VK Bund
Beschluss
vom 22.11.2024
VK 2-97/24
1. Auch im Anwendungsbereich der SektVO dürfen nur vollständige und widerspruchsfreie Angebote gewertet werden, die den Vergabeunterlagen entsprechen.
2. Der Sektorenauftraggeber kann die Bieter unter Einhaltung der vergaberechtlichen Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung auffordern, fehlende Unterlagen nachzureichen. Dies gilt grundsätzlich nicht für leistungsbezogene Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen (hier u. a. verneint für die Angebotskalkulation und die Aufschlüsselung der Baustellengemeinkosten).
3. Der Zuschlag darf auch im Sektorenbereich trotz eines eher flexibilisierten Vergabeverfahrens nicht ohne vorangegangene Prüfung und Wertung erfolgen. Daraus ergibt sich aber keine zwingend unumkehrbare Reihenfolge der Vorgehensweise des Auftraggebers, die es ausschliesen würde, Fehler auf vorgelagerten Wertungsstufen auftraggeberseitig aufzugreifen, zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.
Tenor:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag der Antragstellerin auf erweiterte Akteneinsicht wird zurückgewiesen.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen.
4. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wird für notwendig erklärt.
Gründe:
I.
1. Die Antragsgegnerin (Ag) veröffentliche am [...] eine unionsweite Auftragsbekanntmachung für ein Vergabeverfahren zur Beschaffung von Bauleistungen für den Rückbau [...] im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb (EU-Bekanntmachung Nr. [...]. Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis.
Die ausgeschriebene Leistung umfasst in Ziff. 3.1.660 LV die Entsorgung von [...] Boden des Zuordnungswertes Z2 ("Entsorgung Boden EPP Z 2") sowie in Ziff. 3.1.750 LV den "Transport Boden EPP Z 2" im Umfang von [...].
In den bei den Vergabeunterlagen befindlichen Bewerbungsbedingungen bestimmte die Ag unter Ziff. 2 (Kommunikation), dass die Vergabe über das Vergabeportal der Ag durchgeführt wird. Es liege im Verantwortungsbereich der Unternehmen, regelmäßig Einsicht in ihr Postfach des Vergabeportals der Ag zu nehmen und dort hinterlegte Informationen/Dokumente abzurufen.
Ziff. 8.1 der Bewerbungsbedingungen (Preisermittlung, Kalkulation) enthielt die Vorgabe: "Der Bieter hat mit seinem Angebot eine detaillierte Angebotskalkulation, die Aufschlüsselung der Gemeinkosten der Baustelle (BGK-LV) und die Anlage 4.1, 4.4 und 4.6 jeweils im pdf-Format vorzulegen...."
Ziff. 8.2 der Bewerbungsbedingungen gab vor: "Die Unterlagen nach 8.1 sind in jedem Fall vollständig, in sich schlüssig und widerspruchsfrei zur Angebotskalkulation auszufüllen."
Bei den Anlagen 4.1 (Kalkulationsschlussblatt), 4.4 (Kalkulationsmittellohn) und 4.6 (Geräteliste) handelte es sich um Formulare der Ag zur Kalkulation. Gemäß Ziff. 6 des Inhaltsverzeichnisses der Vergabeunterlagen waren die "detaillierte Angebotskalkulation inkl. Aufschlüsselung der Gemeinkosten der Baustelle (zu allen Angeboten)" als dem Angebot beizulegende Unterlagen aufgeführt, ferner hierzu u.a. die Anlagen 4.1, 4.4. und 4.6.
Die Ag führte insgesamt drei Angebotsrunden durch, nach der Phase des Erstangebotes folgten zwei Verhandlungsrunden, an denen neben einem dritten Bieter und einem weiteren Bieter, der im Ergebnis die letzte Bindefrist nicht verlängerte, auch die Antragstellerin (ASt) und die Beigeladene (Bg) beteiligt waren.
ASt und Bg reduzierten ihre Preise von Angebotsrunde zu Angebotsrunde, der dritte Bieter nur von der ersten zur zweiten Angebotsrunde, welchen er bei der dritten Angebotsrunde hielt.
Zur ersten Angebotsrunde nahm die Ag eine formale Angebotsprüfung vor und dokumentierte mit dem Erstangebot vorgelegte sowie nachzufordernde und nachgereichte Unterlagen in einer "Checkliste zur formalen Angebotsprüfung" vom 6. bzw. 14. März 2024. Zu diesem Zweck forderte die Ag bei der ASt am 6. März 2024 folgende Unterlagen nach: Angebotskalkulation, Kalkulationsblätter nach den Anlagen 4.1, 4.4 und 4.6 sowie die Aufschlüsselung der Gemeinkosten Baustelle (BGK). Von der Bg forderte die Ag am 6. März 2024 die fehlende Aufschlüsselung der Gemeinkosten Baustelle (BGK) nach. Alle Unterlagen wurden fristgerecht nachgereicht.
Zur zweiten und dritten Angebotsrunde führte die Ag keine formale Angebotsprüfung durch.
Die ASt gab zur ersten Angebotsrunde ein Hauptangebot ab sowie zu den LV-Positionen 3.1.660 und 3.1.750 ein Nebenangebot, das die Ag wirksam ausschloss. Mit dem Erstangebot und dem Angebot zur zweiten Angebotsrunde gab die ASt die Anlagen 4.1, 4.4, 4.6, die Aufgliederung BGK und eine Detailkalkulation, angelehnt an das EFB-Preisblatt, ab; die Unterlagen für die zweite Verhandlungsrunde kennzeichnete die ASt mit dem Kürzel V2. Zur dritten finalen Angebotsrunde reichte die ASt diese Unterlagen aus der ersten und zweiten Runde unverändert ein. Ferner übermittelte die ASt mit ihrem finalen Angebot eine Angebotserklärung, in der sie unter Abschnitt B.1 erklärte, die Bewerbungsbedingungen der Ag beachtet zu haben (1.1.) sowie, die gemäß dem Inhaltsverzeichnis Vergabeunterlagen mit dem Angebot einzureichenden Anlagen beigefügt zu haben (1.3).
Die Bg reichte mit dem Erstangebot und zur zweiten Angebotsrunde die Anlagen 4.1, 4.4, 4.6 und ihre Angebotskalkulation (Urkalkulation) unverändert ein, ebenso zur dritten, finalen Angebotsrunde. Die Aufschlüsselung der Baustellengemeinkosten hatte die ASt in der ersten Angebotsrunde auf Nachforderung der Ag nachgereicht, diese blieb in den folgenden Angebotsrunden unverändert.
Der dritte verbliebene Bieter reichte mit dem Erstangebot und zur zweiten Angebotsrunde nur die jeweils überarbeiteten Anlagen 4.1 und 4.4 für sein Haupt- und sein Nebenangebot ein. Für die dritte Angebotsrunde reichte der dritte Bieter nochmals überarbeitete Anlagen 4.1., 4.4. sowie die Anlage 4.6 für Haupt- und Nebenangebot und eine Erläuterung zu den Gemeinkosten der Baustelle; aber keine Angebotskalkulation, ein.
In der Angebotsaufforderung zur dritten finalen Angebotsrunde am 27. Mai 2024 hatte die Ag allen Bietern, von der Ag versendet am 28. Mai 2024 über ihre Vergabeplattform, mitgeteilt, dass mit dem Angebot bestimmte Erklärungen abzugeben seien, ferner: "Bereits abgegebene unveränderte Unterlagen ihres Angebots müssen nicht erneut abgegeben werden."
Nach der dritten finalen Angebotsrunde rangierte die Bg preislich an erster Stelle, die ASt rangierte auf dem zweiten Platz.
Die ASt wandte sich mit einem zulässigen Nachprüfungsantrag im Nachprüfungsverfahren VK2- [...] gegen die von der Ag beabsichtigte Zuschlagsentscheidung an die Bg, über die die Ag die Ast nach § 134 GWB wirksam informiert hatte. Die ASt hatte in diesem Nachprüfungsverfahren eine Mischkalkulation der Bg sowie ein unauskömmliches Angebot bemängelt. Auf Hinweis der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung des Verfahrens VK2-[...], die zur Prüfung der Mischkalkulation ein Dokumentationsdefizit der Ag in der Vergabeakte sah, half die Ag ab und erklärte sich zu einer neuen Prüfung und Dokumentation der Frage, ob das Angebot der Bg eine unzulässige Mischkalkulation aufweist, bereit. Die ASt nahm daraufhin ihren Nachprüfungsantrag zurück.
Die Ag wandte sich sodann mit Schreiben vom 2. und 14. Oktober 2024 an die Bg und forderte nähere Aufklärung zur Kalkulation. Die Bg beantwortete die Schreiben der Ag mit Schreiben vom 10. und 15. Oktober 2024. Im Zuge der Aufklärung legte die Bg auch ein Angebot ihrer Verwertungsstelle für die Entsorgung von Z2-Boden vor.
Die Ag hielt daraufhin im Vergabevermerk fest, dass sie nach Aufklärung keine Anhaltspunkte für eine Mischkalkulation beim Angebot der Bg erkenne und dass der Zuschlag auf das Angebot der Bg erteilt werden solle.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2024 informierte die Ag die ASt nach § 134 GWB darüber, den Zuschlag erneut auf das Angebot der Bg erteilen zu wollen.
Die ASt wandte sich mit Rügeschreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 22. Oktober 2024 gegen die, beabsichtigte Zuschlagsentscheidung, indem sie eine Mischkalkulation und ein unauskömmlich kalkuliertes Angebot auf Seiten der Bg, ferner eine fehlerhaft unterlassene Preisprüfung durch die Ag und die fehlerhafte Fristberechnung des Zuschlagstermins in der Information nach § 134 GWB bemängelte. Die ASt berief sich für ihren Vortrag zur Unauskömmlichkeit des Angebots der Bg im Rügeschreiben u.a. darauf, dass die Bieter nach Ziff. 8.1 der Bewerbungsbedingungen zur Vorlage einer detaillierten Angebotskalkulation verpflichtet seien und die Aufschlüsselung der Baustellengemeinkosten sowie die Anlagen 4.1, 4.4 und 4.6 nach Ziff. 8.2 der Bewerbungsbedingungen in jedem Fall vollständig, in sich schlüssig und widerspruchsfrei zur Angebotskalkulation vorzulegen seien.
Die Ag wies die Rüge der ASt mit Schreiben vom 25. Oktober 2024 zurück.
Nachdem die ASt noch am 25. Oktober 2024 über ihre Verfahrensbevollmächtigten bei der Vergabekammer des Bundes einen Nachprüfungsantrag eingereicht hatte, erbat die Ag mit Bieternachrichten über die Vergabeplattform vom 28. Oktober 2024 die Verlängerung der Bindefrist bis zum 31. Dezember 2024, der die ASt mit Nachricht vom gleichen Tage über die Vergabeplattform zustimmte.
Die Ag stellte am 29. Oktober 2024 im Rahmen einer von ihr für die dritte finale Angebotsrunde auf die Rüge der ASt hin nachgeholten und in einer "Checkliste zur formalen Angebotsprüfung" dokumentierten Prüfung fest, dass alle in der Wertung verbliebenen Bieter mehrere Kalkulationsunterlagen, insbesondere die ASt und die Bg die Anlagen 4.1, 4.4. und 4.6, die Angebotskalkulation bzw. die Aufschlüsselung der Baustellengemeinkosten zur finalen Angebotsrunde in unveränderter Fassung aus den vorangegangenen Runden eingereicht hatten und forderte alle im Vergabeerfahren verbliebenen drei Bieter auf, diese innerhalb von acht Kalendertagen nachzureichen. Die Aufforderungen der Ag ergingen mit Nachricht vom Abend des 29. Oktober 2024 an alle verbliebenen Bieter, darunter die ASt und die Bg, über die elektronische Vergabeplattform der Ag. Die Ag wies in den Nachforderungsschreiben jeden Bieter darauf hin, dass das Angebot nach fruchtlosem Fristablauf vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen werde.
Diese Nachricht mit der Nachforderung unter Fristsetzung mussten die Bieter jeweils von der Vergabeplattform abrufen. Die Bieter und so auch die ASt erhielten zunächst am 29. Oktober 2024 eine automatisch generierte Nachricht, dass die Vergabestelle eine neue Nachricht zum streitgegenständlichen Vergabeverfahren gesendet habe. Die Nachricht enthielt folgenden Hinweis: "Um die Nachricht zu lesen und ggf. zu beantworten, melden Sie sich bitte mit folgendem Link... in der Vergabeplattform an und wechseln Sie in den Bieterassistenten. Wählen Sie dort Ihr Verfahren und öffnen den Arbeitsschritt Nachrichten. ... "
Die ASt rief diese Nachricht nicht ab und legte die geforderten Unterlagen nicht binnen der von der Ag darin gesetzten Frist vor. Die übrigen Bieter kamen der Nachforderung fristgemäß nach. Die Bg lieferte mit Nachricht vom 5. November.2024, 10:07 Uhr, die nachgeforderten Anlagen 4.1., 4.4 und 4.6, die Angebotskalkulation und die Aufschlüsselung der Baustellengemeinkosten nach. Die nachgereichten Unterlagen der Bg für das finale Angebot enthielten im Vergleich zu den von der Bg bis dato nur in der unveränderten Fassung der ersten und zweiten Angebotsrunde eingereichten Fassungen Änderungen in der Angebotskalkulation und in den Anlagen 4.1 und 4.6.
Der dritte Bieter übermittelte die nachgeforderten Unterlagen am 5. November 2024, 14:39 Uhr.
Am 7. November 2024 stellte die Ag fest, dass die Bg und der dritte Bieter die nachgeforderten Unterlagen fristgerecht und vollständig nachgereicht haben und die ASt die nachgeforderten Unterlagen nicht nachgereicht hat und das Angebot der ASt von der weiteren Wertung auszuschließen ist.
Zum Angebot der Bg und des dritten Bieters stellte die Ag in einer in der Vergabeakte dokumentierten Stellungnahme zu den nachgereichten Kalkulationsunterlagen am 8. November 2024 fest, dass diese der Nachforderung fristgerecht und vollständig nachgekommen seien. Die nachgereichten Unterlagen seien plausibel, rechnerisch und inhaltlich logisch und stimmten mit dem jeweiligen Angebot überein.
Hinsichtlich des Angebots der Bg seien die nachgereichten Informationen auch auf Übereinstimmung mit den Aufklärungen der Bg vom 10. und 15. Oktober 2024, insbesondere im Hinblick auf die Entsorgungs- und Transportpositionen 03.01.0660 und 03.01.0750 geprüft worden. Die Detailkalkulation entspreche der rechnerischen Darlegung der Aufklärungen der Bg; dies gelte auch für das von der Bg vorgelegte Angebot der Verwertungsstelle.
Die Ag teilte der ASt mit E-Mail vom 7. November 2024 mit, dass das Angebot der ASt von der Wertung im Hinblick auf § 51 Abs. 5 SektVO wegen einer formalen Unvollständigkeit ausgeschlossen worden ist.
2. Bereits mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 25. Oktober 2024 hatte die ASt bei der Vergabekammer die Nachprüfung der beabsichtigten Zuschlagsentscheidung der Ag zugunsten der Bg beantragt.
Die ASt trug darin detailliert vor, das Angebot der Bg sei unauskömmlich und enthalte eine Mischkalkulation.
Eine Preisprüfung bei der Bg habe die Ag ermessensfehlerhaft unterlassen. Auch im Nachprüfungsantrag berief sich die ASt auf die nach Ziff. 8.1 und 8.2 einzuhaltenden vollständigen, schlüssigen und widerspruchsfreien Kalkulationsvorgaben. Den Nachprüfungsantrag hatte die Vergabekammer der Ag noch am 25. Oktober 2024 übermittelt, die Ag hatte den Empfang am gleichen Tage bestätigt.
Die Ag teilte der Vergabekammer mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 8. November 2024 mit, dass sie das Angebot der ASt von der Wertung ausgeschlossen hat. Es sei im Lichte des Rügevorbringens der ASt aufgefallen, dass die gemäß Ziff. 8.1 der Bewerbungsbedingungen geforderten Kalkulationsunterlagen in der finalen Angebotsrunde nicht in aktualisierter Fassung vorgelegt worden seien.
Die ASt habe auf die Nachforderung nicht reagiert, daher sei das Angebot der AS zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen.
Hierzu erhielt die ASt durch die Vergabekammer die Gelegenheit zur Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren.
a) Die ASt bemängelt mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 12. November 2024; der Angebotsausschluss der ASt sei rechtswidrig und unwirksam, da der Ausschluss lediglich aus Gründen der formalen Vollständigkeit der Aktendokumentation erfolgt sei und keine inhaltliche Relevanz habe.
Die ASt räumt ein, dass die ASt die von der Ag auf der Vergabeplattform zum Abruf für die ASt am 29. Oktober 2024 abends bereit gestellte Nachricht zur Nachforderung der finalen Fassungen der Kalkulationsunterlagen unter Fristsetzung nicht abgerufen habe. Sie sei davon ausgegangen, dass es sich bei dieser Nachricht um die Eingangsbestätigung der Ag zu der am Tag zuvor von der ASt über die Vergabeplattform erklärten Bindefristverlängerung gehandelt habe. Die am 29. Oktober 2024 abends bei der ASt eingegangene automatische Benachrichtigung, es liege eine Nachricht zum Abruf für die ASt bereit, habe über den Inhalt der eigentlichen Mitteilung der Ag nichts ausgesagt. Die ASt habe aber am 29./30. Oktober 2024 nicht mehr mit einer Nachforderung zu ihrem Angebot vom 29. Mai 2024 rechnen müssen.
Die Ag habe weder im Juni zur ersten Angebotsprüfung noch nach Rückversetzung des Vergabeverfahrens Unterlagen von der ASt nachgefordert. Die ASt habe erst mit der E-Mail-Nachricht der Ag vom 7. November 2024 über den Ausschluss ihres Angebots von der Nachforderung Kenntnis erlangt, den Ausschluss des Angebotes am 8. November 2024 gegenüber der Ag gerügt und die nachgeforderten Unterlagen vorsorglich über die Vergabeplattform bei der Ag eingereicht.
Die Ag habe während des gesamten Vergabeverfahrens nicht nur über die Nachrichten in der Bieterplattform, sondern auch via E-Mail mit der ASt kommuniziert. Die Ag habe die ASt mitunter zusätzlich zu automatisch generierten inhaltslosen Benachrichtigungen auch per E-Mail informiert. Es sei der Eindruck entstanden, dass wichtige Nachrichten der ASt, die die Bieter nicht übersehen sollten, zusätzlich per E-Mail versandt würden. Bei Nachrichten, die der Ag weniger wichtig gewesen seien, habe die Ag es bei den automatisch vom System generierten Benachrichtigungen belassen und keine zusätzliche E-Mail versandt.
Schließlich hätten sich im Hauptangebot der ASt vom zweiten zum finalen Angebot nur drei LV-Positionen verändert, wodurch der Angebotspreis um eine eher niedrigere sechsstellige Summe gesunken sei. Es hätten sich entsprechend nur drei Einheitspreise in der Angebotskalkulation und damit einhergehend das Kalkulationsschlussblatt geändert. Die weiteren Anlagen 4.4, 4.6 und die Aufschlüsselung der Gemeinkosten der Baustelle BGK seien unverändert geblieben und daher schon nach der Angebotsaufforderung der Ag zur finalen Angebotsrunde nicht nachzureichen gewesen. Insofern sei bereits die Nachforderung unzulässig gewesen. Schließlich sei die Nachforderung der besagten Unterlagen für das Nebenangebot der ASt unzulässig, da dieses bereits bestandskräftig von der Wertung ausgeschlossen worden sei.
Die Nachforderung sei daher mit der von § 51 SektVO vorgesehenen Prüfungsreihenfolge unvereinbar.
Hierzu habe die Ag die Angebotswertung abgeschlossen gehabt und daher die Vergleichbarkeit und Vollständigkeit der Angebote bestätigt, was die Nachforderung von Unterlagen zur formalen Angebotsprüfung ausschließe.
Die Nachforderung sei zudem widersprüchlich und daher unwirksam: Die Ag habe mit der Angebotsaufforderung zur finalen Runde nur die Vorlage der Unterlagen gefordert, die sich im Vergleich zur vorangegangenen Runde geändert hätten. Die Nachforderung vom 29. Oktober 2024 habe dagegen alle Unterlagen, die einzureichen gewesen seien, erwähnt, also auch solche, die unverändert geblieben seien.
Dies sei augenfällig bei den Unterlagen zum Nebenangebot der ASt, das bereits wirksam ausgeschlossen gewesen sei.
Alles in allem sei die Nachforderung vor diesem Hintergrund unverhältnismäßig und daher nach § 51 Abs. 2 SektVO ermessensfehlerhaft erfolgt. Der Ag fehle es bereits - wie vorstehend aufgezeigt - an einem legitimen Zweck der Nachforderung und sei auch nicht zur Verfolgung des Zwecks der Angebotsprüfung geeignet bzw. erforderlich. Es gehe der Ag nur um den Ausschluss des Angebots der ASt, obwohl sie ihre Wertungsentscheidung bereits getroffen habe. Das Angebot der ASt sei nicht für den Zuschlag vorgesehen, die nachgeforderten Unterlagen beträfen die Zuschlagsentscheidung zugunsten der Bg nicht. Eine Nachforderung sei bei der ASt erst geboten, wenn diese für den Zuschlag vorgesehen sei. Schließlich sei der Ausschluss unangemessen, da sich bei der ASt nur drei Einheitspreise im finalen Angebot verändert hätten und demzufolge die Änderungen der nachgeforderten Unterlagen sich nur geringfügig auf den Wertungspreis auswirkten.
Die ASt beantragt zudem erweiterte Akteneinsicht in die ungeschwärzten Aufklärungsverlangen der Ag gegenüber der Bg und die Aufklärungsergebnisse der Bg.
Die ASt beantragt,
1. der Ag zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Bg zu erteilen,
2. der Ag aufzugeben, das Angebot der Bg vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen und die Angebotswertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,
3. die Vergabeakte beizuziehen und der ASt unverzüglich Akteneinsicht zu gewähren, insbesondere betreffend der Aufklärungsergebnisse nach Erledigung des vorgehenden Nachprüfungsverfahrens (VK2-[...]),
4. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der ASt für notwendig zu erklären,
5. der Ag die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
b) die Ag beantragt:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die ASt hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Ag zu tragen.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Ag wird für notwendig erklärt.
Die Ag hält den Antrag hinsichtlich der Rügen der Mischkalkulation und der Unauskömmlichkeit des Angebots der Bg sowie der fehlerhaften Berechnung der Zuschlagsfrist im Informationsschreiben nach § 134 GWB bereits für unzulässig, jedenfalls für unbegründet, ebenso die weiteren Rügen der ermessensfehlerhaft unterbliebenen Preisprüfung, wozu die Ag sämtlich näher ausführt.
Den erst im Zuge des Nachprüfungsverfahrens verfügten Angebotsausschluss der ASt hält die Ag für wirksam. Das Angebot sei zwingend auszuschließen, da die ASt die nachgeforderten Unterlagen nicht binnen der gesetzten Frist nachgereicht habe. Dies folge im Rahmen der anzuwendenden SektV0 aus den vergaberechtlichen Grundsätzen der Transparenz und der Gleichbehandlung, wonach nur solche Angebote bezuschlagt werden dürften, die den ausgeschriebenen Vorgaben vollumfänglich entsprächen. Dies sei beim Angebot der ASt mangels der vorgelegten aktualisierten finalen Kalkulationsunterlagen nicht der Fall.
Anlass für die Nachforderung der Unterlagen bei der ASt habe ihre Rüge gegeben, die bei der Ag weniger als 24 Stunden vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens eingegangen sei. Die ASt habe auf Ziff. 8 der Bewerbungsbedingungen Bezug genommen und unter Bezug darauf einen Verstoß gegen die Vergabeunterlagen durch die Bg reklamiert. Der Ag sei erst im Zuge der weiteren Prüfung vor diesem Hintergrund aufgefallen, dass alle Bieter es unterlassen hätten, die relevanten Kalkulationsunterlagen mit dem finalen Angebot vorzulegen, wonach es zu einer Nachforderung bei allen Bietern gekommen sei.
Die Notwendigkeit, die Anlagen 4.1, 4.4 und 4.6, die Angebotskalkulation und die Aufschlüsselung der Baustellengemeinkosten bei der ASt nachzufordern, ergebe sich aus Ziff. 8.1 und 8.2 der Bewerbungsbedingungen. In der Überschrift der Bewerbungsbedingungen habe die Ag klargestellt, dass der Auftraggeber sich den Ausschluss der Angebote vorbehalte, die den Bewerbungsbedingungen nicht entsprächen.
Die Ag habe zudem in der Angebotsaufforderung zur dritten und finalen Angebotsrunde informiert, dass Unterlagen mit dem finalen Angebot erneut vorzulegen seien, wenn diese eine inhaltliche Änderung erfahren haben. Dies sei grundsätzlich der Fall gewesen, wenn sich die Angebotspreise des jeweiligen Bieters im finalen Angebot verändert hätten. Dann seien auch die entsprechenden Kalkulationsunterlagen zu aktualisieren gewesen. So sei es auch bei der ASt, wie diese selbst eingeräumt habe. Die ASt habe die Unterlagen aber nicht fristgemäß nachgereicht. Da die Ag ohne Einblick in diese Unterlagen nicht habe wissen können, welche Angaben in den Kalkulationsunterlagen durch die veränderten Preise im Angebot der ASt betroffen seien, könne die Nachforderung bei der ASt nicht rechtswidrig sein. Dass die ASt die Nachforderung nicht gelesen habe, beruhe auf einem internen Organisationsdefizit. Es habe ihr oblegen, den Abruf von Nachrichten der Ag über die Vergabeplattform sicherzustellen.
Die Nachforderung bei der ASt sei rechtmäßig und wirksam nach § 51 Abs. 2 SektVO erfolgt. Ein Verstoß gegen eine von § 51 SektVO vorgegebene Prüfungsreihenfolge liege nicht vor. § 51 Abs. 1 SektVO ordne nur an, dass die Angebote geprüft würden, bevor der Zuschlag erteilt werde, was noch nicht erfolgt sei. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfe ein Auftraggeber gebotene Aufklärungsmaßnahmen und Korrekturen ergreifen.
Insofern sei zu berücksichtigen, dass die Nachforderung auf den Hinweis der ASt in ihrer Rüge zurückzuführen sei, dessen sich die Ag erst nach Übermittlung des Nachprüfungsantrags gewahr geworden sei. Die Ag habe in dieser Situation aufklären und nachfordern dürfen.
Der Antrag der ASt auf erweiterte Akteneinsicht sei unbegründet. Die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigen hält die Ag für notwendig. Eine anwaltliche Vertretung der Ag sei aufgrund der Bedeutung des Beschaffungsvorhabens erforderlich. Die Ag habe unter hohem Zeitdruck auf den Nachprüfungsantrag der ASt erwidern müssen, wobei zahlreiche rechtliche Fragen zu berücksichtigen gewesen seien. Zusätzlich sei die prozessuale Waffengleichheit zugunsten der Ag zu beachten, da auch die ASt anwaltlich vertreten gewesen sei.
c) Die mit Beschluss vom 29. Oktober 2024 förmlich zum Nachprüfungsverfahren hinzugezogene Bg stellt keine förmlichen Anträge. Sie ist der Ansicht, dass der Nachprüfungsantrag hinsichtlich der bemängelten Unauskömmlichkeit und der Mischkalkulation des Angebotes der Bg unbegründet sei, was näher ausgeführt wird.
Den Ausschluss des Angebots der ASt hält die Bg für rechtmäßig. Die ASt sei mit Schreiben der Ag vom 28. Mai 2024 wirksam aufgefordert worden, zum finalen Angebot alle Dokumente aktualisiert vorzulegen, die sich im Vergleich zu den vorangegangenen Angebotsrunden verändert hätten. Die ASt habe selbst eingeräumt, dass sich ihr finales Angebot verändert habe und damit jedenfalls Teile der Kalkulationsunterlagen, ohne dass die ASt die nachgeforderten Unterlagen nachgereicht habe. Die ASt könne sich auch nicht auf eine besondere Schutzbedürftigkeit berufen. Wegen des von der ASt betriebenen Nachprüfungsverfahrens hätte diese besondere Sorgfalt für sämtliche und vor allem über den in den Vergabeunterlagen vorgegebenen offiziellen Kommunikationsweg eingegangenen Informationen an den Tag legen müssen, was offensichtlich nicht geschehen sei.
Einen Anspruch auf erweiterte Akteneinsicht sieht die Bg bei der ASt nicht. Die von der ASt begehrte Einsicht in die Aufklärung bei der Bg betreffe deren nicht offenzulegende Geschäftsgeheimnisse. Die Forderung der ASt diene nicht dem Nachprüfungsverfahren, sondern allein einer Schädigung der Bg. Aus dem vorangegangenen Nachprüfungsverfahren VK2-[...] sei ersichtlich, dass die ASt mit einer Schädigungsabsicht gegenüber der ASt agiere. So habe die ASt dort unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der ASt eine nach Ansicht der Bg unwahre Tatsachenbehauptung aufgestellt und versucht, das Ansehen der Bg zu schädigen. Dies sei ein Indiz für eine Marktverdrängungsabsicht der ASt gegenüber der Bg. Einer erweiterten Akteneinsicht der Bg stehe entgegen, dass der Nachprüfungsantrag unbegründet sei.
Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Bg sei mit Blick auf die tatsächliche und rechtliche Komplexität der Angelegenheit und unter. Berücksichtigung der prozessualen Waffengleichheit notwendig gewesen.
3. Die Vergabekammer hat der ASt nach Anhörung und mit Zustimmung der Ag Einsicht in die Vergabeakte gewährt, soweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht betroffen waren. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die elektronische Vergabeakte; soweit sie der Vergabekammer vorgelegen hat, sowie auf die Verfahrensakte der Vergabekammer wird verwiesen.
Nachdem der Verfahrensbevollmächtigte der ASt bei der Vergabekammer am 12. November 2024 telefonisch eine vorläufige rechtliche Einschätzung zum Ausschluss des Angebots der ASt erbeten hatte, hat der hauptamtliche Beisitzer diesem in einem Telefonat am 13. November 2024 mitgeteilt, dass kammerseitig der Ausschluss bei vorläufiger Betrachtung für rechtmäßig gehalten werde.
Die mündliche Verhandlung hat am 18. November 2024 stattgefunden. Am Schluss der mündlichen Verhandlung erbat der Verfahrensbevollmächtigte der ASt eine kurze nachgelassene Schriftsatzfrist, um auf die letzte Stellungnahme des Verfahrensbevollmächtigten der Ag reagieren zu können, in der es um Fragen der Mischkalkulation ging. Die Vergabekammer hat diesem Wunsch nicht entsprochen, da diese Frage nicht länger entscheidungserheblich sei.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a) Das Nachprüfungsverfahren gemäß §§ 160 ff. GWB ist grundsätzlich statthaft.
aa) Der Anwendungsbereich des 4. Teils, des GWB ist eröffnet. Für die Vergabe der hier ausgeschriebenen streitgegenständlichen Leistungen gelten nach § 1 Abs. 1 SektVO die Vorschriften der SektVO. Zugrunde liegt ein öffentlicher Bauauftrag i.S.v. § 103 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB i.V.m. Anhang I der Richtlinie 2014/25/Ed (45.1.11 - Abbruch von Gebäuden und anderen Bauwerken) zum Zweck einer Sektorentätigkeit gemäß § 102 Abs. 4 GWB. durch die Ag als einer dem Bund zuzurechnenden Sektorenauftraggeberin nach § 100 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) GWB (vgl. VK Bund, Beschluss vom 13. Oktober 2009, VK1-173/09; ferner grundlegend VK Bund, Beschluss vom 11. März 2004, VK1-151/03), so dass die Vergabekammer des Bundes nach § 159 Abs. 1 Nr. 3 GWB für das Nachprüfungsverfahren zuständig ist.
bb) Der Schwellenwert für die unionsweite. Vergabe von Aufträgen im Bereich der SektVO ist nach der Auftragswertschätzung gemäß Ziff. 1.1 der in der Vergabeakte [...] dokumentierten Abstimmung zur Vergabe, freigegeben am 30. Oktober 2023, ohne Weiteres überschritten, § 2 Abs. 1 SektVO.
b) Die Antragsbefugnis der ASt nach § 160 Abs. 2 S. 1 GWB ist als Teilnehmerin am Vergabeverfahren zu bejahen. Sie beruft sich auf eine Verletzung der gemäß § 97 Abs. 6 GWB ohne Weiteres bieterschützenden Vorschriften zur Gewährleistung eines chancengleichen Wettbewerbs im streitgegenständlichen Vergabeverfahren. Hieraus folgt auch die nach § 160 Abs. 2 S. 2 GWB notwendige Darlegung des aus den behaupteten Rechtsverstößen zu Lasten der ASt folgenden Schadens in Gestalt der ihr entgehenden Zuschlagschance. Aus ihrer Sicht und mit ihren Möglichkeiten hat die ASt die von ihr behaupteten Vergaberechtsverstöße hinreichend substantiiert. Dies gilt erst recht für den von den Ag erst im Laufe des Nachprüfungsverfahrens verfügten Ausschluss des Angebots der ASt, gegen den die ASt sich nunmehr vorrangig wendet.
c) Die Rügen der ASt zur Mischkalkulation und der Unauskömmlichkeit des Angebots der Bg bzw. der ermessensfehlerhaft unterbliebenen Preisprüfung sowie der fehlerhaften Fristberechnung des Zuschlagstermins in der Information nach § 134 GWB sind auf das Vorabinformationsschreiben vom 17. Oktober 2024 fristgemäß im Rügeschreiben vom 22. Oktober 2024 nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB erfolgt.
Hinsichtlich des von der Ag erst im Laufe des Nachprüfungsverfahrens verfügten Angebotsausschlusses greift die Rügeobliegenheit nach § 160 Abs.3 S. 1 GWB nicht.
d) Auf das Nichtabhilfeschreiben der Ag vom 25. Oktober 2024 hat die ASt den Nachprüfungsantrag am gleichen Tage ohne Weiteres rechtzeitig binnen der Antragsfrist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB bei der Vergabekammer des Bundes anhängig gemacht.
2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet. Die Ag hat das Angebot der ASt rechtmäßig von der Wertung ausgeschlossen, nachdem die ASt die von ihr wirksam nachgeforderten Kalkulationsunterlagen nicht fristgemäß nachgereicht hat und das Angebot der ASt damit nicht vollständig war.
a) Die Rechtsgrundlage für den Ausschluss folgt im Anwendungsbereich der SektVO aus § 51 SektVO i.V.m. den vergaberechtlichen Grundsätzen des § 97 Abs. 1, 2 GWB. Daraus ergibt sich, dass auch im Anwendungsbereich der SektVO nur vollständige und widerspruchsfreie Angebote gewertet werden dürfen, die den Vergabeunterlagen entsprechen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Dezember 2009, Verg 52/09; OLG München, Beschluss vom 29. September 2009, Verg 12/09; VK Bund, Beschluss vom 10. Mai 2013, VK1-27/13).
Dies entspricht schließlich den Maßgaben der Sektorenrichtlinie 2014/25/EU, vgl. insbesondere dessen Art. 76 Abs. 5.
aa) Das Angebot der ASt war unstreitig unvollständig, da es die nach Ziff. 8.1 der Bewerbungsbedingungen auch mit dem finalen Angebot grundsätzlich abzugebenden Unterlagen (Angebotskalkulation, Aufschlüsselung der Baustellengemeinkosten und die Kalkulationsunterlagen der Anlagen 4.1., 4.4 und 4.6) nicht enthalten hat und diese auch auf die Nachforderung der Ag nicht fristgemäß von der ASt vorgelegt worden sind.
Ziff. 8.2 der Bewerbungsbedingungen sieht ausdrücklich vor, dass die Unterlagen nach Ziff. 8.1 "in jedem Fall vollständig...zur Angebotskalkulation auszufüllen" waren, Ziff. 6 des "Inhaltsverzeichnisses Vergabeunterlagen" besagt zu diesen Unterlagen ebenfalls explizit, dass eine entsprechend detaillierte Angebotskalkulation "zu allen Angeboten" und damit auch zum finalen Angebot vorzulegen war. Dass sich diese Vollständigkeitsanforderung, wie die Ag in ihrer Angebotsaufforderung vom 27. Mai 2024 konkretisiert hatte, nur auf solche Unterlagen bezog, die sich im Vergleich zum vorangegangenen Angebot verändert hatten, ändert im Fall der ASt nichts, da ebenso unstreitig ist, dass sich ihre Einheitspreise im LV und damit der finale Angebotspreis in jedem Fall verändert haben und daher jedenfalls die Angebotskalkulation der ASt und ihr Kalkulationsschlussblatt der Anlage 4.1 zu aktualisieren waren.
bb) Dass die ASt die von der Ag nachgeforderten Unterlagen - wie die ASt vorgetragen hat vorsorglich auf die Rüge des Angebotsausschlusses erst am 8. November 2024 auf die Vergabeplattform der Ag übermittelt hatte, ist unbeachtlich, weil diese Nachreichung nicht innerhalb der von der Ag mit dem Nachforderungsschreiben gesetzten Frist erfolgt ist ((1 )). Auch eine nachfristige Berücksichtigung der außerhalb der gesetzten Frist eingereichten Unterlagen kommt nicht in Betracht ((2))
Nach § 51 Abs. 4 SektVO sind nachzufordernde Unterlagen vom Bieter nach Aufforderung durch den Auftraggeber innerhalb einer von diesem festzulegenden angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vorzulegen. Die Ag hat hier eine entsprechende angemessene Frist zur Nachreichung bestimmt, die die ASt nicht eingehalten hat.
(1) Die Ag hatte in ihrer Nachforderung vom 29. Oktober 2024 der ASt, wie auch den übrigen Bietern, eine Frist gesetzt, die nachgeforderten Unterlagen "innerhalb von 8 Kalendertagen" der Ag auf die Vergabeplattform zu übermitteln. Die Frist begann danach gemäß § 187 Abs. 1 BGB am 30. Oktober 2024 zu laufen und endete gemäß § 188 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf des 6. November 2024. Damit waren die von der ASt erst am 8. November 2024 übermittelten Unterlagen ohne Weiteres verspätet.
Die ASt wurde seitens der Ag ordnungsgemäß über die Nachforderung und die Frist informiert. Sie hat die von der Vergabeplattform der Ag automatisch übermittelte Mitteilung an die ASt vom 29. Oktober 2024, dass dort eine nicht näher bezeichnete Nachricht zum Abruf bereitsteht und die ASt aufgefordert wird, diese abzurufen, unstreitig erhalten, aber diese dann nicht abgerufen. Die Bewerbungsbedingungen sehen in Ziff. 2 ausdrücklich vor, dass die Kommunikation im Vergabeverfahren über das Vergabeportal geführt wird und es im Verantwortungsbereich der Bieter liegt, regelmäßig Einsicht in ihr Postfach zu nehmen. Dies gilt umso mehr, als die ASt durch die von ihr selbst vorgelegte Mitteilung benachrichtigt worden war, dass dort eine zu lesende Nachricht der Ag zum Abruf bereit liegt. Dass die ASt bei Erhalt der Mitteilung davon ausging, es gehe um eine etwaige Eingangsbestätigung der Bindefristverlängerung, ist daher unerheblich.
Ebenso unerheblich ist, dass die ASt teilweise auch per E-Mail von der Ag benachrichtigt worden ist. Die nach Ziff. 2 der Bewerbungsbedingungen ausdrücklich statuierte Obliegenheit der Bieter, regelmäßig Einsicht in ihr Postfach des Vergabeportals der Ag zu nehmen, um dort hinterlegte Informationen abzurufen, wurde jedenfalls durch eine etwaige zusätzliche E-Mail-Kommunikation der Ag in bestimmten Fällen nicht aufgehoben, so dass die ASt auch nicht darauf vertrauen durfte, sie habe von der Nachforderung zusätzlich per E-Mail benachrichtigt werden müssen.
Überdies zeigen insbesondere die von der Ag an die ASt per E-Mail übermittelte Vorabinformation nach § 134 GWB vom 17. Oktober 2024 und die Ausschlussmitteilung vom 7. November 2024, dass die Ag den offiziellen Kommunikationsweg auch beim Versand von E-Mails nicht aufgegeben hat. Ausweislich der E-Mail der Ag an die ASt mit der Vorabinformation nach § 134 GWB vom 17. Oktober 2024 hat die Ag darin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Bieter sich bei Rückfragen an die Ag über das Bieterportal zu wenden haben, was gerade dem offiziellen Kommunikationsweg nach Ziff. 2 der Bewerbungsbedingungen entspricht.
(2) Eine nachfristige Berücksichtigung der von der ASt am 8. November 2024 übermittelten nachgeforderten Unterlagen kommt vor diesem Hintergrund nicht in Betracht und wurde von der Ag fehlerfrei nicht in Betracht gezogen. § 51 Abs. 4 SektVO räumt nur die Möglichkeit ein, eine einmalige Nachfrist für Unterlagen zu setzen, die bereits mit dem Angebot vorzulegen waren (vgl. VK Bund, Beschluss vom 10. Mai 2013, VK1-27/13). Die Ag hatte zudem jeden Bieter im Nachforderungsschreiben darauf hingewiesen, dass das Angebot nach fruchtlosem Fristablauf ausgeschlossen wird. Hieran ist sie zur Wahrung eines chancengleichen Wettbewerbs im Hinblick auf § 97 Abs. 1, 2 GWB gebunden und durfte die außerhalb der Frist übermittelten Unterlagen der ASt nicht mehr berücksichtigen.
b) Die Nachforderung der dem finalen Angebot der ASt fehlenden Kalkulationsunterlagen durch die Ag war - entgegen der Ansicht der ASt - rechtlich möglich, ohne dass eine unumkehrbare Reihenfolge der Prüfungsschritte entgegenstand (aa) und auch nicht unbeachtlich, sondern rechtmäßig (bb).
aa) Die ASt durfte die Unterlagen bei der ASt nachfordern. Entgegen der Ansicht der ASt stand einer Nachforderung zur Durchführung einer korrekten formalen Angebotsprüfung keine nach § 51 Abs. 1 SektVO zwingende Reihenfolge der Wertungsschritte entgegen.
Nach § 51 Abs. 1 SektVO werden die Angebote geprüft und gewertet, bevor der Zuschlag erteilt wird. Das bedeutet, dass der Zuschlag auch im Sektorenbereich trotz eines eher flexibilisierten Vergabeverfahrens nicht ohne vorangegangene Prüfung und Wertung erfolgen darf. Daraus ergibt sich aber keine zwingend unumkehrbare Reihenfolge der Vorgehensweise des Auftraggebers, die es ausschlösse, Fehler auf vorgelagerten Wertungsstufen auftraggeberseitig aufzugreifen, zu prüfen und ggf. zu korrigieren. Hier wurde der Zuschlag noch nicht endgültig erteilt. Die Ansicht der ASt führte gerade dazu, die von ihr in ihrer Rüge und im Nachprüfungsantrag gerade reklamierte Prüfung der Kalkulation der Bg auf Schlüssigkeit und Vollständigkeit nicht prüfen und ggf. korrigieren zu können. Dies wäre mit den vergaberechtlichen Grundsätzen des § 97 Abs. 1, 2 GWB unvereinbar.
bb) Die Nachforderung der Unterlagen der ASt war rechtmäßig. Nach § 51 Abs. 2 S. 1 SektVO kann der Auftraggeber die Bieter unter Einhaltung der vergaberechtlichen Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung auffordern, fehlende Unterlagen nachzureichen. Dies gilt nach § 51 Abs. 3 S. 1 SektVO grundsätzlich nicht für leistungsbezogene Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen.
(1) Die von der Ag bei der ASt und auch den übrigen Bietern nachgeforderten Unterlagen dienen dazu, die Schlüssigkeit bzw. Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit der hinter den im LV angebotenen Preisen stehenden Angebotskalkulationen nachvollziehen zu können. Sie sind mithin keine leistungsbezogenen Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung anhand des hier allein preislichen Zuschlagskriterium, so dass ihre Nachforderung nicht nach § 51 Abs. 3 S. 1 SektVO ausgeschlossen war.
(2) Die Nachforderung der Unterlagen bei der ASt war auch ermessensfehlerfrei. Der Ag fehlte es für die finale Angebotsrunde an der gebotenen formalen Prüfung der finalen Angebote. Insbesondere bedurfte es im Hinblick auf die Bewerbungsbedingungen der Prüfung der Vollständigkeit und Schlüssigkeit der Kalkulation, was die ASt in ihrer Rüge zu Recht angemerkt hat. Vor diesem Hintergrund war die Ag hier im Hinblick auf die vergaberechtlichen Grundsätze des § 97 Abs. 1, 2 GWB und des § 51 Abs. 1 SektVO gehalten, die entsprechenden fehlenden finalen Kalkulationsunterlagen bei allen Bietern nachzufordern.
Entgegen der Auffassung der ASt war die Nachforderung bei ihr auch nicht unverhältnismäßig, insbesondere zweckfrei. Die nachgeforderten Unterlagen dienen dazu, die Schlüssigkeit und Vollständigkeit der Kalkulation des finalen Angebots der ASt nachvollziehen zu können, ebenso wie die der übrigen Bieter.
Fehlen diese Unterlagen, ist das entsprechende Angebot somit in einem wesentlichen Punkt unvollständig.
Die ASt hat selbst in ihrer Rüge sowie im Nachprüfungsantrag auf die nach Ziff. 8.1 der Bewerbungsbedingungen einzureichenden Kalkulationsunterlagen und ihre dementsprechende Relevanz hingewiesen. Die Ag hat zudem diese fehlenden Unterlagen insbesondere bei der ASt bereits zur ersten Angebotsrunde nachgefordert, so dass klar war, dass mit entsprechenden Nachforderungen auch für die folgenden Angebotsrunden zu rechnen war, falls sich Veränderungen ergeben sollten. Damit steht im Grunde außer Streit, dass die Nachforderung nicht - wie die ASt späterhin im Hinblick auf den Angebotsausschluss vorgetragen hat der bloßen Dokumentation diente. Es ist nachvollziehbar und sachgemäß, dass die Ag auf die Rüge der ASt hin, die finalen Angebotsunterlagen aller Bieter geprüft und dabei festgestellt hat, dass zu den für die Wirtschaftlichkeitsbewertung im Hinblick auf die Zuschlagsentscheidung relevanten finalen Angeboten die aktualisierten Kalkulationsunterlagen fehlten. Da sich die finalen Preise im Vergleich zur vorangegangenen zweiten Verhandlungsrunde nochmals geändert hatten, war es denknotwendig, dass auch die zugrunde liegenden Kalkulationsunterlagen zu überarbeiten und dementsprechend neu einzureichen bzw. nachzureichen waren.
Gegen die Nachforderung spricht auch nicht, wie die ASt meint, dass die Ag bei ihr unterschiedslos alle beim finalen Angebot fehlenden Unterlagen nachgefordert hat, obwohl sich nicht in allen Änderungen ergeben hatten. Dies macht die Nachforderung nicht unwirksam. Denn da die Maßgabe der Angebotsaufforderung, nur die Unterlagen einzureichen, bei denen Änderungen vorzunehmen waren, unverändert galt, war ein entsprechender Hinweis im Nachforderungsschreiben auch entbehrlich und aus dem für die Auslegung maßgeblichen verobjektivierten Empfängerhorizont eines fachkundigen Bieters unmissverständlich klar, dass nur diejenigen Unterlagen einzureichen waren, bei denen sich kalkulationsbedingt Änderungen beim finalen Angebot ergeben hatten.
Die Nachforderung bei der ASt war auch nicht unverhältnismäßig, weil sie - wie die ASt meint nicht erforderlich gewesen sei, weil das Angebot der ASt bislang nicht für den Zuschlag vorgesehen sei. Die Zuschlagserteilung war wegen des laufenden Nachprüfungsverfahrens gerade noch nicht abgeschlossen, sondern stand auf dem Prüfstand. Auf die Rüge der ASt hat die Ag die Vollständigkeit und Schlüssigkeit der Kalkulation der finalen Angebote aller Bieter überprüfen wollen, wofür die fehlenden Kalkulationsunterlagen erforderlich waren. Hätten sich die Kalkulation der Bg auf die Rüge der ASt hin nach den finalen Kalkulationsunterlagen als unschlüssig erwiesen und eine von der Ag bemängelte Mischkalkulation ergeben, wäre es auf das Angebot der ASt angekommen. Vor diesem Hintergrund war es nicht unsachgemäß, die fehlenden Unterlagen aller Bieter gleichzeitig nachzufordern, um die gebotenen Prüfungen zeitnah nachholen zu können und weitere Verzögerungen im Ablauf des Nachprüfungsverfahrens zu vermeiden.
Dass die Ag auch die Kalkulationsunterlagen für das bereits bestandskräftig ausgeschlossene Nebenangebot der ASt nachgefordert hat, erscheint zwar in der Tat nicht erforderlich, machte aber, sofern die Nachforderung insoweit fehlerhaft gewesen sein sollte, was hier offen bleiben kann, die Nachforderung der Kalkulationsunterlagen des finalen Hauptangebots der ASt jedenfalls nicht unsachgemäß.
Schließlich ist auch nicht festzustellen, dass die Nachforderung der Unterlagen bei der ASt unangemessen gewesen ist, weil - wie die ASt meint - sich in ihrem finalen Angebot nur drei Einheitspreise und zwei Kalkulationsunterlagen verändert hätten. Hierauf kommt es schon deshalb nicht an, weil der Umfang der Änderungen an den Kalkulationsunterlagen für die Ag vor Kenntnis der nachgereichten Unterlagen gar nicht erkennbar war. Der Anlass für die Nachforderung ergab sich für die Ag allein sich aus dem veränderten Preis und dem Nichtvorliegen der nachgeforderten aktualisierten Kalkulationsunterlägen der ASt wie auch der übrigen Bieter zum finalen Angebot.
c) Dass die Nachforderung der Unterlagen von der ASt entgegen § 97 Abs. 2 GWB eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu ihren Lasten darstellt, ist nicht festzustellen, da alle Bieter von der Nachforderung betroffen waren und dementsprechend zur Nachreichung von nicht mit dem finalen Angebot eingereichten Kalkulationsunterlagen aufgefordert worden sind. Die übrigen Bieter haben die nachgeforderten fehlenden finalen Kalkulationsunterlagen - wie die Ag in der mündlichen Verhandlung explizit bestätigt hat -, fristgemäß auf der Vergabeplattform der Ag eingereicht.
d) Da das Angebot der ASt auszuschließen war und weitere wertungsfähige Angebote anderer Bieter verbleiben, kommt es auf die Prüfung und Entscheidung ihrer übrigen Rügen nicht mehr an.
Soweit der Verfahrensbevollmächtigte der ASt am Schluss der mündlichen Verhandlung eine zweitägige Nachlassfrist zur Reaktion auf den Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Ag vom 15. November 2024 erbeten hat, in dem die Ag auf die Frage der Mischkalkulation eingegangen ist, indem sie von ihr ermittelte Erkenntnisse zur Marktsituation der Entsorgung von Z2-Boden vorgetragen hat, lehnt die Vergabekammer dieses Begehren mit Blick auf den Beschleunigungsgrundsatz nach § 167 GWB ab. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung stand für die Vergabekammer fest, dass die Frage der Mischkalkulation nicht mehr entscheidungserheblich ist, weil der vorgreifliche Angebotsausschluss, der ASt nach Überzeugung der Vergabekammer rechtmäßig ist. Auf eine Entscheidung der übrigen Rügen kommt es somit nicht mehr an.
e) Der Antrag der ASt auf ergänzende Akteneinsicht wird nach § 165 Abs. 2 GWB abgelehnt.
Die ASt beansprucht insofern, zusätzlich Einsicht in die Aufklärung der Ag bei der Bg und deren Antwortvorgang einsehen zu dürfen. Eine Offenlegung dieser Vorgänge, insbesondere - was die ASt in der mündlichen Verhandlung explizit angesprochen hat - des Angebots der Verwertungsstelle der Bg für das Z2-Bodenmaterial, tangiert die Geschäftsgeheimnisse der Bg. Denn diese Informationen lassen Rückschlüsse auf die Inhalte und die Kalkulation des Angebots der Bg zu.
Der Offenlegung an die ASt stehen überwiegende wichtige Gründe entgegen. Das Akteneinsichtsrecht hat einen dienenden, dem Nachprüfungsbegehren akzessorischen Charakter und ist grundsätzlich durch dieses insofern begrenzt, als es zur Durchsetzung der subjektiven Rechte des Antragstellers erforderlich ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Oktober 2024, VII Verg 18/24 m.w.N. - std. Rspr.). Da es im hiesigen Nachprüfungsverfahren - wie festgestellt vorrangig um die Rechtmäßigkeit des Angebotsausschlusses der ASt geht, die gegeben ist, und die übrigen von der ASt erhobenen Rügen nicht mehr entscheidungserheblich sind, bedarf es der Offenlegung des Aufklärungsvorgangs zur Frage der Mischkalkulation der Bg nicht.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 sowie Abs. 4 S. 1, S. 2, S. 4 GWB, § 80 Abs. 1, 2 und 3 S. 2 VwVfG (Bund).
1. Die unterliegende ASt trägt nach § 182 Abs. 3 S. 1 GWB die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer (Gebühren und Auslagen) und nach § 182 Abs. 4 S. 1 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der, Ag.
2. Ebenfalls werden der ASt als unterliegender Partei des Nachprüfungsverfahrens nach § 182 Abs. 4 S. 2 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Bg auferlegt. Es entspricht der Billigkeit, diese Aufwendungen der Bg der ASt aufzuerlegen. Die vom Nachprüfungsantrag angegriffene Bg hat sich zur Sache eingelassen und so zum Nachprüfungsverfahren substantiell beigetragen.
Die Bg ist vor diesem Hintergrund ein Kostenrisiko eingegangen, das es rechtfertigt, ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der ASt aufzuerlegen.
3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag war nach § 182 Abs. 4 S. 4, § 80 Abs. 1, 2 und 3 S. 2 VwVfG (Bund) notwendig.
Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren bedarf einer einzelfallgerechten Betrachtung, abstellend auf den Zeitpunkt der Hinzuziehung (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06; vgl. ferner OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. September 2022, VII-Verg 15/22). Die Notwendigkeit der Hinzuziehung hängt davon ab, ob der jeweilige Verfahrensbeteiligte nach den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, den Sachverhalt aufgrund der bekannten bzw. erkennbaren Tatsachen zu erfassen, der im Hinblick auf eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung bzw. -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Maßgeblich ist bei der Abwägung, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war oder nicht, ob sich im Nachprüfungsverfahren für den Auftraggeber im Wesentlichen auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazugehörigen vergaberechtlichen Vorschriften gestellt haben. In diesem Fall ist es grundsätzlich nicht notwendig, dass er hierfür einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen muss. Diese Angelegenheiten betreffen den originären Aufgabenkreis des öffentlichen Auftraggebers, für die er sich selbst die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse verschaffen muss, so dass es auch im Nachprüfungsverfahren nicht geboten ist, einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten hinzuzuziehen (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Zu berücksichtigen ist ferner der Grad der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhaltes, die Komplexität oder Überschaubarkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen sowie persönliche Umstände wie u.a. die sachliche oder personelle Ausstattung des Verfahrensbeteiligten (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalt kann daher insbesondere geboten sein, wenn sich im Nachprüfungsverfahren nicht einfachgelagerte Rechtsfragen stellen, insbesondere solcher verfahrensrechtlicher Natur oder solcher Art, die auf einer höheren Rechtsebene als der der Vergabeordnungen zu entscheiden sind (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Vor dem Hintergrund dieser Maßgaben ist die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag hier als notwendig anzuerkennen. Zwar betrafen die in den Rügen und im Nachprüfungsverfahren seitens der ASt bemängelten Fragestellungen zunächst rein auftragsbezogene Aspekte, die dem originären Aufgabenkreis der Ag als Auftraggeberin zuzuordnen sind. Die nach dem Nachprüfungsantrag klärungsbedürftige Plausibilität der Kalkulation sowie einer möglichen Mischkalkulation der Bg und die Auskömmlichkeit des Angebots der Bg, die korrekte Berechnung der Zuschlagsfrist nach § 134 GWB, ferner die Prüfung der Vollständigkeit der Kalkulationsunterlagen und deren Nachforderung sowie der Ausschluss des Angebots der ASt sind ohne Weiteres originär von einem öffentlichen bzw. Sektorenauftraggeber zu prüfen. Hierfür waren die von einem Sektorenauftraggeber wie der Ag ohnehin zu beherrschenden vergaberechtlichen Vorschriften zugrunde zu legen. Hierzu ist ein Auftraggeber auch selbst in der Lage, die notwendigen rechtlichen Schlussfolgerungen in einem Nachprüfungsverfahren zu ziehen und sich dazu einzulassen.
Die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag ist im hiesigen Fall aber der besonderen Bedeutung bzw. einer besonderen Komplexität des Sachverhaltes und der zu beurteilenden Rechtsfragen geschuldet. Die Verfahrensbevollmächtigten der Ag haben diesen Aspekt zwar nur pauschal vorgetragen. Zu berücksichtigen ist aber der Gesamtzusammenhang des Nachprüfungsverfahrens. Im Einzelnen:
Die ASt hat in ihrer Stellungnahme vom 5. November 2024 vorgetragen, dass die Bg auf das Aufklärungsverlangen der Ag ein Angebot einer Verwertungsstelle zur Erklärung ihres kalkulierten Entsorgungspreises vorgelegt hat, das zivilrechtlich als Scheinangebot nach § 117 BGB zu bewerten sei.
Damit trat für die zentrale Rüge der Mischkalkulation des Angebots der Bg ein zu beurteilender rechtlicher Aspekt hinzu, der den originären Aufgabenkreis der Ag überschritt. Die zivilrechtliche Bewertung von Drittverträgen, die im Rahmen eines Aufklärungsprozesses von Bietern vorgelegt werden, stellt üblicherweise keinen auftragsbezogenen Aspekt dar, auf den ein öffentlicher bzw. Sektorenauftraggeber eingestellt sein muss.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass dem Nachprüfungsverfahren bereits das Nachprüfungsverfahren VK2-[.,.] vorausgegangen war Die bereits in diesem Nachprüfungsverfahren anwaltlich vertretene Ag hatte in Abhilfe der im Verfahren VK2-[...] von der Vergabekammer bemängelten Dokumentationsverstöße der Prüfung der Mischkalkulation behoben und eine entsprechende Aufklärung bei der Bg durchgeführt und dokumentiert, nach deren Auswertung sie den Zuschlag an die Bg beabsichtigt und auf der Grundlage ihrer Dokumentation begründet hat. Das Ergebnis ihrer Aufklärungsmaßnahmen hat die Ag der ASt in ihrem von den Verfahrensbevollmächtigten der Ag verfassten Nichtabhilfeschreiben vom 25. Oktober 2024 näher erläutert. Dem am gleichen Tag von der ASt eingereichten Nachprüfungsantrag war - was sie in ihrem Schriftsatz vom 5. November 2024 ausdrücklich hervorgehoben hat - von Anfang an zu entnehmen, dass sie gegenüber der Ag "kein Vertrauen in deren bislang vorgenommenen Aufklärungsmaßnahmen" hatte, "weil diese von zu wenig Fach- und Branchenkenntnis gerade für Verwertung und Entsorgung von Bodenmaterial oder von fehlendem Aufklärungswillen zeugen". Für die Ag ergab sich daraus - wie sie im Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigen vom 8. November 2024 ausgeführt hat - ein deutliches Misstrauen in ihre Verfahrensführung. In dieser Situation ist es nachzuvollziehen, dass die Ag auf den Nachprüfungsantrag hin ihren Rechtsanwalt hinzugezogen hat, von dem sie sich bereits im Rügeverfahren hat vertreten lassen, um sicherzustellen, dass die auftraggeberseitig unternommenen und dokumentierten Maßnahmen einer nochmaligen Prüfung durch einen externen Rechtsanwalt unterzogen werden und dem Rügevorbringen der anwaltlich vertretenen ASt im Nachprüfungsantrag in vergaberechtlicher Hinsicht qualifiziert begegnen und das zum wiederholten Male durch ein Nachprüfungsverfahren suspendierte Vergabeverfahren zügig zu Ende führen zu können:
4. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Bg war ebenfalls notwendig, § 182 Abs. 4 S. 4 GWB, § 80 Abs. 1, 2.und 3 S. 2 VwVfG (Bund). Von einem Unternehmen wie der Bg kann nicht erwartet werden, die hier gegebenen vergaberechtlichen und insbesondere die nachprüfungsverfahrensrechtlichen Fragestellungen im Nachprüfungsverfahren ohne anwaltliche Hilfe aufzuarbeiten. Die ASt hat hier einen direkten Interessengegensatz zur Bg hergestellt, indem die ASt den Ausschluss des Angebots der Bg beantragt hat.
Die Anwendung des Vergaberechts ist in erster Linie an die öffentlichen Auftraggeber adressiert und nicht unmittelbare Angelegenheit der Bieter. Hinzu tritt zugunsten des Bg der Aspekt der prozessualen Waffengleichheit im Hinblick auf die im Nachprüfungsverfahren ebenfalls rechtsanwaltlich vertretene ASt.
IV.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf - Vergabesenat - einzulegen.
Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Die Beschwerde ist bei Gericht als elektronisches Dokument einzureichen. Dieses muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Dies gilt nicht für. Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind. Ist die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig.
Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.
Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.
Aktuelle Entscheidungen
Vergaberecht ist ein spannendes und anspruchsvolles Thema. Behalten Sie jederzeit den Überblick: Hier finden Sie interessante vergaberechtliche Entscheidungen der letzten 14 Tage.
Archiv
Gewusst, wo: Vergaberechtsentscheidungen, die älter als 14 Tage sind, können Sie bei unserem Partner vpr-online - der Datenbank für Vergabepraxis und Vergaberecht - abonnieren.
Unterlagen zu spät nachgereicht: Ausschluss auch im Sektorenberei...
Unterlagen zu spät nachgereicht: Ausschluss auch im Sektorenbereich!
Selbstreinigung auch nach abgeschlossener Eignungsprüfung!
Selbstreinigung auch nach abgeschlossener Eignungsprüfung!
Melden Sie sich jetzt an unter www.vpr-online.de, um sämtliche Entscheidungen im Volltext lesen zu können.
vpr-online ist DIE Datenbank für öffentliche Auftraggeber und Bieter sowie für alle Berater auf den Gebieten des Vergaberechts.
Mit vpr-online haben Sie außerdem jederzeit und überall Zugriff auf über 5.800 VPR-Beiträge nach dem 1-Seiten-Prinzip, über 12.016 Entscheidungen im Volltext, Arbeitshilfen, Materialien und vieles mehr.
OLG Jena
Beschluss
vom 02.10.2024
Verg 5/24
1. Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen in Bezug auf die Ausschlussgründe oder Eignungskriterien eine schwerwiegende Täuschung begangen hat.
2. Es spricht einiges dafür, dass § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB als Ausschlussgrund nur bei Falschangaben bzw. unvollständigen Angaben im laufenden Vergabeverfahren zur Anwendung kommt, nicht hingegen bei Falschangaben bzw. unvollständigen Angaben aus vorangegangenen Vergabeverfahren desselben Auftraggebers oder anderer öffentlicher Auftraggeber. Eine schwerwiegende Täuschung des öffentlichen Auftraggebers in einem früheren Vergabeverfahren kann unter dem Gesichtspunkt der nachweislich schweren Verfehlung in späteren Vergabeverfahren Berücksichtigung finden und einen fakultativen Ausschlussgrund darstellen.
3. Selbstreinigungsmaßnahmen können auch nach dem Zeitpunkt der Eignungsprüfung - noch im laufenden Nachprüfungsverfahren - zu berücksichtigen sein.
4. Der öffentliche Auftraggeber hat einen Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob die Selbstreinigungsmaßnahmen des Unternehmens ausreichend sind. Dem Auftraggeber kommt auch bei dieser Prognose ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.
vorhergehend:
VK Thüringen, 25.06.2024 - 5090-250-4003/442
OLG Jena, Beschluss vom 07.05.2024 - Verg 3/24
VK Thüringen, 21.02.2024 - 5090-250-4003/442
nachfolgend:
OLG Jena, Beschluss vom 03.12.2024 - Verg 5/24
Beschluss:
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers wird der Beschluss der Vergabekammer Freistaat Thüringen vom _ - Az. _ - aufgehoben.
Die Entscheidung des Antragsgegners vom 26.09.2023 über den Ausschluss des Antragstellers von der Teilnahme am Vergabeverfahren "Winterdienst und Störungsbeseitigung 20_ - 20_ auf Bundes- und Landesstraßen im U_" und über den Ausschluss des Angebotes des Antragstellers von der Wertung in diesem Vergabeverfahren wird aufgehoben. Der Antragsgegner wird bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht verpflichtet, das Vergabeverfahren unter Beteiligung des Antragstellers und unter Berücksichtigung seines Angebots fortzuführen.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragstellers zu tragen. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers im Nachprüfungsverfahren wird für notwendig erklärt. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen des Antragstellers zu tragen.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 446.363.- Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der AG schrieb den in den Nrn. II.1.1), 1.4), 2.4) und 2.7) des Supplements zum Amtsblatt der EU vom _ (Tag der Absendung der Bekanntmachung) näher bezeichneten und im Zeitraum vom 01.10.20_bis 30.09.20_ zu erbringenden "Winterdienst und Störungsbeseitigung 20_-20_ auf Bundes- und Landesstraßen im Landkreis U_" im Rahmen eines offenen Verfahrens europaweit aus. Der AST beteiligte sich mit Angebotsabgabe vom _. Der AG teilte der zweitplatzierten T_mit Bieterinformation vom _ mit, dass beabsichtigt sei, nach Ablauf der Informationsfrist, frühestens am _, den Zuschlag auf das Angebot des AST zu erteilen; die T_ habe nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben.
Gegen die beabsichtigte Zuschlagserteilung reichte die T_ am _ einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer ein; das Nachprüfungsverfahren wird unter dem Az. _ geführt und ist bei der Vergabekammer Freistaat Thüringen weiterhin anhängig; der AST ist dort Beigeladener. Der AG teilte dem AST mit Anhörungsschreiben vom _ mit, dass beabsichtigt sei, ihn nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB wegen einer schwerwiegenden Täuschung von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen. Dem AG [Region Nord] sei bekannt geworden, dass der AST mit Schreiben vom 20.07.2023 des AG [Amtsbereich Mitte] unter anderem gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB von der Teilnahme an dem parallelen Vergabeverfahren "Winterdienst und Störungsbeseitigung auf Bundes- und Landesstraßen 20_-20_ im Landkreis I_" wegen einer schwerwiegenden Täuschung ausgeschlossen worden sei. Mit seinem Angebot habe er zum Nachweis der geforderten Mindestsolelagerkapazität von 500 m3 einen Bescheid der unteren Naturschutzbehörde der Stadt S_ vom 21.06.2021 vorgelegt, der eine Gesamtlagermenge an Salzlauge von 500 m3 ausweise. Ein solcher Bescheid vom 21.06.2021 sei von der Stadt S_ jedoch nicht erlassen worden.
Vielmehr weise der tatsächlich erlassene Bescheid der Stadt S_ vom 21.06.2021 eine Gesamtlagermenge an Salzlauge von lediglich 100 m3 aus. Damit habe der AST den öffentlichen Auftraggeber darüber getäuscht, dass die Mindestsolelagerkapazität für die Lagerstätte am Standort S_ in tatsächlicher Hinsicht nicht gegeben sei und insoweit eine Fehlvorstellung über einen erfolgreichen Nachweis der geforderten Mindestsolelagerkapazität hervorgerufen. Diese absichtliche Täuschung führe zu einem massiven Vertrauensverlust in den AST und zu erheblichen Zweifeln an einer ordnungsgemäßen und gesetzestreuen Ausführung der Leistung. Diese schwerwiegende Täuschung aus dem vorangegangenen Vergabeverfahren berechtige auch zu einem Ausschluss gemäß § 124 Nr. 8 Var.1 GWB im vorliegenden Vergabeverfahren.
Im Rahmen der Anhörung bat der AG um Mitteilung, ob und welche Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB ergriffen worden seien. Eine Stellungnahme des AST ging in der gesetzten Frist nicht beim AG ein.
Mit Schreiben vom 26.09.2023 schloss der AG den AST von der Teilnahme an dem Vergabeverfahren und sein Angebot gemäß § 42 Abs. 1 VgV i.V.m. § 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB von der Wertung aus. Der hierauf bezogenen Rüge des AST vom 28.09.2023 half der AG nicht ab.
Den mit Schriftsatz vom 16.10.2023 bei der Vergabekammer Freistaat Thüringen gestellten Nachprüfungsantrag hat die Vergabekammer mit dem nunmehr beschwerdegegenständlichen Beschluss vom 25.06.2024 zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, der zulässige Nachprüfungsantrag sei unbegründet. Der AG habe seine Entscheidung im Vergabeverfahren zu Recht auf den fakultativen gesetzlichen Ausschlusstatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB gestützt. Der AG habe das Angebot des AST im vorliegenden Verfahren zu Recht nach § 42 Abs. 1 VgV i.V.m. § 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB wegen einer schwerwiegenden Täuschung im parallelen Verfahren I_ ausschließen können.
Die Voraussetzungen für einen fakultativen Ausschluss des Angebots des AST nach §§ 124 Abs. 1 Nr. 8, 125 GWB lägen vor, weil der AST im Vergabeverfahren in Bezug auf seine Eignung im parallelen Verfahren l_ eine schwerwiegende Täuschung begangen und Selbstreinigungsmaßnahmen bis zum Abschluss des Ausschlussverfahrens nicht vorgetragen habe. Auch wenn die Täuschungshandlung im Parallelverfahren den l_ betreffend begangen worden sei, so komme wegen dieser Täuschungshandlung auch ein Ausschluss im vorliegenden Verfahren in Betracht. Eine schwerwiegende Täuschungshandlung über bieterbezogene Eignungskriterien beschränke sich nicht auf das konkrete Vergabeverfahren, sondern schlage auch auf andere Verfahren durch. Die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden. Es wird ergänzend auf den den Beteiligten bekannten Beschluss der Vergabekammer Bezug genommen.
Gegen diesen, ihm am 27.06.2024 zugestellten Beschluss richtet sich die am 04.07.2024 bei Gericht eingegangene Beschwerde des AST.
Der ASt trägt mit seiner Beschwerde vor, die Tatbestandsvoraussetzungen von § 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB lägen nicht vor. Jedenfalls sei der Ausschluss des Angebotes des Antragstellers ermessensfehlerhaft erfolgt. Darüber hinaus sei der Antragsteller auch nicht nach § 125 GWB auszuschließen, da er eine Selbstreinigung vorgenommen habe.
Die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Angebots des Antragstellers nach § 124 Abs.1 Nr. 8 Var.1 GWB lägen nicht vor, weil der Antragsteller in Bezug auf Eignungskriterien keine im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigende schwerwiegende Täuschung vorgenommen habe.
Es sei bereits strittig, ob Täuschungen aus vorangegangen Vergabeverfahren herangezogen werden können; jedenfalls bei zeitlich nachgelagerten Vergabeverfahren sei dies nicht möglich. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass bei normalem Lauf des Verfahrens der Antragsteller bereits seit fast zwei Jahren (seit dem _) in der Leistungserbringung im U_ tätig wäre. Eine nachträgliche Eignungsprüfung würde dann nur am Maßstab des § 133 GWB für eine Kündigung von öffentlichen Aufträgen in besonderen Fällen in Betracht gekommen.
Nur vorsätzliches Fehlverhalten könne einen Ausschlussgrund begründen. Vorsätzliches Verhalten, das dem Antragsteller zuzurechnen sei, liege hier jedoch nicht vor. Wichtig sei in diesem Zusammenhang im Hinblick darauf, dass die Veränderungen am Bescheid der unteren Naturschutzbehörde der Stadt S_ durch eine Mitarbeiterin vorgenommen worden seien, die Beschränkung der Haftung für Verrichtungsgehilfen, die sich auf das Auswahlverschulden beschränke (vgl. § 831 BGB). Ein Rechtsverstoß sei einem Unternehmen zuzurechnen, wenn die handelnde natürliche Person für die Leitung des Unternehmens verantwortlich gewesen sei. Hingegen sei die Zurechnung von Fehlverhalten eines sonstigen Mitarbeiters nicht möglich.
Bloßes Aufsichtsverschulden einer für das Unternehmen verantwortlich handelnden Person begründe demgegenüber keine Zurechnung des Verstoßes einer Nichtleitungsperson zum Unternehmen. Die Mitarbeiterin des Antragstellers, die die Unterlagen für die Angebotsabgabe zusammengestellt und auch die Änderungen im Bescheid vorgenommen habe, sei keine Person, die für die Leitung des Unternehmens verantwortlich sei. Die Herren W_ hätten sich auf die ordnungsgemäße Zusammenstellung der Angebotsunterlagen durch die bis dahin äußerst zuverlässige Mitarbeiterin verlassen; Herr A_ W_ habe demzufolge das Angebot entsprechend unterschrieben. Allerdings habe er nicht wissentlich und willentlich einen fehlerhaften Bescheid eingereicht, sondern sich auf die Mitarbeiterin verlassen. Vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller beabsichtigte, die Genehmigung der Gesamtlagermenge der Lagerstätte in S_ auf 500 t zu erhöhen und dass die Eignung erst zum Zeitpunkt der Auftragsausführung vorliegen müsse, könne in der Entscheidung des Antragstellers, sich am zugrundeliegenden Vergabeverfahren zu beteiligten, nichts Verwerfliches gesehen werden. Der Bieter müsse grundsätzlich erst zum Zeitpunkt der Auftragsausführung und nicht bereits zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe oder der Zuschlagserteilung über die erforderlichen Mittel und Kapazitäten für die Auftragsausführung verfügen. Für die Eignung des Bieters sei daher grundsätzlich nur erforderlich, dass belastbare Umstände vorlägen, die mit Blick auf den zukünftigen Zeitpunkt der Leistungserbringung die Annahme rechtfertigten, der Bieter sei in der Lage, die zur Auftragsausführung erforderlichen Mittel und Kapazitäten rechtzeitig zur Verfügung zu stellen.
Die Annahme der Vergabekammer, wonach eine Prognose, ob der von dem Ausschlussgrund betroffene Bewerber oder Bieter den konkreten Auftrag ordnungsgemäß ausführen werde, mithin ob eine Wiederholungsgefahr bestehe, nicht zu fordern sei, sei unzutreffend. Der Antragsgegner selbst sei davon ausgegangen, dass der Antragsteller eine sorgfältige, ordnungsgemäße und gesetzestreue Auftragsdurchführung gewährleisten werde, denn er habe den Antragsteller in anderen Vergabeverfahren als geeignet betrachtet. In dem Vergabeverfahren "Winterdienst und Störungsbeseitigung 20_-20_ auf Bundes- und Landesstraßen im Landkreis U_, Vergabe-Nr. _" habe der Antragsgegner im dortigen Verfahren das Angebot des Antragstellers vom 18. Mai 2022 (dort Beigeladener) als vollständig, fehlerfrei und zuschlagsfähig bewertet und zudem als wirtschaftlichstes Angebot. Fehler im Angebot habe er nicht angenommen, insbesondere nicht hinsichtlich der geforderten Eignungsnachweise. Der Antragsgegner habe zudem den Antragsteller für die Störungsbeseitigung 2024 in den Landkreisen G_ und I_ zur Angebotsabgabe aufgefordert. Der Antragsgegner habe also auch in diesem Verfahren (und auch in anderen Verfahren) den Antragsteller als geeignet eingestuft. Die Auffassung des Antragsgegners, dass verschiedene Sachverhalte vorliegen würden, die einen Ausschluss des Antragstellers bei den anderen Vergabeverfahren nicht gerechtfertigt hätten, sei unzutreffend. Dabei übersehe der Antragsgegner, dass § 124 GWB Tatbestände zusammenfasse, die der Teilnahme eines Unternehmens am Vergabeverfahren generell, d.h. unabhängig von der Art oder dem Umfang des auszuführenden Auftrags, entgegenstehen könnten. Die Zuverlässigkeit sei eine Eigenschaft eines Unternehmens. Sie unterscheide sich von den Fähigkeiten des Unternehmens und damit von den in § 122 Abs. 2 GWB genannten Eignungskriterien der Fachkunde und Leistungsfähigkeit. Die Zuverlässigkeit eines Unternehmens komme in seinem Verhalten (Geschäftsgebaren) zum Ausdruck. Der Vorwurf mangelnder Zuverlässigkeit gründet regelmäßig auf einem Fehlverhalten in der Vergangenheit. Es handele sich um einen "abstrakten Eignungsmangel", der losgelöst von dem konkret zu vergebenden Auftrag bestehe und auch eine Auftragssperre, d.h. den Ausschluss von einer Mehrzahl von Vergabeverfahren innerhalb eines längeren Zeitraums, rechtfertige.
Habe also der Auftraggeber - wie hier - die Zuverlässigkeit eines Unternehmens angenommen, gelte diese Feststellung unabhängig von der Art oder dem Umfang des auszuführenden Auftrages. Insofern sei der Vortrag des Antragsgegners, warum er die Eignung des Antragstellers in den anderen genannten Vergabeverfahren für Störungsbeseitigung, Reinigung und Sofortreparatur angenommen habe, widersprüchlich. Aber auch wenn der Ansicht des Antragsgegners gefolgt und davon ausgegangen werden würde, dass die Zuverlässigkeit eines Bieters bei verschiedenen (fast zeitgleichen) Vergabeverfahren unterschiedlich bewertet werden könnte, wäre auch in diesem Fall die Begründung des Antragsgegners nicht nachvollziehbar. Hier gehe es nicht darum, dass dem Antragsteller die Zuverlässigkeit aberkannt werde, weil er bestimmte Leistungen nicht ordnungsgemäß erbracht oder abgerechnet habe. Im zugrundliegenden Vergabeverfahren sei die Zuverlässigkeit des Antragstellers aus anderen Gründen verneint worden. Überwachungsmöglichkeiten bei der Leistungserbringung bzw. bei den Abrechnungen würden diesbezüglich also keine Abhilfe schaffen. Diese Begründung des Antragsgegners sei also nicht plausibel.
Der Antragsgegner habe die ergriffenen Maßnahmen des Antragstellers zur Selbstreinigung nach § 125 GWB ermessensfehlerhaft nicht berücksichtigt. Wenn der Auftraggeber für sich in Anspruch nehme, nachträglich erlangte Erkenntnisse aus anderen Vergabeverfahren zu Lasten eines Bieters zu berücksichtigen, sei er umgekehrt auch verpflichtet, nachträglich erlangte - entlastende - Erkenntnisse (wie hier die erlangten Erkenntnisse über die Durchführung von Selbstreinigungsmaßnahmen) zu Gunsten des Bieters zu berücksichtigen. Die Eignung der Bieter werde zumindest im offenen Verfahren nicht bezogen auf den Zeitpunkt der Angebotsabgabe oder den Fristablauf für die Einreichung der Nachweise, sondern bezogen auf den Zeitpunkt der Wertung bzw. des Zuschlags geprüft. Die Durchführung der Selbstreinigung führe zum Verbot des Ausschlusses. Die Versäumung der Stellungnahmefrist und die Selbstreinigungsmaßnahmen seien erläutert worden. Der Antragsteller habe den Antragsgegner über den gesamten Vorfall und seine Hintergründe bereits im Rahmen seines Rügevorbringens aufgeklärt. Er habe das Fehlverhalten der ehemaligen Mitarbeiterin im Vergabeverfahren I_ intern ermittelt. Die Person, die den Vorfall verursacht habe, ohne die Leitungsebene des Antragstellers darüber in Kenntnis zu setzen, habe das Unternehmen bereits zum __ verlassen. Er habe den gesamten Vorgang gegenüber dem Antragsgegner eingeräumt und Erläuterungen und Nachweise beigebracht. Zudem habe er, als der Vorfall bekannt geworden sei, den Nachprüfungsantrag im tatsächlich betroffenen Verfahren zum I_ direkt zurückgenommen.
Der Antragsteller habe organisatorische und personelle Maßnahmen zur Verhinderung eines vergleichbaren Vorfalls getroffen. Alle Mitarbeiter seien durch die neue Arbeitsanweisung sensibilisiert (bereits erstinstanzlich vorgelegt als Anlage ASt. 6), die allen Mitarbeitern, die mit den entsprechenden Tätigkeiten betraut seien, zur Kenntnis gegeben worden sei. Die Einübung und Einhaltung der Abläufe würden durch den Inhaber und den Prokuristen unmittelbar überwacht. Auch der Inhaber und der Prokurist selbst seien durch den Vorfall sensibilisiert und würden Angebotsunterlagen in Vergabeverfahren künftig einer noch kritischeren Prüfung unterziehen als bislang, ehe sie diese unterschreiben würden - hierfür sehe die besagte Arbeitsanweisung ausdrücklich einen zeitlichen Vorlauf bei der Vorbereitung der Unterlagen vor. Überdies würden (vgl. Schulungsnachweis, bereits erstinstanzlich vorgelegt als Anlage ASt. 12 sowie unter Ziff. 2.2) regelmäßig Mitarbeiterschulungen durchgeführt. Die mit der Angebotserstellung beschäftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Inhaber persönlich hätten am 24. November 2023 an einer Schulung zur Angebotserstellung bei öffentlichen Aufträgen teilgenommen.
Der Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 GWB bzw. der Selbstreinigung sei von dem Zeitpunkt der Nachweisführung zu unterscheiden. Wenn der Auftraggeber erst nach der Feststellung der Eignung Kenntnis von Tatsachen erlangt habe, die einen Ausschlussgrund bei dem betroffenen Bewerber begründeten, sei jedenfalls für das Offene Verfahren anzunehmen, dass die Vergabestelle in diesem Fall zugunsten des Unternehmens auch nachträglich durchgeführte Selbstreinigungsmaßnahmen berücksichtigen dürfe. Darüber hinaus gehe es hier auch nicht um eine Nachforderung von Unterlagen, sondern um die Fertigung einer Stellungnahme, ob und welche Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB ergriffen worden seien. Daher sei vorliegend der Anwendungsbereich von § 125 GWB eröffnet und nicht der von § 57 VgV. Etwas anderes würde nur gelten, wenn entsprechende Nachweise ausdrücklich bereits mit der Abgabe des Angebots gefordert worden wären und nicht wie hier der Auftraggeber erst nach der Feststellung der Eignung Kenntnis von Tatsachen erlangt habe, die einen Ausschlussgrund bei dem Antragsteller begründeten.
Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch, dass die Erweiterung tatsächlich vorgenommen worden sei (vgl. Änderungsbescheid vom 22. November 2023, bereits erstinstanzlich vorgelegt als Anlage ASt. 15). Bei der Beurteilung des Vorfalls sei weiterhin zu würdigen, dass der Vorfall mit der fehlerhaften Bescheinigung im Verfahren I_ bzw. der Ausschluss im dortigen Verfahren bereits zwei Jahre zurückliege (20. Juli 2023, vgl. Anhörungsschreiben im zugrundeliegenden Vergabeverfahren vom 21. August, bereits erstinstanzlich vorgelegt als Anlage ASt. 1) und selbst der maximale Ausschlusszeitraum bei fakultativen Ausschlussgründen von drei Jahren (§ 126 Nr. 2 GWB) zu zwei Dritteln abgelaufen sei.
Es sei nicht zu erkennen, dass die Auswirkungen des Ausschlusses für das Unternehmen des Antragstellers in die Abwägung einbezogen worden wären. Da der Beschwerdeführer das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe, habe er gute Aussichten, den Auftrag zu erhalten, wenn er nicht vom Vergabeverfahren und der Wertung ausgeschlossen werde.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer beantragt, soweit für die Beschwerdeentscheidung noch von Bedeutung:
1. Der Beschluss der Vergabekammer des Freistaates Thüringen - Az. _- vom _ wird aufgehoben.
2. Dem Antragsgegner wird untersagt, das Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung abzuschließen.
3. Dem Antragsgegner wird bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht aufgegeben, die Angebotswertung unter Berücksichtigung des Angebotes des Antragstellers nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Vergabesenats fortzuführen.
4. Hilfsweise: Der Senat wirkt unabhängig auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hin (vgl. § 168 Abs. 1 S. 2 GWB).
5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Antragsteller im Nachprüfungsverfahren wird für notwendig erklärt.
6. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsstellers zu tragen.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner beantragt,
1. die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen,
2. dem Antragsteller die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Der AG trägt vor:
Die zulässige Beschwerde sei unbegründet. Der zugrundeliegende Beschluss der Vergabekammer vom 25.06.2024 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner habe das ihm obliegende Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt und den Antragsteller gem. § 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen. Durch den Antragsteller durchgeführte Selbstreinigungsmaßnahmen seien durch diesen nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgetragen und nachgewiesen worden.
Bei dem manipulierten Bescheid im Parallelverfahren ("Winterdienst und Störungsbeseitigung auf Bundes- und Landesstraßen 20_-20_ im Landkreis I_") handele es sich eindeutig um einen Nachweis zur Bestätigung der im Verfahren geforderten Eignung. Der Verfügbarkeitsnachweis über die Mindestsolelagerkapazität sei in der Bekanntmachung unter dem Punkt 111.1.3 "zusätzliche, auftragsbezogene Eignungsanforderungen" ordnungsgemäß veröffentlicht und somit wirksam gefordert worden. Die Manipulationen an dem aIs Eignungsnachweis vorgelegten Bescheid der Stadt S_ vom _ stellten auch eine schwerwiegende Täuschung im Sinne der Norm dar. Es seien an mehreren Stellen Änderungen vorgenommen worden. Die betroffenen Passagen fänden sich teilweise innerhalb eines Textabsatzes; es sei versucht worden, die Änderungen so einzufügen, dass diese bei einer augenscheinlichen Prüfung Ieicht zu übersehen seien. Damit scheide Fahrlässigkeit aus. Die Umsetzung der Änderung habe nur in vollem Bewusstsein über eine vorsätzliche Manipulation erfolgen können. Ziel der Änderung sei eindeutig gewesen, den Nachweis über die Erfüllung des Eignungskriteriums der Mindestsolelagerkapazität zu erbringen. Dies sei ein erheblicher Eingriff in das Vergabeverfahren, welcher mit den Grundsätzen Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit nicht in Einklang zu bringen sei. Gemäß dem Vortrag des Antragstellers sei die Täuschungshandlung durch eine Iangjährige Mitarbeiterin vorgenommen worden. Dies sei dem Antragsteller gem. § 278 BGB zuzurechnen.
Die schwerwiegende Täuschung könne auch in dem vorliegenden Verfahren Berücksichtigung finden. Der Tatbestand müsse nach dem Wortlaut der Norm nicht im konkreten Vergabeverfahren erfüllt worden sein. Insgesamt sollten die Regelungen in den §§ 123 und 124 GWB sicherstellen, dass nur solche Unternehmen den Zuschlag erhielten, die Recht und Gesetz in der Vergangenheit eingehalten hätten und bei denen gesetzestreues Verhalten auch in Zukunft zu erwarten sei. Es sei darauf abzustellen, dass und inwieweit die Täuschungshandlung eine negative Prognose in Bezug auf das fragliche Unternehmen bezüglich des Iaufenden Vergabeverfahrens trage. Das hier gegenständliche Vergabeverfahren im U_ (Tag der Absendung der Bekanntmachung: _) sowie das parallele Vergabeverfahren im I_ (Tag der Absendung der Bekanntmachung: _), aus dem der Täuschungstatbestand übertragen worden sei, fielen zeitlich nicht auseinander. Gleichermaßen treffe dies auf das Vergabeverfahren im Landkreis G_ (Tag der Absendung der Bekanntmachung _) zu, in dem ebenfalls der veränderte Bescheid der Stadt S_ aIs Nachweis der Eignung herangezogen worden sei. Leistungsbeginn sei jeweils der _ gewesen. Dass das Fehlverhalten die Zuverlässigkeit des Antragstellers eindeutig in Frage stelle, werde durch den tatsächlich nachgelagerten Tatzeitpunkt (Abgabe der Eignungsnachweise mit dem Angebot im Vergabeverfahren Auftragsbekanntmachung zum Verfahren "Winterdienst und Störungsbeseitigung 20_-20_ auf Bundes- und Landesstraßen im I_" am _und damit 11 Tage nach Angebotsabgabe in dem vorstehend streitigen Verfahren) bestätigt. Der Antragsteller verfüge gemäß dem tatsächlichen 1. Änderungsbescheid der Stadt S_ vom _ über eine genehmigte Anlage mit einem Lagervolumen für Salzlauge von 100 m3, die gemäß besagter Matrix mit Gefährdungsstufe A deklariert worden sei. Eine Erhöhung des Lagervolumens auf 500 m3 führe zwangsläufig zu einer neuen Gefährdungseinstufung, die im vorliegenden Fall die Stufe B ergebe.
Gemäß § 41 AwSV verliere bspw. mit dem Wechsel der Gefährdungsstufe zu B die Anwendung des Ausnahmetatbestandes nach Absatz 2 Nummer 1 seine Wirkung, was im Ergebnis eine Eignungsfeststellung der Anlage nach § 63 Absatz 1 Wasserhaushaltsgesetz nach sich ziehe. Dies bedeute, dass der Antragsteller im vorliegenden Fall mit dieser Täuschung einen Wettbewerbsvorteil erlange, indem er einen finanziellen Vorteil aus den nicht vollzogenen, jedoch rechtlich erforderlichen Auflagen ziehe und ebenso Umweltschutz- und Sicherheitsaspekte missachte oder diese gefährde. Hier sei ebenso die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Antragsteller eine Kapazitätserhöhung ohne BeteiIigung der zuständigen Behörde vornehme.
Der Antragsgegner habe das ihm obliegende Ermessen im Rahmen der Entscheidung über den Ausschluss des Antragstellers fehlerfrei ausgeübt. Die Vergabestelle habe die ergriffenen Maßnahmen unter Berücksichtigung der Schwere sowie der besonderen Umstände der Straftat oder des Fehlverhaltens zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Schwere müsse das Vorliegen einer Straftat ebenso herangezogen werden, wie das Umgehen von Sicherheits- und Umweltschutzaspekten nach der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) und des daraus resultierenden Wettbewerbsvorteils.
Die durch den Antragsteller vorgetragenen Maßnahmen zur Selbstreinigung seien erst nach Ablauf der durch den Antragsgegner gesetzten Frist und auch erst nach erfolgtem Ausschluss bekannt geworden und hätten daher keine Berücksichtigung finden können. Die Bieter bestätigten bereits mit Abgabe ihres Angebots ihre wirtschaftliche Integrität, sodass auch mögliche Maßnahmen der Selbstreinigung jedenfalls zu diesem Zeitpunkt bereits ergriffen oder abgeschlossen sein müssten. Da alle Bieter bereits mit Angebotsabgabe wahrheitsgemäße Angaben über das Vorliegen von Ausschlussgründen machen müssten, stelle bereits das Verschweigen eines selbst erkannten aber noch nicht sanktionierten Ausschlussgrundes eine zum Ausschluss berechtigende Verfehlung dar. Eine Berücksichtigung solcher Maßnahmen nach bereits getroffener Ausschlussentscheidung würde den Bietern einen Gestaltungsspielraum über den Verlauf des weiteren Verfahrens eröffnen, der mit den Grundsätzen der Transparenz, der Verhältnismäßigkeit und des Wettbewerbs nicht in Einklang zu bringen sei. Durch die Berücksichtigung später eintretender Umstände hätte es der Bieter in den Händen, über entsprechende Rügen und Nachprüfungsverfahren das Vergabeverfahren so weit zu verzögern, bis er die Voraussetzungen der Selbstreinigung erfüllt. Zur Frage, ob der Ausschluss nach Eingang der verspäteten Unterlagen zurückzunehmen gewesen sei, werde Bezug auf § 57 Abs. 1 VgV genommen. Die Belege zur vorgenommenen Selbstreinigung seien erforderlich, um die Eignung im Rahmen der Angebotsprüfung beurteilen zu können. Bereits in den veröffentlichten Vergabeunterlagen sei aufgeführt, dass Nachweise hinsichtlich einer eventuell durchgeführten Selbstreinigung auf Verlangen der Vergabestelle des Antragsgegners vorzulegen seien. Eine weitere Nachforderung sei nicht möglich gewesen. Insofern handele es sich hier auch tatsächlich nicht um nachgeforderte, sondern um geforderte Unterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 VgV.
Der Vortrag des Antragstellers, die vorgetragenen Selbstreinigungsmaßnahmen seien nicht erst im Nachprüfungsverfahren, sondern bereits zur Zeit der Anhörung ergriffen worden, begegne hier zudem eindeutigen Zweifeln.
In anderen, späteren Vergabeverfahren habe die durchgeführte Selbstreinigung Berücksichtigung finden müssen, mit der Folge, dass der Antragsteller in anderen Vergabeverfahren wieder an den Wettbewerben beteiligt worden sei. Zudem verkenne der Antragsteller, dass es sich um verschiedene Sachverhalte handele. Im Falle von Vergabeverfahren für Störungsbeseitigung (vom Antragsteller benannt), Reinigung, Sofortreparatur usw. erfolgten seitens des Antragsgegners konkrete Teilbeauftragungen anhand der im Leistungsverzeichnis hinterlegten und vom Auftragnehmer bepreisten Leistungspositionen mit konkreten Mengenangaben mittels eines vorgegebenen Auftragsblattes. Diese würden durch den Auftraggeber mittels Aufmaß nach Leistungserbringung klar kontrollierbar und nachvollziehbar zur Abrechnung gebracht und vergütet. Ein Ausschluss vom Vergabeverfahren wäre im Rahmen der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens für diese Leistungen hinsichtlich Erforderlichkeit und Angemessenheit nicht zu bejahen, da die Überwachungsmöglichkeiten des Auftraggebers einem möglichen Missbrauch des gestörten Vertrauensverhältnisses entgegenstünden. Für die Ausschreibungen im Winterdienst Iiege die Leistungserbringung hinsichtlich Beauftragung und Abrechnung überwiegend in den Händen des Auftragnehmers, der dies nach eigenem Ermessen auf der Basis von Wetterdaten und Vorgaben nach erforderlichem Bedarf erbringe. Ferner gehe dies auf den Fahrer des Winterdienstfahrzeuges über, der im Rahmen einer Kontrollfahrt situationsbedingt festlegen könne, dass ein Streuen oder Räumen erforderlich sei. Der Auftraggeber muss darauf vertrauen, dass der Auftragnehmer im Rahmen einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung darüber entscheide, ob ein Streuen tatsächlich erforderlich sei und dass die im System erfasste Streumenge tatsächlich gestreut worden sei.
Vor diesem Hintergrund sei für eine Winterdienstausschreibung im Rahmen der Ermessensausübung der Ausschluss auf Grund des vorliegenden gestörten Vertrauensverhältnisses ein geeignetes Mittel, nur dadurch könnten insbesondere die vorgenannten vergaberechtlichen Grundsätze eingehalten werden. Es stehe kein anderes, gleich geeignetes Mittel zur Verfügung. Der Ausschluss sei angemessen, da eine Abwägung zwischen den Auswirkungen des Ausschlusses für das Unternehmen und dem Interesse des Auftraggebers an einer vertrauensvollen, gesetzestreuen und eigenverantwortlichen Ausführung der Leistung Winterdienst zu Gunsten der Interessen des öffentlichen Auftraggebers ausfalle.
Mit Beschluss vom 22.07.2024 hat der Senat auf den Antrag des AST vom 04.07.2024 die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den beschwerdegegenständlichen Beschluss der Vergabekammer bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde verlängert.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Da auch der Senat angesichts des Sach- und Streitstandes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, ergeht die Beschwerdeentscheidung im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 175 Abs. 2, 65 Abs. 1 GWB ohne mündliche Verhandlung auf Grund des Sachstands vom 19.09.2024, da die Beteiligten bis zu diesem Zeitpunkt Schriftsätze einreichen konnten.
II.
Die Beschwerde des AST ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der Vergabekammer und zur Aufhebung der Ausschlussentscheidung des Antragsgegners vom 26.09.2023 sowie dazu, den Antragsgegner bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht zu verpflichten, das Vergabeverfahren unter Beteiligung des Antragstellers und unter Berücksichtigung seines Angebots fortzuführen.
1. Die gemäß § 171 Abs. 1 GWB statthafte sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen in zulässiger Weise eingelegt worden, insbesondere nach der am 27.06.2024 erfolgten Zustellung des angefochtenen Beschlusses innerhalb der Beschwerdefrist (§ 172 Abs. 1 GWB) formgerecht am 04.07.2024 bei Gericht eingegangen und begründet worden.
2. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen der Vergabekammer im Beschluss vom 25.06.2024, Ziffer II. 1., denen der Senat beitritt, sowie ergänzend auf die den Beteiligten bekannten Ausführungen des Senats im Beschluss vom 07.05.2024 (Verg 3/24) Bezug genommen.
3. Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Die Entscheidung des AG, den AST gemäß §§ 42 Abs. 1 VgV, 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB von der Teilnahme am Vergabeverfahren und sein Angebot von der Wertung auszuschließen, ist im vorliegenden Falle ermessensfehlerhaft.
a) Nach § 122 Abs. 1 GWB werden öffentliche Aufträge an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach §§ 123 oder 124 GWB ausgeschlossen worden sind. Nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 Var. 1 GWB können öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen in Bezug auf die Ausschlussgründe oder Eignungskriterien eine schwerwiegende Täuschung begangen hat.
b) Der AG ist öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 1 GWB. Der Ausschluss ist - "zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens" - grundsätzlich möglich, denn das Vergabeverfahren dauert noch an, weil der Zuschlag noch nicht erteilt worden ist (J. Ley in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. A., § 124 GWB, Rn. 199). Der Begriff des "Unternehmens" ist im unionsrechtlich vorgegebenen Sinne des "Wirtschaftsteilnehmers" zu interpretieren (J. Ley in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 124 GWB, Rn. 14), den der AST als natürliche Person durch seine Teilnahme am Wirtschaftsgeschehen erfüllt.
c) Der Begriff der Täuschung ist zu verstehen als die Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums durch Vorspiegelung falscher oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen. Ob eine Täuschung als schwerwiegend anzusehen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls; der Vergabestelle steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu (J. Ley in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 124 GWB, Rn. 13; 169, 171). Insbesondere bei der "schwerwiegenden Täuschung" des öffentlichen Auftraggebers in Var. 1 handelt es sich zudem um einen gewichtigen Verstoß, dessen Vorliegen Rückschlüsse auf die Integrität des Unternehmens über das einzelne Vergabeverfahren hinaus zulässt (BeckOK VergabeR/Friton, 32. Ed. 1.5.2023, GWB § 124 Rn. 73). Ein Ausschluss nach dieser Vorschrift kommt nur in Betracht, wenn sich die Täuschung oder die Zurückhaltung von Auskünften bzw. die nicht übermittelbaren Nachweise auf die Ausschlussgründe nach §§ 123, 124 GWB oder die Eignungskriterien nach § 122 GWB beziehen. Anderweitige Täuschungen, Auskunftsdefizite oder Unterlagen werden hiervon nicht erfasst (Ziekow/Völlink/Stolz, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, GWB § 124 Rn. 42).
aa) Umstritten ist, ob, weil es sich um eine schwerwiegende Täuschung handeln muss, in der Regel ein vorsätzliches Verhalten erforderlich ist (vgl. Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, PK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 124 GWB (Stand: 13.02.2023), Rn. 158; Ziekow/Völlink/Stolz, aaO, GWB § 124 Rn. 43), oder Fahrlässigkeit einer gewissen Schwere genügt (BeckOK VergabeR/Friton, 32. Ed. 1.5.2023, GWB § 124 Rn. 74).
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen der Vergabekammer erfolgte durch eine damalige Angestellte des AST im Vergabeverfahren "Winterdienst und Störungsbeseitigung auf Bundes - und Landesstraßen 20_ - 20_ im Landkreis I_" eine vorsätzliche Täuschung, die sich auf ein in jenem Verfahren abgerufenes Eignungskriterium bezog, nämlich den Nachweis einer Mindestsolelagerkapazität von 500 m3. Die in dem angefochtenen Beschluss konkret beschriebene Art und Weise der Manipulation des in jenem Verfahren zum Eignungsnachweis vorgelegten Bescheides der unteren Naturschutzbehörde (vgl. Ziffer II. 2. a), Seite 13, 14) tragen insoweit den Schluss auf das vorsätzliche Handeln der Angestellten und auf das schwerwiegende Gewicht der Täuschungshandlung.
bb) Umstritten ist weiter, ob der Ausschlussgrund nur dann Anwendung findet, wenn die Täuschung im laufenden Vergabeverfahren begangen wurde, oder ob dem Unternehmen entsprechende Pflichtenverstöße aus früheren oder "überholenden" später begonnenen (vgl. die generelle Bezugnahme auf "andere" Vergabeverfahren bei Burgi/Dreher/Opitz/Opitz, 4. Aufl. 2022, GWB § 124 Rn. 106) Verfahren entgegenhalten werden können.
Nach einer Auffassung spricht für letzteres Verständnis der Wortlaut der Norm, der, im Gegensatz zu den Abs. 1 Nrn. 5 und 6, nicht auf "das" Vergabeverfahren hinweist (BeckOK VergabeR/Friton, 32. Ed. 1.5.2023, GWB § 124 Rn. 73; Ziekow/Völlink/Stolz, 5. Aufl. 2024, GWB § 124 Rn. 46; Kaufmann, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Auflage 2019, § 124 GWB Rn. 86). Nach anderer Auffassung kommt 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB als Ausschlussgrund nur zur Anwendung bei Falschangaben bzw. unvollständigen Angaben im laufenden Vergabeverfahren, nicht hingegen bei Falschangaben bzw. unvollständigen Angaben aus vorangegangenen Vergabeverfahren desselben Auftraggebers oder anderer öffentlicher Auftraggeber, wohingegen eine schwerwiegende Täuschung des öffentlichen Auftraggebers in einem früheren Vergabeverfahren unter dem Gesichtspunkt der nachweislich schweren Verfehlung in späteren Vergabeverfahren Berücksichtigung finden und einen fakultativen Ausschlussgrund darstellen kann (J. Ley in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 124 GWB, Rn. 167; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, PK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 124 GWB (Stand: 13.02.2023), Rn. 152).
Die Regelungen in den §§ 123 und 124 GWB sollen sicherstellen, dass nur solche Unternehmen den Zuschlag erhalten, die Recht und Gesetz in der Vergangenheit eingehalten haben und bei denen gesetzestreues Verhalten auch in Zukunft zu erwarten ist (J. Ley in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 124 GWB, Rn. 2). Soweit es um ein schwerwiegendes berufliches Fehlverhalten geht, das die Integrität des Unternehmens in Frage stellt, ist auf der Grundlage einer Prognose zu entscheiden, ob das Fehlverhalten die erforderliche Zuverlässigkeit des Unternehmens in Frage stellt (vgl. BT-Drs. 18/6281, Seite 107).
(1) Auf Grundlage der Interpretation, dass sich § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB nur auf Verstöße im laufenden Vergabeverfahren beziehe, fehlt es vorliegend bereits an den tatbestandlichen Grundlagen für einen Ausschluss, so dass dieser bereits deshalb vergaberechtswidrig wäre.
(2) Der Senat neigt jedoch der Gegenauffassung zu, wonach von § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB erfasste Verstöße in früheren Vergabeverfahren Berücksichtigung finden können. Zudem sprechen Sinn und Zweck der Norm dafür, auch nach Beginn des Vergabeverfahrens in anderen Vergabeverfahren erfolgte Verstöße zu berücksichtigen, die vor dem Abschluss des ersteren publik werden. Andernfalls wäre ein öffentlicher Auftraggeber gezwungen, sehenden Auges ein als unzuverlässig erkanntes Unternehmen zu beauftragen und die damit einhergehenden Risiken für die Auftragsdurchführung einzugehen. Gerade hiervor soll § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB aber schützen.
Dies zugrunde gelegt, begegnet die Entscheidung über den Ausschluss des AG unter dem Gesichtspunkt Bedenken, dass der AG dem AST trotz nach Überzeugung des Senats unveränderter Sachlage, was die Frage der Zuverlässigkeit des AST mit Blick auf die Täuschungshandlung angeht, schon am _ für die Reinigung von Bundes- und Landstraßen 20_/20_ im Landkreis H_ und S_, im Landkreis S_ und im Landkreis W_ Zuschläge erteilte (Beschluss Vergabekammer vom _, Seite 9). Der AST trägt zudem unwidersprochen vor, dass in dem Vergabeverfahren "Winterdienst und Störungsbeseitigung 20_-20_ auf Bundes- und Landesstraßen im Landkreis U_, Vergabe-Nr. _" der AG das Angebot des AST vom _ als vollständig, fehlerfrei und zuschlagsfähig bewertet und zudem den AST für die Störungsbeseitigung 20_ in den Landkreisen G_ und I_ zur Angebotsabgabe aufgefordert habe.
Angesichts dieses Verhaltens des AG gegenüber dem AST in weiteren Vergabeverfahren ist der Ausschluss nur in dem hier gegenständlichen Vergabeverfahren willkürlich und damit jedenfalls ermessensfehlerhaft. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass der AST bei gegenständlich vergleichbaren Ausschreibungen mehrfach und mit unterschiedlichem zeitlichem Bezug zur unstreitig erfolgten Täuschungshandlung als zuverlässig und punktuell (hier) als unzuverlässig durch den AG angesehen wurde. Willkürlichem Verhalten der öffentlichen Gewalt steht jedoch das Rechtsstaatsprinzip als eine der zentralen verfassungsrechtlichen Anforderungen entgegen. Dieses erfordert, dass staatliche Entscheidungen uneingeschränkt nachvollziehbar sind. Hieran fehlt es vorliegend. Überdies folgt aus dem ebenfalls verfassungsrechtlich verankerten Gebot der Selbstbindung, dass Verwaltungsbehörden - und damit auch öffentliche Auftraggeber - nicht ohne sachliche Gründe abweichend von früheren Entscheidungen in vergleichbaren Sachlagen entscheiden dürfen. Zwar geht damit kein "Zwang zur gleichartigen Rechtswidrigkeit" einher, so dass eine korrigierende inhaltliche Abweichung von einer als rechtswidrig erkannten früheren bei einer nachfolgenden Entscheidung möglich und in der Sache auch geboten ist. Für eine derartige Situation liegen hier jedoch keine Anhaltspunkte vor. Vielmehr hätte der AG auch noch im vorliegenden Nachprüfungsverfahren Gelegenheit gehabt, seine in anderen Vergabeverfahren manifestierte Überzeugung von der Zuverlässigkeit der AST trotz der vormaligen Täuschungshandlung in dieses Vergabeverfahren zu transferieren.
cc) Nach § 125 Abs. 1 GWB schließen öffentliche Auftraggeber ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund nach § 124 GWB vorliegt, zudem nicht von der Teilnahme am Vergabeverfahren aus, wenn das Unternehmen dem öffentlichen Auftraggeber bestimmte Maßnahmen der Selbstreinigung nachgewiesen hat.
(1) Unter Selbstreinigung im Sinne von § 125 GWB sind Maßnahmen zu verstehen, die ein Unternehmen ergreift, um seine Integrität wiederherzustellen und eine Begehung von Straftaten oder schweres Fehlverhalten in der Zukunft zu verhindern. Ziel der Selbstreinigung ist die Wiederherstellung der Zuverlässigkeit eines Unternehmens. § 125 GWB ist im Lichte des europarechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips und des auf nationaler Ebene nunmehr auch vergaberechtlich in § 97 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GWB ausdrücklich verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu sehen. Der Ausschluss eines Unternehmens, das ausreichende Maßnahmen zur Selbstreinigung getroffen und damit seine Integrität wieder hergestellt hat, trägt nicht dazu bei, die Funktionsfähigkeit der Verwaltung und der öffentlichen Haushalte sowie den fairen Wettbewerb zu schützen oder Wirtschaftskriminalität zu bekämpfen. Der Ausschluss eines solchen Unternehmens wäre mit Blick auf die Zielsetzungen der Ausschlussgründe ungeeignet und daher unverhältnismäßig. Wirksame Selbstreinigungsmaßnahmen eines Unternehmens sind aus diesem Grund zwingend vom Auftraggeber zu berücksichtigen (J. Ley in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 125 GWB, Rn. 1, 9 m.w.N.).
(2) Der AST hat zwar nicht innerhalb der durch den AG gesetzten Anhörungsfrist, aber im Rügeschreiben vom 28.09.2023 und im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens Maßnahmen der Selbstreinigung vorgetragen, die keinen Eingang in die Ermessensausübung fanden, weil sich AG und Vergabekammer auf den Standpunkt gestellt haben, dass nur solche Maßnahmen zu berücksichtigen seien, die rechtzeitig bis zum Beschluss über den Ausschluss dargestellt worden seien.
Es ist streitig, ob Maßnahmen der Selbstreinigung zu berücksichtigen sind, die nach der Entscheidung über den Ausschluss vorgenommen werden. Nach einer Auffassung sind bei der nach § 125 Abs. 2 Satz 1 GWB vorzunehmenden Bewertung einer Selbstreinigungsmaßnahme durch den öffentlichen Auftraggeber alle während des laufenden Vergabeverfahrens und auch des Vergabenachprüfungsverfahrens durchgeführten Selbstreinigungsmaßnahmen zu berücksichtigen (J. Ley in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 124 GWB, Rn. 202). Eine Selbstreinigung kann deshalb auch noch nach dem Zeitpunkt der Eignungsprüfung im Vergabeverfahren zu berücksichtigen sein (J. Ley in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 125 GWB, Rn. 96). Der letztmögliche ausschlaggebende Zeitpunkt für die Prognoseentscheidung der Vergabestelle ist damit die letzte mündliche Verhandlung in einem Nachprüfungsverfahren (OLG München, Beschluss vom 22. November 2012 - Verg 22/12 -). Nach anderer Auffassung können später eintretende Umstände nicht mehr berücksichtigt werden, weil der Bieter es sonst in der Hand hätte, über entsprechende Rügen und Nachprüfungsverfahren das Vergabeverfahren so weit zu verzögern, bis er die Voraussetzungen der Selbstreinigung erfüllt hat (Ziekow/Völlink/Stolz, 5. Aufl. 2024, GWB § 125 Rn. 14).
Im vorliegenden Falle ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach dem unwidersprochenen Vortrag des AST die vorgetragenen Selbstreinigungsmaßnahmen nicht erst im Nachprüfungsverfahren ergriffen wurden, sondern zur Zeit der Anhörung bereits eingeleitet waren und es an ihrer Kommunikation fehlte, die aber im Nachgang erfolgte. Es ist jedoch nicht die Zielrichtung von § 125 GWB, die Zahl der in den Vergabewettbewerb einzubeziehenden Unternehmen zu beschränken; vielmehr dient die Vorschrift gerade dazu, den - nicht als Sanktionsnormen ausgestalteten (Burgi/Dreher/Opitz/Opitz, 4. Aufl. 2022, GWB § 125 Rn. 6) - Ausschlussgründen durch Maßnahmen zur Wiedererlangung der Zuverlässigkeit (MüKoEuWettbR/Jaeger, 4. Aufl. 2022, GWB § 125 Rn. 1 f.) entgegenzuwirken und dadurch neben der Wahrung der Verhältnismäßigkeit (Burgi/Dreher/Opitz/Opitz, 4. Aufl. 2022, GWB § 125 Rn. 4) auch zur Verwirklichung des Wettbewerbsgebots, § 97 Abs. 1 GWB, beizutragen (EuGH, Urt. v. 14.1.2021 - C-387/19, Rn. 29). Grundrechtlich geschützte Positionen des Bieters treten hinzu (vgl. Kaufmann, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Auflage 2019, § 125 GWB Rn 54). Korrespondierend damit ist die Regelung als zwingende Vorschrift ausgestaltet, vermittelt also gerade kein Ermessen (BT-Drs. 18/6281, 107). Zwar ist es dem öffentlichen Auftraggeber - ebenso wie dem nationalen Gesetzgeber - im Hinblick auf die Verfahrenseffizienz unbenommen, einen Zeitpunkt für den Nachweis von Selbstreinigungsmaßnahmen vorzugeben und an dessen Missachtung die Ausschlussfolge zu knüpfen (EuGH, Urt. v. 14.1.2021 - C-387/19, Rn. 27 ff.; siehe auch Ziekow/Völlink/Stolz, 5. Aufl. 2024, GWB § 125 Rn. 15). Letztere kann jedoch nach Sinn und Zweck der Norm dann nicht eintreten, wenn der öffentliche Auftraggeber gleichwohl positive Kenntnis von den Selbstreinigungsmaßnahmen erlangt und dies in zeitlicher Hinsicht derart erfolgt, dass ein ordnungsgemäßer Verfahrensgang nicht in Frage gestellt wird. Das OLG Brandenburg (Beschluss vom 14.12.2007 - Verg W 21/07) hat hierzu (noch auf Grundlage des früheren Rechts) zutreffend ausgeführt:
"Die Eignung der Bieter wird - anders als die Vollständigkeit der Angebote und der geforderten Eignungsnachweise - in Offenen Verfahren nicht bezogen auf den Zeitpunkt der Angebotsabgabe oder den Fristablauf für die Einreichung der Nachweise, sondern bezogen auf den Zeitpunkt der Wertung bzw. des Zuschlags geprüft. Würde man bei der Prüfung auf den Zeitpunkt der Angebotsabgabe allein abstellen, könnte nicht berücksichtigt werden, dass die Eignung zu diesem Zeitpunkt vorliegen, durch die weitere Entwicklung des Vergabeverfahrens jedoch entfallen sein kann. Der Auftraggeber kann jedoch nach dem gesamten Sinn und Zweck des Vergabeverfahrens - nämlich das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln - nicht dazu gezwungen werden, einem bei Angebotsabgabe zunächst geeigneten Bieter einen Auftrag zu erteilen, dessen Eignung und Zuverlässigkeit nach während des Vergabeverfahrens gewonnenen Erkenntnissen im Zeitpunkt der Wertung oder des Zuschlags nicht mehr gegeben ist. Im Umkehrschluss ergibt sich hieraus, dass der Auftraggeber, auch wenn die Eignung im Zeitpunkt der Angebotsabgabe zweifelhaft oder nicht vorhanden ist, bei der Wertung berücksichtigen kann, dass die Eignung durch während des Vergabeverfahrens eingetretene Umstände hergestellt worden ist. Das muss auch dann gelten, wenn die Eignung eines Bieters wie im vorliegenden Fall wegen schwerer Verfehlungen zunächst zweifelhaft, wegen ergriffener 'Selbstreinigungsmaßnahmen' aber als wiederhergestellt angesehen werden muss."
An dieser Einschätzung hat die gesetzliche Auskoppelung der Ausschlussgründe aus der Eignungsprüfung nichts geändert (vgl. auch BeckOK VergabeR/Friton, 33. Ed. 1.8.2023, GWB § 125 Rn. 59 ff.); vielmehr können auch von § 123 f. GWB erfasste Konstellationen während eines laufenden Vergabeverfahrens auftreten und in deren Folge Selbstreinigungsmaßnahmen ergriffen werden. Dementsprechend kann "[d]er Anspruch auf Zulassung oder Wiederzulassung zum Wettbewerb ... - wie die Ausschlussgründe - zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens geltend gemacht werden" (Burgi/Dreher/Opitz/Opitz, 4. Aufl. 2022, GWB § 125 Rn. 10). Die Nichtanerkennung der Selbstreinigungsmaßnahmen durch die AG im vorliegenden Fall wegen des nicht innerhalb der gesetzten Frist erfolgten Nachweises ist unverhältnismäßig und widerspricht der Zielsetzung des § 125 GWB. Dies gilt umso mehr, wenn ein Vergabeverfahren über lange Zeit nicht zum Abschluss gebracht werden kann, was bei ungehindertem Fortgang zum Entfall der Berücksichtigungsfähigkeit der Ausschlussgründe nach § 126 GWB führt. Auch insoweit ist daher ein Ermessensfehler gegeben.
(3) Der AST hat die ergriffenen Maßnahmen der Selbstreinigung im Einzelnen konkret vorgetragen und näher belegt. Der AG hat die Art und die Durchführung der Maßnahmen im vorliegenden Nachprüfungsverfahren inhaltlich auch nicht in Zweifel gezogen. Aus dem Schreiben des AG an die Vergabekammer vom _ ergibt sich vielmehr, dass der AG die Erklärungen und Unterlagen in den anderen genannten Vergabeverfahren für nachvollziehbar und glaubhaft erachtete.
Die Zweifel des AG daran, ob die vom AST vorgetragenen Selbstreinigungsmaßnahmen nicht erst im Nachprüfungsverfahren, sondern bereits zur Zeit der Anhörung ergriffen wurden, teilt der Senat nicht. Die Gründe für die Verspätung der Mitteilung der Selbstreinigungsmaßnahmen hat der AST im Einzelnen konkret dargelegt und mit der Vorlage des Schreibens des Rechtsanwaltes _ vom 18.09.2023 sowie der eingehenden Darlegung der weiteren rechtlichen Bearbeitung durch die im Weiteren beauftragten Verfahrensbevollmächtigten überzeugend untersetzt.
Der AST ermittelte demnach intern die Umstände, die zur Einreichung des verfälschten Bescheides der unteren Naturschutzbehörde der Stadt S_ vom _ im Vergabeverfahren I_ führten und stellte eine Verfehlung einer Mitarbeiterin fest, die das Unternehmen des AST bereits zum _ verließ. Der AST trieb das Vorhaben der Erweiterung der Gesamtlagermenge auf 500 m3 Salzlauge am Standort in S_ voran, wozu Vertreter des AST mit dem von dem AST beauftragten Rechtsanwalt K_ und Vertretern des Umwelt- und Bauaufsichtsamtes am _ an einem Vor-Ort-Termin in der Lagerstätte teilnahmen und Rechtsanwalt K_ im Auftrag des AST mit Schreiben vom _ weitere Unterlagen an die Behörde übersandte. Der AST erließ am 2_ die in Anlage AST 6 zum Nachprüfungsantrag vorgelegte Arbeitsanweisung, die die Bestellung von Vergabeunterlagen und die Abgabe von Angeboten durch geschultes Personal und deren Kontrolle im Vier-Augen-Prinzip sicherstellen soll. Der AST stellte den ermittelten Sachverhalt mit Schreiben vom _ gegenüber dem AG dar.
Zeitlich später - im November _ - nahmen die mit Angebotserstellungen beschäftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des AST an einer von den Rechtsanwälten _ - u.a. Fachanwalt und Fachanwältin im Vergaberecht - durchgeführten Schulung zur Angebotserstellung bei öffentlichen Aufträgen teil. Des Weiteren wurden mit Bescheid der Stadt S_ vom _Anlage AST 15) am Standort S_ fünf Lagerbehälter für Salzlauge mit einer Fassung von insgesamt 425 m3 unter Gefährdungsstufe B genehmigt.
4. Auf die sofortige Beschwerde des AST ist daher die angefochtene Entscheidung der Vergabekammer, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen, aufzuheben und die Ausschlussentscheidung des Antragsgegners vom _ aufzuheben sowie der Antragsgegner bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht zu verpflichten, das Vergabeverfahren unter Beteiligung des Antragstellers und unter Berücksichtigung seines Angebots fortzuführen.
a) Im Rahmen des § 124 GWB kommt dem Auftraggeber bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ein Ermessenspielraum bei der Entscheidung über den Ausschluss des Bieters zu. Der Auftraggeber hat eine Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen, ob von dem Unternehmen trotz des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen eines fakultativen Ausschlussgrundes zu erwarten ist, dass es den öffentlichen Auftrag gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführt. Dabei ist insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (Ziekow/Völlink/Stolz, 5. Aufl. 2024, GWB § 124 Rn. 2, beck-online). Auch bei der Bewertung und Entscheidung über die Selbstreinigung (§ 125 GWB) ist eine Prognose erforderlich.
Der öffentliche Auftraggeber hat einen Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob die Selbstreinigungsmaßnahmen des Unternehmens ausreichend sind. Dem Auftraggeber kommt auch bei dieser Prognose ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (Burgi/Dreher/Opitz/Opitz, 4. Aufl. 2022, GWB § 125 Rn. 10, 38, beck-online). Es richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere auch nach dem in Frage stehenden Ausschlussgrund, ob die ergriffenen Selbstreinigungsmaßnahmen als ausreichend angesehen werden können, um die Integrität des Unternehmens wiederherzustellen und ausreichende Garantien zu bieten, dass von ihm in Zukunft höchstwahrscheinlich keine Gefahr der Begehung von Straftaten oder eines Fehlverhaltens mehr ausgeht (Ziekow/Völlink/Stolz, 5. Aufl. 2024, GWB § 125 Rn. 16, beck-online).
b) Angesichts der - zu berücksichtigenden, s.o. - Selbstreinigungsmaßnahmen und angesichts dessen, dass auch der AG den AST in den obengenannten weiteren Vergabeverfahren bei gleich gelagertem Sachverhalt unter Berücksichtigung dieser auch im vorliegenden Verfahren vorgetragenen Selbstreinigungsmaßnahmen als geeignet und zuverlässig einschätzte, ist auch im vorliegenden Verfahren nur diese Entscheidung ermessensfehlerfrei und geboten.
5. Da der Antragsgegner im vorliegenden Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer wie auch im Beschwerdeverfahren unterliegt, entspricht es der Billigkeit, ihm die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer wie auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Ersatzes der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen des Antragstellers aufzuerlegen, §§ 182 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 GWB bzw. § 175 Abs. 2, 71 Satz 1 GWB.
Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren vor der Vergabekammer war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB für notwendig zu erklären, da im vorliegenden Fall zu den auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen weitere Rechtsprobleme des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens hinzu kamen, wie die rechtliche Problematik der Willkürfreiheit und Gleichbehandlung im Rahmen der Ermessensausübung und der Berücksichtigung von Selbstreinigungsmaßnahmen (vgl. Beckscher Vergaberechtskommentar - Krohn, 4. Aufl. 2022, GWB § 182 Rn. 64). Es ist nicht erforderlich, dass für das Beschwerdeverfahren gesondert die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts festgestellt wird, da § 80 Abs. 2 VwVfG über § 182 Abs. 4 S. 2 GWB nur für das Verfahren vor der Vergabekammer gilt (Beckscher Vergaberechtskommentar - Willner, 4. Aufl. 2022, GWB § 175 Rn. 14).
6. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Wie die Vergabekammer festgestellt hat (vgl. Seite 13 des angefochtenen Beschlusses), hat das - maßgebliche (Willenbruch - Schneevogl, Vergaberecht, 5. A., § 182 GWB, Rn. 96) - Angebot des Beschwerdeführers einen Bruttoauftragswert von 8.927.260,05 Euro.
Darf ein Bieter einen fremden E-Mail-Account nutzen?
Darf ein Bieter einen fremden E-Mail-Account nutzen?
Melden Sie sich jetzt an unter www.vpr-online.de, um sämtliche Entscheidungen im Volltext lesen zu können.
vpr-online ist DIE Datenbank für öffentliche Auftraggeber und Bieter sowie für alle Berater auf den Gebieten des Vergaberechts.
Mit vpr-online haben Sie außerdem jederzeit und überall Zugriff auf über 5.800 VPR-Beiträge nach dem 1-Seiten-Prinzip, über 12.016 Entscheidungen im Volltext, Arbeitshilfen, Materialien und vieles mehr.
VK Bund
Beschluss
vom 06.11.2024
VK 2-87/24
1. Ungenaue Angaben im Angebot des Bieters stellen eine Abweichung von Vergabeunterlagen dar und führen jedenfalls dann zum Angebotsausschluss, wenn es sich um individuelle Formulierungen des Bieters handelt und nicht um dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen (Anschluss an OLG Düsseldorf, IBR 2020, 255).
2. Ein Bieter kann sein Angebot auch von einem anderen als seinem eigenen E-Mail-Account hochladen und den Nutzer dieses Accounts als Boten einsetzen. Etwas anderes gilt, wenn die Bieter nach den Vergabeunterlagen dazu verpflichtet sind, einen eigenen E-Mail-Account zu nutzen.
In dem Nachprüfungsverfahren
(...)
wegen der Vergabe "Wachschutz und Sicherheitsdienstleistungen ..."
hat die 2. Vergabekammer des Bundes durch [...] auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2024 am 6. November 2024
beschlossen:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) und die dem Antragsgegner zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Aufwendungen.
3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners war nicht notwendig.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner (Ag) schrieb mit gemeinschaftsweiter Bekanntmachung vom ... die Vergabe "Wachschutz und Sicherheitsdienstleistungen ... nicht offenen Verfahrens mit Teilnahmewettbewerb aus. Streitgegenständlich ist Los 1, das die Dienstleistungen für .... Als Vertragsbeginn ist der 1. März 2025, als Vertragsende der 28. Februar 2029 vorgesehen; der Ag kann allerdings den Vertrag vier Mal um jeweils ein weiteres Jahr verlängern, so dass dieser spätestens zum 28. Februar 2033 enden wird.
Ausweislich der Leistungsbeschreibung (LB, Seite 6 und 14) gilt die Störfall-Verordnung (12. BlmSchV) in ausgewiesenen Bereichen.
Die Wach- und Sicherheitsdienstleistungen beinhalten Verschlusssachen nach S 4 SÜG, weshalb eine erfolgreich absolvierte Sicherheitsüberprüfung (Ü2) der eingesetzten Sicherheitsmitarbeiter nach S 9 SÜG erforderlich ist. Die Anforderungen an die auszuübenden Tätigkeiten werden in der LB detailliert beschrieben. Hervorzuheben sind:
"4. Allgemeine Leistungsanforderung
4.4 Dienstplan, Urlaubs- und Krankheitsvertretung
Über die Dienstplanung gewährleistet der AN die Personalverfügbarkeit. Der AN gewährleistet die Bewachung des Vertragsobjekts auch bei Ausfällen durch Krankheit, Urlaub und sonstiger Abwesenheit. Das eingesetzte Ersatzpersonal muss AG-seitig freigegeben werden und eine aktuelle Objekteinweisung vorweisen können ...
4.5.3 Einzusetzendes Personal
Das einzusetzende Personal muss bis 2 Wochen (14 Tage) vor Auftragsbeginn, wie auch Einsatzbeginn, dem AG persönlich vorgestellt werden. ... ... Die erforderlichen Befähigungsnachweise aller im Objekt eingesetzten SicherheitSkräfte sind dem AG spätestens vor Dienstantritt unaufgefordert vorzulegen.
4.5.4 Ein- und Unterweisung und Verfall der Einweisung
Der AN stellt sicher, dass die zum Einsatz kommenden Mitarbeiter auf dem aktuellen Wissensstand sind.
4.5.5 Einweisungsprotokoll. und Konzept
Für jeden Standort, Gebäude oder Dienststelle ist der AN verpflichtet, ein Einweisungsprotokoll zu erstellen und mit dem AG abzustimmen. Der AN ist anschließend verpflichtet, anhand dieses Einweisungsprotokolls die Einweisung / Einarbeitung durchzuführen und entsprechend aktuell zu halten. Das Einweisungsprotokoll ist vor Mitarbeitereinsatz des AN dem AG vorzulegen.
4.7. Bekleidung, Büromaterial Technik und Ausrüstung
Dienstkleidung ist gemäß [...] Vorgaben einheitlich zu tragen ...
4.7.2 Vorstellung der Arbeitsbekleidung Sicherheitskräfte
AN und AG einigen sich auf ein einheitliches Auftreten ... Die Einsatzkleidung ist dem AG 14 Tage vor Auftragsbeginn vorzustellen.
4.7.3 Vorstellung der Arbeitsbekleidung Empfang
Die Einsatzkleidung ist dem AG 14 Tage vor Auftragsbeginn vorzustellen."
Der Ag wickelte das Vergabeverfahren elektronisch über die e-Vergabe-Lösung ###. Für die Registrierung auf der Plattform wird ein gültiger E-Mail-Account benötigt. Im Zuge der Registrierung erhält der Nutzer eine sog. ###, unter der er Bieterfragen stellen, den Teilnahmeantrag sowie das Angebot nebst Anlagen elektronisch hochladen kann.
Die Teilnahmeanträge waren von den Bewerbern bis zum 3. Juni 2024 elektronisch einzureichen. Den Teilnahmeanträgen waren u.a. ein Unternehmensprofil unter Nutzung eines Formblatts sowie alle geforderten Eignungsnachweise beizufügen. Beabsichtigte ein Bewerber, Teile der Leistung im Wege der Unterauftragsvergabe von Dritten durchführen zu lassen, war mit dem Teilnahmeantrag anzugeben, ob und, wenn ja, welche Leistungen als Unterauftrag vergeben werden sollen. Die vorgesehenen Unterauftragnehmer sollten, soweit möglich, im Formblatt benannt werden (Bewerbungsbedingungen Seite 9).
Die Antragstellerin (ASt) ist Anbieterin von Wach- und Sicherheitsdienstleistungen. Aktuell erbringt sie die streitgegenständlichen Dienstleistungen für den Ag ....
Die ASt, die Beigeladene (Bg) und weitere Bewerber beteiligten sich an dem Teilnahmewettbewerb.
Die ASt machte im Formblatt "Erklärung Unterauftragnehmer Eignungsleihe" die Angabe: ""Entfällt."
Die Bg reichte den Teilnahmeantrag nicht über einen eigenen E-Mail-Account ein, sondern über den E-Mail-Account eines konzernverbundenen Unternehmens, der ###. Nach Auskunft des Ag im Schriftsatz vom 9. Oktober 2024 (vgl. dort Seite 4) ist die für die elektronische Vergabeplattform registriert und im Vergabeverfahren als Botin für die Bg tätig geworden.
Nach durchgeführtem Teilnahmewettbewerb forderte der Ag die erfolgreichen Bewerber zur Angebotsabgabe bis zum 22. Juli 2024 auf. Dem kamen die ASt und die Bg fristgerecht nach. Für die Bg reichte das Angebot erneut über ihren E-Mail-Account ein.
Zuschlagskriterien waren der Preis und die Qualität mit einer Gewichtung von jeweils 50 %. Die Qualität der Leistungserbringung wurde lt. Bewerbungsbedingungen (Seite 16 bis 19) ermittelt, indem die Bieter ihr eigenes Konzept für die Wach- und Sicherheitsdienstleistungen anhand eines zu beantwortenden Fragenkatalogs darlegen sollten. Die qualitative Wertung erfolgte anhand von fünf Qualitätskriterien (Q 1 bis Q 5) mit teils mehreren Unterkriterien (OK). Die Gewichtung der Qualitätskriterien, die maximal erreichbare Punktzahl mit den möglichen Erfüllungsgraden konnten die Bieter den Vergabeunterlagen entnehmen. Die Erfüllungsgrade waren in insgesamt sechs Abstufungen unterteilt, (0 %, 20 %, 40 %, 60 %, 80 % und 100 %), mit 0 0/0Gls dem schlechtesten und 100 % als dem maximal erreichbaren Erfüllungsgrad.
Die Antworten auf den Fragenkatalog werden zum Bestandteil des mit dem Ag abzuschließenden Vertrags.
Die Angriffe der ASt richteten sich zunächst gegen alle UK, bei denen die ASt nach der vorliegenden Angebotswertung jeweils nicht die volle Punktzahl erhalten hat, das waren:
"Q/UK: Fragen an die Anbieter:
1. Wie stellen Sie sicher, dass Ihr Personal die Dienstanweisungen und Aktualisierungen zur Kenntnis nimmt, versteht und umsetzt? (Gesamt 90 Punkte)
1.1 ...
1.2 Wege und Verfahren über die Abfrage des Wissensstandes (40 Punkte)
3. Welche Maßnahmen können/werden umgesetzt, um Persona/ausfälle Ihrerseits ad hoc kompensieren zu können (Gesamt 60 Punkte)
3.1 Beschreibung der lokalen/regionalen Ressourcen, die in einem solchen Fall verfügbar sind (30 Punkte)
3.2 Darlegung der innerbetrieblichen Prozesse/Verfahrensweisen (30 Punkte)
4. Beschreiben Sie alle Prozesse beim Wechsel des Auftragnehmers für Sicherheitsleistungen vor Auftragsbeginn (Gesamt 200 Punkte).
4.1 Zeitlicher Ablauf, Meilensteine nebst Ressourcenbedarf und zu erwartender Stundenaufwand (110 Punkte)
4.2 ...
4.3 Wege und Verfahren zur Mitarbeitergewinnung /-qualifizierung (50 Punkte)"
Mit Bieterfrage vom 20. Juni 2024 wollte ein Bieter wissen:
"Müssen die Unterschiede der einzelnen Fragestellungen (z.B. UK 1 1 und UK 1.2) jeweils in separaten Texten nacheinander beantwortet werden, oder kann im Sinne einer besseren Übersicht und eines flüssigeren Leseflusses ein zusammenhängender Text für z.B. QI erstellt werden, der die Unterpunkte vollständig beantwortet?"
Hierauf antwortete der Ag am selben Tag wie folgt:
"Dies obliegt dem jeweiligen Bieter."
Der Ag führte die Angebotsbewertung durch und hielt für jeden Bieter und jedes Wertungskriterium stichpunktartig fest, was die Gründe für die jeweilige Bewertung, insbesondere bei nicht vollständiger prozentualer Erfüllung des Erwartungshorizonts, waren. Nach der Angebotswertung liegt das Angebot der ASt auf Rang ###.
Mit Informationsschreiben (§ 134 GWB) vom 4. September 2024, nach den unbestritten gebliebenen Angaben der ASt auf der elektronischen Plattform des Ag am 12. September 2024 eingestellt, informierte der Ag die ASt über seine Absicht, den Zuschlag auf das Angebot des Bieters ### zu erteilen. Bei dem preislichen Kriterium liege das Angebot der ASt "im guten Mittelfeld aller abgegebenen Angebote", bei dem qualitativen Kriterium "unterhalb des Durchschnitts aller abgegebehen Angebote". Bei den qualitätsbezogenen UK 1.2, 3.1, 3.2. 4.1 und 4.3 habe das Angebot jeweils nicht die volle Punktzahl erhalten.
Hiergegen wandte die ASt sich mit Rügeschreiben vom 17. September 2024. Sie machte geltend, die Wertung des qualitativen Zuschlagskriteriums sei fehlerbehaftet.
Während des anhängigen Nachprüfungsverfahrens, mit Vorabinformationsschreiben vom 7. Oktober 2024, korrigierte der Ag das ursprüngliche Informationsschreiben dahingehend, dass der Zuschlag nicht auf das Angebot der sondern auf das Angebot der Bg erteilt werden soll. Die Frist des § 134 Abs. 2 GWB werde neu in Lauf gesetzt, der Zuschlag nicht vor dem 18. Oktober 2024 erteilt (vgl. Schriftsatz des Ag vom 9. Oktober 2024, Anlage AG1).
Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2024 erklärte der Ag sodann den Ausschluss des Angebots der ASt gem. § 31 Abs. 2 Nr. 4 VSVgV, da mit dem Angebot Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden seien. Diese beträfen das UK 4.1 (Zeitlicher Ablauf, Meilensteine). Dem Konzept sei nicht zu entnehmen, dass die ASt bis zum Vertragsbeginn am 1. März 2025 alle nach den Vergabeunterlagen erforderlichen vorbereitenden Arbeiten abgeschlossen haben werde.
Mit Schreiben vom 21. Oktober 2024 gab die Vergabekammer einen rechtlichen Hinweis mit Stellungnahmemöglichkeit dahin, dass sie das Angebot der ASt wegen Abweichens von den Vergabeunterlagen für ausschlussbedürftig halte.
Die ASt rügte den Ausschluss mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2024.
2. Mit einem bei der Vergabekammer des Bundes am 19. September 2024 eingegangenen Schriftsatz stellte die ASt einen Nachprüfungsantrag, den die Vergabekammer dem Ag noch am selben Tag übermittelte.
a) aa) Die ASt machte zunächst geltend, die Antragsbefugnis sei gegeben, ungeachtet der nachrangigen Platzierung. Ihr Nachprüfungsantrag richte sich gegen die Angebotswertung. Indem sie Fehler in der Wertung geltend mache, sei nicht auszuschließen, dass im Falle einer von der Vergabekammer angeordneten erneuten Wertung eine Rangänderung zu ihren Gunsten erfolgen werde.
Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet, weil das Vergabeverfahren an erheblichen Verfahrensmängeln leide.
Das Informationsschreiben (§ 134 GWB) vom 4. September 2024 sei fehlerhaft. Als Zuschlagsprätendentin werde die ### benannt. Abweichend hiervon habe die Vergabekammer die Bg zum Nachprüfungsverfahren beigeladen. Nicht auszuschließen sei, dass im Vergabeverfahren eine unzulässige Änderung der Bieteridentität erfolgt sei. Zudem gehe aus dem Informationsschreiben der früheste Zeitpunkt für den Zuschlag nicht eindeutig hervor.
Außerdem beanstandete die ASt die Dokumentation des Vergabeverfahrens als offensichtlich unzureichend und fehlerhaft (S 43 VSVgV).
Die ASt meinte, die Wertung des qualitativen Zuschlagskriteriums sei wegen Verletzung des Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatzes fehlerhaft. Zu den einzelnen UK der qualitätsbezogenen Wertung führte die ASt aus:
UK 1.2 (Wege und Verfahren über die Abfrage des Wissensstandes)
(...)
UK 3.1 (Beschreibung der lokalen/regionalen Ressourcen)
Entgegen der Annahme des Ag habe sie in ihrem Konzept auf mehreren Seiten ausführlich dargestellt, wie in dem Fall einer gesundheitlichen Notlage einer Sicherheitskraft im Alleinarbeitsplatz eine Kompensation ad hoc erfolgen solle.
(...)
UK 3.2 (Darlegung der innerbetrieblichen Prozesse/Verfahrensweisen)
(...)
UK 4.1 (Zeitlicher Ablauf, Meilensteine nebst Ressourcenbedarf, Stundenaufwand)
Die ASt sei die aktuelle Bestandsdienstleisterin am Standort des Ag. Daher seien Ausstattung und Mitarbeiterstamm zum Zeitpunkt des Vertragsbeginns bereits in erheblichem Umfang vorhanden, weshalb die Vorbereitungen für einen reibungsarmen Auftragsstart bereits zu ca. ### % abgeschlossen sein könnten.
(...)
Der Einwand des Ag, ...
UK 4.3 (Wege und Verfahren zur Mitarbeitergewinnung/-qualifizierung)
(...)
bb) Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung, mit nachgelassenem Schriftsatz vom 16. Oktober 2024, ergänzte und vertiefte die ASt ihren Vortrag bzgl. des geforderten Ausschlusses des Angebots der Bg. Aufgrund der offensichtlich unterbliebenen Anzeige einer Vollmacht bzw. einer Botenfunktion durch die ### für die Bg sei zu vermuten, dass der Ag dieses Unternehmen und nicht die Bg - nach durchgeführtem Teilnahmeverfahren zur Abgabe eines Angebots aufgefordert habe. Träfe dies zu, hätte die Bg ein Angebot abgegeben, ohne hierzu aufgefordert worden zu sein.
cc) Den nach der mündlichen Verhandlung, mit Schriftsatz vom 18. Oktober2_024 erklärten Ausschluss des Angebots der AST gem. § 31 Abs. 2 Nr. 4 VSVgV aufgrund ihrer Angaben im Konzept zu UK 4.1 (Zeitlicher Ablauf/Meilensteine) erachtet die ASt als diesbezüglichen Ausführungen im Hinweisschreiben der Vergabekammer vom 21. Oktober2024, wonach das Angebot ausschlussbedürftig sei, vermögen der ASt zufolge nicht zu überzeugen. Ergänzend zu trägt die ASt mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2024 Folgendes vor:
Zu UK 4.1 (Zeitlicher Ablauf, Meilensteine)
Nach Ansicht der ASt ist ihr Konzept gem. §§ 133, 157 BGB bzgl. des Kriteriums Q 4 zweifelsfrei dahingehend, dass ### mit dem Auftragsstart am l. März 2025 beginnen werde. Soweit in ihrem Konzept grobe Zeitangaben gemacht worden seien, wie z.B. ### beträfen diese die dem Vertragsbeginn vorgelagerten Tätigkeiten. Das Datum des Vertragsbeginns hingegen, der 1. März 2025, sei in dem Konzept präzise angegeben worden, so dass sich jede Auslegung der Angaben verbiete, welche zum Ergebnis habe, dass der Leistungsstart erst nach dem 1. März 2025 erfolgen werde. Hinzu komme, dass die ASt im Konzept angegeben habe, in ihrer Eigenschaft als Bestandsdienstleisterin ### der geforderten Leistungen bereits in der Phase erbringen zu können.
Aber selbst dann, wenn die Angaben im Konzept zu UK 4.1 dahingehend verstanden werden könnten, dass eine Abweichung vom vorgegebenen Datum für den Projektstart vorgesehen sei, wäre auch das gegenteilige Auslegungsergebnis möglich. Der BGH habe in einer Entscheidung vom 18. Juli 2019 (X ZR 86/17) zum Ausdruck gebracht, dass der öffentliche Auftraggeber zu einer Angebotsaufklärung verpflichtet sei, wenn das Angebot keinen von den Vergabeunterlagen abweichenden Inhalt habe, sondern nicht eindeutig sei. Der vom BGH entschiedene Fall sei zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergangen, die der Bieter zum Inhalt seines Angebots gemacht hatte, sei aber auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation ohne weiteres übertragbar Die gebotene Aufklärung habe der Ag unterlassen.
Zu UK 3.1 (Beschreibung der lokalen/regionalen Ressourcen)
Darauf, dass das Angebot der ASt auch insoweit gem. § 31 Abs. 2 Nr. 4 VSVgV auszuschließen sei, hat die Vergabekammer in ihrem Hinweisschreiben vom 21. Oktober 2024 hingewiesen. Die ASt meint, dass die Vergabekammer ihre Kompetenzen überschreite, sollte sie einen Ausschluss auf einen vom Ag nicht herangezogenen Ausschlussgrund stützen. Der Ag sei Herr des Vergabeverfahrens. Für ein Tätigwerden der Vergabekammer von Amts wegen sei der vermeintliche Vergaberechtsverstoß weder gewichtig noch offenkundig genug.
Jedenfalls vermöge die von der Vergabekammer angegebene Begründung nicht zu überzeugen. Der Ag habe ...
Die ASt beantragt,
1. dem Ag aufzugeben, den Zuschlag nicht an ### zu erteilen,
2. dem Ag aufzugeben, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen,
3. hilfsweise,
4. für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsantrags durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder in sonstiger Weise festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorgelegen hat,
5. festzustellen, dass der von dem Ag der erteilte Zuschlag unwirksam ist,
6. Einsicht in die Vergabeakte gem. § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren,
7. dem Ag die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,
8. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der ASt gem. § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären.
b) Der Ag beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
2. der ASt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten des Ag aufzuerlegen,
3. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Ag für notwendig zu erklären.
aa) Der Ag machte zunächst geltend, der Nachprüfungsantrag sei mangels Antragsbefugnis bereits unzulässig. Die ASt belege mit ihrem Angebot nach der vorliegenden Wertung nur den ### Rang. Eine Chance auf Erteilung des Zuschlags habe die ASt dann, wenn sie hinsichtlich sämtlicher angefochtener Unterkriterien die volle Punktzahl erhalten würde; dies sei jedoch auszuschließen, da das Angebot der ASt diverse Mängel aufweise. Ohne eine Chance auf Erteilung des Zuschlags drohe der ASt aber nicht die Entstehung eines Schadens.
Selbst wenn der Nachprüfungsantrag zulässig sein sollte, wäre er jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen. Dem öffentlichen Auftraggeber stehe im Rahmen der Angebotswertung ein von den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Vorliegend habe der Ag das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, sei von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen, habe keine sachwidrigen Erwägungen angestellt und auch nicht gegen allgemeingültige Bewertungsgrundsätze verstoßen. Der Ag habe nachvollziehbar begründet, aus welchen Gründen er das Angebot der Bg im Quervergleich besser bewertet habe. Mögliche Dokumentationsmängel könne der Auftraggeber heilen, soweit die tragenden Gründe in der vorliegenden Dokumentation bereits angelegt seien.
UK 1.2 (Wege und Verfahren über die Abfrage des Wissensstandes)
(...)
UK 3.1 (Beschreibung der lokalen/regionalen Ressourcen)
Die ASt habe die Kernfrage zu den zu treffenden Maßnahmen in ad hoc-Fällen nicht beantwortet.
(...)
UK 3.2 (Darlegung der innerbetrieblichen Prozesse/Verfahrensweisen)
(...)
UK 4.1 (Zeitlicher Ablauf, Meilensteine nebst Ressourcenbedarf, Stundenaufwand)
Aus der in den Vergabeunterlagen vorgesehenen Bewertung mit 110 möglichen Punkten hätten die Bieter entnehmen können, dass dieses UK aus Sicht des Ag von hoher Relevanz sei, auf das im Rahmen der Beantwortung ein Schwerpunkt zu setzen sei. Dem sei die ASt nicht gerecht geworden. Als Bestandsdienstleisterin stehe die ASt zwar möglicherweise vor anderen Herausforderungen bei der Einarbeitung von Mitarbeitern als die anderen Anbieter, wenn der streitgegenständliche Vertrag in Kraft trete. Das bedeute aber nicht, dass die ASt keine Herausforderungen zu gewärtigen habe und daher auf eine eingehende Darstellung der in-UK 4. genannten Aspekte weitgehend verzichten könne. So sei z. B. unklar, ...
UK 4.3 (Wege und Verfahren zur Mitarbeitergewinnung / -qualifizierung)
(...)
Korrekter Zuschlagsprätendent sei die Bg. Die Angabe im ursprünglichen Informationsschreiben (§ 134 GWB), der Zuschlag solle auf das Angebot der ### erteilt werden, beruhe auf einem Versehen. Den Mangel habe der Ag unter dem 7. Oktober 2024 durch ein neues Informationsschreiben berichtigt. In dem neuen Informationsschreiben habe er auch den frühesten Zeitpunkt für die Zuschlagserteilung mitgeteilt. Unabhängig davon sei der ASt durch das fehlerhafte Informationsschreiben kein Schaden entstanden.
Die ###, so auch im vorliegenden Fall. Die ### sei für die elektronische Vergabeplattform registriert. In der Eigenschaft als Botin habe sie sämtliche Erklärungen für die Bg hochgeladen.
bb) Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung, mit nachgelassenem Schriftsatz vom 16. Oktober 2024, führte der Ag ergänzend aus, dass kein Zweifel an der Identität der Bg bestehe. Sowohl aus dem Teilnahmeantrag wie auch aus dem Angebot gehe zweifelsfrei hervor, dass die Bg sich an der Ausschreibung beteiligt habe. Die ### werde an keiner Stelle im Teilnahmeantrag oder im Angebot genannt. Soweit die ASt sich auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 8. Juli 2020, Verg 6/20) berufe, sei der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt mit dem Vorliegenden nicht vergleichbar. Im Fall des OLG Düsseldorf sei die Frage zu entscheiden gewesen, ob ein Angebotsausschluss wegen des Verstoßes gegen Formvorschriften nach § 57 Abs. 1 Nr. 1, § 53 Abs. 1 VgV in Betracht komme. In dem von diesem Gericht entschiedenen Fall habe eine natürliche Person als Vertreterin eine eigene Willenserklärung in fremdem Namen abgegeben. Vorliegend sei die ### jedoch als Botin der Bg aufgetreten. Darüber hinaus habe das OLG Düsseldorf nicht gefordert, dass zur Wahrung der Textform eine Vollmacht vorgelegt werde.
cc) Zum Ausschluss des Angebots der ASt trägt der Ag zuletzt vor:
zu UK 4.1
Die Angaben der ASt in ihrem Konzept ließen eine Auslegung nicht zu, als Leistungsbeginn sei der 1. März 2025 gemeint. ...
c) Die mit Beschluss vom 24. September 2024 zum Nachprüfungsverfahren hinzugezogene Bg schließt sich dem Vorbringen des Ag inhaltlich an, insbesondere dessen Ausführungen im Schriftsatz vom 9. Oktober 2024 zur Tätigkeit der ### als Erklärungsbotin für die Bg im Teilnahmewettbewerb und bei Angebotsabgabe (vgl. dort unter II. 1). Auf die Stellung von Anträgen verzichtete die Bg.
3. Die Vergabekammer hat der ASt nach Anhörung des Ag Einsicht in die Vergabeakte gewährt, soweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht betroffen waren. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die elektronische Vergabeakte, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen hat, sowie auf die Verfahrensakte der Vergabekammer wird verwiesen.
Die mündliche Verhandlung fand am 11. Oktober 2024 statt. Den Verfahrensbeteiligten wurde antragsgemäß Schriftsatznachlass gewährt, um zu der Thematik der Übermittlung des Teilnahmeantrags und des Angebots durch die [...] Stellung zu nehmen. Wie bereits ausgeführt, ergänzte die ASt in ihrem Schriftsatz vom 16. Oktober 2024 ihren Vortrag, das Angebot der Bg sei auszuschließen, weil die [...] nicht wirksam als Vertreterin oder Botin für die Bg den Teilnahmeantrag u nd das Angebot abgegeben habe.
Der Ag hielt demgegenüber in seinem Schriftsatz vom 16. Oktober 2024 an der Auffassung fest, Zweifel an der Identität der Bg hätten nicht bestanden. Ergänzend hierzu wies der Ag in diesem Schriftsatz darauf hin, dass sich
"... die Frage aufdränge, ob das Angebot der ASt bei einer hypothetischen Neubewertung ohnehin nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 VSVgV auszuschließen sei."
Wesentlicher Grund hierfür seien die Ausführungen der ASt in ihrem Konzept zu UK 4.1., die offen ließen, ob der Leistungsbeginn am 1. März 2025 erfolgen werde. Anknüpfend an die Erörterung in der mündlichen Verhandlung gab der Ag außerdem zu Bedenken, dass die ASt für ...
Diese Ausführungen des Ag zu einem möglichen Ausschluss des Angebots der ASt gaben der Vergabekammer Veranlassung zu einem Hinweis an die Verfahrensbeteiligten. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2024 teilte die Vergabekammer mit, dass der öffentliche Auftraggeber ein Angebot, bei dem ein zwingender Ausschlussgrund vorliege, ausschließen müsse. Diese Rechtsfolge könne der Auftraggeber nicht dadurch umgehen, dass er das Angebot zwar abwerte, aber in der Wertung belasse.
Daraufhin erklärte der Ag mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2024 den Ausschluss des Angebots der ASt nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 VSVgV wegen einer Abweichung von den Vergabeunterlagen in deren Ausführungen im Konzept zu UK 4.1.
Mit Hinweisschreiben vom 21. Oktober 2024 setzte die Vergabekammer die ASt und die anderen Verfahrensbeteiligten darüber in Kenntnis, dass das Angebot der ASt im Lichte der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2024 und der Ausführungen des Ag in seinem Schriftsatz vom 18. Oktober 2024 mutmaßlich zwingend nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 VSVgV auszuschließen sei und gewährte Frist zur Stellungnahme zu dieser Auffassung. Auf eine Kostenfolge zugunsten der ASt im Falle der Rücknahme infolge des erst während des Nachprüfungsverfahrens verfügten Angebotsausschlusses wegen Abweichens von den Vorgaben wies die Vergabekammer hin, ebenso auf eine prozessuale Überholung, falls die ASt gegen den Ausschluss vorgehe.
Hiergegen wandte die ASt sich mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2024. Sie machte geltend, die Auslegung des Konzepts bzgl. des UK 4.1 nach §§ 133, 157 BGB ergebe zweifelsfrei, dass Leistungsbeginn der 1. März 2025 sein werde. Eine Änderung der Vergabeunterlagen liege daher nicht vor. Evtl. Zweifel an dem Aussageinhalt des Konzepts der ASt hätte der Ag aufklären können und müssen. Die Ansicht der Vergabekammer, dass ein Ausschluss des Angebots der ASt auch aus einem anderen Gesichtspunkt (UK 3.1 betreffend) nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 VSVgV in Betracht komme, sei vergaberechtswidrig. Der Ag selbst habe diesen Ausschlusstatbestand - trotz eines entsprechenden Hinweises der Vergabekammer nicht herangezogen; Herr des Vergabeverfahrens sei der Ag. Außerdem habe der Ag Angaben zur Eignungsleihe nicht wirksam gefordert.
Ein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung aufgrund des erst nach der mündlichen Verhandlung erklärten Ausschlusses des Angebots der ASt durch den Ag war durch die Vergabekammer in seinem Schreiben vom 25. Oktober 2025 avisiert worden. Alle Beteiligten verzichteten aber auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung (§ 166 Abs. 1 Satz 3 GWB).
Mit einem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 31. Oktober 2024 schloss der Ag das Angebot der ASt zusätzlich aufgrund einer Abweichung von den Vergabeunterlagen in deren Ausführungen im Konzept zu IJK 3.1. nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 VSVgV aus. Als Begründung wies der Ag insbesondere auf das Hinweisschreiben der Vergabekammer vom 21. Oktober 2024 hin.
Mit Schreiben der Vorsitzenden der Vergabekammer wurde nach § 167 Abs. 1 S. 2 GWB die Frist für die Entscheidung, die regulär am 24. Oktober 2024 abgelaufen wäre, bis zum 7. November 2024 einschließlich verlängert.
Der vorliegende Beschluss der Vergabekammer enthält Geschäftsgeheimnisse der ASt. Deshalb erhält die Bg eine um Geschäftsgeheimnisse bereinigte Fassung der Entscheidung.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Das Angebot der ASt ist nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 VSVgV wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen aus der Wertung zu nehmen.
1. Das Nachprüfungsverfahren ist eröffnet.
a) Die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach §§ 155, 106 Abs. 1 GWB, ein der Bundesrepublik Deutschland zuzurechnender öffentlicher Auftrag mit einem oberhalb der für die gemeinschaftsweite Vergabe geltenden Auftragsschwellenwert, liegen vor.
b) Die ASt ist antragsbefugt im Sinne des § 160 Abs. 2 GWB.
Ein Unternehmen ist antragsbefugt, wenn es geltend machen kann, ein Interesse am Auftrag zu haben und in eigenen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften verletzt worden zu sein. Durch die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften muss dem Unternehmen zudem ein Schaden entstanden sein.
Das erforderliche Interesse der ASt am Auftrag ergibt sich aus ihrer Teilnahme am Wettbewerb durch Abgabe eines Angebots sowie aus dem gegen die Vergabeentscheidung gerichteten Rügevorbringen. Die ASt hat auch die Verletzung in eigenen Rechten geltend gemacht. Mit ihrem Vorbringen wendete die ASt sich zunächst primär gegen die gegen dessen Entscheidung zum Ausschluss des Angebots der ASt.
Der ASt droht auch die Entstehung eines Schadens. Ihr Vorbringen als richtig unterstellt, hätte sie eine Chance auf Erteilung des Zuschlags, der nach der vorliegenden Wertung nachrangigen Platzierung (Rang ###). Der nachträglich seitens des Ag erklärte Angebotsausschluss steht dem nach Ansicht der ASt nicht entgegen, da dieser vergaberechtswidrig sei. Soweit die ASt darüber hinaus geltend macht, das Angebot der Bg sei auszuschließen, sollte die [...] den Teilnahmeantrag und das Angebot für die Bg als Vertreterin oder Botin ohne eine entsprechende Vollmacht abgegeben haben, ist die Entstehung eines Schadens ebenfalls zu bejahen, da der Ausschluss eines in der Angebotswertung vor ihr liegenden Wettbewerbers die eigenen Zuschlagschancen erhöhen würde. Ferner greift die ASt die Wertung an; sollte diese fehlerhaft sein, so könnte sich der Rang des Angebots im Rahmen einer Neuwertung verbessern.
c) Die ASt hat den sich aus § 160 Abs. 3 GWB ergebenden Rügeobliegenheiten genügt. Kenntnis von dem Ergebnis der Angebotswertung durch den Ag und der beabsichtigten Zuschlagserteilung an die erlangte die ASt erst durch das (erste) Informationsschreiben vom 4. September 2024, auf der Vergabeplattform des Ag veröffentlicht am 12. September 2024. Hiergegen wandte die ASt sich mit Rügeschreiben vom 17. September 2024. Zu dieser Rüge nahm der Ag vor Stellung des Nachprüfungsantrags nicht Stellung. Keiner Rüge bedurfte der Ausschluss des Angebots der ASt, da dieser erst nach der mündlichen Verhandlung erklärt wurde.
2. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er unbegründet. Das Angebot der ASt kommt für eine Zuschlagserteilung nicht in Betracht, weil es zwingend aus der Wertung zu nehmen ist. In ihrem Angebot hat die ASt Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen (§ 31 Abs. 2 Nr. 4 VSVgV).
a) Q4 / UK 4.1 (Zeitlicher Ablauf/Meilensteine)
Unter dem Kriterium Q4 forderte der Ag die Bieter dazu auf, alle Prozesse beim Wechsel des Auftragnehmers vor dem. Auftragsbeginn am 1. März 2025 zu beschreiben. Zur Erläuterung der Aufgabenstellung wies der Ag darauf hin,
"... großen Wert darauf (zu legen), dass dem Bieter hinsichtlich der Prozesse bei einem Wechsel des Auftragnehmers für Werkschutzleistungen im Detail. bewusst ist und hierzu entsprechende Auskünfte erteilen kann."
Mit der Frage zu UK 4.1 wollte der Ag in Erfahrung bringen, wie die Bieter den zeitlichen Ablauf, die Meilensteine nebst Ressourcenbedarf und den zu erwartenden Stundenaufwand beurteilen.
Wie der Ag in seinem Schriftsatz vom 18. Oktober im Einzelnen ausführte, müssen bestimmte vorbereitende Maßnahmen teilweise deutlich vor dem 1. März 2025 erledigt werden. Das betrifft insbesondere:
(...)
Das Konzept der ASt weicht hinsichtlich UK 4.1 von den Vergabeunterlagen ab.
Die ASt legte ihr diesbezügliches Konzept anhand einer grafischen Darstellung und eines erläuternden Textes dar. Grafische Darstellung und Text unterscheiden insgesamt vier Phasen, das sind: .... Die vier Phasen werden in der Grafik mit Hilfe von (horizontal) verlaufenden Pfeilen dargestellt, deren Länge den jeweiligen Zeitbedarf widerspiegeln soll. Konkrete Datumsangaben sind der grafischen Darstellung nicht zu entnehmen, lediglich die Angabe: ..., die den Übergang zwischen der Phase ... und der Phase ... markiert und durch eine vertikale, gestrichelte Linie optisch hervorgehoben dargestellt Wird. Anzumerken ist, dass ...
Der näheren Erläuterung der Grafik dienen die textlichen Ausführungen der ASt auf der nachfolgenden Seite ihres Konzepts. Auch diese Ausführungen lassen es als zweifelhaft erscheinen, dass die Phase ... sein wird. So heißt etwa zu Phase ...: ...
Nähere Ausführungen zum zeitlichen Abschluss der im 1. Quartal 2025 begonnenen vorbereitenden Tätigkeiten enthält das Konzept nicht.
Zur Phase ... wird im Konzept u.a. ausgeführt: ...
Die ASt meint, aus der Darstellung ginge unmissverständlich und zweifelsfrei hervor, dass Leistungsstart der 1. März 2025 ist.
Aus Sicht des Ag kam es entscheidend darauf an, inwieweit dem Konzept der ASt zu entnehmen war, dass die vorbereitenden Tätigkeiten bis zum 1. März 2025, also dem vertraglich vorgesehenen Beginn der Leistungsausführung, abgeschlossen sein werden. Dies geht aus dem Konzept der ASt nicht hervor. Die von der ASt in ihrem Konzept bzgl. der Phase ... gemachten Zeitangaben, lassen offen, ob die in dieser Phase geplanten vorbereitenden Tätigkeiten, ... bis zu den von der Ag in der Leistungsbeschreibung und den Bewerbungsbedingungen vorgesehenen Zeitpunkten abgeschlossen sein werden. Der von der ASt ... beschriebene Zeitraum endet nicht am l. März 2025, sondern am ....
Die ASt führt zwar in ihrem Schriftsatz vom 4. Oktober 2024 (vgl. dort S. 16) aus, dass ...
Das ändert aber nichts an der Unschärfe der Angabe .... Indem die ASt an anderer Stelle ... ein konkretes Datum für den Beginn der ... nennt, macht sie deutlich, dass die Angabe ... nicht selbe Bedeutung hat ....
Auch wenn grundsätzlich davon auszugehen ist, dass ein Bieter sein Angebot ausschreibungskonform gestalten möchte, ist eine Angebotsauslegung nach §§ 133, 157 BGB dahin, dass im Angebot bzgl. der vorbereitenden Phase ... stets der 1. März 2025 gemeint sein sollte, vor diesem Hintergrund nicht möglich.
In ihrem Schriftsatz vom 23. Oktober 2024 führt die ASt aus, dass der öffentliche Auftraggeber bei uneindeutigem Angebotsinhalt insoweit zunächst Aufklärung über das Angebot hätte verlangen können und müssen. Die ASt beruft sich hierzu auf eine Entscheidung des BGH vom 18. Juni 2019 (Az.: X ZR 86/17), der zufolge ein Angebotsausschluss erst nach Aufklärung in Betracht komme. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Bieter in den vorformulierten Erklärungen zum Ausdruck gebracht, neben den genannten Angebotsinhalten keine eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Bestandteil des Angebots zu machen, diese dem Angebot dann aber doch beigefügt. Demnach hatte der Bieter hinsichtlich der beabsichtigten Einbeziehung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen in seinem Angebot unterschiedliche Angaben gemacht. Entgegen der Ansicht der ASt ist diese Entscheidung jedoch auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar.
So hat das OLG Düsseldorf in einer Entscheidung vom 12. Februar 2020 (Verg 24/19) klargestellt, dass die Entscheidung des BGH grundsätzlich nur auf die dieser Entscheidung zugrundeliegende Fallgruppe, nämlich die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, beschränkt sei. Eine andere Sichtweise wäre auch vor dem Hintergrund der Vergleichbarkeit der Angebote problematisch sowie schwerlich vereinbar mit Art. 56 Abs. 1 lit. a) RL 2014/24/EU vom 26. Februar 2014, wonach ein Angebot nur bezuschlagt werden darf, wenn es alle aufgestellten Anforderungen etc. erfüllt.
Ferner hat die ASt, im Unterschied zu dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt, in ihrem Konzept keine widersprüchlichen Angaben gemacht. Allgemein gilt, dass die Vorbereitungen auf die Durchführung eines Projekts und der Vertragsbeginn zwei unterschiedliche und voneinander zu unterscheidende Phasen sind. Die vorbereitende Phase, in der die notwendigen Vorarbeiten für die Vertragserfüllung getroffen werden, endet üblicherweise und ist hier auch so geschuldet mit dem Leistungsbeginn, muss es aber nicht zwingend. Je nach Projektinhalt sind zeitliche Überlappungen möglich, vorliegend aber nicht zulässig. Vorliegend ist die ASt die aktuelle Dienstleisterin des Ag. Als solche verfügt die ASt eigenen Angaben zufolge über einen Mitarbeiterbestand im Umfang von ca. ### des Personalbedarfs des ausgeschriebenen Auftrags. Hinsichtlich dieser Mitarbeiter mag es als plausibel erscheinen, dass die ASt die genannten vorbereitenden Arbeiten bis zum Vertragsbeginn am 1. März 2025, abschließen kann. Hinsichtlich der verbliebenen ### des erforderlichen Personals bleibt dies offen. Die Formulierungen im Konzept ### würden es der ASt jedenfalls ermöglichen, die vorbereitenden Tätigkeiten für das betreffende Personal erst ### abzuschließen. Dieser Bedeutungsgehalt des Angebots der ASt ist, wie bereits dargelegt, schon aufgrund der unterschiedlichen Formulierungen ### falsch, aber in sich eindeutig. Dies wiegt umso schwerer, als die Angaben der Bieter im Konzept zum Vertragsinhalt werden. Da keine unklaren, widersprüchlichen Angaben der ASt vorlagen, war keine Aufklärung geboten, der Ausschluss ist vielmehr zwingend (vgl. zu den vorstehenden Grundsätzen OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Oktober 2021 - Verg 24/21). Im Übrigen ist - unabhängig von der Ausschlussbedürftigkeit - darauf hinzuweisen, dass es Sinn und Zweck des nachgefragten Konzepts ist, eine belastbare Aussage über die geplanten Abläufe zu machen, die für den Auftraggeber sicherstellen, dass zum 1. März 2025 alle vor Leistungsbeginn geschuldeten vorbereitenden Tätigkeiten auch wirklich abgewickelt sind. Durch die hohe Gewichtung war für die ASt erkennbar, dass dieser Bereich für den Ag von großer Bedeutung ist. Ist keine vollständige Bewachung garantiert, so kann dies das Risiko der Stilllegung der Anlagen nach der sog. "Störfallverordnung" beinhalten.
Damit liegt eine Abweichung von den Vergabeunterlagen vor, die den Ausschluss des Angebots der ASt gem. § 31 Abs. 2 Nr. 4 VSVgV notwendig macht.
b) Q3 / UK 3.1 (Beschreibung der lokalen/regionalen Ressourcen)
Das Angebot der ASt ändert auch hinsichtlich des UK 3.1 die Vergabeunterlagen ab, ist daher aus diesem Grund nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 VSVgV aus der Wertuné zu nehmen.
Im Fragenkatalog machte der Ag unter dem Kriterium Q 3 einleitend deutlich, ihm sei wichtig, dass die Sicherheitsleistungen durchgehend gewährleistet werden. Für den Fall eines Personalausfalls seien umgehend kompensierende Maßnahmen zu ergreifen. Die. Bieter wurden aufgefordert zu beschreiben, wie sie im Falle einer Meldung verfahren würden, dass einer ihrer Sicherheitskräfte im Alleinarbeitsplatz sich in einer gesundheitlichen Notlage befindet. Anhand der UK sollten alle erforderlichen Schritte nebst Zeit- und Entfernungsangaben zum Bewachungsobjekt beschrieben werden.
Dem UK 3.1 zufolge sollten die Bieter die lokalen/regionalen Ressourcen beschreiben, die in einem solchen Fall verfügbar sind.
Das Konzept der ASt ...
Zumindest die im Konzept nicht näher erläuterte Formulierung ... spricht dafür, dass die ASt in einem ad hoc-Szenario ggf. auch auf Ressourcen dritter Unternehmen - seien es konzernverbundene, seien es konzernfremde - zurückgreifen würde. Zu diesen Ressourcen verhält sich die ASt in ihrem Schriftsatz vom 4. Oktober 2024 (dort Seite 12, 13) nicht.
Eine ad hoc-Einbindung der ### bezeichneten Unternehmen wäre mit den Vergabeunterlagen nicht vereinbar.
Der Vertragsentwurf des Ag sieht in seinem § 1 Abs. 4 vor, dass die Übertragung von Leistungen oder Teilleistungen an Nachunternehmen/Unterauftragnehmer nur
"... nach vorheriger schriftlicher Genehmigung des Auftraggebers erlaubt (ist)".
In § 2 Abs. 1 des Vertrags ist vorgesehen, dass sich der Auftragnehmer verpflichtet
"... ständiges Personal einzusetzen, das lediglich bei Ausfällen durch ständige Vertreter ersetzt werden kann."
In diesem Sinne sieht auch Rn. 4.4 der Leistungsbeschreibung vor:
"Das eingesetzte Ersatzpersonal muss AGseitig freigegeben werden und eine aktuelle Objekteinweisung vorweisen können".
Widerspruch hierzu lässt das Konzept der ### im ad hoc-Fall .... Damit ändert das Angebot der ASt zugleich die Vergabeunterlagen ab und wäre gem. § 31 Abs. 2 Nr. 4 VSVgV auszuschließen.
Der Ag hat die hierin liegende Abweichung von den Vergabeunterlagen erkannt. In der der ASt im Rahmen der Akteneinsicht zur Verfügung gestellten "Begründung der Punktebewertung" wird zu UK 3.1. u.a. folgendes ausgeführt:
(...)
Obwohl der Ag den Vergabeverstoß erkannte, hat er jedoch nicht die korrekten rechtlichen Schlüsse hieraus gezogen und nicht - wie es geboten gewesen wäre - die Abweichung zum Anlass für. den gebotenen Ausschluss nach § 32 Abs. 2 Nr. 4 VSVgV genommen, sondern einen Punktabzug vorgenommen. Dies ist fehlerhaft, worauf die Vergabekammer bereits in der mündlichen Verhandlung, aber auch in ihrem. Hinweisschreiben vom 16. Oktober 2024, hingewiesen hat.
Im Übrigen stünde der Einsatz von ....
2. Da das Angebot der ASt zwingend aus der Wertung zu nehmen ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob die von ihr geltend gemachten Vergabeverstöße vorliegen. Vorsorglich weist die Vergabekammer auf Folgendes hin:
a) Die ASt hat die Fehlerhaftigkeit des Informationsschreibens vom 4. September 2024 geltend gemacht. Sie beanstandete, dass möglicherweise ein falscher Zuschlagsprätendent ### angegeben worden sei, und Angaben zum frühesten Zeitpunkt für die Zuschlagserteilung fehlten. Die vorgetragenen Mängel sind durch das korrigierte Informationsschreiben vom 7. Oktober 2024 geheilt. Diesem Schreiben zufolge soll der Zuschlag auf das Angebot der Bg erteilt werden; frühester Zeitpunkt für die Zuschlagserteilung soll danach der 18. Oktober 2024 sein. Durch das fehlerhafte Informationsschreiben vom 4. September 2024 wurden die Zuschlagschancen der ASt nicht negativ beeinträchtigt, die Entstehung eines Schadens droht ihr nicht.
b) Nicht zu folgen ist der Ansicht der ASt, das Angebot der Bg sei auszuschließen, weil ein unzulässiger Bieterwechsel stattgefunden habe bzw. bei Abgabe des Teilnahmeantrags sowie des Angebots nicht deutlich gemacht worden sei, dass die [...] die entsprechenden Erklärungen als Botin oder Stellvertreterin für die Bg abgegeben und auch keine entsprechende Vollmacht vorgelegt habe.
Ein unzulässiger Bieterwechsel hat nicht stattgefunden. Das OLG Düsseldorf hat in der von der ASt herangezogenen Entscheidung (Beschluss vom 8. Juli 2024, Verg 6/20) entschieden, dass sich die Frage, wer Bieter ist, alleine nach dem durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermittelnden Inhalt des Angebots ergibt. Der öffentliche Auftraggeber könne nicht durch Vorgaben in den Vergabeunterlagen bestimmen, wer das Angebot abgegeben hat. Aus den der Vergabekammer zur Verfügung gestellten Unterlagen geht hervor, dass Bewerberin i m Teilnahmeverfahren ausschließlich die Bg war. Sämtliche im Teilnahmeverfahr en vorzulegenden Unterlagen (Vordruck, Unternehmensportfolio, Eigenerklärungen, Referenzen etc.) weisen ausschließlich die Bg aus. Ebenso verhält es sich mit dem Angebot. Ausweislich der eingereichten Unterlagen wird dort als Bieterin- ausschließlich die Bg auf geführt. Teilnahmeantrag und Angebot wurden unter derselben ### abgegeben.
Teilnahmeantrag und Angebot sind daher eindeutig, Bewerber bzw. Bieter ist die Bg. Ein Bieterwechsel fand nicht statt.
Wie von Ag und Bg vorgetragen, beschränkte sich die Funktion der ### auf die Rolle der Botin. Grund für die Indienstnahme der ### als Botin war, dass dieses Unternehmen bereits bei der elektronischen Plattform ### registriert ist. Eine Verpflichtung, eine Vollmacht eines Boten bei Abgabe, des Teilnahmeantrags bzw. des Angebots vorzulegen, ergibt sich weder aus gesetzlichen Vorschriften noch aus den Vergabeunterlagen des Ag.
Eine Vorgabe, wonach die Bg verpflichtet gewesen wäre, einen eigenen Account zu nutzen, ist den Vergabeunterlagen ebenfalls nicht zu entnehmen.
Es mag als Mangel auf Seiten des Ag zu werten sein, den Zuschlagsprätendenten im (ersten) Informationsschreiben nicht korrekt bezeichnet zu haben. Das ändert aber nichts daran, dass sich aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers alleine die Bg am Vergabeverfahren beteiligt hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf S§ 182 Abs. 1, 3 S. 1 sowie Abs. 4 S. 1, 2 GWB.
Die ASt trägt als unterliegende Verfahrensbeteiligte die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Ag. Es entspricht dagegen nicht der Billigkeit, der ASt auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Bg aufzuerlegen. Voraussetzung hierfür Wäre, dass die Bg das Verfahren entweder durch schriftsätzlichen Vortrag oder durch die Stellung von Anträgen wesentlich gefördert hätte. Beides ist indes nicht der Fall, denn die Bg hat sich lediglich in einer pauschalen Erklärung dem Vorbringen des Ag zum Thema der Übermittlung von einem anderen E-MailAccount angeschlossen und an der mündlichen Verhandlung teilgenommen. Dies reicht nicht aus, um ein Kostenrisiko auf sich zu nehmen, so dass die Bg auch keinen Aufwendungsersatzanspruch gegen die ASt geltend machen kann.
Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Ag war nicht notwendig. Es stellten sich primär Fragen im Zusammenhang mit der Angebotswertung. Von einem öffentlichen Auftraggeber wie dem Ag, der überdies über eine eigene Rechtsabteilung verfügt, kann erwartet werden, die hier klärungsbedürftigen Fragestellungen im Nachprüfungsverfahren ohne anwaltliche Hilfe aufzuarbeiten. Besondere prozessuale Rechtsfragen stellten sich nicht. Soweit die ASt die Thematik der Person der Bg bzw. des im Vergabeverfahren aufgetretenen Bewerbers bzw. Bieters aufgegriffen hat und sich diesbezüglich Rechtsfragen - z.B. zur Botenstellung - stellten, geht dies auf ein Defizit des Ag selbst in Form einer zunächst fehlerhaften Information nach § 134 GWB zurück und kann die Notwendigkeit einer Hinzuziehung eines Anwalts zu Lasten der ASt nicht rechtfertigen.
IV.
(...)
Zuschlagskriterien müssen Auftragsbezug haben!
Zuschlagskriterien müssen Auftragsbezug haben!
Melden Sie sich jetzt an unter www.vpr-online.de, um sämtliche Entscheidungen im Volltext lesen zu können.
vpr-online ist DIE Datenbank für öffentliche Auftraggeber und Bieter sowie für alle Berater auf den Gebieten des Vergaberechts.
Mit vpr-online haben Sie außerdem jederzeit und überall Zugriff auf über 5.700 VPR-Beiträge nach dem 1-Seiten-Prinzip, über 12.010 Entscheidungen im Volltext, Arbeitshilfen, Materialien und vieles mehr.
OLG Düsseldorf
Beschluss
vom 15.02.2023
Verg 6/22
1. Der öffentliche Auftraggeber ist bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen im rechtlichen Ansatz ungebunden und weitestgehend frei. Dabei kann der öffentliche Auftraggeber eine seinen Bedürfnissen entsprechende Qualität bestimmen, die die abgegebenen Angebote gewährleisten müssen, und eine Untergrenze festlegen, die diese einhalten müssen.
2. Zuschlagskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Der Gegenstand des Auftrags bildet die äußere Grenze für die Wahl und die Heranziehung der Kriterien für die wirtschaftliche Bewertung der Angebote.
3. Über die Grenzen des Inhalts eines an dem eindeutig bestimmten und bekanntgemachten Gegenstand des Auftrags orientierten Angebots darf ein Zuschlagskriterium nicht hinausgehen. Auch soweit der Auftragnehmer nicht zu einem bestimmten Leistungserfolg verpflichtet werden soll, sondern nur zu einer Tätigkeit in bestimmter Qualität, darf der öffentliche Auftraggeber daher keine Konzepte verlangen und bewerten, die auf vom konkreten Auftrag losgelöste "Fähigkeiten" des Unternehmens zielen.
vorhergehend:
VK Bund, Beschluss vom 21.01.2022 - VK 2-131/21
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird die Entscheidung der 2. Vergabekammer des Bundes vom 21. Januar 2022, VK 2-131/21, aufgehoben.
2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das streitgegenständliche Vergabeverfahren in den Stand vor der Absendung der Bekanntmachung zurückzuversetzen und die Vergabeunterlagen in Bezug auf die geforderte Leistung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu überarbeiten.
3. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin als Gesamtschuldnerinnen zu tragen.
4. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
5. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 650.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin schrieb mit Bekanntmachung vom 31. August 2021 im offenen Verfahren den Betrieb eines Bürgerservice zur Beantwortung telefonischer und schriftlicher Bürgeranfragen gerichtet an C. für die Dauer von zwei Jahren mit der Option zu einer Verlängerung um bis zu zwei Jahre EU-weit aus (Referenznummer der Bekanntmachung ...).
Der Preis war nicht das einzige Zuschlagskriterium. Neben diesem sollte mit ebenfalls 50 Prozent die Qualität der angebotenen Leistung in die Bewertung einfließen. Hierfür sollte die Qualität von insgesamt fünf Konzepten in den Kategorien "Neue Hotline", "Akute Hotline", "Inhaltliche Qualifikation", "Bürgeranfragen Service-Hotline", und "Bürgeranfragen BAföG" nach weiteren in den Bewerbungsbedingungen aufgeführten und mit 15, 20 oder 25 Prozent gewichteten Unterkriterien bewertet werden. Für deren Bewertung sah die Bewertungsmatrix in Ziffer 7.3.1, Ermittlung der Leistungspunktzahl, die Vergabe von 0 bis 5 Punkten vor, wobei ein den Anforderungen nicht entsprechendes Konzept mit 0 Punkten, ein den Anforderungen nur mit erheblichen Einschränkungen entsprechendes Konzept mit 1 Punkt, ein den Anforderungen mit Einschränkungen entsprechendes Konzept mit 2 Punkten, ein den Anforderungen im Wesentlichen entsprechendes Konzept mit 3 Punkten, ein den Anforderungen vollumfänglich entsprechendes Konzept mit 4 Punkten und ein der Zielerreichung besonders dienliches Konzept mit 5 Punkten zu bewerten war. Im Rahmen des qualitativen Unterkriteriums K4, Bürgeranfragen Service-Hotline, und K5, Bürgeranfragen BAföG, waren entgegen der Bezeichnung keine Konzepte für die Vertragserfüllung zu erstellen, sondern jeweils fünf fiktive schriftliche Bürgeranfragen zu beantworten, deren Bewertung nach den unter Ziffer 6.2.4 der Bewerbungsbedingungen näher erläuterten Unterkriterien inhaltliche Richtigkeit (UK 4.1), sprachliche Richtigkeit und bürgernahe und adressatengerechte Formulierung (UK 4.2) sowie Erfassung und Beantwortung aller, auch implizit geäußerter Fragen und Anliegen (UK 4.3) erfolgen sollte. Ziffer 7.3.1 der Bewerbungsbedingungen schloss mit dem fettgedruckten Zusatz: "Mindestanforderung: Angebote, die bei einem Konzept (Qualitätskriterien K1 bis K5) weniger als 2 Punkte erhalten, kommen für den Zuschlag nicht in Betracht".
Mit Schreiben vom 29. November 2021 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Ihr Angebot könne nicht berücksichtigt werden, weil sie für das Konzept 4 lediglich eine Gesamtpunktzahl von 1,73 Punkten erhalten und damit die Mindestpunktzahl nicht erreicht habe. Mit Anwaltsschreiben vom 6. Dezember 2021 rügte die Antragstellerin die Nichtberücksichtigung ihres Angebots. Die Formulierung in den Bewerbungsbedingungen, wonach Angebote, die bei einem Konzept weniger als 2 Punkte erhalten, für den Zuschlag nicht in Betracht kommen, sei missverständlich und rechtfertige einen Ausschluss nicht. Zudem weise das Zuschlagskriterium Konzept 4 den nach § 127 Abs. 3 GWB erforderlichen Auftragsbezug nicht auf, da kein Zusammenhang zwischen dem ausgeschriebenen Betrieb einer Service-Hotline und der geforderten Beantwortung der schriftlichen Anfragen bestehe. Ohnehin lasse die Beantwortung von individuellen Musteranfragen keinen Rückschluss auf die zukünftige Beantwortung von Bürgeranfragen zu. Auch genüge die Forderung bürgernaher, adressatengerechter Formulierungen jedenfalls ohne die Vorgabe beispielhafter Antwortschreiben nicht Bestimmtheitsanforderungen. Im Übrigen sei ihre Bewertung subjektiv und willkürlich. Diese Rügen wies die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 7. Dezember 2021 zurück.
Die Antragstellerin beantragte darauf mit Anwaltsschriftsatz vom 9. Dezember 2021 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens, zu dessen Begründung sie ihre vorgenannten Rügen wiederholte und vertiefte. Eine zum Ausschluss führende Mindestanforderung verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, nur ein Konzept mit 0 Punkten entspreche nicht den Anforderungen. Vor diesem Hintergrund sei die Formulierung auch gar nicht als Ausschlusskriterium, sondern dahingehend zu verstehen gewesen, dass ein Angebot mit weniger als zwei Punkten bei einem Konzept keine Erfolgsaussichten habe; dies zumal die Ausschlussgründe offenbar abschließend in Ziffer 4.1 der Bewerbungsbedingungen geregelt seien. Ohnehin bilde eine schriftliche Beantwortung die den gewichtigeren Teil der Tätigkeit darstellenden telefonischen Anfragen nicht ab, die allgemeiner Natur seien; Anfragen zu spezielleren Themen seien an das Fachreferat weiterzuleiten. Bürgernah und adressatengerecht seien offene Begriffe, deren Erfüllung nicht objektiv bewertbar und überprüfbar sei. So sei die von ihr gewählte Darstellung in Textform und tabellarisch ihrer Ansicht nach gerade positiv zu bewerten. Einzelne Fehler bei Recherche zur inhaltlichen Richtigkeit ließen keinen Rückschluss auf eine spätere Auftragsdurchführung zu und dürften nicht mit 0 Punkten bewertet werden. Stilfragen ließen sich unter keines der Unterkriterien subsumieren. Offensichtlich seien Konzeption und Bewertung an der Auftragsausführung durch die Beigeladene als Bestandsauftragnehmerin orientiert.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer in den Stand vor Angebotsbewertung zurückzuversetzen und ihr Angebot in die Wertung einzubeziehen;
2. ihr Akteneinsicht zu gewähren;
3. die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären;
4. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der Kosten ihrer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufzuerlegen;
Die Antragsgegnerin und die mit Beschluss vom 10. Dezember 2021 hinzugezogene Beigeladene haben beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich ihrer zur zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen aufzuerlegen.
Die Beigeladene hat darüber hinaus beantragt,
3. ihr Akteneinsicht zu gewähren;
4. die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben vorgetragen, soweit die Antragsgegnerin Begriffe wie bürgernah und adressatengerecht kritisiere, sei sie damit bereits präkludiert. Die Anfragen bei der Hotline erfolgten in erheblichem Umfang per E-Mail und seien daher schriftlich zu beantworten. Die geforderte schriftliche Beantwortung der Musteranfragen zeige, ob insoweit Übereinstimmung zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber bestünde und lasse daher durchaus Rückschlüsse auf die künftige Erledigung durch Mitarbeiter zu. Die Anforderung einer Mindestpunktzahl diene der Gewährleistung einer bestimmten Qualität. Dabei gehöre zur Adressatengerechtigkeit der Formulierungen auch der sprachliche Stil. Der notwendig subjektiv gefärbten Bewertung werde durch ein dreiköpfiges Bewertungsgremium fachkundiger Mitarbeiter hinreichend entgegengewirkt.
Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 21. Januar 2022 den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin teils verworfen und teils zurückgewiesen. Soweit die Antragstellerin die Unbestimmtheit der Begrifflichkeiten bürgernah und adressatengerecht sowie einen fehlenden Bezug des Wertungskriteriums Konzept 4 zum Auftragsgegenstand rüge, sei sie damit bereits wegen Erkennbarkeit aus den Vergabeunterlagen präkludiert. Im Übrigen sei ein solcher Bezug allerdings auch gegeben, Anfragen erreichten den Bürgerservice überwiegend per E-Mail. Auch ließe sich so die qualitative Vorstellung des Bieters ermitteln. Die Forderung einer Mindestpunktzahl, die sich klar aus der Formulierung ergebe, sei nach den Erwägungsgründen 45, 90 und 92 zur Vergaberichtlinie 2014/24/EU zulässig, um angemessene Mindeststandards zu gewährleisten, wie der Europäische Gerichtshof entschieden habe. Es sei nachvollziehbar, dass die mit der Beantwortung einhergehende Außendarstellung für die Antragsgegnerin von entscheidender Bedeutung sei. Eine Mindestanforderung von 2 Punkten sei bei einer Skala bis 5 Punkte auch nicht unangemessen hoch. Die konkrete Bewertung des Angebots der Antragstellerin halte sich im Rahmen des der Antragsgegnerin zukommenden Beurteilungsspielraums. Der zwangsläufig subjektiven Färbung derartiger Bewertungen habe die Antragsgegnerin durch ein dreiköpfiges Bewertungsteam fachlich versierter Prüfer hinreichend entgegengewirkt.
Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Der Ausschluss ihres das beste Preisleistungsverhältnis erreichenden Angebots wegen Verfehlung der Anforderung einer Mindestpunktzahl von 2 Punkten beim Konzept 4 sei vergaberechtswidrig. Den Ausschluss von Angeboten regele Ziffer 7.1 der Bewerbungsbedingungen, keiner der dort genannten Ausschlussgründe sei erfüllt. Ein bloßer Hinweis am Ende der Ziffer 7.3.1 lasse demgegenüber die notwendige Eindeutigkeit vermissen. Auch könne eine letztendlich beliebige Punktzahl eines nur subjektiv bewertbaren Zuschlagskriteriums nicht zur Mindestanforderung erhoben werden, dies sei willkürlich und vermische Eignungs- und Zuschlagskriterien in unzulässiger Weise. Die schlechte Erfüllung von Zuschlagskriterien sei kein Ausschlussgrund, sondern könne nur zur Verschlechterung von Zuschlagschancen führen. Auch könnten wegen der abschließenden Aufzählung von Eignungskriterien nicht beliebig neue, noch dazu einer subjektiven Wertung unterliegende "weiche" Ausschlusskriterien kreiert und damit eine beliebige Ausschlussgrenze gesetzt werden. Gerade bei einer naturgemäß subjektiv geprägten Bewertung nach Schulnoten dürften geringfügige Wertungsunterschiede nicht zu erheblichen Wertungsdifferenzen führen. Dies sei aber vorliegend der Fall, wenn eine um 0,1 Punkte schlechtere Bewertung auf 1,9 Punkte bei einem Kriterium, was 0,06 Prozent der erreichbaren Gesamtpunktzahl entspreche, zum Ausschluss des Bieters von der Wertung führen könne. Hier bestehe zudem eine Missbrauchsgefahr. Auch die Wertung selbst sei fehlerhaft. So fehle beim Unterkriterium 4.2 ein konkreter Bezug zu den einzelnen Briefen, einzelne Bewertungsapekte seien in den Kriterien gar nicht vorgesehen. Eine Fehlerhaftigkeit der Signatur Team BAFöG und das Fehlen eines Hinweises auf die Beantwortung durch den Auftragnehmer habe mit der inhaltlichen Richtigkeit nichts zu tun. Eine zusätzliche tabellarische Darstellung sei gerade für einen promovierten Wissenschaftler hilfreich. Eine uneinheitliche Syntax nehme dem Schreiben nicht die Adressatengerechtigkeit. Gleiches gelte für das Fehlen der Erklärung im Namen der Ministerin zu antworten, für nicht durchgehend gendergerechte Formulierung und für die Verwendung von "wir". Zudem sehe die Bewertungsmatrix eine Gesamtnote und nicht den Durchschnitt von fünf Einzelnoten für jeden Brief vor. Hierdurch potenzierten sich einzelne wiederholende Fehler. Letztendlich könne dies alles aber dahinstehen, da Konzept 4 bereits der erforderliche Auftragsbezug fehle. Die Anforderungen gemäß Konzept 4 stünden entgegen § 127 Abs. 3 GWB mit dem Auftragsgegenstand nicht in Verbindung. Dieser werde in der Leistungsbeschreibung dahingehend bestimmt, dass der Auftragnehmer nur allgemeine Fragen zu den Leistungen sowie zu Aufbau und Zuständigkeit des Ministeriums eigenständig zu beantworten habe, während Anfragen zu spezielleren Themen in Abstimmung mit dem Ministerium und unter Verwendung abgestimmter Textbausteine und Sprachregelungen beantwortet würden. Gerade die als Anlage ASt 9 und 10 vorgelegten Antwortschreiben der Beigeladenen zeigten eine solche schablonenhafte Bewertung von Anfragen unter Verwendung von Textbausteinen. Insoweit habe es die Antragsgegnerin im Übrigen auch versäumt, die im weiteren Sinne Vorbefassung der Beigeladenen als Bestandsbieterin zu kompensieren, etwa durch die Zurverfügungstellung von Kommunikationsrichtlinien oder Musterantworten.
Die Antragstellerin beantragt,
1. den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes VK 2-131/21 vom 21. Januar 2022 aufzuheben;
2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor Angebotsbewertung zurückzuversetzen und ihr Angebot 30. September 2021 in die Wertung einzubeziehen;
3. die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären;
4. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der Kosten ihrer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufzuerlegen;
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,
1. die sofortige Beschwerde zurückzuweisen;
2. der Antragstellerin die Kosten aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene verteidigen die Entscheidung der Vergabekammer. Sie tragen vor, die ausgeschriebene Leistung ziele ausweislich der Leistungsbeschreibung auf die professionelle und qualitativ hochwertige Beantwortung von Bürgeranfragen, was eine große Flexibilität bei hohem Servicelevel und hoher Qualität erfordere. Dementsprechend seien in der Leistungsbeschreibung vom künftigen Auftragnehmer Berater mit hoher Kompetenz in Gesprächsführung und breitem Wissen zu politischen-, bildungs- und forschungsfachlichen Themen gefordert. Der Überprüfung und Gewährleistung dieser Anforderungen dienten die Konzepte 4 und 5 einschließlich der Mindestanforderung von 2 Punkten. Angebote die diese Anforderung nicht erfüllten, entsprächen nicht den Vorgaben des öffentlicher Auftraggebers und seien daher nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV auszuschließen. Die geforderte Qualität der schriftlichen Ausdrucksfähigkeit sei ein nach § 31 Abs. 3 VgV zulässiges Merkmal des Auftragsgenstandes. Dabei sei die gewählte 2-Punkte-Schwelle auch verhältnismäßig. Mangelhafte Leistungen in einem Unterkriterium könnten durch bessere Leistungen in einem anderen Unterkriterium kompensiert werden, auf der Ebene der Konzepte müsse jedoch eine zumindest ausreichende Umsetzung gewährleistet sein, anderes sei in der Außenkommunikation eines Bundesministeriums nicht tolerabel und für diese untauglich. Dabei rechtfertigten auch geringfügige Abweichungen von den Vorgaben einen Ausschluss und zwar auch bei Kriterien mit subjektiver Prägung. Wer ein Angebot an der unteren Schwelle einreiche, riskiere den Ausschluss. Die Bewertung selbst genüge den Anforderungen, mit ihrer Kritik an den Begriffen bürgernah und adressatengerecht sei die Antragstellerin präkludiert. Gleiches gelte für die angebliche zu hohe Komplexität der Musteranfragen.
Der Senat hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Sach- und Rechtslage mit den Verfahrensbeteiligten erörtert. Die Bestimmtheit der Begrifflichkeiten bürgernah und adressatengerecht sei nicht Gegenstand der Beschwerde. Hingegen beanstande die Antragstellerin weiterhin das Fehlen eines Auftragsbezugs, weil nur einfache Fragen eigenständig und unter Verwendung von Textbausteinen zu beantworten seien. Dies erachtete der Senat für die zentrale Problematik des Falles. Hingegen sei die Konsequenz einer Nichterreichung der Mindestpunktzahl eindeutig formuliert. Derartige Mindestanforderungen an das Zuschlagskriterium Qualität seien auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zulässig und zwar allgemein, nicht nur im Bereich technischer Vorgaben. Eine Mindestanforderung von 2 Punkten bei einer Höchstpunktzahl von 5 Punkten begründe auch keine Missbrauchsgefahr, dies entspreche der Schulnote ausreichend. Auch die Wertung selbst begegne keinen Bedenken.
Der Senat hat zur Frage des erforderlichen Auftragsbezugs den Sachverhalt ergänzend aufgeklärt und die Antragsgegnerin zu den Aufgaben des Auftragnehmers in Bezug auf die Erstellung der Antwortschreiben befragt. Die Antragsgegnerin hat erklärt, es gebe Textbausteine und Sprachregelungen, um eine stets einheitliche Beantwortung zu gewährleisten. Der Dienstleister müsse die richtigen Textbausteine ziehen und sinnvoll und logisch verknüpfen, was ihr Verstehen voraussetze. Die beiden Schreiben an die Ministerin betreffenden Antwortschreiben fielen in die Kategorie der Entwurfserstellung, die übrigen drei Schreiben beträfen einfache und selbständig zu beantwortende Fragen.
Die Antragstellerin und die Beigeladene haben beide nachterminlich schriftsätzlich Stellung genommen und insoweit ihre Auffassungen bekräftigt. Die Beigeladene hat ergänzend vorgetragen, dass nicht in jedem Fall auf Textbausteine zurückgegriffen werden könne.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist zulässig und begründet, wobei allerdings die vorrangig begehrte Rückversetzung in den Stand vor Angebotswertung ausscheidet. Das streitgegenständliche Vergabeverfahren ist bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor der Absendung der Bekanntmachung zurückzuversetzen.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingereicht. Die erforderliche Beschwer der Antragstellerin ist nach § 171 Abs. 1 Satz 2 GWB gegeben, weil sie am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt war und die Vergabekammer ihren Nachprüfungsantrag teils verworfen und teils zurückgewiesen hat.
2. Die Beschwerde der Antragstellerin hat auch in der Sache Erfolg. Ihr Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Ausgestaltung des qualitativen
(Unter-) Kriteriums K 4 (Qualität des Konzeptes "Bürgeranfragen Service-Hotline") verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten, § 97 Abs. 6 GWB. Der gemäß § 127 Abs. 3 GWB erforderliche Auftragsbezug ist nicht gegeben.
a) Die Antragstellerin ist mit ihrer diesbezüglichen Rüge, die sie mit Anwaltsschreiben vom 6. Dezember 2021 an die Antragsgegnerin adressiert hat, nicht präkludiert. Einer Rüge bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe bedurfte es nicht.
aa) Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB müssen Verstöße gegen Vergabevorschriften, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Die Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften ist objektiv zu bestimmen. Eine die Rügeobliegenheit auslösende Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften ist - immer bezogen auf den konkreten Einzelfall - zu bejahen, wenn der Verstoß von einem durchschnittlich fachkundigen Bieter des angesprochenen Bieterkreises bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden kann (Senatsbeschlüsse vom 3. April 2019,VII-Verg 49/18; vom 26. Juli 2018, VII-Verg 23/18; vom 28. März 2018, VII-Verg 54/17 und vom 15. Januar 2020, VII-Verg 20/19, BeckRS 2020, 1327 Rn. 37). Dabei muss sich die Erkennbarkeit sowohl auf die den Verstoß begründenden Tatsachen als auch auf deren rechtliche Beurteilung beziehen (vgl. Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 160 Rn. 49).
Im Hinblick auf Vergabeunterlagen wird damit als Voraussetzung einer Rügepräklusion gefordert, dass der Inhalt der Unterlagen bei laienhafter rechtlicher Bewertung, also ohne Bemühung besonderen Rechtsrats, auf einen Vergaberechtsverstoß hindeutet. Das setzt regelmäßig voraus, dass die Rechtsvorschriften, gegen die verstoßen wird, zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der beteiligten Bieterkreise gehören (Senatsbeschlüsse vom 26.Juli 2018, VII-Verg 23/18 und vom 15. Januar 2020, VII-Verg 20/19, BeckRS 2020, 1327 Rn. 37; OLG München, Beschluss vom 22. Oktober 2015, Verg 5/15). Eine Rügepräklusion kommt in der Regel nur für auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhende und ins Auge fallende auftragsbezogene Rechtsverstöße in Betracht (vgl. Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 160 Rn. 49). Der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots beziehungsweise seiner Bewerbung auffallen muss (Senatsbeschluss vom 3. Aug. 2011, Verg 16/11, ZfBR 20212, 72, 74). Einer exakten rechtlichen Einordnung des Vergaberechtsverstoßes durch den Bieter bedarf es jedoch nicht (OLG Schleswig, Beschluss vom 22. Januar 2019, 54 Verg 3/18, BeckRS 2019, 590 Rn. 48).
bb) Eine solche Erkennbarkeit war vorliegend hinsichtlich des von der Antragstellerin in Zweifel gezogenen Auftragsbezugs nicht gegeben. Ein Fall offensichtlich fehlenden Bezugs lag gerade nicht vor. Die im Rahmen von Konzept 4 zu erstellenden Musterantworten stehen durchaus insoweit in Beziehung zum Auftragsgegenstand, als jedenfalls ähnliche Schreiben im Rahmen der Auftragsdurchführung zu erstellen sind. Das Erkennen eines Fehlens des Auftragsbezugs erforderte daher nicht nur einen genauen Abgleich der im Rahmen von Konzept 4 geforderten Antwortschreiben mit den nach der Leistungsbeschreibung vom Auftragnehmer geschuldeten, sondern vor allem auch das Wissen, dass ein Zuschlagskriterium nicht über die Grenze des Angebotsinhalts hinausgehen darf. Letzteres jedenfalls kann von einem durchschnittlich erfahrenen Bieter nicht gefordert werden. Dass der öffentliche Auftraggeber im Rahmen einer wertenden Teststellung nicht mehr verlangen darf, als später vertraglich geschuldet, muss ein durchschnittlich erfahrener Bieter ohne vertiefte spezifische Rechtskenntnisse nicht erkennen.
b) Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Dem qualitativen (Unter-)Kriterium K 4 fehlt der gemäß § 127 Abs. 3 GWB erforderliche Auftragsbezug, weshalb ein auf die Nichterfüllung der insoweit von der Antragsgegnerin festgelegten Mindestanforderung von 2 Punkten gestützter Ausschluss des Angebots der Antragstellerin diese in ihren Rechten verletzt, § 97 Abs. 6 GWB.
aa) Allerdings begegnet die Festlegung einer Mindestanforderung von 2 Punkten bei der Bewertung von K 1 bis K 5, deren Nichterreichung zum Ausschluss des Angebots in der Wertungsstufe führt, als solche keinen vergaberechtlichen Bedenken. Es steht dem öffentlichen Auftraggeber frei, ein Ausschlusskriterium nur für den Fall zu formulieren, dass von den Bietern eine bestimmte Mindestpunktzahl nicht erreicht wird, wie vorliegend im Rahmen qualitativ zu bewertende Arbeitsproben in den Kategorien K 4 und K 5 (Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 13/19, NZBau 2020, 670 Rn. 50).
Der öffentliche Auftraggeber ist bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen im rechtlichen Ansatz ungebunden und weitestgehend frei (Senatsbeschluss vom 13. April 2016, VII-Verg 47/15, NZBau 2016, 656 Rn. 18 - VoIP-Telefone). Nach § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB kann er auch qualitative Aspekte berücksichtigen. Dabei ist es dem öffentlichen Auftraggeber gestattet im Rahmen eines solchen Verfahrens Mindestanforderungen hinsichtlich der Bewertung festzulegen (EuGH, Urteil vom 20. September 2018, C-546/16, NZBau 2018, 685 Rn. 27 - Montte). In Erwägungsgrund 90 zur Vergaberichtlinie 2014/24/EU wird explizit darauf hingewiesen, dass es öffentlichen Auftraggebern freisteht, angemessene Qualitätsstandards in Form von technischen Spezifikationen oder von Bedingungen für die Auftragsausführung festzulegen, während die Richtlinie ihrem 92. Erwägungsgrund zufolge darauf abzielt, öffentliche Auftraggeber zur Wahl von Zuschlagskriterien zu ermutigen, mit denen sie qualitativ hochwertige Bauleistungen, Lieferungen und Dienstleistungen erhalten können, die ihren Bedürfnissen optimal entsprechen (EuGH, Urteil vom 20. September 2018, C-546/16, NZBau 2018, 685 Rn. 29 - Montte).
Der öffentliche Auftraggeber kann folglich eine seinen Bedürfnissen entsprechende Qualität bestimmen, die die abgegebenen Angebote gewährleisten müssen, und eine Untergrenze festlegen, die diese einhalten müssen. Insoweit steht Art. 67 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU, dessen Umsetzung § 127 Abs. 1 GWB dient und in dessen Lichte er auszulegen ist, nicht der Möglichkeit entgegen, in der Phase der Zuschlagserteilung in einem ersten Schritt Angebote auszuschließen, die bei der Bewertung eine vorab festgelegte Mindestpunktzahl nicht erreichen, weil ein Angebot, das eine solche Mindestpunktzahl nicht erreicht, grundsätzlich nicht den Bedürfnissen des öffentlichen Auftraggebers entspricht und bei der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots nicht berücksichtigt zu werden braucht. Der öffentliche Auftraggeber muss in einem solchen Fall daher nicht bestimmen, ob der Preis eines solchen Angebots unter den Preisen der nicht ausgeschlossenen Angebote liegt, die die Mindestpunktzahl erreichen und daher seinen Bedürfnissen entsprechen (EuGH, Urteil vom 20. September 2018, C-546/16, NZBau 2018, 685 Rn. 32 - Montte).
Insoweit ist der öffentliche Auftraggeber nicht auf die Festlegung "harter" Ausschlusskriterien wie technischer Mindestanforderungen beschränkt. Nach Art. 67 Abs. 2 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU kann die Bestimmung des wirtschaftlich günstigsten Angebots auch auf der Grundlage von Kriterien wie der Qualität, einschließlich des technischen Wertes, erfolgen (EuGH, Urteil vom 20. September 2018, C-546/16, NZBau 2018, 685 Rn. 30 - Montte). Der technische Wert ist folglich nur ein mögliches qualitatives Ausschlusskriterium, was schon aus der Verwendung von "einschließlich" vor "technischen Wert" folgt, durch das ein Bereich erweitert werden kann, aber nie verengt wird. Daneben wird in Art. 67 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a der Vergaberichtlinie 2014/24/EU beispielsweise auch die Ästhetik und in lit. b die Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals genannt, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann. Damit hat der Normgeber ausdrücklich Kriterien zugelassen, deren Bewertung zwangsläufig subjektiv geprägt ist, weshalb der öffentliche Auftraggeber auch solche, von der Antragstellerin als "weiche" bezeichnete Ausschlusskriterien festlegen kann.
Gerade die zu erwartende Qualität bei der Bearbeitung der Anfragen, deren Ermittlung Konzept 4 nach der Intension der Antragsgegnerin dient, gehört folglich zu den tauglichen Kriterien für die Festlegung eines qualitativen Mindeststandards. Die Kriterien müssen lediglich die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz, der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung gewährleisten, um einen objektiven Vergleich des relativen Werts der Angebote und somit einen wirksamen Wettbewerb sicherzustellen; der öffentliche Auftraggeber darf sich keine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen (EuGH, Urteil vom 20. September 2018, C-546/16, NZBau 2018, 685 Rn. 31 - Montte).
Diesen Anforderungen genügt aber auch eine qualitative Bewertung, wenn sie den für eine solche geltenden Anforderungen entspricht. Der öffentliche Auftraggeber hat die Bewertung selbst vorzunehmen; die Wertungsentscheidung ist nicht delegierbar, die an ihr beteiligten Personen müssen Vertreter des öffentlichen Auftraggebers sein (Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 44). Diese haben zu prüfen, inwieweit die Angebote die in der Bewertungsmatrix aufgestellte Anforderung erfüllen (Senat, a. a. O. Rn. 48). Die Bewertung muss in sich und in Relation zu den übrigen Angeboten nachvollziehbar sein. Es muss klar sein, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Bewertung eingegangen sind. Der Auftraggeber ist daher verpflichtet, die Gründe für seine Auswahlentscheidung eingehend zu dokumentieren (§ 8 Abs. 1 Satz 2 VgV). Die Bewertungsentscheidungen ist daraufhin überprüfbar, ob die jeweilige Bewertung im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 53 - Postdienstleistungen). Es muss nachvollziehbar sein, weshalb ein Mitbewerber besser bewertet wurde (OLG Düsseldorf, 2. Kartellsenat, Beschluss vom 13. Juni 2018, 2 U 7/16, BeckRS 2018, 15885 Rn. 104); die Wertungen müssen im Quervergleich mit den besser bewerteten Angeboten stimmig sein (Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 6/19, NZBau 2020, 318 Rn. 54), insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 53 - Postdienstleistungen). Genügt die Bewertung diesen Anforderungen, sind Transparenz, Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung gewährleistet, eine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit ist nicht gegeben.
bb) Die Antragsgegnerin hat das Erreichen einer Punktzahl von mindestens 2 Punkten auch eindeutig, unmissverständlich und unübersehbar als Ausschlusskriterium für jedes der fünf qualitativen Kriterien aufgestellt.
(1) Vergabeunterlagen müssen klar und verständlich sein, aus ihnen muss für die Bieter eindeutig und unmissverständlich hervorgehen, was von ihnen verlangt wird (BGH, Urteil vom 15. Januar 2013, X ZR 155/10, NZBau 2013, 319 Rn. 7 - Parkhaus; BGH, Urteil vom 3. April 2012, X ZR 130/10, NZBau 2012, 513 Rn. 9 - Straßenausbau). Für die Leistungsbeschreibung ergibt sich dies ausdrücklich aus §§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB, 31 Abs. 1 VgV, wonach der Leistungsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben ist, so dass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können (Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2017, VII-Verg 19/17, NZBau 2018, 242 Rn. 37 - LKW-Mautsystem III). Infolge der übergeordneten Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB, die durch §§ 121 Abs. 1 Satz 1 GWB, 31 Abs. 1 VgV für einen Teilbereich nur näher ausgeformt werden, gelten die für die Leistungsbeschreibung formulierten Anforderungen für andere Teile der Vergabeunterlagen entsprechend (Senatsbeschluss vom 28. März 2018, VII-Verg 52/17, NZBau 2018, 563 Rn. 31).
Die Frage, welcher Erklärungswert den maßgeblichen Teilen der Vergabeunterlagen zukommt, ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 - Stadtbahnprogramm Gera; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18. Juli 2017, 11 Verg 7/17, BeckRS 2017, 121590 Rn. 59). Dabei ist im Rahmen einer normativen Auslegung auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter bzw. Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 - Stadtbahnprogramm Gera). Es kommt nicht darauf an, wie die Antragstellerin als einzelne Bewerberin die Unterlagen verstanden hat, sondern wie der durchschnittliche Bewerber des angesprochenen Bewerberkreises sie verstehen musste oder konnte. Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt (Senat, NZBau 2016, 235 Rn. 40 - BSI, sowie Senatsbeschluss vom 5 November 2014, VII-Verg 21/14, BeckRS 2015, 11625; Lampert in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 121 Rn. 77).
(2) Bei Anwendung dieser Grundsätze konnte den Bewerbungsbedingungen ein Ausschluss des Angebots bei Nichterreichen von mindestens zwei Punkten in einem der fünf qualitativen Kriterien K 1 bis K 5 und damit bei Nichterreichen von mindestens zwei Punkten bei Beantwortung der Bieterfragen bei 4 eindeutig und unmissverständlich entnommen werden.
Die Aussage "Angebote, die bei einem Konzept (Qualitätskriterien K1 bis K5) weniger als 2 Punkte erhalten, kommen für den Zuschlag nicht in Betracht" ist eindeutig. Ein durchschnittlich verständiger Bieter entnimmt ihr, dass ein Angebot, das in einem der fünf Qualitätskriterien weniger als zwei Punkte erzielt, bei der Zuschlagserteilung nicht weiter berücksichtigt, sondern bereits im ersten Schritt ausgeschlossen wird. Ein dahingehendes Verständnis, ein derartiges Angebot habe lediglich wenig Aussichten auf Erfolg, ist mit der Formulierung, dass diese Angebote für einen Zuschlag "nicht in Betracht" kommen nicht zu vereinbaren. Was nicht in Betracht kommt, kommt nicht zum Zuschlag. Dieses Verständnis wird durch die Überschrift "Mindestanforderung" noch verstärkt. Eine Mindestanforderung bezeichnet das Minimum, um überhaupt ausgewählt werden zu können. Was die Mindestanforderung nicht erfüllt, kann nicht bezugschlagt werden.
Die Formulierung als Ausschlusskriterium erfährt auch nicht dadurch eine Relativierung, dass in Ziffer 7.1 der Bewerbungsbedingungen ebenfalls Ausschlusskriterien geregelt sind. Die mit "Prüfung in formeller Hinsicht, der Eignung und von Ausschlussgründen" überschriebene Ziffer 7.1 befasst sich mit formalen Anforderungen wie Vollständigkeit der Unterlagen und Prüfung der Referenzen sowie der Ausschlussgründe der §§ 123, 124 GWB, also mit Ausschlussgründen, die vor Eintritt in die Wertung zu prüfen sind. Auf Ziffer 7.1 folgt mit Ziffer 7.2, Prüfung ungewöhnlich niedriger Preise und Kosten, als weiterer möglicher Ausschlussgrund der nach § 60 Abs. 3 VgV, aber nur für Fall, dass sich - wie dort beschrieben - ein ungewöhnlich niedriger Preis nicht zufriedenstellend aufklären lässt. Vor diesem Hintergrund sieht der durchschnittlich verständige Bieter Ziffer 7.1 nicht nur nicht als abschließend in Bezug auf Ausschlussgründe an, sondern erwartet auf der Wertungsstufe angesiedelte Ausschlusskriterien, wie eine Mindestpunktzahl in Bezug auf die Qualität, gerade in der auf die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots bezogenen Ziffer 7.3. und dort insbesondere in der die qualitative Bewertung regelnden Ziffer 7.3.1. Dort ist das Ausschlusskriterium einer Mindestpunktzahl von zwei Punkten der qualitativen Bewertung nachfolgend folgerichtig im letzten Absatz geregelt und durch Fettdruck unübersehbar hervorgehoben.
cc) Die Festlegung einer Mindestpunktzahl von zwei Punkten ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Im Rahmen einer Bewertungsskala von 0 bis 5 Punkten ist die Festlegung eines Mindestwerts von 2 Punkten sachlich gerechtfertigt, eine Missbrauchsgefahr wird hierdurch nicht begründet.
Die die Berücksichtigung qualitativer Aspekte bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots gestattenden Vorschriften §§ 127 Abs. 1 Satz 3 GWB und § 58 Abs. 2 Satz 2 GWB sind im Lichte des Art. 67 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU auszulegen, dessen Umsetzung sie dienen. Art. 67 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU, der an die Stelle der Vorgängervorschrift Art. 53 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2004/18 getreten ist, legt fest, dass das "wirtschaftlich günstigste Angebot" "aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers" zu bestimmen ist und räumt somit dem öffentlichen Auftraggeber einen größeren Ermessensspielraum ein (EuGH, Urteil vom 26. März 2015, C-601/13, EuWZ 2015, 433 Rn. 28 - Ambisig). Dabei darf der öffentliche Auftraggeber im Interesse für ihn bestmöglicher Bedarfsdeckung qualitative Gesichtspunkte der Leistungserbringung hervorheben, solange den qualitativen Wertungskriterien nicht einzeln oder in ihrer Gesamtheit ein Gewicht zugemessen wird, das sachlich nicht zu rechtfertigen ist und deshalb die Annahme nahelegt, dass die Kriterien so ausgestaltet wurden, dass nur ein oder einzelne Unternehmen realistische Aussichten auf den Zuschlag haben, während andere Anbieter trotz Vergabe im offenen Verfahren (§ 119 Abs. 3 GWB) und objektiv gegebener Eignung (§ 122 GWB) von vornherein chancenlos wären (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rnrn. 37, 38 - Postdienstleistungen).
Die Festlegung einer Mindestpunktzahl von zwei Punkten hält sich in diesem Ermessensspielraum. Die Bewertungsmatrix der Antragsgegnerin sieht die Vergabe von 0 bis 5 Punkten vor, also eine an den Schulnoten orientierte Bewertung vor, bei der 0 Punkte der Note 6, ungenügend, und 5 Punkte der Note 1, sehr gut, entspricht. Ein derartiges am Notensystem orientiertes Wertungssystem begegnet als solches keinen vergaberechtlichen Bedenken (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 39 - Postdienstleistungen; Senatsbeschluss vom 8. März 2017, VII-Verg 39/16, NZBau 2017, 296 Rn. 26).
In diesem Wertungssystem entspricht folglich die von der Antragsgegnerin festgelegte Mindestpunktzahl von zwei Punkten der Note ausreichend. Die Note ausreichend ist im Notensystem die schlechteste Note, mit der die Leistungsprüfung bestanden ist. Leistungen, die nicht zumindest mit glatt ausreichend bewertet worden sind, stellen jedenfalls in der Sekundarstufe II zum Bestehen nicht hinreichende Minderleistungen dar. Die Festlegung einer Mindestpunktzahl von 2 Punkten ist von daher folgerichtig.
Die Antragsgegnerin ist auch ansonsten nicht gehindert, Leistungen, die den Anforderungen nur mit erheblichen Einschränkungen entsprechen, für die ihre Bewertungsmatrix 1 Punkt vorsieht, als zur Erfüllung ihrer Qualitätserwartungen nicht hinreichend zu betrachten und auf einer die Anforderungen mit Einschränkungen entsprechenden Leistung, für die ihre Bewertungsmatrix den festgelegten Mindestwert von 2 Punkten vorsieht, zu bestehen. Hierdurch erhält das einzelne Wertungskriterium kein sachlich nicht gerechtfertigtes Gewicht. Die Festlegung der Mindestanforderung ist sachlich gerechtfertigt. Gerade in Bezug auf die Außenkommunikation einer obstersten Bundesbehörde bestehen Verkehrserwartungen, denen eine den Anforderungen nur mit erheblichen Einschränkungen entsprechende Beantwortung von Bürgerfragen nicht gerecht würde.
dd) Gleichwohl kann der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin nicht auf das Nichterreichen der Mindestpunktzahl bei 4 gestützt werden. Das Zuschlagkriterium 4 ist in seiner konkreten Ausgestaltung vergaberechtswidrig; der gemäß § 127 Abs. 3 GWB erforderliche Auftragsbezug ist nicht gegeben.
(1) Nach § 127 Abs. 3 GWB müssen die Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen, was voraussetzt, dass sich ein Zuschlagskriterium auf Prozesse im Zusammenhang mit der Herstellung, Bereitstellung oder Entsorgung der Leistung, auf den Handel mit der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus der Leistung bezieht, auch wenn sich diese Faktoren nicht auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken.
Die Festlegung der Zuschlagskriterien hängt folglich vom Auftragsgegenstand ab (EuGH, Urteil vom 10. Mai 2012, C-368/10, NZBau 2012, 445 Rn. 91 - Havelaar). Die Zuschlagskriterien müssen es ermöglichen, das Leistungsniveau jedes einzelnen Angebots im Verhältnis zu dem in den Spezifikationen beschriebenen Auftragsgegenstand zu bewerten sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis jedes Angebots zu bestimmen (EuGH, Urteil vom 10. Mai 2012, C-368/10, NZBau 2012, 445 Rn. 91 - Havelaar). Qualitätskriterien müssen sich demnach auf die ausgeschriebene Leistung beziehen (Senatsbeschluss vom 19. November 2014, EuZW 2015, 157 Rn. 15); sie müssen auf den Inhalt des Angebots bezogen sein (Wiedemann in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl. 2020, § 127 GWB Rn. 59).
Zwar ist diese Auftragsbezogenheit weit zu verstehen. So ist es nicht erforderlich, dass sich ein Zuschlagskriterium auf eine echte innere Eigenschaft eines Erzeugnisses bezieht, weshalb es einem öffentlichen Auftraggeber beispielsweise im Rahmen der Vergabe eines Auftrags über die Lieferung von Strom nicht verwehrt ist, ein Kriterium festzulegen, das die Lieferung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern verlangt (EuGH, Urteil vom 10. Mai 2012, C-368/10, NZBau 2012, 445 Rn. 91 - Havelaar). Auch kann er beispielsweise im Rahmen eines öffentlichen Auftrags über die Erbringung von städtischen Busverkehrsdienstleistungen Umweltschutzkriterien wie die Höhe der Stickoxidemissionen oder den Lärmpegel der Busse berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 17. September 2002, C-513/99, EuZW 2002, 628 Rn. 69 - Concordia Bus Finland).
Es ist aber stets der von § 127 Abs. 3 Satz 1 GWB geforderte Auftragsbezug zu wahren (Opitz in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 127 Rn. 76). Der Gegenstand des Auftrags bildet daher die äußere Grenze für die Wahl und die Heranziehung der Kriterien für die wirtschaftliche Bewertung der Angebote (Opitz in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 127 Rn. 97). Über die Grenzen des Inhalts eines an dem eindeutig bestimmten und bekanntgemachten Gegenstand des Auftrags orientierten Angebots darf ein Zuschlagskriterium nicht hinausgehen (Wiedemann in Röwekamp/ Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl. 2020, § 127 GWB Rnrn. 59, 61 unter Verweis auf die englische Fassung des Art. 67 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU "linked to the subject-matter of the public contract"). Auch soweit der Auftragnehmer nicht zu einem bestimmten Leistungserfolg verpflichtet werden soll, sondern nur zu einer Tätigkeit in bestimmter Qualität, darf der öffentliche Auftraggeber daher keine Konzepte verlangen und bewerten, die auf vom konkreten Auftrag losgelöste "Fähigkeiten" des Unternehmens zielen (Opitz in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 127 Rn. 76). Vom Bieter darf folglich nicht anderes und auch nicht mehr verlangt werden, als das, was er später im Rahmen des Auftrags zu erbringen hätte.
(2) Diesen Anforderungen wird das qualitative (Unter-)Kriterium K4, bei dem u.a. die inhaltliche und sprachliche Richtigkeit der Antwortschreiben bewertet werden soll, nicht gerecht. Die Bieter sollten alle fünf Bürgerfragen völlig eigenständig ohne Hilfestellung durch das C. beantworten, obwohl dies nach der Leistungsbeschreibung so nicht geschuldet ist.
Nach Abschnitt A.2. der Leistungsbeschreibung (dort Seite 7) beantwortet der Auftragnehmer nur den Teil der eingehenden Anfragen völlig eigenständig, bei denen es sich um allgemeine Fragen zum C. handelt, wie z.B. zur Leitung, zum Aufbau des Ministeriums und zu den Zuständigkeiten. Alle anderen Anfragen werden - soweit vorhanden - mit abgestimmten Textbausteinen bzw. Sprachregelungen beantwortet oder, sollten solche nicht vorliegen, zwingend und umgehend an das entsprechende Fachreferat im C. übermittelt, so dass eine Beantwortung von dort erfolgen bzw. in die Wege geleitet werden kann (Abschnitt B der Leistungsbeschreibung, S. 11, 15). Der Auftragnehmer hatte neben allgemeinen Fragen zum C. zwar auch Anfragen zu spezielleren Themen zu beantworten, dies aber mit abgestimmten Textbausteinen beziehungsweise Sprachregelungen. Seine Aufgabe beschränkt sich folglich in der Regel darauf, von den zur Gewährleistung einer einheitlichen Beantwortung geschaffenen, bereits existierenden Testbausteinen und Sprachregelungen die richtigen zu ziehen und sinnvoll und logisch zu verknüpfen, wie die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage eingeräumt hat.
Die von der Antragstellerin in Ermangelung dieser Textbausteine demgegenüber geforderte vollkommen freie Beantwortung der Bürgeranfragen geht klar über eine solche Leistung hinaus, da es sich bei den gewählten Themen der Bürgeranfragen (Informationen über die deutsche Forschungs- und Wissenschaftslandschaft, Finanzierungsmöglichkeiten eines Studiums, Ausbildungsmöglichkeiten nach der 10. Klassen, Kritik an schleppender Digitalisierung an deutschen Schulen und die Wiedergutmachung von Schäden durch coronabedingte Schulschließungen) gerade nicht um allgemeine Fragen zum C. handelt. Die freie Formulierung solcher Bieteranfragen erfordert ein nicht unerhebliches Maß an sachlicher Auseinandersetzung mit dem Thema und stilistischer Kreativität bei der Abfassung. In den Textbausteinen sind hingegen bereits die gewünschten Formulierungen enthalten, die lediglich in dem vorgegebenen Stil miteinander verbunden werden müssen. Auch dürften einige der von der Antragstellerin selbst zu recherchierenden Information bereits in Textbausteinen erhalten sein. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass nicht in jedem Fall auf Textbausteine zurückgegriffen werden kann. So ist der Auftragnehmer etwa nach Abschnitt B 1.04 der Leistungsbeschreibung auf gesonderte Anforderung auch zur Erstellung eines Antwortentwurfs bei komplexem fachlichem Inhalt verpflichtet. Abgesehen davon, dass dies in Bezug auf Musteranfragen gerade nicht geltend gemacht worden ist, erleichtern Textblöcke und Sprachregelungen die Arbeit aber auch dann, wenn sie den konkreten Sachverhalt nicht erfassen, da ihnen über die konkrete Thematik hinaus, Erwartungen der Auftraggeberin zu Stil und Aufbau entnommen werden können. Entsprechendes gilt auch für die vom Auftragnehmer nach Abschnitt B 4. geschuldete Kontrolle und Fortentwicklung der Textbausteine, die als solche auch gar nicht Gegenstand der Teststellung war.
ee) Soweit die Antragstellerin das Fehlen einer Kompensation der Vorteile der Beigeladenen aufgrund ihrer Tätigkeit als Bestandsbieterin bemängelt, ist zwar ein Verstoß gegen § 7 VgV schon deswegen nicht gegeben, weil die Beigeladene die Durchführung der Ausschreibung nicht als sogenannte Projektantin (vgl. hierzu Dreher/Hoffmann in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl. 2019, VgV § 6 Rn. 55) vorbereitet oder die Antragsgegnerin diesbezüglich beraten hat.
Die Vorenthaltung der der Beigeladenen aufgrund dieser Tätigkeit zur Verfügung stehenden Textbausteine gegenüber der Antragstellerin stellt sich jedoch im Hinblick auf den in § 97 Abs. 2 GWB normierten Grundsatz, dass die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren gleich zu behandeln sind, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet, zumindest als problematisch dar.
Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter, der die Entwicklung eines gesunden und effektiven Wettbewerbs zwischen den sich um einen öffentlichen Auftrag bewerbenden Unternehmen fördern soll, gebietet, dass alle Bieter bei der Abfassung ihrer Angebote die gleichen Chancen haben, was voraussetzt, dass die Angebote aller Wettbewerber den gleichen Bedingungen unterworfen sein müssen (EuGH, Urteil vom 24. Mai 2016, C-396/14, NZBau 2016, 506 Rn. 38 - MT Højgaard).
Zwar ist der öffentliche Auftraggeber auch im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot nicht berechtigt und schon gar nicht verpflichtet, Wettbewerbsvorteile, die ein Unternehmen als bisheriger Auftragnehmer des Auftraggebers gewonnen hat, auszugleichen (OLG Koblenz, Beschluss vom 5. September 2002, 1 Verg 2/02, NZBau 2002, 699, 704; OLG Schleswig, Beschluss vom 13. Juni 2019; 54 Verg 2/19, NZBau 2019, 806 Rn. 169; Opitz in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 124 Rn. 87; Dreher in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2021, GWB § 97 Rn. 82). Dieser Wissensvorsprung ist systemimmanent und vermag eine abweichende Behandlung nicht rechtfertigen (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Januar 2001, C-172/99, NZBau 2001, 221 Rn. 24 - Liikenne).
Vorliegend erschöpft sich der Vorsprung der Beigeladenen aber nicht in ihrem im Rahmen der Auftragsdurchführung erlangtem Wissen, sondern die Antragsgegnerin hat ihr mit den Textbausteinen und Sprachregelungen konkrete Werkzeuge zur Verfügung gestellt, die es ihr ermöglicht haben, ihr Angebot im Rahmen der Teststellung Konzept 4 direkt an den in den Textbausteinen und Sprachregelungen verkörperten Erwartungen der Antragsgegnerin auszurichten. Insoweit war ihr Angebot in einem Ausmaß nicht den gleichen Bedingungen wie das der Antragstellerin unterworfen, welches über den als systemimmanent hinzunehmenden Wissensvorsprung eines Bestandsbieters deutlich hinausging.
Ob damit der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt ist, kann jedoch hier offenbleiben, weil die Antragsgegnerin nach dem vorstehend unter dd) Ausgeführten ohnehin allen Bietern die Textbausteine oder Sprachregelungen zur Verfügung stellen muss, wenn sie an dem Zuschlagskriterium Konzept 4 festhalten will.
c) Wegen des Verstoßes des Zuschlagskriteriums Konzept 4 gegen das in § 127 Abs. 3 GWB normierte Erfordernis des Auftragsbezugs ist das streitgegenständliche Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor der Absendung der Bekanntmachung zurückzuversetzen. Die von der Antragstellerin beantragte Rückversetzung in den Stand vor Angebotswertung scheidet aus.
Das in § 97 Abs. 1 GWB normierte Transparenzgebot erfordert, dass der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen alle Zuschlagskriterien und Unterkriterien, die er anzuwenden gedenkt, sowie deren Gewichtung angibt. Die Wertung darf nur anhand der bekannt gegebenen Zuschlagskriterien und Unterkriterien erfolgen (Senatsbeschluss vom 27. März 2013, VII-Verg 53/12, BeckRS 2013, 21180). Das bedeuten, dass sich der öffentliche Auftraggeber während des gesamten Verfahrens an dieselbe Auslegung der Zuschlagskriterien halten muss, weshalb die Zuschlagskriterien während des Vergabeverfahrens erst recht nicht geändert werden dürfen (EuGH, Urteil vom 4. Dezember 2003, C-448/01, NZBau 2004, 105 Rnrn. 92, 93 - Wienstrom). Somit kann im Fall der Nichtigerklärung einer Entscheidung bezüglich eines Zuschlagskriteriums durch die Nachprüfungsinstanz der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfahren nicht unter Außerachtlassung dieses Kriteriums fortsetzen, da dies auf eine Änderung der in dem fraglichen Verfahren anwendbaren Kriterien hinausliefe. Erweist sich seine Entscheidung bezüglich eines der von ihm festgelegten Zuschlagskriterien im Nachprüfungsverfahren als rechtswidrig, ist er vielmehr verpflichtet, die Ausschreibung zu widerrufen (EuGH, Urteil vom 4. Dezember 2003, C-448/01, NZBau 2004, 105 Rnrn. 94, 95 - Wienstrom). Das Verfahren ist daher bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor der Absendung der Bekanntmachung zurückzuversetzen (Opitz in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 127 Rn. 164).
Dass die Antragstellerin eine Rückversetzung vor die Absendung der Bekanntmachung nicht beantragt hat, hindert eine diesbezügliche Entscheidung nicht. Der Senat ist in entsprechender Anwendung von § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Dem steht die fehlende Verweisung in § 178 GWB auf § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB nicht entgegen. Dem Beschwerdegericht stehen, wenn es in der Sache selbst entscheidet, die gleichen Befugnisse wie der Vergabekammer zu Gebote (BayObLG, Beschluss vom 5. November 2002, Verg 22/02, NZBau 2003, 342, 345; Steck in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, GWB § 178 Rn. 11). Im Rahmen der erhobenen Rüge prüft der Senat umfassend die Vergaberechtsverstöße und ergreift ohne Bindung an die Anträge diejenigen Maßnahmen, welche er für geboten hält, um eine begründet geltend gemachte Rechtsverletzung des Antragstellers zu beseitigen und ein rechtskonformes Vorgehen des öffentlichen Auftraggebers bei der im Streit stehenden Beschaffung sicherzustellen (Vavra/Willner in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 178 Rn. 7).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 3, Abs. 4, § 175 Abs. 2 i.V.m. § 71 Satz 1 GWB. Die Antragstellerin hat ihr Verfahrensziel vollständig erreicht, auch wenn das Ausmaß der Rückversetzung des Vergabeverfahrens über ihren Antrag hinausgeht (Senatsbeschluss vom 21. Oktober 2015, VII-Verg 28/14, NZBau 2016, 235 Rn. 178). Insoweit ist neben der Antragsgegnerin auch die Beigeladene verpflichtet. Ein Beigeladener ist dann kostenrechtlich wie der Antragsteller oder Antragsgegner eines Nachprüfungsverfahrens zu behandeln, wenn er die durch die Beiladung begründete Stellung im Beschwerdeverfahren auch nutzt, um sich mit einer sachlichen Stellungnahme und eines Antrags auf Zurückweisung des Begehrens des Antragstellers am Verfahren zu beteiligen (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, NZBau 2006, 800 Rn. 63).
Dabei sind gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG auch die Gebühren und Auslagen der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin erstattungsfähig, da deren Hinzuziehung im Verfahren vor der Vergabekammer in Anbetracht der dort aufgetretenen Schwierigkeiten im Ergebnis notwendig war. Hierüber ist nicht schematisch, sondern auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, NZBau 2006, 800 Rn. 61 - Polizeianzüge; Senatsbeschlüsse vom 16. März 2020, VII-Verg 38/18, BeckRS 2020, 29123 Rn. 34 und vom 15. Mai 2018, VII-Verg 58/17; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 2. November 2017, 11 Verg 8/17, ZfBR 2018, 198, 199). Entscheidend ist, ob der Beteiligte unter den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen und hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen, wobei neben Gesichtspunkten wie der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, der Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen auch rein persönliche Umstände bestimmend sein können (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, NZBau 2006, 800 Rn. 61 - Polizeianzüge). Vorliegend stellten sich schwierige Fragen zum Erfordernis der Auftragsbezogenheit von Zuschlagskriterien, deren Beantwortung von einem normalen Bieter wie der Antragstellerin nicht erwartet werden kann.
Die Entscheidung über die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Demnach beträgt der Gegenstandswert fünf Prozent des Bruttoauftragswerts des Angebots der Antragstellerin (Senatsbeschluss vom 10. Februar 2021, VII-Verg 22/20, BeckRS 2021, 8801 Rn. 56); allerdings bezogen auf die gesamte Laufzeit des Vertrages, wobei die optionale Verlängerung der Vertragslaufzeit um bis zu zwei Jahre nur zur Hälfte zu berücksichtigen ist, um der Ungewissheit darüber, ob der Auftraggeber das Optionsrecht ausüben wird, Rechnung zu tragen (BGH, Beschluss vom 18. März 2014, X ZB 12/13, NZBau 2014, 452 Rnrn. 7, 13).
Keine Rüge ins Blaue hinein!
Keine Rüge ins Blaue hinein!
Melden Sie sich jetzt an unter www.vpr-online.de, um sämtliche Entscheidungen im Volltext lesen zu können.
vpr-online ist DIE Datenbank für öffentliche Auftraggeber und Bieter sowie für alle Berater auf den Gebieten des Vergaberechts.
Mit vpr-online haben Sie außerdem jederzeit und überall Zugriff auf über 5.700 VPR-Beiträge nach dem 1-Seiten-Prinzip, über 12.009 Entscheidungen im Volltext, Arbeitshilfen, Materialien und vieles mehr.
OLG Düsseldorf
Beschluss
vom 28.09.2022
Verg 16/22
1. An Rügen ist zwar ein großzügiger Maßstab anzulegen. Reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen indes nicht aus. Auch bei Vergabeverstöße, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen, ist ein Mindestmaß an Substantiierung einzuhalten. Eine willkürliche, aufs Geratewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung ist unzulässig und unbeachtlich.
2. Werden dem Antragsteller während des Nachprüfungsverfahrens weitere mögliche Vergaberechtsverstöße bekannt, kann er diese zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens machen, sofern die Rüge des erst im Vergabenachprüfungsverfahren bekannt gewordenen Vergaberechtsverstoßes im Übrigen zulässig, insbesondere nicht präkludiert ist. Das gilt auch dann, wenn das Nachprüfungsverfahren zunächst unzulässig war, weil es aufgrund eines nicht, nicht unverzüglich oder inhaltlich unzureichend gerügten Verstoßes eingeleitet worden ist.
3. Ist das Angebot des Bieters nicht das zweit-, sondern das dritt- oder schlechter platzierte, bedarf die Feststellung einer Verschlechterung der Zuschlagschancen demzufolge einer über die Vergaberechtswidrigkeit der Auswahl des erstplatzierten Bieters hinausgehender Darlegung.
4. Im Rahmen des geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes ist die Vergabekammer grundsätzlich auch zum Aufgreifen nicht geltend gemachter, sich aufdrängender Vergaberechtsfehler befugt, soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist. Insbesondere muss der Antragsteller seine Rügeobliegenheit erfüllt haben. Präkludierte Verstöße dürfen von Amts wegen nicht aufgegriffen werden.
5. Der Anspruch auf Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren hat eine rein dienende, zum zulässigen Verfahrensgegenstand akzessorische Funktion. Von daher besteht er dann nicht, wenn der Nachprüfungsantrag zweifelsfrei unzulässig ist oder wenn der Bieter ins Blaue hinein Fehler oder mögliche Verstöße in der Hoffnung rügt, mithilfe von Akteneinsicht zusätzliche Informationen zur Untermauerung substanzloser Mutmaßungen zu erhalten.
vorhergehend:
VK Rheinland, 18.03.2022 - VK 57/20
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der Vergabekammer Rheinland vom 18. März 2022 (VK 67/20) aufgehoben, soweit dem Nachprüfungsantrag stattgegeben worden ist, und der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin unter Zurückweisung ihrer Anschlussbeschwerde insgesamt zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Antragsgegners und der Beigeladenen hat die Antragstellerin zu tragen.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner im Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner schrieb mit Bekanntmachung vom 21. August 2020 im offenen Verfahren einen Rahmenvertrag über die Sicherstellung und Bergung von Fahrzeugen im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums E. im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2024 EU-weit aus (Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, Bekanntmachungsnummer ...). Der Auftrag war in 28 Gebietslose aufgeteilt, die sich wiederum in die beiden Fachlose Abschleppen und Bergung von Fahrzeugen bis 3,50 Tonnen (A 1) und Abschleppen und Bergung von Fahrzeugen ab 3,51 Tonnen (A 2) unterteilten.
Die Angebote waren elektronisch einzureichen (Ziffer I.3 der Bekanntmachung). Einziges Zuschlagskriterium war der Preis (Ziffer II.2.5 der Bekanntmachung). Eignungskriterien wurden in der Bekanntmachung nicht angegeben; in Abschnitt III fanden sich unter den vorgegebenen Überschriften wie wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit (Ziffer III.1.2 der Bekanntmachung) und technische und berufliche Leistungsfähigkeit (Ziffer III.1.3 der Bekanntmachung) keinerlei Eintragungen oder Verweise.
In der Leistungsbeschreibung wurde hingegen in Bezug auf die zu erfüllenden Eignungskriterien auf das Formular 325 EU verwiesen, in dem Nachweise über die Eintragung im Handelsregister und über eine Haftpflichtversicherung gefordert wurden. Teil der Vergabeunterlagen war ein vorbereiteter Vertrag. Nach dessen § 3 verpflichtete sich der Auftragnehmer zu einer 24-Stunden-Dienst- und Rufbereitschaft, in deren Rahmen er die Vertragsleistungen innerhalb von 30 Minuten nach Auftragserteilung zu erbringen habe, was der Standort seines Fuhrparks gewährleisten müsse. Nach § 9 des Vertrages hatte der Auftragnehmer die erforderlichen Fahrzeuge vorzuhalten und nach § 10 ein ausreichend großes Sicherstellungsgelände zu betreiben. Auf den als Anlage ASt 4 zum Nachprüfungsantrag vorgelegten Vertragsentwurf wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
Die Antragstellerin gab Angebote auf die vorliegend streitgegenständlichen Loskombinationen 7 A 1, 7 A 2, 8 A 1, 8 A 2, 14 A 1, 14 A 2, 16 A 1, 16 A 2, 17 A 1, 17 A 2, 23 A 1 und 23 A 2 ab. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2020 informierte der Antragsgegner die Antragstellerin nach § 134 GWB, dass ihr Angebot nach §§ 127 GWB, 58 VgV nicht berücksichtigt werden könne, da sie nicht das wirtschaftlichste Angebot in Gestalt des Preises abgegeben habe; es sei beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
Mit Anwaltsschreiben vom 14. Dezember 2020 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Zuschlagserteilung. Der Zuschlagsprätendentin fehle die Eignung, sie verfüge nicht über den nach § 9 des Vertrags erforderlichen Fuhrpark an der vertraglich genannten Betriebsstätte, über die sie zusätzlich zu den im Rahmen des Vertrags mit dem Polizeipräsidium E.1 bereitzuhaltenden verfügen müsse. Gleiches gelte für die Stellfläche, die zusätzlich zu der für das Polizeipräsidium E.1 und den ADAC vorgehaltenen und räumlich von dieser getrennt vorhanden sein müsse. Zudem fehle es an einer Sicherung gegen das Betreten durch Unbefugte, denn die auf dem Gelände Container lagernde Firma M. besitze Schlüssel. Auch handele es sich um ein Unterkostenangebot; so habe die Beigeladene ihr - der Antragstellerin - bereits knapp kalkuliertes Angebot unterboten. Insoweit genüge im Übrigen auch das Informationsschreiben den gesetzlichen Anforderungen nicht. Der Preisabstand müsse zumindest grob angegeben werden. Zudem indiziere die bisherige Verfahrensführung eine unzureichende Dokumentation.
Bereits am 16. Dezember 2021 beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens zu dessen Begründung sie die vorstehenden Rügen wiederholte.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. dem Antragsgegner zu untersagen, auf das Angebot der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen;
2. den Antragsgegner zu verpflichten, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht Dienstleistungen in dem o.g. Bereich nur nach einem vergaberechtskonformen Vergabeverfahren nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu vergeben;
3. ihr Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren;
4. die Hinzuziehung ihres Bevollmächtigten für notwendig zu erklären;
5. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen aufzuerlegen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Aufwendungen aufzuerlegen;
3. die Beiziehung seines Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären.
Die Antragstellerin liege bezüglich der streitgegenständlichen sechs Loskombinationen 7 A 1, 8 A 1, 14 A 1, 14 A 2 und 17 A 1 nur auf dem dritten, bei den Loskombination 23 A 1 und 23 A 2 sogar nur auf dem vierten Rang. An Eignungskriterien seien nur die in Formular 325 genannten Nachweise über die Eintragung im Handelsregister und über eine Haftpflichtversicherung gefordert gewesen. Eignungskriterien im Hinblick auf Fuhrpark und Sicherstellungsgelände gebe es nicht. Sie habe aber auch keinen Grund anzunehmen, dass die Beigeladene bei Auftragserteilung ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen werde. Einziges Zuschlagskriterium sei der Preis, der sich - wie in Teil B der Leistungsbeschreibung dargestellt - aus einem Pauschalpreis für Abschleppleistungen und einem Stundenpreis für Bergungsleistungen zusammensetze. Die insoweit von der Beigeladenen angebotenen Preise seien zwar nahezu durchweg mehr als 20 Prozent niedriger als die der Mitbieter, er habe diese aber bereits im Vorfeld seiner Zuschlagsentscheidung aufgeklärt und insoweit mit Schreiben vom 26. November 2020 und nochmals mit Schreiben vom 23. Dezember 2020 plausible Angaben von der Beigeladenen erhalten. Insoweit habe er auch berücksichtigt, dass die Beigeladene bereits seit Jahren zu diesen Konditionen für ihn tätig sei.
Die Vergabekammer hat mehrere rechtliche Hinweise erteilt. Zwar werde den von der Antragstellerin erhobenen Beanstandungen im Ergebnis kein Erfolg beschieden sein. Das Vergabeverfahren erweise sich jedoch aus anderen Gründen als fehlerbehaftet. So sei die Leistungsbeschreibung in Ermangelung einer Differenzierung der mitgeteilten Fallzahlen nach den jeweiligen Fachlosen nicht eindeutig. Auch fehle es an der in der in Ziffer 2.3 Leistungsbeschreibung geforderten Vorlage der Preisblätter in Papierform, diese seien von allen Bietern nur in elektronischer Form eingereicht worden. Vor allem aber müsse das Angebot der Beigeladenen wegen Änderung der Vergabeunterlagen ausgeschlossen werden. Die Beigeladene habe eingeräumt, ihre Einsatzfahrzeuge nicht ausschließlich von der Betriebsstätte aus starten zu lassen, sondern nach dem Nächstgelegenheitsprinzip einzusetzen, was mit § 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages unvereinbar sei.
Sodann hat die Vergabekammer mit Beschluss vom 18. März 2022 unter Verwerfung des auf die Loskombinationen 7 A 1, 8 A 1, 14 A 1, 14 A 2, 17 A 1, 23 A 1 und 23 A 2 gerichteten Nachprüfungsantrags dem Antragsgegner untersagt, auf die Loskombinationen 7 A 2, 8 A 2, 16 A 1, 16 A 2 und 17 A 1 den Zuschlag zu erteilen und ihn verpflichtet das diesbezügliche Angebot der Beigeladenen auszuschließen. Soweit die Antragstellerin dritt- oder viertplatzierte Bieterin sei, fehle es an schlüssigem Vortrag zur Minderung ihrer Zuschlagschancen. Soweit sie zweitplatzierte Bieterin sei, habe ihr Nachprüfungsantrag Erfolg. Zwar komme ein Ausschluss des Angebots der Beigeladenen wegen fehlender Eignung schon deswegen nicht in Betracht, weil der Antragsgegner gar keine Eignungskriterien festgelegt habe. Dies sei zwar vergaberechtswidrig, insoweit habe es die Antragstellerin jedoch versäumt, die erforderliche Rüge zu erheben, weshalb sie auch mit dieser, im Laufe des Nachprüfungsverfahrens hilfsweise erhobenen Beanstandung präkludiert sei. Auch soweit die Leistungsbeschreibung trotz der im Rahmen der Bieterkommunikation mit Information vom 9. November 2020 erfolgten Aufgliederung der Fallzahlen der Jahre 2017 bis 2019 auf die einzelnen Gebietslose nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe, weil eine Differenzierung nach den beiden Fachlosen sowie nach Abschleppen und Bergen unterblieben sei, fehle es an der erforderlichen Rüge. Das Fehlen der in 2.3 der Leistungsbeschreibung geforderten Preisblätter in Papierform sei unschädlich, weil die Preise durch Auslegung der elektronischen Angebote geklärt werden könnten. Zulässig sei der Nachprüfungsantrag allerdings, soweit die Antragstellerin ein Unterkostenangebot der Beigeladenen beanstandet habe. Zwar habe auch insoweit die diesbezügliche Rüge den Bestimmtheitsanforderungen nicht genügt, die Behauptung selbst knapp kalkuliert zu haben, reiche hierfür nicht. Die Antragstellerin habe aber im Nachprüfungsverfahren das Vorbringen des Antragsgegners, wegen einer Preisdifferenz von mehr als 20 Prozent das Angebot der Beigeladenen aufgeklärt zu haben, zulässigerweise hinsichtlich der Differenz aufgegriffen. Die Beanstandung sei jedoch unbegründet, die Beigeladene habe die Auskömmlichkeit ihrer Preise mit Schreiben vom 26. November 2020 überzeugend nachgewiesen. Allerdings habe sich die Antragstellerin auch den von ihr im rechtlichen Hinweis herausgearbeiteten Verstoß der Beigeladenen gegen § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV zulässigerweise zu eigen gemacht, den sie vorher schon in Unkenntnis der Handhabung der Beigeladenen bezüglich des Einsatzes der Bergungsfahrzeuge nicht habe rügen können. Diese Beanstandung greife auch durch. Deren Erklärung im Rahmen der Preisaufklärung, zwecks Reduktion der Einsatzzeiten das nächststehende Fahrzeug zum Einsatzort zu schicken, stelle eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen dar, die in § 3 des Vertrages einen Einsatz vom Standort des Fuhrparks vorsähen.
Gegen diese Entscheidung hat der Antragsgegner fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Einem Aufgreifen des angeblichen Vergabeverstoßes von Amts wegen habe bereits die Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags entgegengestanden. Keine der Beanstandungen sei ordnungsgemäß gerügt. Allerdings liege die von der Vergabekammer angenommene Änderung der Vergabeunterlagen durch die Beigeladene auch nicht vor. § 3 Abs. 2 des Vertrags verpflichte den Auftragnehmer lediglich zur Unterhaltung eines Fuhrparkstandorts, der eine Leistungserbringung innerhalb von 30 Minuten nach Abruf ermögliche. Eine Verpflichtung, in jedem Einzelfall von diesem Standort aus zu starten, folge hieraus nicht. Es gäbe keinen sachlichen Grund, warum ein zuvor anderweitig eingesetztes Fahrzeug zunächst zum Standort zurückkehren und von dort neu starten müsse. Mit einer derartigen Vorgabe rechne ein vernünftiger Bieter schon deshalb nicht, weil dies völlig unsinnig sei. Anderes ergebe sich auch nicht aus seinen Antworten auf Bieterfragen. Gegenstand der Bieterfragen sei allein der in § 3 Abs. 2 geregelte Standort gewesen. Es gehe nur darum, dass die Bieter über einen Standort verfügen müssten, von dem aus sie in 30 Minuten am Einsatzort seien, nicht, ob die Fahrzeuge auch in jedem Fall von dort starten müssen.
Der Antragsgegner beantragt,
1. auf seine sofortige Beschwerde den Beschluss der Vergabekamme Rheinland vom 18. März 2022 (Az. VK 67/20-L) aufzuheben, soweit dem Nachprüfungsantrag bezüglich der Lose 7 A 2, 8 A 2, 16 A 1, 16 A 2 und 17 A 2 stattgegeben wurde;
2. den Nachprüfungsantrag auch bezüglich der Lose 7 A 2, 8 A 2, 16 A 1, 16 A 2 und 17 A 2 zu verwerfen oder zurückzuweisen;
3. der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens unter Einschluss seiner zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen aufzuerlegen;
4. die Hinzuziehung seines Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären;
Die Antragstellerin beantragt,
1. die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen;
sowie im Wege der Anschlussbeschwerde
2. den Beschluss der Vergabekammer Rheinland vom 18. März 2022 (Az. VK 67/20-L) aufzuheben, soweit der Nachprüfungsantrag bezüglich der Loskombinationen 7 A 1, 8 A 1, 14 A 1, 14 A 2, 17 A 1 23 A 1 und 23 A 2 verworfen wurde und
3. dem Antragsgegner zu untersagen, bezüglich der Loskombinationen 7 A 1, 8 A 1, 14 A 1, 14 A 2, 17 A 1 23 A 1 und 23 A 2 auf das Angebot der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen;
4. den Antragsgegner zu verpflichten, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht Dienstleistungen in dem o.g. Bereich hinsichtlich der Loskombinationen 7 A 1, 8 A 1, 14 A 1, 14 A 2, 17 A 1 23 A 1 und 23 A 2 nur nach einem vergaberechtskonformen Vergabeverfahren nach Maßgabe der Rechtsauffassung des hiesigen Senats zu vergeben;
5. ihr Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren;
6. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens sowie ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen aufzuerlegen;
7. die Hinzuziehung ihres Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären;
Die Antragstellerin verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer, soweit diese ihrem Nachprüfungsantrag stattgegeben hat. Im übrigen ergänzt und vertieft sie ihr Vorbringen vor der Vergabekammer. Zu Unrecht habe die Vergabekammer ihren Nachprüfungsantrag teilweise verworfen. Sie hätte insoweit die Nichtfestlegung von Eignungskriterien von Amts wegen aufgreifen müssen. Gleiches gelte für die fehlende Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung. Zudem habe die Vergabekammer ihr rechtswidrig Akteneinsicht verwehrt, weshalb sie nicht habe überprüfen können, ob die Beigeladene geeignet sei, über einen hinreichenden Fuhrpark verfüge und ob ihre Preiskalkulation plausibel sei.
Die Beigeladene, die weder vor der Vergabekammer noch vor dem Senat einen Antrag gestellt hat, trägt ergänzend vor, die Rüge eines Unterkostenangebots sei ohne jegliche Begründung ins Blaue hinein erhobenen. Bewusst nicht gerügt habe die Antragstellerin hingegen die angebliche Änderung der Vergabebedingungen, da sie selbst nach dem Nächstgelegenheitsprinzip disponiere. Es sei für jeden Bieter vollständig widersinnig, jede Einsatzfahrt ausschließlich vom Betriebsstandort aus durchzuführen.
II.
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, während die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin zwar zulässig, aber unbegründet ist.
1. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingereicht. Die erforderliche Beschwer ist nach § 171 Abs. 1 Satz 2 GWB gegeben, weil ihm die Vergabekammer die Erteilung des Zuschlags auf die Loskombinationen 7 A 2, 8 A 2, 16 A 1, 16 A 2 und 17 A 1 untersagt und ihn insoweit zum Ausschluss des diesbezüglichen Angebots der Beigeladenen verpflichtet hat.
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zu Unrecht im Hinblick auf die Loskombinationen 7 A 2, 8 A 2, 16 A 1, 16 A 2 und 17 A 1 für zulässig und begründet erachtet. Der von der Antragstellerin ursprünglich gestellte und auf die mit Rügeschreiben vom 14. Dezember geltend gemachten Vergaberechtsverstößen geführte Nachprüfungsantrag war unzulässig. Soweit sich die Antragstellerin den von der Vergabekammer von Amts wegen aufgegriffenen Verstoß gegen § 57 Abs. 1 Nr. 4 VGV und die diesbezüglichen Ausführungen hierzu zu eigen gemacht hat, ist er unbegründet.
a) Der von der Antragstellerin am 16. Dezember 2020 eingereichte Nachprüfungsantrag war gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB unzulässig. Die Antragstellerin hat die behaupteten Vergaberechtsverstöße nicht innerhalb einer Frist von zehn Tagen ab Kenntniserlangung gerügt. Ihr Rügeschreiben vom 14. Dezember 2020 genügt den an eine ordnungsgemäße Rüge zu stellenden inhaltlichen Mindestanforderungen nicht.
aa) Zwar ist an Rügen ein großzügiger Maßstab anzulegen (Senatsbeschlüsse vom 2. Juni 2021, VII-Verg 48/20, und vom 15. Januar 2020, VII-Verg 20/19; OLG Dresden, Beschluss vom 6. Februar 2002, W Verg 4/02; OLG München, Beschluss vom 7. August 2007, Verg 8/07). Da ein Bieter naturgemäß nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens hat, darf er im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines - oft nur beschränkten - Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergabeverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen (Senatsbeschluss vom 13. April 2011, VII-Verg 58/10; OLG Frankfurt, Beschluss vom 9. Juli 2010, 11 Verg 5/10). Der Antragsteller muss dann lediglich tatsächliche Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen (Senatsbeschluss vom 16. August 2019, VII-Verg 56/18; OLG München, Beschluss vom 11. Juni 2007, Verg 6/07).
Reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen indes nicht aus (Senatsbeschluss vom 15. Januar 2020, VII-Verg 20/19; OLG München, Beschluss vom 2. August 2007, Verg 7/07). Auch bei Vergabeverstöße, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen, ist ein Mindestmaß an Substantiierung einzuhalten (Senatsbeschluss vom 13. April 2011, Verg 58/10, ZfBR 2011, 508, 511). Eine willkürliche, aufs Geratewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung ist unzulässig und unbeachtlich (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, NZBau 2006, 800 Rn. 39 - Polizeianzüge). Aus Gründen der Beschleunigung wie auch zur Vorbeugung gegen den Missbrauch der Rüge bzw. des Nachprüfungsverfahrens ist dem öffentlichen Auftraggeber in der Regel nicht zuzumuten, auf gänzlich unsubstantiierte Rügen hin in eine (ggf. erneute) Tatsachenermittlung einzutreten (st. Rspr., vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. März 2021, VII-Verg 9/21, BeckRS 2021, 21306 Rn. 20; vom 15. Januar 2020, VII-Verg 20/19; vom 16. August 2019, VII-Verg 56/18, NZBau 2020, 249 und vom 12. Juni 2019, VII-Verg 54/18, VergabeR 2020, 92 ff.).
bb) Das Rügeschreiben der Antragstellerin vom 14. Dezember 2020 genügt den danach einzuhaltenden Mindestanforderungen nicht. Die Antragstellerin hat keinerlei tatsächliche Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen.
(1) Soweit die Antragstellerin eine fehlende Eignung der Beigeladenen beanstandet, hätte es zur Begründung eines hinreichenden Verdachts für einen diesbezüglichen Vergabeverstoß zunächst des Vortrags bedurft, dass der Antragsgegner in der Auftragsbekanntmachung Eignungsanforderungen aufgestellt hat. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB sind sämtliche Eignungsanforderungen in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Andere Eignungsanforderungen sind nicht wirksam aufgestellt (Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2020, VII-Verg 36/19, ZfBR 2021, 84, 88). Die Ausführungen der Antragstellerin zu den sich aus den §§ 9 und 10 des vorgegebenen Rahmenvertrages angebliche ergebenden Eignungsanforderungen waren folglich schon aus Rechtsgründen nicht geeignet, den Verdacht eines Vergabeverstoßes zu begründen.
(2) Die Rüge eines Unterkostenangebots der Beigeladenen genügte den Substantiierungsanforderungen nicht. Sie erschöpft sich in dem Vortrag, das eigene Angebot knapp kalkuliert zu haben. Allein der Umstand, dass das eigene Angebot preislich über dem des Zuschlagsprätendenten liegt, ist aber nicht geeignet, den hinreichenden Verdacht eines Unterkostenangebots zu begründen. Es ist gerade die Intention des Vergabeverfahrens, das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln. Allein die Tatsache, dass der Zuschlagsprätendent das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, lässt daher ohne weiteres Vorbringen noch keinen Rückschluss auf ein Unterkostenangebots zu.
Der Umstand, dass der Abstand des Angebots der Beigeladenen tatsächlich mehr als 20 Prozent zu den Konkurrenzprodukten beträgt, weshalb der Antragsgegner die Kalkulation der Beigeladenen bereits vor ihrer Auswahlentscheidung von sich aus aufgeklärt und die Rüge der Antragstellerin zum Anlass für eine weitere Nachfrage bei der Beigeladenen genommen hat, beseitigt die Präklusionswirkung nicht. Die Präklusionsvorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB steht nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten. Die Obliegenheit zur vorprozessualen Rüge ist eine zwingende Sachentscheidungs- oder Zugangsvoraussetzung für das Nachprüfungsverfahren (Senatsbeschluss vom 22. August 2000, Verg 9/00; Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, GWB § 160 Rn. 36).
(3) Einen Verstoß gegen § 134 GWB hat die Antragstellerin nicht schlüssig vorgetragen. Der Antragsgegner war nicht verpflichtet den preislichen Abstand zwischen dem Angebot der Antragstellerin und dem der Beigeladenen mitzuteilen. Die Information, es liege ein niedrigeres Angebot vor, ist nur dann nicht ausreichend, wenn nicht ausschließlich der Preis als Zuschlagskriterium genannt ist (Braun in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, GWB § 134 Rn. 87). Ist hingegen - wie vorliegend - der Preis das einzige Zuschlagskriterium, genügt die Information, die Antragstellerin habe nicht das wirtschaftlichste Angebot in Gestalt des Preises abgegeben.
(4) Die Rüge fehlender Dokumentation erschöpft sich in reinen Vermutungen. Die Antragstellerin hat in ihrem Rügeschreiben keinerlei Indizien oder Tatsachen vorgetragen, die den von ihr behaupteten Vergabeverstoß in irgendeiner Weise wahrscheinlicher erscheinen lassen als die abstrakte, immer bestehende Möglichkeit von Vergabefehlern. Auch soweit es um Vergabeverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen, bedarf die Rüge eines Mindestmaßes an Substantiierung. Eine aufs Geradewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung ist stets und damit auch in solchen Fällen unzulässig und unbeachtlich.
b) Der Nachprüfungsantrag ist hingegen zulässig, soweit sich die Antragstellerin den von der Vergabekammer von Amts wegen aufgegriffenen Verstoß des Antragsgegners gegen die Verpflichtung, Angebote, bei denen Änderung an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind, nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV auszuschließen, zu eigen gemacht hat, in der Sache hat er aber keinen Erfolg.
aa) Der Nachprüfungsantrag ist insoweit zulässig. Werden dem Antragsteller während des Nachprüfungsverfahrens weitere mögliche Vergaberechtsverstöße bekannt, kann er diese zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens machen, sofern die Rüge des erst im Vergabenachprüfungsverfahren bekannt gewordenen Vergaberechtsverstoßes im Übrigen zulässig, insbesondere nicht präkludiert gemäß § 160 Abs. 3 GWB ist. Das gilt auch dann, wenn das Nachprüfungsverfahren zunächst unzulässig war, weil es aufgrund eines nicht, nicht unverzüglich oder inhaltlich unzureichend gerügten Verstoßes eingeleitet worden ist. Es wäre mit dem Beschleunigungsgebot unvereinbar, den Bieter wegen erst während des Nachprüfungsverfahrens erkannter Verstöße auf die Rüge gegenüber der Vergabestelle und die anschließende Einleitung eines neuen Nachprüfungsverfahrens zu verweisen (Senatsbeschluss vom 13. April 2011, VII-Verg 58/10, ZfBR 2011, 508, 512; OLG Celle, Beschluss vom 12. Mai 2005, 13 Verg 5/05; OLG Koblenz, Beschluss vom 26. Oktober 2005, VergabeR 2006, 392; OLG Brandenburg, Beschluss vom 6. Oktober 2006, VergabeR 2007, 529).
Der Nachprüfungsantrag ist nicht mangels Rüge unzulässig, denn die Antragstellerin hat von der Dispositionspraxis der Beigeladenen erst im Zuge des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer erfahren. Hinsichtlich der nach Einleitung des Vergabenachprüfungsverfahrens gewonnenen Erkenntnisse besteht keine Rügeobliegenheit mehr und kann demzufolge auch nicht gegen sie verstoßen worden sein (Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2019, VII-Verg 13/19, BeckRS 2019, 45771 Rn. 46).
bb) Der Nachprüfungsantrag ist allerdings unbegründet. Die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV liegen nicht vor. Das Angebot enthält keine Änderungen an den Vergabeunterlagen. Die Bestimmung des § 3 Abs. 2 des abzuschließenden Rahmenvertrages, wonach der jeweilige Standort des Fuhrparks des Auftragnehmers eine Ausführung innerhalb von 30 Minuten nach Auftragserteilung gewährleisten muss, begründet keine Verpflichtungen die Einsatzfahrt in jedem Fall vom Standort des Fuhrparks aus zu beginnen.
(1) Die Frage, welcher Erklärungswert den maßgeblichen Teilen der Vergabeunterlagen zukommt, ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 - Stadtbahnprogramm Gera; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18. Juli 2017, 11 Verg 7/17, BeckRS 2017, 121590 Rn. 59). Dabei ist im Rahmen einer normativen Auslegung auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter bzw. Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31 - Stadtbahnprogramm Gera). Es kommt nicht darauf an, wie die Antragstellerin als einzelne Bewerberin die Unterlagen verstanden hat, sondern wie der durchschnittliche Bewerber des angesprochenen Bewerberkreises sie verstehen musste oder konnte. Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt (Senatsbeschlüsse vom 21. Oktober 2015, VII-Verg 28/14, NZBau 2016, 235 Rn. 40 - BSI, sowie vom 5 November 2014, VII-Verg 21/14, BeckRS 2015, 11625; Lampert in Burgi/Dreher, Beck'scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, Teil 4, GWB § 121 Rn. 77). Wie Mitbieter oder -bewerber die Vergabeunterlagen verstanden haben, kann für die normativ zu bestimmende Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Bieters beziehungsweise Bewerbers von indizieller Bedeutung sein (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008, X ZR 78/07, NZBau 2008, 592 Rn. 15 - BAB-Leiteinrichtungen; Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2017, VII-Verg 19/17, NZBau 2018, 242 Rn. 37 - LKW-Mautsystem III; Lampert in Burgi/Dreher, a. a. O.). Auf Abweichungen vom Üblichen ist hinzuweisen, da ein Bieter Ungewöhnliches grundsätzlich nicht erwarten muss (Lampert in Burgi/Dreher, Beck'scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, Teil 4, GWB § 121 Rn. 77).
(2) Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen kann den Vergabeunterlagen ein Verbot der Disposition nach dem Nächstgelegenheitsprinzip nicht entnommen werden. Ein derartiges Verständnis gestattet weder der Wortlaut des abzuschließenden Vertrags noch die Antworten auf diesbezüglichen Bieterfragen
Ein durchschnittlicher und verständiger Bieter entnimmt der Regelung in § 3 Abs. 2 des abzuschließenden Rahmenvertrags, wonach der jeweilige Standort des Fuhrparks des Auftragnehmers eine Ausführung innerhalb von 30 Minuten nach Auftragserteilung gewährleisten muss, lediglich, der Standort seines Fuhrparks müsse so gelegen sein, dass von dort aus jeder mögliche Einsatzort im Gebietslos innerhalb von 30 Minuten zuverlässig erreicht werden kann. Einem vom Standort aufbrechenden Fahrzeug muss es folglich ohne weiteres möglich sein, einen beliebigen Einsatzort im Gebietslos innerhalb von 30 Minuten anzufahren. Ein Verbot, ein zufälligerweise in der Nähe des Einsatzortes befindliches Fahrzeug auf direktem Wege zu diesem zu beordern, ist damit jedoch nicht verbunden. Die Einhaltung der 30-Minuten-Vorgabe darf nur nicht von dieser Zufälligkeit abhängen, sondern muss aufgrund des Standorts des Fuhrparks, an dem sich die übrigen Fahrzeuge befinden, auch unabhängig davon gewährleistet sein. Allein diesem Zweck dient die Bestimmung.
An diesem Verständnis vermag auch die Beantwortung der Bieterfragen nichts zu ändern. Ihnen ist nur zu entnehmen, dass der Standort des Fuhrparks die Erreichung des Einsatzortes innerhalb von 30 Minuten gewährleisten und dass das Angebot vom Betreiber dieses Standorts abgegeben werden muss. Der Umstand, dass einzelne außerhalb des Standorts positionierte Fahrzeuge zur Erfüllung der 30-Minuten-Vorgabe nicht genügen, lässt nicht den Rückschluss zu, das Fahrzeug müsste jeweils vom Standort aus aufbrechen. Einzelne Fahrzeuge werden ersichtlich nur deswegen als zur Erfüllung der 30-Minuten-Vorgabe nicht genügend erachtet, weil dann nicht hinreichend viele Fahrzeuge zur Erfüllung der übernommenen Aufgabe zur Verfügung stünden; etwa wenn ein zweiter Auftrag eingeht, während das einzeln positionierte Fahrzeug noch mit dem ersten Auftrag befasst ist. Der Einsatz eines außerhalb des Standorts des Fuhrparks, aber näher am Einsatzort befindlichen Fahrzeugs wird hierdurch nicht ausgeschlossen. Es muss nur gewährleistet sein, dass beim Eingang eines weiteren Auftrags auch das dann vom Standort aus aufbrechende zweite Fahrzeug den Einsatzort in 30 Minuten erreicht.
In diesem Sinne ist auch die Antwort vom 11. November 2020 auf die zweite Nachfrage der Antragstellerin zu verstehen, wonach die Leistung nicht von mehreren Standorten aus durchgeführt werden kann, sondern nur von dem Standort, der die Voraussetzung der Leistungsbeschreibung erfüllt und der Einsatzort in maximal 30 Minuten erreicht werden kann. Diese Antwort zielt allein darauf, dass der Bieter einen Standort innerhalb des jeweiligen Gebiets betreiben muss, von dem aus alle möglichen Einsatzorte im Gebietslos innerhalb von 30 Minuten erreicht werden können. Ein "Mischsystem", bei dem die Fahrzeuge mal von dem Standort innerhalb des Gebietsloses und mal von einem außerhalb aufbrechen, ist danach nicht zulässig. Hieraus folgt aber nicht die Verpflichtung, die Einsatzfahrt nur vom Standort aus starten zu dürfen.
Für dieses Verständnis spricht nicht zuletzt auch der Zweck des Vertrags, eine zügige Sicherstellung und Bergung von Fahrzeugen im Einsatzgebiet zu gewährleisten. Zweck der Vertragsbestimmung ist es, eine möglichst rasche Bergung oder Sicherstellung zu gewährleisten. Die Frist von 30 Minuten definiert die Höchstdauer, die nach Möglichkeit nicht ausgeschöpft werden sollte. Eine Erreichung des Einsatzortes innerhalb von einer Minute ist nach der Intension der Regelung gegenüber einer Erreichung innerhalb von 30 Minuten klar vorzugswürdig. Ein Verbot der Disposition nach dem Nächstgelegenheitsprinzip hätte aber zur Konsequenz, dass ein zufälligerweise in der - möglicherweise sogar unmittelbaren - Nähe des Einsatzortes befindliches Einsatzfahrzeug nicht direkt den Einsatzort anfahren dürfte, sondern zunächst zum Standort des Fuhrparks zurückkehren müsste, um von dort neu zu starten. Ein solche Verpflichtung könnte aber zu einer mit dem Vertragszweck unvereinbaren Verzögerung der Auftragsausführung um bis zu 29 Minuten führen.
3. Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin ist zulässig, in der Sache muss ihr ein Erfolg jedoch versagt bleiben.
a) Die Anschlussbeschwerde ist zulässig. Die die Statthaftigkeit der im vierten Teil des GWB nicht geregelten Anschlussbeschwerde bejahende Spruchpraxis der Oberlandesgerichte hat inzwischen höchstrichterliche Billigung erfahren (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rnrn. 15, 16 - Postdienstleistungen). Sie ist in Anlehnung an §§ 524 Absatz 2 Satz 2 2, § 521 Absatz 2 Satz 1 ZPO bis zum Ablauf der dem Beschwerdegegner für die Erwiderung auf die Beschwerde gesetzten Frist einzulegen und zu begründen (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 17 - Postdienstleistungen), was vorliegend geschehen ist.
b) Die Anschlussbeschwerde ist jedoch unbegründet. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hat auch in Bezug auf die Loskombinationen 7 A 1, 8 A 1, 14 A 1, 14 A 2, 17 A 1, 23 A 1 und 23 A 2 keinen Erfolg.
aa) Allerdings fehlt nicht bereits die von § 160 Abs. 2 GWB geforderten Antragsbefugnis, wonach nur solche Unternehmen antragsbefugt sind, denen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Der Umstand, dass das Angebot der Antragstellerin in Bezug auf die Loskombinationen 7 A 1, 8 A 1, 14 A 1, 14 A 2 und 17 A 1 auf dem dritten und in Bezug auf die Loskombinationen 23 A 1 und 23 A 2 auf dem vierten Rang platziert ist, hindert sie nicht an der Geltendmachung ihrer Beanstandungen, alle Angebote seien von der Wertung auszuschließen, weil kein Bieter das geforderte Leistungsverzeichnis im Papierform vorgelegt habe.
(1) Ein Schaden droht, wenn der Antragsteller im Fall eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte (BGH, Beschluss vom 10. November 2009, X ZB 8/09, NZBau 2010, 124 Rn. 32), wenn also die Aussichten dieses Bieters auf die Erteilung des Auftrags zumindest verschlechtert worden sein können (BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2004, 2 BvR 2248/03, NZBau 2004, 564, 565). Nicht erforderlich ist, dass ein Antragsteller im Sinne einer darzulegenden Kausalität nachweisen kann, dass er bei korrekter Anwendung der Vergabevorschriften den Auftrag erhalten hätte. Nur wenn eine Verschlechterung der Zuschlagschancen durch den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß offensichtlich ausgeschlossen ist, ist der Nachprüfungsantrag mangels Antragsbefugnis unzulässig (Senatsbeschluss vom 10. Februar 2021, Verg 23/20, BeckRS 2021, 21311 Rn. 26).
Ist das Angebot des Bieters nicht das zweit-, sondern das dritt- oder schlechter platzierte, bedarf die Feststellung einer Verschlechterung der Zuschlagschancen demzufolge einer über die Vergaberechtswidrigkeit der Auswahl des erstplatzierten Bieters hinausgehender Darlegung (OLG Brandenburg, Beschluss vom 9. Februar 2010, Verg W 10/09, BeckRS 2010, 3986). Insoweit ist entweder dahingehender Vortrag erforderlich, dass das eigene, beispielsweise an dritter Stelle der Wertung liegende Angebot deshalb den Zuschlag erhalten müsste, weil auch das auf dem zweiten Platz der Wertung liegende Angebot von der Wertung auszuschließen sei (OLG Celle, Beschluss vom 2. Dezember 2010, 13 Verg 12/10, BeckRS 2011, 528; Schäfer in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Komm. z. GWB-Vergaberecht, 5. Aufl. 2020, § 160 Rn. 75) oder dass sämtliche tatsächlich in die Wertung gelangten Angebote hätte ausgeschlossen werden müssen (Senatsbeschluss vom 27. April 2005, VII-Verg 23/05, BeckRS 2005, 5608), weil dann das eingeleitete Vergabeverfahren Fall nicht durch Zuschlag beendet werden darf und zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung in Betracht kommt (BGH, Beschluss vom 10. November 2009, X ZB 8/09, NZBau 2010, 124 Rn. 32). Letzteres gilt generell, wenn als Maßnahme zur Beseitigung der vergaberechtswidrigen Vorgehensweise die Aufhebung der Ausschreibung in Betracht kommt und der Bieter so die Chance hätte, sich an der erneuten Ausschreibung im Rahmen eines vergaberechtsgemäßen Verfahrens mit einem dieser Ausschreibung entsprechenden konkurrenzfähigen Angebot zu beteiligen (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, NZBau 2006, 800 Rn. 30; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. August 2007, 11 Verg 3/07, BeckRS 2008, 13765; Senatsbeschluss vom 27. April 2005, VII-Verg 23/05, BeckRS 2005, 5608).
(2) Bei Anwendung dieser Grundsätze, fehlt es am Schadenserfordernis, soweit die Antragstellerin mit ihrer ursprünglichen Rüge allein einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen begehrt hat, da sie nichts zur Ausschlusswürdigkeit der zweit- und - im Falle der Loskombinationen 23 A 1 und 23 A 2 - drittplatzierten Angebote vorgetragen hat. Allerdings hätte entsprechender Vortrag ohnehin nichts an der Verwerfung des ursprünglichen Nachprüfungsantrags nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB als unzulässig zu ändern vermocht, weil die Antragstellerin - wie vorstehend unter 2.a. ausgeführt - insoweit auch ihrer Rügeobliegenheit nicht genügt hat.
Auch soweit die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag um den von der Vergabekammer von Amts wegen aufgegriffenen Ausschlussgrund eines Verstoßes des Antragsgegners gegen die Verpflichtung, Angebote, bei denen Änderung an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind, nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV auszuschließen, erweitert hat, scheitert ihr Antrag an der fehlenden Antragsbefugnis, denn sie hat zur Ausschlusswürdigkeit der zweit- und drittplatzierten Angebote keinen Vortrag gehalten.
(3) Die Antragsbefugnis ist hingegen zu bejahen, soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, dass alle Angebote auszuschließen seien, wie keiner der Bieter die Preisblätter in Papierform vorgelegt hat. Wären alle Angebote von der Wertung auszuschließen und kann das Vergabeverfahren daher nicht durch Zuschlag beendet werden, hätte die Antragstellerin die Chance, sich an der erneuten Ausschreibung mit einem neuen Angebot zu beteiligen. Eine Rügepräklusion liegt nicht vor, weil die Antragstellerin erst im Rahmen des Verfahrens vor der Vergabekammer den relevanten Sachverhalt erfahren hat.
bb) Ein Verstoß gegen § 57 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 VgV liegt nicht vor. Die Angebote sämtlicher Bieter waren nicht deshalb von der Wertung auszuschließen, weil keiner von ihnen die geforderten Preisblätter zusätzlich auch in Papierform vorgelegt hat. Eine solche Forderung ergibt sich aus den Vergabeunterlagen nicht.
Die Vergabeunterlagen sind - wie vorstehend unter 2.b.bb.(1) ausgeführt - nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) auszulegen, wobei das Verständnis Mitbieter für die normativ zu bestimmende Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Bieters von indizieller Bedeutung sein kann.
Für den durchschnittlichen Bieter bestand zwischen der Verpflichtung in Ziffer I.3 der Bekanntmachung, die Angebote elektronisch einzureichen, und der Aufforderung in Ziffer 2.3. Absatz 1 Satz 3 der Leistungsbeschreibung, das Preisblatt dem Angebot in Papierform beizufügen, ein Widerspruch, den er für sich dahingehend auflösen durfte, dass es sich bei der Aufforderung in der Leistungsbeschreibung um eine versehentlich stehengebliebene Anforderung aus früheren Ausschreibungen handelt und auch das Preisblatt entsprechend der Vorgabe zur elektronischen Einreichung aus der Bekanntmachung dem Angebot in elektronischer Form beizufügen ist. Einem elektronisch einzureichenden Angebot kann kein Preisblatt in Papierform beigefügt werden.
cc) Nicht zum Erfolg verhilft dem Nachprüfungsantrag, dass die Vergabekammer von Amts wegen einen Verstoß gegen § 122 Abs. 1 GWB, § 48 VgV und § 97 Abs. 1 und 2 GWB aufgegriffen hat, weil in der Bekanntmachung keine Eignungskriterien festgelegt worden sind. Die Vergabekammer war hierzu nicht berechtigt.
Der Umfang der tatsächlichen und rechtlichen Prüfung durch die Vergabekammern wird durch § 163 Abs. 1 GWB und § 168 Abs. 1 GWB bestimmt. Demnach erforscht die Vergabekammer den Sachverhalt von Amts wegen. Sie kann sich auf das beschränken, was von den Beteiligten vorgebracht wird oder sonst bekannt sein muss. Dabei ist sie nicht zu einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle verpflichtet. Allerdings ist sie grundsätzlich zum Aufgreifen auch nicht geltend gemachter, sich aufdrängender Vergaberechtsfehler befugt (Senatsbeschlüsse vom 13. Mai 2019, VII-Verg 47/18, NZBau 2019, 665 Rn. 41 - BAIUDBw, vom 5. Mai 2008, VII-Verg 5/08 NZBau 2009, 269, 271 - Wachdienst).
Der Amtsermittlungsgrundsatz gilt allerdings nur soweit, als der Nachprüfungsantrag zulässig ist (Senatsbeschlüsse vom 11. Juli 2018, VII-Verg 24/18, NZBau 2019, 64 Rn. 42 - Poppelsdorfer Schloss, und vom 20. Juli 2015, VII-Verg 37/15 - AÜG-Erlaubnis und BDWS-Mitgliedschaft; Blöcker in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Aufl. 2020, § 168 Rn. 27). Insbesondere muss der Antragsteller seine aus § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB folgende Rügeobliegenheit erfüllt haben. Präkludierte Verstöße dürfen von Amts wegen nicht aufgegriffen werden (Senatsbeschlüsse vom 13. Mai 2019, VII-Verg 47/18, NZBau 2019, 665 Rn. 41 - BAIUDBw, vom 11. Juli 2018, VII-Verg 24/18, NZBau 2019, 64 Rn. 42 - Poppelsdorfer Schloss, und vom 20. Juli 2015, VII-Verg 37/15 - AÜG-Erlaubnis und BDWS-Mitgliedschaft).
Mit den in Rede stehenden Verstößen ist die Antragstellerin präkludiert.
(1) Nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB müssen Verstöße gegen Vergabevorschriften, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Die Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften ist objektiv zu bestimmen. Eine die Rügeobliegenheit auslösende Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften ist - immer bezogen auf den konkreten Einzelfall - zu bejahen, wenn der Verstoß von einem durchschnittlich fachkundigen Bieter des angesprochenen Bieterkreises bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden kann (Senatsbeschlüsse vom 3. April 2019,VII-Verg 49/18; vom 26. Juli 2018, VII-Verg 23/18; vom 28. März 2018, VII-Verg 54/17 und vom 15. Januar 2020, VII-Verg 20/19, BeckRS 2020, 1327 Rn. 37). Dabei muss sich die Erkennbarkeit sowohl auf die den Verstoß begründenden Tatsachen als auch auf deren rechtliche Beurteilung beziehen (vgl. Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 160 Rn. 49).
Im Hinblick auf die Vergabeunterlagen wird damit als Voraussetzung einer Rügepräklusion gefordert, dass der Inhalt der Unterlagen bei laienhafter rechtlicher Bewertung, also ohne Bemühung besonderen Rechtsrats, auf einen Vergaberechtsverstoß hindeutet. Das setzt regelmäßig voraus, dass die Rechtsvorschriften, gegen die verstoßen wird, zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der beteiligten Bieterkreise gehören (Senatsbeschlüsse vom 26.Juli 2018, VII-Verg 23/18 und vom 15. Januar 2020, VII-Verg 20/19, BeckRS 2020, 1327 Rn. 37; OLG München, Beschluss vom 22. Oktober 2015, Verg 5/15). Eine Rügepräklusion kommt in der Regel nur für auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhende und ins Auge fallende auftragsbezogene Rechtsverstöße in Betracht (vgl. Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 160 Rn. 49). Der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots bzw. seiner Bewerbung auffallen muss (Senatsbeschluss vom 3. Aug. 2011, Verg 16/11, ZFBR 20212, 72, 74). Einer exakten rechtlichen Einordnung des Vergaberechtsverstoßes durch den Bieter bedarf es jedoch nicht (OLG Schleswig, Beschluss vom 22. Januar 2019, 54 Verg 3/18, BeckRS 2019, 590 Rn. 48).
(2) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Antragstellerin mit der Rüge fehlender Eignungskriterien präkludiert. Sämtliche Eignungskriterien sind nach dem eindeutigen Wortlaut des § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Andere Eignungsanforderungen sind nicht wirksam aufgestellt (Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2020, VII-Verg 36/19, ZfBR 2021, 84, 88). Auf die Vergabeunterlagen kommt es insoweit nicht an; diese können die Bekanntmachung - sofern sie mit dieser übereinstimmen - allenfalls konkretisieren (OLG Celle, Beschluss vom 24. April 2014, 13 Verg 2/14, BeckRS 2014, 14221 Rn. 36; Senatsbeschluss vom 24. Mai 2006, VII-Verg 14/06, ZfBR 2007, 181, 182). Dieser sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende Grundsatz entspricht allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis. Diskutiert wird insoweit allenfalls, ob und inwieweit Links in der Bekanntmachung dem Erfordernis der Angabe in der Bekanntmachung genügen können (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juli 2018, VII-Verg 24/18, NZBau 2019, 64 Rnrn. 35, 36). Fehlt hingegen - wie vorliegend - unter dem entsprechenden Gliederungspunkt der Bekanntmachung jedwede Angabe, dann handelt es sich um einen ins Auge fallenden auftragsbezogenen Rechtsverstoß, der einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots auffallen muss.
(3) Entsprechendes gilt für die Rüge fehlender Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung, die die Vergabekammer in der fehlenden Differenzierung der Fallzahlen nach den beiden Fachlosen sowie nach Abschleppen und Bergen gesehen hat. Auch dies musste einem verständigen Bieter spätestens bei der Kalkulation seines Angebots auffallen, zumal die zugrunde zulegenden Preise aufgrund des höheren Gewichts der Fahrzeuge im Fachlos zwei deutlich voneinander abweichen, weshalb Fallzahlen ohne diese Differenzierung eine fallzahlbezogene Kalkulation nicht ermöglichen.
4. Ein Anspruch der Antragstellerin auf Einsicht in die Vergabeakte besteht nicht, die diesbezüglichen Voraussetzungen sind nicht gegeben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat der Anspruch auf Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren eine rein dienende, zum zulässigen Verfahrensgegenstand akzessorische Funktion (Senatsbeschluss vom 29. März 2021, VII-Verg 9/21, NZBau 2021, 631 Rn. 27 m. w. Nw.; ebenso OLG Naumburg, Beschluss vom 1. Juni 2011, 2 Verg 3/11, BeckRS 2011, 21710). Von daher besteht er dann nicht, wenn der Nachprüfungsantrag zweifelsfrei unzulässig ist (Senatsbeschluss vom 12. August 2021, VII-Verg 27/21, unter III.; KG, Beschluss vom 13. September 2012, Verg 4/12; Reidt in Reidt/Stickler/Glas, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 165 Rn. 14) oder wenn der Bieter ins Blaue hinein Fehler oder mögliche Verstöße in der Hoffnung rügt, mithilfe von Akteneinsicht zusätzliche Informationen zur Untermauerung substanzloser Mutmaßungen zu erhalten (Senatsbeschluss vom 25. September 2017, Verg 19/17, BeckRS 2017, 149861 Rn. 9). Die Beschleunigungsbedürftigkeit von Vergabenachprüfungsverfahren steht einem gänzlich voraussetzungslosen Akteneinsichtsanspruch aus § 165 Abs. 1 GWB entgegen. Ein Anspruch auf Akteneinsicht setzt vielmehr voraus, dass der das Akteneinsichtsgesuch begründende Sachvortrag beachtlich und entscheidungserheblich ist (Senatsbeschluss vom 25. September 2017, Verg 19/17, BeckRS 2017, 149861 Rn. 9). Zudem ist nach § 165 Abs. 2 GWB Akteneinsicht zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, geboten ist.
Nach ihren Ausführungen in der Anschlussbeschwerdebegründung begehrt die Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakte zum einen in Hinblick auf die Eignung der Beigeladenen, auch um zu kontrollieren, ob diese über einen ausreichend großen Fuhrpark verfügt, und zum anderen, um deren Preiskalkulation überprüfen zu können. Dies trägt einen Anspruch auf Akteneinsicht schon deswegen nicht, weil ihr Nachprüfungsantrag in Bezug Rüge fehlender Eignung der Beigeladenen aufgrund fehlenden Vortrags zu den in der Bekanntmachung aufgeführten Eignungskriterien bereits aus rechtlichen Gründen und in Bezug auf die Rüge eines Unterkostenangebots aufgrund unsubstantiierten Vortrags bereits unzulässig und dies auch durch weiteren Vortrag nicht mehr zu korrigieren ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 3, Abs. 4, § 175 Abs. 2 i.V.m. § 71 Satz 1 GWB. Der Antragsgegner hat sein Verfahrensziel erreicht (Senatsbeschluss vom 21. Oktober 2015, VII-Verg 28/14, NZBau 2016, 235 Rn. 178).
Dabei sind gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG auch die Gebühren und Auslagen des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners erstattungsfähig, da dessen Hinzuziehung im Verfahren vor der Vergabekammer in Anbetracht der dort aufgetretenen Schwierigkeiten im Ergebnis notwendig war.
Über die Notwendigkeit eines Verfahrensbeteiligten, einen Rechtsanwalt zuzuziehen, ist nicht schematisch, sondern auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, NZBau 2006, 800 Rn. 61 - Polizeianzüge; Senatsbeschlüsse vom 16. März 2020, VII-Verg 38/18, BeckRS 2020, 29123 Rn. 34 und vom 15. Mai 2018, VII-Verg 58/17; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 2. November 2017, 11 Verg 8/17, ZfBR 2018, 198, 199). Entscheidend ist, ob der Beteiligte unter den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen und hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen, wobei neben Gesichtspunkten wie der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, der Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen auch rein persönliche Umstände bestimmend sein können (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, NZBau 2006, 800 Rn. 61 - Polizeianzüge). Anerkannt ist darüber hinaus, dass der Gesichtspunkt der so genannten prozessualen Waffengleichheit in die Prüfung einfließen kann (Senatsbeschluss vom 16. März 2020, VII-Verg 38/18, BeckRS 2020, 29123 Rn. 34; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 2. November 2017, 11 Verg 8/17, ZfBR 2018, 198, 199; OLG München, Beschluss vom 11. Juni 2008 Verg 6/08, ZfBR 2008, 724, 725).
Vorliegend war zwar der von der Antragstellerin ursprünglich erhobene Nachprüfungsantrag weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht schwierig. Die Vergabekammer hat jedoch umfangreiche rechtliche Hinweise erteilt und dabei verschiedene weitere ihrer Auffassung nach möglicherweise gegebene Vergabeverstöße von Amts wegen aufgegriffen. Die sich daraufhin stellende Frage nach den Voraussetzungen und Grenzen der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens von Amts wegen warf schwierige Rechtsfragen auf, weshalb der Antragsgegner im Ergebnis die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für erforderlich erachten durfte, zumal auch die Antragstellerin anwaltlich vertreten war.
Die Antragstellerin hat auch die notwendigen Auslagen der Beigeladenen zu erstatten, denn sie hat das Verfahren durch schriftsätzliches und mündliches Vorbringen gefordert (Senatsbeschlüsse vom 17. Mai 2004, Verg 12/03, BeckRS 2005, 3569, und vom 9. Dezember 2009, VII-Verg 38/09, BeckRS 2010, 14549; OLG Celle, Beschluss vom 12. Januar 2012, 13 Verg 9/11, BeckRS 2012, 1456).
Die noch zu treffende Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren bleibt einem gesonderten Beschluss vorbehalten, da der Antragstellerin Gelegenheit gegeben werden muss, zum diesbezüglichen nachterminlichen Vortrag der Antragsgegnerin Stellung zu nehmen.
Einhaltung von Formvergaben ist zu überprüfen!
Einhaltung von Formvergaben ist zu überprüfen!
Melden Sie sich jetzt an unter www.vpr-online.de, um sämtliche Entscheidungen im Volltext lesen zu können.
vpr-online ist DIE Datenbank für öffentliche Auftraggeber und Bieter sowie für alle Berater auf den Gebieten des Vergaberechts.
Mit vpr-online haben Sie außerdem jederzeit und überall Zugriff auf über 5.700 VPR-Beiträge nach dem 1-Seiten-Prinzip, über 12.008 Entscheidungen im Volltext, Arbeitshilfen, Materialien und vieles mehr.
VK Südbayern
Beschluss
vom 06.08.2024
3194.Z3-3_01-24-26
1. Gibt ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen der Erstellung von Konzepten vor, dass das einzureichende Konzept bestimmten Formvorgaben zu entsprechen habe (Seitenanzahl, Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand), hat er sich im Rahmen der Konzeptbewertung auch damit auseinanderzusetzen, ob die Ausführungen in den eingereichten Konzepten den formellen Vorgaben entsprechen oder nicht und dies entsprechend zu dokumentieren.*)
2. Hat der öffentliche Auftraggeber bei der Konzepterstellung Formvorgaben zu Seitenanzahl, Schriftgröße, Zeilenabstand und Schriftart aufgestellt, kann sowohl eine Überschreitung der Seitenvorgabe als auch eine Nichtbeachtung der Vorgaben zur Schriftgröße, Zeilenabstand und Schriftart dazu führen, dass die Bieter mehr Informationen in ihrem Konzept unterbringen, als wenn sie sich an die Vorgaben gehalten hätten. Daher hat sich der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Konzeptbewertung damit auseinanderzusetzen, wie er derartige Verstöße im Rahmen der Konzeptbewertung berücksichtigt, um eine transparente und gleichbehandelnde Bewertung der Konzepte sicherstellen zu können.*)
3. Wenn formelle Vorgaben, die bei der Konzepterstellung zu beachten sind und daran angeknüpfte Sanktionsmöglichkeiten unklar sind, leidet die Ausschreibung an einem schwerwiegenden Mangel, der eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Bekanntmachung der Ausschreibung bedingen kann.*)
Tenor
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht die Angebote in dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren das Los 2 betreffend unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten. Der Antragsgegner wird zudem verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht das streitgegenständliche Vergabeverfahren das Los 4 betreffend in den Stand vor Bekanntmachung der Ausschreibung zurückzuversetzen und bei erneuter Durchführung die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu berücksichtigen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin. Die Beigeladenen tragen ihre Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechts¬verteidigung selbst.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von ### EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühr befreit.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
Gründe
I.
Mit Auftragsbekanntmachung vom 08.03.2024, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union unter Nr. ###/2024, schrieb der Antragsgegner einen Dienstleistungsauftrag über Sicherungsdienstleistungen für staatliche Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber im Wege eines offenen Verfahrens aufgeteilt in 4 Lose aus. Streitgegenständlich sind die Lose 2 und 4. Zuschlagskriterien waren gemäß Ziffer 5.1.10 der Bekanntmachung der Preis und die Qualität.
Ausweislich der Angabe in Ziffer 5.1.11 der Bekanntmachung standen die Auftragsunterlagen für einen uneingeschränkten und vollständigen, direkten Zugang gebührenfrei unter der dort genannten Internetadresse zur Verfügung. Bestandteil der Vergabeunterlagen war unter anderem das Formblatt "Gewichtung der Zuschlagskriterien". Auszugsweise wurden dort folgende Vorgaben gemacht:
"1 Wirtschaftlichkeit
Der Zuschlag wird auf Grundlage der Angaben in den Vergabeunterlagen auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Dieses wird nach der "Einfachen Richtwertmethode" gemäß UfAB VI, Version 1.0, ermittelt. Dabei ergibt sich das wirtschaftliches Angebot aus dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis (Z), also einem möglichst großen Quotienten aus Angebotssumme (P) und Leistung (L).
(...)
Z = Kennzahl für das Preis-Leistungs-Verhältnis
L = Leistung (Maßnahmen zur Qualitätssicherung der konkreten Leistung); vgl. 1.2
P = Angebotssumme brutto (Euro); vgl. 1.1
1.1 Angebotener Preis als Wertungskriterium (P)
Die Berechnung des gewerteten fiktiven Angebotspreises erfolgt aufgrund der gebotenen Stundenverrechnungssätze wie folgt:
1.1.1 Höhe des Stundenverrechnungssatzes für die ausgeschriebene Dienstleistung für Bewachungspersonal werktags
1.1.2 Höhe des Stundenverrechnungssatzes für die ausgeschriebene Dienstleistung für Bewachungspersonal werktags nachts
1.1.3 Höhe des Stundenverrechnungssatzes für die ausgeschriebene Dienstleistung für Bewachungspersonal sonntags
1.1.4 Höhe des Stundenverrechnungssatzes für die ausgeschriebene Dienstleistung für Bewachungspersonal feiertags
Die Summe aus den Positionen 1.1.1 bis 1.1.4 ergibt den zu berücksichtigenden Angebotspreis.
1.2 Maßnahmen zur Qualitätssicherung der konkreten Leistung (L)
1.2.1 Unterkriterien
Für die Bewertung der Qualität der vom Bieter angebotenen Leistungen soll der Bieter ein Konzept zur Durchführung der Bewachungsleistungen vorlegen. Dieses Konzept wird anhand der nachfolgenddargestellten Unterkriterien bewertet:
Unterkriterien (U1 - U 3) Anteil an der Bewertung des Konzeptes Gewichtete maximal zu erreichende Leistungspunktzahl
U1: Auswahl und Fortbildung des Personals für den konkreten Auftrag 50 % 6
U2: Verfügbarkeit von Ersatzpersonal 40 % 6
U3: Strategien zur Beseitigung von Mängeln / Qualitätsmanagement 10 % 6
Der Bieter hat seine Ausführungen für die Unterkriterien U1 bis U3 auf den im jeweiligen Unterkriterium genannten Umfang (Seitenzahlen, Schriftart, etc.) zu beschränken. Darüber hinausgehende Ausführungen auf weiteren Seiten / oder Anlagen werden bei der Wertung des Konzeptes nicht berücksichtigt. Verweisungen auf Anlagen oder andere Unterlagen sind unzulässig. Die Ausführungen in den Konzepten werden Vertragsbestandteil, so dass der Auftraggeber hierauf einen Anspruch erwirbt.
1.2.1.1 Auswahl und Fortbildung des Personals für den konkreten Auftrag (U1)
Der Bieter soll zu diesem Unterkriterium U1 darstellen, wie er das für den hier zu vergebenden Auftrag erforderliche und entsprechend qualifizierte Personal auswählen und während der gesamten Vertragslaufzeit fortbilden wird, um qualitativ hochwertige Leistungserbringung sicherzustellen. Der Bieter hat seine Ausführungen für dieses Unterkriterium U1 auf maximal 4 DIN A 4-Seiten zu beschränken (jeweils: Schriftart: Arial; Zeilenabstand 1,5; Schriftgröße: 12).
Hierbei soll er auf folgende Punkte eingehen:
- Anhand welcher Kriterien wird der Bieter das für die Leistungserbringung vorgesehene Personal auswählen? Sofern der Bieter bereits über Personal verfügt, hat er entsprechend darzustellen, anhand welcher Kriterien dieses Personal ausgewählt wurde.
- Warum sind die vorgenannten Auswahlkriterien für die Rekrutierung des Personals geeignet, um qualitativ hochwertige Leistungserbringung für den hier zu vergebenden Auftrag zu gewährleisten?
- Welche Maßnahmen wird der Bieter ergreifen, um das für den hier zu vergebenden Auftrag eingesetzte Personal während der gesamten Vertragslaufzeit fortzubilden?
- Warum sind die vorgenannten Fortbildungsmaßnahmen geeignet, um eine qualitativ hochwertige Leistungserbringung für den hier zu vergebenden Auftrag zu gewährleisten?
1.2.1.2 Verfügbarkeit von Ersatzpersonal (U2)
Der Bieter soll zu diesem Unterkriterium U2 darstellen, wie er im Rahmen seiner Leistungserbringung auf Personalausfälle reagieren wird und welche präventiven Maßnahmen er ergreifen wird, um solche Personalausfälle möglichst zu reduzieren. Der Bieter hat seine Ausführungen für dieses Unterkriterium U2 auf maximal 3 DIN A 4-Seiten zu beschränken (jeweils: Schriftart: Arial; Zeilenabstand: 1,5; Schriftgröße: 12).
Hierbei soll er auf folgende Punkte eingehen:
- Wie wird auf planbare Ausfälle (z. B. aufgrund von Urlaub) und nicht planbare Ausfälle (z. B. aufgrund von Krankheit) reagiert?
- Wie viel Ersatzpersonal steht für solche Personalausfälle jeweils zur Verfügung und warum wird diese Anzahl als ausreichend erachtet?
- Wie schnell, d. h. mit welchem zeitlichen Vorlauf, steht das jeweilige Ersatzpersonal zur Verfügung?
- Welche präventiven Maßnahmen werden ergriffen, um Personalausfälle möglichst zu reduzieren und die Ausfallquote gering zu halten (z. B. Maßnahmen zur Mitarbeiter-zufriedenheit, Gesundheitsmanagement, etc.)?
1.2.1.3 Strategien zur Beseitigung von Mängeln / Qualitätsmanagement (U3)
Der Bieter soll zu diesem Unterkriterium U3 darstellen, welche Strategien er zur Beseitigung von Mängeln heranziehen wird, die während der Leistungserbringung auftreten (Qualitätsmanagement). Unter einem Mangel ist hierbei jede negative Abweichung von den Anforderungen der Leistungsbeschreibung zu verstehen. Der Bieter hat seine Ausführungen für dieses Unterkriterium U3 auf maximal 2 DIN A 4-Seiten zu beschränken (jeweils: Schriftart: Arial; Zeilenabstand: 1,5; Schriftgröße: 12).
Hierbei soll er auf folgende Punkte eingehen:
- Welche Maßnahmen wird der Bieter zur Qualitätssicherung ergreifen?
- Wie wird der Bieter sicherstellen, dass solche Mängel, auf die er bei der Vertrags-durchführung aufmerksam gemacht wird, künftig verhindert werden?
1.2.2 Vorgehen des Auftraggebers bei der Wertung
Die Wertung der Konzepte richtet sich danach, wie der Bieter auf die in den Unterkriterien dargestellten Anforderungen eingeht und wie logisch argumentiert, schlüssig formuliert und inhaltlich fundiert er seine Herangehensweise bei der Leistungserbringung darstellt und deshalb aufgrund seiner Darstellungen eine qualitativ hochwertige Leistungserbringung zu erwarten ist.
(...)
Die Darstellung der angebotenen Herangehensweise des Bieters ist logisch argumentiert, wenn sie in sich logisch ist und keine inhaltlichen Widersprüche enthält. Sie ist schlüssig, wenn sie auf die in dem jeweiligen Kriterium genannte Thematik und die dort genannten Punkte nicht nur schematisch und oberflächlich, sondern anhand von praxisgerechten Beispielen eingeht. Die Darstellung der Herangehensweise ist inhaltlich fundiert, wenn der Bieter sie klar und präzise beschreibt und aus seinen Darstellungen heraus deutlich wird, wie er bei der Leistungserbringung im Einzelnen vorgehen will. Des Weiteren ist ausschlaggebend, ob und wie genau der Bieter inhaltlich auf die einzelnen Punkte der im jeweiligen Kriterium genannten Thematik eingeht.
6 Punkte: Die Darstellung der angebotenen Herangehensweise ist logisch argumentiert, schlüssig formuliert und inhaltlich fundiert und befasst sich inhaltlich sehr genau mit allen Punkte der im Kriterium dargestellten Thematik. Die dargestellte und angebotene Herangehensweise dient der Zielerreichung einer qualitativ hochwertigen Dienstleistung.
4 Punkte: Die Darstellung der angebotenen Herangehensweise ist zwar logisch argumentiert, schlüssig formuliert, befasst sich aber inhaltlich nicht mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik oder die Darstellung der angebotenen Herangehensweise befasst sich zwar mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik, ist aber entweder nicht logisch argumentiert oder nicht schlüssig formuliert oder nicht inhaltlich fundiert. Die dargestellte und angebotene Herangehensweise dient daher nur teilweise der Zielerreichung einer qualitativ hochwertigen Dienstleistung.
2 Punkte: Die Darstellung der angebotenen Herangehensweise ist entweder nicht logisch argumentiert oder nicht schlüssig formuliert oder nicht inhaltlich fundiert und sie befasst sich inhaltlich nicht mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik. Die dargestellte und angebotene Herangehensweise dient deshalb nicht der Zielerreichung einer qualitativ hochwertigen Dienstleistung.
0 Punkte: Das Konzept zu dem Kriterium liegt nicht vor oder weicht von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen oder das Konzept weicht von den rechtlichen Vorgaben (jeweils geltende gesetzliche Mindeststandards) ab oder befasst sich nicht mit der im Kriterium dargestellten Thematik."
In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots war unter anderem vermerkt, dass die Unterlage "Ausführungen zu den Zuschlagskriterien" mit dem Angebot einzureichen ist. Weiterer Bestandteil der Vergabeunterlagen war die besagte Unterlage in nicht beschreibbarem PDF-Format.
Am 24.04.2024 stellte der Antragsgegner im Zuge der Bieterfrage Nr. 8 allen Bietern das Formblatt "Ausführungen zu Zuschlagskriterien" in bearbeitbarem PDF-Format zur Verfügung und wies ergänzend darauf hin, dass bei der Befüllung die Vorgaben des Formblattes "Gewichtung der Zuschlagskriterien" zu beachten seien.
Sowohl Antragstellerin als auch die Beigeladenen reichten innerhalb der auf den 02.05.2024, 13.00 Uhr lautenden Angebotsfrist ein Angebot ein, wobei die Antragstellerin in allen vier Losen, die Beigeladene zu 1) in den Losen 1 und 2 und die Beigeladene zu 2) in den Losen 1 und 4 Angebote einreichten.
Mit Schreiben vom 08.05.2024 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot für Los 1 aus formellen Gründen ausgeschlossen werden müsse, die Angebote für die Lose 2, 3 und 4 jedoch weiterhin in der Wertung berücksichtigt werden würden.
Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 03.06.2024 setzte der Antragsgegner die Antragstellerin davon in Kenntnis, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden könne und beabsichtigt sei, den Zuschlag am 14.06.2024 auf das Angebot der Firmen ### (Los 3), ###, ### GmbH zu erteilen. Im Rahmen der Auswertung seien alle eingegangenen Angebote hinsichtlich formaler, fachlicher und wirtschaftlicher Anforderungen auf Grundlage der bekanntgemachten Kriterien geprüft und bewertet worden. Das Angebot der Antragstellerin für die Lose 2 und 4 entspreche sämtlichen formalen Anforderungen, komme jedoch nicht für den Zuschlag in Betracht, weil es nicht das wirtschaftlichste Angebot sei. Im Unterkriterium U1 habe sie vier von sechs maximal zu erreichenden Leistungspunkten erreicht. Die dargestellte und angebotene Herangehensweise sei logisch argumentiert und befasse sich inhaltlich mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik, sei aber nicht schlüssig formuliert. Im Unterkriterium U2 habe sie die maximal sechs zu erreichenden Leistungspunkte erzielt. Die dargestellte und angebotene Herangehensweise sei logisch argumentiert, schlüssig formuliert und inhaltlich fundiert. Es werde sich mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik sehr genau befasst. Im Unterkriterium U3 habe die Antragstellerin ebenfalls die maximal möglichen sechs Leistungspunkte erhalten. Die dargestellte und angebotene Herangehensweise sei logisch argumentiert, schlüssig formuliert und inhaltlich fundiert. Es werde sich mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik sehr genau befasst. Insgesamt ergebe sich unter der Berücksichtigung der Gewichtung der drei Kriterien die Leistungspunktzahl (L) von fünf Leistungspunkten bei sechs maximal möglichen Leistungspunkten. Dies entspreche 83,33 von 100 Leistungspunkten. Das Angebot der Antragstellerin liege somit für Los 2 und 4 auf dem dritten Rang. Der Preis bzw. die entsprechende Wertungssumme ergebe sich unmittelbar aus dem Angebot der Antragstellerin. Sodann nannte der Antragsgegner die Nettoangebotsendpreise der Antragstellerin in den Losen 2 und 4 und teilte mit, dass das Angebot der Antragstellerin bezogen auf den Preis in Los 2 auf dem fünften Platz und in Los 4 auf dem dritten Platz liege. Die Auswertung der Angebote habe ergeben, dass dem Angebot der Antragstellerin für die Lose 2 und 4 die wirtschaftlicheren Angebote der oben genannten Bieter vorgehen würden. Der Antragsgegner nannte der Antragstellerin die von ihr erreichten Kennzahlen in den Losen 2 und 4 und teilte ihr mit, dass sie hinsichtlich der Lose 2 und 4 somit jeweils auf dem zweiten Rang liege und dies im Ergebnis dazu führe, dass ihr Angebot für diese Lose nicht berücksichtigt werden könne.
Am selben Tag erhielt die Antragstellerin ein weiteres Schreiben des Antragsgegners, in dem dieser ihr mitteilte, dass beabsichtigt sei, nach Ablauf der Stillhaltefrist den Zuschlag in Los 3 auf das Angebot der Antragstellerin zu vergeben.
Mit Schreiben vom 11.06.2024 beanstandete die Antragstellerin das Vorinformationsschreiben vom 03.06.2024 in Verbindung mit dem Schreiben vom 08.05.2024 als nicht den Anforderungen des § 134 GWB entsprechend. Zudem sei es intransparent und widersprüchlich. Es sei nicht ersichtlich, welcher Bieter den Zuschlag auf die Lose 2 und 4 erhalten solle. Zudem sei eine eindeutige Identifizierung der genannten Bieterfirmen nicht möglich. Die Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebots der Antragstellerin in den Losen 2 und 4 seien nicht nachvollziehbar. Die Bewertung des Antragsgegners, dass nicht schlüssig formuliert worden sei, werde nicht konkret begründet. Eine Abwertung in Form einer nicht schlüssigen Formulierung lasse keinen Bezug zu Wertungsmatrix erkennen und stehe im Widerspruch zu Feststellung einer logischen Argumentation und inhaltlich vollumfänglichen Befassung. Die einzelnen Rechenschritte seien nicht nachvollziehbar. Wie das Angebot der Antragstellerin mit fünf von sechs Leistungspunkten und damit 83,33 von 100 Leistungspunkten auf dem dritten Rang sowie in preislicher Hinsicht in Los 2 erzielten fünften Rang und in Los 4 erzielten dritten Rang im Ergebnis auf Platz 2 in den Los 2 und 4 liegen könne, sei nicht nachvollziehbar. Auch sei beim Wertungskriterium (P) von den bekannt gemachten Wertungsgrundsätzen abgewichen worden.
Mit E-Mail vom 12.06.2024, 13.02 Uhr antwortete der Antragsgegner der Antragstellerin, dass ihren Rügen nicht abgeholfen werde. Das Informationsschreiben erfülle die Anforderungen des § 134 GWB. Zudem führte der Antragsgegner ergänzend zur Begründung der Bewertung des Angebots der Antragstellerin aus.
Die Antragstellerin antwortete darauf ebenfalls mit Schreiben vom 12.06.2024 und rügte erneut, dass die Bewertung nicht nachvollziehbar sei und forderte den Antragsgegner zur Offenlegung der Rechenschritte und rechnerischen Bewertung des Angebots der Antragstellerin auf.
Der Antragsgegner erwiderte darauf mit E-Mail vom selben Tag, dass die Antragstellerin sich zur Offenlegung der Berechnung an den Verantwortlichen, das Landesamt ### wenden müsse, welches die Vergabeplattform betreue. Zudem sei der Rechenweg bereits unter Ziffer 1 im Formblatt "Gewichtung der Zuschlagskriterien" offengelegt worden. Mit Schreiben vom 13.06.2024 ergänzte der Antragsgegner seine Antwort und überreichte die Vergabeplattform-Wertung sowie eine Berechnung per Excel. Zudem wies er erklärend darauf hin, dass das Programm anstatt der Kennzahlen Prozentsätze bilden würde. Dies wirke sich allerdings nicht auf die Wertungsreihenfolge aus, da eine höhere Leistungspunktzahl auch automatisch einen höheren Prozentsatz bedeuten würde.
Mit Schreiben vom 13.06.2024 übersandte die Antragstellerin einen Entwurf des Nachprüfungsantrages an den Antragsgegner und forderte diesen auf, die sich daraus ergebenden Rügeinhalte umgehend zu beseitigen.
Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 13.06.2024 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
Die Antragstellerin trägt vor, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Das Vorinformationsschreiben des Antragsgegners vom 03.06.2024 entspreche bereits nicht den Vorgaben des § 134 Abs. 1 GWB in Verbindung mit dem Transparenzgrundsatz aus § 97 Abs. 1 GWB, da aus diesem nicht nachvollziehbar die Namen des für den Zuschlag in den Losen 1, 2 und 4 vorgesehenen Bieters hervorgehen würden, noch welcher der benannten Wettbewerber für welches Los konkret beauftragt werden solle. Ebenso habe der Antragsgegner die Gründe der Nichtberücksichtigung des Angebots der Antragstellerin zu den Losen 2 und 4 nicht transparent und nachvollziehbar mitgeteilt. Der Antragsgegner habe zur Begründung der Vergabe der lediglich vier von maximal sechs zu erreichenden Leistungspunkten im Unterkriterium U1 im Informationsschreiben vom 03.06.24 nur die bekanntgegebene Formel bzw. textliche Darstellung des Kriteriums der Vergabe von vier Punkten wortlautidentisch wiederholt, nicht aber konkrete Umstände angegeben, die diese Formulierung als Wertungsfeststellung tatsächlich ausfüllen. Der Antragsgegner habe zudem die Wertung nicht ordnungsgemäß vorgenommen oder zumindest nicht ordnungsgemäß dokumentiert. Die Abwertung des Angebots bzw. die Bewertung des Angebots der Antragstellerin mit lediglich vier von sechs Punkten im Unterkriterium U1 sei in Anbetracht der Ausführungen der Antragstellerin im Rahmen ihres Konzeptes sach- und ermessensfehlerhaft. Unabhängig davon, dass eine nicht schlüssige Formulierung der Bewertung mit "logisch argumentiert" und "befasst sich auch inhaltlich mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik" bereits diametral entgegenstehe, könne auch diese Begründung in Anbetracht der tatsächlichen Umstände der Ausführungen der Antragstellerin nicht eine ordnungsgemäße und ermessensfehlerfreie Bewertung belegen. Die ergänzenden Darlegungen der Antragsgegnerin aus ihrer E-Mail vom 12.06.2024, es seien "keine Beispiele" dargelegt worden, stünden nicht im Zusammenhang mit einer schlüssigen Darlegung einer Herangehensweise im Rahmen eines Konzeptes und die Erforderlichkeit der Benennung von Beispielen - insbesondere unter Berücksichtigung der Begrenzung des Darlegungsumfangs auf 4 DIN-A4-Seiten - stünden der Begründung für die Abwertung sogar entgegen. Darüber hinaus habe der Antragsgegner die Wertung nicht eigenverantwortlich vorgenommen.
Auch sei der Antragsgegner von den von ihm mitgeteilten Rechenschritten abgewichen. Die Ermittlung einer Leistungspunktzahl von 100 Leistungspunkten bzw. eine Umrechnung der zu vergebenen Leistungspunkte in "100" Leistungspunkte ergebe sich weder aus dem Formblatt "Gewichtung der Zuschlagskriterien", noch in sonstiger Weise. Der Antragsgegner sei damit bereits bei der Ermittlung des Wertungsquotienten (Z) als Kennzahl für das Preis-Leistungs-Verhältnis in unzulässiger Weise abgewichen. Ebenso sei der Antragsgegner auch bei der von ihm mitgeteilten Bewertung des Preises von seinen Vorgaben abgewichen. Gemäß seinen Vorgaben hätte der Antragsgegner eine fiktiv ermittelte Angebotssumme brutto (in Euro) heranziehen müssen. Er habe aber die von der Antragstellerin genannte Nettoangebotsendsumme herangezogen.
Zudem habe sich im Rahmen der Akteneinsicht offenbart, dass die Beigeladene zu 2) bei der Erstellung ihrer Konzepte weder die vom Antragsgegner vorgegebene Schriftgröße 12, noch den ebenfalls vom Antragsgegner vorgegebenen Zeilenabstand von 1,5 berücksichtigt habe. Die Konzepte zu den Unterkriterien U 1 und U2 wiesen vielmehr eine erheblich kleinere Schriftgröße und einen erheblich kleineren Zeilenabstand auf. Damit habe die Beigeladene zu 2) bewusst und vorsätzlich die Vorgabe des Antragsgegners aus dem Formblatt "Gewichtung der Zuschlagskriterien" missachtet und insoweit augenscheinlich erheblich mehr Inhalt aufnehmen können, als dies bei Einhaltung der vom Antragsgegner zwingend einzuhaltenden Formvorgaben jeweils möglich gewesen wäre. Der Antragsgegner habe die Konzepte der Beigeladenen zu 2) trotz ihrer Abweichungen von den Vorgaben mit der Höchstpunktzahl bewertet, obwohl diese lediglich mit null Punkten hätten bewertet werden können, da sie von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen abgewichen sind.
Die Bewertung des Antragsgegners hinsichtlich der Konzepte der Beigeladenen zu 1) verstoße ebenfalls gegen die Vorgaben der eigenen Matrix des Antragsgegners und des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Der Antragsgegner stelle hinsichtlich des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) im Unterkriterium U1 bei der Bewertungsfrage, anhand welcher Kriterien das Personal ausgewählt werde, lediglich fest, dass eine Vielzahl an Kriterien genannt seien. Ebenso stelle der Antragsgegner im Rahmen der Bewertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) hinsichtlich der Ausführungen zu Fortbildungsmaßnahmen fest, dass etwas schematisch dargestellt worden sei. Das vom Antragsgegner getroffene Fazit einer schlüssigen Formulierung würde dem entgegenstehen. Die Benennung einer Vielzahl von Kriterien und eine für die Fortbildungsmaßnahmen lediglich "schematisch dargestellt" erfolgte Darlegung stünden zudem im Widerspruch zu der Bewertung, dass die Herangehensweise des Bieters "klar und präzise beschrieben" worden sei. Zudem habe der Antragsgegner im Unterkriterium U2 die Vorgabematrix verlassen, da die kurze Wertungsfeststellung des Antragsgegners auf die Frage "Wie schnell steht Ersatzpersonal zur Verfügung?" augenscheinlich nicht mit den Bewertungsschlüsseln ausgefüllt worden sei bzw. das Konzept der Beigeladenen zu 1) keine detaillierten Angaben enthalten habe, die eine Sicherstellung und nicht nur eine augenscheinlich bestehende Zeitangabe enthalten hat.
Die Antragstellerin beantragt
1. die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß den §§ 160 ff. GWB,
2. die Gewährung von Akteneinsicht in die Vergabeakten des Antragsgegners gem. § 165 Abs. 1 GWB zu Los 2 und 4,
3. festzustellen, dass die Antragstellerin durch das Verhalten des Antragsgegners in dem Vergabeverfahren "Sicherheitsdienstleistungen für staatliche Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber ###; Aktenzeichen: ###", Los 2 und 4, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 07.03.2024 unter der Bekanntmachungs-Nr. ###, in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt wird,
4. geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen, insbesondere den Antragsgegner zu verpflichten, die Angebotswertung zu Los 2 und Los 4 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,
Hilfsweise zu 4.:
5. für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens durch Aufhebung oder in sonstiger Weise, festzustellen, dass eine Rechtsverletzung der Antragstellerin zu Los 2 und 4 vorgelegen hat,
sowie im Weiteren:
6. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragstellerin erforderlich gewesen ist,
7. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für den Antragsgegner nicht erforderlich gewesen ist,
8. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und
9. sollte ein Zuschlag bereits erteilt worden sein, den bereits erteilten Zuschlag gem. § 135 GWB für unwirksam zu erklären.
Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 14.06.2024 setzte der Antragsgegner die Antragstellerin unter anderem davon in Kenntnis, dass auf ihr Angebot für die Lose 2 und 4 der Zuschlag nicht erteilt werden könne, weil diese nicht die wirtschaftlichsten seien. Es sei beabsichtigt, den Zuschlag am 25.06.2024 auf das Angebot der Beigeladenen zu 1) für die Lose 1 und 2, auf das Angebot der Antragstellerin für das Los 3 und auf das Angebot der Beigeladenen zu 2) für das Los 4 zu erteilen. Zudem fügte der Antragsgegner eine Anlage bei, die die Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin für die Lose 2 und 4 beinhaltete. Darin wiederholte er vollumfänglich seine ergänzende Begründung aus seiner E-Mail vom 12.06.2024, 13.02 Uhr.
Der Antragsgegner beantragt
die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags und Kostentragung durch die Antragstellerin.
Zur Begründung trägt der Antragsgegner vor, dass die Rügepunkte der Antragstellerin in Bezug auf das Informationsschreiben nach § 134 GWB mit dem neuen Informationsschreiben vom 14.06.2024 in jedem Fall geheilt worden seien. Hilfsweise habe aber auch schon das Informationsschreiben vom 03.06.2024 die Anforderungen des § 134 GWB erfüllt. Soweit die Antragstellerin die Bewertung im Unterpunkt 1 rüge, könne dies entkräftet werden. Der Antragsgegner wiederholt seine zuvor im Vergabeverfahren vorgenommenen Begründungen der Bewertung des Konzeptes der Antragstellerin. Die Behauptung der Antragstellerin, dass keine eigenverantwortliche und vom Antragsgegner bewusst vorgenommene Angebotswertungsentscheidung vorläge sei insoweit falsch, dass natürlich vor der Erfassung in der entsprechenden Software eine eigene originäre Bewertung der jeweiligen Wertungspunkte vorgenommen worden sei.
Mit Beiladungsbeschluss vom 24.06.2024 wurden die Beigeladene zu 1) und die Beigeladene zu 2) beigeladen. Sie stellen keine Anträge.
Die Beigeladene zu 2) trägt mit Schriftsatz vom 15.07.2024 vor, dass sie in allen Dokumenten im Schrifttext die Schriftart sowie den Zeilenabstand eingehalten habe.
In der mündlichen Verhandlung vom 16.07.2024 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag und zur Stellungnahme. Die Vorsitzende stellte fest, dass die nicht erschienene Beigeladene zu 2) ordnungsgemäß geladen worden sei, die Ladung sei ihr am 26.06.2024 zugestellt worden. Die Verhandlung könne daher auch in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) gem. § 166 Abs. 2 GWB durchgeführt werden. Bezüglich ihres Vortrags zum ersten Informationsschreiben erklärte die Antragstellerin, dass dieser sich nach Einreichung des Nachprüfungsantrags durch das neue Informationsschreiben vom 14.06.2024 erledigt habe. Die Vergabekammer wies darauf hin, dass sie nach eingehender Überprüfung zu der vorläufigen Auffassung gekommen sei, dass die Bewertung, insbesondere die Ermittlung der Leistungspunkte, vom Antragsgegner selbst vorgenommen worden sei. Sodann wies die Vergabekammer darauf hin, dass der Antragsgegner einen fehlerhaften Preis für die Wertung herangezogen habe. Nach seinen eigenen Vorgaben hätte ein fiktiver Angebotspreis gebildet werden müssen. Allerdings habe die Vergabekammer nachgerechnet und wenn man mit dem vorgegebenen fiktiven Preis gerechnet hätte, würde sich die Wertungsreihenfolge bei den Bietern nicht ändern. Anschließend diskutierten die Beteiligten kontrovers, was die Rechtsfolge sei, wenn man wie die Beigeladene zu 2) Abbildungen, die nicht den vorgegebenen Formvorschriften des Antragsgegners entsprechen würden, in sein Konzept einfüge und wie der Begriff "schlüssig" in der Bewertung und im Formblatt "Gewichtung der Zuschlagskriterien" zu verstehen sei.
Mit rechtlichem Hinweis vom 17.07.2024 teilt die Vergabekammer Südbayern mit, dass sie aufgrund eines im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vorgenommenen Vergleichs der Konzepte der Bieter annehme, dass auch bei den Konzepten der Beigeladenen zu 1) und der Antragstellerin die Formvorgaben des Antragsgegners nicht eingehalten worden sein könnten, welche die Erstellung der Konzepte zu den nichtmonetären Zuschlagskriterien betreffen. In beiden Konzepten dürfte der mit Formblatt "Gewichtung der Zuschlagskriterien" zu den jeweiligen Unterkriterien vorgegebene Zeilenabstand von 1,5 nicht eingehalten worden sein. Die Verfahrensbeteiligten erhielten Gelegenheit, um zu dieser neuen Erkenntnis Stellung zu nehmen.
Die Beigeladene zu 1) trägt mit Schriftsatz vom 17.07.2024 vor, dass die von der Vergabestelle zur Verfügung gestellte Datei "Ausführungen zu Zuschlagskriterien-ausfüllbar.pdf" im Zusammenhang mit Schriftgröße und Zeilenabstand unveränderbar gewesen sei. Aus diesem Grund habe die Beigeladene zu 1) die betreffende Datei durch eine Software in ein Wordformat konvertiert, um entsprechende Einstellungen vornehmen zu können. Die Beigeladene zu 1) habe die Vorgaben der Vergabestelle eingehalten. Zudem sei eine widerrechtliche Vorteilserlangung durch die vermuteten Abweichungen von Ausschreibungskriterien nicht ersichtlich, da die Beigeladene zu 1) bei allen Kriterien die maximale Seitenzahl unterschritten habe.
Die Antragstellerin trägt mit Schriftsatz vom 18.07.2024 vor, dass sie zum Konzept der Beigeladenen zu 1) keine Stellung nehmen könne, da ihr dieses auch nicht in geschwärzter Version zugänglich gemacht worden sei. Weiter trägt die Antragstellerin vor, dass das Konzept der Antragstellerin den Vorgaben des Antragsgegners hinsichtlich Seitenzahl, Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand vollumfänglich entspreche. Bei der Konzepterstellung sei der Antragstellerin aufgefallen, dass in dem mit Bieterfrage vom 24.04.2024 eingereichten Formblatt "Ausführung zu Zuschlagskriterien-ausfuellbar.pdf" die Schriftart mit Arial und die Schriftgröße mit 12 voreingestellt gewesen sei, jedoch der Zeilenabstand nicht exakt auf 1,5 eingestellt gewesen sei. Um die Einhaltung der Vorgaben sicherzustellen, sei die Antragstellerin bei der Angebotsbearbeitung zweigleisig vorgegangen. Die Antragstellerin habe während der Angebotsbearbeitung zunächst die Konzepte intern im Programm Microsoft Word mit den entsprechenden Vorgaben erstellt. Anschließend habe sie die Inhalte in das Formblatt des Antragsgegners eingetragen, bei welchem sie die korrekte Schriftart, Schriftgröße und den richtigen Zeilenabstand vorher eingestellt habe. Beide Versionen der Konzepte hätten eine absolut entsprechende, identische Form gehabt, wie ein Neben- und Übereinanderlegen der beiden Dateien als Ausdruck und ein Übereinanderlegen als durchscheinendes Dokument auf dem PC belege.
Der Antragsgegner trägt mit Schriftsatz vom 22.07.2024 vor, dass er die PDF-Datei "Ausführungen zu Zuschlagskriterien-ausfüllbar.pdf" hinsichtlich des Zeilenabstandes geprüft habe. Der Zeilenabstand betrage hier wie im Formblatt "Gewichtung der Zuschlagskriterien" vorgegeben 1,5. Es sei aber vermutlich mit bestimmter Software möglich, den Zeilenabstand zu ändern. Nach Durchsicht der eingereichten Konzepte sei der Zeilenabstand aber von allen Bietern - bis auf einen - eingehalten. Die Beigeladene zu 1) sei zu ihren eigenen Ungunsten von den Vorgaben abgewichen, ihr Konzept weise einen größeren Zeilenabstand auf als das Konzept der Antragstellerin. Gerade im Hinblick auf den größeren Zeilenabstand sowie die Tatsache, dass bei Unterkriterium 1 nicht die gesamte verfügbare Seitenanzahl ausgeschöpft worden sei, sei fraglich, ob die Abbildungen daher so einen großen Wertungsvorteil ausmachen würden. Zumal die Ausführungen im Konzept auch ohne die Abbildungen sehr detailliert gewesen seien.
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB. Der Antragsgegner ist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert.
Der Nachprüfungsantrag ist, soweit er zulässig ist, begründet.
1. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig. Soweit sich die Antragstellerin gegen die abstrakten Bewertungsvorgaben "schlüssig formuliert" und "logisch argumentiert" hinsichtlich der Darstellung der angebotenen Herangehensweise in den Konzepten wendet, ist der Nachprüfungsantrag präkludiert und damit unzulässig.
1.1. Die Antragsbefugnis ist gegeben. Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch die ihrer Ansicht nach rechtswidrige und von den Vorgaben der mitgeteilten Wertungsmatrix abweichenden Wertung des Antragsgegners hinsichtlich der Lose 2 und 4 geltend gemacht. Soweit die Antragstellerin ursprünglich auch einen Verstoß gegen § 134 Abs. 1 S. 1 GWB gerügt hatte, hat sie in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sich ihre diesbezügliche Rüge mit dem Informationsschreiben vom 14.06.2024 nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens erledigt habe.
1.2. Den Rügen der Antragstellerin steht größtenteils keine Rügepräklusion entgegen. Lediglich die Rügen der Antragstellerin, dass eine nicht schlüssige Formulierung der Bewertung eines "logisch argumentiert" und "befasst sich auch inhaltlich mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik" bereits diametral entgegenstehe und dass eine Feststellung, dass keine Beispiele dargelegt worden seien, nicht im Zusammenhang mit einer schlüssigen Darlegung einer Herangehensweise im Rahmen eines Konzeptes stehen könne, sind präkludiert. Der Nachprüfungsantrag ist gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden.
Die Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist objektiv zu bestimmen: Entscheidend ist die Sicht eines durchschnittlichen, fachkundigen und die übliche Sorgfalt anwendenden Bieters mit üblichen Kenntnissen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020, Verg 20/19; Beschluss vom 03.04.2019, Verg 49/18; OLG Schleswig, Beschluss vom 22.01.2019, 54 Verg 3/18). Diesem müssen bei Durchsicht und Bearbeitung der Vergabeunterlagen sowohl die den Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umstände als auch dessen Vergaberechtswidrigkeit auffallen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.05.2019, Verg 47/18). Für die Erkennbarkeit der Vergaberechtswidrigkeit genügt die laienhaft rechtliche Bewertung, dass etwas nicht stimmt, wobei keine übersteigerten Erwartungen an den Bieter zu stellen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.04.2019, Verg 49/18). Die Geltendmachung eines Vergaberechtsverstoßes im Nachprüfungsverfahren ist mit Blick auf den durch die Rechtsmittelrichtlinie der Union garantierten Primärrechtsschutz erst präkludiert, wenn der vorgenannte Bieter bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt den Vergaberechtsverstoß erkennen musste (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018, Verg 24/18). Dies kommt jedenfalls bei offensichtlichen, ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht, die einem Bieter bei der bloßen Durchsicht der Vergabeunterlagen auffallen bzw. sich ihm aufdrängen müssen (OLG Düsseldorf, 13.05.2019, Verg 47/18). In dem Dokument "Gewichtung der Zuschlagskriterien" hat der Antragsgegner auf Seite 4 definiert, wann die Darstellung der angebotenen Herangehensweise des Bieters logisch argumentiert, schlüssig und inhaltlich fundiert ist und dass im Rahmen der Bewertung ausschlaggebend sei, ob und wie genau der Bieter inhaltlich auf die einzelnen Punkte der im jeweiligen Kriterium genannten Thematik eingehe. Zudem hat er auf den Seiten 4 und 5 festgelegt, wann 6, 4, 2 bzw. 0 Punkte vergeben werden. Dieses Dokument war Teil der Vergabeunterlagen und wurde allen Bietern zur Verfügung gestellt. Ein durchschnittlicher und fachkundiger Bieter hätte bei Anwendung der üblichen Sorgfalt bei der Erstellung des Konzepts erkennen können, welche Anforderungen an eine schlüssige Darstellung der angebotenen Herangehensweise gestellt werden und wie die einzelnen Punkte definiert wurden. Die Antragstellerin hätte bei inhaltlichen Unklarheiten im Hinblick auf die Begriffsdefinitionen eine entsprechende Bieterfrage oder Rüge bei Erstellung des Konzepts formulieren können und müssen. Indem die Antragstellerin die ihrer Ansicht nach festgestellten Diskrepanzen hinsichtlich der einzelnen Begriffsdefinitionen mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 11.06.2024 erstmals anklingen ließ und mit Schreiben vom 13.06.2024 dann auch gegenüber dem Antragsgegner explizit rügte, waren diese nach Ablauf der Angebotsfrist am 02.05.2024, 13.00 Uhr eingehenden Rügen jedenfalls verspätet und damit präkludiert.
2. Der Nachprüfungsantrag ist, soweit er zulässig ist, im Hauptantrag auch begründet. Über den Hilfsantrag in Ziffer 5 des Nachprüfungsantrages vom 13.06.2024 war nicht zu entscheiden, da vorliegend keine Erledigung des Nachprüfungsverfahrens durch Aufhebung oder in sonstiger Weise eingetreten ist. Über den Antrag in Ziffer 9 des Nachprüfungsantrages vom 13.06.2024 war ebenfalls nicht zu entscheiden, da in den Losen 2 und 4 noch kein Zuschlag erteilt worden war.
Die auf der Grundlage des im Formblatt "Gewichtung der Zuschlagskriterien" durchgeführten Angebotswertungen in Los 2 und Los 4 halten einer vergaberechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die im Los 2 vorgenommene Angebotswertung zugunsten der Beigeladenen zu 1) kann keinen Bestand haben, da der Quervergleich der Konzeptbewertungen der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 1) zeigt, dass der Antragsgegner die Bewertungen nicht einheitlich und diskriminierungsfrei bei beiden Bietern gleich durchgeführt hat. Der Antragsgegner ist diesbezüglich zu verpflichten, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht die Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten. Hinsichtlich des Loses 4 kann die aufgrund eines die formellen Vorgaben betreffenden unklaren Bewertungssystems vorgenommene Angebotswertung zugunsten der Beigeladenen zu 2) keinen Bestand haben. Der Antragsgegner ist diesbezüglich zu verpflichten, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren in den Stand vor Bekanntmachung der Ausschreibung zurückzuversetzen und bei erneuter Durchführung die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu berücksichtigen.
2.1. Bei der Prüfung und Bewertung der Angebote ist dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die Nachprüfungsinstanzen können diese Entscheidung nur daraufhin kontrollieren, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind und allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet wurden (VK Bund, Beschluss vom 04.04.2022, VK 2-24/22; OLG München, Beschluss vom 26.02.2021, Verg 14/20). Dies setzt voraus, dass die Wertungen anhand der aufgestellten Zuschlagskriterien vertretbar, in sich konsistent und in diesem Sinne nachvollziehbar sind (VK Bund, Beschluss vom 04.04.2022, VK 2-24/22). Der Nachvollziehbarkeit kommt im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens besondere Bedeutung zu und sie ist eng mit der gesetzlich in § 8 Abs. 1 Satz 2 VgV statuierten Dokumentationspflicht verbunden. Nachvollziehbarkeit bedeutet, dass für die Nachprüfungsinstanzen nachverfolgbar ist, warum das ausgewählte Angebot im Quervergleich mit den weiteren Angeboten, die ebenfalls als wertbar angesehen werden, als das wirtschaftlichste bewertet wurde. Diese Gründe müssen derart detailliert sein, dass ein mit dem jeweiligen Vergabeverfahren vertrauter Leser sie als fassbar erachtet. Mit anderen Worten: Werden Aspekte, die zu einer Ab- oder Aufwertung führen, in den eingereichten Konzepten als gleichwertig berücksichtigt. Nicht notwendig ist, dass die jeweilige Nachprüfungsinstanz zu dem gleichen inhaltlichen Ergebnis kommt. Denn der Konzeptbewertung wohnt auch immer ein subjektives Element inne (VK Westfalen, Beschluss vom 01.02.2023, VK 1-49/22).
Diese Grundsätze berücksichtigend geht die Vergabekammer bei der durch sie durchgeführten Nachprüfung der Konzeptbewertung nach folgendem Prüfungsschema vor: Auf einer ersten Stufe prüft sie, ob der öffentliche Auftraggeber das von ihm selbst gewählte Bewertungsverfahren eingehalten hat, demzufolge alle Vorgaben zur Bewertung aus der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen berücksichtigt wurden. Auf einer zweiten Ebene wird geprüft, ob der Bewertung ein vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde gelegt wurde, ob also alle Angaben aus dem eingereichten Konzept berücksichtigt wurden und eine umfassende Auseinandersetzung mit diesen stattfand. Im Rahmen eines dritten Prüfungsschrittes wird beurteilt, ob die vom öffentlichen Auftraggeber vorgenommene Bewertung nachvollziehbar ist, die vorgegebene Zielsetzung und den Erwartungshorizont berücksichtigt und den abstrakten Bewertungsmaßstab konkret ausfüllt. Im Rahmen dieses Prüfungspunktes kommt der Dokumentation der Bewertung durch den öffentlichen Auftraggeber eine tragende Bedeutung zu. Die Vergabekammer prüft im Rahmen dessen nach, welche Angaben der öffentliche Auftraggeber aus den Konzepten positiv und welche negativ bewertet hat, wie der öffentliche Auftraggeber seine Bewertung begründet hat und eine Subsumtion unter den abstrakten Bewertungsmaßstab vorgenommen hat und ob dies insgesamt nachvollziehbar ist. Im Rahmen eines vierten Prüfungsschrittes wird durch die Vergabekammer beurteilt, ob ein Quervergleich mit der Bewertung anderer Bieter einer vergaberechtlichen Nachprüfung standhält, ob also die Bewertung einheitlich und diskriminierungsfrei bei allen Bietern gleich durchgeführt wurde und Unterschiede in der Bewertung überzeugend und nachvollziehbar durch den öffentlichen Auftraggeber begründet wurden.
2.1.1. Die durch den Antragsgegner vorgenommene Bewertung ist nicht bereits deshalb rechtswidrig, da keine eigenverantwortliche und vom Antragsgegner bewusst vorgenommene Angebotswertung vorgenommen worden sei, wie die Antragstellerin meint. Zwar hat der Antragsgegner mit E-Mail vom 12.06.2024, 15.08 Uhr der Antragstellerin mitgeteilt, dass sich die Antragstellerin zur Offenlegung der Berechnung des Systems an das Bayerische Landesamt ### wenden müsse, welches die Vergabeplattform ### betreue. Der Antragsgegner habe für das System nur die Berechtigung als Anwender und könne demzufolge keine Abläufe offenlegen. Wie der Vertreter des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung jedoch klargestellt hat, handelte es sich bei dieser Stellungnahme um eine nicht abgestimmte ad hoc-Aussage einer einzelnen Mitarbeiterin. Die Vergabekammer kann zudem anhand der vorgelegten Vergabeakte keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Wertungsentscheidung nicht durch den Antragsgegner selbst vorgenommen worden sei. Vielmehr weisen die durch den Antragsgegner vorgelegten wertungsrelevanten Dokumente als Autor eine Mitarbeiterin der Vergabestelle des Antragsgegners aus, sodass die Vergabekammer davon ausgeht, dass die Angebotswertung eigenverantwortlich durch die Vergabestelle vorgenommen worden ist.
2.1.2. Der Antragsgegner hat die in den Vergabeunterlagen enthaltenen Vorgaben zur Ermittlung des Dividenden "L" hinsichtlich der zu vergebenden Punktzahlen beachtet. Allerdings hat er die Vorgaben zur Ermittlung des Divisors "P" nicht eingehalten und dadurch gegen vergaberechtliche Grundsätze verstoßen, wobei eine Rechtsverletzung der Antragstellerin nicht ausgeschlossen werden kann.
Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass der Antragsgegner von seinen Vorgaben zur Ermittlung der Leistungspunktzahl "L" abgewichen sei, indem er mit Informationsschreiben vom 03.06.2024 mitgeteilt hat, dass die Antragstellerin fünf von sechs Leistungspunkten erhalten habe, was 83,33 von 100 Leistungspunkten entspreche und hieraus eine vergaberechtswidrige durchgeführte Angebotswertung ableitet, teilt die Vergabekammer diese Ansicht nicht. Ausweislich des Formblattes "Gewichtung der Zuschlagskriterien" konnten die Bieter insgesamt maximal sechs Leistungspunkte hinsichtlich der Konzepte erreichen. Diese Vorgaben hat der Antragsgegner eingehalten. Er hat den Bietern ausweislich seiner dokumentierten Bewertung eine Gesamtleistungspunktzahl von maximal sechs Leistungspunkten vergeben. Dass er im Informationsschreiben mitgeteilt hat, dass die von der Antragstellerin erreichte Punktzahl von fünf von sechs Leistungspunkten 83,33 von 100 Leistungspunkten entspricht, ändert an der korrekten Umsetzung der Vorgabe zur Ermittlung der Leistungspunktzahl nichts. Die Angabe stellt lediglich eine zusätzliche Information dar, die rechnerisch mit dem zuvor getroffenen Ergebnis übereinstimmt, jedenfalls, wenn auf den prozentualen Anteil abgestellt wird, was der Antragsgegner, nach wohlwollender Auslegung, so gemeint haben dürfte. Fünf von sechs Leistungspunkten entspricht einem prozentualen Anteil von 83,33 % der maximal 100 % zu erreichenden Leistungspunkte. Ungeachtet dessen hat der Antragsgegner ausweislich der vorgelegten Dokumentation zur Bewertung, der "Bewertungsübersicht Los 2 L###" und der "Bewertungsübersicht Los 4 T###", den Bietern Gesamt-Leistungspunkte bis zur Höchstzahl sechs vergeben und dies seiner Berechnung der Kennzahl "Z" zugrunde gelegt.
Allerdings ist der Antragsgegner von seinen Vorgaben zur Ermittlung der Angebotssumme "P" abgewichen, sodass diesbezüglich ein Vergaberechtsverstoß vorliegt.
Der Antragsgegner hat in seinem Formblatt "Gewichtung der Zuschlagskriterien" mitgeteilt, dass "P" der Angebotssumme brutto in Euro entspreche, die entsprechend Ziffer 1.1 des Formblattes ermittelt werde. Unter Ziffer 1.1 wird ausgeführt, dass die Berechnung des gewerteten fiktiven Angebotspreises aufgrund der gebotenen Stundenverrechnungssätze erfolge. Es sei eine Summe aus den Positionen 1.1.1 (Höhe des Stundenverrechnungssatzes für die ausgeschriebene Dienstleistung für Bewachungspersonal werktags), 1.1.2 (Höhe des Stundenverrechnungssatzes für die ausgeschriebene Dienstleistung für Bewachungspersonal werktags nachts), 1.1.3 (Höhe des Stundenverrechnungssatzes für die ausgeschriebene Dienstleistung für Bewachungspersonal sonntags) und 1.1.4 (Höhe des Stundenverrechnungs-satzes für die ausgeschriebene Dienstleistung für Bewachungspersonal feiertags) zu bilden, die den zu berücksichtigenden Angebotspreis bilde. Ausweislich der durch den Antragsgegner vorgelegten Bewertungsvorgänge hat dieser seiner Berechnung die Gesamtnettoend-Angebotspreise der Angebote zugrunde gelegt. Damit hat er in zweifacher Hinsicht gegen seine Vorgaben verstoßen. Er hätte nur die von den Bietern im Preisblatt eingetragenen Einzelpreise unter Außerachtlassung des Mengenansatzes berücksichtigen dürfen. Zudem hätte er diesen jeweils eine Mehrwertsteuer hinzurechnen müssen, da die im Preisblatt angebotenen Einzelpreise in netto anzugeben waren. Die fehlerhafte Ermittlung der Kennzahl "P" wirkte sich bei den bisher angenommenen Leistungspunkten im Ergebnis nicht aus. Eine von der Vergabekammer durchgeführte Vergleichsrechnung unter Zugrundelegung des nach den Vorgaben im Formblatt "Gewichtung der Zuschlagskriterien" ermittelten "P"-Wertes hat keine Änderung der Bieterreihenfolge hervorgebracht. Da es sich bei der fehlerhaften Ermittlung der Kennzahl "P" nicht um eine für alle Bieter gleiche prozentuale Abweichung handelt, sondern die Unterschiede jeweils individuell sind, kann bei einer Neubewertung der Leistungspunkte und der daraus folgenden Berechnung der Kennzahl "Z" eine Rechtsverletzung des Antragsgegners nicht ausgeschlossen werden. Die Angebotssumme "P" ist daher im Rahmen der erneuten Wertung der Angebote neu zu ermitteln und zugrunde zu legen.
2.1.3. Anhand der vorgelegten Dokumentation zur Bewertung der Konzepte ist nicht erkennbar, dass der Antragsgegner sich ausreichend damit auseinandergesetzt hat, ob die eingereichten Konzepte der Bieter die von ihm aufgestellten formellen Vorgaben zur Erstellung der Konzepte eingehalten haben. Zudem fehlt es an einer Dokumentation, ob und wie sich ein solcher Verstoß auf die Angebotswertung ausgewirkt hat. Diese Versäumnisse wirken sich jedenfalls bei der Bewertung das Los 4 betreffend aus und die Antragstellerin ist dahingehend in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
Der Antragsgegner hat formelle Vorgaben zur Erstellung der Konzepte gemacht. Im Formblatt "Gewichtung der Zuschlagskriterien" hat er unter Ziffer 1.2.1 ausgeführt, dass der Bieter seine Ausführungen für die Unterkriterien U1 bis U3 auf den im jeweiligen Unterkriterium genannten Umfang (Seitenzahlen, Schriftart, etc.) zu beschränken hat. In den Ausführungen zu Unterkriterium U1 ist der Passus enthalten, dass der Bieter seine Ausführungen auf maximal 4 DIN A 4 Seiten zu beschränken habe. Im Unterkriterium U2 habe der Bieter seine Ausführungen auf maximal 3 DIN A 4 Seiten zu beschränken und im Unterkriterium U3 auf maximal 2 DIN A 4 Seiten. Zudem enthalten die Ausführungen zu den jeweiligen Unterkriterien zusätzlich den folgenden Hinweis in Klammerzusatz:
"jeweils: Schriftart: Arial; Zeilenabstand 1,5; Schriftgröße: 12".
Der vorgelegten Dokumentation über die Konzeptbewertung kann nicht entnommen werden, dass sich der Antragsgegner mit etwaigen Verstößen gegen die Formvorgaben in den Konzepten der Bieter auseinandergesetzt hat. Die Beigeladene zu 2) hat in ihrem Konzept zu Unterkriterium U1 auf den Seiten zwei und vier insgesamt drei Abbildungen mit textlichen Ausführungen eingefügt. Diese textlichen Ausführungen entsprechen nicht den Formvorgaben des Antragsgegners betreffend Zeilenabstand und Schriftgröße. Zudem hat die Beigeladene zu 2) im Unterkriterium U2 auf Seite sieben eine weitere Abbildung mit textlichen Ausführungen eingefügt. Auch diese entsprechen nicht den Formvorgaben des Antragsgegners betreffend Zeilenabstand und Schriftgröße. Weder fand eine Auseinandersetzung damit statt, ob die Ausführungen der Beigeladenen zu 2) den formellen Vorgaben entsprechen oder nicht, bzw. wurde eine solche nicht dokumentiert, noch hat sich der Antragsgegner eingehend damit auseinandergesetzt, wie er derartige Verstöße im Rahmen der Konzeptbewertung berücksichtigt. Dies hätte er aber machen müssen, um eine transparente und gleichbehandelnde Bewertung der Konzepte sicherstellen zu können. Denn sowohl eine Überschreitung der Seitenvorgabe, die der Antragsgegner ausweislich der Vergabeunterlagen mit einer Nichtbewertung der überschießenden Seiten zu sanktionieren beabsichtigt, als auch eine Nichtbeachtung der Vorgaben zur Schriftgröße, Zeilenabstand und Schriftart, wie sie im Konzept der Beigeladenen zu 2) vorkommen, können dazu führen, dass die Bieter mehr Informationen in ihrem Konzept unterbringen, als wenn sie sich an die Vorgaben gehalten hätten. Dass der Antragsgegner unter Berücksichtigung dieser Ausführungen die mit Text befüllten Abbildungen im Konzept der Beigeladenen zu 2) ausweislich der vorgelegten Bewertungsdokumentation positiv bei seiner Bewertung berücksichtigt hat, was sich vor allem im Bewertungspunkt der Schlüssigkeit zeigt, in dem der Antragsgegner den Inhalt der Abbildungen, die vor allem Konkretisierungen zu einigen Themenbereichen darstellen, positiv bewertet hat, stellt eine Ungleichbehandlung der Bieter im Rahmen der Konzeptbewertung dar. Dass der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 22.07.2024 zu bedenken gegeben hat, dass fraglich sei, ob die Abbildungen so einen großen Wertungsvorteil ausmachen würden, zumal die Ausführungen im Konzept auch ohne die Abbildungen sehr detailliert gewesen seien, führt zu keiner anderen Entscheidung in der Sache. Diese Aussage widerspricht bereits seiner dokumentierten Wertungsentscheidung zum Konzept der Beigeladenen zu 2). Zudem widerspricht es auch der vom Antragsgegner scheinbar gewollten Bewertungsvorgabe, Verstöße gegen formelle Vorgaben die Schriftart, Schriftgröße und den Zeilenabstand betreffend mit null Punkten bewerten zu wollen. Wie der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage der Vergabekammer angegeben hat, habe er bei seiner Vorgabe, die Konzepte in den Unterkriterien mit null Punkten bewerten zu wollen, wenn sie von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen abweichen würden, Abweichungen formeller Natur gemeint. Diese Ansicht zugrunde legend hätte zumindest eine Auseinandersetzung damit stattfinden müssen, wie sich die formelle Ausgestaltung des Konzeptes der Beigeladenen zu 2) auf die Konzeptbewertung auswirkt. Eine Bewertung der Konzepte der Beigeladenen zu 2) mit jeweils voller Punktzahl ist unter diesen Gesichtspunkten nicht vertretbar und stellt eine Ungleichbehandlung im Rahmen der Konzeptbewertung dar. Dieser Verstoß wirkt sich bei der Angebotswertung im Los 4) auch aus. Die Vergabekammer kann zum gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht feststellen, wie sich der festgestellte Umstand auf die Konzeptbewertung der Bieter das Los 4 betreffend ausgewirkt hätte. Durch eine Abwertung oder gar Nichtbewertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 2) in den Unterkriterien U1 und U2 ist jedenfalls eine Änderung der Bieterreihenfolge mit dem Ergebnis, dass sich die Zuschlagschancen der Antragstellerin verbessern würden, nicht ausgeschlossen.
Hinsichtlich der Einhaltung der formellen Vorgaben die Konzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 1) betreffend und auf das Los 2 bezogen hat der Antragsgegner auf Nachfrage der Vergabekammer angegeben, dass nach Durchsicht der eingereichten Konzepte der Zeilenabstand von allen Bietern, mit Ausnahme der Beigeladenen zu 2), eingehalten worden sei. Hierzu ist zunächst folgendes anzumerken. Ein durch die Vergabekammer angestellter Vergleich, indem jeweils ein Probetext in einem Word-Dokument und einem PDF-Dokument mit jeweils Schriftart Arial, Schriftgröße 12 Pt. und einen Zeilenabstand von 1,5 erstellt wurde, ergab, dass die Zeilenabstände des im Word-Dokument und im PDF-Dokument erstellten Probetextes voneinander abweichen. Der im Word-Dokument erstellte Probetext wies einen um etwa 1,5 mm größeren Zeilenabstand auf als der im PDF-Dokument erstellte Probetext. Eine von der Vergabekammer in diesem Zusammenhang angestellte Berechnung ergab aber, dass wohl der Zeilenabstand von 1,5 im PDF-Dokument der standardisierten Berechnung des Zeilenabstandes, also Kegelhöhe mal 1,5, am ehesten entsprechen dürfte. Bei einer Kegelhöhe von 4 mm konnte beim im PDF-Dokument erstellten Probetext ein Zeilenabstand von etwa 6 mm ermittelt werden. Im Word-Dokument wurde ein Zeilenabstand von 7,5 mm ermittelt. Die Beigeladene zu 2) hat allem Anschein nach ihr Konzept in Word eingestellt. Eine Nachprüfung durch die Vergabekammer ergab, dass der von ihr verwendete Zeilenabstand dem Zeilenabstand von 1,5 in einem Word-Dokument entspricht. Dass der Antragsgegner zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Beigeladene zu 2) den Zeilenabstand von 1,5 nicht eingehalten habe, ist vor dem oben skizzierten Hintergrund fraglich, spielt aber an dieser Stelle keine tragende Rolle. Hinsichtlich der Übereinstimmung der Konzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 1) mit den formalen Vorgaben teilt die Vergabekammer die Ansicht des Antragsgegners, dass keine Abweichungen festgestellt werden konnten. Die Vergabekammer hat auch diesbezüglich Vergleichsberechnungen durchgeführt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die formalen Vorgaben, kleinere Messungenauigkeiten mitberücksichtigt, im Ergebnis eingehalten sein dürften. Die Konzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 1) weisen jedenfalls die gleiche Schriftgröße und Schriftart sowie denselben Zeilenabstand auf und halten sich im Rahmen der vorgegebenen Seitenanzahl pro Unterkriterium. Hinsichtlich des Loses 2, in dem die Beigeladene zu 1) und die Antragstellerin mit ihren Konzepten konkurrierten, wirkt sich die oben dargestellte Problematik zu Verstößen gegen die formellen Vorgaben demzufolge nicht aus.
2.1.4. Soweit die Antragstellerin eine Abweichung des Antragsgegners von den Vorgaben zur Konzeptbewertung darin sieht, dass der Antragsgegner betreffend die Konzeptbewertung der Antragstellerin die schlüssige Darstellung der angebotenen Herangehensweise im Unterkriterium U1 damit begründet hat, dass keine Beispiele dargelegt worden seien, eine schlüssige Darlegung aber nicht im Zusammenhang mit der Erforderlichkeit der Benennung von Beispielen stehe, ist ungeachtet der Präklusion des Einwandes, dass die Definition der Bewertungsvorgaben in sich widersprüchlich sei, auch inhaltlich keine Abweichung von den Vorgaben zu erkennen.
Der Antragsgegner hat im Rahmen seiner Vorgaben definiert, was er unter einer schlüssigen Darstellung der angebotenen Herangehensweise versteht. Diese ist gemäß seiner Definition dann gegeben, wenn sie auf die in dem jeweiligen Kriterium genannte Thematik und die dort genannten Punkte nicht nur schematisch und oberflächlich, sondern anhand von praxisgerechten Beispielen eingeht. Die Feststellung des Antragsgegners, dass von der Antragstellerin keine Beispiele dargelegt worden seien und die sich daran anschließende Bewertung, dass eine schlüssige Darstellung der angebotenen Herangehensweise nicht vorliegt, entsprechen damit den vom Antragsgegner aufgestellten Vorgaben für die Konzeptbewertung.
2.1.5. Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass der Antragsgegner sich nicht an seine Vorgaben gehalten haben könnte, weil er das Unterkriterium U1 des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) als schlüssig formuliert bewertet hat, dann aber auch die Feststellungen getroffen hat, dass eine Vielzahl an Kriterien genannt seien und im Unterpunkt Fortbildungsmaßnahmen etwas schematisch dargestellt worden sei, teilt die Vergabekammer diese Ansicht nicht.
Der Antragstellerin wurde im Rahmen der Akteneinsicht nicht die vollständige Bewertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) durch den Antragsgegner offengelegt. Der Umstand der bloßen Benennung der Kriterien führte nicht zur Verteilung der Höchstpunktzahl durch den Antragsgegner. Es traten weitere Aspekte hinzu, die der Antragsgegner im Rahmen seiner Wertungsentscheidung positiv im Konzept der Beigeladenen zu 1) bewertet hat, sodass der Antragsgegner sich an seine Vorgaben zur Bewertung gehalten hat. Dass der Antragsgegner im Unterpunkt Fortbildungsmaßnahmen in seiner Bewertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) festgestellt hat, dass etwas schematisch dargestellt worden sei, er aber das Konzept der Beigeladenen zu 1) in diesem Unterkriterium als schlüssig eingestuft hat, spricht ebenfalls nicht dafür, dass der Antragsgegner von seinen Vorgaben abgewichen ist. Die vom Antragsgegner im Kontext der Bewertung vorgenommene Formulierung, dass eine Darstellung der Beigeladenen zu 1) in ihrem Konzept schematisch erfolgt sei, ist nicht zu verwechseln mit der Bedeutung des Wortes schematisch im Kontext dessen, dass auf eine Thematik inhaltlich nur schematisch und damit oberflächlich eingegangen wird. Der Antragsgegner hatte die Darstellung von Aspekten im Konzept der Beigeladenen zu 1) als schematisch in der Bedeutung, dass diese strukturiert und übersichtlich dargestellt wurden, bezeichnet. Auch hieran ist nichts zu erinnern.
2.1.6. Dass der Antragsgegner nicht alle Angaben aus den eingereichten Konzepten berücksichtigt hat und sich umfassend mit diesen auseinandergesetzt hat, ist weder ersichtlich noch wurde dies von Seiten der Antragstellerin vorgetragen. Ein dahingehender vergaberechtlicher Verstoß zuungunsten der Antragstellerin ist nicht erkennbar.
2.1.7. Die Bewertung des Konzeptes der Antragstellerin im Unterkriterium U1 und damit dem einzigen Unterkriterium, in dem die Antragstellerin nicht die volle Punktzahl erhalten hat, ist nachvollziehbar.
Der Antragstellerin ist zwar zuzustimmen, dass die Ausführungen des Antragsgegners im Informationsschreiben vom 03.06.2024 eine nachvollziehbare Dokumentation der Konzeptbewertung vermissen lassen, da der Antragsgegner darin nur den abstrakten Bewertungsmaßstab wiedergegeben hat, ohne Subsumtion unter das konkrete Konzept. Der Antragsgegner hat jedoch eine weitergehende Begründung der Konzeptbewertung im Dokument Konzeptbewertung und in der Rügeerwiderung vom 12.06.2024 (E-Mail 13:02 Uhr) vorgenommen, die die Konzeptbewertung für die Vergabekammer nachvollziehbar macht.
Zur Unterfrage 1 des Unterkriteriums U1 stellt der Antragsgegner fest, dass die Antragstellerin nur einige wenige Auswahlkriterien genannt habe. Zudem gehe nicht deutlich hervor, wie die Antragstellerin konkret das Personal auswähle bzw. wie der Auswahlprozess ablaufe. Es werde zudem erwähnt, dass das Anforderungsprofil klar definiert sei, es erschließe sich jedoch kein konkretes Anforderungsprofil aus den Ausführungen. Diese vom Antragsgegner getroffene Einschätzung ist für die Vergabekammer nachvollziehbar. Die Antragstellerin hat in ihrem Konzept lediglich sehr allgemein gehaltene Kriterien bzw. Oberbegriffe aufgeführt, ohne genau darauf einzugehen, was sie hierunter inhaltlich zählt.
Auch die im Rahmen der Unterfrage 2 des Unterkriteriums U1 getroffene Feststellung des Antragsgegners, dass zur Thematik, warum die Auswahlkriterien geeignet seien, die Ausführungen der Antragstellerin insgesamt sehr allgemein gehalten seien, bewegt sich im Rahmen des dem Antragsgegner zustehenden Beurteilungsspielraumes und ist für die Vergabekammer nachvollziehbar.
Soweit der Antragsgegner hinsichtlich der Unterfrage 3 des Unterkriteriums U1 festgestellt hat, dass keine Angaben zum konkreten Schulungsumfang gemacht worden seien und insgesamt sehr allgemein formuliert worden sei und diese Angaben im Rahmen der Rügeerwiderung noch zusätzlich dahingehend ausführt, dass nur allgemein erwähnt werde, dass durch die genannten Maßnahmen das Personal gut ausgebildet sei und sich praxisgerechte Beispiele gerade nicht finden würden, hält die Vergabekammer auch diese Begründung für nachvollziehbar und im Rahmen des bestehenden Beurteilungsspielraumes.
Die Feststellung des Antragsgegners zur Unterfrage 4 im Unterkriterium U1, dass zu jedem Fortbildungspunkt zwar der Praxisbezug erläutert werde, allerdings sehr allgemein formuliert sei und die weitergehenden Erläuterungen in der Rügeerwiderung, dass die Eignung der einzelnen Maßnahmen mit je einem sehr pauschalen Satz abgehandelt werde und auch hier nicht von praxisgerechten Beispielen gesprochen werden könne, sich insgesamt in diesem Kriterium kein Bezug auf den Asylbereich finde und allein dieser Umstand verdeutliche, dass die Ausführungen zu diesem Unterkriterium sehr allgemein seien, ist für die Vergabekammer nachvollziehbar und bewegt sich auch im Rahmen des dem Antragsgegner zustehenden Beurteilungsspielraumes.
Schlussendlich ist auch die zusammenfassende Bewertung des Antragsgegners im Unterkriterium U1, dass die Darstellung der angebotenen Herangehensweise zwar logisch argumentiert sei und sich inhaltlich mit allen Punkten der im Kriterium dargestellten Thematik befasse, aber nicht schlüssig formuliert sei, da die Punkte überwiegend oberflächlich und schematisch behandelt werden und auf praxisgerechte Beispiele nicht eingegangen werde, für die Vergabekammer nachvollziehbar und bewegt sich innerhalb der dem Antragsgegner zustehenden Beurteilungsspielraums.
2.1.8. Der Quervergleich zwischen den Bewertungen der Konzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 1) hält einer vergaberechtlichen Nachprüfung hinsichtlich der Unterkriterien U1 und U2 nicht stand. Hinsichtlich des Unterkriteriums U3 hält der Quervergleich einer vergaberechtlichen Nachprüfung stand.
Zwar erschöpft sich die jeweilige in den Unterkriterien vorgenommene Gesamtbewertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) größtenteils in der Wiedergabe des abstrakten Bewertungsmaßstabes für die Vergabe von sechs Punkten. Allerdings hat der Antragsgegner bei den einzelnen Unterfragen der jeweiligen Unterkriterien den Inhalt des Konzeptes sowie zum Teil auch eine eigene kurze Bewertung dokumentiert. In der Gesamtschau geht die Vergabekammer davon aus, dass die dort wiedergegebenen Inhalte der Konzepte der Bieter die Aspekte umfassen, die der Antragsgegner positiv bei seiner Bewertung berücksichtigt hat.
Der Quervergleich der Bewertungen hält im Unterkriterium U1 einer vergaberechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Beigeladene zu 1) hat im Unterkriterium U1 die volle Punktzahl erhalten, die Antragstellerin hingegen nur vier Punkte. Ausweislich der Bewertungsübersicht für Los 2 mit den vorläufigen Bewertungen für die einzelnen Unterkriterien hat der Antragsgegner bei der Unterfrage 1 im Unterkriterium U1 dem Konzept der Beigeladenen zu 1) mehr vorläufige Punkte, nämlich sechs, erteilt, als dem Konzept der Antragstellerin. Diese hat vier vorläufige Punkte erhalten. Der Quervergleich zwischen den Bewertungen trägt die Einschätzung des Antragsgegners. Hinsichtlich des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) hat der Antragsgegner nachvollziehbar mehr Angaben positiv bewertet als beim Konzept der Antragstellerin.
Auch die hinsichtlich der Unterfrage 2 vorgenommene gleiche Bewertung beider Konzepte mit jeweils vier vorläufigen Punkten hält einer Überprüfung des Quervergleiches im Ergebnis stand. Der Vergabekammer fällt bei der Bewertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) bei dieser Unterfrage zwar auf, dass der Antragsgegner einen Teil der konzeptionellen Ausführungen der Beigeladenen zu 1) wiedergegeben hat, die genau genommen keinen inhaltlichen Bezugspunkt zu der aufgeworfenen Fragestellung, warum die Auswahlkriterien für die Rekrutierung des Personals geeignet seien, um eine qualitativ hochwertige Leistungserbringung für den hier zu vergebenden Auftrag zu gewährleisten, aufweisen. Die Beigeladene zu 1) hat in ihrem Konzept ausgeführt und der Antragsgegner hat dies scheinbar positiv gewertet, wie die Eignung der Kriterien ermittelt wird. Dies hat nach Auffassung der Vergabekammer inhaltlich keinen Bezugspunkt zu der Frage, warum der Bieter die von ihm genannten Auswahlkriterien als geeignet ansieht. Aber auch ungeachtet dieser Ausführungen hält der Quervergleich einer Überprüfung stand, da beide Bieter hinsichtlich dieser Unterfrage vergleichbare Ausführungen gemacht haben und hierfür dieselbe vorläufige Punktzahl erhalten haben.
Der Quervergleich bei der Unterfrage 3 im Unterkriterium U1 ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Hier hat der Antragsgegner für das Konzept der Antragstellerin zwei vorläufige Punkte vergeben und dem Konzept der Beigeladenen zu 1) die volle Punktzahl von sechs Punkten. Der Antragsgegner hat hinsichtlich des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) mehr Aspekte nachvollziehbar positiv berücksichtigt, als beim Konzept der Antragstellerin. Die Bewertung hinsichtlich des Konzeptes der Antragstellerin ist unter Berücksichtigung des Quervergleiches mit den Ausführungen zum Konzept der Beigeladenen zu 1) auch nachvollziehbar, da letztere konkrete Angaben zum Schulungsumfang und -inhalt gemacht.
Der Quervergleich der Konzeptbewertungen zur Unterfrage 4 im Unterkriterium U1 hält einer vergaberechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Antragsgegner hat betreffend das Konzept der Beigeladenen zu 1) Ausführungen positiv bewertet, die nach Ansicht der Vergabekammer in keinem Zusammenhang mit der aufgeworfenen Fragestellung stehen. Er hat Ausführungen der Beigeladenen zu 1) wiedergegeben, die eher der Unterfrage 3 zuzuordnen wären, obwohl die Beigeladene zu 1) auch Ausführungen bei der Unterfrage 4 gemacht hat, die thematisch auch zutreffen. Diese hat der Antragsgegner aber offensichtlich nicht gewertet, wie aus der vorgelegten Dokumentation hervorgeht. Für die Vergabekammer ist anhand der vorgelegten Dokumentation nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsgegner der Beigeladenen zu 1) bei dieser Unterfrage sechs vorläufige Punkte gegeben hat, der Antragstellerin hingegen nur vier Punkte. Die dokumentierten Erwägungen des Antragsgegners tragen die Bewertung nicht. Insgesamt hat die Antragstellerin in diesem Punkt wesentlich weitreichende inhaltliche Ausführungen gemacht, als die Beigeladene zu 1). Der Antragsgegner hat ausweislich der Dokumentation auch wesentlich mehr Inhalte des Konzeptes der Antragstellerin in seiner Bewertung wiedergegeben, also wahrscheinlich positiv gewertet, als hinsichtlich des Konzeptes der Beigeladenen zu 1). Soweit der Antragsgegner hinsichtlich des Konzeptes der Antragstellerin feststellt, dass zwar zu jedem Fortbildungspunkt der Praxisbezug erläutert werde, allerdings sehr allgemein formuliert worden sei, trägt auch diese Begründung im Quervergleich mit der Konzeptbewertung der Beigeladenen zu 1) nicht, da sich die Konzepte beider Bieter bei diesem Unterpunkt die inhaltliche Tiefe betreffend als gleichwertig darstellen. Die Vergabe von vier Punkten für das Konzept der Antragstellerin sowie sechs Punkte für das Konzept der Beigeladenen zu 1) hält insgesamt dem angestellten Quervergleich nicht stand.
Für die Vergabekammer ist auch nicht erkennbar, ob sich an der insgesamt zu vergebenden Punktzahl in diesem Unterkriterium eine Änderung ergäbe, wenn die Unterfrage vier anders durch den Antragsgegner bewertet werden würde. Auf das Gesamtergebnis in Unterkriterium U1 des Konzeptes der Antragstellerin dürfte es wohl keine Auswirkungen haben, da selbst bei gedanklich zu vergebender Höchstpunktzahl bei Unterfrage vier die Gesamtbewertung unter Berücksichtigung der weiteren gedanklich vergebenen Punkte von zweimal vier und einmal zwei Punkten wohl bei insgesamt vier Punkten verbliebe. Die Auswirkungen auf das Gesamtergebnis in Unterkriterium U1 des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) sind aber nicht absehbar. Wenn der Antragsgegner in Unterfrage vier zu einer gedanklichen Abwertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) käme, könnte dies auch Auswirkungen auf die insgesamt im Unterkriterium U1 zu vergebende Punktzahl hinsichtlich des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) haben.
Der Quervergleich der Bewertungen hält im Unterkriterium U2 einer vergaberechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand. Sowohl die Beigeladene zu 1) als auch die Antragstellerin haben bei diesem Unterkriterium die volle Punktzahl erhalten.
Hinsichtlich der Unterfrage 1 hat der Antragsgegner der Beigeladenen zu 1) die Höchstpunktzahl von sechs vorläufigen Punkten gegeben, der Antragstellerin dagegen nur vier vorläufige Punkte. Hinsichtlich der planbaren Ausfälle haben beide Bieter inhaltlich vergleichbare Ausführungen gemacht. Hinsichtlich nicht planbarer Ausfälle haben die Bieter ebenfalls vergleichbare Ausführungen gemacht. Die Antragstellerin hat nach Ansicht der Vergabekammer sogar weitergehende Ausführungen als die Beigeladene zu 1) gemacht.
In der Unterfrage 2 des Unterkriteriums U2 wurde die Beigeladene zu 1) mit vier vorläufigen Punkten bewertet, die Antragstellerin mit sechs vorläufigen Punkten. Es fällt jedoch auf, dass die Beigeladene zu 1) bei dieser Unterfrage keine Ausführungen zu Ersatzpersonal als solchem macht, sondern darstellt, bis zu welcher möglichen Kapazitätsgrenze das geplante Personal eingesetzt werden kann. Damit fehlen nach Ansicht der Vergabekammer Ausführungen zu Ersatzpersonal. Denn beispielsweise gerade krankheitsbedingte Ausfälle von mehreren Mitarbeitern können nicht über eben diese Personen und ihr zeitlich zur Verfügung stehendes Zusatz-Stundenkontingent aufgefangen werden, sondern nur über weiteres Personal. Lediglich in einem weiteren Unterpunkt macht die Beigeladene zu 1) Ausführungen zu vorgehaltenem Ersatzpersonal. Mangels Dokumentation kann die Vergabekammer aber nicht feststellen, dass dies in die Bewertung des Antragsgegners eingeflossen ist.
Bei der Unterfrage 3 im Unterkriterium U2 hat die Antragstellerin sechs vorläufige Punkte erhalten, die Beigeladene zu 1) vier vorläufige Punkte. Nach Ansicht der Vergabekammer ist bei dieser Unterfrage eine Spreizung der vorläufig zu verteilenden Punktzahlen von null bis sechs Punkten vor dem Hintergrund, dass hier lediglich eine Zahl zu nennen ist, nämlich wie schnell Ersatzpersonal zur Verfügung steht, schwierig. Gleichwohl fällt auf, dass die Antragstellerin wesentlich detaillierte Ausführungen gemacht hat und der Antragsgegner dies auch positiv mit Vergabe der Höchstpunktzahl gewertet hat. Zusammenfassend bewegt sich die durch den Antragsgegner vorgenommene Bewertung noch im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes.
Bei der Unterfrage 4 im Unterkriterium U2 hat die Antragstellerin vier vorläufige Punkte erhalten, die Beigeladene zu 1) sechs vorläufige Punkte. Die Ausführungen beider Bieter sind nach Ansicht der Vergabekammer jedoch als inhaltlich gleichwertig anzusehen. Mangels Dokumentation ist für die Vergabekammer nicht erkennbar, weshalb der Antragsgegner das Konzept der Beigeladenen zu 1) in diesem Unterpunkt als überlegen ansieht.
Es ist durch die Vergabekammer nicht feststellbar, welche abschließende Punktzahl der Antragsgegner in diesem Unterkriterium bei Neuwertung vergeben würde. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere hinsichtlich des Konzeptes der Beigeladenen zu 1) eine Abwertung erfolgt, die zusammen mit einer anderweitigen Bepunktung im Unterkriterium U1 Auswirkungen auf die Bieterreihenfolge haben könnte mit dem Ergebnis, dass die Antragstellerin eine realistische Zuschlagschance erhält. Die Antragstellerin ist hierdurch in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
Der Quervergleich der Bewertungen im Unterkriterium U3 dagegen hält einer vergaberechtlichen Nachprüfung stand. Sowohl die Beigeladene zu 1) als auch die Antragstellerin haben bei diesem Unterkriterium die volle Punktzahl erhalten. In beiden Unterfragen dürfte der Antragsgegner beiden Konzepten stets die volle vorläufige Punktzahl erteilt haben. Dass der Antragsgegner in der tabellarischen Konzeptbewertung beim Konzept der Antragstellerin zweimal vier vorläufige Punkte eingetragen hat, dürfte demzufolge ein Schreibfehler sein. Die Bewertung hält einem durchgeführten Quervergleich stand und ist nachvollziehbar. Beide Bieter haben vergleichbare Ausführungen zu diesem Unterkriterium gemacht.
2.2. Die festgestellten vergaberechtlichen Verstöße hinsichtlich der Bewertung der Konzepte in den Losen 2 und 4 führen prinzipiell zu einer Neuwertung der eingegangenen Angebote. Hinsichtlich der Angebotswertung zu Los 2, bei der sich die Problematik der formellen Vorgaben der Konzepterstellung nicht ausgewirkt hat, ist diese Vorgehensweise auch angezeigt. Der Vergabekammer Südbayern erscheint allerdings eine vergaberechtskonforme Neuwertung der eingegangenen Angebote das Los 4 betreffend auf der Grundlage der Vergabeunterlagen in ihrem derzeitigen Zustand ausgeschlossen, so dass das Vergabeverfahren das Los 4 betreffend - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - in den Stand vor Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen ist.
Die Vergabeunterlagen und insbesondere die formellen Vorgaben, die bei der Konzepterstellung zu beachten sind und daran angeknüpfte Sanktionsmöglichkeiten sind unklar und die Ausschreibung leidet daher an einem schwerwiegenden Mangel, der eine vergaberechtskonforme Neuwertung nicht möglich macht.
Gemäß § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB müssen Zuschlagskriterien so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Der öffentliche Auftraggeber hat die Entscheidung, wem er den Auftrag erteilt, und die hierzu nötigen Wertungen nach einheitlichem Maßstab zu treffen. Auch hinsichtlich der Bewertungsmethode, insbesondere zur Bewertung qualitativer Zuschlagskriterien, bei der dem öffentlichen Auftraggeber ein größerer Freiraum zuzubilligen ist, ist das Transparenzgebot zu beachten. Die Vergabeunterlagen müssen so klar, präzise und eindeutig gefasst sein, dass alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ihre genaue Bedeutung erfassen und sie in gleicher Weise verstehen können (OLG München, Beschluss vom 08.07.2019, Verg 2/19 m.w.N.). Dies ist insbesondere auch durch Auslegung nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, bei der auf den objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter bzw. Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen ist (BGH, Beschluss vom 07.02.2014, X ZB 15/13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.03.2018, Verg 52/17; OLG München, Beschluss vom 08.07.2019, Verg 2/19). Besteht Spielraum für unterschiedliche Auslegungen, sind die Vorgaben mehrdeutig und verstoßen gegen § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB.
Die Vergabekammer weist darauf hin, dass bereits die Vorgaben des Zeilenabstandes von 1,5 sowie zur Schriftgröße nicht ganz klar sind. Wie unter Ziffer II.2.1.3. dieses Beschlusses festgestellt, weicht der Zeilenabstand von 1,5 in einem Word-Dokument von einem Zeilenabstand von 1,5 in einem PDF-Dokument voneinander ab. Es ist daher bereits nicht ganz klar, von welchem 1,5-zeiligen Abstand der Antragsgegner in seinen Vorgaben ausgegangen ist und welchen er zugrunde gelegt wissen wollte. Die Vergabekammer geht davon aus, dass der Antragsgegner wohl die Einhaltung des Zeilenabstandes von 1,5 im PDF-Dokument gemeint haben dürfte. Jedenfalls hat er den Bietern ein PDF-Dokument zur Erstellung ihrer Konzepte zur Verfügung gestellt. Dieses war zwar zunächst nicht beschreibbar. Infolge einer zu dieser Thematik erfolgten Bieterfrage (Nr. 8) hat er jedoch dann das Formblatt "Ausführungen zu Zuschlagskriterien" in bearbeitbarem PDF-Format zur Verfügung gestellt und darauf verwiesen, dass bei der Befüllung die Vorgaben des Formblattes "Gewichtung der Zuschlagskriterien" zu beachten seien. Zudem entspricht der im PDF-Dokument von der Vergabekammer ermittelte Zeilenabstand von 1,5 rechnerisch eher dem 1,5-fachen Satz der Kegelhöhe, als dies im Word-Dokument der Fall ist. Eine weitere Ungenauigkeit der formellen Vorgaben besteht darin, dass der Antragsgegner eine Schriftgröße von 12 vorgegeben hat. Es dürfte sich wohl um die Schriftgröße 12 Pt. handeln. Dies ist allerdings in den Vorgaben nicht explizit aufgeführt. Allein diese beiden Tatsachen, die Vorgaben zum Zeilenabstand und zur Schriftgröße, würden für sich betrachtet keine Rückversetzung des Vergabeverfahrens bedingen. Die Vergabekammer weist jedoch darauf hin, dass bei Überarbeitung der Vergabeunterlagen an dieser Stelle ein ergänzender Hinweis bzw. eine Klarstellung durch den Antragsgegner angezeigt sein dürfte, sofern er an den formellen Vorgaben festzuhalten gedenkt.
In den Vergabeunterlagen ist nicht ausreichend klar festgelegt, wie mit Abbildungen, die textliche Ausführungen enthalten, die nicht den Vorgaben zu Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand entsprechen, im Rahmen der Konzeptbewertung umzugehen ist. Der Antragsgegner hat zwar Vorgaben zur Seitenanzahl, Schriftgröße, Schriftart und zum Zeilenabstand gemacht und angegeben, dass Ausführungen auf weiteren Seiten oder Anlagen bei der Wertung des Konzeptes nicht berücksichtigen werden. Es existiert jedoch keine Vorgabe hinsichtlich dem Einfügen von Abbildungen. Soweit es Abbildungen mit textlichen Ausführungen, wie bei dem Konzept der Beigeladenen zu 2), betrifft, könnte einerseits der Standpunkt vertreten werden, dass die Vorgaben des Antragsgegners zu Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand auch auf diese angewendet werden können. Andererseits kann jedoch auch die Ansicht vertreten werden, dass der Antragsgegner keine expliziten Vorgaben zur Verwendung von Abbildungen getroffen hat, es demzufolge auch keinen Verstoß darstellen kann, wenn Abbildungen mit textlichen Ausführungen in die Konzepte eingefügt werden. Es besteht demnach Spielraum für unterschiedliche Auslegungen, sodass die Vorgaben des Antragsgegners mehrdeutig sind und der Bewertung nicht zugrunde gelegt werden können. Da es jedoch einer gleichbehandelnden Bewertung widerspricht, Abbildungen, die textliche Ausführungen enthalten, die insbesondere nicht den Formvorgaben zu Schriftgröße und Zeilenabstand entsprechen, im Rahmen der Bewertung inhaltlich zu berücksichtigen, da dies dazu führen kann, dass Bieter mehr Informationen in dem Konzept unterbringen, als wenn sie sich an die Vorgaben gehalten hätten, sieht die Vergabekammer als einzige Möglichkeit zur Behebung dieser Ungleichbehandlung eine Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Auftragsbekanntmachung. Es bleibt dem Antragsgegner hierbei überlassen, wie er seine Vergabeunterlagen ausgestaltet, um eine gleichbehandelnde Wertung der Angebote vornehmen und gewährleisten zu können. Die Vergabekammer weist bezüglich der Aufnahme von Vorgaben zu Abbildungen im Rahmen der Überarbeitung der Vergabeunterlagen darauf hin, dass sie nach Sichtung aller eingereichten Konzepte eine Überprüfung auf Einhaltung der Formvorgaben des Antragsgegners bezogen auf eingefügte Abbildungen als äußerst schwierig einstuft. Dabei hat sie das Konzept eines am Nachprüfungsverfahren nicht beteiligten Bieters des hiesigen Vergabeverfahrens im Auge, bei dem eine Abbildung eingefügt wurde, die einen von schräg oben abfotografierten Text auf einem Monitor zeigt.
Aber auch, wenn man den Standpunkt vertreten würde, dass es keiner Vorgaben hinsichtlich Abbildungen bedurfte und die bestehenden Formvorgaben auch auf textliche Ausführungen in Abbildungen anzuwenden sind, könnten die vom Antragsgegner vorgegebenen Sanktionsmöglichkeiten von Verstößen gegen die Formvorgaben vorliegend nicht hinsichtlich der Bewertung des Konzeptes der Beigeladenen zu 2) herangezogen werden. Die Vergabeunterlagen und insbesondere die Ausführungen der Sanktionsmöglichkeit der Bewertung eines Konzeptes mit null Punkten sind unklar und lassen verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zu. Es ist nicht transparent, was unter einem "Abweichen von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen" zu verstehen ist, das ausweislich des Formblattes "Gewichtung der Zuschlagskriterien" mit null Punkten bewertet werden soll. Insbesondere ist nicht klar und eindeutig, dass hierunter formelle Abweichungen von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen zu verstehen sind mit dem Ergebnis, dass Konzepte, die die Vorgaben zu Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand nicht einhalten, mit null Punkten zu bewerten wären. Für diese Auslegungsmöglichkeit spricht, dass der Antragsgegner hiermit keine inhaltlichen Abweichungen von den Vergabeunterlagen gemeint haben kann, da ein Verstoß gegen inhaltliche Abweichungen wohl regelmäßig einen Angebotsausschluss nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV nach sich ziehen dürfte, sofern nicht die Einreichung von Nebenangeboten zugelassen wurde, was im Vorliegenden ausweislich der Auftragsbekanntmachung in Ziffer 5.1.12. nicht der Fall war. Gegen eine solche Auslegung und für eine Auslegung dahingehend, dass unter Vorgaben von den Vergabeunterlagen nur solche inhaltlicher Natur gemeint sein können spricht allerdings, dass die abstrakten Bewertungsvorgaben des Antragsgegners zu den jeweils zu vergebenden Punktzahlen sich allesamt auf inhaltliche Vorgaben beziehen. Dies betrifft vor allem die Vorgaben zu den Punktvergaben von sechs, vier und zwei Punkten, bei denen jeweils die Darstellung der angebotenen Herangehensweise und damit die inhaltlichen Ausführungen der Bieter bewertet werden. Aber auch die übrigen Kriterien, unter welchen Voraussetzungen null Punkte vergeben werden, sind inhaltlicher Art. Null Punkte sollen unter anderem dann vergeben werden, wenn das Konzept zu dem Kriterium nicht vorliegt, wenn also inhaltliche Ausführungen zu dem Kriterium fehlen. Null Punkte sollen zudem vergeben werden, wenn das Konzept von den rechtlichen Vorgaben abweicht. Auch diesbezüglich handelt es sich um einen auf den Inhalt des Konzeptes bezogenen Maßstab. Null Punkte sollen schlussendlich auch dann vergeben werden, wenn sich das Konzept nicht mit der im Kriterium dargestellten Thematik befasst, also ebenfalls die inhaltlichen Ausführungen des Konzeptes eine Rolle spielen. Es wäre unter Berücksichtigung dieser Ausführungen nicht nachvollziehbar, weshalb der Antragsgegner bei einer Abweichung von den Vorgaben in den Vergabeunterlagen konträr zu seinen übrigen Vorgaben dann solche formeller Natur gemeint haben soll, zumal er an anderer Stelle im Dokument bereits eine Sanktionierung bei Verstößen gegen die Formvorgaben getroffen hat, nämlich, dass überschießende Seiten und Anlagen nicht gewertet werden. Damit war für die Bieter nicht klar und eindeutig, anhand welcher Kriterien ihre Konzepte bewertet werden und eine gleichbehandelnde Konzeptbewertung nicht möglich. Für Bieter, wie beispielsweise die Beigeladene zu 2) war nicht hinreichend transparent, ob und gegebenenfalls welche Konsequenzen sie erwarten, wenn sie Abbildungen mit textlichen Ausführungen in ihre Konzepte einfügen, die nicht der vorgegebenen Schriftart, Zeilenabstand und Schriftgröße entsprechen. Damit konnten sie auch kein einheitliches Verständnis der Vergabeunterlagen bei der Erstellung ihres Konzeptes zugrunde gelegen. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass die Beigeladene zu 2) ihre konzeptionellen Ausführungen anders ausgestaltet hätte, wenn sie gewusst hätte, dass formelle Abweichungen von den Vorgaben betreffend Schriftart, Zeilenabstand und Schriftgröße mit null Punkten im Unterkriterium bewertet werden.
Sind die Vorgaben in der Ausschreibung zu der Wertung zu unbestimmt, so liegt darin nicht nur ein Verstoß gegen das Transparenzprinzip, sondern auch gegen das Gleichbehandlungsgebot (OLG München, Beschluss vom 08.07.2019, Verg 2/19). Es würde sich zum einen eine Ungleichbehandlung ergeben, wenn vorliegend die Nichtbeachtung der Vorgaben zur Schriftgröße, Schriftart und zum Zeilenabstand, wie sie im Konzept der Beigeladenen zu 2) vorkommt, sanktionslos bliebe im Verhältnis zu Bietern, die die Formvorgaben eingehalten habe, wie beispielsweise die Antragstellerin, aber auch im Verhältnis zu Bietern, die sich nicht an die vorgegebene Seitenanzahl gehalten haben. Denn beides, sowohl Nichtberücksichtigung von Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand sowie überschießende Seitenanzahlen / Anlagen können dazu führen, wie oben bereits festgestellt, dass Bieter mehr Informationen in dem Konzept unterbringen, als wenn sie sich an die Vorgaben halten. Zum anderen ergäbe sich aber auch eine Ungleichbehandlung, wenn Konzepte von Bietern wegen nichtbestehender Sanktionsmöglichkeiten mehr Informationen beinhalten, als wenn sich die Bieter an die Vorgaben zu Schriftart, Schriftgröße und Zeilenabstand gehalten hätten. Dieses Spannungsfeld ist nur darüber aufzulösen, dass der Antragsgegner das Vergabeverfahren das Los 4 betreffend in den Stand vor Bekanntmachung der Ausschreibung zurückversetzt und seine Vergabeunterlagen dahingehend überarbeitet und klarstellt.
3. Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend der Antragsgegner.
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens.
Der Antragsgegner ist als Bundesland von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.
Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft erstattet.
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB. Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da es sich beim Vergaberecht und dem Nachprüfungsverfahren um einen komplexen Problemkreis handelt und die Antragstellerin nicht über die für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen personellen Kapazitäten verfügt und daher auf eine vertiefte rechtliche Begleitung im Nachprüfungsverfahren durch einen Anwalt angewiesen war. Die im Nachprüfungsverfahren aufgeworfenen Rechtsfragen waren jedenfalls hinsichtlich der Konzeptbewertung in den Losen 2 und 4 komplex und von der Antragstellerin ohne anwaltliche Beratung nicht zu bewältigen.
Auch wenn die beiden Beigeladenen keine Anträge gestellt haben, muss die Vergabekammer von Amts wegen über die Aufwendungen der Beigeladenen entscheiden.
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen beruht auf § 182 Abs. 4 S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Die Beigeladenen haben jeweils ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen selbst zu tragen. Sie haben weder Anträge gestellt hat, noch haben sie sich im Übrigen aktiv am Verfahren beteiligt. Die Beigeladene zu 2) hat überdies auch nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen, die Beigeladene zu 1) hat sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung passiv verhalten.
(...)
Wer vergaberechtliche Kenntnisse hat, der braucht keinen Rechtsan...
Wer vergaberechtliche Kenntnisse hat, der braucht keinen Rechtsanwalt!
Melden Sie sich jetzt an unter www.vpr-online.de, um sämtliche Entscheidungen im Volltext lesen zu können.
vpr-online ist DIE Datenbank für öffentliche Auftraggeber und Bieter sowie für alle Berater auf den Gebieten des Vergaberechts.
Mit vpr-online haben Sie außerdem jederzeit und überall Zugriff auf über 5.700 VPR-Beiträge nach dem 1-Seiten-Prinzip, über 12.008 Entscheidungen im Volltext, Arbeitshilfen, Materialien und vieles mehr.
OLG Frankfurt
Beschluss
vom 21.11.2024
11 Verg 6/24
1. Für die Frage der Notwendigkeit der Heranziehung eines Rechtsanwalts ist eine differenzierte Betrachtung des Einzelfalls erforderlich.*)
2. Gegen die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts kann es sprechen, wenn die noch nicht anwaltlich beratene Vergabestelle bereits vorgerichtlich umfassend zu den später im Nachprüfungsverfahren erörterten Sach- und Rechtsfragen Stellung nimmt.*)
vorhergehend:
VK Hessen, 04.06.2024 - 96e 01.02/10-2024
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 2. Vergabekammer des Landes Hessen vom 4.6.2024, Az. 96 e 01.02/10 - 2024 hinsichtlich des Tenors Ziff. 4 dahingehend abgeändert, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner nicht für notwendig erklärt wird.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
3. Der Beschwerdewert wird auf bis zu EUR 5.000 festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Landes Hessen, soweit im Beschluss vom 4.6.2024 die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner für notwendig erklärt wurde.
Die Antragstellerin hatte sich an einer europaweiten Ausschreibung des Antragsgegners beteiligt für die Leistungen vorgehängte belüftete Fassaden sowie Tischler-, Metallbau-, Zimmer-, Holzbau- und Verglasungsarbeiten.
In der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Formblatt 211 EU) war in Ziff. 8 unter der Überschrift "Zugelassene Angebotsabgabe" die Angaben "Elektronisch" und "in Textform", nicht aber die weiteren Alternativen "mit fortgeschrittener/m Signatur/Siegel" und "mit qualifizierter/m Signatur/Siegel" angekreuzt.
Ziff. 10 des Formblatts lautete wie folgt:
"Wenn in den elektronischen Vergabeunterlagen ein Leistungsverzeichnis im GAEB-Format als X83-Datei enthalten ist, ist dieses zwingend als GAEB-Datei im Format X84, P84 oder D84 oder, falls Nebenangebote zugelassen sind, als X85, P85 oder D85 mit dem Angebot über die Vergabeplattform einzureichen.
Andere oder zusätzliche Dateiformate werden in der Wertung nicht berücksichtigt. Falls dem Angebot mehrere der genannten Formate beiliegen, werden diese im Rahmen der Angebotswertung wie folgt berücksichtigt:
Es gilt zunächst die eingereichte X84- oder X85-Datei; sodann eine P84- oder P85-Datei: und schließlich eine D84 oder D85-Datei.
Berücksichtigt werden ausschließlich die genannten GAEB-Formate. Es wird darauf hingewiesen, dass ein Ausschluss vom Verfahren erfolgt, sofern keine Datei der vorgenannten Formate vorliegt."
Die Antragstellerin beteiligte sich an der Ausschreibung und gab ihr Angebot sowohl als PDF als auch als GAEB-Datei ab.
Im Nachhinein stellte sich heraus, dass aus nicht nachvollziehbaren technischen Gründen in die GAEB-Datei nicht sämtliche Preise von der Software übernommen worden waren. In der PDF-Datei waren die Preise vorhanden. In das Formblatt 213 hatte die Antragstellerin den vollständigen Preis gemäß PDF-Angebot eingetragen. Mit diesem im PDF-Angebot angegebenen Preis war das Angebot der Antragstellerin das günstigste Angebot.
Am 7.3.2024 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot ausgeschlossen worden sei, da es Preise nicht enthalte. In der Vorabinformation heißt es:
"1. Angebotsprüfung Ihr(e) Angebot(e) wird/werden von der Wertung ausgeschlossen, weil ... es Preise nicht enthält.
...
Mit dem Angebot war eine GAEB-Datei mit den Preisangaben (D84) vorzulegen. Andere Dateiformate sind von der Wertung ausgeschlossen. Ihrem Angebot lagen lediglich fehlerhafte GAEB-Dateien bei. Diese enthielten nicht alle geforderten Einheitspreise (ganze Titel fehlen)."
Unter dem 11.3.2024 wandte sich die Antragstellerin wie folgt an den Antragsgegner:
"wir beziehen uns auf Ihr Absageschreiben vom 7.3.2024. Nach Überprüfung unserer eingereichten Unterlagen konnten wir keine unbepreisten Ausschreibungspositionen feststellen. Wir bitten aus diesem Grund um erneute Prüfung und detaillierte Mitteilung oder Einsicht in die Vergabeunterlagen."
Am selben Tag, dem 11.3.2024, telefonierte der Geschäftsführer der Antragstellerin mit einem Mitarbeiter des Antragsgegners, bestritt die Unvollständigkeit der Unterlagen, bat um erneute Prüfung und detaillierte Mitteilung oder Einsicht in die Vergabeunterlagen. Der Mitarbeiter des Antragsgegners erläuterte, dass das Angebot der Antragstellerin zwei fehlerhafte GAEB-Dateien enthalten habe, bei denen mehrere Titel mit den zugehörigen Positionen gefehlt hätten. Das Leistungsverzeichnis im PDF-Format habe aufgrund der falschen Form nicht berücksichtigt werden können, worauf der Antragsgegner im Formblatt 211 EU in Ziffer 10 hingewiesen habe. Dort sei auch vorgesehen, dass das Angebot der Antragstellerin habe ausgeschlossen werden müssen, woran die Vergabestelle gebunden sei. Die strikte Formvorgabe diene dazu, elektronische Angebote überhaupt auswerten zu können, und zu vermeiden, dass sich unterschiedliche Formate inhaltlich widersprächen, was ebenfalls in der Regel zum Ausschluss der Angebote führe.
Am 17.3.2024 rügte die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebots und machte geltend, dass die eingereichten Preise im PDF-Format klar definiert und nachvollziehbar seien.
Mit Schreiben vom 10.4.2024 wandte sich der noch nicht anwaltlich vertretene Antragsgegner an die Antragstellerin. Unter Bezugnahme auf die bisherige Korrespondenz und das Telefonat am 11.3.2024 wiederholte er seine Auffassung, er sei gemäß § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A befugt gewesen, bestimmte Dateiformate zu fordern, was vorliegend eindeutig im Formblatt 211 EU erfolgt sei. Die hiesige Formvorgabe sei notwendig, da andernfalls auch Formate zugelassen wären, die für die ausschreibende Stelle nicht auswertbar seien und ggf. sich inhaltlich widersprechen könnten.
Der Bieter trage die Verantwortung dafür, dass sein Angebot rechtzeitig und vollständig in den vom Auftraggeber geforderten Dateiformaten eingehe. Wegen Nichteinhaltung der Form sei das Angebot der Antragstellerin daher gemäß § 16 EU Abs. 1 Nr. 2 iVm § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A auszuschließen gewesen, worauf ausdrücklich im Formblatt 211 EU hingewiesen worden sei.
Für eine Nachforderung habe kein Ermessensspielraum bestanden, da die Nachforderung im Formblatt 211 EU ausgeschlossen worden sei und zudem § 16a EU Abs. 2 VOB/A der Nachforderung einer wesentlichen Preisangabe entgegengestanden hätte.
Der Ausschluss widerspreche auch nicht den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit, da das Vergaberecht formstreng sei und die Bieter sich an die Formvorgaben halten müssten.
Das von der Antragstellerin zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.5.2023 (Az. XIII ZR 14/21) bestätige gerade, dass der Auftraggeber bestimmte Dateiformate vorgeben könne.
Unter dem 22.4.2023 erhob die Antragstellerin Nachprüfungsantrag und rügte, ihr Angebot habe nicht ausgeschlossen werden dürfen.
Die europarechtlichen Regelungen, die ihren Niederschlag in §§ 53, 57 VgV gefunden hätten, ständen dem Ausschluss entgegen. § 53 VgV berechtige die Bieter grundsätzlich, ihre Angebote in Textform nach § 126b BGB mithilfe elektronischer Mittel zu übermitteln, und verpflichte den Auftraggeber, die elektronische Kommunikation anzuerkennen.
Der Antragsgegner habe dementsprechend in Ziff. 8 des Formblatts EU 211 vorgesehen, dass Angebote "elektronisch in Textform" möglich seien, so dass das PDF-Angebot maßgeblich sei. Die im Formblatt EU 211 in Ziff. 10 vorgesehene Regelung bedeute nur, dass zusätzlich zur Textform abgegebene Formate eine der dort genannten Formate erfüllten müssten.
Jedenfalls hätte eine fehlerfreie GAEB-Datei mit dem Inhalt des PDF-Angebots, das vollständig gewesen sei, nachgefordert oder jedenfalls hierüber eine Ermessensentscheidung getroffen werden müssen. Der Antragsgegner habe daher jedenfalls sein Ermessen fehlerhaft nicht ausgeübt.
Der Antragsgegner ist dem Nachprüfungsantrag entgegengetreten.
Die angeblich vergaberechtswidrige Formvorgabe an das einzureichende Leistungsverzeichnis im GAEB-Format sei entgegen § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB nicht innerhalb der Frist zur Angebotsabgabe gerügt worden, obwohl die Formatvorgabe einem mit der üblichen Sorgfalt die Vergabeunterlagen lesenden Bieter nicht hätte entgehen können, da sowohl die Formatvorgabe als auch die Androhung des Ausschlusses im Fall des Verstoßes bereits in der Aufforderung zur Angebotsabgabe enthalten gewesen seien.
Zudem sei die Rüge gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB präkludiert. Der angeblich fehlerhafte Ausschluss des Angebots wegen fehlender Preisangaben sei der Antragstellerin bereits mit Schreiben vom 7.3.2024 nachvollziehbar erläutert worden. Ihr Schreiben vom 11.3.2024, mit dem sie ausdrücklich um erneute Prüfung gebeten habe, stelle eine förmliche Vergaberüge dar. Im Telefonat am 11.3.2024 sei ihr daraufhin mitgeteilt worden, dass der Rüge nicht abgeholfen werde, was näher erläutert worden sei. Daher hätte die Antragstellerin binnen 15 Tagen nach diesem Telefonat (§ 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB) Nachprüfungsantrag einreichen müssen, was nicht geschehen sei.
Jedenfalls sei der Antrag unbegründet, da der Ausschluss des im GAEB-Format eingereichten Leistungsverzeichnisses nach § 16a EU Abs. 2 Satz 2 VOB/A iVm § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A zu Recht erfolgt sei. In der GAEB-Datei hätten für Positionen des Leistungsverzeichnisses die Einheitspreise gefehlt, so dass diese Datei keine Berücksichtigung habe finden dürfen. Die Fehlerhaftigkeit der GAEB-Datei sei, wie der Antragsgegner näher erläuterte, der Risikosphäre der Antragstellerin zuzuordnen, wie sich aus einer Darstellung des Datentransfers vom Bieter zur Vergabestelle, der Datenverarbeitung im Submissionstermin und der nachfolgenden Überprüfung/ Wertung der GAEB-Dateien ergebe.
Das im PDF-Angebot eingereichte Angebot sei gemäß § 16 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A iVm § 13 EU Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A zu Recht wegen falscher Form ausgeschlossen worden, worauf ausdrücklich in Ziff. 10 der Aufforderung zur Angebotsabgabe hingewiesen worden sei. Eine solche Formatvorgabe sei nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 16.5.2023 - XIII ZR 14/21) zulässig.
Ziff. 10 der Aufforderung zur Angebotsabgabe stehe nicht im Widerspruch zu der dortigen Ziff. 8, die nur klarstelle, dass die Angebotsabgabe keiner qualifizierten oder fortgeschriebenen Signatur bedürfe.
Mit Übersendung dieses Schriftsatzes an die Antragstellerin hat die Vergabekammer der Antragstellerin empfohlen, den Nachprüfungsantrag zurückzunehmen, da "dem Antrag keine großen Erfolgsaussichten beigemessen" würden. Dies hat sie mit Schreiben vom 15.5.2024 wiederholt und hierzu Folgendes ausgeführt:
Der Antragsgegner gehe zu Recht davon aus, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig sei. Die Antragstellerin sei mit ihren Rügen hinsichtlich der reklamierten Unzulässigkeit der vorgegebenen Dateiformate und der Widersprüchlichkeit der Formvorgaben in Ziff. 8 und 10 des Formblatts EU 211 gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Auch gelte die Ausschlussfrist gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB.
Der Antrag sei jedenfalls unbegründet, da der Ausschluss gemäß § 16a EU Abs. 2 Satz 2 VOB/A iVm § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A auch unter Heranziehung der RL 2014/24/EU nicht zu beanstanden sei, da der Antragsgegner die gewählten Dateiformate habe fordern dürfen, was auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestätige. An diese eigene Vorgabe sei der Antragsgegner gebunden, so dass das Angebot im PDF-Format auszuschließen gewesen sei. Eine Nachforderung sei bei 104 fehlenden Preisangaben gemäß § 16a EU Abs. 2 VOB/A ausgeschlossen gewesen. Die Fehlerhaftigkeit der GAEB-Dateien sei - wie die Vergabekammer näher erläuterte - nicht dem Antragsgegner zuzuordnen, sondern entstamme der Risikosphäre der Antragstellerin.
Die Antragstellerin hat am 16.5.2024 den Nachprüfungsantrag zurückgenommen.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 4.6.2024 hat die Vergabekammer das Nachprüfungsverfahren eingestellt und hierbei die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner ausgesprochen. Dies hat sie wie folgt begründet:
Die im hiesigen Nachprüfungsverfahren zur Klärung anstehenden Rechtsfragen hätten sich nicht auf genuine Aufgaben einer Vergabestelle bezogen, die nur auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen aufwerfen. Zwar sei die reine Angebotswertung anhand eines Leistungsverzeichnisses genuine Aufgabe des Antragsgegners. Dies stehe hier aber im Zusammenhang mit Fragen des Zugangs von Willenserklärungen, der diesbezüglichen Darlegungs- und Beweislast und eines damit verbundenen Ausschlusses. Diese Fragen könnten nicht ohne weiteres von öffentlichen Auftraggebern rechtlich eingeordnet werden, sondern seien komplexer und spezieller als die eigentlichen genuinen Aufgaben. Es sei nicht zu erwarten, dass der Antragsgegner diese Fragen ohne Hinzuziehung eines auf Vergaberecht spezialisierten Rechtsanwalts selbständig hätte geltend machen können. Diese Ausführungen würden auch gelten, soweit Fragen der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags im Raum gestanden hätten.
Der Gesichtspunkt der sog. Waffengleichheit sei ergänzend zu berücksichtigen. Der Antragsgegner sei - wie dargelegt - nicht in der Lage gewesen, ohne anwaltliche Hilfe durch einfaches Lesen des Angebots der Antragstellerin den über die technischen Fragen hinausgehenden Sachverhalt zu erfassen und das danach Gebotene der Vergabekammer vorzutragen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, soweit die Vergabekammer die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner ausgesprochen hat.
Die hier maßgebliche Frage "PDF-Datei versus GAEB" sei eine genuin auftragsbezogene Aufgabe der Vergabestelle. Zudem habe der Antragsgegner bereits bei Zurückweisung der Rüge Rechtsprechung zitiert, mithin vertiefte Rechtskenntnisse nachgewiesen, um deren Geltung es vorliegend gegangen sei.
Zulässigkeitsfragen hätten nicht im primären Fokus gestanden. Zudem stellten sich solche Fragen regelmäßig im Nachprüfungsverfahren.
Der Grundsatz der sog. Waffengleichheit sei gerade bei einem großen öffentlichen Auftraggeber differenziert zu betrachten, da andernfalls stets bei anwaltlicher Begleitung der Antragstellerin die Hinzuziehung erforderlich sei, was aber die Rechtsprechung verneine. Wenn - wie vorliegend - die relevanten Fragen zudem im Rahmen der Angebotsprüfung hätten geprüft werden müssen, handelte es sich zudem um sog. "Sowieso-Kosten", da eine anwaltliche Beratung in diesem Fall schon im Vergabeverfahren hätte erfolgen müssen.
Der Antragsgegner verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten sei gegenüber der anwaltlich vertretenen Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit notwendig gewesen. Die streitgegenständliche Problematik, wie die Risikosphären bei elektronischen Angebotseinreichungen abzugrenzen seien, werfe schwierige und im Einzelnen ungeklärte Sach- und Rechtsfragen auf, die auch ein in Vergabesachen versierter Auftraggeber nicht ohne weiteres selbst beantworten und für das Nachprüfungsverfahren aufbereiten könne.
Zudem seien prozessuale Fragen, nämlich die Rügepräklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB und § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB von Bedeutung gewesen sowie die Frage des Zugangs von Willenserklärungen, der diesbezüglichen Darlegungs- und Beweislast sowie eines damit verbundenen Ausschlusses.
Schließlich handele es sich bei dem Nachprüfungsverfahren um ein sehr stark formalisiertes Verfahren, das grundsätzlich die Ressourcen der Vergabestelle überfordern könne. Der Antragsgegner sei nach seiner Satzung ein kaufmännisch eingerichteter Landesbetrieb und nehme die Aufgaben in den Bereichen des Immobilienmanagements und des staatlichen Hochbaus des Landes war. Im Wege der Organleihe sei er darüber hinaus für die Erledigung der Hochbauaufgaben des Bundes zuständig. Die personelle Ausstattung bilde die Abwicklung der stark formalisierten kontradiktorischen Verfahren vor der Vergabekammer nicht ab.
II.
Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft. Der hier angegriffene Bestandteil der Kostenentscheidung kann gemäß § 171 Abs. 1 Satz 1 GWB selbständig mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden (vgl. Vavra/Willner in Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, 4. Auflage, § 171 Rn. 11). Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die sofortige Beschwerde nur eine Nebenentscheidung betrifft (vgl. Senat, Beschluss vom 2.11.2017 - 11 Verg 8/17).
2. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner war nicht notwendig.
a) Die Frage, ob die streitgegenständlichen Kosten eines Rechtsanwalts als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Kosten erstattungsfähig sind, richtet sich nach § 182 Abs. 4 S. 4 GWB iVm § 80 Abs. 1, 2 und 3 S. 2 VwVfG. Danach sind Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren erstattungsfähig, wenn die Hinzuzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.
Die Notwendigkeit der Hinzuziehung hängt davon ab, ob der jeweilige Verfahrensbeteiligte aus der maßgeblichen ex ante-Sicht nach den Umständen des Falls auch selbst in der Lage gewesen wäre, den Sachverhalt aufgrund der bekannten bzw. erkennbaren Tatsachen zu erfassen, der im Hinblick auf eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung bzw. Rechtsverteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen (BGH, Beschluss vom 26.9.2006 - X ZB 14/06).
Die Prüfung dieser Frage erfolgt nicht pauschal, sondern einzelfallbezogen aufgrund der Gesamtumstände im jeweiligen konkreten Verfahren (BGH, Beschluss vom 26.9.2006 - X ZB 14/06, Senat, aaO - 11 Verg 8/17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.12.2014 - VII-Verg 37/13).
Für die Beurteilung der Notwendigkeit können neben Gesichtspunkten wie der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, der Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen auch rein persönliche Umstände bestimmend sein, wie etwa die sachliche und personelle Ausstattung des Beteiligten, also beispielsweise, ob er über eine Rechtsabteilung oder andere Mitarbeiter verfügt, von denen erwartet werden kann, dass sie gerade oder auch Fragen des Vergaberechts sachgerecht bearbeiten können, oder ob allein der kaufmännisch gebildete Geschäftsinhaber sich des Falls annehmen muss (BGH, aaO - X ZB 14/06).
Im Rahmen der Abwägung ist insbesondere in Betracht zu ziehen, ob sich das Nachprüfungsverfahren hauptsächlich auf auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazu gehörenden Vergaberegeln konzentriert. Ist das der Fall, besteht im Allgemeinen für den öffentlichen Auftraggeber keine Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt einzuschalten. In seinem originären Aufgabenkreis muss der Auftraggeber sich selbst die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse verschaffen und bedarf daher auch im Nachprüfungsverfahren nicht notwendig eines anwaltlichen Bevollmächtigten (OLG Düsseldorf, aaO - VII-Verg 37/13, Senat, aaO - 11 Verg 8/17, Senat, Beschluss vom 2.11.2017 - 11 Verg 14/17).
Schließlich kann der Gesichtspunkt der so genannten prozessualen Waffengleichheit in die Prüfung dieser Rechtsfrage einfließen (Senat, aaO - 11 Verg 8/17 und Beschluss vom 20. 1.2016 - 11 Verg 11/15).
b) Auf dieser Grundlage ergibt sich, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner vorliegend nicht notwendig war.
aa) Im Streitfall ging es inhaltlich um die Fragen, ob der Antragsgegner in den Angebotsunterlagen wirksam eine bestimmte Form für die Vorlage des Angebots oder Teilen hiervon vorgegeben hatte, ob diese Vorgabe zulässig war, ob das von der Antragstellerin übermittelte Angebot als GAEB-Datei aufgrund dort fehlender Preisangaben im Hinblick auf das gleichzeitig übersandte PDF-Angebot ausreichend war und schließlich, ob der Antragsgegner zur Nachforderung fehlender Preisangaben berechtigt und verpflichtet war oder das Angebot der Antragstellerin auszuschließen war.
Hierbei handelt es sich um sach- und auftragsbezogene Fragen. Der Antragsgegner war bereits bei Abfassung der Ausschreibung gehalten zu prüfen, ob sich aus den Ausschreibungsunterlagen die von ihm intendierte Verpflichtung der Bieter ergab, Teile des Angebots in einem bestimmten Dateiformat vorzulegen, ob eine solche Formvorgabe zulässig war und in welcher Weise mit einem diese Formvorgabe nicht erfüllenden Angebot umzugehen sei, insbesondere, ob ggf. Angaben nachzufordern sein würden oder das Angebot ausgeschlossen werden kann oder sogar ausgeschlossen werden muss.
Dass diese Fragen dementsprechend bereits bei Erstellung der Ausschreibung Gegenstand von Prüfungen des Antragsgegners gewesen sein müssen, wird dadurch deutlich, dass sich der Antragsgegner zu diesen Fragen in den Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich positionierte. So sah - wie oben wiedergegeben - Ziff. 10 des Formulars EU 211 ausdrücklich vor, dass ein Leistungsverzeichnis im GAEB Format einzureichen sei, andere oder zusätzliche Dateiformate nicht, sondern ausschließlich die genannten GAEB-Formate berücksichtigt würden. Bereits in den Vergabeunterlagen wurde darauf hingewiesen, dass ein Ausschluss vom Verfahren erfolge, sofern keine Datei der vorgenannten Formate vorliege. Dass der Antragsgegner bereits bei Erstellung der Ausschreibungsunterlagen gehalten war, zu prüfen, ob die damit von ihm formulierte Anforderungen sowie die angedrohte Konsequenz des Ausschlusses bei Nichteinhaltung rechtlich zulässig war, ist selbstverständlich.
Zudem waren die genannten im Nachprüfungsverfahren relevanten materiell rechtlichen Fragen bereits Gegenstand des vorgerichtlichen Schreibens des im damaligen Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretenen Antragsgegners vom 10.4.2024 und des vorausgegangenen Telefonats eines Mitarbeiters des Antragsgegners mit dem Geschäftsführer der Antragstellerin am 11.3.2024. Der Inhalt des Schreibens vom 10.4.2024 belegt, dass der Antragsgegner sich auch ohne anwaltliche Hilfe in der Lage sah, sich mit den relevanten rechtlichen und tatsächlichen Fragestellungen auseinanderzusetzen:
So erläutert der Antragsgegner in diesem Schreiben, dass in den Ausschreibungsunterlagen (in Formblatt EU 211) eine Formvorgabe erfolgt sei, für die ein sachlicher Grund bestanden habe und zu der er, der Auftraggeber, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 16.5.2023 - XIII ZR 14/21) befugt gewesen sei. Weiter führt der Antragsgegner in dem Schreiben aus, dass er zur Ergänzung der in der GAEB-Datei fehlenden Preisangaben nicht auf die übersandte PDF-Datei habe zugreifen können, da diese dem Formerfordernis nicht entsprochen habe. Das Angebot sei gemäß § 16 EU Abs. 1 Nr. 2 IVm § 13 EU Abs. 2 Nr. 1 und 3 VOB/A auszuschließen gewesen, eine Nachforderung sei nach den Ausschreibungsunterlagen sowie gemäß § 16a EU Abs. 3 VOB/A ausgeschlossen gewesen.
Durch die letztgenannten Ausführungen hatte der Antragsgegner vorgerichtlich auch zu dem im Nachprüfungsverfahren von der Antragstellerin geltend gemachten Vorwurf Stellung genommen, der Antragsgegner habe eine fehlerhafte Ermessensentscheidung getroffen, weil er der Antragstellerin nicht die Möglichkeit einer Nachsendung des Angebots im geforderten Format gewährt hätte. War der Antragsgegner - wie er vorgerichtlich ausführt - nicht berechtigt, Unterlagen oder Angaben nachzufordern, bestand kein Ermessen des Antragsgegners, das fehlerhaft ausgeübt worden sein könnte.
bb) Ohne Erfolg verweist der Antragsgegner darauf, dass die Frage, wie die Risikosphären bei elektronischen Angebotseinreichungen abzugrenzen seien, schwierige und im Einzelnen ungeklärte Sach- und Rechtsfragen aufwerfe, die auch ein in Vergabesachen versierter Auftraggeber nicht ohne weiteres selbst beantworten und für das Nachprüfungsverfahren aufbereiten könne.
Ausweislich des vorgerichtlichen Schreibens des im damaligen Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretenen Antragsgegners vom 10.4.2024 hat der Antragsgegner selbst auch zu diesem Gesichtspunkt Stellung genommen. Der Antragsgegner führt dort aus, dass der Bieter die Verantwortung dafür trage, dass sein Angebot rechtzeitig und vollständig in dem vom Auftraggeber geforderten Dateiformat eingehe.
Zudem machte die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren nicht geltend, dass die Fehlerhaftigkeit der GAEB-Datei der Risikosphäre des Antragsgegners zuzuordnen sei. Sie trug vor, "nicht nachvollziehbare technische Gründe" seien dafür verantwortlich, dass in der GAEB-Datei nicht sämtliche Preise von der Software übernommen worden seien. Dass die Fehlerhaftigkeit der GAEB-Datei etwa darauf zurückzuführen sei, dass die vom Antragsgegner zur Übermittlung bereitgestellten technischen Mittel fehlerhaft oder unzureichend seien, hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht. Dementsprechend begründete die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren die Fehlerhaftigkeit des Ausschlusses (lediglich) damit, dass die Angebotsunterlagen keine solche Formvorgabe enthalten habe, eine bestimmte Datei-Form auch gar nicht hätte vorgegeben werden dürfen und der Antragsgegner jedenfalls sein Ermessen hinsichtlich der Nachforderung der fehlenden Angaben hätte ausüben müssen.
Damit unterscheidet sich der hiesige Sachverhalt von demjenigen, der der vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 17.8.2022 (VI-Verg 54/21) zugrunde lag, in der die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Antragsgegner als notwendig angesehen wurde. Dort war im Tatsächlichen streitig, ob die Fehlerhaftigkeit des vom Bieter an die Vergabestelle übermittelten Angebots darauf beruhte, dass Mitarbeitern der Antragstellerin Bedienfehler des Programms vorzuwerfen waren, das die Vergabestelle zur Übermittlung der Angebote bereitgestellt hatte, oder ob dieses Programm der Vergabestelle unzureichend ausgestaltet war. Insoweit war dort auch die rechtliche Abgrenzung der Risikosphären von Bieter und Vergabestelle zu erörtern.
cc) Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren durch den Antragsgegner war auch nicht deshalb notwendig, weil Fragen der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags im Raum gestanden hätten.
Im Nachprüfungsverfahren wurde allein die prozessuale Frage einer möglichen Präklusion der Rügen gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB und gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB erörtert. Mit diesen Fragen wird ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen seiner Tätigkeit in der vergaberechtlichen Praxis regelmäßig konfrontiert, es existiert zudem umfangreiche Rechtsprechung, so dass allein das Auftreten der Frage der Rügepräklusion nicht die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Antragsgegner rechtfertigen kann (vgl. bereits Senat, Beschluss vom 20.6.2024 - 11 Verg 2/24).
Erörtert wurde im Nachprüfungsverfahren insoweit, ob die von der Antragstellerin gerügte angebliche Widersprüchlichkeit und Unzulässigkeit der Formvorgaben bereits aus den Vergabeunterlagen erkennbar waren und daher gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB bis zur Angebotsabgabe gegenüber dem Antragsgegner hätten gerügt werden müssen. Rechtlich oder tatsächlich schwierige oder komplexe Rechtsfragen stellten sich hierbei nicht. Warum der Antragsgegner sich nicht in der Lage gesehen hätte, diesen Aspekt auch ohne anwaltliche Hilfe zu erkennen und darzulegen, ist nicht vorgetragen.
Die weitere im Nachprüfungsverfahren erörterte Rügepräklusion betraf die Frage, ob die Antragstellerin mit ihrer Rüge, der Ausschluss ihres Angebots wegen Nichteinhaltung der Formvorgabe sei unzulässig, gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB präkludiert sei. Denn der Antragsgegner habe der Antragstellerin bereits mit Schreiben vom 7.3.20024 mitgeteilt, dass und warum ihr Angebot auszuschließen sei, was die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.3.2024 gerügt hätte. Bereits im Telefonat des Geschäftsführers der Antragstellerin mit dem Mitarbeiter des Antragsgegners am 11.3.2024 habe der Antragsgegner iSv § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB mitgeteilt, der Rüge nicht abhelfen zu wollen und damit die 15-Tages-Frist zu laufen begonnen.
Die Frage, ob und wann an den Bieter eine Vorabinformation übersandt wird, ob und wann daraufhin der Bieter eine Rüge erhebt und ob und wann dieser Rüge von der Vergabestelle abgeholfen wird, und damit die Frage, wann die Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB beginnt, ist originär dem Aufgabenbereich der Vergabestelle zuzuordnen. Auch insoweit gilt, dass nicht ersichtlich ist, dass aus der maßgeblichen ex ante-Sicht des Auftraggebers insoweit schwierige oder komplexe tatsächliche oder rechtliche Probleme zu erörtern gewesen wären.
dd) Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten seitens des Antragsgegners war auch nicht deshalb als notwendig anzusehen, weil der Antragsgegner Folgendes geltend gemacht hat:
Der Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen sei nach seiner Satzung ein kaufmännisch eingerichteter Landesbetrieb und nehme die Aufgaben in den Bereichen des Immobilienmanagements und des staatlichen Hochbaus des Landes wahr. Im Wege der Organleihe sei er darüber hinaus für die Erledigung der Hochbauaufgaben des Bundes zuständig. Die personelle Ausstattung bilde die Abwicklung der stark formalisierten kontradiktorischen Verfahren vor der Vergabekammer nicht ab.
Auch auf der Grundlage dieser Ausführungen ist die Hinzuziehung nicht notwendig: Antragsgegner im hiesigen Nachprüfungsverfahren ist nicht der Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen, auf den sich die genannten Ausführungen (wohl) beziehen, sondern das Land Hessen; der Landesbetrieb ist ein rechtlich unselbständiger Teil der Landesverwaltung (§ 105 Abs. 1 Satz 1 Hessische Landeshaushaltsordnung). Daher ist im Ausgangspunkt nicht auf die Kapazitäten des Landesbetriebs, sondern des Land Hessens abzustellen.
Es ist Sache des Landes, die zuständigen Stellen seiner Verwaltung mit ausreichenden personellen und sachlichen Mitteln auszustatten. Eine gemessen am regelmäßigen zu erwartenden Aufwand unzureichende personelle und sachliche Ausstattung rechtfertigt die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten nicht.
ee) Die Hinzuziehung war auch nicht deshalb notwendig, weil es sich bei dem Nachprüfungsverfahren um ein sehr stark formalisiertes Verfahren handelt, das grundsätzlich die Ressourcen der Vergabestelle überfordern könne. Denn andernfalls wäre regelmäßig die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig anzusehen, was dem Grundsatz widerspräche, dass nach § 182 Abs. 4 S. 4 GWB iVm § 80 Abs. 1, 2 und 3 S. 2 VwVfG die Erstattungsfähigkeit der Kosten der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nicht pauschal zu bejahen ist, sondern der einzelfallbezogenen Prüfung der Gesamtumstände im jeweiligen konkreten Verfahren obliegt.
Dem Aspekt der sog. prozessualen Waffengleichheit, der lediglich in die Prüfung der Notwendigkeit einfließt, kommt keine entscheidende Bedeutung zu (Senat, aaO - 11 Verg 2/24).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 175 Abs. 2 iVm § 71 GWB.
Die Entscheidung über die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren bei Rechtsmitteln, die auf die Abänderung der Entscheidung zur Notwendigkeit der Hinzuziehung ihres Verfahrensbevollmächtigten gerichtet sind, erfolgt analog § 3 ZPO nach dem finanziellen Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung Der Beschwerdewert entspricht daher den im Nachprüfungsverfahren angefallenen Kosten der Antragsgegners (Senat, Beschluss vom 2.11.2017 - 11 Verg 8/17). Daher war vorliegend der Wert auf bis zu EUR 5.000 festzusetzen, da in Höhe von EUR 4.296,26 vom Antragsgegner Kosten für die anwaltliche Vertretung im Nachprüfungsverfahren eingefordert worden waren.
Eignungskriterien sind eindeutig bekannt zu machen!
Eignungskriterien sind eindeutig bekannt zu machen!
Melden Sie sich jetzt an unter www.vpr-online.de, um sämtliche Entscheidungen im Volltext lesen zu können.
vpr-online ist DIE Datenbank für öffentliche Auftraggeber und Bieter sowie für alle Berater auf den Gebieten des Vergaberechts.
Mit vpr-online haben Sie außerdem jederzeit und überall Zugriff auf über 5.700 VPR-Beiträge nach dem 1-Seiten-Prinzip, über 12.010 Entscheidungen im Volltext, Arbeitshilfen, Materialien und vieles mehr.
VK Bund
Beschluss
vom 25.10.2024
VK 1-88/24
1. Auch im Anwendungsbereich der Sektorenverordnung (SektVO) sind Angebote, die nicht den Vorgaben der Vergabeunterlagen entsprechen, im Rahmen der Wertung auszuschließen.
2. Die Vorschrift des § 15 Abs. 5 VgV, wonach der öffentliche Auftraggeber von den Bietern Aufklärung über das Angebot oder deren Eignung verlangen kann, findet im Anwendungsbereich der SektVO entsprechend Anwendung.
3. Der Ausschluss eines Angebots wegen der Nichterfüllung von Anforderungen an die Eignung setzt voraus, dass diese Anforderungen im Vergabeverfahren wirksam aufgestellt wurden. Eignungskriterien sind, in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung aufzuführen.
4. Die wirksame Aufstellung von Eignungskriterien erfordert ihre eindeutige Bekanntmachung. Wird in der Bekanntmachung explizit nur auf die Anforderungen im Musterteilnahmeantrag verwiesen, sind die im Text der ebenfalls - allerdings nur in einem größeren Konvolut - beigefügten Angebotserklärung genannten zusätzlichen Präqualifikationsbereiche hiervon nicht in der notwendigen Bestimmtheit erfasst.
In dem Nachprüfungsverfahren
(
)
wegen der Vergabe "Planungsleistung [...]", EU-Bekanntmachung [
]
hat die 1. Vergabekammer des Bundes durch den Vorsitzenden Direktor beim Bundeskartellamt ###, die hauptamtliche Beisitzerin Leitende Regierungsdirektorin ### und den ehrenamtlichen Beisitzer ### aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2024 am 25. Oktober 2024
beschlossen:
1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, im Vergabeverfahren "Planungsleistung [
]", EU-Bekanntmachung [...], einen Zuschlag zu erteilen. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht ist das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zurückzuversetzen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Antragstellerin.
Gründe:
I.
1. Die Antragsgegnerin führt europaweit ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb zur Vergabe "Planungsleistung [...]" durch. Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis.
Die Anforderungen an die Eignung der Bewerber ergaben sich aus der EU-Vergabebekanntmachung, in der direkte Links [im Nachprüfungsverfahren für die Vergabekammer nicht mehr aktiv] zu finden waren. In der EU-Bekanntmachung hieß es ferner unter Ziffer 2.1, 7. Absatz:
"Für folgende Leistungen muss das ausführende Unternehmen in einem Präqualifikationsverfahren E ...] präqualifiziert sein: siehe Musterteilnahmeantrag sowie unter Allgemeine Präqualifikationsanforderungen (PQ-Anforderungen) für Arch./Ing.-Leistungen."
Im Teilnahmewettbewerb hatten die Bieter ihren Teilnahmeantrag online auf dem Vergabeportal der Antragsgegnerin abzugeben. Dort war unter Ziffer 12 anzugeben (Auszug aus dem Teilnahmeantrag der Antragstellerin):
"12 PQ Planung bauliche Anlagen [Mussangabe]
K.O.-Kriterium: Nein
Für folgende Leistungen muss das für die Ausführung vorgesehene Unternehmen in einem Präqualifikationsverfahren ### präqualifiziert sein. Angaben zu den Teilnahmebedingungen und zum Präqualifikationsverfahren sind den allgemeinen PQ-Anfordemngen für Arch.-/Ing.-Leistungen zu entnehmen.
Kategorie: Planung bauliche Anlagen
Produktgruppe:
a) Planung Verkehrsanlagen Bahnsteige
b) Planung Ingenieurbauwerke Personenunter- u. Personenüberführungen
Sind Sie für die vorgenannte Kategorie/Produktgruppe präqualifiziert?
[ ] Keine Angabe (0)
[X] ja, für Buchstabe ... (0)
[ ] nein, für Buchstabe ... (0)
Die Antragstellerin hat sich am Vergabeverfahren beteiligt. Ihrem Teilnahmeantrag fügte sie eine Verpflichtungserklärung Subunternehmer (Erklärung zur fachlichen und technischen Leistungsfähigkeit nach § 47 Abs. 1 SektVO) der [...] / Ingenieurbüro für Bauwesen ### GmbH für die Bereich "Planung Verkehrsanlagen Bahnsteige" sowie "Planung Ingenieurbauwerke Personenunter- und Personenüberführungen" bei. Gleichzeitig wurde der entsprechende Präqualifikationsnachweis des Subunternehmers vorgelegt.
Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin im Rahmen der Eignungsprüfung als geeignet angesehen und zur Angebotsabgabe zugelassen. In der Vergabeakte findet sich die Prüfung der Präqualifikation für die beiden Bereiche Planung Verkehrsanlagen Bahnsteige sowie Planung Ingenieurbauwerke Personenunter-/Personenüberführung. Diese wurde unter Bezugnahme auf die vorgelegte Verpflichtungserklärung des Nachunternehmers einschließlich Präqualifikation bejaht.
In der Anlage 0.2 (Angebotserklärung des Bieters) der Angebotsunterlagen heißt es in Abschnitt A (Seite 6):
"Präqualifikation
Wir sind für die folgenden Leistungsbereiche [...] präqualifiziert:
Planung bauliche Anlagen: Planung Verkehrsanlage, Produkte/Leistungen: Bahnsteige
Planung bauliche Anlagen: Planung Verkehrsanlage, Produkte/Leistungen: Personenunterführungen
Planung Leit- und Sicherungstechnik: Planung von Anlagen der Leit- und Sicherungstechnik
Planung elektrotechnische Anlagen: Planung von elektrischen Energieanlagen".
Im zugrunde liegenden Architekten-/Ingenieurvertrag (Anlage 0.1 der Vergabeunterlagen) heißt es:
"§ 1 Gegenstand des Vertrages
1.1 Der AG überträgt dem AN die in Anlage 1.x in Verbindung mit Anlage 2.x sowie Anlage 0.2 genannten Leistungen.
(
)
1.6 Der AG ist berechtigt
- eine Änderung des vereinbarten Werkerfolgs oder
- eine Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist, anzuordnen.
Andere Leistungen können dem AN nur mit seiner Zustimmung übertragen werden. Die Anordnung bedarf der Textform. Der AN ist grundsätzlich zur Ausführung der Anordnung verpflichtet. Er darf die Ausführung der angeordneten Änderung verweigern, wenn sein Betrieb auf die Durchführung der angeordneten Leistung nicht eingerichtet oder ihm die Ausführung nicht zumutbar ist.
1.7 Die Höhe der Vergütung für die nach 1.6 angeordnete Leistung, bestimmt sich nach der HOAI, soweit diese für die Leistung Honorare in den Teilen 2 bis 4 regelt. Sofern die anrechenbaren Kosten oberhalb der der HOAI-Tafelwerte liegen, wird das Honorar auf der Grundlage der Bund-RIFT-Tabellen berechnet. Im Übrigen bestimmt sich die Vergütung nach den in Anlage 0.2 vereinbarten Zeithonoraren.
Hinsichtlich der in den Teilen 2 bis 4 der HOAI geregelten Leistungen gelten die für die ursprünglichen Leistungen vertraglich vereinbarten Honorarparameter auch für die nach 1.6 angeordneten zusätzlichen bzw. geänderten Leistung, sofern und soweit dies sachlich gerechtfertigt ist. Gleiches gilt für etwaige Abschläge.
Das Nachtragsangebot ist unverzüglich unter Verwendung der Anlage 8 des Vertrages vorzulegen. Für die beizufügende Honorarermittlung ist ein weiter verarbeitbares Dateiformat (z.B. Excel) zu wählen.
§ 7 Vergütung
Die vertraglich vereinbarte Vergütung ergibt sich aus der Anlage 2.x in Verbindung mit der Anlage 0.3 Zuschlagsschreiben.
7.1 Die Ermittlung der Vergütung für die in den Teilen 2 bis 4 der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen. (HOAI) geregelten Leistungen richtet sich nach der in der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung nach Maßgabe der in diesem Vertrag getroffenen Vereinbarungen zur Vergütung der beauftragten Leistungen (Berechnungshonorare gemäß Anlage 2.x).
Sollten die anrechenbaren Kosten oberhalb der HOAI-Tafelwerte liegen, erfolgt die Ermittlung der Vergütung auf Grundlage der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden RIFT-BUND-Tabellen.
Etwaige Abschläge sind zu begründen. Sie ergeben sich aus der Anlage 2.x in Verbindung mit der Begründung der Honorarreduzierungen. Maßgebend für die Ermittlung der anrechenbaren Kosten ist die DIN 276-1:2008-12.
7.2 Die Regelungen zur Baukostenobergrenze werden in der Anlage 0.2 -entsprechend vereinbart.
7.3 Honorarangaben gemäß Anlage 2.x. Sofern die Anlage 2.x allgemeine Abschläge beinhaltet, ist der vereinbarte Prozentsatz pauschal und fest. Entsprechendes gilt für vereinbarte Honorarreduzierungen auf Grundlage einer Ausnahmeregelung der HOAI.
(
)"
Die Antragstellerin hat in der Angebotserklärung Anlage 0.2 in Abschnitt B unter Ziffer 2.11 als Nachunternehmer für die Objektplanung Verkehrsanlagen "### INGENIEURE GmbH" eingetragen. Für die Technische Ausrüstung hat sie als Nachunternehmer "[...] GmbH" angegeben. In der beizufügenden Honorarberechnung, Anlage 2.1 (Ermittlung der Vergütung Los Planungsleistungen), hat sie für die vier ausgeschriebenen Leistungsbilder (Anlagen 3.1 bis 3.4) keinen Abschlag vom Basishonorar angeboten, in zwei Leistungsbildern einen Zuschlag. Die Anlage 6.1 (Begründung Honorarreduzierung, Erklärung zu Anlage 2.1 "Ermittlung der Vergütung", Los: Planungsleistungen) war ohne Einträge beigefügt. Auf der Vergabeplattform der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin im Rahmen der Angebotsabgabe in einem zur Bearbeitung freigegebenen Dialogfenster einen erheblichen prozentualen Nachlass auf die Angebotssumme eingetragen ("Nachlass ohne Bedingung auf Produkte/Leistungen"). Eine Begründung konnte an dieser Stelle nicht eingetragen werden.
Bei der Prüfung der Angebote wertete die Antragsgegnerin den Nachlass nicht und legte stattdessen die volle Angebotssumme ihrer Preiswertung zugrunde. Mit Information gemäß § 134 GWB vom 13. September 2024 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit/dass ihr Angebot hinsichtlich des Zuschlagskriteriums "Honorar" gegenüber dem für die Zuschlagserteilung vorgesehenen Angebot schlechter abschneide. Der Zuschlag solle auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden.
Die Antragsgegnerin half der Rüge der Antragstellerin vom 18. September 2024 mit Nachricht auf dem Bieterportal vom 19. September 2024 nicht ab. Sie führte dazu aus, dass die Antragsgegnerin für pauschale Nachlässe eine schriftliche Begründung im Rahmen der Plausibilisierung und Anerkennung der Wirtschaftlichkeit (u.a. zur Bewertung der Auskömmlichkeit) des Angebots benötige. Ein etwaiges Missverständnis im Zusammenhang mit der Darstellung in der e-Vergabe sei bisher nicht bekannt. Es würde geprüft, ob es hier zu einem Widerspruch zu der universellen Vergabeplattform, die für jegliche Beschaffungsvorgänge der Deutschen Bahn verwendet werde, gebe.
2. Die Antragstellerin beantragte am 20. September 2024 (mit handschriftlich gezeichneter EMail vom 19. September 2024) bei der Vergabekammer des Bundes die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Der Antrag wurde am selben Tag an die Antragsgegnerin übermittelt.
a) Die Antragstellerin trägt vor, ihr pauschaler Nachlass auf die Angebotssumme, den sie im Bieterportal eingetragen hatte, sei vergaberechtswidrig nicht gewertet worden. Eine Notwendigkeit der Begründung gehe aus den Ausschreibungsunterlagen nicht hervor. Auch in der Eingabemaske des [...]-Bieterportals finde sich kein Hinweis auf eine erforderliche Begründung.
Ihr Angebot weiche nicht von den Vergabeunterlagen ab. Es seien keinerlei Änderungen in den Vergabeunterlagen vorgenommen worden. Das Recht eines bedingungslosen Nachlasses über die Eingabemaske habe allen Bietern zur Verfügung gestanden. Somit liege keine Verletzung der Rechte anderer Bieter vor. Der Nachlass müsse formal berücksichtigt werden. Dass die Antragstellerin bei einem Leistungsbild einen Zuschlag auf das Basishonorar vorgenommen habe, der durch den höheren Nachlass eliminiert worden sei, betreffe die interne Kalkulation der Antragstellerin und sei nicht Gegenstand des Verfahrens.
Bei der Erklärung des Nachunternehmers in der Angebotserklärung sei ein Übertragungsfehler unterlaufen. Das zuvor benannte präqualifizierte Ingenieurbüro bleibe Nachunternehmer. Das andere Büro sei irrtümlich angegeben worden. Im Teilnahmeantrag sei lediglich die Präqualifikation für die zwei genannten Produktgruppen gefordert worden. Auf dieser Basis sei auch die Eignungsprüfung der Antragsgegnerin selbst durchgeführt worden. Die Antragstellerin sei vollumfänglich präqualifiziert.
Die Antragstellerin beantragt,
1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren in den Stand der Angebotswertung zurückzuversetzen und die Angebotswertung unter Einbeziehung des Nachlasses ohne Bedingung auf Produkte/Leistungen gemäß Anlage 1 ("Screenshot") fortzusetzen,
2. der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakte gemäß § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren.
b) Die Antragsgegnerin beantragt über ihren Verfahrensbevollmächtigten,
1. der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen,
2. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird für notwendig erklärt,
3. die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin werden der Antragstellerin auferlegt.
Eine Einbeziehung des pauschalen Nachlasses der Antragstellerin sei mit dem Inhalt der Vergabeunterlagen nicht in Einklang zu bringen. Nach Inhalt, Gestaltung und Struktur der Vergabeunterlagen, den Regelungen des Architekten-/Ingenieurvertrages (Anlage 0.1) zur Vergütung und der Anlage 2.1 "Ermittlung der Vergütung" i.V.m. der Anlage 6.1 "Begründung Honorarreduzierung" sei klar erkennbar gewesen, dass prozentuale Abschläge (und Zuschläge) für die vier Leistungsbilder (Anlagen 3.1 bis 3,4) nur auf den Basishonorarsatz möglich seien. Außerhalb dieser Unterlage und mit anderer Bezugsgrundlage angebotene Abschläge seien nicht zulässig. Dies ergebe sich auch aus der Begründungspflicht in § 7 Absatz 7.1, 3. Unterabsatz des Architekten/Ingenieurvertrags. Die Anlage 6.1 habe die Antragstellerin unausgefüllt eingereicht. Der angebotene Abschlag führe als unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen zum Ausschluss des Angebots. Dies sei der Antragstellerin aus ihren zahlreichen Beteiligungen an Verfahren der Antragsgegnerin auch bekannt.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Verfahrensart des Verhandlungsverfahrens. Die Antragsgegnerin habe sich ausdrücklich vorbehalten, ohne weitere Verhandlungen auf eines der eingegangenen Angebote den Zuschlag zu erteilen. Ein etwaiges Defizit könne hier nicht in nachfolgenden Verhandlungen behoben werden, weil es hier nicht zu Verhandlungen gekommen sei.
Die Abweichungen könnten auch nicht durch eine Auslegung nach §§ 133, 157 BGB oder eine Aufklärung behoben werden, da sie zu einer unzulässigen, die anderen Bieter diskriminierenden Änderung des Inhaltes des Angebotes der Antragstellerin geführt hätten. Entscheidend sei wie ein durchschnittlicher Bieter des angesprochenen Bieterkreises die Unterlagen verstehen musste oder konnte. Hiernach bestehe bei einer entsprechenden Auslegung kein ernsthafter Zweifel, dass für Abschläge auf das Honorar die Vorgaben der Anlage 2.1 einzuhalten seien. Im Auftragsfall werde bei der Prüfung der Rechnungen der Antragstellerin anhand der Regelungen des Vertrags der pauschale Nachlass "mit Sicherheit" übersehen, weil dieser für die Ermittlung der Vergütung nach Anlage 2.1 nicht vorgesehen sei. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich die Antragstellerin unter Hinweis auf § 7 Absatz 7.1 des Vertrags den Standpunkt einnehme, dass die Leistungen nach dem Vertrag ohne Berücksichtigung des Nachlasses zu vergüten seien. Ferner bliebe offen, ob der Nachlass ausschließlich für die konkret ermittelte Angebotssumme oder generell für das sich aus Anlage 2.1 ergebende Honorar gelte. Gleiches gelte auch für die Vergütung von geänderten oder zusätzlichen Leistungen nach § 1 Absatz 1.7 des Vertrags auf die sich der pauschale Nachlass nicht eindeutig beziehe. Auch stehe die Eingabemaske "Nachlass pro ausgewähltem Los" bei der Vergabe von Architekten-/Ingenieurleistungen eigentlich nicht zur Verfügung; insoweit handele es sich um ein Versehen der Antragsgegnerin.
Zudem habe die Antragstellerin in der Angebotserklärung ein anderes (namensähnliches) Ingenieurbüro als Nachunternehmer benannt. Dieses verfüge nicht über die zur Erfüllung der Eignungsanforderungen erforderlichen Präqualifikationen. Auch fehlten der Antragstellerin weitere geforderte Präqualifikationen in den Bereichen Planung Leit- und Sicherungstechnik und Planung elektrotechnische Anlagen. Gegen einen Irrtum bei der Angebotsabgabe spreche auch die Benennung eines weiteren Nachunternehmers für ein Leistungsbild, das dieses Unternehmen gar nicht so eine Recherche erbringe. Entsprechende hier geforderte Kenntnisse dürften daher nicht vorhanden sein. Die von der Antragstellerin abgegebene Erklärung sei zudem vorsätzlich unrichtig, weil weder die Antragstellerin noch die als Nachunternehmer benannten Unternehmen die geforderte Präqualifikation besäßen. Zwar sei es richtig, dass im Kriterienkatalog [des Teilnahmeantrags] die Präqualifikationen der Bereiche Planung Leit- und Sicherungstechnik und Planung elektrische. Energieanlagen nicht genannt sei, jedoch sei die Anforderung aus der Angebotserklärung hinreichend bestimmt und deutlich erkennbar, dass auch diese Präqualifikationen erforderlich seien und verlangt würden. Die Angebotserklärung sei als Bestandteil der Vergabeunterlagen bereits im Teilnahmewettbewerb zur Verfügung gestellt worden.
c) Mit Beschluss vom 24. September 2024 wurde die Beigeladene zum Verfahren hinzugezogen. Sie hat sich am Nachprüfungsverfahren nicht beteiligt.
Die Vergabekammer hat der Antragstellerin nach vorheriger Zustimmung der Antragsgegnerin antragsgemäß Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren.
In der mündlichen Verhandlung am 15. Oktober 2024 hatten die Beteiligten Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen und mit der Vergabekammer umfassend zu erörtern. Die Beigeladene hat auf eine Teilnahme verzichtet.
Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakten der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragsgegnerin darf aufgrund der intransparenten Vorgaben für die Abgabe von Nachlässen auf das Honorarangebot den Zuschlag auf keines der Angebote erteilen. Sofern die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren mit der von ihr ausschließlich gewollten Honorarreduzierung in den Anlagen 2.1 und 6.1 fortführen will, ist das Vergabeverfahren in das Stadium vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Das für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB erforderliche Interesse am Auftrag hat die Antragstellerin durch die Abgabe eines Angebots hinreichend dokumentiert. Sie macht geltend, in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt zu sein. Ferner droht der Antragstellerin ein Schaden. Sie hat die Nichtberücksichtigung ihres Nachlasses ordnungsgemäß im Sinne von § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nach Erhalt des § 134 GWB-Schreibens als vergaberechtswidrig gerügt.
2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Das Vergabeverfahren ist bei fortbestehender Beschaffungsabsicht der Antragsgegnerin zurückzuversetzen und die Bieter erneut zur Abgabe von Honorarangeboten aufzufordern. Das Angebot der Antragstellerin ist nicht schon deshalb auszuschließen, weil sie in der späteren Angebotserklärung den im Teilnahmewettbewerb benannten Nachunternehmer ausgetauscht hätte (siehe unter lit. a).
Das Angebot ist auch nicht deshalb auszuschließen, weil es die Anforderungen der Vergabeunterlagen an die geforderte Präqualifikation in den Bereichen "Planung Leit- und Sicherungstechnik" und "Planung elektrotechnische Anlagen" nicht erfüllen würde. Diese sind nicht korrekt bekanntgemacht worden (lit. b). Zu beanstanden ist die Nichtberücksichtigung des nicht zugelassenen pauschalen und nicht begründeten Nachlasses im Angebot der Antragstellerin wegen einer unzulässigen Änderung der Vergabeunterlagen. Auf das Angebot der Antragstellerin einschließlich des Nachlasses kann der Zuschlag allerdings nicht erteilt werden, weil die Anforderungen für die Wertung von Honorarreduzierungen aus. objektiver Bietersicht widersprüchlich waren. Das Vergabeverfahren wurde nicht auf der Grundlage von Vorgaben geführt, die von allen Bietern gleich zu verstehen waren (lit. c).
a) Das Angebot der Antragstellerin ist entgegen der im Nachprüfungsverfahren vorgetragenen Auffassung der Antragsgegnerin nicht schon deshalb auszuschließen, weil sie in der späteren Angebotserklärung den im Teilnahmewettbewerb benannten Nachunternehmer "Ingenieurbüro für Bauwesen ### GmbH", der die entsprechende Präqualifikation für die Bereiche "Planung Verkehrsanlagen Bahnsteige" sowie "Planung Ingenieurbauwerke Personenunter- und Personenüberführungen" im Wege der Eignungsleihe verbindlich übernommen hat, ausgetauscht hätte. Auch wenn es im Anwendungsbereich der Sektorenverordnung (SektVO) an einem ausdrücklichen Ausschlusstatbestand bei Angeboten fehlt, die nicht den Vorgaben der Auftragsunterlagen entsprechen, sind solche im Rahmen der Wertung auszuschließen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. August 2013, Verg 15/13, OLG München, Beschluss vom 29. September 2009, Verg 12/09 m.w.N. zur VOB/A SKR). Der Ausschluss erfolgt unter Heranziehung der allgemeinen Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung nach S 97 Abs. 1 und 2 GWB. Ein Angebot, das nicht die Vorgaben der Vergabeunterlagen erfüllt beziehungsweise unvollständig ist, ist nicht mit den anderen Angeboten im Wettbewerb vergleichbar (vgl. EuGH, Urteil vom 25. April 1996, Rs. C-87/94; VK Bund, Beschluss vom 11. April 2016, VK 2-17/16, sowie Debus in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, Einl. SektVO Rn. 20 und Steck, aaO, § 52 SektVO, Rn. 3). Dies gilt auch im Verhandlungsverfahren der Antragsgegnerin, denn diese hat sich die Zuschlagserteilung ohne weitere Verhandlungen vorbehalten. Sie hat unstreitig hier keine Verhandlungen mit anderen Bietern geführt, sondern die Prüfung und Wertung sowie die anschließende Entscheidung über den Zuschlag auf der Grundlage der eingegangenen Angebote unmittelbar vorgenommen.
Allerdings bestehen aus Sicht der Vergabekammer Zweifel daran, dass die Antragstellerin den im Teilnahmewettbewerb benannten mit dem Angebotsschreiben aufgeführten Nachunternehmer nachträglich ausgetauscht und damit ihr Angebot abgeändert hat. Nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung ist der Antragstellerin vielmehr ein Übertragungsfehler unterlaufen. Sie hat anstelle des "Ingenieurbüro für Bauwesen ### GmbH" die namensähnliche "### INGENIEURE GmbH" in die entsprechende Zeile des Angebotsformblatts eingetragen. Dies erscheint aus Sicht der Vergabekammer nachvollziehbar und könnte durch die Antragsgegnerin im Wege der Aufklärung entsprechend § 15 Abs. 5 VgV geklärt werden, so dass je nach Ergebnis der Aufklärung ein widerspruchsfreies im Einklang mit den Eignungsanforderungen stehendes Angebot der Antragstellerin vorläge.
b) Das Angebot der Antragstellerin ist entgegen der im Nachprüfungsverfahren vorgetragenen Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht deshalb auszuschließen, weil sie die Anforderungen der Vergabeunterlagen an die geforderte Präqualifikation in den Bereichen "Planung Leit- und Sicherungstechnik" und "Planung elektrotechnische Anlagen" nicht erfüllen würde.
Ein Ausschluss des Angebots der Antragstellerin wegen der Nichterfüllung von Anforderungen an die Eignung setzt voraus, dass diese Anforderungen im Vergabeverfahren wirksam aufgestellt wurden. Eignungskriterien sind, gemäß § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung aufzuführen. Ein Bieter muss in der Lage sein, unmittelbar anhand der Angaben in der Auftragsbekanntmachung entscheiden zu können, ob er sich an der Ausschreibung beteiligen kann und will (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 27. April 2022, Verg 25/21, und vom 11. Juli 2018, Verg 24/18). Ein Link in der Auftragsbekanntmachung, durch den am Auftrag interessierte Unternehmen durch bloßes Anklicken direkt zu den Eignungsanforderungen gelangen können, ist hierfür ausreichend (OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 8. Juni 2022, Verg 19/22; vom 28. Juni 2023, Verg 44/22 m.w.N.). Vorliegend finden sich in der EU-Bekanntmachung zwar direkte Links zu den Eignungskriterien (für die Vergabekammer allerdings nicht nachvollziehbar, da nicht mehr aktiv). Jedoch ergibt sich aus der EU-Bekanntmachung unter Ziffer 2.1, 7. Absatz im Hinblick auf die geforderte Präqualifikation ein direkter Verweis auf den Musterteilnahmeantrag. So wird dort für die Leistungen, für die eine Teilnahme am Präqualifikationsverfahren [ ...] nachzuweisen ist, auf den Musterteilnahmeantrag (sowie die Allgemeinen Präqualifikationsanforderungen (PQ-Anforderungen) für Arch./Ing.-Leistungen) verwiesen. Im Teilnahmeantrag selbst werden unter Ziffer 12 nur die Präqualifikationsbereiche Planung Verkehrsanlagen Bahnsteige und Planung Ingenieurbauwerke Personenunter- und Personenüberführungen aufgeführt. Für diese hat die Antragstellerin die Präqualifikation mittels Nachunternehmer nachgewiesen (siehe unter a). Die Antragsgegnerin selbst räumt ein, dass im Kriterienkatalog des Teilnahmeantrags die Präqualifikationen der Bereiche Planung Leit- und Sicherungstechnik und Planung elektrische Energieanlagen nicht genannt seien, jedoch sei die Anforderung aus der Angebotserklärung hinreichend bestimmt und deutlich erkennbar, dass auch diese Präqualifikationen erforderlich seien und verlangt würden. Die Angebotserklärung sei bereits im Teilnahmewettbewerb als Bestandteil der Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellt worden.
Dieser Auffassung ist nicht zu folgen, denn die wirksame Aufstellung von Eignungskriterien erfordert ihre eindeutige Bekanntmachung. Da in der Bekanntmachung explizit nur auf die Anforderungen im Musterteilnahmeantrag verwiesen wurde, sind die im Text der ebenfalls allerdings nur in einem größeren Konvolut beigefügten Angebotserklärung genannten zusätzlichen Präqualifikationsbereiche hiervon nicht in der notwendigen Bestimmtheit erfasst. Dies gerade auch deshalb, weil die Angebotserklärung für die Bieter erst für die spätere Angebotsphase nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs relevant wird. Im Übrigen ginge eine hieraus entstehende Unklarheit nicht zu Lasten der Bieter. Damit sind im vorliegenden Verfahren weitergehende Eignungsanforderungen jedenfalls nicht wirksam aufgestellt worden, so dass deren Nichterfüllung auch nicht als Grundlage einer Ausschlussentscheidung zu Lasten der Antragstellerin herangezogen werden kann.
Auch kann der Antragstellerin nicht entgegengehalten werden, sie sei wegen einer vorsätzlich unrichtigen Angabe in der Angebotserklärung auszuschließen. Denn schon aus den widersprüchlichen Aussagen der Antragsgegnerin zu den Präqualifikationsanforderungen im Teilnahmewettbewerb einerseits und der Angebotserklärung andererseits (siehe hierzu bereits oben), kann der Antragstellerin jedenfalls insoweit kein vorsätzliches Handeln unterstellt werden.
c) Zu beanstanden ist die Nichtberücksichtigung des pauschalen und nicht begründeten Nachlasses in einem (so die Antragsgegnerin) versehentlich freigegebenen Dialogfenster der e-Vergabeplattform im Angebot der Antragstellerin. Auf das Angebot. der Antragstellerin einschließlich des Nachlasses kann der Zuschlag allerdings nicht erteilt werden, weil die Anforderungen für die Wertung von Honorarreduzierungen aus objektiver Bietersicht widersprüchlich waren. Die Antragsgegnerin darf vielmehr aufgrund der intransparenten Vorgaben für die Abgabe von Nachlässen auf das Honorarangebot in den Vergabeunterlagen auf keines der Angebote den Zuschlag erteilen. Das Vergabeverfahren wurde nicht auf der Grundlage von Vorgaben geführt, die von allen Bietern gleich zu verstehen waren.
aa) Eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen seitens der Antragstellerin liegt in der Abgabe eines pauschalen und nicht begründeten Nachlasses auf der eVergabeplattform nicht vor. Das Dialogfenster war im Vergabeverfahren zur Nutzung freigeschaltet, wenn auch wie die Antragsgegnerin in der Rügeantwort als auch in der mündlichen Verhandlung erklärt hat fälscherweise durch das Setzen eines nicht gewollten "Clicks". Die Nichtberücksichtigung eines Nachlasses, den die Antragsgegnerin aufgrund fehlerhaft gestalteter Vergabeunterlagen zugelassen hat, kann nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen. Eine unzulässige Änderung der Unterlagen liegt nicht vor.
bb) Dies führt hier jedoch nicht dazu, dass auf das Honorarangebot der Antragstellerin einschließlich des Nachlasses der Zuschlag erteilt werden kann.
Die Anforderungen für die Wertung von Honorarreduzierungen waren aus objektiver Bietersicht widersprüchlich. Maßgeblich für das Verständnis ausgeschriebener Vorgaben ist nicht das individuelle Verständnis einzelner Bieter und daher hier nicht allein die Einschätzung der Antragstellerin. Vielmehr sind die Vorgaben, die ein öffentlicher Auftraggeber in einem Vergabeverfahren an die Bieter stellt, aus objektiver Sicht eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens auszulegen, das über das für eine Angebotsabgabe erforderliche Fachwissen verfügt (§§ 133, 157 BGB analog, vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. April 2022, Verg 25/21 m.w.N.). Danach ergeben die Anforderungen der Antragsgegnerin an die Zulassung von Abschlägen, aber auch von Zuschlägen in den Vergabeunterlagen hier kein einheitliches Bild. Nach § 7 Absatz 7.1 des Vertrages ergibt sich die Vergütung für die in der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) geregelten Leistungen nach Maßgabe der in dem Vertrag getroffenen Vereinbarungen zur Vergütung der beauftragten Leistungen. Verwiesen wird auf die Berechnungshonorare gemäß Anlage 2.x (gemeint ist dabei offensichtlich die beigefügte Anlage 2.1 "Ermittlung der Vergütung Los Planungsleistungen"). In § 7 Absatz 7.1 heißt es auch:
"Etwaige Abschläge sind zu begründen. Sie ergeben sich aus der Anlage 2.x in Verbindung mit der Begründung der Honorarreduzierungen".
In jedem der in Anlage 2.1 aufgeführten vier Leistungsbilder (Anlagen 3.1 bis 3.4) kann neben einem Zuschlag auf das Basishonorar auch ein "Abschlag Basishonorarsatz lt. Anlage 6.1" eingetragen werden. Die Anlage 6.1 enthält wiederum eine "Begründung Honorarreduzierung, Erklärung zu Anlage 2.1 "Ermittlung der Vergütung" Los: Planungsleistungen". Auf Seite 3 ist in der Spalte C eine "Detaillierte Erläuterung unter Angabe der technischen Gründe" einzutragen.
Diesen Vorgaben widerspricht die Möglichkeit anstelle der vorgegebenen Honoraraufschläge und -abschläge in den vier Leistungsbildern oder möglicherweise sogar zusätzlich zu diesen auf der e-Vergabeplattform einen pauschalen prozentualen Nachlass auf die Angebotssumme einzutragen ("Nachlass ohne Bedingung auf Produkte/Leistungen"). Hierbei kann es nicht nur zu einem zweifachen Nachlass kommen. Auch kommt es zu einem Nachlass auf die volle angebotene Honorarsumme, bei dem unklar ist, wie sich Änderungen bei der Ausführung des Auftrags auf die Einräumung des Nachlasses auswirken würden. Zugleich kommt es auch zu. einem vom Bieter nicht begründeten Nachlass, dem die Anforderungen der Vergabeunterlagen und des zugrunde liegenden Vertrags entgegenstehen. Bei einer Auslegung der Vergabeunterlagen aus der Sicht eines objektiven Bieters deutet einiges darauf hin, dass der von der Antragsgegnerin gewählte Weg der Einräumung eines Nachlasses auf das konkrete Honorar in den Leistungsbildern, der nach dem Vertrag auch bei geänderten oder zusätzlichen Leistungen anwendbar wäre, der im Vergabeverfahren gewollte ist. Tatsächlich stellt diese Form der Ausschreibung von HOAI-Leistungen bei der Antragsgegnerin eine standardisierte Ausschreibung dar, die sie häufig in gleicher Weise verwendet. Die entsprechenden Fachunternehmen auch die Antragstellerin (vgl. nur Nachprüfungsverfahren der Antragstellerin in einer vergleichbaren Ausschreibung, VK 1-72/24) dürften mit der Vertragsgestaltung einschließlich der Einräumung von Nachlässen vertraut sein. Durch die irrtümliche Freischaltung des Dialogfensters "Nachlass" hat die Antragsgegnerin eine Unklarheit hervorgerufen, die die Antragstellerin zunächst einmal zu Recht, wie unter aa) ausgeführt durch das Eintragen ihres Nachlasses genutzt hat. Allerdings ist aus Sicht der übrigen Bieter die Freischaltung des Fensters möglicherweise gar nicht bemerkt worden oder wegen der Inkongruenz mit den standardisierten Vergabeunterlagen nicht genutzt worden. Hierfür spricht, dass die übrigen beteiligten Bieter keinen pauschalen Nachlass auf der e-Vergabeplattform eingetragen haben. Durch die Berücksichtigung eines nicht begründeten Nachlasses im Angebot der Antragstellerin würde die Antragsgegnerin allerdings die beteiligten Bieter aufgrund der entstandenen Intransparenz benachteiligen. Das Vergabeverfahren wurde hier nicht aufgrund eindeutiger, für alle Bieter transparenter und damit gleich zu verstehender Vorgaben an die Einräumung eines Abschlags / Nachlasses durchgeführt und verletzt damit die rechtlichen Vorgaben der § 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GWB. Der Zuschlag kann daher nicht auf das Nachlass-Angebot der Antragstellerin ergehen. Vielmehr ist das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht zurückzuversetzen und die Bieter zur Abgabe neuer Honorarangebote unter Nutzung der Anlagen 2.1 und 6.1 aufzufordern.
cc) Durch den Vergaberechtsverstoß ist die Antragstellerin auch in ihren Rechten verletzt. Denn wenn ein Vergabeverfahren nicht auf transparenten und für alle Bieter objektiv einheitlich zu verstehenden Vorgaben beruht, können die Angebote nicht miteinander verglichen werden. In einem solchen Vergabeverfahren darf kein Zuschlag erteilt werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Januar 2015 - Verg 31/14: zu unklaren Vorgaben für Nebenangebote). Die Entscheidung, wie sie weiter verfährt, steht im Ermessen der Antragsgegnerin. Sofern wie von ihr in der mündlichen Verhandlung erklärt ihre Beschaffungsabsicht fortbesteht und sie keine außerhalb der Anlagen 2.1 und 6.1 gewährten Nachlässe zulassen will, hat die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren zurückzuversetzen und die Bieter erneut zur Abgabe von Honorarangeboten aufzufordern.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 und 5, Abs. 4 Satz 1, 2, 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 VwVfG. Dabei gereicht es der Antragstellerin hier nicht zum Nachteil, dass sie mit ihrem Begehren, namentlich der Wertung ihres Nachlasses, nicht durchdringt. Denn dieses mit dem Antrag verfolgte Rechtsschutzziel geht auf einen durch die Antragsgegnerin verursachten Fehler bei der Gestaltung der elektronischen Vergabeunterlagen zurück, so dass es unbillig wäre, die Antragstellerin insoweit kostenmäßig zu belasten.
Da die Beigeladene keine Anträge gestellt und das Verfahren auch sonst nicht wesentlich gefördert hat, hat sie kein Prozessrechtsverhältnis zur Antragstellerin begründet und somit kein Prozesskostenrisiko auf sich genommen. Sie ist daher nicht als unterliegende Partei anzusehen und nicht an den Kosten des Verfahrens oder den Aufwendungen der Antragstellerin zu beteiligen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Juni 2014, Verg 41/13).
IV.
(
)
Auftraggeber muss keine Bauverträge herausgeben!
Auftraggeber muss keine Bauverträge herausgeben!
EuGH, Urteil vom 21.11.2024 - Rs. C-336/23
Der "Vorsänger" muss auch mitplanen!
Der "Vorsänger" muss auch mitplanen!
VK Südbayern, Beschluss vom 22.10.2024 - 3194.Z3-3_01-24-38
Wissensvorsprung ist auszugleichen!
Wissensvorsprung ist auszugleichen!
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.12.2024 - Verg 24/24
Summe vorgelegter Teilreferenzen = Eignung für Gesamtauftrag?
Summe vorgelegter Teilreferenzen = Eignung für Gesamtauftrag?
VK Südbayern, Beschluss vom 08.05.2024 - 3194.Z3-3_01-24-10
Eignungsfestellung begründet keinen Vertrauenstatbestand!
Eignungsfestellung begründet keinen Vertrauenstatbestand!
VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.11.2024 - 1 VK 67/24
OWi-Verjährung bei Submissionsabsprache beginnt mit Schlussrechnu...
OWi-Verjährung bei Submissionsabsprache beginnt mit Schlussrechnung!
BGH, Urteil vom 17.09.2024 - KRB 101/23
Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kostenschätzung?
Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kostenschätzung?
VK Nordbayern, Beschluss vom 08.12.2023 - RMF-SG21-3194-8-25
"Richtqualität" erfüllt: Angebot ausschreibungskonform!
"Richtqualität" erfüllt: Angebot ausschreibungskonform!
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.08.2024 - 15 Verg 8/24
Gesamtvergabe ist und bleibt die Ausnahme!
Gesamtvergabe ist und bleibt die Ausnahme!
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.08.2024 - Verg 6/24
Korrektur fehlerhafter Vergabeunterlagen auch nach Submission!
Korrektur fehlerhafter Vergabeunterlagen auch nach Submission!
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.05.2023 - Verg 45/22