangskoeffizienten der wärmeübertragenden Umfassungsfläche für opake Außenbauteile nach den Energieeffizienzfestlegungen für klimaneutrale Neu- und Erweiterungsbauten und Gebäudesanierungen des Bundes für beheizte Zonen mit Raumtemperaturen T ≥ 19° C, ..., beträgt 0,18 [W/(m2*K)]. Eine Überschreitung bzw. Verschlechterung dieses Wertes führt zum Ausschluss.
Es wird eine angebotene Verbesserung dieses U-Wertes bewertet, wobei ein Wert von 0,14 [W/(m2*K)] als Grenze angesetzt wird. ...
Pro angebotene Verbesserung des mittleren U-Wertes von 0,18 [W/(m2*K) um jeweils 0,004 W/(m2*K) erhält der Bieter 1 Punkt [...]. Bei einer angebotenen Verbesserung des mittleren U- Wertes von 0,04 W/(m2*K) (und somit auf 0,14 W/(m2*K)) erhält der Bieter 10 Punkte.
Diese Punktzahl wird dann mit dem individuell angebotenen Bietungsfaktor ( > 0 bis 1; siehe separates Beiblatt "Bietungsfaktor") multipliziert.
Punkte = (0,18 - U-Wert Angebot [zwischen 0,14 und 0,18]) * 100 * 2,5 * Bietungsfaktor [zwischen 0 und 1] - diese werden dann mit der Gewichtung multipliziert.
Die höchste zu erreichende Gesamtpunktzahl bei diesem Kriterium beträgt 25 Punkte (10 Punkte x Faktor 2,5 [Gewichtung] x 1 [Bietungsfaktor])."
Im Anschluss an die Tabelle, in die der jeweilige U-Wert einzugeben ist, ist ein Bietungsfaktor anzugeben. Wird kein Bietungsfaktor angegeben, gilt der Bietungsfaktor 0. Hierzu heißt es wie folgt:
""Für vorgenanntes Kriterium biete ich abweichend vom - ansonsten geltenden Bietungsfaktor von 0 - verbindlich einen Bietungsfaktor (vgl. Beiblatt Bietungsfaktor) von
............ (Angabe > 0 bis 1 möglich)
an."
Die Bewertung des Kriteriums 5 "Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für transparente Bauteile" entspricht in der Systematik derjenigen im Kriterium 4 "Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für opake Bauteile". Der Höchstwert des mittleren Wärmedurchgangskoeffizienten der wärmeübertragenden Umfassungsfläche für transparente Außenbauteile beträgt 1,00 [W/(m2*K)]. Für eine angebotene Verbesserung des mittleren Werts um 0,02 W/(m2*K) erhält der Bieter 1 Punkt. Die maximal erreichbaren 10 Punkte erhält damit der Bieter, der einen Wert von 0,8 W/(m2*K) anbietet. Die ermittelte Punktzahl wird auch bei diesem Kriterium - zusätzlich zum Wertungsfaktor - mit dem auf dem Beiblatt zum Formular 227 einzutragenden Bietungsfaktor ( > 0 - 1) multipliziert, so dass die höchste zu erreichende Gesamtpunktzahl bei diesem Kriterium 25 Punkte (10 x 2,5% x 1 [Bietungsfaktor]).
Der in den letzten zwei Kriterien anzugebende Bietungsfaktor wird in dem "Beiblatt Bietungsfaktor" (Anlage BF 4), welches ebenfalls nach Ziff. 10.3 der Besonderen Vertragsbedingungen (Anlage BF 21) Vertragsbestandteil ist, näher erläutert. Es heißt dort unter anderem:
"Die Bieter können, ergänzend zur vorgegebenen festen Gewichtung des AG, den Zuschlagskriterien "Technischer Wert - opake Bauteile" und "Technischer Wert - transparente Bauteile" mit einem jeweils individuell angebotenen Bietungsfaktor eine von ihnen gewollte Gewichtung geben. Der Bietungsfaktor liegt zwischen 0 und 1 und ist vom Bieter mit seinem Angebot anzugeben.
Wie dem Formblatt 227 sowie dem dazugehörigen Beiblatt zu entnehmen ist, wird die durch Übererfüllung erreichbare Punktzahl (Angebotspunktwert zwischen 0 und 10 Punkten) für die Wertung mit dem individuell angebotenen Bietungsfaktor und der angegebenen Gewichtung multipliziert [Gesamtpunktzahl des jeweiligen Zuschlagskriteriums = Punkte (zwischen 0 und 10) x Gewichtung (in Prozent) x Bietungsfaktor (zwischen 0 und 1)]. Ebenso wirkt sich der Bietungsfaktor entsprechend den u.a. Formeln auf die potentielle Abschöpfung des Bietungsvorteils bei Nichterfüllung der angebotenen Übererfüllung aus.
Für den Fall, dass die angebotene Übererfüllung und somit das Leistungssoll aus den Bieterangaben bei den Zuschlagskriterien "Technischer Wert - opake Bauteile" und "Technischer Wert - transparente Bauteile" bei der späteren Bauausführung nicht erfüllt wird, wird eine Abschöpfung des im Vergabeverfahrens erlangten Bietungsvorteils vertraglich vereinbart.
Wie bereits erläutert, kann der Bieter der auftraggeberseitig festgelegten Gewichtung der Zuschlagskriterien "Technischer Wert - opake Bauteile" und "Technischer Wert - transparente Bauteile" mit seiner Angabe des o.a. Bietungsfaktors eine von ihm gewollte Gewichtung geben. Bietungsfaktoren kleiner 1 verringern den in der Vergabephase berücksichtigten Wertungsanteil."
Das Beiblatt enthält zudem eine dezidierte Darstellung der Formel - inklusive Berechnungsbeispielen -, zur Berechnung des abzuschöpfenden Bietungsvorteils für den Fall, dass der Bieter die von ihm angebotene und verbindlich vereinbarte Übererfüllung der Mindestanforderungen in Bezug auf den Wärmedurchgangskoeffizienten nicht erfüllt:
"Abzugsbetrag = ((Angebotspunktwert [auf Basis des angebotenen U-Werts; zwischen 0 und 10] - tatsächlich geleisteter Punktwert [auf Basis des tatsächlich geleisteten U-Werts; zwischen 0 und 10)/1000) x Gewichtung [in %] x Bietungsfaktor [zwischen 0 und 1] x Nettoangebotssumme Euro"
Die Antragsgegnerin hat Eignungsanforderungen zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit aufgestellt. So fordert sie unter anderem unter Ziff. 5.1.9 c):
"Sowohl präqualifizierte als auch nicht präqualifizierte Bieter haben, zusätzlich ... durch mindestens eine bestätigte Referenz, nachzuweisen:
- Durchführung von Planung und Bauausführung eines vergleichbaren Unterkunftsgebäudes/ Wohngebäudes mit mindestens 80 WE in den letzten 8 Jahren. Dieses Referenzobjekt muss in den letzten 8 Jahren fertiggestellt (alternativ: abgenommen) sein. Vom Referenzgeber ist die vertragsgemäße Ausführung der mit der zu vergebenden Leistung vergleichbaren Referenz zu bescheinigen. Diese Referenz hat die im Formblatt 124 für Referenznachweise genannten Mindestangaben zu enthalten.
- Erfahrung als Generalunternehmer.
Die mit Spiegelstrichen versehenen Anforderungen können durch mehrere bestätigte Referenzen nachgewiesen werden, sie müssen nicht alle zusammen in einer einzigen Referenzleistung erfüllt sein. Sie sind, unabhängig von einer möglichen Präqualifizierung des Bieters, der Vergabestelle auf Verlangen nach Angebotsabgabe vorzulegen."
Mit Rügeschreiben vom 11.07.2024 rügte die Antragstellerin, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Zuschlagskriterien eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist für Mängel- und Gewährleistungsansprüche auf bis zu acht Jahre vorgesehen habe. Mit Nachricht über die Vergabeplattform vom 11.07.2024 (Anlage BF 6) lehnte die Antragsgegnerin eine Abhilfe ab.
Die Antragstellerin gab zum Submissionstermin ein Angebot ab. Die Antragsgegnerin teilte den Bietern mit Schreiben vom 16.07.2024 (Anlage ASt 20) das Submissionsergebnis zur Angebotshöhe mit, nach dem die Antragstellerin auf dem dritten Platz liege. Zugleich teilte sie mit weiterem Schreiben vom 16.07.2024 mit, dass die weiteren qualitativen Wertungskriterien noch nicht abschließend ausgewertet worden seien, dass jedoch das Wertungskriterium "Dauer der Gewährleistung" nach dem Stand der Auswertung keinen Einfluss auf die Bieterreihenfolge haben werde.
Mit weiterem Rügeschreiben ihrer damaligen bevollmächtigten Rechtsanwälte vom 17.07.2024 (Anlage BF 7) rügte die Antragstellerin, dass es sich bei den Qualitätskriterien um reine Alibikriterien gehandelt habe, die aufgrund ihrer geringen Gewichtung mit kleiner beziehungsweise gleich 5 Prozent keine Auswirkung auf die Zuschlagsentscheidung haben könnten. Die Vergaberechtswidrigkeit sei für einen durchschnittlichen Bieter nicht erkennbar gewesen. Die Antragsgegnerin half auch dieser Rüge mit Schreiben vom 18.07.2024 (Anlage BF 9) nicht ab.
Mit Schreiben ihrer nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten vom 24.07.2024 (Anlage BF 8) machte die Antragstellerin geltend, die Änderung der Wertungsmethode und der Zuschlagskriterien im laufenden Vergabeverfahren verstoße gegen den Transparenzgrundsatz, § 97 Abs. 1 S. 1 GWB (Rüge 1). Zudem sei im Zusammenhang mit den Änderungen der Zuschlagskriterien die Angebotsfrist lediglich um drei Wochen verlängert worden, was nicht der Mindestfrist des § 10a Abs. 4 EU VOB/A entspreche (Rüge 2). Die Festlegung des Zuschlagskriteriums "Verjährungsfrist" verstoße gegen die Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung; die Möglichkeiten der Verlängerung der Verjährungsfrist widerspreche den Vorgaben des § 13 VOB/B und führe zu einer unangemessenen Benachteiligung der Bieter gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (Rüge 3). Die Gewichtung von Zuschlagskriterien mit lediglich 2,5 Prozent verstoße gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit gemäß § 97 Abs. 1 S. 2 GWB, weil der Preis zu den anderen Zuschlagskriterien in einem angemessenen Verhältnis stehen müsse, was nicht gewährleistet sei, wenn diese nur eine marginale Rolle spielten (Rüge 4). Schließlich verstoße die Möglichkeit der Bieter bei der Wertung des Wärmedurchgangskoeffizienten einen Bietungsfaktor anzugeben, gegen die Grundsätze des Wettbewerbs und der Wirtschaftlichkeit nach § 97 Abs. 1 GWB sowie die Vorgaben des § 127 Abs. 4 GWB. Die qualitativen Unterschiede in den Angeboten würden durch die subjektive Festlegung des Bietungsfaktors durch die Bieter nivelliert (Rüge 5).
Mit Schreiben vom 25.07.2024 (Anlage BF 10) wies die Antragsgegnerin diese Rügen zurück.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.07.2024 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag gestellt, mit dem sie die zuvor erhobenen Rügen wiederholt und konkretisiert hat.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1.ein Vergabenachprüfungsverfahren einzuleiten;
2.der Antragsgegnerin aufzugeben, das Vergabeverfahren in denjenigen Verfahrensstand zurückzuversetzen, der zur vergaberechtskonformen Wiederholung der von der Vergabekammer als rechtswidrig erkannten Verfahrensschritte unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer geboten ist;
3.der Antragstellerin Akteneinsicht gemäß § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren;
4.festzustellen, dass die Zuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war;
5.dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
1.den Nachprüfungsantrag kostenpflichtig zurückzuweisen;
2.der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der der Antragsgegnerin entstandenen Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig. Die Rügen in Bezug auf die Wertungsmethode und den Bietungsfaktor seien nach § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert. Jedenfalls sei der Nachprüfungsantrag aber unbegründet.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer vom 16.08.2024 hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, dass aufgrund der fortgeschrittenen Angebotswertung Zweifel daran bestünden, ob die Antragstellerin die Eignungsanforderungen erfülle. Die Antragsgegnerin hatte zuvor mit Schreiben vom 24.07.2024 mit Fristsetzung bis zum 09.08.2024 unter anderem die Vorlage einer bestätigten Referenz gemäß Ziff. 5.1.9 der Bekanntmachung "Technische und berufliche Leistungsfähigkeit" gemäß Ziff. (1) c) gefordert, woraufhin die Antragstellerin eine selbst aufgestellte Projektbeschreibung hinsichtlich des Projekts "Ersatzneubau Pflegeeinrichtung Schwemlingen" sowie weitere drei vom Auftraggeber bestätigte Referenznachweise mit Fertigstellung in den letzten acht Jahren vorgelegt hatte, wobei die letzteren Referenznachweise jeweils ein Unterkunftsgebäude mit weniger als 80 Wohneinheiten betrafen.
Im Anschluss an die mündliche Verhandlung hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 19.08.2024 (Anlage BF 11) die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass nach ihrer Prüfung keine der eingereichten Referenzen die Anforderungen erfülle. Der Antragstellerin ist zu diesem Prüfergebnis unter Verweis auf § 15 Abs. 2 EU VOB/A Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 22.08.2024 gewährt worden.
Mit Schreiben vom 23.08.2024 legte die Antragstellerin dar, dass die Referenz "Ersatzneubau Pflegeheim Schwemlingen" den Bau von 82 Wohneinheiten umfasse. Dem Schreiben war als Anlage 1 die bauliche Abnahmeerklärung beigefügt. Die Antragstellerin legte zudem weitere Referenzen vor.
Mit Email vom 29.08.2024 hat die Antragsgegnerin sodann Kontakt mit dem Referenzauftraggeber betreffend das Pflegezentrum Schwemlingen aufgenommen und um Bestätigung der Angaben gebeten. Mit Email vom 10.09.2024 hat der die Angaben bestätigt und eine Referenzbescheinigung zur Verfügung gestellt (Anlage BF 15).
Mit Schriftsatz vom 10.09.2024 (BF 16) hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, dass sie beabsichtige die Antragstellerin mangels Eignung auszuschließen, weil auf gesondertes Verlangen vorzulegende Unterlagen nicht gemäß § 16 Abs. 1 EU VOB/A nachgefordert werden dürften. Dies hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.09.2024 gegenüber der Antragsgegnerin und im Nachprüfungsverfahren mit Schriftsatz vom 13.09.2024 (Anlage BF 17) gerügt und darauf hingewiesen, dass ein Ausschluss mangels Eignung nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Bestimmungen über die Angebotsaufklärung und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beurteilungsfehlerhaft und vergaberechtswidrig sei.
Mit Schreiben vom 23.09.2024 (Anlage BF 19) hat die Antragsgegnerin den Ausschluss der Antragstellerin vom Vergabeverfahren gemäß § 16 Nr. 4 EU VOB/A erklärt. Zur Begründung hat sie angeführt, die Antragstellerin sei der mit Schreiben vom 24.07.2024 unter Fristsetzung bis zum 09.08.2024 geforderten Vorlage der vom Referenzgeber als vertragsgemäß bestätigten Referenzen nicht nachgekommen. Die am 09.08.2024 vorgelegten Referenzen erfüllten die Anforderungen der Bekanntmachung nicht. Eine Nachfristsetzung sei gemäß § 16 Nr. 4 EU VOB/A nicht möglich. Gegen diesen Ausschluss ihres Angebots wandte sich die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 24.09.2024 (Anlage BF 20).
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 27.09.2024 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Betreffend die gerügte Vergaberechtswidrigkeit der vorgenommenen Änderungen der Zuschlagskriterien sowie die geltend gemachte vergaberechtswidrig zu kurz bemessene Verlängerung der Angebotsfrist von drei Wochen, sei die Antragstellerin bereits nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB präkludiert gewesen (Rügen 1 und 2). Eine Vergaberechtswidrigkeit hätte sie auch ohne vertiefte Kenntnisse des Vergaberechts bis zum Ablauf der Angebotsfrist geltend machen können. Im Übrigen sei der Nachprüfungsantrag unbegründet. Das Zuschlagkriterium "Verjährungsfrist für Mängelansprüche" sei ein zulässiges Zuschlagskriterium, da der erforderliche Bezug zwischen dem Auftragsgegenstand und der Gewährleistungsfrist gegeben sei. Auch verstoße eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist nicht gegen das Regelungssystem des § 13 EU VOB/B und bürde den Bietern kein ungewöhnliches Wagnis nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 EU VOB/B auf, da die Antragsgegnerin in Bezug auf die Länge der Gewährleistungsfrist den Bietern keine Vorgaben gemacht habe (Rüge 3). Vergaberechtlich zulässig sei auch die gewählte Gewichtung der Qualitätskriterien. Da diese mit insgesamt 20 Prozent in die Wertung mit einfließen, handle es sich nicht um reine Alibikriterien (Rüge 4). Schließlich sei auch der bei den qualitativen Kriterien 4 und 5 (Wärmedurchgangskoeffizient) als zusätzlicher Faktor eingeführte Bietungsfaktor vergaberechtlich zulässig (Rüge 5). Angesichts des Umstands, dass ein Vergabefehler nicht feststellbar sei, könne die Frage, ob die Antragsgegnerin die Antragstellerin vergaberechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat, offen gelassen werden.
Am 07.10.2024 im Nachgang zu der Entscheidung der Vergabekammer teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit erneutem Bieterinformationsschreiben, datierend auf den 23.09.2024, mit, dass sie wegen nicht nachgewiesener Eignung von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen werde und der Zuschlag am 18.10.2024 auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werde. Das Schreiben enthielt eine vertiefte Begründung der Ausschlussentscheidung sowie eine fiktive Angebotswertung, nach der die Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte.
Gegen den Beschluss der Vergabekammer hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 11.10.2024 - eingegangen am selben Tag - sofortige Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, der Ausschluss ihres Angebots sei vergaberechtswidrig erfolgt. Die durchgeführte Aufklärung habe ergeben, dass die von ihr eingereichte Referenz (Pflegezentrum Schwemlingen) den aufgestellten Anforderungen genüge. Dieses Auslegungsergebnis müsse die Antragsgegnerin berücksichtigen. Im Übrigen sei der Nachprüfungsantrag begründet, da die festgelegte Wertungsmethode mit der Möglichkeit zur Angabe eines Bietungsfaktors vergaberechtswidrig sei. Der anzugebende Bietungsfaktor ermögliche keine objektive Wirtschaftlichkeitsbewertung, da ihm kein objektiver Mehrwert gegenüberstehe. Durch den Bietungsfaktor würden gerade nicht Wärmedurchgangskoeffizienten und Lebenszykluskosten, sondern allein das Leistungsversprechen als solches bewertet. Durch die Angabe eines hohen Bietungsfaktors könne eine hohe Punktzahl erreicht werden, ohne dass dem ein tatsächlicher produktbezogener Mehrwert gegenüberstünde. Die Bieter könnten durch subjektive Festlegungen des Bietungsfaktors Einfluss auf die Wirtschaftlichkeitsbewertung nehmen, und die qualitativen Unterschiede würden durch die subjektiven Angaben der Bieter nivelliert. Schließlich stelle die geforderte Angabe des Bietungsfaktors eine zusätzliche, das gesetzliche Höchstmaß übersteigende Vertragsstrafe und damit eine unangemessene Benachteiligung des Bieters nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 BGB dar. Die Regelung zur Abschöpfung des Bietungsvorteils bürde der Antragstellerin auch ein unzumutbares Wagnis nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 EU VOB/A auf und verstoße gegen die vergaberechtlichen Vorgaben in § 8a Abs. 1 S. 1 EU VOB/A.
Die Antragstellerin beantragt,
1.den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes in Bezug aufzuheben;
2.der Antragsgegnerin aufzugeben, den Ausschluss der Antragstellerin zurückzunehmen;
3.der Antragsgegnerin aufzugeben, das Vergabeverfahren in den Stand der Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen und die Zuschlagskriterien nach den vom Senat getroffenen Maßgaben vergaberechtsgemäß auszugestalten;
4.der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen;
5.festzustellen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.
Die Antragsgegnerin beantragt,
1.- hilfsweise - die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 27.09.2024 (VK 2-69/24) kostenpflichtig zurückzuweisen;
2.festzustellen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller nicht notwendig war.
Die mit Beiladungsbeschluss vom 26.02.2025 zum Verfahren hinzugezogene Beigeladene beantragt,
1.die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen;
2.die Kosten des Verfahrens einschließlich der Aufwendungen der Beigeladenen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene verteidigen die Entscheidung der Vergabekammer. Sie sind der Ansicht, die Beschwerde habe bereits deshalb keine Aussicht auf Erfolg, weil das Angebot der Antragstellerin wirksam ausgeschlossen worden sei und der Antragstellerin mithin kein Schaden drohe. Neben dem zwingenden Ausschlussgrund des § 16 Nr. 4 EU VOB/A sei das Angebot auch nach § 16 Nr. 2 i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 EU VOB/A wegen unzulässiger Änderungen der Vergabeunterlagen auszuschließen, weil die Antragstellerin im Angebotsschreiben unter dem Punkt "Anlagen, die Vertragsbestandteil werden" das aufgeführte "Beiblatt Bietungsfaktor" nicht angekreuzt habe, was die Antragsgegnerin erstmals im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 20.11.2024 geltend macht.
Die Beigeladene ist darüber hinaus der Ansicht, es fehle der Antragstellerin die Antragsbefugnis. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes könne sich ein Bieter, der durch eine bestandskräftig gewordene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen wurde, nicht auf seine zweite Chance berufen. Die Antragstellerin habe den nach der Entscheidung der Vergabekammer erklärten Ausschluss ihres Angebots vom 07.10.2024 nicht gerügt, weshalb er bestandskräftig geworden sei.
Im Übrigen verteidigen die Antragsgegnerin und die Beigeladene den in den qualitativen Kriterien zum Wärmedurchgangskoeffizienten anzugebenden Bietungsfaktor als vergaberechtmäßig.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, der Bietungsfaktor sei kein Zuschlagskriterium, sondern ein vom Bieter anzugebender Faktor, der die Belastbarkeit seines Leistungsversprechens abbilden solle. Das Zuschlagskriterium selbst und die Punktevergabe folgten einem schlichten Wenn-Dann-Schema und die Gewichtung sei in den Vergabeunterlagen festgelegt worden. Weder einem Zuschlagskriterium noch einem Faktor müsse zwingend ein "Produktbezogener Mehrwert" gegenüberstehen. Dies folge aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Az.: C-448/01 - Wienstrom). Soweit der Bietungsfaktor subjektiv-individuell festgelegt werde und auf die Wertung Einfluss nehme, verstoße dies nicht gegen vergaberechtliche Grundsätze, da Bieter mit subjektiven Angaben jenseits der Mindestanforderungen regelmäßig auf eine Angebotswertung Einfluss nehmen würden. Die Angabe des Bieters, inwieweit er zu seinem Leistungsversprechen stehe oder nicht, könne nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Bieter führen.
Die Beigeladene führt darüber hinaus an, es sei vergaberechtlich nicht zu beanstanden, dass beim Wärmedurchgangskoeffizienten über den Bietungsfaktor eine vertragliche Konsequenz mit dem Leistungsversprechen verknüpft werde. Der Bieter verspreche die Einhaltung des Wärmedurchgangskoeffizienten als qualitatives Merkmal. Dass der Bieter durch die eigene subjektive Angabe eines Bietungsfaktors Einfluss auf das Wertungsergebnis nehmen könne, sei nicht vergaberechtswidrig, denn der Bieter tätige bei allen Zuschlagskriterien - wie beim Preis oder allen sonstigen Kriterien - subjektive Festlegungen und nehme damit naturgemäß auf das Wertungsergebnis Einfluss. Nicht die Gewichtung von 2,5 Prozent der Kriterien 4 und 5 (Wärmedurchgangskoeffizient) werde geändert, sondern lediglich der erreichbare Punktwert vom Bieter. Dies ergebe sich bereits aus der eindeutigen mathematischen Formel. Der Sache nach werde durch die Angabe des aus Sicht des Bieters erreichbaren Wärmedurchgangskoeffizienten und dem von ihm anzugebenden Bietungsfaktor nichts anderes als ein Leistungsversprechen mit gesondert erklärter Risikoübernahme abgefragt, da das Nichterreichen des angegebenen Werts nach dem Grad der Risikoübernahme durch die Abschöpfung des Bietungsvorteils sanktioniert werde. Der Bieter prognostiziere hierdurch, wie wahrscheinlich er den Wärmekoeffizienten auf ein bestimmtes Maß verbessern könne. Dies sei vergleichbar mit Angaben zum Preis, bei denen der Bieter im Zuge der Kalkulation eine Prognose erstellt, ob seine Mitarbeiter innerhalb der von ihm kalkulierten Zeit eine bestimmte Leistung erbringen.
II.
Die nach §§ 171, 172 GWB zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg.
1. Der Nachprüfungsantrag ist - soweit die Rügen noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind - insgesamt zulässig.
a. Die Antragstellerin wendet sich im Nachprüfungsverfahren gegen den Ausschluss ihres Angebots und kritisiert die Wertungsmethode aufgrund des Bietungsfaktors als vergaberechtswidrig. Nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind demgegenüber die Rügen 1 bis 4. Soweit die Antragstellerin die Änderung der ursprünglich bekannt gemachten Wertungsmethode und der Zuschlagskriterien im laufenden Verfahren als Verstoß gegen den Transparenzgrundsatz (Rüge 1) oder die Verlängerung der Angebotsfrist um lediglich drei Wochen als vergaberechtsfehlerhaft beanstandet hat (Rüge 2), verfolgt sie diese Rügen im Beschwerdeverfahren nicht weiter, nachdem die Vergabekammer sie als nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB präkludiert angesehen hat. Ebenfalls nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind die Rügen, das Zuschlagskriterium "Verjährungsfrist für Mängelansprüche" stelle als Zuschlagskriterium eine unangemessene Benachteiligung der Bieter nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar (Rüge 3), und die Gewichtung der Zuschlagskriterien verstoße gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit nach § 97 Abs. 1 GWB (Rüge 4).
b. Für die übrigen geltend gemachten Vergaberechtsverstöße liegt die erforderliche Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB vor. Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 4 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, sofern ihm durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
aa. Die Antragstellerin hat vorliegend durch die Abgabe ihres Angebots ihr Inte- resse an dem Auftrag dokumentiert und macht im Beschwerdeverfahren geltend, die von der Antragsgegnerin festgelegte Wertungsmethode mit der Möglichkeit der Angabe eines Bietungsfaktors sei vergaberechtswidrig und verstoße gegen die Grundsätze des Wettbewerbs und der Wirtschaftlichkeit nach § 97 Abs. 1 GWB sowie die Vorgaben des § 127 Abs. 4 GWB. Zudem sei der Ausschluss ihres Angebots vergaberechtswidrig unter Verstoß gegen § 16 Nr. 4 EU VOB/A sowie § 16 Nr. 2 i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 EU VOB/A erfolgt. Durch diese Vergaberechtsverstöße sei sie in ihren Rechten (§ 97 Abs. 6 GWB) verletzt worden.
bb. Die Antragstellerin hat zudem hinreichend nach § 160 Abs. 2 S. 1 GWB dargelegt, dass ihr durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden droht. Ein Schaden droht, wenn der Antragsteller im Fall eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte (BGH, Beschl. v. 10.11.2009 - X ZB 8/09, NZBau 2010, 124 Rn 32), wenn also die Aussichten dieses Bieters auf die Erteilung des Auftrags zumindest verschlechtert worden sein können (BVerfG, Beschl. v. 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03, NZBau 2004, 564, 565). Der grundsätzliche Anspruch eines Bieters auf ein fehlerfreies Vergabeverfahren wird in seiner Durchsetzbarkeit im Nachprüfungsverfahren also kraft Gesetzes auf (potentiell) schadenskausale Vergaberechtsverstöße begrenzt (OLG Koblenz, Beschl. v. 04.02.2009 - 1 Verg 4/08, ZfBR 2009, 292, 294). Das Nachprüfungsverfahren ist kein abstraktes Instrument zur Fehlerkontrolle, sondern dient dem Individualrechtsschutz (OLG Thüringen, Beschl. v. 12.04.2012 - 2 Verg 2/12, Rn. 116; OLG München, Beschl. v. 11.04.2013 - Verg 3/13, BeckRS 2013, 7174). Für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ist daher erforderlich, dass der den Nachprüfungsantrag stellende Bieter schlüssig behauptet, dass und welche vergaberechtlichen Vorschriften im Verlauf des Vergabeverfahrens verletzt worden sein sollen und dass er ohne die Rechtsverletzung eine Chance auf Erteilung des Zuschlags hätte, so dass der behauptet eingetretene oder drohende Schaden auf die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften zurückzuführen ist (BGH, Beschl. v. 18.05.2004 - X ZB 7/04, BeckRS 2004, 6261; Senat, Beschl. v. 16.02.2006 - VII-Verg 6/06, BeckRS 2006, 4700 Rn 13).
Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen ist die Antragstellerin antragsbefugt. Ihre Chancen auf Zuschlagserteilung sind durch die geltend gemachten Vergaberechsverstöße verschlechtert worden. Ohne Erfolg macht die Beigeladene in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 25.03.2025 unter Hinweis auf die Entscheidung des Europäischen Gerichthofs vom 09.02.2023, Az. C-53/22 geltend, das Angebot der Antragstellerin sei rechtskräftig ausgeschlossen worden, weshalb der Antragstellerin durch eine vergaberechtlich zu beanstandende Wertungsmethode kein Schaden drohe. Der mit Schreiben vom 23.09.2024 erklärte Angebotsausschluss ist jedoch nicht in Bestandskraft erwachsen. Die Antragstellerin war nicht gehindert, den geltend gemachten Verstoß gegen § 16 Nr. 4 EU VOB/A sowie § 16 Nr. 2 i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 EU VOB/A zum Gegenstand des Vergabenachprüfungsverfahrens zu machen, ohne dass es hierzu einer Rüge gegenüber der Antragsgegnerin bedurfte. Es ist keine Rügepräklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1- 3 GWB eingetreten. Die Antragsgegnerin hat den Angebotsausschluss während des laufenden und noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Vergabenachprüfungsverfahrens nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer und vor der Entscheidung der Vergabekammer vom 27.09.2024 erklärt. Das ebenfalls auf den 23.09.2024 datierte Schreiben vom 07.10.2024 (Anlage BF 23) stellt keine neue Entscheidung über den Ausschluss dar, sondern stützt die Entscheidung zusätzlich auf eine weitere Begründung. Eine Rüge der Antragstellerin vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens war daher zeitlich gar nicht möglich und demzufolge auch nicht erforderlich. Weitere mögliche Vergaberechtsverstöße können selbst dann zum Gegenstand des bereits eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens gemacht werden, wenn das Nachprüfungsverfahren zunächst unzulässig war, weil es aufgrund eines nicht, nicht unverzüglich oder inhaltlich unzureichend gerügten Verstoßes eingeleitet worden ist (Senat, Beschl. v. 18.09.2024 - Verg 16/24, BeckRS 2024, 33912 Rn 46; Senat, Beschl. v. 13.04.2011 - VII Verg 58/10, ZfBR 2011, 508, 512). Es muss sich nur um einen weiteren Vergaberechtsverstoß handeln, der zulässig beanstandet, insbesondere - wie vorliegend - nicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB präkludiert ist (Senat, Beschl. v. 18.09.2024 - Verg 16/24, BeckRS 2024, 33912 Rn 46; Senat, Beschl. v. 13.04.2011 - VII Verg 58/10, ZfBR 2011, 508, 512). Ob ein erst später im laufenden Vergabenachprüfungsverfahrens erkannter oder erkennbarer Verfahrensverstoß zumindest unmittelbar und unverzüglich vor der Vergabekammer oder gegebenenfalls im Beschwerdeverfahren geltend zu machen ist (Brandenburgischen OLG, Beschl. v. 10.01.2012, Verg W 18/11 mwNachw.; Reidt in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 5. Aufl., § 160 Rn. 68), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Dieses Erfordernis ist vorliegend erfüllt. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 24.09.2024 adressiert an die Vergabekammer (Anl. BF 20) den Ausschluss ihres Angebots beanstandet.
c. Der Nachprüfungsantrag ist nicht nach § 160 Abs. 3 GWB unzulässig.
aa. Zwar hat die Antragstellerin die Vergaberechtswidrigkeit der Wertungsmethode aufgrund des Bietungsfaktors erst mit Schreiben ihrer jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vom 24.07.2024 (Anlage BF 8) und damit nach Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gerügt. Dies führt aber nicht zur Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB.
(1) Nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 3 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Vergaberechtsverstöße, die aufgrund der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Die Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften ist objektiv zu bestimmen. Eine die Rügeobliegenheit auslösende Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften ist - immer bezogen auf den konkreten Einzelfall - zu bejahen, wenn der Verstoß von einem durchschnittlichen fachkundigen Bieter des angesprochenen Bieterkreises bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden kann (Senat, Beschl. v. 03.04.2019 - VII Verg 49/18; Beschl. v. 26.07.2018 - VII Verg 23/18; Beschl. v. 28.03.2018 - VII Verg 54/17 und Beschl. v. 15.01.2020 - VII Verg 20/19, BeckRS 2020, 1327 Rn 37). Dabei muss sich die Erkennbarkeit sowohl auf die den Verstoß begründenden Tatsachen als auch auf deren rechtliche Beurteilung beziehen (Dicks, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl., § 160 Rn 48). In Bezug auf die zu rügenden Vergaberechtsverstöße, welche sich aus den Vergabeunterlagen ergeben (§ 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB) ist für eine Präklusion mithin erforderlich, dass der Inhalt der Unterlagen bei laienhafter rechtlicher Bewertung, also ohne Bemühung besonderen Rechtsrats, auf einen Vergaberechtsverstoß hindeutet. Das setzt regelmäßig voraus, dass die Rechtsvorschriften, gegen die verstoßen wird, zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der beteiligten Bieterkreise gehören (Senat, Beschl. v. 26.07.2018 - VII Verg 23/18; Beschl. v. 15.01.2020 - VII Verg 20/19, BeckRS 2020, 1327 Rn 37; OLG München, Beschl. v. 22.10.2015 - Verg 5/15). Eine Rügepräklusion kommt damit in der Regel nur für auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhende und ins Auge fallende Rechtsverstöße in Betracht (vgl. Dicks, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl., § 160 Rn 49). Der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebotes beziehungsweise seiner Bewerbung auffallen muss (Senat, Beschl. v. 03.08.2011 - VII Verg 16/11, ZFBR 2021, 72, 74). Daher genügt es nicht, wenn die gerügten Verstöße gegen das Transparenz- und Wirtschaftlichkeitsgebot bereits in der Leistungsbeschreibung angelegt waren (Senat, Beschl. v. 02.05.2018 - VII Verg 3/18). So können etwa von einem durchschnittlich fachkundigen Bieter, auf den abzustellen ist (vgl. Wiese, in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Auflage, § 160 GWB Rn. 126 f. mwN), etwa vertiefte Rechtskenntnisse, die es erlauben, die Vergaberechtskonformität eines Bewertungssystems zu beurteilen, nicht zu erwartet werde (vgl. auch Senat, Beschl. v. 29.04.2015, VII Verg 35/14).
(2) Ausgehend von diesen Maßstäben war die geltend gemachte Vergaberechtswidrigkeit des Bietungsfaktors, der bei den Zuschlagskriterien 4 und 5 (Wärmedurchgangskoeffizient) als zusätzlicher Faktor anzugeben war, für die Antragstellerin nicht erkennbar. Es handelt sich um komplexe Fragen der Vergaberechtskonformität eines Wertungssystems, die rechtlich zu bewerten sind. Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin die gerügten Vergaberechtsverstöße im Sinne des § 160 Abs. 3 Nr. 1 und 2 bzw. 3 GWB vor dem Ablauf der Angebotsfrist und damit vor der Beratung durch ihre damaligen Verfahrensbevollmächtigten beziehungsweise ihre aktuellen Verfahrensbevollmächtigten erkannt hätte oder hätte erkennen können.
bb. Wie bereits oben unter b.bb. ausgeführt ist der Nachprüfungsantrag auch in Bezug auf den geltend gemachten vergaberechtswidrigen Ausschluss der Antragstellerin vom Vergabenachprüfungsverfahren nicht nach § 160 Abs. 3 GWB unzulässig.
2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet.
Die Wertungsmethode der Antragsgegnerin ist vergaberechtswidrig, soweit sie für die Bewertung der Zuschlagskriterien 4 und 5 (Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für opake und transparente Bauteile) einen individuell von jedem Bieter selbst zu bestimmenden sog. Bietungsfaktor enthält.
Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob bedingt durch den Bietungsfaktor tatsächlich eine variable Gewichtung des jeweiligen Zuschlagskriteriums in einer Spanne von 0 % - 2,5 % festgelegt worden ist (siehe unter 1.) oder ob er bei Annahme einer festen Gewichtung von 2,5 % eine eigenständige Variable der Wertungsmethode darstellt (siehe unter 2.).
1. Sollte die Antragsgegnerin für die Zuschlagkriterien 4 und 5 (Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für opake und transparente Bauteile) durch den individuell vom Bieter zwischen > 0 und 1 zu bestimmenden Bietungsfaktor tatsächlich eine variable Gewichtung in einer Spanne von 0 % - 2,5 % festgelegt haben, liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 2 GWB) vor.
a. Vieles spricht dafür, dass die Antragsgegnerin tatsächlich eine variable Gewichtung hat festlegen wollen. Der Inhalt der Änderungsbekanntmachung vom 24.06.2024 und die Angaben in den Vergabeunterlagen bedürfen insoweit der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB.
Die Angaben in der Auftragsbekanntmachung vom 24.06.2024 sind nicht eindeutig. So heißt es zwar bei dem jeweiligen Zuschlagskriterium "Gewichtung (Prozentanteil, genau)". Ein genauer Prozentanteil für die Gewichtung liegt aber nicht nur dann vor, wenn der Auftraggeber ihn vorher festlegt, sondern auch dann, wenn eine vorgegebene Gewichtung mit einem individuellen Bietungsfaktor multipliziert wird. Dass der Bietungsfaktor für die bekannt gemachten Zuschlagskriterien und deren Gewichtung aus Sicht des objektiven Erklärungsempfängers offenbar auch eine Rolle spielen sollte, ergibt sich daraus, dass hinter der Nennung des Zuschlagskriteriums (Verbesserung der Wärmedurchgangskoeffizienten für opake und transparente Bauteile) jeweils der Klammerzusatz "inkl. Bietungsfaktor" aufgeführt ist. Nicht eindeutig sind zudem die Angaben der Antragsgegnerin in den übrigen Vergabeunterlagen. Im "Beiblatt zu Formblatt 227" (Anlage BF 3) ist zwar für die in Rede stehenden Zuschlagskriterien 4 und 5 explizit eine Gewichtung von 2,5 % und folgende Berechnungsmethode genannt: erzielte Punkte x 2,5 (Gewichtung) x Bietungsfaktor. Hierbei kann die Stellung des Bietungsfaktors innerhalb der Berechnungsformel allerdings nicht als belastbares Auslegungskriterium herangezogen werden. Faktoren einer mathematischen Formel können beliebig in ihrer Position vertauscht werden, ohne dass dies einen Einfluss auf das mathematische Ergebnis hätte. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass sowohl im "Beiblatt Bietungsfaktor" (Anlage BF 4) als auch im "Beiblatt zu Formblatt 227" (Anlage BF 3, vgl. Ziff. 4 Abs. 6) die Antragsgegnerin die folgende Formel verwendet: Angebotspunktwert x Gewichtung x Bietungsfaktor. Soweit im "Beiblatt zu Formblatt 227" bei der Beschreibung der Berechnungsformel unter Ziff. 4 Abs. 3 und 4 der Bietungsfaktor vor der Gewichtung genannt wird, die Position also verschiedentlich dargestellt werden, dürfte dies dem Umstand geschuldet sein, dass der Position eines Faktors bei einer Multiplikation für das Ergebnis keine Bedeutung zukommt.
Allerdings ist im "Beiblatt Bietungsfaktor" (Anlage BF 4) neben der festen Gewichtung des Auftraggebers von einer vom Bieter "gewollten" Gewichtung die Rede, die durch den individuell angebotenen Bietungsfaktor bestimmt werden kann. So heißt es dort unter Ziff. 1 im ersten und vierten Absatz wörtlich:
"Die Bieter können, ergänzend zur vorgegebenen festen Gewichtung des AG, den Zuschlagskriterien "Technischer Wert - opake Bauteile" und "Technischer Wert - transparente Bauteile" mit einem jeweils individuell angebotenen Bietungsfaktor eine von ihnen gewollte Gewichtung geben. Der Bietungsfaktor liegt zwischen 0 und 1 und ist vom Bieter mit seinem Angebot anzugeben.
...
Wie bereits erläutert, kann der Bieter der auftraggeberseitig festgelegten Gewichtung der Zuschlagskriterien "Technischer Wert - opake Bauteile" und "Technischer Wert - transparente Bauteile" mit seiner Angabe des o.a. Bietungsfaktors eine von ihm gewollte Gewichtung geben. Bietungsfaktoren kleiner 1 verringern den in der Vergabephase berücksichtigten Wertungsanteil."
Diese Formulierungen deutet also eher darauf hin, dass die "feste Gewichtung" von 2,5 % lediglich eine Berechnungsgröße für die durch den Bietungsfaktor zwischen > 0 und 1 mögliche variable Gewichtung in einer Spanne von 0 % - 2,5 % ist.
b. Sollte die Gewichtung der Zuschlagskriterien 4 und 5 tatsächlich mittels einer Spanne erfolgen, wäre dies wohl nicht von vornherein vergaberechtswidrig.
So räumt § 58 Abs. 3 Satz 2 VgV dem öffentlichen Auftraggeber unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit ein, die Gewichtung mittels einer Spanne anzugeben, deren Bandbreite angemessen sein muss. Anstatt die Gewichtung einzelner Zuschlagskriterien starr festzulegen, kann der öffentliche Auftraggeber diese flexibel halten, indem er einem Zuschlagskriterium nicht einen bestimmten Prozentsatz zuweist, sondern eine Spanne (z.B. zwischen 30-50 %) bestimmt, innerhalb derer die jeweilige Gewichtung liegen soll. Die konkrete Gewichtung erfolgt dann erst bei der Bewertung der Angebote (Gnittke/Hattig, in: Müller-Wrede, VgV, 2. Aufl., § 58 Rn. 222, 224). Hiervon darf aber nur im Ausnahmefall Gebrauch gemacht werden. Spannen verstoßen regelmäßig gegen das Transparenzgebot, weil sich die Bieter bei der Erstellung ihrer Angebote nicht sicher darauf einstellen können, anhand welcher konkreter Maßstäbe die Angebote bei der Wertung miteinander verglichen werden (Steck, in: Ziekow/Völlink, 5. Aufl., VgV § 58 Rn. 38).
Unabhängig davon, ob die genannte Regelung aus der VgV auf § 16d Abs. 2 Nr. 2 VOB/A-EU übertragen werden kann und die Voraussetzungen für die nur ausnahmsweise gestattete Angabe einer Gewichtungsspanne vorliegen, läge hier in jedem Fall ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Es ist in jedem Fall unzulässig, innerhalb derselben Spanne auf unterschiedliche Angebote unterschiedliche Gewichtungsprozentsätze anzuwenden (Gnittke/Hattig, in: Müller-Wrede, VgV, § 58 Rn. 225; Steck, in: Ziekow/Völlink, 5. Aufl., VgV § 58 Rn. 38; Kraus, VergabeR 2011, 171, 176). Gerade zu solchen unterschiedlichen Gewichtungsprozentsätzen würde es vorliegend aber kommen, je nachdem welcher Bietungsfaktor von dem einzelnen Bieter zwischen > 0 und 1 angegeben wird.
2. Ein Vergaberechtsverstoß liegt aber auch dann vor, wenn es sich bei dem Bietungsfaktor neben dem ermittelten Punktwert und der Gewichtung um eine eigenständige Variable der Bewertungsmethode handeln sollte, so wie die Antragsgegnerin geltend macht. Insoweit liegt ein Verstoß gegen § 127 Abs. 1 S. 1 GWB, § 16 d Abs. 2 Nr. 1 VOB/A-EU und den Gleichbehandlungsgrundsatz vor.
Eine Bewertungsmethode zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots gemäß § 127 Abs. 1 S. 1 GWB, § 16 d Abs. 2 Nr. 1 VOB/A-EU ist dann erforderlich, wenn - so wie hier - nicht nur der Preis, sondern auch die Leistungsstärke des Angebots anhand weiterer Zuschlagskriterien bewertete werden soll. Da bei einer Bewertung von Preis und Leistung die Angebotspreise in Euro vorliegen und die Leistungsstärke der Angebote in Leistungspunkten, stellt sich die Frage, welches Mehr an Leistung welches Mehr an Preis rechtfertigt. Um das objektiv beantworten zu können, muss das Preis-Leistungsverhältnis durch eine mathematische Formel, die Zuschlagsformel einer Bewertungsmethode, dargestellt werden. Dabei hat der öffentliche Auftraggeber die einzelnen Berechnungsgrößen transparent und unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes festzulegen. Damit ist nicht zu vereinbaren, wenn es dem Bieter überlassen bleibt, eine Variable der mathematischen Umrechnung eigenständig mit der Folge zu bestimmen, dass das von dem Auftraggeber gefundene Wertungsergebnis abgeändert wird.
Die Antragsgegnerin hat sich bei der Bewertung der Unterkriterien 4 und 5, die dann zu tragen kommt, wenn der Bieter die an den Wärmedurchgangskoeffizienten gestellte Mindestanforderung unterschreitet bzw. die Anforderung übererfüllt, für eine Bewertung nach Punkten entschieden. Für jede Verbesserung des mittleren Werts um 0,02 W/(m2*K) erhält der Bieter 1 Punkt bis maximal 10 Punkte. Dies ist vergaberechtlich nicht zu kritisieren. Zu beanstanden ist aber, dass der Bieter durch Angabe eines Bietungsfaktors zwischen > 0 und 1 die Punktebewertung der Antragsgegnerin verändern kann, ohne dass die Antragsgegnerin hierauf Einfluss hat. Im Extremfall kann dies dazu führen, dass verschiedene Bieter denselben Wärmedurchgangskoeffizienten angeboten und von der Antragsgegnerin hierfür dieselbe Punktzahl erhalten haben, jedoch aufgrund eines unterschiedlichen Bietungsfaktors der eine Bieter 2,5 Punkte (10 Punkte x 0,1 Bietungsfaktor x 2,5 Gewichtung) und der andere 25 Punkte (10 Punkte x 1 Bietungsfaktor x 2,5 Gewichtung) erhält. Dies ist mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung nicht zu vereinbaren. Ohne Erfolg macht die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang geltend, der Angebotsinhalt sei wegen des unterschiedlichen Bietungsfaktors nicht gleich. Dies ist tatsächlich aber nicht der Fall. Der vom Bieter anzugebende Bietungsfaktor ist nicht Inhalt der angebotenen und im Rahmen der Zuschlagskriterien 4 und 5 zu bewertenden Leistung. Die nachgefragte Bauleistung umfasst die schlüsselfertige Errichtung von drei Unterkunftsgebäuden, wobei ein niedrigerer als der von der Antragsgegnerin vorgegebene Wärmedurchgangskoeffizient für opake und transparente Bauteile angeboten werden kann. Der anzugebende Bietungsfaktor ist ein reiner Berechnungsfaktor. Er ist (zunächst) nur Bestandteil der Wertungsformel. Im Fall der Zuschlagserteilung und Nichterfüllung des angebotenen Wärmedurchgangskoeffizienten wirkt er sich sodann bei der Höhe des abzuschöpfenden Bietungsvorteils aus. Ein separat vom Auftraggeber zu bewertendes Zuschlagskriterium "Vertragstreue" oder "Erfüllungswahrscheinlichkeit" hat die Antragsgegnerin aber ebenso wenig festgelegt wie die "Bereitschaft zur Risikoübernahme" in Bezug auf die Abschöpfungsregelung. Es ist auch nicht so, dass die Antragsgegnerin - so ihr Vortrag - mittels des Bietungsfaktors die Wahrscheinlichkeit bewertet, ob der Bieter seine Zusage für einen geringeren Wärmedurchgangskoeffizienten im Falle der Zuschlagserteilung wird einhalten können. Eine solche Bewertung findet durch die Antragsgegnerin anhand des Bietungsfaktors nicht statt. Die Antragsgegnerin bestimmt die Höhe des Bietungsfaktors nicht. Dies macht allein der jeweilige Bieter im Wege der Selbsteinschätzung, ohne dass in den Vergabeunterlagen und dort insbesondere im "Beiblatt zu Formular 227" (Anlage BF 3) und "Beiblatt Bietungsfaktor" (Anlage BF 4) vorgegeben ist, was mit dem Bietungsfaktor und dessen Höhe überhaupt zum Ausdruck gebracht werden soll und nach welchen Kriterien er zu bestimmen ist. Er ist daher in sein Belieben gestellt und eröffnet Manipulationsgefahren. Hinzu kommt, dass eine Überprüfung der Höhe des angegebenen Bietungsfaktors durch die Antragsgegnerin nicht erfolgt und nach ihrem Vorbringen auch nicht beabsichtigt ist. Soll der Bietungsfaktor aber - so wie die Antragsgegnerin zuletzt mit Schriftsatz vom 01.04.2025 vorgetragen hat - ein Gradmesser zur Bewertung des Leistungsversprechens im Rahmen der vom öffentlichen Auftraggeber vorzunehmenden Prognose über die Wahrscheinlichkeit der Erfüllung dieses Versprechens sein, kann er diese Prognose nicht dem Bieter überlassen. Nicht nur die Wertung der Angebote ist alleinige Sache des öffentlichen Auftraggebers, sondern auch die Einschätzung, ob der Bieter sein Leistungsversprechen wird erfüllen können. Dabei darf ein öffentlicher Auftraggeber grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Bieter ihre vertraglichen Zusagen auch erfüllen werden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 07.09.2022 - 15 Verg 8/22, NZBau 2022, 615 Rn 35; Senat, Beschl. v. 15.01.2020 - VII Verg 20/19; Senat, Beschl. v. 26.08.2018 - Verg 23/18, BeckRS 2018, 55846 Rn 62; Senat, Beschl. v. 15.07.2015 - VII Verg 11/15; KG Berlin, Beschl. v. 21.11.2014 - Verg 22/13). Sollten sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dies zweifelhaft ist, ist der öffentliche Auftraggeber - bevor er das Angebot ausschließt - aus Gründen der Transparenz und der Gleichbehandlung der Bieter (§ 97 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 GWB) gehalten, durch Einholung ergänzender Informationen die Erfüllbarkeit des Leistungsversprechens beziehungsweise die hinreichende Leistungsfähigkeit des Bieters zu verifizieren (EuGH, Urt. v.04.12.2003, C-448/01 - Wienstrom; Senat, Beschl. v. 15.01.2020 - VII Verg 20/19; Senat, Beschl. v. 26.08.2018 - Verg 23/18, BeckRS 2018, 55846 Rn 62; KG Berlin, Beschl. v. 21.11.2014 - Verg 22/13; vgl. auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.11.2012 - Verg W 10/12, BeckRS 2013, 7532), wobei er in der Wahl seines Überprüfungsmittels im Grundsatz frei ist (Senat, Beschl. v. 15.01.2020 - VII Verg 20/19; OLG München, Beschl. v. 11.05.2007 - Verg 4/07, NJOZ 2008, 2351, 2356; Ziekow, in: Ziekow/Völllink, Vergaberecht, 5. Aufl., § 127 GWB Rn 28).
Würde daher durch den Bietungsfaktor tatsächlich die selbst eingeschätzte Erfüllungswahrscheinlichkeit zum Ausdruck gebracht, dürfte die Antragsgegnerin einen geringeren Bietungsfaktor als 1 gar nicht ohne weiteres hinnehmen, sondern müsste in eine Aufklärung eintreten und ggfls. einen Angebotsausschluss in Erwägung ziehen.
b. Ist somit die für die Zuschlagskriterien 4 und 5 vorgesehene Wertungsmethode vergaberechtswidrig, bedarf es keiner weiteren Ausführungen dazu, ob das Angebot der Antragstellerin zu Recht ausgeschlossen worden ist. Das Vergabeverfahren ist in den Stand vor Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen, so dass die Antragstellerin unabhängig von dem erklärten Angebotsausschluss eine sog. zweite Chance erhält.
3. Ein weitergehendes - über das durch die Vergabekammer gewährte Akteneinsichtsrecht hinausgehendes - steht der Antragstellerin nicht zu. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Senat, Beschl. v. 09.01.2020 - VII- Verg 10/18 = VergabeR 2020, 541 ff.) hat der Anspruch auf Akteneinsicht im Vergabenachprüfungsverfahren eine rein dienende, zum zulässigen Verfahrensgegenstand akzessorische Funktion (ebenso OLG Naumburg, Beschl. v. 01.06.2011 - 2 Verg 3/11. Die Beschleunigungsbedürftigkeit von Vergabenachprüfungsverfahren steht einem gänzlich voraussetzungslosen Akteneinsichtsanspruch aus § 165 Abs. 1 GWB entgegen (Senat, Beschl. v. 14.12.2020 - VII-Verg 30/20; Senat Beschl. v. 25.09.2017 - VII-Verg 19/17). Ein Anspruch auf Akteneinsicht setzt vielmehr über den Wortlaut von § 165 Abs. 1 GWB hinaus einen das Akteneinsichtsgesuch begründenden beachtlichen und entscheidungserheblichen Sachvortrag voraus. Das Akteneinsichtsrecht besteht nur in dem Umfang, wie es zur Durchsetzung der subjektiven Rechte des Antragstellers erforderlich ist (Senat, Beschl. v. 19.02.2020 - VII-Verg 26/17). Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, inwieweit eine weitere Akteneinsicht zur Durchsetzung ihrer subjektiven Rechte erforderlich ist.
4. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach §§ 175 Abs. 2, 72 Nr. 2 GWB i. V. m. § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist nicht angezeigt. Die Entscheidung des Senats beruht auf der Rechtsfrage der Zulässigkeit des Bietungsfaktors, zu der sich die Beigeladene und auch die übrigen Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung umfassend erklärt haben. Nachdem der Beigeladenen nach Schluss der mündlichen Verhandlung und Klärung des Vorliegens von Geschäftsgeheimnissens Einsicht in die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten aus dem Vergabekammerverfahren gewährt worden ist, hat die Beigeladene innerhalb der nach eigenen Angaben benötigten Frist von zwei Wochen zur Auswertung der Vergabekammerakten keine neuen entscheidungserheblichen Umstände vorgetragen, die eine Wiedereröffnung der Verhandlung rechtfertigen können.
III.
Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens hat die Antragsgegnerin nach § 182 Abs. 3 S. 1, § 182 Abs. 4 S. 1 GWB zu tragen. Eine Kostenhaftung des Beigeladenen entsteht nur, wenn der Beigeladene auf Seiten der obsiegenden Partei das Verfahren entweder durch einen Antrag oder in sonstiger Weise wesentlich aktiv fördert, sich also schriftsätzlich in relevanter Weise äußert oder an der mündlichen Verhandlung teilnimmt (Senat, Beschl. v. 10.5.2012 - VII-Verg 5/12, BeckRS 2012, 12845; Losch, in: Ziekow/Völlink, VergabeR, 4. Aufl., § 182 Rn 37 m.w.N.). Die Beigeladenen hat sich vorliegend nicht aktiv oder schriftsätzlich auf Seiten der Antragsgegnerin am Nachprüfungsverfahren beteiligt und keinen Verfahrensantrag gestellt.
Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin nach § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. § 80 VwVfG war notwendig. Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens waren nicht allein auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen, sondern schwierige Rechtsfragen betreffend das Wertungssystem.
Die Kostenentscheidung betreffend das Beschwerdeverfahren beruht auf § 175 Abs. 2 i.V.m. § 71 GWB. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben als unterliegende Parteien die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Eine Pflicht zur Kostentragung besteht für die Beigeladenen, da sie sich aktiv an dem Beschwerdeverfahren durch Einlassung zur Sache oder mit Sach- oder Verfahrensanträgen beteiligt hat (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 27.08.2008 - 13 Verg 2/08; Frister, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl., § 175 GWB Rn 26).
Der Beschwerdewert wird auf bis 1.350.000,00 EUR festgesetzt. Die Entscheidung über die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Demnach beträgt der Gegenstandswert fünf Prozent des Bruttoauftragswerts des Angebots des Antragstellers (Senat, Beschl. v. 10.02.2021, VII-Verg 22/20, BeckRS 2021, 8801 Rn. 56).
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