BayObLG
Beschluss
vom 06.09.2023
Verg 5/22
1. Der Antragsteller kann mit der Rüge der fehlenden Fachlosaufteilung nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 GWB nur präkludiert sein, wenn ein durchschnittlich fachkundiger Bieter unter Anwendung der üblichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass es im maßgeblichen Fachbereich einen eigenständigen Anbietermarkt mit spezialisierten Fachunternehmen gibt.*)
2. Im Rahmen des § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB können besonders hohe Anforderungen unangemessen sein, wenn sie wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten und diese nicht mehr durch gewichtige Gründe gerechtfertigt ist.*)
vorhergehend:
VK Südbayern, 30.03.2022 - 3194.Z3-3_01-21-60
Im Nachprüfungsverfahren
betreffend die Vergabe von Projektsteuerungsdienstleistungen Realisierungsabschnitt 2 für das Projekt Sanierung des D.
(...)
erlässt das Bayerische Oberste Landesgericht - Vergabesenat - durch den Vorsitzenden Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Heinrichsmeier, den Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Niklaus, die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Muthig, die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht Willner und die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. Löffler aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2023 folgenden
Beschluss
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 30. März 2022, Az. 3194.Z3-3_01-21-60, in Ziffer 1, Ziffer 2 und Ziffer 4 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerde- und des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragstellers.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 380.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Im Rahmen der Sanierung des D. Museums beabsichtigt die Antragsgegnerin die Vergabe von Projektsteuerungsleistungen für den Realisierungsabschnitt 2 im offenen Verfahren. Beauftragt werden soll ausweislich der europaweiten Bekanntmachung vom 24. August 2021 die Projektsteuerung mit Schnittstellenmanagement für das Gesamtprojekt sowie für das Teilprojekt Bau und das Teilprojekt Ausstellungen, das die Neugestaltung von fünf Einzelausstellungen umfasst. Die Bekanntmachung führte unter Ziffer II 1.6) aus:
"Aufteilung des Auftrags in Lose: nein".
Unter Ziffer III. 1.3) "Technische und berufliche Leistungsfähigkeit" forderte die Antragsgegnerin als "Mindeststandards" mindestens zwei Referenzen über Projektsteuerungsleistungen bei Bauvorhaben mit Baukosten jeweils über mindestens 100 Millionen Euro und einer Leistungszeit von mindestens fünf Jahren. Eines dieser zwei Referenzprojekte musste ein Sanierungsprojekt sein. Zusätzlich war mindestens eine Referenz zu benennen, die die Projektsteuerung der Planung und Ausführung der Neugestaltung von wenigstens drei Einzelausstellungen (Dauerausstellungen) im Rahmen der Sanierung / eines Umbaus eines Gebäudes einschließlich der Betreuung von Schnittstellen zum Bauprojekt und dem Aus- und Einzug der Ausstellungsprojekte zum Gegenstand hatte. Die Projektstufe 4 musste bei den Referenzprojekten innerhalb der letzten zehn Jahre abgeschlossen worden sein. Als weiterer Mindeststandard wurde die Beschäftigung von mindestens 80 Mitarbeitern, davon mindestens 50 Architekten und Bauingenieuren, gefordert.
Schlusstermin für die Angebotsabgabe war der 30. September 2021.
Mit Schreiben vom 7. September 2021 rügte der Antragsteller, die Forderung einer Referenz über die Projektsteuerung der Neugestaltung von Ausstellungen verstoße gegen § 75 Abs. 4 VgV, da unzulässig eine Realisierung von Objekten gleicher Nutzungsart gefordert werde. Auch die weiteren Anforderungen, drei Dauerstellungen mit Schnittstellenbetreuung sowie Umzugsmanagement seien überzogen. Eine sachliche Rechtfertigung dafür sei nicht ersichtlich. Da die Anforderungen exakt dem Beauftragungsumfang des bisher - im Realisierungsabschnitt 1 - tätigen Projektsteuerers entsprächen, dränge sich der Verdacht auf, dass eine Beschränkung des Teilnehmerkreises beabsichtigt sei.
Die Antragsgegnerin erklärte im Schreiben vom 16. September 2021, der Rüge (nur) teilweise abzuhelfen, und veröffentlichte am 21. September 2021 eine berichtigte Bekanntmachung. Danach musste eines der als Mindeststandard geforderten Referenzprojekte die Projektsteuerung der Planung und Ausführung der Neugestaltung von wenigstens drei Einzelausstellungen (Dauerausstellungen) im Rahmen des Neubaus, der Sanierung oder eines Umbaus eines Gebäudes einschließlich der Betreuung der Schnittstelle zum Bauprojekt zum Gegenstand haben. Auf die Betreuung der Schnittstelle zum Aus- und Einzug der Ausstellungsobjekte wurde verzichtet.
Mit Schreiben vom 30. September 2021 hat der Antragsteller ohne vorherige Einreichung eines Angebots die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens beantragt. Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Da der Antragsteller keine Referenz für die Projektsteuerung von Ausstellungen im Museumsbereich habe, sei er an der Teilnahme am Verfahren gehindert. Die Referenzanforderung verstoße gegen § 122 Abs. 4 GWB. Es fehle am Auftragsbezug, da es für die Leistung der Projektsteuerung nicht auf die konkrete Nutzung des Gebäudes ankomme. Außerdem seien die Anforderungen unverhältnismäßig. Die Anforderungen könnten praktisch nur vom Projektsteuerer des Realisierungsabschnitts 1 erfüllt werden, so dass ein Wettbewerb praktisch ausgeschlossen sei. Die Projektsteuerung für das fragliche Projekt unterscheide sich nicht wesentlich von der Projektsteuerung für komplexe Bauvorhaben, interdisziplinäre OP- und Diagnostikraumvorhaben oder Tierhäusern für Forschungszwecke, wie sie der Antragsteller bereits erbracht habe. Die Dokumentation leide an erheblichen Mängeln. Ferner hat der Antragsteller im Schriftsatz vom 11. November 2021 vorgetragen, die Antragsgegnerin hätte über eine Trennung der Leistungen für die Steuerung der Ausstellung einerseits und des Teilprojekts Bau andererseits zumindest nachdenken müssen, um nicht durch die Verknüpfung der Leistungen den Bietermarkt unnötig einzuschränken.
Der Antragsteller hat beantragt:
1. Das Vergabeverfahren wird aufgehoben.
2. Die Antragsgegnerin wird bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht und bei Einleitung eines neuen Vergabeverfahrens zur Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer verpflichtet.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hält die Referenzanforderungen für zulässig und angemessen. Mit der Rüge mangelnden Auftragsbezugs sei der Antragsteller schon präkludiert. Zudem bestehe ein berechtigtes Interesse, dass der Projektsteuerer vorliegend Erfahrungen mit der konkreten Nutzungsart habe, da es sich um ganz spezifische Steuerungsleistungen handle. Das Projekt beinhalte aufgrund der besonderen Nutzerstruktur und der Steuerung der inhaltlichen Entwicklungsprozesse für die Ausstellungen sehr spezifische, hoch komplexe Aufgaben. Die Nutzervorgaben müssten in einem Parallelprozess mit den Ausstellungen entwickelt und anschließend ins Gebäude integriert werden, was das Projekt ganz wesentlich von einem klassischen Bauprojekt unterscheide. Aufgrund des Projektplans bleibe keine Zeit, dass sich der Bieter die Kenntnisse für eine derartige Projektsteuerung erst während des Projekts aneigne. Eine wissenschaftliche Definition, was "eine" Ausstellung sei, kenne sie nicht, das definiere jedes Museum selbst. Sie habe mit den Referenzanforderungen hohe Hürden gesetzt. Die Anforderungen seien aber nicht spezifisch auf den Projektsteuerer des Realisierungsabschnitts 1 zugeschnitten. Es sei allgemein bekannt, dass in den letzten 10 Jahren eine Vielzahl von Projekten verwirklicht worden sei, so dass es einige Projektsteuerer geben müsse, die die Anforderungen erfüllen könnten. Die Dokumentation sei ordnungsgemäß.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Der Antragsteller sei mit der Rüge der unterbliebenen Losaufteilung nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB präkludiert. Dass die Antragsgegnerin keine Losaufteilung vorgenommen habe, sei aus der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen ersichtlich gewesen. Der Präklusion stehe nicht entgegen, dass dem Antragsteller nicht bekannt gewesen sei, aus welchen Gründen gemäß § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB die Antragsgegnerin eine gemeinsame Vergabe vorgenommen habe. Im Übrigen hält die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag für unbegründet. § 75 Abs. 5 Satz 3 VgV sei nicht anwendbar. Die Eignungsanforderungen stünden gemäß § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand. Die Notwendigkeit einer Projektsteuerungsreferenz für die Neugestaltung von mindestens drei Einzelausstellungen als Dauerausstellungen sei nicht als besonders hohe Anforderung anzusehen. Eine Einschränkung hinsichtlich der Thematik oder Größe der Ausstellung, des Schwerpunkts oder der Besucherzahl des Gebäudes sowie der Anzahl oder Beschaffenheit der Exponate werde nicht vorgenommen. Die Antragsgegnerin habe vorgetragen, dass es in den letzten Jahren eine Vielzahl an Neukonzeptionen von Ausstellungen im Zusammenhang mit dem Neubau, Umbau oder einer Sanierung von Gebäuden gegeben habe. Die Vergabekammer gehe davon aus, dass die Eignungskriterien nur einen geringen Einfluss auf den Wettbewerb hätten. Auch habe der Antragsteller nicht dargelegt, inwieweit es aufgrund einer eingeschränkten Wettbewerbssituation nicht möglich gewesen sei, Nachunternehmer zur Eignungsleihe oder andere Projektsteuerer für eine Bietergemeinschaft zu finden. Es sei auch keine unangemessene Forderung, dass der Projektsteuerer bereits Erfahrung mit der Steuerung und Koordinierung von Ausstellungsprojekten vorweisen müsse. Die Leistungen insoweit unterschieden sich signifikant von den üblichen Projektsteuerungsleistungen bei Bauprojekten.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er seinen Vortrag vertieft. Die Eignungsanforderungen verstießen gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB. Entgegen der Ansicht der Vergabekammer handele es nicht nur um geringe Anforderungen. Da mindestens drei Einzelausstellungen und Schnittstellen zum Bauprojekt gefordert seien, müsse ein entsprechend großvolumiges Projekt im Raum stehen. Zudem habe die Antragsgegnerin nicht vorab definiert, wann eine Referenz von ihr als tauglich angesehen werde. Wenn die Neugestaltung jeder Art von Ausstellungen, z. B. auch in einem "ländlichen Bauernmuseum", genügen solle, stehe das in Widerspruch zur dokumentierten Erwägung, dass die Bewältigung von Projekten mit hoher Komplexität nachzuweisen sei. Ferner fehle eine taugliche Dokumentation. Die Antragsgegnerin habe die Referenzanforderungen ohne ausreichende Kenntnis der Marktlage und sachliche Basis festgelegt. Auch fehle eine ergebnisoffene Abwägung des Für und Wider der Anforderungen. Der Auftrag hätte in ein Los zur klassischen Projektsteuerung und die besondere Projektsteuerungsleistung "Ausstellung" aufgeteilt werden müssen. Diese Rüge sei nicht präkludiert, da sich die Gründe für das Unterbleiben der Losaufteilung nicht aus den Unterlagen ergeben hätten. Zudem sei davon auszugehen, dass eine erneute Frist zur Einreichung der Teilnahmeanträge gesetzt werde, wenn nach dem Ende des Nachprüfungsverfahrens die Aussetzung des Vergabeverfahrens aufgehoben werde.
Der Antragsteller beantragt daher:
1. Der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 30. März 2022 wird aufgehoben.
2. Auf den Nachprüfungsantrag des Antragstellers hin wird das Vergabeverfahren aufgehoben.
3. Hilfsweise zu 2: Die Antragsgegnerin wird bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht zur Gestaltung der Vergabeunterlagen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Vergabesenats verpflichtet.
Die Antragsgegnerin beantragt:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin verteidigt den Beschluss der Vergabekammer und vertieft ihren Vortrag. Die Eignungskriterien seien angemessen. Die Steuerung von Ausstellungsprojekten beinhalte sehr spezielle Aufgabenstellungen wegen der besonderen Nutzerstruktur, der Steuerung der inhaltlichen Entwicklungsprozesse und deren Synchronisation mit den Planungsabläufen. Bei der Inhaltsproduktion gebe es spezielle Prozesse und Vorgehensweisen zwischen Kuratoren und Gestaltern. Zudem müssten die konservatorischen Vorgaben bekannt sein. Schließlich seien die Prozesse zur Erstellung der Begleitmedien (Vermittlung der Inhalte) sehr speziell. Die Herausforderung bestehe darin, die Prozesse der unterschiedlichen Ausstellungen mit den unterschiedlichen Anforderungen an die Exponate richtig einzuordnen, abzustimmen und die Vielzahl der fachlich Beteiligten zielgerichtet zu organisieren und zu steuern. Die Steuerung von Ausstellungsprojekten unterscheide sich daher wesentlich von der klassischen Bauprojektsteuerung. Die Forderung nach einer Referenz bezogen auf Dauerausstellungen sei gerechtfertigt, da die inhaltliche Entwicklung von Dauerausstellungen ganz andere Anforderungen stelle als die von temporären Ausstellungen. Ein Referenzprojekt mit drei Einzelausstellungen sei nötig, da unterschiedliche Ausstellungsgegenstände (z. B. Großexponate, klimasensible Exponate etc.) unterschiedliche Schwerpunkte in den einzelnen Prozessen verlangten und diese im Rahmen eines Gesamtkonzepts aufeinander abzustimmen seien. Es handle sich bei der geforderten Referenz nicht um eine unnötige Wettbewerbsbeschränkung, zumal der Einsatz von Nachunternehmern nicht ausgeschlossen werde. Eine Losaufteilung sei nicht möglich gewesen. Auf die einheitliche Verantwortung eines Projektsteuerers könne wegen der mannigfaltigen Schnittstellen und der notwendigen Synchronisation der Planungsabläufe nicht verzichtet werden. Ohnehin sei die Antragstellerin mit der Rüge präkludiert. Dem einschlägigen Bieterkreis müssten die Grundsätze der Losaufteilung bekannt sein. Aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis folge, dass ein Bieter nicht einfach annehmen dürfe, der Auftraggeber werde schon einen validen Grund für die Gesamtvergabe haben.
Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2023 verwiesen.
II.
Die gemäß § 172 GWB zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg. Die Antragsgegnerin hat bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht das Verfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen.
1. Der Nachprüfungsantrag ist insgesamt zulässig.
a) Der Antragsteller ist antragsbefugt, § 160 Abs. 2 GWB, auch wenn er kein Angebot abgegeben hat. Er trägt unbestritten vor, er habe keine Referenz für die Projektsteuerung einer Neugestaltung von Ausstellungen in Museen und sei daher an einer Angebotsabgabe gehindert. In einem derartigen Fall ist das nötige Interesse am Auftrag in ausreichender Weise durch eine Rüge nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB und die nachfolgende Stellung eines Nachprüfungsantrags dokumentiert (Horn/Hofmann in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Band 1, GWB, 4. Aufl. 2022, § 160 Rn. 28). Der Antragsteller rügt im Nachprüfungsverfahren gerade die Forderung dieser Referenz als unverhältnismäßig gemäß § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB sowie die fehlende Aufteilung in ein Los zur Projektsteuerung allgemein einerseits und ein Los zur Projektsteuerung Ausstellung andererseits und die fehlende bzw. mangelhafte Dokumentation insoweit. Diese stellen auch mögliche Rechtsverletzungen gemäß § 97 Abs. 6, § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB dar (zum bieterschützenden Charakter des § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB OLG Rostock, Beschl. v. 9. Dezember 2020, 17 Verg 4/20; Kus in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB, 5. Aufl. 2020, § 97 Rn. 223). Ferner erscheint es jedenfalls möglich, dass der Antragsteller ohne die Mindestanforderung bzw. im Fall einer Losaufteilung ein möglicherweise erfolgversprechendes Angebot hätte abgeben können, und ihm daher infolge der gerügten Rechtsverletzungen ein Schaden entstanden ist, § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB.
b) Der Antragsteller ist mit seinen Rügen nicht präkludiert, § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB.
aa) Bezüglich der Mindestanforderung einer Referenz über die Projektsteuerung der Neugestaltung von drei Ausstellungen (Dauerausstellungen) samt Schnittstellenmanagement liegt im Schreiben vom 7. September 2021 eine ausreichende und nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 GWB rechtzeitige Rüge, die auch den im Nachprüfungsverfahren ebenfalls bemängelten fehlenden Auftragsbezug der Referenz abdeckt. Ein Verstoß gegen § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB liegt ebenfalls nicht vor.
bb) Soweit der Antragsteller nunmehr die fehlende Losaufteilung nach § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB beanstandet, ist er damit ebenfalls nicht präkludiert. Zwar hat der Antragsteller die fehlende Losaufteilung weder im Rügeschreiben vom 7. September 2021 noch im Nachprüfungsantrag vom 30. September 2023 erwähnt.
(1) Ein aufgrund der Bekanntmachung oder der Vergabeunterlagen erkennbarer Verstoß im Sinn des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 GWB liegt aber nicht vor.
Die Erkennbarkeit des Verstoßes gegen eine Vergabevorschrift setzt einerseits die Erkennbarkeit der maßgeblichen Tatsachen, andererseits die Erkennbarkeit des Rechtsverstoßes voraus (OLG Frankfurt, Beschl. v. 30. März 2021, 11 Verg 18/20; OLG München, Beschl. v. 22. Oktober 2015, Verg 5/15; Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 20. Aufl. 2020, GWB § 160 Rn. 48). Dabei muss der Verstoß so deutlich zutage treten, dass er einem verständigen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots beziehungsweise seiner Bewerbung auffallen muss; übersteigerte tatsächliche und rechtliche Anforderungen dürfen diesbezüglich nicht an einen Bieter gestellt werden (OLG München, Beschl. v. 24. März 2021, Verg 12/20; vgl. auch OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 27. Oktober 2022, 54 Verg 7/22; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30. März 2021, 11 Verg 18/20; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19. September 2018, Verg 37/17).
Maßstab ist nach Ansicht des Senats ein durchschnittlich fachkundiger Bieter, der die übliche Sorgfalt anwendet. Ob für die Erkennbarkeit des Vergabeverstoßes ein objektiver, auf den durchschnittlichen verständigen Bewerber oder ein subjektiver, auf die individuellen Verhältnisse des Bieters abstellender Maßstab anzuwenden ist, wurde und wird kontrovers diskutiert (für einen objektiven Maßstab: OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 27. Oktober 2022, 54 Verg 7/22; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7. September 2022, 15 Verg 8/22, NZBau 2022, 615; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 30. März 2021, 11 Verg 18/20; OLG Rostock, Beschl. v. 21. Januar 2019, 17 Verg 8/18; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19. September 2018, Verg 37/17, NZBau 2019, 390; Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, GWB § 160 Rn. 51; Summa in jurisPK-Vergaberecht, Stand 31. Mai 2023, § 160 Rn. 305; Wiese in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, § 160 Rn. 126; für einen Vergabeverstoß bezüglich der Zuschlagskriterien auch EuGH, Beschl. v. 12. März 2015, C-538/13, NZBau 2015, 306 Rn. 52 ff.; für einen subjektiven Maßstab: Horn/Hoffmann in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Band 1, GWB § 160 Rn. 53 mit Zitaten aus der älteren Rechtsprechung; offengelassen: OLG München, Beschl. v. 24. März 2021, Verg 12/20; Beschl. v. 2. Juni 2016, Verg 15/15; OLG Celle, Beschl. v. 8. September 2011, 13 Verg 4/11). Der Senat schließt sich der ersten, inzwischen herrschenden Meinung an. Für diese spricht insbesondere die Übereinstimmung mit den Grundsätzen zur Auslegung der Vergabeunterlagen. Insoweit kommt es nicht auf das Verständnis des individuellen, konkreten Bewerbers an, sondern auf den objektiven Empfängerhorizont eines potenziellen Bieters (BGH, Beschl. v. 7. Januar 2014, X ZB 15/13, NZBau 2014, 185 Rn. 31; BGH, Beschl. v. 3. April 2012, X ZR 130/10 Rn. 10; BayObLG, Beschl. v. 26. Mai 2023, Verg 2/23); maßgeblich ist, wie ein verständiger, sachkundiger und mit derartigen Beschaffungsvorgängen vertrauter Bieter die Vergabeunterlagen verstehen muss (BayObLG, Beschl. v. 3. Juni 2022, Verg 7/22; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 5. November 2019, 11 Verg 4/19). Es liegt nahe, nach denselben Grundsätzen auch die Erkennbarkeit von Vergabeverstößen aus den Vergabeunterlagen zu bewerten. Der objektive Maßstab steht ferner im Einklang mit dem Wortlaut des § 160 Abs. 3 GWB. Während der Rügetatbestand in Ziffer 1 explizit auf den Erkenntnisstand des konkreten Bieters abstellt, wird die individuelle Ausprägung in den Ziffern 2 und 3 nicht wiederholt, also keine Erkennbarkeit "für den Antragsteller", sondern nur die (generelle) Erkennbarkeit anhand der Bekanntmachung beziehungsweise der Vergabeunterlagen gefordert (so auch Dicks, a. a. O. Rn. 50).
Gemäß § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Unter dem Begriff "Fachlos" sind Leistungen zu verstehen, die von einem bestimmten Handwerks- oder Gewerbebetrieb ausgeführt werden, d. h. einem bestimmten Fachgebiet zuzuordnen sind. Für die Frage, ob die Bildung eines eigenständigen Fachloses geboten ist, kommt es darauf an, ob für die spezielle Leistung ein eigener Anbietermarkt mit spezialisierten Fachunternehmen seit längerem besteht oder sich gerade herausgebildet hat. Entscheidend ist mithin eine hinreichende Abgrenzbarkeit (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29. April 2022, 15 Verg 2/22; OLG München, Beschl. v. 9. April 2015, Verg 1/15; OLG Naumburg, Beschl. v. 14. Mär 2013, 2 Verg 8/12; Knauff in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, GWB § 97 Rn. 24; Kus in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB, § 97 Rn. 197).
Unter Anwendung dieser Grundsätze bestand vorliegend jedenfalls keine Rügepflicht des Antragstellers. Zwar war aus der Auftragsbekanntmachung ohne Weiteres ersichtlich, dass die Antragsgegnerin keine Losaufteilung vorgesehen hatte. Unter Ziffer II 1.6) ist ausdrücklich angeführt:
"Aufteilung des Auftrags in Lose: nein".
Indessen hätte für den Antragsteller nur dann eine Rügepflicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB bestanden, wenn auch erkennbar gewesen wäre, dass eine Pflicht zur Bildung eines Fachloses "Projektsteuerung Teilprojekt Ausstellungen" bestand. Dabei kann unterstellt werden, dass einem durchschnittlichen Bieter die grundsätzliche, in § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB verankerte Pflicht zur Bildung von Fachlosen bekannt ist. Indessen genügt dies nicht. Eine Rügepflicht setzt ferner voraus, dass ein durchschnittlich fachkundiger Bieter unter Anwendung der üblichen Sorgfalt auch erkennen kann, dass es einen eigenständigen Anbietermarkt mit spezialisierten Fachunternehmen im Bereich Projektsteuerung Ausstellungen gibt (vgl. OLG München, Beschl. v. 25. März 2019, Verg 10/18). Das Bestehen eines derartigen Markts kann in einzelnen Bereichen, wie etwa der Glasreinigung (vgl. Kus, a. a. O., Rn. 197; OLG München, Beschl. v. 25. März 2019, Verg 10/18) ohne Weiteres erkennbar sein. Vorliegend ist das Bestehen eines derart spezialisierten Markts aber weder nach dem Vortrag der Parteien noch sonst offensichtlich. Insbesondere war auch ein durchschnittlich fachkundiger Bieter unter Anwendung der üblichen Sorgfalt nicht verpflichtet, zunächst selbst eine Markterkundung durchzuführen, um sich Klarheit über das Bestehen eines speziellen Anbietermarkts und damit verbunden die Pflicht zur Fachlosbildung zu verschaffen. Allein aus der Tatsache, dass ein Bieter - wie vorliegend der Antragsteller - selbst über keine entsprechende Referenz verfügt, konnte und musste er auch noch nicht auf das Bestehen eines eigenen Anbietermarkts zur Projektsteuerung im Bereich Ausstellungen schließen.
Nur ergänzend sei auf Folgendes hingewiesen: Besteht nach § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB grundsätzlich eine Pflicht zur Losaufteilung, kann hiervon nach § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB abgesehen werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Ob eine Rügepflicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bzw. 3 GWB nur dann besteht, wenn auch die Gründe des Auftraggebers, von der Losbildung abzusehen, für den Bieter erkennbar waren, erscheint fraglich (abstellend auf die Erkennbarkeit der Gründe OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 14. Mai 2018, 11 Verg 4/18; Summa in jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl. Stand 31. Mai 2023, § 160 GWB Rn. 317 ff.; letztlich offengelassen von OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8. März 2017, Verg 39/16; nur auf die Erkennbarkeit der fehlenden Losaufteilung stellen ab OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 27. Oktober 2022, 54 Verg 7/22; Beschl. v. 13. Juni 2019, 54 Verg 2/19; OLG Celle, Beschl. v. 8. September 2011, 13 Verg 4/11). Dagegen spricht, dass bei Bestehen eines spezialisierten Marktes die Fachlosbildung den Regelfall und das Absehen davon die für den Auftraggeber begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, so dass nach den Umständen ein Vergabeverstoß naheliegt. Mit Sinn und Zweck der Rügepflicht erscheint es nur schwer zu vereinbaren, wenn der Bieter in einer derartigen Situation sich die Rüge des - naheliegenden - Vergabeverstoßes für den Fall vorbehalten kann, dass sein Angebot nicht zum Zuge kommen soll. Letztlich würde die Rügepflicht in erheblichem Umfang leerlaufen, wenn der Bieter erst nach Erkennbarkeit der Gründe des Auftraggebers, also häufig erst nach Einsicht in den Vergabevermerk, zur Rüge verpflichtet sein könnte. Vorliegend bedarf dies aber keiner Entscheidung.
(2) Der Antragsteller ist mit der Rüge entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB präkludiert. Der Einwand der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe nicht innerhalb von 10 Tagen nach Inanspruchnahme von Rechtsrat die fehlende Losaufteilung gerügt, überzeugt nicht. Eine Beratung durch eine Syndikusanwältin ist ebenso wie die Beauftragung einer externen Rechtsanwaltskanzlei nicht automatisch gleichzusetzen mit der Kenntnis sämtlicher denkbarer Verstöße gegen Vergabevorschriften.
(3) Mangels Präklusion kommt es weder auf die vom Antragsteller aufgeworfene Frage an, ob der Verstoß gegen die Losaufteilungspflicht von Amts wegen aufzugreifen ist, noch darauf, ob der Antragsgegner nach Beendigung der Aussetzung des Vergabeverfahrens nochmals eine Frist zur Angebotsabgabe zu setzen hat.
2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Zwar bestand keine Pflicht zur Fachlosbildung (dazu unten a]), jedoch verstößt die Forderung einer Referenz zur Projektsteuerung der Planung und Ausführung der Neugestaltung von wenigstens drei Dauerausstellungen im Rahmen des Neubaus, der Sanierung oder des Umbaus eines Museums gegen § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB (dazu unten b]).
a) Eine Pflicht zur Bildung von Fachlosen "Projektsteuerung allgemein / Teilprojekt Bau" und "Projektsteuerung Teilprojekt Ausstellungen" bestand nach § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB nicht. Wie bereits ausgeführt (siehe oben Ziffer 1 b] bb] [1]) hat eine Aufteilung in Fachlose grundsätzlich zu erfolgen, wenn sich für die konkrete Leistung ein eigener Anbietermarkt mit spezialisierten Fachunternehmen herausgebildet hat. Ein derartiger Anbietermarkt für Projektsteuerungsleistungen für die Neugestaltung von Ausstellungen ist jedoch nicht ersichtlich. Weder dem schriftsätzlichen Vortrag der Beteiligten noch den vorgelegten Unterlagen lässt sich entnehmen, dass ein solcher spezialisierter Anbietermarkt vorhanden wäre. Dass die Fachplanung für die Teilprojekte Bau und Ausstellungen unstreitig getrennt vergeben wurde, lässt nicht den Schluss darauf zu, es bestünden auch im Bereich der Projektsteuerung entsprechende spezialisierte Anbietermärkte. Die Tatsache, dass der Antragsteller zwar über Referenzen im Bereich der Projektsteuerung Bau, aber nicht über Referenzen für die Projektsteuerung Ausstellungen verfügt, bedeutet ebenfalls nicht zwingend, dass es sich insoweit um einen getrennten Markt für entsprechende Projektsteuerungsleistungen handelt. Ferner konnten in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2023 auf Nachfrage des Senats weder der Antragsteller noch die Antragsgegnerin bestätigen, dass ein entsprechender Spezialmarkt existiert.
Ob ausreichende wirtschaftliche und technische Gründe für eine Gesamtvergabe nach § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB vorlagen und ob diese dokumentiert wurden, bedarf daher keiner Entscheidung mehr.
b) Die von der Antragsgegnerin auch nach der Teilabhilfe noch als Mindeststandard geforderte Referenz einer "Projektsteuerung der Planung und Ausführung der Neugestaltung von wenigstens drei Einzelausstellungen (Dauerausstellungen) im Rahmen des Neubaus / der Sanierung / eines Umbaus eines Gebäudes einschließlich der Betreuung der Schnittstelle zum Bauprojekt" verstößt gegen § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB.
aa) Die als Mindeststandard für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit geforderte Referenz ist an § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB zu messen. Wenn eine Referenz gefordert wurde ohne Rückbezug zu eigenständig aufgestellten Eignungskriterien, definiert die Referenz konkludent auch die materiellen Eignungskriterien (BayObLG, Beschl. v. 29. Juli 2022, Verg 16/21; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 23. Dezember 2021, 11 Verg 6/21; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27. Juni 2018, Verg 4/18).
bb) Grundsätzlich steht dem Auftraggeber bei der Auswahl der Eignungskriterien ein Beurteilungsspielraum zu, der seine Grenzen in § 122 Abs. 4 GWB findet (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 23. Dezember 2021, 11 Verg 6/21; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27. Juni 2018, Verg 4/18). Es dürfen nur Eignungskriterien aufgestellt werden, die mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu ihm in einem angemessenen Verhältnis stehen. Die Eignungskriterien müssen geeignet und erforderlich sein, um die Leistungsfähigkeit in Bezug auf den ausgeschriebenen Auftragsgegenstand nachzuweisen. Dabei sind unter anderem die Komplexität des Auftrags und das Gewicht, das die ordnungsgemäße Auftragserfüllung für den Auftraggeber hat, in den Blick zu nehmen. Je komplexer der Auftragsgegenstand, desto höhere Eignungsanforderungen können gestellt werden (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 23. Dezember 2021, 11 Verg 6/21; Beschl. v. 30. März 2021, 11 Verg 18/20; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27. Juni 2018, Verg 4/18). In die Angemessenheitsprüfung einzubeziehen sind aber auch die Auswirkungen auf den Wettbewerb. Der Auftraggeber hat abzuwägen zwischen einer möglichst großen Auswahl an Angeboten und der Gefahr nicht ordnungsgemäßer Ausführung. Besonders hohe Anforderungen können unangemessen sein, wenn sie wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten, weil nur ein oder wenige Unternehmen sie erfüllen. In einem solchen Fall ist es nötig, dass die Anforderungen durch gewichtige Gründe gerechtfertigt sind. Je einschneidender der Wettbewerb beschränkt wird, desto höher sind die Anforderungen an die gewichtigen Gründe (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 30. März 2021, 11 Verg 18/20; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27. Juni 2018, Verg 4/18).
cc) Unter Anwendung dieser Grundsätze genügt die geforderte Referenz nicht mehr den Anforderungen des § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB. Zwar kann die geforderte Referenz nach Ansicht des Senats zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit als - noch - geeignet angesehen werden (dazu unten [1]). Jedoch sind die Anforderungen, soweit der Nachweis von Projektsteuerungsleistungen bezüglich dreier Dauerausstellungen gefordert wird, unter Berücksichtigung der damit notwendigerweise verbundenen Wettbewerbsbeschränkung unangemessen hoch (dazu unten [2]). Bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht obliegt es der Antragsgegnerin, im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats jedenfalls die gerügte Mindestreferenz neu zu fassen, sowie die Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Referenz zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit für die ausgeschriebene Projektsteuerungsleistung konkret und unter Berücksichtigung etwaiger wettbewerbsbeschränkender Wirkungen zu dokumentieren. Gegebenenfalls wäre auch klarzustellen, in welchem Umfang Nachunternehmer eingesetzt werden können und für welche konkreten Projektsteuerungsleistungen (z. B. in Bezug auf Teilprojekte oder das Gesamtprojekt) es der Referenz bedarf (vgl. dazu unten [2] [ee]).
(1) Die geforderte Referenz ist zwar auftragsbezogen, da sie gerade einen Teilbereich genau der Leistungen umfasst, die ausgeschrieben sind. Zugunsten der Antragsgegnerin kann auch angenommen werden, dass sie zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit geeignet ist, obwohl dies bereits gewissen Bedenken begegnet.
Zum einen bleibt mangels konkreter Definition schon unklar, wann aus Sicht der Antragsgegnerin "eine" Ausstellung und wann daher "drei" Ausstellungen vorliegen. Vorgaben zur Größe und zu den Themen der drei Ausstellungen finden sich ebenfalls nicht. Ob die Projektsteuerung der Neugestaltung von drei kleinen Einzelausstellungen beispielsweise eines Bauernhofmuseums tatsächlich den Rückschluss auf die Eignung für die Projektsteuerung im vorliegenden Großprojekt zulässt, mag zweifelhaft erscheinen, ist aber noch vom Beurteilungsspielraum gedeckt.
Zum anderen begründet die Antragsgegnerin das Erfordernis der drei Ausstellungen damit, dass Objekte mit unterschiedlichen konservatorischen Anforderungen, Klimaempfindlichkeit oder Transportgewicht wie etwa Flugzeuge oder Eisenbahnen einerseits und optische Geräte andererseits, auch zu unterschiedlichen Prozessen im Rahmen der Ausstellungsneugestaltung führten. Diese unterschiedlichen Prozesse müssten auch dem Projektsteuerer bekannt sein. Zweifelhaft erscheint indessen, ob zum Nachweis hierfür die konkret geforderte Referenz geeignet ist. Denn diese verlangt zwar die Neugestaltung von drei Ausstellungen, lässt aber offen, ob es sich tatsächlich um Ausstellungen mit deutlich unterschiedlichen Exponaten handelt. Von der Referenzanforderung gedeckt wären auch drei Ausstellungen mit Exponaten, bei denen sich z. B. die konservatorischen Anforderungen, Klimaempfindlichkeit und Transportgewicht kaum unterscheiden. Dennoch erscheint auch dies als noch vom Beurteilungsspielraum der Auftraggeberin gedeckt, zumal bei einer größeren Zahl an Ausstellungen sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es sich um Ausstellungen mit deutlich unterschiedlichen Arten von Exponaten handelt. Ferner würden weitergehende Vorgaben zu den geforderten Ausstellungen den Wettbewerb noch weiter einschränken (dazu noch unten [2]).
(2) Indessen stellt die Mindestreferenz zum Nachweis der Leistungsfähigkeit unangemessen hohe Anforderungen, insbesondere unter Berücksichtigung der damit notwendigerweise verbundenen Wettbewerbsbeschränkung.
(a) Nachvollziehbar und im Grundsatz nicht zu beanstanden ist die Vorgabe der Antragsgegnerin, dass der Bieter Erfahrungen mit der Steuerung und Koordinierung der Neugestaltung gerade von Ausstellungen in Museen vorweisen müsse.
Insoweit hat die Antragsgegnerin darauf verwiesen, dass vorliegend die konkreten Neugestaltungen der Ausstellungen in einem Parallelprozess entwickelt würden. Dazu gehörten auch die Prozesse zur Erstellung der Begleitmedien und zur Entwicklung der didaktischen Inhaltsvermittlung. Der Auftrag umfasse daher gerade auch die Organisation und Steuerung der inhaltlichen Entwicklungsprozesse in allen fünf vom Realisierungsabschnitt 2 betroffenen Ausstellungen. Hierbei seien eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Projektbeteiligter (Kuratoren, Grafikverantwortliche, Ausstellungsarchitekten, Textplaner, Ausstellungsplaner, Medienplaner, technische Planer, museumsinterne Planungs- und Ausführungsbeteiligte) mit den von ihnen verantworteten Prozessen zielgerichtet zu organisieren und zu steuern. Zudem müsse der Umgang mit konservatorischen Vorgaben bekannt sein, um eine entsprechende Organisation aufzubauen und gegebenenfalls korrigierend eingreifen zu können. Es gehe um die Synchronisierung der gesamten inhaltlichen Entwicklungsprozesse mit den übrigen Planungsabläufen und die Integration in das Bauprojekt und Gebäude.
Diese Erwägungen sind jedenfalls nachvollziehbar. Dabei verkennt der Senat nicht, dass Auftragsgegenstand nicht die Planung, sondern die Projektsteuerung ist, und dass auch im Rahmen von reinen Bauprojekten unter Umständen umfangreiche und schwierige Prozesse etwa betreffend Innenausbau einerseits und Außenaufbau andererseits zu koordinieren sind. Auch verweist der Antragsteller zutreffend darauf, dass es hochkomplexe Bauvorhaben mit ganz speziellen, sensiblen Nutzeranforderungen gibt wie etwa den Krankenhausbau, OP- und Diagnostikraumausstattungen, Tierforschungshäuser oder Museumsbau mit besonderen gestalterischen Anforderungen, bei denen ebenfalls eine Vielzahl verschiedener Projektbeteiligter samt der maßgeblichen Prozesse zu steuern sind. Indessen unterscheiden sich derartige Projekte von dem vorliegenden insoweit, als die vom Antragsteller angeführten, zu beachtenden (Nutzer-) Vorgaben wie Hygiene- oder Tierschutzvorschriften, raumklimatische, Beleuchtungs- und Akkustikanforderungen regelmäßig bereits bei Beginn des Projekts weitgehend absehbar sind oder sogar feststehen. Dagegen sind im hiesigen Projekt die Nutzervorgaben aufgrund der gleichzeitig mit der Gebäudesanierung laufenden Neugestaltung von Ausstellungen vorab nicht bekannt, sondern werden in Parallelprozessen erst entwickelt. Dadurch ist mit einer Vielzahl höchst unterschiedlicher Beteiligter und parallel ablaufenden, komplexen Prozessen zu rechnen. Dass sich daraus weitergehende Anforderungen auch an die Projektsteuerung, die Koordinierung der Prozesse und Termine, die Einhaltung von Qualitätsvorgaben und Kostenrahmen ergeben, erscheint jedenfalls nachvollziehbar.
Ferner handelt es sich um ein äußerst umfangreiches Projekt mit der gleichzeitigen Neugestaltung nicht einer, sondern von fünf Ausstellungen. Es ist aus Sicht des Senats daher per se nicht zu beanstanden, wenn als Mindestanforderung eine Referenz mit Erfahrung in der Projektsteuerung der Neugestaltung von Ausstellungen gefordert wird.
(b) Allerdings sind in der Gesamtschau die von der Antragsgegnerin geforderten Mindeststandards unverhältnismäßig hoch und geeignet, den Wettbewerb in einer Weise zu beschränken, die sich auch mit der ganz erheblichen Bedeutung des Projekts nicht mehr rechtfertigen lässt.
(aa) Die Zahl möglicher als Referenz in Betracht kommender Projekte wird bereits dadurch deutlich eingeschränkt, dass es sich um die Neugestaltung von Dauerausstellungen handeln muss. Die Projektsteuerung in Bezug auf die Neugestaltung von temporären oder Wanderausstellungen genügt hingegen nicht. Weshalb die Neugestaltung einer Dauerausstellung erforderlich sein soll, erschließt sich nicht. Die Antragsgegnerin trägt dazu vor, es gebe einen grundlegenden Unterschied zwischen temporären und Dauerausstellungen in Bezug auf die Programmatik, die Dauerhaftigkeit und Qualität, die Komplexität der technischen Anlagen, die Planungen für spätere Aktualisierungsmöglichkeiten und die konservatorischen Anforderungen. Auch würden nur bei Dauerausstellungen sogenannte "Mock-Ups" (insbesondere zum Test der Haltbarkeit) erstellt. Zwar erscheinen die angeführten Unterschiede nachvollziehbar. Jedoch vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die dargestellten Differenzen nicht nur die Planung und Gestaltung der Ausstellung, sondern auch die Projektsteuerung signifikant beeinflussen. Dass sich auf der Ebene der Projektsteuerung spürbare Unterschiede zwischen der Neugestaltung von temporären und von Dauerstellungen ergeben, hat die Antragsgegnerin auch unter Berücksichtigung ihrer ergänzenden Erläuterung in der mündlichen Verhandlung (insbesondere zu den Mock-Ups) nicht hinreichend darzustellen vermocht.
(bb) Eine weitere erhebliche Einschränkung in Bezug auf mögliche Referenzen folgt daraus, dass diese sich auf die Neugestaltung von drei Dauerausstellungen beziehen müssen. Insoweit hat die Antragsgegnerin insbesondere darauf verwiesen, dass unterschiedliche Ausstellungsgegenstände wie etwa große Maschinen oder Fahrzeuge einerseits oder klimasensible Exponate wie optische Geräte andererseits auch verschiedene Schwerpunkte in den jeweils zu koordinierenden Prozessen bedingten. Aufgabe des Projektsteuerer sei es, ganz unterschiedliche Prozesse zu verschiedenen Zeiten anzustoßen. In der mündlichen Verhandlung hat die Antragsgegnerin hierzu ergänzt, bei der Forderung nach einer Referenz mit drei Dauerausstellungen sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um Exponate mit unterschiedlichen Anforderungen gehandelt habe. Man habe aber auch keine zu spezifischen Anforderungen an den Ausstellungsinhalt festlegen wollen. Auch wenn es daher keine Vorgaben bezüglich des Inhalts der drei Dauerausstellungen (und auch nicht bezüglich der Größe und Themen) gibt, handelt es sich um hohe Anforderungen, wie die Antragsgegnerin selbst eingeräumt hat. Die Vorgabe der drei Dauerstellungen ist jedenfalls geeignet, den möglichen Bewerberkreis erheblich einzuschränken. Es mag, wie die Antragsgegnerin ausgeführt hat, eine Vielzahl an Museen geben, die innerhalb der letzten zehn Jahre Umbauten und eine Neugestaltung ihrer Ausstellungen vorgenommen und dabei Projektsteuerer beschäftigt haben. Die Eignung als Referenz erfordert aber, dass es sich um Museen handelte, die über mindestens drei Dauerausstellungen verfügten und diese gleichzeitig mit Neubau-, Umbau- oder Sanierungsmaßnahmen neu gestalteten. Erschwerend kommt hinzu, dass es auch nach dem Vortrag der Antragsgegnerin keine einheitliche Definition gibt, was überhaupt unter "einer" Ausstellung zu verstehen ist. Sofern daher ein Museum seine gesamten Exponate als eine einheitliche Sammlung und Dauerausstellung versteht, könnte ein mit der Neugestaltung beauftragter Projektsteuerer dies dennoch nicht als taugliche Referenz für die hiesige Ausschreibung angeben, selbst wenn es sich um ein großes Museum mit einer Vielzahl unterschiedlichster Arten von Exponaten handelte. Unter diesem Aspekt erscheint ferner fraglich, ob zum Nachweis der Erfahrung im Umgang mit unterschiedlichsten Exponaten es tatsächlich erforderlich ist, dass eine Referenz bezogen auf drei Dauerausstellungen nachgewiesen wird.
(cc) Die dargestellten hohen Referenzanforderungen sind schon an sich geeignet, den Wettbewerb erheblich einzuschränken. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin als weitere Mindestanforderung zwei Referenzen über eine Projektsteuerung bei Bauvorhaben mit Baukosten über mindestens 100 Millionen Euro brutto und einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren fordert. Weitere Mindestvoraussetzung ist eine Beschäftigung von mindestens 80 Mitarbeitern, davon mindestens 50 Architekten und Bauingenieure. Der Senat verkennt nicht, dass diese Mindestanforderungen vom Antragsteller nicht gerügt wurden. Indessen können bei der Prüfung, in welchem Umfang die (gerügte) Mindestanforderung einer Ausstellungsreferenz wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfaltet, die weiteren Mindestanforderungen nicht gänzlich außer Betracht bleiben. Dass es überhaupt eine nennenswerte Anzahl von Projektsteuerungsbüros dieser Größe gibt, die zudem über die geforderten Referenzen in Bezug auf die Neugestaltung dreier Dauerausstellungen verfügen, hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt. Die Behauptung, bei Internetrecherchen fänden sich allein in Berlin mindestens fünf große Museumsprojekte aus den Jahren 2010 bis 2020, die von unterschiedlichen Projektsteuerungsbüros als Referenzen angeführt würden, genügt nicht. Die Antragsgegnerin hat schon nicht dargetan, dass die Projekte in Berlin jeweils die Neugestaltung von mindestens drei Dauerausstellungen umfasst hätten. Auch ist von ihr weder ausgeführt noch sonst ersichtlich, dass die recherchierten Projektsteuerungsbüros die geforderte Zahl an Mitarbeitern, Architekten und Bauingenieuren hätten.
(dd) Etwas anderes lässt sich auch nicht aus dem tatsächlichen Verlauf des Vergabeverfahrens ableiten. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin ist nur ein Angebot (des P.) eingegangen. Dies stellt allenfalls ein Indiz für, aber nicht gegen eine erhebliche wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Referenzanforderungen dar. Dass sich fünf bis sechs Unternehmen für die Ausschreibung interessiert hätten, wie die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung weiter ausgeführt hat, ändert hieran nichts. Wenn ein Interessent nach Einblick in die Auftragsbekanntmachung von der Abgabe eines Angebots absieht, spricht dies eher dafür, dass die gestellten Anforderungen (zu) hoch waren. Jedenfalls lässt sich aus dem bloßen Interesse der Unternehmen nicht folgern, der Wettbewerb sei durch die Referenzanforderungen nicht übermäßig beschränkt worden.
(ee) Zu keinem anderen Ergebnis führt es, dass den Bietern der Einsatz von Nachunternehmern oder die Bildung von Bietergemeinschaften offen gestanden hätte. Zwar ergibt sich aus dem "Formblatt Referenzen", dass die Referenzangaben sich auch auf das jeweilige Mitglied der Bietergemeinschaft oder den Nachunternehmer beziehen können. Auch ist in der Auftragsbekanntmachung unter III. 1.3) zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit vorgesehen, dass die Anteile des Auftrags, die an Unterauftragnehmer vergeben werden sollen und der Name des jeweiligen Unterauftragnehmers samt gesonderter Eigenerklärung anzugeben sei. Ob es sich aus den Unterlagen hinreichend klar ergibt, dass - wie von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung dargestellt - nur der Teilprojektleiter Ausstellungen, nicht aber der Gesamtprojektleiter von dem Büro gestellt werden muss, das über die Ausstellungsreferenz verfügt, mag fraglich erscheinen, kann aber vorliegend zugunsten der Antragsgegnerin unterstellt werden. Denn auch dies ändert nichts daran, dass selbst bei Einsatz eines Nachunternehmers für die Steuerung des Teilprojekts Ausstellungen jedenfalls dieser die dargestellten hohen Referenzanforderungen (Projektsteuerung der Neugestaltung von drei Dauerausstellungen im Rahmen des Neubaus, des Umbaus oder der Sanierung eines Museums samt Betreuung der Schnittstellen zum Bauprojekt) zu erfüllen hätte. Im Übrigen wurde, wie ausgeführt, tatsächlich nur ein Angebot abgegeben. Dass die Möglichkeit, Nachunternehmer einzusetzen, die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der hohen Referenzanforderungen signifikant abgemildert hätte, erschließt sich daher nicht.
(ff) Der Senat verkennt nicht, dass es sich vorliegend um ein äußerst umfangreiches und komplexes Projekt handelt, das erhebliche Herausforderungen auch für die Projektsteuerung mit sich bringt und von großer Bedeutung für die Antragsgegnerin ist. Auch dies vermag jedoch die streitgegenständliche Mindestanforderung nicht mehr zu rechtfertigen.
c) Ob die Vergabedokumentation den Vorgaben des § 8 VgV genügte und in welchem Umfang etwaige Defizite durch die Erläuterungen in den Schriftsätzen und in den mündlichen Verhandlungen geheilt wurden, bedarf keiner Entscheidung.
d) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der Nachprüfungsantrag nicht deshalb unbegründet, weil es an einer (zumindest nicht ausschließbaren) Beeinträchtigung der Chance des Antragstellers auf den Zuschlag fehlte.
Wurde ein Bieter in seinem Recht auf Einhaltung der Vergabevorschriften verletzt, bleibt sein Nachprüfungsantrag dennoch ohne Erfolg, wenn ihm tatsächlich weder ein Schaden entstanden noch ein solcher wahrscheinlich ist. Die Vergabekammer und der Vergabesenat sind keine allgemeinen Kontrollinstanzen, die abstrakt für die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der objektiven Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens sorgen (BayObLG, Beschl. v. 11. Januar 2023, Verg 2/21; Beschl. v. 29. Juli 2022, Verg 13/21; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20. Dezember 2019, Verg 18/19).
Vorliegend hat der Antragsteller zwar unstreitig keine eigene Referenz für die Projektsteuerung Ausstellungen vorzuweisen, auch nicht bezogen auf nur eine temporäre oder eine Dauerausstellung. Indessen bedeutet dies nicht, dass im Fall einer Rückversetzung und Neugestaltung der Auftragsbekanntmachung in Bezug auf die Mindestanforderungen der Antragsteller keinerlei Aussichten auf den Zuschlag hätte. Dem Antragsteller stünde gegebenenfalls die Möglichkeit offen, sich eines Nachunternehmers zu bedienen oder eine Bietergemeinschaft zu bilden. Zudem kommt der Antragsgegnerin ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu, wie sie die Mindestanforderung neu fassen möchte. Zwar hat sie die Rechtsauffassung des Senats zu beachten; dies schließt aber eine deutlich umfassendere Neugestaltung nicht aus. Insbesondere ist die vorliegende Situation gerade nicht mit der Fallkonstellation vergleichbar, in der zwar eine Rechtsverletzung festzustellen ist, das Angebot des Antragstellers aber aus anderen Gründen ohnehin vom Vergabeverfahren auszuschließen wäre und somit keinerlei Chancen auf den Zuschlag hätte.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer sowie die zur Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragstellers folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 GWB. Danach trifft denjenigen die Kostenlast, der im Verfahren unterliegt. Für die Frage, ob ein Antragsteller vollständig oder teilweise obsiegt, kommt es nicht darauf an, ob er mit sämtlichen geltend gemachten Rügen durchzudringen vermag, sondern ob er bei wertender Betrachtung das Ziel seines Nachprüfungsantrags erreicht (vgl. Krohn in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Band 1, GWB § 182 Rn. 13 f.; von Werder in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, GWB § 182 Rn. 6 ff.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Antragsgegnerin die Kosten insgesamt zu tragen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Antragsteller mit seinen Beanstandungen nicht vollständig durchdringt. Weder ist die vom Antragsteller gewünschte Losaufteilung erforderlich, noch ist die Forderung nach einer Referenz von Projektsteuerungsleistungen im Rahmen der Neugestaltung einer Ausstellung per se unzulässig, wie der Antragsteller meint. Indessen ist das Verfahren von der Antragsgegnerin dennoch (bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats) in den Stand vor der Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen, was dem Antragsteller letztlich die Möglichkeit einer Beteiligung - gegebenenfalls unter Einbeziehung eines Nachunternehmers - eröffnet.
Einer Entscheidung, ob die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsteller im Verfahren vor der Vergabekammer erforderlich war, bedarf es nicht, da der Antragsteller erst im Beschwerdeverfahren durch eine externe Anwaltskanzlei vertreten wurde. Bei den unter Ziffer 3 des Tenors im Beschluss der Vergabekammer festgesetzten Gebühren hat es sein Bewenden.
Für das Beschwerdeverfahren bemisst sich die Entscheidung über die Tragung der Kosten und die notwendigen Auslagen des Antragstellers nach § 175 Abs. 2, § 71 Satz 1 GWB. Aus den oben dargestellten Erwägungen entspricht es der Billigkeit, der Antragsgegnerin auch für das Beschwerdeverfahren die Pflicht zur Tragung der Gerichtskosten und der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragstellers aufzuerlegen.
4. Für den Streitwert war mangels Angebot des Antragstellers vom voraussichtlichen Auftragswert nach dem Vergabevermerk der Antragsgegnerin auszugehen. Gemäß § 50 Abs. 2 GKG war damit der Streitwert, wie in der mündlichen Verhandlung im Einvernehmen mit den Beteiligten erörtert, auf bis zu 380.000,00 Euro festzusetzen.
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1 | Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 63 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65). |
2 | Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Ambisig - Ambiente e Sistemas de Informação Geográfica SA (im Folgenden: Ambisig) und der Fundação do Desporto wegen deren Entscheidung, Ambisig von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren auszuschließen und den betreffenden Auftrag an die Link Consulting - Tecnologias de Informação SA (im Folgenden: Link) zu vergeben. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht |
3 | Im 84. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 heißt es: "Nach Auffassung vieler Wirtschaftsteilnehmer - und nicht zuletzt der [kleinen und mittleren Unternehmen] - ist eines der Haupthindernisse für ihre Beteiligung an öffentlichen Vergabeverfahren der Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Beibringung einer Vielzahl von Bescheinigungen oder anderen Dokumenten, die die Ausschluss- und Eignungskriterien betreffen. Eine Beschränkung der entsprechenden Anforderungen, beispielsweise durch die Verwendung einer Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung, die aus einer aktualisierten Eigenerklärung besteht, könnte eine erhebliche Vereinfachung zum Nutzen sowohl der öffentlichen Auftraggeber als auch der Wirtschaftsteilnehmer bedeuten. Der Bieter, dem der Zuschlag erteilt werden soll, sollte jedoch die relevanten Nachweise vorlegen müssen; öffentliche Auftraggeber sollten keine Verträge mit Bietern schließen, die dazu nicht in der Lage sind. Öffentliche Auftraggeber sollten auch berechtigt sein, jederzeit sämtliche oder einen Teil der unterstützenden Unterlagen zu verlangen, wenn dies ihrer Ansicht nach zur angemessenen Durchführung des Verfahrens erforderlich ist. Insbesondere könnte dies der Fall sein bei zweistufigen Verfahren - nichtoffenen Verfahren, Verhandlungsverfahren, wettbewerblichen Dialogen und Innovationspartnerschaften -, bei denen die öffentlichen Auftraggeber von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Anzahl der zur Einreichung eines Angebots aufgeforderten Bewerber zu begrenzen. Zu verlangen, dass unterstützende Unterlagen zum Zeitpunkt der Auswahl der einzuladenden Bewerber vorgelegt werden, ließe sich damit begründen, zu vermeiden, dass öffentliche Auftraggeber Bewerber einladen, die sich später in der Vergabestufe als unfähig erweisen, die zusätzlichen Unterlagen einzureichen, und damit geeigneten Bewerbern die Möglichkeit der Teilnahme nehmen. Es sollte ausdrücklich angegeben werden, dass die Einheitliche Europäische Eigenerklärung auch die relevanten Informationen hinsichtlich der Unternehmen, deren Kapazitäten ein Wirtschaftsteilnehmer in Anspruch nimmt, enthalten sollte, so dass die Überprüfung der Informationen über diese Unternehmen zusammen mit der Überprüfung bezüglich des Hauptwirtschaftsteilnehmers und unter den gleichen Voraussetzungen durchgeführt werden kann." |
4 | Art. 57 dieser Richtlinie zählt die verschiedenen Gründe für den Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren auf. |
5 | In Art. 59 ("Einheitliche Europäische Eigenerklärung") der Richtlinie 2014/24 heißt es: "(1) Zum Zeitpunkt der Übermittlung von Teilnahmeanträgen und Angeboten akzeptieren die öffentlichen Auftraggeber die Einheitliche Europäische Eigenerklärung in Form einer aktualisierten Eigenerklärung anstelle von Bescheinigungen von Behörden oder Dritten als vorläufigen Nachweis dafür, dass der jeweilige Wirtschaftsteilnehmer alle nachfolgend genannten Bedingungen erfüllt: a) Er befindet sich in keiner der in Artikel 57 genannten Situationen, in der Wirtschaftsteilnehmer ausgeschlossen werden oder ausgeschlossen werden können; b) er erfüllt die einschlägigen Eignungskriterien nach Artikel 58; c) er erfüllt gegebenenfalls die objektiven Regeln und Kriterien nach Artikel 65. Nimmt der Wirtschaftsteilnehmer die Kapazitäten anderer Unternehmen gemäß Artikel 63 in Anspruch, so muss die Einheitliche Europäische Eigenerklärung auch die [im ersten Unterabsatz] des vorliegenden Absatzes genannten Informationen in Bezug auf diese Unternehmen enthalten. Die Einheitliche Europäische Eigenerklärung besteht aus einer förmlichen Erklärung des Wirtschaftsteilnehmers, dass der jeweilige Ausschlussgrund nicht vorliegt und/oder dass das jeweilige Auswahlkriterium erfüllt ist, und enthält die einschlägigen vom öffentlichen Auftraggeber verlangten Informationen. Ferner sind darin der öffentliche Auftraggeber oder der für die Ausstellung der zusätzlichen Unterlagen zuständige Dritte genannt und es ist darin eine förmliche Erklärung enthalten, dass der Wirtschaftsteilnehmer in der Lage sein wird, auf Anfrage und unverzüglich diese zusätzlichen Unterlagen beizubringen. ... (4) Ein öffentlicher Auftraggeber kann Bieter und Bewerber jederzeit während des Verfahrens auffordern, sämtliche oder einen Teil der zusätzlichen Unterlagen beizubringen, wenn dies zur angemessenen Durchführung des Verfahrens erforderlich ist. Vor der Auftragsvergabe fordert der öffentliche Auftraggeber - außer in Bezug auf Aufträge, die auf Rahmenvereinbarungen beruhen, sofern diese Aufträge gemäß Artikel 33 Absatz 3 oder Artikel 33 Absatz 4 Buchstabe a geschlossen werden - den Bieter, an den er den Auftrag vergeben will, auf, aktualisierte zusätzliche Unterlagen gemäß Artikel 60 sowie erforderlichenfalls gemäß Artikel 62 beizubringen. Der öffentliche Auftraggeber kann Wirtschaftsteilnehmer auffordern, die gemäß den Artikeln 60 und 62 erhaltenen Bescheinigungen zu vervollständigen oder zu erläutern. (5) Ungeachtet des Absatzes 4 müssen Wirtschaftsteilnehmer keine zusätzlichen Unterlagen oder sonstigen dokumentarischen Nachweise vorlegen, sofern und soweit der öffentliche Auftraggeber die Bescheinigungen oder die einschlägigen Informationen direkt über eine gebührenfreie nationale Datenbank in einem Mitgliedstaat, z. B. ein nationales Vergaberegister, eine virtuelle Unternehmensakte (Virtual Company Dossier), ein elektronisches Dokumentenablagesystem oder ein Präqualifikationssystem, erhalten kann. ..." |
6 | Art. 60 ("Nachweise") Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt: "Die öffentlichen Auftraggeber können die in den Absätzen 2, 3 und 4 und in Anhang XII genannten Bescheinigungen, Erklärungen und anderen Nachweise als Beleg für das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen gemäß Artikel 57 und für die Erfüllung der Eignungskriterien gemäß Artikel 58 anfordern. Die öffentlichen Auftraggeber verlangen keine weiteren Nachweise als die in diesem Artikel und in Artikel 62 genannten. Die Wirtschaftsteilnehmer können sich in Bezug auf Artikel 63 auf alle geeigneten Mittel stützen, um dem öffentlichen Auftraggeber nachzuweisen, dass sie über die erforderlichen Ressourcen verfügen werden." |
7 | Art. 63 ("Inanspruchnahme der Kapazitäten anderer Unternehmen") der Richtlinie 2014/24 lautet: "(1) In Bezug auf die Kriterien für die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit gemäß Artikel 58 Absatz 3 und die Kriterien für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit gemäß Artikel 58 Absatz 4 kann ein Wirtschaftsteilnehmer gegebenenfalls für einen bestimmten Auftrag die Kapazitäten anderer Unternehmen - ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen - in Anspruch nehmen. In Bezug auf die Kriterien für Ausbildungsnachweise und Bescheinigungen über die berufliche Befähigung gemäß Anhang XII Teil II Buchstabe f oder für die einschlägige berufliche Erfahrung können die Wirtschaftsteilnehmer jedoch nur die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch nehmen, wenn diese die Arbeiten ausführen beziehungsweise die Dienstleistungen erbringen, für die diese Kapazitäten benötigt werden. Beabsichtigt ein Wirtschaftsteilnehmer, die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch zu nehmen, so weist er dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber nach, dass ihm die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen werden, indem er beispielsweise die diesbezüglichen verpflichtenden Zusagen dieser Unternehmen vorlegt. Der öffentliche Auftraggeber überprüft gemäß den Artikeln 59, 60 und 61, ob die Unternehmen, deren Kapazitäten der Wirtschaftsteilnehmer in Anspruch nehmen möchte, die entsprechenden Eignungskriterien erfüllen und ob Ausschlussgründe gemäß Artikel 57 vorliegen. Der öffentliche Auftraggeber schreibt vor, dass der Wirtschaftsteilnehmer ein Unternehmen, das ein einschlägiges Eignungskriterium nicht erfüllt oder bei dem zwingende Ausschlussgründe vorliegen, ersetzt. Der öffentliche Auftraggeber kann vorschreiben, oder ihm kann durch den Mitgliedstaat vorgeschrieben werden, vorzuschreiben, dass der Wirtschaftsteilnehmer ein Unternehmen, bei dem nicht-zwingende Ausschlussgründe vorliegen, ersetzt. Nimmt ein Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf Kriterien für die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch, so kann der öffentliche Auftraggeber vorschreiben, dass der Wirtschaftsteilnehmer und diese Unternehmen gemeinsam für die Auftragsausführung haften. Unter denselben Voraussetzungen können Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern nach Artikel 19 Absatz 2 die Kapazitäten von Mitgliedern der Gruppe oder von anderen Unternehmen in Anspruch nehmen. (2) Die öffentlichen Auftraggeber können im Falle von Bauaufträgen, Dienstleistungsaufträgen sowie Verlege- oder Installationsarbeiten im Zusammenhang mit einem Lieferauftrag vorschreiben, dass bestimmte kritische Aufgaben direkt vom Bieter selbst oder - wenn der Bieter einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern gemäß Artikel 19 Absatz 2 angehört - von einem Gruppenteilnehmer ausgeführt werden." Portugiesisches Recht |
8 | Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, müssen nach Art. 77 Abs. 2 Buchst. a und c in Verbindung mit den Art. 81, 92 und 93 des Código dos Contratos Públicos (Gesetzbuch über öffentliche Aufträge, im Folgenden: CCP) dann, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer für die Ausführung der ausgeschriebenen Dienstleistung die Kapazitäten eines Dritten in Anspruch nimmt, sowohl die Unterlagen über die Befähigung dieses Dritten als auch die Vorlage seiner verpflichtenden Zusage erst nach der Auftragsvergabe verlangt werden, sofern die Auftragsbekanntmachung nichts Gegenteiliges bestimmt. Folglich besteht die Verpflichtung, diese vorzulegen, nur im Rahmen nichtoffener Verfahren mit Vorauswahl nach Art. 168 Abs. 4 CCP bereits bei Angebotsabgabe. Ausgangsverfahren und Vorlagefrage |
9 | Aus dem Rechtsmittelvorbringen von Ambisig, wie es im Vorabentscheidungsersuchen wiedergegeben ist, ergibt sich, dass die Fundação do Desporto ein Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge organisiert hatte. Der betreffende Auftrag wurde an Link vergeben. |
10 | Ambisig erhob beim Tribunal Administrativo e Fiscal de Leiria (Verwaltungs- und Finanzgericht Leiria, Portugal) eine verwaltungsgerichtliche Klage im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe, mit der sie sowohl ihren Ausschluss von dem Vergabeverfahren als auch die Auftragsvergabe an Link anfocht. |
11 | Ambisig warf der Fundação do Desporto im Wesentlichen vor, diese habe ihr Angebot als Gruppenangebot betrachtet, obwohl Ambisig vielmehr beabsichtigt habe, einen Unterauftragnehmer einzusetzen, und deshalb nicht gehalten gewesen sei, ihrem Angebot eine verpflichtende Zusage dieses Unterauftragnehmers beizufügen. Ambisig vertritt in dieser Hinsicht die Auffassung, die entsprechende Anwendung von Art. 168 Abs. 4 CCP, der Art. 63 der Richtlinie 2014/24 in portugiesisches Recht umsetze, auf das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vergabeverfahren sei rechtswidrig, ihr Ausschluss von der Teilnahme an diesem Verfahren auf der Grundlage von Art. 70 Abs. 2 Buchst. a und b CCP sei rechtsfehlerhaft. |
12 | Mit Urteil vom 28. September 2021 wies das Tribunal Administrativo e Fiscal de Leiria (Verwaltungs- und Finanzgericht Leiria) die Klage von Ambisig ab. Nach seiner Auffassung war zwar das Erfordernis einer verpflichtenden Zusage Dritter nicht ausdrücklich in der Auftragsbekanntmachung vorgesehen und es handelte sich um eine Bedingung der Auftragsausführung, die folglich nach der Auftragsvergabe erfüllt werden konnte. Die Vergabe eines Unterauftrags falle jedoch in den Anwendungsbereich von Ziff. 12 der Vergabebedingungen, wonach die Vergabe von Unteraufträgen der vorherigen Genehmigung des öffentlichen Auftraggebers bedarf. Die unterbliebene Vorlage dieser Vorabgenehmigung habe daher einen Grund für den Ausschluss der betroffenen Wirtschaftsteilnehmerin von dem Vergabeverfahren dargestellt. Der Ausschluss folge ferner auch aus der entsprechenden Anwendung von Art. 168 Abs. 4 CCP. |
13 | Dieses Urteil wurde in zweiter Instanz mit Urteil des Tribunal Central Administrativo Sul (Zentrales Verwaltungsgericht Süd, Portugal) vom 3. Februar 2022 bestätigt. Dieses Gericht wies darauf hin, dass die Vergabe von Unteraufträgen gemäß Ziff. 12 der Vergabebedingungen der vorherigen Genehmigung des öffentlichen Auftraggebers bedürfe und die Vorlage der Unterlagen über die Befähigung des potenziellen Unterauftragnehmers eine unerlässliche Voraussetzung dafür darstelle, dem Wirtschaftsteilnehmer diese Genehmigung zu erteilen. |
14 | Ambisig, die dieses Urteil in dreierlei Hinsicht für fehlerhaft hält, legte hiergegen ein Rechtsmittel beim Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht, Portugal) ein. Erstens dürfe die Vorlage von Unterlagen über die Befähigung des Dritten nicht verlangt werden, weil sie sich weder aus der Auftragsbekanntmachung noch aus dem CCP ergebe, denn Art. 168 Abs. 4 CCP sei im Ausgangsverfahren nicht anwendbar. Zweitens sei Ziff. 12 der Vergabebedingungen im Rahmen der vorvertraglichen Phase des im Streit stehenden Vergabeverfahrens nicht anwendbar. Drittens verpflichte Art. 63 der Richtlinie 2014/24 den Bieter nicht, bereits bei Angebotsabgabe eine verpflichtende Zusage des Unterauftragnehmers beizufügen. |
15 | Das Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht) verweist auf den Sachverhalt, wie er im Urteil vom 3. Februar 2022 festgestellt wurde, wobei die Sachverhaltsdarstellung gemäß Art. 663 Abs. 6 des Código de Processo Civil (Zivilprozessordnung) als vollständig wiedergegeben gilt, und hält auf dieser Grundlage die ersten beiden in der vorstehenden Randnummer genannten Rügen von Ambisig für begründet. |
16 | Zu entscheiden bleibe mithin noch, ob dann, wenn ein Bieter im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge einen Dritten präsentiert, dessen technische Leistungsfähigkeit er für die Ausführung eines Teils des öffentlichen Auftrags in Anspruch nehmen möchte, aus Art. 63 der Richtlinie 2014/24 die Verpflichtung des Bieters folgt, zusammen mit seinem Angebot die Unterlagen über die Befähigung dieses Dritten und dessen bindende Erklärung, sich zur Ausführung des von ihm zu übernehmenden Auftragsteils zu verpflichten, vorzulegen. |
17 | Das Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht) hat das Verfahren daher ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Steht die Lösung des nationalen Rechts, wonach in Vergabeverfahren, bei denen für die Ausführung der Leistung die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch genommen werden, sowohl die Unterlagen über die Befähigung des Unterauftragnehmers als auch die Vorlage einer verpflichtenden Zusage des Unterauftragnehmers erst nach der Auftragsvergabe verlangt werden müssen, mit dem Unionsrecht, insbesondere mit Art. 63 der Richtlinie 2014/24, im Einklang? Zum Antrag auf Durchführung eines beschleunigten Verfahrens |
18 | Das vorlegende Gericht hat beantragt, das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen dem beschleunigten Verfahren nach Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu unterwerfen. |
19 | Angesichts der Entscheidung des Gerichtshofs, nach Art. 99 der Verfahrensordnung durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, erübrigt sich jedoch eine Entscheidung über diesen Antrag (Beschluss vom 17. Mai 2022, Estaleiros Navais de Peniche, C-787/21, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:414, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zur Vorlagefrage |
20 | Nach Art. 99 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn die Antwort auf eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder wenn die Beantwortung dieser Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden. |
21 | Diese Bestimmung ist in der vorliegenden Rechtssache anzuwenden. |
22 | Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 63 der Richtlinie 2014/24 in Verbindung mit dem 84. Erwägungsgrund dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, nach der ein Wirtschaftsteilnehmer, der für die Ausführung eines öffentlichen Auftrags die Kapazitäten eines anderen Unternehmens in Anspruch nehmen möchte, die Unterlagen über die Befähigung dieses Unternehmens und dessen verpflichtende Zusage erst nach der Auftragsvergabe einreichen muss. |
23 | Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Art. 63 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 das Recht eines Wirtschaftsteilnehmers vorsieht, für einen bestimmten Auftrag die Kapazitäten anderer Unternehmen - ungeachtet des Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden rechtlichen Beziehungen - in Anspruch zu nehmen, um sowohl die in Art. 58 Abs. 3 der Richtlinie genannten Kriterien zur wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit als auch die in Art. 58 Abs. 4 der Richtlinie genannten Kriterien zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit zu erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Oktober 2013, Swm Costruzioni 2 und Mannocchi Luigino, C-94/12, EU:C:2013:646, Rn. 29 und 33, sowie vom 7. September 2021, Klaip?dos regiono atliek? tvarkymo centras, C-927/19, EU:C:2021:700, Rn. 150). |
24 | Ein Wirtschaftsteilnehmer, der von diesem Recht Gebrauch machen möchte, kann sich nach Art. 60 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2014/24 auf alle geeigneten Mittel stützen, um dem öffentlichen Auftraggeber nachzuweisen, dass er über die erforderlichen Ressourcen verfügen wird. In dieser Hinsicht nennt Art. 63 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie beispielhaft die Möglichkeit, zu diesem Zweck verpflichtende Zusagen dieser Unternehmen vorzulegen. Der Wirtschaftsteilnehmer kann nach Art. 59 Abs. 1 Unterabs. 2 und 3 der Richtlinie unter Beachtung des dritten Absatzes ihres 84. Erwägungsgrundes bei Einreichung seines Teilnahmeantrags oder seines Angebots auch eine Einheitliche Europäische Eigenerklärung übermitteln, mit der er insbesondere bestätigt, dass sich weder er selbst noch eines der Unternehmen, deren Kapazitäten er in Anspruch nehmen möchte, in einer der in Art. 57 der Richtlinie genannten Situationen befindet, in der Wirtschaftsteilnehmer ausgeschlossen werden oder ausgeschlossen werden können, und dass die jeweiligen Eignungskriterien erfüllt sind. In jedem Fall muss ein Wirtschaftsteilnehmer, der die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch nehmen möchte, dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber nachweisen, dass ihm die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen werden, um die in Art. 58 der Richtlinie 2014/24 genannten Eignungskriterien zu erfüllen. |
25 | Daher obliegt dem öffentlichen Auftraggeber nach Art. 63 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2014/24 erstens die Prüfung, ob die Unternehmen, deren Kapazitäten der Wirtschaftsteilnehmer in Anspruch nehmen möchte, die einschlägigen Eignungskriterien gemäß den Art. 59 bis 61 der Richtlinie erfüllen, und zweitens, ob hinsichtlich dieser Unternehmen in Art. 57 der Richtlinie genannte Ausschlussgründe vorliegen. |
26 | Diese Prüfung muss der öffentliche Auftraggeber vor der Auftragsvergabe vornehmen können. Hierzu heißt es im zweiten und dritten Absatz des 84. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2014/24, der insoweit Aufschluss über die Reichweite von Art. 63 der Richtlinie gibt, ausdrücklich, zu verlangen, dass unterstützende Unterlagen zum Zeitpunkt der Auswahl der einzuladenden Bewerber vorgelegt werden, ließe sich damit begründen, zu vermeiden, dass öffentliche Auftraggeber Bewerber einladen, die sich später in der Vergabestufe als unfähig erweisen, die zusätzlichen Unterlagen einzureichen, und damit geeigneten Bewerbern die Möglichkeit der Teilnahme nehmen. |
27 | Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass Art. 63 der Richtlinie 2014/24 in Verbindung mit Art. 59 und dem 84. Erwägungsgrund der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, nach der ein Wirtschaftsteilnehmer, der für die Ausführung eines öffentlichen Auftrags die Kapazitäten eines anderen Unternehmens in Anspruch nehmen möchte, die Unterlagen über die Befähigung dieses Unternehmens und dessen verpflichtende Zusage erst nach der Auftragsvergabe einreichen muss. Kosten |
28 | Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt: Art. 63 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in Verbindung mit Art. 59 und dem 84. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24/EU ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, nach der ein Wirtschaftsteilnehmer, der für die Ausführung eines öffentlichen Auftrags die Kapazitäten eines anderen Unternehmens in Anspruch nehmen möchte, die Unterlagen über die Befähigung dieses Unternehmens und dessen verpflichtende Zusage erst nach der Auftragsvergabe einreichen muss. |
Verzug und/oder Mängel bei früherem Auftrag sind ein Ausschlussgr...
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VK Bund
Beschluss
vom 17.08.2023
VK 2-56/23
1. Der öffentliche Auftraggeber kann ein Bieterunternehmen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen kann, wenn es eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt und dies u. a. zu einer vorzeitigen Beendigung geführt hat.
2. Eine wesentliche Anforderung wird u. a. bei Nichtleistung sowie bei erheblichen Mängeln der ausgeführten Bauleistung, die sie für den beabsichtigten Zweck unbrauchbar machen, nicht erfüllt.
In dem Nachprüfungsverfahren der
[
]
wegen der Vergabe [
],
hat die 2. Vergabekammer des Bundes durch [
] auf die mündliche Verhandlung vom 10. August 2023 am 17. August 2023
beschlossen:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin.
3. Die Zuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin war erforderlich.
Gründe:
I.
1. Die Antragsgegnerin (Ag) veröffentlichte am [
] eine unionsweite Auftragsbekanntmachung für ein offenes Verfahren zur Beschaffung von Wärmedämmarbeiten an mehreren Wohngebäuden. [
].
Einziges Zuschlagskriterium ist [
] der Preis.
Der hiesigen Ausschreibung vorausgegangen waren zwei in separaten Vergabeverfahren an die Antragstellerin (ASt) vergebene Aufträge. Die mit der ASt geschlossenen Verträge wurden von der Ag allerdings wie folgt außerordentlich gekündigt:
- Vertrag betr. [
] Wärmedämmverbundsystem, gekündigt durch die Ag am 31. März 2023 unter Berufung auf Leistungsverzug der ASt nach § 5 Abs. 4 VOB/B;
- Vertrag betr. [
] Innenputzarbeiten, gekündigt durch die Ag am 9. Mai 2023 unter Berufung auf mangelhafte/vertragswidrige Leistung nach § 4 Abs. 7 oder 8 VOB/B.
Die ASt widersprach diesen Kündigungen jeweils.
Die besonderen Vertragsbedingungen, die den Vergabeunterlagen der vorangegangenen Aufträge zugrunde lagen, enthielten u.a. folgende Regelung:
"Der Auftragnehmer hat zu den Baustellenbesprechungen, die der Auftraggeber regelmäßig durchführt, einen geeigneten Vertreter zu entsenden. Die Besprechungen finden jeweils wöchentlich und nach Bedarf statt."
Der Kündigung des Vertrages betreffend die Wärmedämmverbundarbeiten ging der folgende Sachverhalt voraus, wobei hier insbesondere nicht sämtliche zwischen den Beteiligten gewechselten Schreiben aufgeführt sind:
Die Ausführungsfristen für die ersten Häuser begannen am 11. Oktober 2022. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2022 gab die ASt eine Bedenkenanmeldung wegen der Schlagregendichtigkeit der Fensterbänke ab, mit weiterem Schreiben vom selben Tag dann eine Behinderungsanzeige. Am 14. Oktober 2022 wies die Ag Behinderungsanzeige und Bedenkenanmeldung zurück und mahnte den Beginn der Dämmarbeiten an den beiden ersten Häusern an. Diese wurden daraufhin begonnen, jedoch nicht zu Ende geführt. An zwei weiteren Häusern wurde mit der Fassade nicht begonnen, jedoch die [
] zu 95% fertiggestellt. An weiteren zwei Häusern wurde weder an der Fassade noch in der [
] mit der Arbeit begonnen.
Die ASt bemängelte insbesondere, dass an den zu dämmenden Gebäuden, ihrer Auffassung nach abweichend von der ursprünglichen Planung, bereits Fensterbänke angebracht seien und ein entsprechender Anschluss des von ihr zu errichtenden Wärmedämmverbundsystems in diesem Bereich geboten sei. Dies erfordere deutlichen Zusatzaufwand. Über die korrekte Ausführung der Dämmarbeiten stritten ASt und Ag auch unter Hinzuziehung von Gutachtern.
Am 9. März 2023 übersandte die Ag der ASt eine Abhilfeaufforderung wegen unzureichender Förderung der Baumaßnahme. Die Arbeiten an den Häusern seien teils nicht fortgeführt, teils auch gar nicht begonnen worden, obwohl die Außentemperaturen dies zugelassen hätten. Abhilfe werde bis spätestens zum 13. März 2023 erwartet.
Die ASt forderte daraufhin eine geänderte Ausführungsplanung hinsichtlich der ausgeführten Probeflächen, damit sie in der Lage sei, ein entsprechendes Nachtragsangebot auszuarbeiten.
Mit Schreiben vom 14. März 2023 mahnte die Ag die ASt. Die Baustelle sei nicht besetzt, die Ausführung der Leistung werde nicht fortgesetzt bzw. begonnen. Unter Androhung der Vertragskündigung wurde eine Nachfrist bis spätestens zum 20. März 2023 gesetzt, um der Abhilfeaufforderung nachzukommen.
Die Ag übersandte der ASt am 20. März 2023 ein Nachtrags-Leistungsverzeichnis, welches Modifikationen im Bereich der Dämmarbeiten an Fensterbänken bzw. Gesimsblechen enthielt. Die ASt sollte zu diesem bis zum 27. März 2023 ein Angebot abgeben, was sie im weiteren Verlauf auch tat. In einem Schreiben der Ag an die Verfahrensbevollmächtigten der ASt ebenfalls vom 20. März 2023 hieß es u.a. weiter:
"in vorbezeichneter Angelegenheit übersenden wir Ihnen unsere heutige E-Mail an die [ASt] nebst der gewünschten Pläne und dem gewünschten Nachtrags-LV zur Kenntnisnahme. Wir ordnen an, die dort beschriebene Leistung zu erbringen. Die dafür erforderlichen Mehrkosten werden wir vergüten."
Weiter wurde ausgeführt, dass, unabhängig vom jetzt vorgelegten Nachtragsleistungsverzeichnis, auch die bisherige Planung schon mangelfrei gewesen sei und daher kein Leistungsverweigerungsrecht der ASt bestanden habe. Auch sei die ASt mit der Leistungserbringung in Verzug.
"Es ist nicht ersichtlich, warum Ihre Partei nicht auf der Baustelle arbeitet. Selbst wenn noch Details in Abstimmung waren, hätte Ihre Partei beispielsweise schon längst mit den beauftragten Leistungen
1. Untergrundvorbereitung
2. Sockeldämmung
3. [
]
4. Balkonaußenseiten einschließlich Bewegungsfugenprofil
5. [
]
6. Mineralwolledämmung in allen Erdgeschossen
7. Dämmung [
], arbeiten können.
Mithin haben wir Zweifel an der Leistungsfähigkeit Ihrer Partei. Fehlt es der [ASt] an Personal oder ist dieses noch auf anderen Baustellen gebunden?
Wir fordern Ihre Partei hiermit nochmals auf, die beauftragten Arbeiten unverzüglich zu beginnen bzw. fortzuführen und die Baustelle spätestens bis zum 27.03.2023 angemessen zu besetzen.
Wir behalten uns die Geltendmachung von Verzugskosten ausdrücklich vor. [
]
Wir weisen außerdem darauf hin, dass Ihre Partei im Fall des fruchtlosen Ablaufs der vorgenannten Frist mit der Kündigung des Vertrags nach § 8 Absatz 3 in Verbindung mit § 5 Absatz 4 VOB/B rechnen muss.
4. Verstoß gegen Kooperationspflichten
Wir mussten feststellen, dass Ihre Partei zuletzt bei telefonischen Anfragen für uns nicht erreichbar war. Mitarbeiter der [ASt] teilten mit, dass sie nicht berechtigt seien Auskünfte zu erteilen. Mithin verweigerte Ihre Partei auch den Kontakt zu unseren Bauleitern. Die wöchentliche Abstimmung der Feintermine - wie im Aufklärungsgespräch am 09.08.22 vereinbart -, werden von Ihrer Partei nicht eingehalten. Ihre Partei verstößt gegen ihre verträglichen Nebenpflichten. Wir fordern ihre Partei hiermit auf, ab sofort die wöchentlichen Abstimmungstermine mit unseren Bauleitern vertragsgemäß einzuhalten und als kooperativer Vertragsparther für uns und für die von uns eingesetzten Bauleiter erreichbar zu sein. Wir setzen Ihrer Partei hiermit eine Frist zur Abhilfe bis zum 03.04.2023."
Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 24. März 2023 teilte die ASt mit, dass die Planungen weiterhin fehlerhaft seien, auf Wunsch aber dennoch umgesetzt würden.
Am 27. März 2023 erinnerte die Ag die ASt per E-Mail an die wöchentlichen Jour fixe-Termine.
Die Teilnahme der ASt werde erwartet. Diese antwortete am 28. März 2023:
"da die Ausführung derzeit nach wie vor im Klärungsprozess ist derzeit eine Teilnahme am jour-fixe nicht erforderlich. Natürlich werden wir wie gewohnt teilnehmen sobald dies angebracht ist."
Am 30. März übermittelte die ASt das bepreiste Nachtragsangebot an die Ag.
Am 31. März 2023 kündigte die Ag den Vertrag über die Wärmedämmarbeiten außerordentlich.
Der Sachverhalt betreffend die Kündigung des Vertrages der ASt hinsichtlich der Innenputzarbeiten stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:
Die Kündigung erfolgte am 9. Mai 2023. Dem vorangegangen waren u.a. eine Behinderungsanzeige der ASt wegen angeblich fehlender Treppenbeläge, die von der Ag zurückgewiesen worden war. Weiter bestanden Streitigkeiten zwischen Ag und ASt über die Frage, ob die ASt fehlerhaft in einzelnen der Häuser eine Eckschutzschiene statt einer Putzabschlussschiene eingesetzt habe, wohingegen die ASt der Ansicht war, dass das fragliche Detail aus den Planunterlagen nicht ersichtlich sei und insoweit auch kein Fehler der ASt vorliege. Die ASt reichte hinsichtlich der angeblich fehlenden Planunterlagen am 3. Mai 2023 Behinderungsanzeige ein.
Das hier streitgegenständliche Vergabeverfahren betrifft die erneute Vergabe der Wärmedämmarbeiten.
Die ASt gab im streitgegenständlichen Vergabeverfahren ein Angebot ab und rangierte gemäß der Mitteilung des Ausschreibungsergebnisses nach Angebotsöffnung am 6. Juni 2023 preislich auf dem ersten Platz. Ein drittes Unternehmen, das preislich zwischen ASt und Beigeladener (Bg) lag, wurde ausgeschlossen, weil die von diesem Bieter nachgeforderten Unterlagen nicht fristgerecht eingereicht worden sind. Infolgedessen belegte die Bg Platz zwei der Wertungsrangfolge.
Die ASt reichte mit ihrem Angebot das von der Ag angeforderte Formblatt 124 ein und erklärte dort, es lägen für das Unternehmen der ASt keine Ausschlussgründe gemäß § 6e EU VOB/A vor.
Die Ag teilte der ASt mit Schreiben vom 14. Juni 2023 mit, die Erklärung zum Nichtvorliegen von Ausschlussgründen nach § 6e EU VOB/A sei wegen der Kündigungen der ursprünglichen Aufträge zwischen ihr und der ASt nach Auffassung der Ag falsch. Es sei der Ausschlussgrund nach § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A verwirklicht. Vor diesem Hintergrund hörte die Ag die ASt zur Frage einer Selbstreinigung im Hinblick auf die von der Ag vorgebrachten Kündigungsgründe an. Die ASt antwortete der Ag fristgemäß mit Schreiben vom 20. Juni 2023, es gebe von ihrer Seite keine Schlechtleistungen, die Kündigungen seien unbegründet, es bestehe daher kein Bedarf für eine Selbstreinigung der ASt.
Die Ag dokumentierte in einem Vermerk vom 26. Juni 2023 den ihrer Ansicht nach den Kündigungen zugrunde liegenden Sachverhalt und prognostizierte, die ASt habe in den gekündigten Vertragsverhältnissen gezeigt, dass sie für die im streitgegenständlichen Vergabeverfahren erneut ausgeschriebenen Leistungen nicht leistungsfähig und offensichtlich leistungsunwillig sei. Eine nochmalige Zusammenarbeit mit der ASt sei der Ag daher nicht zuzumuten. Die ASt habe die ihr eingeräumte Möglichkeit zur Selbstreinigung nicht wahrgenommen; sie habe kein Problembewusstsein entwickelt und die Rechtmäßigkeit der außerordentlichen Kündigungen bestritten. Daher sei die ASt nach § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 EU VOB/A von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen.
In einem Vermerk vom 27. Juni 2023 dokumentierte das von der Ag mit der Erarbeitung eines Vergabevorschlags betraute Architektenbüro, es sei nicht davon auszugehen, dass die ASt die ausgeschriebene Leistung in Bezug auf Qualitäten und Termine vertragsgerecht ausführen werde. Es werde von einer Beauftragung der ASt dringend abgeraten und ihr Angebot unter Bezugnahme auf die Prognoseentscheidung der Ag vom 26. Juni 2023 aus der Wertung genommen. Hintergrund seien die Kündigungen der bisherigen Verträge mit der ASt über die nunmehr neu ausgeschriebenen Leistungen. Die wesentlichen Gründe der Kündigung seien zum einen, dass die ASt trotz mehrfacher Aufforderung nicht an wöchentlichen Baubesprechungen teilgenommen habe, so dass Arbeiten nicht mit den anderen vor Ort tätigen Gewerken koordiniert werden könnten. Ferner sei die für die Vermeidung von Schwitzwasserbildung erforderliche Wärmedämmung trotz Aufforderung und entsprechender Witterung nicht montiert worden, so dass für Trocknung und Beheizung hohe Mehrkosten entstanden seien und die nicht gedämmten Gebäude einem erheblichen Schadensrisiko ausgesetzt seien. Zum anderen habe die ASt im Hinblick auf die Innenputzarbeiten einen festgestellten Mangel im Treppenhaus (keine schallschutztechnische Trennung des Innenputzes am Treppengeländer) trotz schriftlicher Aufforderung nicht behoben, so dass in allen Treppenhäusern Zusatzkosten und Bauzeitverzug entstünden.
Mit Vermerken vom 3. und 4. Juli 2023 stellten die intern zuständigen Stellen der Ag fest, dass die ASt nach § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A auszuschließen sei. Das Angebot eines preislich an zweiter Stelle rangierenden Bieters sei auszuschließen, weil dieser Bieter nachgeforderte Unterlagen nicht fristgerecht eingereicht habe. Es sei daher dem drittplatzierten Angebot der Zuschlag zu erteilen.
Die Ag teilte der ASt mit Schreiben vom 6. Juli 2023 gemäß § 134 GWB mit, sie beabsichtige, der Bg den Zuschlag zu erteilen. Die ASt werde ausgeschlossen, weil diese wesentliche Anforderungen bei der Ausführung von öffentlichen Aufträgen erheblich und fortdauernd mangelhaft erfüllt habe. Aus diesem Grund seien die entsprechenden Aufträge für das Wärmedämmverbundsystem und für die Innenputzarbeiten gekündigt worden. Bei dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren handele es sich um die nach der Kündigung erforderliche Neuausschreibung des Wärmedämmverbundsystems. Nach Prüfung der Bewerbung der ASt sehe die Ag keine Anhaltspunkte, die eine ordnungsgemäße und zuverlässige Vertragserfüllung von Seiten der ASt erwarten ließen.
Die ASt rügte ihren Ausschluss mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 12. Juli 2023 gegenüber der Ag. Die von der Ag ausgesprochenen fristlosen Kündigungen seien zumindest hoch streitig und könnten daher keine Grundlage für die Annahme vorangegangener Schlechtleistungen i.S.d. § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A sein.
Die Ag half der Rüge der ASt nicht ab und teilte dies der ASt mit Schreiben vom 13. Juli 2023 mit.
2. Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 14. Juli 2023, eingegangen bei der Vergabekammer und übermittelt an die Ag am gleichen Tag, beantragt die ASt die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
a) Zur Begründung des Nachprüfungsantrags führt die ASt wie folgt aus:
Die ASt hält die Voraussetzungen des § 6e EU Abs. 1 Nr. 7 VOB/A für nicht gegeben. Es fehle bereits daran, dass die ASt keine wesentlichen Anforderungen mangelhaft erfüllt habe, weshalb die von der Ag ausgesprochenen Kündigungen unwirksam seien, die geltend gemachten Kündigungsgründe lägen nicht vor:
- Die ASt habe die Ag ab Februar 2023 darauf hingewiesen, dass die für die Einarbeitung des Wärmedämmverbundsystems im Fensterbereich und insbesondere an den Fensterbänken bzw. den Sonnenschutzelementen erforderliche Ausführungsplanung nicht vorliege bzw. keine sachgerechte Ausführung der Arbeiten möglich sei. Die Errichtung eines Musterelements habe sich lediglich durch die Lieferzusage des Systemherstellers verzögert, nicht durch Verschulden der ASt. Die Ag sei am 8. März 2023 aufgefordert worden, eine aktualisierte Ausführungsplanung und ein zu bepreisendes Nachtragsleistungsverzeichnis für die geänderte Leistung vorzulegen. Mit Schreiben vom 9. März 2023 habe die Ag die ASt aufgefordert, Abhilfe zu schaffen, obwohl das konkrete Leistungssoll weiter unklar gewesen sei. Die ASt habe die Ag daher am 13. März 2023 aufgefordert, entsprechend geänderte Planungsunterlagen zu übermitteln, um ein Nachtragsangebot ausarbeiten zu können. Am 20. März 2023 habe die Ag der ASt diese Planungsunterlagen und ein Nachtragsleistungsverzeichnis übermittelt und die ASt aufgefordert, die Baustelle bis zum 27. März 2023 zu besetzen und die Arbeiten fortzuführen. Die ASt habe der Ag darauf mit Schreiben vom 24. März 2023 mitgeteilt, dass die vorgelegten Planungsunterlagen fehlerhaft seien und dass sie bereit sei, die fehlerhafte Planung umzusetzen, wenn dies durch die Ag angeordnet werde. Das bepreiste Nachtragsangebot habe die Ag am 30. März 2023 übermittelt. Es sei vereinbart worden, die Arbeiten am 3. April 2023 fortzuführen. Die Ag habe das Vertragsverhältnis dann jedoch am 31. März 2023 gekündigt.
- Hinsichtlich der Innenputzarbeiten habe die ASt die Kündigung vom 9. Mai 2023 am 19. Mai 2023 zurückgewiesen. Zum Zeitpunkt der Kündigung seien 95% der Leistung bereits erbracht gewesen, lediglich Restleistungen betr. Filzputz in den Treppenhäusern hätten ausgestanden. Soweit die Ag die Kündigung darauf gestützt habe, die ASt habe in den Treppenhäusern [
] die Leibungskante falsch verputzt und fälschlich eine Eckschutzschiene gesetzt, obwohl aus den Planungsunterlagen eine Abdeckung durch eine Putzabschlussschiene aus Stahlblech ersichtlich gewesen sein solle, hätten insofern keine Planungsunterlagen betreffend den Innenputz im Treppenhausbereich vorgelegen. Die ASt habe die einschlägigen Toleranzen eingehalten. Die von der Ag bemängelte Schallbrücke sei darauf zurückzuführen, dass die im Auftrag der Ag vorproduzierten Abdeckbleche nicht gepasst hätten.
Vor diesem Hintergrund könne nicht von den seitens der Ag in den beiden Kündigungen geltend gemachten vertraglichen Pflichtverletzungen ausgegangen werden, was aber für einen Ausschluss nach § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A bzw. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB erforderlich sei. Es fehle bereits an der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten niedrigeren Anforderung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Pflichtverletzung. Die Ag könne schon nicht aufklären, warum sie trotz des behaupteten Nichtbestehens der von der ASt vorgetragenen Mängel ein Nachtragsleistungsverzeichnis ausgearbeitet und die ASt um Abgabe eines neuen Angebotes aufgefordert habe. Hinsichtlich der Leistungen für das Wärmedämmverbundsystem sei höchst streitig, ob die von der Ag vorgesehene Ausführung mangelfrei möglich sei.
Die Ag habe in der streitgegenständlichen Ausschreibung wesentliche Aspekte, die die ASt im Hinblick auf die ursprünglich vorgesehene Ausführung vorgebracht habe und die von der Ag damals als unzutreffend zurückgewiesen worden seien, im nun neuen Leistungsverzeichnis berücksichtigt. Ursprünglich sollten die Fensterbänke und Fassadengesimsbleche nach Einbau des Wärmedämmverbundsystems eingebaut werden. Dies sei in der neuen Ausschreibung dahin angepasst worden, dass der Einbau der Fensterbänke vor dem Einbau des Wärmedämmverbundsystems erfolgen solle, der Einbau der umlaufenden Fassadengesimsbleche erst nach Einbau des Wärmedämmverbundsystems. Dies belege, dass der ASt für den gekündigten Auftrag keine geeigneten Planungsunterlagen vorgelegen hätten, so dass es ihr auch unmöglich gewesen sei, die von der Ag geforderten Teilleistungen auszuführen, da diese bei einer späteren Montage des Wärmedämmverbundsystems wieder zurückzubauen gewesen wären. Die ASt habe durch Beauftragung eines eigenen Sachverständigen und Einbeziehung des Systemherstellers des Wärmeverbundsystems konstruktiv auf eine Lösung der Situation hingearbeitet.
Die ASt habe ihre Leistungsbereitschaft stets hervorgehoben und mitgeteilt, dass sie den Anordnungen wie zur Vorhaltung entsprechender Arbeitskräfte umgehend nachkomme. Eine entsprechende Beauftragung bzw. Anordnung sei jedoch durch die Ag nicht erfolgt. Die Kündigung durch die Ag wenige Tage nach Erhalt der überarbeiteten Planungsunterlagen sei nicht nachvollziehbar.
Hinsichtlich des gekündigten Vertrags zu den Innenputzarbeiten sei festzustellen, dass zwischen Ag und ASt streitig sei, ob überhaupt eine Schlechtleistung vorliege bzw. ob angesichts des Leistungsstands eine wesentliche Anforderung mangelhaft erfüllt worden sein könne.
Soweit die Ag die Kündigungen auf die unterbliebene Teilnahme der ASt an den Jour fixe-Terminen stütze, habe sie schon nicht dargelegt, an welchen Terminen konkret die ASt unentschuldigt nicht teilgenommen habe und warum es hierdurch zu einer Beeinträchtigung der Kooperation gekommen sein soll. Die Jour fixe-Termine seien aufgrund der Vielzahl der Teilnehmer für eine konkrete Problembesprechung ungeeignet, hier könnten nur die Leistungsstände der einzelnen Arbeiten zum Zwecke der Koordinierung besprochen werden. Zwischen ASt und Ag seien jedoch über einen Zeitraum von mehreren Wochen Gespräche geführt und E-Mails ausgetauscht worden, so dass der ASt keine mangelnde Kommunikation zu unterstellen sei.
Die Vergabeakte sei unvollständig insoweit, als in der Sachverhaltsdarstellung etliche Kontakte zwischen ASt und Ag nicht wiedergegeben würden. Diese unvollständige Sachverhaltsermittlung stelle eine fehlerhafte Ermessensausübung dar. Auch sei die Prognoseentscheidung einzig mit dem Ziel des Ausschlusses der ASt erstellt. Die ASt habe selbst nach den erfolgten Kündigungen noch das Gespräch mit der Ag gesucht, diese habe jedoch das ausdrückliche Leistungsangebot der ASt ignoriert.
Die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten hält die ASt für notwendig. Für die Ag sei jedoch die Hinzuziehung von Bevollmächtigten nicht notwendig. In seinem originären Aufgabenbereich habe sich der Auftraggeber die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse selbst zu beschaffen. Die Ag verfüge vorliegend auch über ein Justiziariat.
Die ASt beantragt,
1. die Ag in Textform über den Antrag auf Nachprüfung gemäß § 169 Abs. 1 GWB zu informieren,
2. die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §§ 160 ff. GWB,
3. der Ag zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Bg zu erteilen,
4. der Ag aufzugeben, den Ausschluss der ASt zurückzunehmen, das Vergabeverfahren in den Zeitpunkt der Angebotswertung zurückzuversetzen und den Antrag bei fortbestehender Beschaffungsabsicht unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu vergeben,
5. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der ASt für notwendig zu erklären,
6. der ASt Einsicht in die Vergabeakte gemäß § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren, sobald diese bei der Vergabekammer eingegangen ist,
7. der Ag die Kosten des Verfahrens sowie die Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung einschließlich der vorprozessualen Anwaltskosten aufzuerlegen.
b) Die Ag beantragt mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 21. Juli 2023:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Akteneinsicht wird versagt.
3. Die ASt trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Ag.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Ag wird für notwendig erklärt.
Die Ag hält den Nachprüfungsantrag für zulässig, aber unbegründet. Der von der Ag geltend gemachte Ausschlussgrund des § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A sei gegeben. Die ASt habe zweimal aufeinanderfolgend in den vorausliegenden gekündigten Vertragsverhältnissen innerhalb kürzester Zeit schlecht geleistet.
Soweit es den gekündigten Vertrag über die Errichtung des Wärmedämmverbundsystems betreffe, habe die ASt über einen Zeitraum von fast einem halben Jahr die Leistung verweigert bzw. diese nur schleppend ausgeführt. Eine von der ASt angebrachte Bedenkenanmeldung sei schon nicht formgerecht gewesen, weil es an der Mitteilung gefehlt habe, welche Konsequenzen aus der Nichtberücksichtigung dieser Bedenken folgen würden. Auch bei der von der ASt angebrachten Behinderungsanzeige habe der Hinweis auf die konkreten Auswirkungen der angeblichen Behinderung gefehlt. Auch habe die Ag diese beiden Anzeigen bereits im Oktober 2022 zurückgewiesen, so dass die ASt zur Leistungserbringung verpflichtet gewesen sei. Im Übrigen hätte die ASt sämtliche anderen Arbeiten, die nicht von ihren Bedenken betroffen gewesen seien, ausführen können, was rund 65 % der geschuldeten Leistung ausgemacht hätte. Auf Gesprächsangebote der Ag habe die ASt nicht oder nur mit wochenlanger Verzögerung reagiert. Die bei einem gemeinsamen Gespräch dann vereinbarte Erstellung einer Musterfassade habe die ASt nur verzögert umgesetzt. Entgegen ihrer Verpflichtung habe die ASt im Jahr 2023 auch nur an einem Jour fixe-Termin teilgenommen und sei auch für die Ag und die örtliche Bauleitung nahezu nie erreichbar gewesen. Die Ag habe mit der ASt Termine außerhalb der Jour fixe-Tage absprechen müssen, was auch nicht immer gelungen sei. Als Folge des Verhaltens der ASt sei mit einer verspäteten Fertigstellung des Bauvorhabens um mindestens 10 Monate zu rechnen, was u.a. zu Mietausfällen, Zusatzkosten für erforderliche Trocknung und Beheizung, längere Standzeiten für das Gerüst und Verzögerungen der Tiefbauten führe. Entgegen der Behauptungen der ASt sei die Planung der Ag fehlerfrei gewesen. Die erfolgten Anpassungen hätten nur der Arbeitserleichterung für die ASt gedient. Während sich die ASt geweigert habe, die Arbeiten auszuführen, seien diese in baugleichen Gebäuden durch einen anderen Auftragnehmer erfolgreich fertiggestellt worden. Die ASt habe wesentliche Anforderungen aus dem Vorauftrag daher erheblich und fortdauernd mangelhaft erfüllt, was die vorzeitige Kündigung rechtfertige. Dass die ASt die Baustelle Anfang Mai 2023 geräumt habe, sei dahin zu verstehen, dass sie etwaige Vorbehalte gegen die ausgesprochene Kündigung nicht weiter aufrechterhalte.
Hinsichtlich des gekündigten Vertrages über die Innenputzarbeiten habe sich die ASt im Leistungsverzug befunden. Die Behinderungsanzeige der ASt habe weitestgehend auf unzutreffenden Behauptungen beruht. Auch habe die ASt ebenfalls in diesem Vertragsverhältnis ihre Pflicht zur Teilnahme an den Jour fixe-Terminen nicht erfüllt. Einer Aufforderung zur Mängelbeseitigung sei die ASt nicht nachgekommen. Soweit die ASt dann Behinderung wegen angeblich fehlender Planunterlagen angemeldet habe, habe die Ag auf das Vorhandensein eindeutiger Unterlagen hingewiesen, wie auch darauf, dass die ASt die entsprechenden Arbeiten in anderen Gebäuden auch korrekt ausgeführt habe. Soweit sich die ASt auf den Standpunkt stelle, dass wesentliche Ausführungsdetails gefehlt hätten, hätte sie Bedenken anmelden müssen und in jedem Fall eine mangelfreie Leistung erbringen müssen. Da sie jedoch anstelle der Putzabschlussschiene eine Eckschutzschiene ausgeführt habe, die eine Schallbrücke erzeuge, liege ein erheblicher Mangel vor, den die ASt auch nach Abhilfeaufforderung nicht beseitigt habe. Dies rechtfertige die außerordentliche Kündigung.
Die ASt habe, gemäß der vorgelegten Übersicht, von den insgesamt 31 Jour fixe-Terminen während der Laufzeit der beiden vorangegangenen Vertragsverhältnisse nur an 9, von der Ag konkret benannten, Terminen teilgenommen.
Bei dem Ausschlussgrund des § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A handele es sich um einen fakultativen Ausschlussgrund, dessen Überprüfung durch die Vergabekammer nur eingeschränkt möglich sei. Soweit in der Dokumentation zur Eignungsprüfung der ASt angegeben sei, dass eine Verfehlung nach § 124 GWB einen zwingenden Ausschlussgrund darstelle, handele es sich um einen Programmierfehler im verwendeten Programm. Die Ag habe ihr Ermessen sachgerecht ausgeübt. Hinsichtlich der ASt liege eine negative Prognose vor, da dieser ausreichend Personal zu fehlen scheine. Bei erneuter Beauftragung sei zu erwarten, dass die Konflikte aus der Vergangenheit seitens der ASt fortgesetzt würden. So habe die ASt insbesondere auch kein Problembewusstsein entwickelt, so dass sie die Frage nach einer Selbstreinigung mit dem bloßen Hinweis, dass aus ihrer Sicht die Kündigungen unwirksam gewesen seien, zurückgewiesen habe. Hinzu komme, dass zwei Kündigungen in kurzem zeitlichem Abstand hätten ausgesprochen werden müssen. Hinsichtlich der Kündigung des ersten Vertrages betreffend die Wärmedämmung sei zu beachten, dass die Diskussion um den richtigen Anschluss der Fenster- und Gesimsbleche völlig untergeordnet sei im Vergleich zu den anderen Arbeiten, die hätten ausgeführt werden können. Die Ag habe sich bei der Entscheidung mit der Nichtteilnahme an den Jour fixe-Terminen befasst und mit dem Stand der Arbeiten an den Gebäuden. Diesbezüglich habe sie den Sachverhalt exakt erfasst.
Die Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Vorliegend gehe es um die Fertigstellung eines großen Bauvorhabens mit [
] Wohnungen. Durch das Verhalten der ASt werde die Fertigstellung um viele Monate verzögert.
c) Mit Beschluss vom 18. Juli 2023 ist die Bg zum Verfahren hinzugezogen worden. Sie hat sich schriftsätzlich nicht zum Nachprüfungsantrag eingelassen und auch an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen.
3. Der ASt ist Akteneinsicht in mit der Ag abgestimmtem Umfang gem. § 165 Abs. 2 GWB gewährt worden. Die Kammer hat den Beteiligten einen rechtlichen Hinweis zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erteilt. In der mündlichen Verhandlung wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten umfassend erörtert. Auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten, die Vergabeakte der Ag, soweit sie der Kammer vorlag, sowie die Verfahrensakte wird Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Insbesondere richtet er sich gegen die Vergabeentscheidung eines dem Bund zuzurechnenden öffentlichen Auftraggebers, wobei der Auftragswert - unter Berücksichtigung der Gesamtbaumaßnahme - auch oberhalb des einschlägigen Schwellenwertes für eine verpflichtende europaweite Bekanntmachung liegt, §§ 98, 99 Nr. 2, § 103 Abs. 1 Abs. 3 S. 1, § 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 159 Nr. 2 GWB, § 1 EU Abs. 1 und 2 VOB/A i.V.m. § 3 VgV.
Die ASt ist auch antragsbefugt i.S.d. § 160 Abs. 2 GWB. Sie hat ein auf Rang 1 der Wertungsreihenfolge liegendes Angebot eingereicht, durch den von der Ag verhängten Angebotsausschluss droht sie jedoch ihre Zuschlagschance zu verlieren.
Den Ausschluss des Angebotes, der der ASt mit Schreiben vom 6. Juli 2023 mitgeteilt worden ist, hat die ASt mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 12. Juli 2023 und damit innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB gerügt. Auch die Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB ist mit dem Nachprüfungsantrag vom 14. Juli 2023 eingehalten.
2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch nicht begründet. Die Ag hat die ASt zu Recht von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen, da sie bei vorangehenden Bauaufträgen erheblich und fortdauernd mangelhaft geleistet hat.
§ 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A bestimmt, dass der öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen kann, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies u.a. zu einer vorzeitigen Beendigung geführt hat. Erwägungsgrund 101 der Richtlinie 2014/24/EU nennt als Beispiele Lieferungs- oder Leistungsausfall sowie erhebliche Defizite der gelieferten Waren oder Dienstleistungen, die sie für den beabsichtigten Zweck unbrauchbar machen. Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der ASt vor.
a) Die ASt hat in den beiden vorangegangenen Aufträgen betreffend die Wärmedämmung bzw. den Innenputz mangelhaft erfüllt.
aa) Hinsichtlich des Vertrages zur Anbringung des Wärmedämmverbundsystems ist die Schlechtleistung zum einen darin zu sehen, dass die ASt die Dämmarbeiten nicht fristgerecht durchgeführt hat. Hierbei muss nicht entscheidend darauf abgestellt werden, ob die Bedenken der ASt gegen die Art der von der Ag vorgesehenen Anbindung der Wärmedämmung in den Fenster- und Gesimsflächen berechtigt waren. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung war letztlich unstreitig, dass es technisch möglich gewesen wäre, unter Außenvorlassen der Bereiche unmittelbar an den Fenstern und Gesimsen jedenfalls die übrigen auftragsgegenständlichen Flächen zu dämmen. Im Schreiben der Ag vom 20. März 2023 sind hier insgesamt 7 weitere Bereiche aufgeführt, die von den geltend gemachten Bedenken der Ag nicht betroffen waren. Laut der Bekanntmachung des hier streitgegenständlichen Dämmauftrages, der ja die im ursprünglichen Auftrag von der ASt zu erbringenden Leistungen enthält, handelt es sich insgesamt um eine Fläche von knapp [
] qm. In der mündlichen Verhandlung führte die ASt aus, dass die streitigen Verarbeitungsschritte eine Fläche von rund [
] qm beträfen. Dies deckt sich in etwa mit der schriftsätzlichen Angabe der Ag, dass rund 65 % der ursprünglich beauftragten Dämmarbeiten nicht von der Behinderungsanzeige der ASt betroffen seien und somit hätten durchgeführt werden können. Die ASt hat diese Arbeiten jedoch nicht vorgenommen, sondern unter Berufung auf die streitigen Punkte letztlich fast keine Leistungen, in jedem Fall deutlich weniger als die wie vorstehend beschrieben möglichen Leistungen erbracht. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die ASt sich insoweit auf den Gesichtspunkt der Unwirtschaftlichkeit berufen, wenn die Arbeiten nicht am Stück von unten nach oben durchgeführt werden könnten, sondern immer wieder Lücken gelassen werden müssten. Dieser Vortrag ist jedoch nicht nur völlig unsubstantiiert geblieben, sondern insbesondere auch vorab der Ag gegenüber nie zur Begründung der unterbliebenen Arbeiten angebracht worden. Da die ASt somit einen Gutteil der Gesamtarbeiten nicht ausgeführt hat, obwohl sie insoweit keine Behinderungsanzeigen etc. geltend gemacht hat, liegt schon hierin eine Pflichtverletzung. Auf den Umstand, dass die Ag die Bedenken- und Behinderungsanzeige der ASt hinsichtlich der Anbindung des Wärmedämmsystems im Bereich der Fensterbänke bereits im Oktober 2022 zurückgewiesen hat und die ASt also auch insoweit die Arbeiten hätte durchführen können, kommt es nicht mehr entscheidend an. Selbst wenn in den trotz der Zurückweisung zwischen Ag und ASt geführten Diskussionen ein jedenfalls implizites Einverständnis der Ag zu sehen sein sollte, die diesbezüglichen Arbeiten vor einer Klärung der fachlichen Fragen nicht durchzuführen, ist spätestens der Darstellung der unabhängig davon durchführbaren Arbeiten im Schreiben der Ag vom 20. März 2023 zu entnehmen, dass diese übrigen Arbeiten in jedem Fall unverzüglich durchzuführen waren, ohne dass die ASt dem nachgekommen wäre.
bb) Ein weiterer Mangel der Leistungen, diesmal bezogen sowohl auf den Auftrag zur Anbringung des Wärmedämmverbundsystems wie auch des Innenputzes, ist darin zu sehen, dass die ASt die überwiegende Anzahl der Jour fixe-Termine nicht wahrgenommen hat. Gemäß der von der Ag erstellen Übersicht, die von der ASt letztlich nicht angegriffen worden ist, waren Vertreter der ASt nur bei 9 von insgesamt 31 Terminen anwesend. Im Jahr 2023 handelte es sich insoweit, bis zur Kündigung des Vertrages über die Wärmedämmarbeiten Ende März, um lediglich einen Jour fixe, an dem die ASt teilnahm. Eine zweite Teilnahme im April 2023 erfolgte sodann im Rahmen der Arbeiten zur Anbringung des Innenputzes. Eine Schlechtleistung i.S.d. § 6e EU abs. 6 Nr. 7 VOB/A kann nicht nur bei Verletzung einer direkt den Vertragsgegenstand ausmachenden Pflicht vorliegen, wie hier insbesondere betreffend die unmittelbaren Wärmedämm- bzw. Putzarbeiten. Auch ein Verstoß gegen den kaufmännischen Teil des Vertrages kann als Schlechtleistung in diesem Sinne eingestuft werden (vgl. EuGH v. 3. Oktober 2019 - C 267/18 sowie OLG Frankfurt v. 3. Mai 2018 - 11 Verg 5/18, jeweils zum ungenehmigten Nachunternehmereinsatz). Vorliegend war die Teilnahme an den wöchentlichen Jour fixe-Besprechungen in den zusätzlichen Vertragsbedingungen ausdrücklich vereinbart. Die Nichtteilnahme an diesen Veranstaltungen stellt damit einen Mangel der Leistung dar. Soweit sich die ASt im Rahmen der mündlichen Verhandlung ohne weitere Substantiierung darauf berufen hat, sie sei den Besprechungen ferngeblieben, wenn entweder das eigene Unternehmen geschlossen gewesen sei oder wegen Schlechtwetters ohnehin keine Arbeiten auf der Baustelle möglich gewesen seien, so gibt schon die vertragliche Verpflichtung zur Teilnahme eine solche Einschränkung nicht her. Die E-Mail der ASt vom 28. März 2023, nach der die Ausführung der (Dämm-)Arbeiten derzeit noch im Klärungsprozess und eine Teilnahme am Jour fixe daher nicht erforderlich sei, spricht im Übrigen auch dagegen, dass die Nichtteilnahme lediglich aufgrund von Betriebsferien oder Schlechtwetter erfolgte. Die Aussage, man werde teilnehmen, sobald dies angebracht sei, dürfte vielmehr so zu verstehen sein, dass die ASt hier auf ihre eigene Einschätzung zur Sinnhaftigkeit der Teilnahme abstellte und diese zum Maßstab einer Teilnahmepflicht machte. Ohne dass es noch darauf ankäme, entspräche ein solches Vorgehen jedenfalls nicht der vertraglichen Verpflichtung der ASt.
b) Die Einschätzung der Ag, dass sich die dargestellte Mangelhaftigkeit der Leistungen auf wesentliche Anforderungen bezog und sowohl erheblich als auch fortdauernd war, ist nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der unterbliebenen Wärmedämmarbeiten, einschließlich der von der Ag in ihrem Schreiben vom 20. März 2023 gegenüber der ASt angemahnten Leistungen, handelt es sich um Hauptleistungspflichten aus dem vorangegangenen Auftrag, was für die Wesentlichkeit der Anforderung spricht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018 -Verg 7/18). Diese wesentliche Anforderung wurde auch erheblich und fortdauernd verletzt. Die Ag legt insoweit nachvollziehbar dar, dass es nicht nur zu Verzögerungen dieser unmittelbaren Dämmarbeiten kam, sondern auch weitere Gewerke auf der Baustelle mit betroffen wurden. So z.B. kam es zu Behinderungen bei Tiefbauarbeiten, für die ein Gerüst, welches für die Dämmarbeiten erforderlich ist, zwischenzeitlich ab- und wieder aufgebaut werden musste. Neben diesen Koordinationsproblemen auf der Baustelle, die auch zu zusätzlichen Vorhaltekosten führen, stützt die Ag ihre Entscheidung insbesondere auch auf die Gefahren, die sich durch Schwitzwasserbildung infolge der unzureichenden Dämmung der Häuser ergeben haben und denen durch Trocknung und Beheizung begegnet werden musste. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Außenarbeiten an den Häusern nunmehr womöglich bis zum Winter nicht fertiggestellt werden können und die Schlechtwetterunterbrechungen so zusätzliche Verzögerungen bewirken werden. Schließlich führt der insgesamt verursachte Verzug der Bauarbeiten auch zu einer späteren Bereitstellung des Wohnraumes und damit auch zu verringerten Mieteinnahmen der Ag. Die insgesamt mehrmonatigen Verzögerungen selbst auch nur derjenigen Arbeiten, die grundsätzlich ohne abschließende Klärung der Verarbeitungsweise an Fensterbänken und Gesimsblechen möglich gewesen wären, sind damit erheblich und aufgrund der zeitlichen Dauer über mehrere Monate auch fortdauernd.
Auch bei der Teilnahme an den Jour fixe-Terminen handelt es sich um eine wesentliche Anforderung beider Voraufträge. Ausschlaggebend ist für das Kriterium der Wesentlichkeit, welche Bedeutung der jeweiligen Anforderung für den öffentlichen Auftraggeber zukommt, mithin wie sich eine mangelhafte Erfüllung für ihn auswirkt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018, a.a.O.). Dies ergibt sich schon aus der expliziten vertraglichen Verpflichtung zur Teilnahme, die die Wichtigkeit der Jour fixes für die Ag hervorhebt. Soweit die ASt im Rahmen der mündlichen Verhandlung von einem gescheiterten Versuch berichtete, Baumaterial anzuliefern, aufgrund der Nichtbefahrbarkeit einer Rampe für den Gabelstapler die Lieferung jedoch nicht durchführen konnte, zeigt auch gerade dieses Beispiel die Relevanz der koordinierenden Besprechungen zwischen den einzelnen Gewerken auf größeren Baustellen und damit die Erheblichkeit der Pflicht, an den Jour fixes teilzunehmen. Die Ag führt nachvollziehbar aus, dass gerade auch in den kritischen Phasen, in denen die ASt die Arbeiten ihrer Auffassung nach nicht erledigen konnte, erhöhter Absprachebedarf bestanden habe. Die Nichtteilnahme an vom Auftraggeber verpflichtend vorgeschriebenen regelmäßigen Jour fixe-Besprechungen, trotz mehrfacher Aufforderungen zur Teilnahme durch die Ag, stellt eine erhebliche Pflichtverletzung dar. Der Erheblichkeit steht dabei nicht entgegen, dass ASt und Ag über die Frage der fachgerechten Anbringung der Dämmstoffe außerhalb der wöchentlichen Baustellenbegehungen in Kontakt standen. Selbst bei Unterstellung des, von der Ag bestrittenen, Vortrags der ASt, nach dem am Jour fixe nur die Baustände der einzelnen Gewerke erhoben würden und für die Diskussion der konkreten Bedenken der ASt keine Zeit gewesen wäre, wirken sich Verzögerungen bei der ASt ersichtlich auch auf andere Gewerke aus. Allein aus diesem Grunde wäre eine Teilnahme an den Besprechungen erforderlich gewesen, um jedenfalls zu Dauer und Umfang der Verspätung Auskunft zu geben. Auch hinsichtlich des zweiten Vorauftrages betreffend den Innenputz hätte auf diesen Besprechungen z.B. die Frage der Ag geklärt werden können, wann die wenigen restlichen Arbeiten zum Abschluss des Auftrages erbracht werden. Der Verpflichtung zur Teilnahme ist die ASt auch über die gesamte Dauer beider Voraufträge und damit fortlaufend nur sehr unregelmäßig nachgekommen.
c) Diese erheblichen Schlechtleistungen haben auch in beiden Voraufträgen zu einer vorzeitigen Beendigung der Aufträge durch fristlose Kündigung von Seiten der Ag geführt. Die ASt hat den Kündigungen jeweils widersprochen. Eine gerichtliche Prüfung, die zur rechtskräftigen Feststellung der Rechtmäßigkeit der Kündigungen geführt hätte, ist bislang nicht erfolgt, jedoch für die Nachprüfung des von der Ag verfügten vergaberechtlichen Ausschlusses nach § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A auch nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass der Auftraggeber von der Schlechterfüllung Gewissheit hat, also eine Überzeugung gewonnen hat, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018 - Verg 7/18).
Hiervon ist auszugehen. Die oben genannten Umstände, nämlich die Nichtvornahme der Dämmarbeiten, einschließlich der von der Ag in ihrem Schreiben vom 20. März 2023 als ausführbar aufgeführten sieben Leistungen, selbst an solchen Stellen, an denen die ASt keine Bedenken angemeldet hatte, wie auch die Nichtteilnahme an den Jour fixes ohne tragfähige Entschuldigung, sind letztlich auch als Ergebnis der mündlichen Verhandlung als unstreitig feststehend anzusehen. Die Beurteilung dieser Umstände als erhebliche und fortdauernde Verletzung wesentlicher Anforderungen der vorangegangen Aufträge steht auch aus Sicht der Vergabekammer entsprechend den vorstehenden Ausführungen nicht ernsthaft in Zweifel.
Soweit die ASt in der mündlichen Verhandlung Zweifel an der Gewissheit der Ag geäußert hat, weil insbesondere ihr Vorbringen zur Nichtteilnahme an den Jour fixes den Kündigungen nicht zugrunde gelegen habe, sondern erst im Zuge des Nachprüfungsverfahrens nachgeschoben worden sei, geht dieser Einwand fehl. Die Ag hat bereits in ihrem Schreiben vom 20. März 2023 die Nichtteilnahme der ASt an den Jour fixes als Verstoß gegen die Kooperationspflicht abgemahnt und die ASt zur Abhilfe aufgefordert. Im Zusammenhang mit der diesem Aspekt vorangegangenen Aufforderung an die ASt, die von der Ag benannten übrigen Leistungen fortzuführen bzw. aufzunehmen und die Baustelle angemessen zu besetzen, hatte die Ag zudem auf die Möglichkeit der Kündigung bei fruchtlosem Ablauf der insoweit gesetzten Frist explizit hingewiesen. Für einen verständigen Empfänger dieses Schreibens war damit ohne Weiteres ersichtlich, dass auch die von der Ag zusätzlich angemahnte unbedingte Erfüllung der vertraglichen Nebenpflichten für den Fortbestand des Auftrags relevant war.
Es ist auch nicht davon auszugehen, der Ag habe die für den Ausschluss nötige Gewissheit gefehlt, weil sie im Schreiben vom 20. März 2023 die ASt einerseits zur Abgabe eines Nachtragsangebots bis zum 27. März 2023 und andererseits die Besetzung der Baustelle bzw. Fortführung/Aufnahme der übrigen Arbeiten binnen derselben Frist gefordert habe. Diese parallelen Anforderungen waren für einen verständigen Empfänger nicht widersprüchlich, sondern unmissverständlich kumulativ zu verstehen. Die Ag hat im Schreiben vom 20. März 2023 explizit darauf hingewiesen, dass bei fruchtlosem Ablauf der Frist für die Besetzung der Baustelle und den Beginn bzw. die Fortführung der benannten sieben Leistungen mit der Kündigung des Vertrages zu rechnen sei. In diesem Zusammenhang hat die Ag zudem darauf hingewiesen, dass sie Zweifel an der Leistungsfähigkeit der ASt habe. Für einen verständigen Empfänger dieser Informationen war damit ohne Weiteres ersichtlich, dass die Ag unabhängig von der Nachtragsthematik entsprechend vorgehen werde, weil sie auf der Grundlage ihrer Darlegungen davon ausging, dass die ASt nicht vertragskonform leiste und ein weiteres Zuwarten nicht akzeptieren werde. Die folgenden Ausführungen im Schreiben vom 20. März 2023 zur bemängelten Nichtteilnahme der ASt an den Jour fixes stützen diesen Eindruck.
d) Die Ag hat bei der Entscheidung über den Ausschluss der ASt ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt.
Der grundsätzlichen Ausübung von Ermessen hinsichtlich der Frage, ob die vorangegangenen Kündigungen zweier Auftragsverhältnisse zum Ausschluss der ASt führen sollen, steht nicht entgegen, dass im von der Ag verwendeten Fragebogen zur Eignungsprüfung im Erläuterungstext zu Ziffer [
] - Schwere Verfehlung gem. § 124 GWB noch der Klammerzusatz "zwingender Ausschlussgrund" angegeben ist. Die Ag hat insoweit erklärt, dass es sich um einen Programmierfehler des Herstellers der entsprechenden Software handelt, die Ag habe hier ihr Ermessen ausgeübt und sei nicht von einem zwingenden Ausschlussgrund ausgegangen.
Entscheidend kann es hier auch nur darauf ankommen, ob sich aus der Vergabeakte dokumentierte Ermessenserwägungen ergeben, nicht hingegen darauf, ob ein vorgegebener Formulartext richtig oder falsch ist. Aus der Vergabeakte lässt sich unmissverständlich entnehmen, dass die Ag hinsichtlich des Ausschlusses der ASt Ermessenserwägungen angestellt hat. So findet sich schon im vorbereitenden Vermerk vom 26. Juni 2023 nicht nur eine ausführliche Sachverhaltsdarstellung und Begründung der Kündigung beider Voraufträge, sondern insbesondere auch eine Prognose zur (nicht) zu erwartenden zukünftigen Vertragserfüllung durch die ASt. Wäre die Ag davon ausgegangen, dass das Vorliegen vorangegangener Vertragskündigungen aufgrund Nichterfüllung wesentlicher Verpflichtungen einen zwingenden Ausschlussgrund darstellt, wären solche weiteren Überlegungen nicht erforderlich gewesen. Auch der weitere Vermerk vom 27. Juni 2023 enthält unter [
] eine (negative) Prognose und rät von der Beauftragung dieses Angebotes ab, was sich bei Annahme eines zwingenden Ausschlussgrundes erübrigen würde. Die beiden abschließenden Vermerke vom 3. und 4. Juli 2023 nehmen jeweils auf die Prognose Bezug und führen Argumente auf, um die Ausschlussentscheidung zu begründen. Insoweit ist sichergestellt, dass die Ag hier eine Entscheidung getroffen hat, ohne fehlerhaft von einer Bindung infolge eines zwingenden Ausschlussgrundes auszugehen. Der von der ASt insoweit behauptete Fehler liegt somit nicht vor.
Das Ermessen ist auch sachgerecht ausgeübt worden. Insbesondere ist nicht deshalb von einer unvollständigen Sachverhaltsermittlung der Ag auszugehen, weil im Vermerk vom 26. Juni 2023 der Sachverhaltsteil nicht sämtliche Kontakte zwischen Ag und ASt aufführt. So betreffen die von der ASt als unberücksichtigt monierten Kontakte den in der Sachverhaltsdarstellung unter "Detailabstimmungen zur zweiten Dichtungsebene" dargestellten Zeitraum. Entscheidend für die Darstellung der Kündigung des ersten Vertragsverhältnisses betreffend die Dämmarbeiten ist in dieser Sachverhaltsdarstellung dann jedoch der unter "Formaler Ablauf bis zur Kündigung" beschriebene Ablauf, der u.a. die Abhilfeaufforderung vom 9. März 2023, die Mahnung vom 14. März 2023 und das Schreiben vom 20. März 2023 enthält, in dem die Ag u.a. ausdrücklich zur Durchführung der übrigen Arbeiten auffordert, die von den Streitigkeiten betreffend die korrekte Anbindung der Dämmung an Fensterbänke und Gesimse nicht betroffen sind. Im Vermerk auf [
] wird dann ausgeführt: "Die wesentlichen Gründe der Kündigung waren, die unberechtigte Leistungsverweigerung (wirksame Behinderungsanzeigen liegen nicht vor) sowie die Weigerung an den wöchentlichen Jour-fixe Terminen teilzunehmen, so dass die Arbeiten nicht mit den anderen vor Ort tätigen Gewerken koordiniert werden konnten." Die Aufzählung weiterer Schreiben der ASt zur Frage der korrekten Anbindung der Dämmung an den nach Ansicht der ASt bestehenden Problemstellen Fensterbänke und Gesimse hätte nichts daran geändert, dass Behinderungsanzeigen jedenfalls hinsichtlich der von der Ag mit Schreiben vom 20. März 2023 nochmals ausdrücklich zusammengestellten übrigen sieben Arbeitsbereichen nicht vorlagen und eine Teilnahme an den Jour fixes nicht wie geschuldet erfolgt ist. Insoweit ist die Sachverhaltsdarstellung in der Vergabeakte sachgemäß.
Auch im Übrigen hat die Ag ihr Ermessen sachgerecht ausgeübt. Die Ag stellt auf die von ihr ausgesprochenen Kündigungen ab und auf unterbliebene Maßnahmen der ASt, die für den jetzt ausgeschriebenen Auftrag eine möglichst reibungslose Durchführung erwarten lassen. Unschädlich ist insoweit, dass die Prognoseentscheidung abwertende Urteile zur ASt enthält wie "nicht leistungsfähig" und "nicht leistungswillig" oder "unzuverlässig". Dies belegt entgegen der Auffassung der ASt nicht, dass die Ag zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung die Ausschlussentscheidung bereits getroffen hatte, sondern begründet vielmehr diese Ausschlussentscheidung. Schließlich hatte die Ag bereits in ihrem Schreiben vom 20. März 2023 Zweifel an der Leistungsfähigkeit der ASt geäußert und dies schlüssig mit den von der Ag aufgeführten übrigen Leistungen begründet, die die ASt habe ausführen können, dies aber nur unzureichend getan habe. Die ASt hatte es nach der hierfür gesetzten Frist bis zum 27. März 2023 in der Hand gehabt, den explizit geäußerten Verdacht der Ag, die ASt sei möglicherweise nicht leistungsfähig, zu zerstreuen, indem sie gemäß der Aufforderung der Ag die Arbeiten aufgenommen bzw. fortgeführt und die Baustelle angemessen besetzt gehabt hätte. Zu Recht hat die Ag auch die Folgen für das Gesamtbauvorhaben, wie längere Standzeiten für Gerüste, Arbeitsunterbrechung im Tiefbau, Vorhaltekosten für z.B. Rollläden, Schadensrisiko für das Gebäude durch Schwitzwasser sowie erhöhte Heizkosten einfließen lassen.
e) Die Entscheidung, die ASt vom Vergabeverfahren auszuschließen, ist unter Berücksichtigung der Schwere der Pflichtverletzung wie auch des Ausmaßes des dadurch verursachten Schadens verhältnismäßig.
Die ASt hat es unterlassen, selbst die "unstreitigen" Arbeiten, gegen deren Durchführung sie keine fachlichen Bedenken angemeldet hat, durchzuführen. Dies trotz mehrfacher Aufforderung der Ag, mit den Arbeiten zu beginnen, wobei die Möglichkeit der ggf. auch nur teilweisen Durchführung ebenfalls ausdrücklich im Raum stand. Die Aufforderung der Ag in ihrem Schreiben vom 20. März 2023, die ASt möge mit den dort genannten sieben Leistungen beginnen bzw. diese fortführen und die Baustelle angemessen besetzen, ließen der ASt entsprechenden Spielraum. Gleichzeitig hat die ASt zusätzliche Möglichkeiten, durch Teilnahme an den Jour fixe-Terminen zu einer Problemlösung zu finden oder jedenfalls die Auswirkungen auf die restlichen Bauarbeiten durch Absprachen hinsichtlich der zu erwartenden Verzögerungen zu minimieren, ohne tragfähige Entschuldigung ausgelassen. Die Ag hatte der ASt im Schreiben vom 20. März 2023 eine zusätzliche Frist bis zum 3. April 2023 gesetzt, um die Teilnahme an den regelmäßigen Jour fixe-Terminen sicherzustellen. Dass die Ag die Mitteilung der ASt in ihrer E-Mail vom 28. März 2023, sie halte bis zur weiteren Klärung eine Teilnahme für nicht erforderlich, als eine Verweigerung der der ASt eingeräumten Abhilfemöglichkeit eingeordnet und im Hinblick auf die Kündigung des Dämmauftrags berücksichtigt hat, ferner vor diesem Hintergrund keine Basis für eine vertrauensvolle und zuverlässige Zusammenarbeit mit der ASt in einem auf das streitgegenständliche Vergabeverfahren zu erteilenden Auftrag sah, ist keine unangemessene Vorgehensweise. Die Auswirkungen des Verhaltens der ASt sind in Bezug auf die gekündigten Voraufträge wie bereits dargestellt erheblich. Die Ag hat vor diesem Hintergrund eine Prognose angestellt, nach der sie nachvollziehbar zu der Einschätzung gelangt, dass der ASt eine hinreichende Zuverlässigkeit fehlt, im hier streitgegenständlichen Auftrag mangel- bzw. verzögerungsfrei zu leisten bzw. mit dem Auftraggeber hinreichend zu kooperieren. Wenn der Auftraggeber - wie hier - keine Gewähr für ein kooperatives Zusammenarbeiten infolge der mit hinreichender Gewissheit bejahten Schlechtleistungen und ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen sieht, ist ein Ausschluss nicht unangemessen. Dies auch unter Berücksichtigung der Folgen einer weiteren Verzögerung der Arbeiten, die von einem gemäß der Prognose als unzuverlässig einzuschätzenden Unternehmen ausgehen könnte. Insoweit hat die Ag in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen dargelegt, dass in angrenzenden sanierungsbedürftigen Altbauten zahlreiche Mieter auf den Umzug in die fertigzustellenden Wohnungen warten. In Anbetracht dieser Umstände erscheint der Ausschluss der ASt auch bei Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses der ASt am Auftrag als verhältnismäßig.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, 2 und 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 VwVfG.
Die Kosten (Gebühren und Auslagen) wie auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Ag sind der ASt aufzuerlegen, da sie im Verfahren unterliegt.
Die Bg hat sich nicht am Verfahren beteiligt und ist damit kein Kostenrisiko eingegangen. Es entspricht daher der Billigkeit, ihr auch keinen Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich ihrer notwendigen Aufwendungen zuzugestehen.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Ag war notwendig. Diese Frage ist nicht schematisch, sondern auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls zu entscheiden. Maßgeblich ist hier, ob die Ag in der Lage gewesen wäre, das für eine sinnvolle Rechtsverteidigung Gebotene gegenüber der Vergabekammer selbst vorzubringen. Hinsichtlich auftragsbezogener Sach- und Rechtsfragen hat sich die Vergabestelle die erforderlichen Rechtskenntnisse zu verschaffen und bedarf daher grundsätzlich keiner anwaltlichen Unterstützung. Vorliegend ist der Ausschluss eines Bieters aufgrund vorheriger Schlechtleistungen zu prüfen. Dabei handelt es sich im Ausgangspunkt um eine Frage, die in jedem Vergabeverfahren auftreten kann und die daher als zum originären Aufgabengebiet einer Vergabestelle zugehörig zu qualifizieren ist. Besonders zu berücksichtigen ist, dass die Ag über ein eigenes Justiziariat verfügt, welches auch die mündliche Verhandlung vor der Vergabekammer begleitet hat. Gleichzeitig ist jedoch zu berücksichtigen, dass für die Prüfung des Ausschlussgrundes des § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A auch außervergaberechtliche Fragestellungen zu beantworten waren, da die Rechtmäßigkeit der beiden vorangegangenen Kündigungen nicht gerichtlich bestätigt war. Erforderlich war für die Ag daher eine Entscheidung in der komplexen Gemengelage von Vergaberecht und Bauvertragsrecht unter Berücksichtigung der für das Vorliegen des Ausschlusstatbestandes erforderlichen Sicherheit hinsichtlich des Vorliegens der Schlechtleistungen. Dies stellt eine besondere Schwierigkeit des vorliegenden Falles dar und rechtfertigt die Zuziehung spezialisierter anwaltlicher Bevollmächtigter. Auch der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit zur ebenfalls anwaltlich vertretenen ASt stützt dieses Ergebnis.
IV.
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OLG Schleswig, Beschluss vom 19.07.2023 - 54 Verg 3/23
Mündliche Kommunikation mit Bietern muss hinreichend dokumentiert...
Mündliche Kommunikation mit Bietern muss hinreichend dokumentiert werden!
VK Sachsen, Beschluss vom 28.07.2023 - 1/SVK/011-23
Rüge "ins Blaue" hinein: Nachprüfungsantrag unzulässig!
Rüge "ins Blaue" hinein: Nachprüfungsantrag unzulässig!
VK Hessen, Beschluss vom 26.06.2023 - 96 e 01.02/23-2023
Ausschreibungsfreie "Schwester-Schwester-Vergabe" nur bei alleini...
Ausschreibungsfreie "Schwester-Schwester-Vergabe" nur bei alleiniger Kontrolle!
OLG Naumburg, Beschluss vom 03.06.2022 - 7 Verg 1/22
Aufhebung der Ausschreibung auch ohne Aufhebungsgrund?
Aufhebung der Ausschreibung auch ohne Aufhebungsgrund?
VK Bund, Beschluss vom 16.02.2023 - VK 1-1/23
Bieterangabe mit Zusatz "oder gleichwertig" führt zum Angebotsaus...
Bieterangabe mit Zusatz "oder gleichwertig" führt zum Angebotsausschluss!
VK Bund, Beschluss vom 16.05.2023 - VK 2-28/23
Wann erfüllt ein Angebot die geforderte Textform?
Wann erfüllt ein Angebot die geforderte Textform?
VK Westfalen, Beschluss vom 07.08.2023 - VK 1-22/23
Aufklärung eines Unterkostenangebots ist umfassend zu dokumentier...
Aufklärung eines Unterkostenangebots ist umfassend zu dokumentieren!
VK Bund, Beschluss vom 06.06.2023 - VK 1-39/23
Angebot auskömmlich? Auf den Gesamtpreis kommt es an!
Angebot auskömmlich? Auf den Gesamtpreis kommt es an!
VK Sachsen, Beschluss vom 30.03.2023 - 1/SVK/002-23
Arbeiten an verschiedenen Bauprojekten: Ein oder mehrere Vorhaben...
Arbeiten an verschiedenen Bauprojekten: Ein oder mehrere Vorhaben?
VK Bund, Beschluss vom 06.07.2023 - VK 2-46/23