OLG Düsseldorf
Beschluss
vom 22.01.2025
Verg 25/24
1. Bezugsmaßstab für den Umsatz, die Kosten oder einen anderen tätigkeitsgestützten Wert sind Tätigkeiten, die der Ausführung von Aufgaben dienen, mit denen die gemeinsam kontrollierte juristische Person von den teilnehmenden öffentlichen Auftraggebern betraut worden ist.
2. Für die Betrauung mit der Ausführung einer Aufgabe im Sinne von § 108 Abs. 4 Nr. 2 GWB ist es erforderlich, dass die öffentlichen Auftraggeber der von ihnen kontrollierten juristischen Person eine eigene bisher in ihren Bereich fallende Aufgabe durch einen erkennbaren und inhaltlich festgelegten Akt zur Ausführung übertragen, ohne dass es hierzu eines Hoheitsakts oder eines Vertragsschlusses bedarf. Die Betrauung ist gleichzusetzen mit der Übertragung der Ausführung einer eigenen Aufgabe auf einen anderen.
3. Erhaltene institutionelle und projektbezogene Fördermittel stellen keinen berücksichtigungsfähigen "tätigkeitsgestützten Wert" und danach keinen Umsatz und keine Kostenerstattung für Tätigkeiten dar, die der Ausführung von Aufgaben dienen, mit denen die juristische Person betraut wurde.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.01.2025 - Verg 25/24
vorhergehend:
VK Bund, Beschluss vom 29.07.2024 - VK 2-61/24
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 29. Juli 2024 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragstellers haben die Beigeladene zu 2/3 und die Antragsgegnerin zu 1/3 zu tragen.
3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 500.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin kündigte mit Bekanntmachung vom ... die beabsichtigte Vergabe einer Rahmenvereinbarung zur Übernahme und Durchführung der Projektträgerschaft für Aufgaben der Ressortforschung des Bundesministeriums für Gesundheit im Verhandlungsverfahren ohne Aufruf zum Wettbewerb an die Projektträger K. an (Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, Bekanntmachungsnummer ...). Zur Begründung war angegeben, es handele sich um eine Inhousevergabe, die nach § 108 Abs.1, Abs. 4, Abs. 5 GWB nicht dem Vergaberecht unterfalle.
Der Projektträger K. ist eine rechtlich unselbständige Organisationseinheit der Beigeladenen. Die Beigeladene ist eine gemeinnützige Forschungsgesellschaft. Zu ihren Aufgaben gehört nach § 2 Gesellschaftsvertrags (nachfolgend: GesV) das Betreiben der naturwissenschaftlich-technischen Forschung und Entwicklung an der Schnittstelle von Mensch, Umwelt und Technologien. Sie ist Mitglied der I. Gesellschafter sind die Antragsgegnerin, die 90 Prozent der Geschäftsanteile hält, und das Land Nordrhein-Westfalen, das 10 Prozent der Geschäftsanteile hält.
Organe der Beigeladenen sind nach § 5 GesV die Geschäftsführung, der Aufsichtsrat und die Gesellschafterversammlung. Die Beigeladene hat zwei Geschäftsführer. Ihr Aufsichtsrat besteht nach § 9 GesV aus höchstens zwölf Mitgliedern, von denen vier von der Antragsgegnerin und zwei vom Land Nordrhein-Westfalen entsandt und abberufen werden. Daneben wählt die Gesellschafterversammlung auf Vorschlag der Mitarbeiter zwei wissenschaftliche oder technische Mitarbeiter der Gesellschaft zu Aufsichtsräten und bis zu drei weitere Aufsichtsratsmitglieder. Eine Abwahl aus wichtigem Grund ist möglich. Zudem ist der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der Beigeladen qua Amt Mitglied des Aufsichtsrats. Der Aufsichtsrat bestimmt eines seiner Mitglieder zum Vorsitzenden. Neben der Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer nach § 6 Abs. 3 GesV obliegt dem Aufsichtsrat nach § 10 GesV die Überwachung der Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung. Er entscheidet über die wichtigen forschungsrelevanten und finanziellen Angelegenheiten der Gesellschaft sowie über außergewöhnliche, über den Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebs hinausgehende Rechtsgeschäfte. Zudem kann er weitere Geschäfte von seiner Zustimmung abhängig machen. Der Aufsichtsrat entscheidet nach § 12 GesV mit einfacher Mehrheit, wobei bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden entscheidet. Bestimmte Beschlüsse, darunter die Wahl des Vorsitzenden, können nicht gegen die Stimme der von der Antragsgegnerin und dem Land Nordrhein-Westfalen entsandt Mitglieder gefasst werden. Der Gesellschafterversammlung obliegen nach § 13 GesV alle Angelegenheiten, die nicht einem anderen Organ zugewiesen sind, insbesondere die Entscheidung über Änderungen Gesellschaftsvertrags, die Festlegung der Grundsätze für die Verwendung der Forschungsergebnisse und die Feststellung der Jahresabschlüsse. Die Gesellschafterversammlung fasst ihre Beschlüsse grundsätzlich einstimmig, ausgenommen die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder und der Abschlussprüfer sowie die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen (§ 15 GesV).
Die Beigeladene finanziert sich überwiegend über institutionelle Zuwendungen und projektbezogene Fördermittel, die sie im Rahmen von Zuwendungsbescheiden von der Antragsgegnerin und dem Land Nordrhein-Westfalen erhält. Daneben erzielt sie Einkünfte aus Projektträgerverträgen, die im Rahmen wettbewerblicher Vergabeverfahren von der Antragsgegnerin oder dem Land Nordrhein-Westfalen an sie vergeben worden sind. Nach ihrem eigenen Vortrag stammen insgesamt etwas über 80 Prozent ihrer Mittel von der Antragsgegnerin und dem Land Nordrhein-Westfalen.
In den Jahren 2008 bis 2020 sind Projektträgerleistungen wie die vorliegenden wiederholt von der Antragsgegnerin EU-weit ausgeschrieben worden, wobei die Rahmenverträge jeweils eine Laufzeit von vier Jahren hatten. Der Antragsteller ist Vorauftragnehmer der Projektträgerleistungen. Am 6. Dezember 2023 entschied die Antragsgegnerin, erstmalige eine Inhouse-Vergabe an die Beigeladene einzuleiten. Die Beigeladene gab im Frühjahr 2024 ein Angebot ab, das die Antragsgegnerin für zustimmungsfähig erachtet, weshalb sie zur Wahrung vergaberechtlichen Rechtschutzes am 27. Mai 2024 die eingangs wiedergegebene freiwillige ex-ante-Bekanntmachung nach § 135 Abs. 3 GWB veranlasst hat.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 31. Mai 2024 rügte der Antragsteller die angekündigte Direktvergabe als vergaberechtswidrig, weil die Voraussetzungen einer Inhouse-Vergabe nicht erfüllt seien. Die Antragsgegnerin wies die Rüge mit Schreiben vom 14. Juni 2024 zurück. Die Voraussetzungen für eine Inhouse-Vergabe nach § 108 Abs. 4, Abs. 5 GWB seien gegeben, weil sie über die Gesellschafterversammlung und den Aufsichtsrat gemeinsam mit dem Land Nordrhein-Westfalen die Kontrolle über die Beigeladene ausübe. Die Beigeladene tätige auch mehr als 80 Prozent ihrer Umsätze mit ihren beiden Gesellschaftern, lediglich im Jahr 2022 sei diese Schwelle geringfügig unterschritten worden.
Der Antragsteller hat daraufhin Nachprüfung beantragt und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen einer Bereichsausnahme nach § 108 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 GWB lägen nicht vor. Es fehle an einer gemeinsamen Kontrolle über die Beigeladene wie über eine eigene Dienststelle. Es bestehe ein Aufsichtsrat, dem weitreichende Befugnisse zugewiesen seien und der das beschlussfassende Organ der Beigeladenen im Sinne des § 108 Abs. 5 Nr. 1 GWB sei. Der Aufsichtsrat entscheide über die wichtigen forschungsrelevanten und finanziellen Angelegenheiten, er kontrolliere und steuere die Geschäftsführung. Dieser setze sich nicht ausschließlich aus dem Kreis der öffentlichen Auftraggeber zusammen, vielmehr stellten diese lediglich die Hälfte der Mitglieder. Auch fehle es an der Voraussetzung des § 108 Abs. 5 Nr. 3 GWB, wonach kein Interessengegensatz bestehen dürfe. Weite Bereiche der Tätigkeit der Beigeladenen unterfielen dem grundrechtlichen Schutz der Wissenschaftsfreiheit, in dem ein Weisungsrecht nicht bestehe. Zudem übe die Beigeladene keine wesentlichen Tätigkeiten im Sinne des § 108 Abs. 4 Nr. 2 GWB für die Antragsgegnerin und das Land NRW aus. Die Beigeladene sei durch ihre Gesellschafter nicht betraut worden. Es entfielen entgegen § 108 Abs. 4 Nr. 2 GWB weniger als 80 Prozent der Tätigkeit der Beigeladenen auf Aufgaben für ihre Gesellschafter, da die Fördermittel herauszurechnen seien, weil diese kein Entgelt für eine Tätigkeit darstellten.
Der Antragsteller hat beantragt,
1. der Antragsgegnerin zu untersagen, im Vergabeverfahren den Zuschlag zu erteilen;
2. der Antragsgegnerin aufzugeben, in dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die dargestellten Rechtsverletzungen des Antragstellers zu beseitigen und bei fortbestehender Vergabeabsicht ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren durchzuführen;
3. die Vergabeakte/Dokumentation zur geplanten Direktvergabe beizuziehen und dem Antragsteller unverzüglich Akteneinsicht zu gewähren;
4. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers für notwendig zu erklären;
5. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens sowie die Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung einschließlich der vorprozessualen Anwaltskosten aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag des Antragstellers zurückzuweisen;
2. dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens einschließlich ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Auslagen aufzuerlegen;
3. festzustellen, dass die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten notwendig war.
Sie sei gemeinsam mit dem Land Nordrhein-Westfalen in der Lage, über die Beigeladene eine ähnliche Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle auszuüben, da die wesentlichen Entscheidungen von der Gesellschafterversammlung einstimmig getroffen würden. Der Aufsichtsrat habe hingegen nur bei einigen enumerativ aufgezählten Angelegenheiten gegenüber der Geschäftsführung Weisungsbefugnis. Zudem setze sich auch der Aufsichtsrat aus ihren Vertretern und denen des Landes Nordrhein-Westfalen zusammen. Dass das Organ sich ausnahmslos aus Vertretern der beteiligten öffentlichen Auftraggeber rekrutieren müsse, sei nicht erforderlich und auch mit der zu Art. 12 Abs. 3 UAbs. 2 Nr. 1 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU ergangenen Rechtsprechung nicht zu vereinbaren. Eine Interessenkongruenz sei nicht erforderlich. Es genüge, dass die Beigeladene keine ihr zuwiderlaufenden Interessen verfolge. Bei der Überschreitung der 80-Prozent-Schwelle sei auch die institutionelle Förderung zu berücksichtigen.
Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 29. Juli 2024 der Antragsgegnerin untersagt, den Auftrag an die Beigeladene zu erteilen und ihr bei fortbestehender Beschaffungsabsicht eine gemeinschaftsweite Bekanntmachung aufgegeben. Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet. Der Antragsteller habe sein Interesse am Auftrag durch die Rüge und die Einreichung des Nachprüfungsantrags hinreichend dokumentiert, die Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB sei gewahrt. In der Sache handele es sich um einen öffentlichen Auftrag, der nach den Vorschriften des Vergaberechts zu vergeben sei, da die Voraussetzungen für eine Inhouse-Vergabe nicht vorlägen. Die Antragsgegnerin übe weder allein noch gemeinsam mit dem Land Nordrhein-Westfalen eine mit der über eine eigene Dienstelle vergleichbare Kontrolle über die Beigeladene aus. Zu den Leitungsorganen der Beigeladenen gehöre auch ihr Aufsichtsrat, der zur Hälfte aus Mitgliedern bestehe, die nicht von den Gesellschaftern entsandt seien. Nach dem Wortlaut des § 105 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. Abs. 5 Nr. 1 GWB müssten sich die beschlussfassenden Organe der juristischen Person aus Vertretern sämtlicher teilnehmender öffentlicher Auftraggeber zusammensetzen, woraus sich ergebe, dass diese sich ausschließlich aus deren Vertretern zusammensetzen müssten. Der Begriff "zusammensetzen" impliziere eine Ausschlusswirkung zu Lasten anderer. Soweit das Oberlandesgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 4. März 2020, VII-Verg 11/18, vier Mitarbeitervertreter in der zwölfköpfigen Gesellschafterversammlung für unschädlich erachtet habe, fuße diese auf der gesetzlichen Vorgabe in § 52 Abs. 1 GmbHG und sei auf einen fakultativen Aufsichtsrat nicht übertragbar. Vorliegend seien sogar sechs der zwölf Aufsichtsräte nicht von den öffentlichen Auftraggebern entsandt. Während die sechs entsandten Aufsichtsräte wenigstens indirekt weisungsgebunden seien, weil sie jederzeit abberufen werden könnten, seien die sechs gewählten Aufsichtsräte nicht weisungsgebunden. Im Übrigen stehe auch der grundrechtliche Schutz der Beigeladenen als Forschungseinrichtung nach Art. 5 Abs. 3 GG der Ausübung einer mit der über eine Dienststelle vergleichbaren Kontrolle entgegen. Unabhängig davon sei die vorliegende Konstellation auch nicht mehr mit dem Grundgedanken der Inhouse-Privilegierung vergleichbar, nach der Beauftragungen 100-prozentiger Tochtergesellschaften freigestellt würden, soweit sie Aufgaben ausführen, die ansonsten dem öffentlichen Auftraggeber selbst oblegen hätten. Auch das Wesentlichkeitskriterium sei nicht erfüllt. Die Beigeladene erhalte über 50 Prozent ihrer Mittel als Förderung, die nicht für Aufgaben gewährt werde, mit denen die Beigeladene von ihren Gesellschaftern betraut sei. Das Betreiben von Wissenschaft und Forschung als generelle Zweckbestimmung der Beigeladenen stelle keine Aufgabenbetrauung dar; die institutionelle Förderung sei keine Gegenleistung für eine konkrete Tätigkeit.
Gegen diese Entscheidung haben die Antragsgegnerin und Beigeladene jeweils fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt und diese umfassend begründet. Die Beigeladene trägt vor, die von der Rechtsprechung geforderte wirksame Einwirkung der Antragsgegnerin und des Landes Nordrhein-Westfalen auf ihre strategischen Entscheidungen sei nach der gebotenen funktionalen Betrachtung gewährleistet. Ein Ausschließlichkeitserfordernis könne in § 108 Abs. 5 Nr. 1 GWB nicht hineingelesen werden; Formulierungen wie "ausnahmslos" und "ausschließlich" fehlten gerade. Eine solche Ansicht finde auch weder in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Senats noch in der Literatur eine Stütze. Es genüge eine effektive gemeinsame Kontrolle, die vorliegend gegeben sei. So bestehe ihre Gesellschafterversammlung, deren Befugnisse umfassend seien, da sie über die Änderung des Gesellschaftsvertrags beschließe, ausschließlich aus den Vertretern des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen. Auch der Aufsichtsrat werde von ihnen dominiert. Durch Bund und Land würden sechs Mitglieder entsandt. Ihr Aufsichtsrat habe seit dem 15. Februar 2022 nur elf Mitglieder, da die Gesellschafter statt der maximal drei frei wählbaren Mitglieder nur zwei gewählt hätten. Doch selbst bei zwölf Mitgliedern sei eine ausreichende Kontrolle sichergestellt, da Bund und Land auch bei den fünf zu wählenden Mitgliedern signifikante Einflussmöglichkeiten zukämen, da diese von der Gesellschafterversammlung gewählt werden müssten und jederzeit aus wichtigem Grund abgewählt werden könnten. Auch gebe bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag, der bislang immer dem Kreis der vom Bund entsandten Mitglieder angehört habe. Dass das Kontrollkriterium nicht erfordere, dass sich ihr Aufsichtsrat ausschließlich aus den von den kontrollierenden öffentlichen Auftraggebern entsandten Vertreten zusammensetze, ergebe sich auch aus demin der englischen Sprachfassung der Richtlinie verwandte "are composed of". Dieses werde nicht abschließend verstanden, wie Satzbeispiele im Cambridge Dictonary wie "Air is composed manily of nitrogen and oxigen" zeigten. Für das deutsche Verb "zusammensetzen" gelte jedenfalls im europarechtlichen Sprachgebrauch nichts Anderes. Sei eine Ausschließlichkeit des Personengremiums gewollt, werde das Adverb "ausschließlich" hinzugefügt, wie etwa in Art. 36 Abs. 1 der Verordnung (EU)2018/848, Ziffer 8.2 des Anhangs I zu Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 und Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) 1432/2003. Auch habe der Richtliniengeber ausweislich Erwägungsgrund 31 lediglich die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union präzisieren wollen, die für eine gemeinsame Kontrolle eine Beteiligung jeder der Stellen für ausreichend erachtet habe. Hierfür genüge, wie Art. 12 Abs. 3 UAbs. 2 lit. ii der Vergaberichtlinie klarstelle, ein maßgeblicher Einfluss. Der Ausübung einer der über eine Dienststelle ähnlichen Kontrolle stehe auch nicht die Wissenschaftsfreiheit entgegen, da jedenfalls die in Rede stehende Tätigkeit ihrer Projektträger-K.-Organisationseinheit im Bereich des Wissenschaftsmanagements und Wissenschaftsverwaltung gar nicht erfasst sei.
Auch das Wesentlichkeitskriterium sei erfüllt. Der Richtliniengeber habe auf einen Betrauungsakt abgestellt und damit die auf entgeltliche Verträge abstellende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerade nicht wortgleich umgesetzt, sondern das Tatbestandsmerkmal erheblich geöffnet. Ausreichend sei es, wenn die beherrschte juristische Person satzungsgemäße Aufgaben für den sie beherrschenden öffentlichen Auftraggeber wahrnehme. Soweit sie institutionelle Förderung erhalte, handele es sich um Betrauungsakte in Gestalt von Förderbescheiden. Die Fördermittel dienten neben der institutionellen Förderung der zweckgebundenen Durchführung konkreter Programme. Eine derartige Förderung von Wissenschaft und Forschung sei eine Pflichtaufgabe des Staates, wobei derartige Zuwendungen haushaltsrechtlich nur gewährt werden dürften, wenn die Erfüllung des Zwecks der Aufgabenstellung und Zielsetzung des Bundes dienlich sei. Im Falle der Zweckverfehlung könnten die gewährten Mittel zurückgefordert werden. Der aus der Richtlinie stammende Begriff "betraut" erfasse alle Übertragungen einer öffentlichen Aufgabe, die dem Aufgabenkreis des öffentlichen Auftraggebers zuordenbar sei. Die Betrauung im Sinne der Richtlinie sei nicht auf die Übertragung durch Hoheitsakt und auch nicht auf hoheitliche Aufgaben beschränkt, sie könne auch im Gesellschaftsvertrag erfolgen. Erfasst würden zudem alle zur eigentlichen Aufgabe akzessorischen Tätigkeiten, sofern sie zur wirksamen Erfüllung der öffentlichen Aufgabe beitrügen. Wissenschaft und Forschung seien Staatsaufgaben. So sei im Hinblick auf die den staatlichen Organen obliegende Risikovorsorge eine Beobachtung der Erkenntnisfortschritte der Wissenschaft geboten. Ohne eine belastbare und anhand wissenschaftlicher Methoden gewonnene Erkenntnisgrundlage sei eine sinnvolle Erfüllung der verfassungsrechtlichen Aufgaben nicht möglich. Hiervon gehe auch die EU-Kommission aus. Die hierfür erforderlichen Maßnahmen erfülle die Ressortforschung, die insofern Teil hoheitlichen staatlichen Handelns sei. Die hierunter erfassten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten des Bundes dienten der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Vorbereitung staatlichen Handelns. Sie sei zum Großteil in Behördenform institutionalisiert, wie etwa der Bundesforschungsanstalt, es könnten aber auch privat verfasste Entitäten mit ihr betraut werden. Insbesondere die Förderung von Wissenschaft und Forschung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 und Art. 91 b GG sei staatliche Aufgabe des Bundes. Auch sie sei errichtet worden, um Wissenschaft und Forschung zu betreiben und so die Grundlagen für staatliches Handeln zu legen. So sei sie in den Forschungsgebieten Energie, mit Schwerpunkten in Erzeugung und Speicherung von Wasserstoff sowie nukleare Entsorgung, Information, mit Schwerpunkten im Bereich der Computertechnologie, sowie Erde und Umwelt, mit den Schwerpunkten Ressourcennutzung und Bioökonomie, tätig.
Die Antragsgegnerin hat während des laufenden Beschwerdeverfahrens mit Bekanntmachung vom ... (Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, Bekanntmachungsnummer ...) sowie Änderungsbekanntmachung vom ... (Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, Bekanntmachungsnummer ...) die Vergabe einer Rahmenvereinbarung "Projektträgerschaft des Bundesministeriums für Gesundheit im Bereich der Ressortforschung" im Zeitraum 1. Januar 2025 bis zum 31. Dezember 2026 mit der Option der Verlängerung um zwei Jahre im offenen Verfahren EU-weit ausgeschrieben.
Die Beigeladene beantragt,
1. den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 29. Juli 2024, Az. VK 2-59/24, aufzuheben;
2. dem Antragsteller die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens vor der Vergabekammer sowie ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Aufwendungen aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt, nachdem sie mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2024 ihre sofortige Beschwerde zurückgenommen.
Der Antragsteller beantragt,
1. die sofortige Beschwerde der Beigeladenen vom 12. August 2024 gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 29.07.2024, Az.: VK2 61/24 zurückzuweisen;
2. der Beigeladenen und der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragstellers nach § 182 Abs. 4 GWB aufzuerlegen.
Der Antragsteller verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer. Die Voraussetzungen einer Inhouse-Vergabe nach § 108 Abs. 4 und Abs. 5 GWB seien nicht gegeben. Da die Beigeladene über einen Aufsichtsrat verfüge, der nicht ausschließlich aus Vertretern sämtlicher teilnehmender öffentlicher Auftraggeber nach § 108 Abs. 5 Nr. 1 GWB zusammengesetzt sei, sei eine gemeinsame, ähnliche Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle durch die beiden Gesellschaften nicht möglich. Der Antragsgegnerin gelinge auch keine gemeinsame Kontrolle nach § 108 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 GWB über den Dringlichkeitsausschuss, der in Fällen besonderer Dringlichkeit eigenmächtige Beschlüsse des Aufsichtsrats herbeiführen kann. Zutreffend habe die Vergabekammer zudem erkannt, dass gerade nicht mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten der Beigeladenen der Ausführung von Aufgaben dienten, mit denen sie von der Antragsgegnerin betraut worden sei. Bei den von der Beigeladenen angegebenen "Eigenumsätzen" handle es sich schon dem Grunde nach nicht um solche zugrundeliegenden Aufgaben, mit denen die Beigeladene im Sinne des § 108 Abs. 4 GWB betraut werden könnte, da diese nicht im Aufgabenspektrum des Auftraggebers lägen und es sich um keine Leistungen handle, für die der öffentliche Auftraggeber eine Gewährleistungsverantwortung trage, weil sie etwa nicht anders auf dem Markt bereitgestellt werden könnten.
II.
Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen, über die nach der Beschwerderücknahme der Antragsgegnerin allein noch zu entscheiden ist, ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
Sie ist form- und fristgerecht eingereicht. Die erforderliche Beschwer der Beigeladenen ist nach § 171 Abs. 1 Satz 2 GWB gegeben, weil sie am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt war und die Vergabekammer der Antragsgegnerin die Erteilung des Zuschlags an sie untersagt und dieser bei fortbestehender Beschaffungsabsicht die gemeinschaftsweite Bekanntmachung aufgegeben hat. Die materielle Beschwer der Beigeladenen durch die Entscheidung der Vergabekammer ist nicht dadurch entfallen, dass die Antragsgegnerin zwischenzeitlich eine Rahmenvereinbarung "Projektträgerschaft des Bundesministeriums für Gesundheit im Bereich der Ressortforschung" für den Zeitraum 1. Januar 2025 bis zum 31. Dezember 2026 mit der Option der zweimaligen Verlängerung um ein Jahr EU-weit ausgeschrieben hat. Hierdurch ist keine Erledigung in der Hauptsache eingetreten; die Entscheidung der Vergabekammer ist nicht gegenstandslos geworden. Nach § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB erledigt sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder in sonstiger Weise. Ein typischer Fall der Erledigung in sonstiger Weise ist die Abhilfe durch den Auftraggeber im laufenden Nachprüfungsverfahren (OLG Celle, Beschluss vom 30. Oktober 2024, 13 Verg 8/14; OLG München, Beschluss vom 19. Juli 2012, Verg 8/12). Das zwischenzeitlich eingeleitete Vergabeverfahren stellt eine solche Abhilfe des gerügten Vergaberechtsverstoßes jedoch nicht dar. Die Antragsgegnerin hat nicht von ihrem ursprünglichen Vorhaben, die Übernahme und Durchführung der Projektträgerschaft in-house ohne Durchführung einer EU-weiten Ausschreibung an die Beigeladene zu vergeben Abstand genommen. Dies ergibt sich aus der Änderungsbekanntmachung vom 10. September 2024. Dort hat die Antragsgegnerin ausdrücklich klargestellt, dass es sich um eine Vergabe zur interimsweisen Bedarfsdeckung für zunächst zwei Jahre handelt, weil die beabsichtigte Inhouse-Vergabe Gegenstand einer Überprüfung durch die Nachprüfungsinstanzen ist und daher noch nicht umgesetzt werden kann (Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, Bekanntmachungsnummer ...). Der Formulierung "noch nicht umgesetzt werden kann" ist der Wille der Antragsgegnerin zu entnehmen, im Falle eines Obsiegens die bisher beabsichtigte Inhouse-Vergabe umzusetzen. Die Vergabe erfolgt auch nicht für den im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Inhouse-Vergabe vorgesehenen Zeitraum von vier Jahren, sondern fest nur für zwei Jahre. Die Verlängerungsoption um einmalig zwei weitere Jahre besteht ausdrücklich nur für den Fall, dass die Antragsgegnerin vor den Nachprüfungsinstanzen unterliegt. Dies unterstreicht den Willen der Antragsgegnerin, an der beabsichtigten Inhouse-Vergabe an die Beigeladene festzuhalten und die Verlängerungsoption nur zu nutzen, wenn ihr der Zuschlag an diese endgültig untersagt wird.
2. In der Sache hat die sofortige Beschwerde der Beigeladenen keinen Erfolg. Der Nachprüfungsantrag des Antragstellers ist zulässig und begründet.
a) Der Nachprüfungsantrag des Antragstellers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen ist eröffnet. Zwar sind die durch das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz in das GWB eingeführten Voraussetzungen eines sogenannten Inhouse-Geschäfts in § 108 GWB als Bereichsausnahme formuliert, mit der Folge, dass bei deren Vorliegen der 4. Teil des GWB keine Anwendung findet. Dies bedeutet aber nicht, dass eine Überprüfung durch die Vergabenachprüfungsinstanzen ausscheidet. Vielmehr sind in diesem Fall die Voraussetzungen einer Inhouse-Vergabe beziehungsweise des § 108 GWB im Rahmen der Begründetheit zu prüfen (Senatsbeschlüsse vom 4. März 2020, VII-Verg 11/18, BeckRS 2020, 8809 Rn. 24, und vom 18. Dezember 2019, VII-Verg 16/16 BeckRS 2019, 38392 Rn. 33; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. Januar 2014, 11 Verg 15/13). Der Antragsteller ist auch im Sinne von § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Er hat sein Interesse am Auftrag bekundet und eine Verletzung seiner Rechte durch den behaupteten drohenden Vergaberechtsverstoß einer unzulässigen Direktvergabe ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens nach dem 4. Teil des GWB geltend gemacht. An seiner Leistungsfähigkeit bestehen keine Bedenken. Der Antragsteller hat zuletzt Projektträgerleistungen für die Antragsgegnerin erbracht. Unschädlich ist, dass der Antragsteller selbst kein Angebot abgegeben hat, weil er gerade durch die von ihm gerügte beabsichtigte Direktvergabe des Auftrags an die Beigeladene an der Angebotsabgabe gehindert war (Senatsbeschluss vom 4. März 2020, VII-Verg 11/18, BeckRS 2020, 8809 Rn. 25).
b) Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Die Voraussetzungen für eine Direktvergabe außerhalb des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts sind nicht erfüllt.
Nach § 108 Abs. 4 GWB ist der 4. Teil des GWB nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, bei denen der öffentliche Auftraggeber gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern über die juristische Person eine ähnliche Kontrolle ausübt wie jeder der öffentlichen Auftraggeber über seine eigenen Dienststellen (Nr. 1, sog. Kontrollkriterium), mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten der juristischen Person der Ausführung von Aufgaben dienen, mit denen sie von den öffentlichen Auftraggebern betraut wurde (Nr. 2, sog.Tätigkeits- oder Wesentlichkeitskriterium), und an der juristischen Person keine direkte private Kapitalbeteiligung besteht (Nr. 3).
Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob - so wie die Vergabekammer angenommen hat - bereits die Voraussetzungen einer gemeinsamen Kontrolle nicht erfüllt sind (siehe unter aa). Jedenfalls scheitert die Zulässigkeit einer Direktvergabe am sog. Wesentlichkeitskriterium (siehe unter bb).
aa) Nach § 108 Abs. 5 GWB besteht eine gemeinsame Kontrolle im Sinne von § 108 Abs. 4 Nr. 1 GWB, wenn sich die beschlussfassenden Organe der juristischen Person aus Vertretern sämtlicher teilnehmender öffentlicher Auftraggeber zusammensetzen (Nr. 1), die öffentlichen Auftraggeber gemeinsam einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen der juristischen Person ausüben können (Nr. 2) und die juristische Person keine Interessen verfolgt, die den Interessen der öffentlichen Auftraggeber zuwiderlaufen (Nr. 3). Der Senat teilt die Auffassung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen, dass die Antragsgegnerin und das Land Nordrhein-Westfalen gemeinsame einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und wesentliche Entscheidungen der Beigeladenen ausüben können (siehe unter (1) und kein Interessengegensatz besteht (siehe unter (2). Ob die Voraussetzungen von § 108 Abs. 5 Nr. 1 GWB erfüllt sind, ist zumindest zweifelhaft (siehe unter (3).
(1) Die Antragsgegnerin und das Land Nordrhein-Westfalen erfüllen die Voraussetzungen des § 108 Abs. 5 Nr. 2 GWB.
Erforderlich ist nach der genannten Vorschrift, dass die Antragsgegnerin und das Land Nordrhein-Westfalen gemeinsam in der Lage sind, eine strukturelle und funktionelle Kontrolle über die Beigeladene auszuüben (EuGH, Urteil vom 29. November 2012, C-182/11, Rn. 27 - Econord SpA). Ausschlaggebend hierfür ist eine Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände im Einzelfall (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 30.01.2013, Verg 56/12 mwNachw.). Vorliegend ist dem Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen zu entnehmen, dass ihre beiden Gesellschafter, also die Antragsgegnerin und das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Gesellschafterversammlung aber auch als Mitglieder des Aufsichtsrats gemeinsam auf die strategischen Ziele und wesentlichen Entscheidungen der Beigeladenen Einfluss ausüben können.
Von den Aufgaben der Gesellschafterversammlung, die insbesondere in § 13 Abs. 2 GesV unter a) - m) aufgezählt sind, muss die überwiegende Anzahl von der Antragsgegnerin und Land Nordrhein-Westfalen gemeinsam beschlossen werden. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bedürfen gemäß § 15 Abs. 2 GesV in der Regel der Einstimmigkeit. Hiervon gibt es nur drei Ausnahmen, die jedoch Entscheidungen betreffen, die keinen unmittelbaren Einfluss auf die strategischen Ziele und die unternehmerische Ausrichtung der Beigeladenen haben. Es handelt sich um die Berufung von zwei wissenschaftlichen oder technischen Mitarbeitern der Gesellschaft zu Aufsichtsratsmitgliedern gemäß § 9 Abs. 2 c) GesV und bis zu drei weiteren von der Gesellschafterversammlung gewählten Mitgliedern gemäß § 9 Abs. 2 d) GesV sowie um die Wahl des Abschlussprüfers und die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Mitglieder der Geschäftsführung oder des Aufsichtsrats.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben überdies die Möglichkeit den zusätzlich zur Gesellschafterversammlung gemäß § 52 GmbHG eingerichteten Aufsichtsrat der Beigeladenen zu dominieren. Der Aufsichtsrat hat ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und wesentlichen Entscheidungen der Beigeladenen und ihrer geschäftsführenden Organe. Alle wesentlichen unter § 10 Abs. 3 a) - f) GesV aufgeführte Geschäfte der Geschäftsführung bedürfen der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats. Zudem kann er weitere Geschäfte von seiner Zustimmung abhängig machen (§ 10 Abs. 5 GesV). Darüber hinaus überwacht der Aufsichtsrat die Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung (§ 10 Abs. 1 GesV). Er ist gemäß § 10 Abs. 2 S. 1 GesV berechtigt, den Geschäftsführern insbesondere in wichtigen forschungsrelevanten und finanziellen Angelegenheiten Weisungen zu erteilen.
Die Antragsgegnerin und das Land Nordrhein-Westfalen können als Mitglieder des Aufsichtsrats gemeinsam ausschlaggebenden Einfluss auf die Beschlussfassungen des Aufsichtsrats ausüben. Nach § 12 Abs. 4 GesV können bestimmte dort aufgeführte Entscheidungen nicht gegen die Stimme der vom Bund und Land gemäß § 9 Abs. 2 a) und b) GesV entsandten Mitglieder getroffen werden. Bei allen übrigen gemäß § 12 Abs. 3 GesV mit einfacher Mehrheit zu fassenden Beschlüssen des Aufsichtsrats verfügen die Antragsgegnerin und das Land Nordrhein-Westfalen gemeinsam über eine Mehrheit. Nach § 9 Abs. 1 GesV sind die Antragsgegnerin mit vier und das Land Nordrhein-Westfalen mit zwei entsandten Vertretern am Aufsichtsrat beteiligt. In allen Konstellationen, in denen der Aufsichtsrat - wie derzeit - weniger als die zulässige Höchstzahl von zwölf Mitgliedern hat, verfügen die Antragsgegnerin und das Land Nordrhein-Westfalen daher zusammen mit sechs Stimmen über eine eindeutige Mehrheit, die ihnen die Möglichkeit verschafft, gemeinsam eine wirksame Kontrolle über die Beigeladene auszuüben. Eine solche Kontrollmöglichkeit ist aber auch bei zwölf Aufsichtsratsmitgliedern gewährleistet. Bei den ein bis drei weiteren Aufsichtsratsmitgliedern, die nach § 9 Abs. 2 lit. d GesV von der Gesellschafterversammlung und damit allein von Vertretern der Antragsgegnerin und dem Land Nordrhein-Westfalen gewählt werden, sind diese völlig frei und werden daher bei lebensnaher Betrachtung nur solche Personen wählen, die ihren Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen der Beigeladenen unterstützen. Doch selbst wenn eine hinreichende Loyalität nicht oder nicht mehr gewährleistet sein sollte, ist die erforderliche Kontrolle unabhängig von der in § 9 Abs. 4 Satz 3 GesV geregelten Möglichkeit, Aufsichtsratsmitglieder aus wichtigem Grund abzuwählen, jedenfalls deswegen gewährleistet, weil bei Stimmengleichheit nach § 12 Abs. 3 Satz 2 GesV die Stimme des Vorsitzenden entscheidet. Dieser kann nach § 12 Abs. 4 i. V. m. § 9 Abs. 3 GesV nicht gegen die Stimme der von der Antragsgegnerin und dem Land Nordrhein-Westfalen entsandten Mitglieder gewählt werden, weshalb faktisch immer ein Vertreter des Bundes Vorsitzender sein wird.
(2) Die Beigeladene verfolgt keine Interessen, die den Interessen der Antragsgegnerin und des Landes Nordrhein-Westfalen zuwiderlaufen. Ein Zielkonflikt besteht schon deswegen nicht, weil die von der Beigeladenen zu betreibende Forschung von der Antragsgegnerin und dem Land Nordrhein-Westfalen gewollt ist, wie sich aus § 2 GesV ergibt. Ein Interessengegensatz wird auch nicht dadurch begründet, dass es sich bei der Beigeladenen um eine Forschungseinrichtung handelt. Die Ausübung einer gemeinsamen Kontrolle über die Beigeladene bedeutet keinen Eingriff in die nach Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Freiheit der Forschung. Dies gilt unabhängig davon, dass die verfahrensgegenständlichen Projektträgerleistungen schon nicht dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG unterfallen dürften, da Hilfstätigkeiten wie ein Wissenschaftsmanagement nicht von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt sind (Gärditz in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, 104. EL April 2024, GG Art. 5 Abs. 3 Rn. 137, 138).
(3) Fraglich ist jedoch, ob das Erfordernis einer gemeinsamen Kontrolle an § 108 Abs. 5 Nr. 1 GWB scheitert, weil dem Aufsichtsrat der Beigeladenen als beschlussfassendem Organ nicht nur Vertreter der Antragsgegnerin und des Landes Nordrhein-Westfalen sondern weitere stimmberechtigte Personen angehören.
§ 108 Absatz 5 Nr. 1 Satz 1 GWB fordert, dass sich die beschlussfassenden Organe der juristischen Person aus Vertretern sämtlicher teilnehmender öffentlicher Auftraggeber "zusammensetzen". In Art. 12 Abs. 3 UAbs. 2 lit I) der Vergaberichtlinie 2014/24/EU, der durch die Regelung in § 108 Abs. 5 Nr. 1 GWB in nationales Recht umgesetzt worden ist, findet sich eine nahezu gleichlautende Formulierung. Vergleichbare Formulierungen finden sich zudem in anderen Sprachfassungen. Der Wortsinn des Verbs "zusammensetzen" spricht zunächst dafür, dass die beschlussfassenden Organe ausschließlich mit Vertretern der teilnehmenden öffentlichen Auftraggeber besetzt sein müssen, mithin Dritte dort nicht vertreten sein dürfen. Das Wort Zusammensetzung beschreibt die Art und Weise wie etwas als Ganzes zusammengesetzt ist, also die einzelnen Bestandteile, Glieder oder Personen. Als Synonym für das Wort "zusammensetzen" wird daher auch der Begriff "bestehend aus" verwendet. Allerdings ist in diesem Zusammenhang in den Blick zu nehmen, dass nach Erwägungsgrund 31 der Vergaberichtlinie die in Rede stehende Regelung lediglich der Präzisierung der einschlägigen Rechtsprechung dient, wobei sich diese Präzisierung auf die Grundsätze stützen soll, die in der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dargelegt wurden. In der Rechtsprechung findet sich die Forderung nach einer Besetzung der beschlussfassenden Organe ausschließlich mit Vertretern der teilnehmenden öffentlichen Auftraggeber indes nicht. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat als Voraussetzung einer gemeinsamen Kontrolle und einer Vertretung in den beschlussfassenden Organen der juristischen Person durch sämtliche teilnehmenden öffentlichen Auftraggeber aufgeführt, dass eine gemeinsame Kontrolle wie über die eigenen Dienststellen nur dann erfüllt ist, "wenn jede dieser Stellen sowohl am Kapital als auch an den Leitungsorganen der Einrichtung beteiligt ist" (EuGH, Urteil vom 29. November 2012, C-182/11, NZBau 2013, 55 Rn. 27 - Econord SpA). Eine Beteiligung sämtlicher teilnehmender öffentlicher Auftraggeber an den Leitungsorganen bedeutet aber nicht zugleich, dass keine weiteren dritten Personen in den Leitungsorganen beteiligt sein dürfen. Im Übrigen kann eine gemeinsamen Kontrolle auch dann bestehen, wenn - so wie vorliegend - die Leistungsorgane nicht ausschließlich mit Vertretern der öffentlichen Auftraggeber besetzt sind.
Obwohl somit kein eindeutiges Auslegungsergebnis gefunden werden kann, kommt eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV nicht in Betracht. Es fehlt an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit, weil jedenfalls das Wesentlichkeitskriterium (§ 108 Abs. 4 Nr. 2 GWB) nicht erfüllt ist (siehe nachfolgend unter bb).
bb) Die Voraussetzungen des § 108 Abs. 4 Nr. 2 GWB sind vorliegend nicht erfüllt, weil bei der Bestimmung des prozentualen Anteils von mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten der Beigeladenen nach § 108 Abs. 7 GWB die von der Antragsgegnerin und dem Land Nordrhein-Westfalen zugewandten institutionellen und projektbezogenen Fördermittel unberücksichtigt bleiben müssen.
Nach § 108 Abs. 4 Nr. 2 GWB müssen mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten der juristischen Person der Ausführung von Aufgaben dienen, mit denen sie von den öffentlichen Auftraggebern oder von einer anderen juristischen Person, die von diesen Auftraggebern kontrolliert wird, betraut wurde, wobei nach § 108 Abs. 7 GWB zur Bestimmung des prozentualen Anteils der durchschnittliche Gesamtumsatz der letzten drei Jahre vor Vergabe des öffentlichen Auftrags oder ein anderer geeigneter tätigkeitsgestützter Wert, wie zum Beispiel die Kosten, die der juristischen Person oder dem öffentlichen Auftraggeber in dieser Zeit in Bezug auf Liefer-, Bau- und Dienstleistungen entstanden sind, heranzuziehen ist. Zum durchschnittlichen Gesamtumsatz der Beigeladenen aus den letzten drei Jahren zählen jedoch nicht die Geldbeträge, die sie von der Antragsgegnerin und dem Land Nordrhein-Westfalen durch Zuwendungsbescheide zur Förderung bestimmter Forschungen erhalten hat. Bleiben diese Fördermittel unberücksichtigt, wird die 80%-Schwelle nicht erreicht, weil die Fördermittel mehr als 50 Prozent der angegebenen Umsätze ausmachen.
Die von der Antragsgegnerin und dem Land Nordrhein-Westfalen erhaltenen Fördermittel stellen keinen berücksichtigungsfähigen "tätigkeitsgestützten Wert" im Sinne von § 108 Abs. 7 GWB dar. Bezugsmaßstab für den Umsatz, die Kosten oder einen anderen tätigkeitsgestützten Wert sind Tätigkeiten, die der Ausführung von Aufgaben dienen, mit denen die gemeinsam kontrollierte juristische Person von den teilnehmenden öffentlichen Auftraggebern betraut worden ist. Was unter einer Betrauung im Sinne von § 108 Abs. 4 Nr. 2 GWB zu verstehen ist, wird nicht einheitlich beantwortet.
(1) Weitgehend Einigkeit besteht in der deutschen Kommentarliteratur darüber, dass die geforderte Betrauung mit der Ausführung einer Aufgabe mehr umfasst als die in der zuvor ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union herangezogenen Tätigkeiten auf der Grundlage von Vergabeentscheidungen des kontrollierenden öffentlichen Auftraggebers (so EuGH, Urteil vom 11. Mai 2006, C-340/04, NZBau 2006, 452 Rnrn. 65, 66 - Carbotermo) und in Anlehnung an Art. 106 Abs. 2 AEUV auch eine Veranlassung zur Ausführung der Aufgabe durch einen Betrauungsakt in anderer Weise ausreichen kann (Ganske in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 108 Rn. 33; Portz in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl. 2020, § 108 Rnrn. 90, 122 ff.; Gurlit in Burgi/Dreher/Opitz, Beckꞌscher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 108 Rn. 17; Hofmann, Inhouse-Geschäfte nach dem neuen GWB, VergabeR 2016, 189, 192), weil der hinter § 108 GWB stehende Art. 12 der Vergaberichtlinie - auch in anderen Sprachfassungen - begrifflich zwischen der Vergabe eines öffentlichen Auftrags im Wege des Inhouse-Geschäfts und der Tätigkeit in Ausführung von Aufgaben, mit denen die kontrollierte juristische Person durch den öffentlichen Auftraggeber betraut wurde, unterscheidet (Ziekow in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, GWB § 108 Rn. 34). Dabei geht die herrschende Meinung davon aus, dass das bloße Eröffnen eines Betätigungsfelds für ein von einem öffentlichen Auftraggeber kontrolliertes Unternehmen durch dessen Gesellschaftszweck nicht ausreichend ist (Ziekow in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, GWB § 108 Rn. 37; Ganske in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 108 Rn. 33; Portz in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl. 2020, § 108 Rn. 92, Rn. 125; a.A. Müller-Wrede in Die Neuregelung zur In-House-Vergabe, VergabeR 2016, 292, 297), sondern das Merkmal der Betrauung insoweit einer Eingrenzung bedarf (Gurlit in Burgi/Dreher/Opitz, Beckꞌscher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 108 Rn. 18). Erforderlich sei die aktive Zuordnung der Aufgabe zu dem betreffenden Unternehmen durch einen inhaltlich eindeutigen und festgelegten Akt (Ganske in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 108 Rn. 33; Portz in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl. 2020, § 108 Rn. 92; Gurlit in Burgi/Dreher/Opitz, Beckꞌscher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, GWB § 108 Rn. 18; Ziekow in NZBau 2015, 258, 260). Dies könne zwar auch in Gestalt einer verbindlichen gesellschaftsvertraglichen Regelung geschehen (Gurlit a. a. O.). Um als Betrauungsakt angesehen werden zu können, müsse aber im Gesellschaftsvertrag klar definiert werden, welche Leistungen zu erbringen sind und welcher Teil des Aufgabenspektrums des beauftragenden öffentlichen Auftraggebers vom beherrschten Unternehmen übernommen wird (Lösch in Gestaltungsmöglichkeiten und rechtliche Grenzen ausschreibungsfreier Inhouse-Vergaben, VergabeR 2016, 541, 546; Ziekow in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, GWB § 108 Rn. 37). Zudem könne das beauftragte Unternehmen von dem öffentlichen Auftraggeber nur im Rahmen seiner Kompetenz und Zuständigkeit betraut werden (Lösch in Gestaltungsmöglichkeiten und rechtliche Grenzen ausschreibungsfreier Inhouse-Vergaben, VergabeR2016, 541, 544).
Vereinzelt werden weitere formale und inhaltliche Anforderungen an den Betrauungsakt in Anlehung an den parallelen Regelungsbereich in den beihilferechtlichen Vorgaben der Europäischen Kommission gestellt (Portz in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl. 2020, § 108 Rn. 92).
(2) In der vergaberechtlichen Judikatur hat sich die Vergabekammer Rheinland in ihrem Beschluss vom 6. Dezember 2018, VK 52/17, ausführlich mit dem Begriff der Betrauung befasst und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass durch § 108 Abs. 4 Nr. 2 GWB keine neue Begrifflichkeit eingeführt worden sei. Ein Bezug zu der Regelung des Art. 106 Abs. 2 AEUV finde in den Normtexten keine Stütze, weil es in zahlreichen anderen Sprachfassungen an einer derartigen terminologischen Übereinstimmung der beiden Bestimmungen fehlt, so etwa in der französischen, italienischen, spanischen, portugiesischen, niederländischen, dänischen und polnischen Fassung. Allerdings sei der Begriff "betraut" im Rahmen des Wesentlichkeitskriteriums keineswegs neu, er lasse sich auf die Carbotermo-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zurückführen. Dessen deutsche Übersetzung wonach "der Umsatz ausschlaggebend (sei), den das fragliche Unternehmen aufgrund der Vergabeentscheidungen der kontrollierenden Körperschaft erzielt", laute in der authentischen und deshalb rechtlich allein maßgeblichen italienischen Fassung "il fatturato determinante è rappresentato da quello che l'impresa in questione realizza in virtù delle decisioni di affidamento adottate dall'ente locale controllante" (EuGH, Urteil vom 11. Mai 2006, C-340/04, ECLI:EU:C:2006:308 Rn. 65 - Carbotermo). Das Wort "affidamento" habe allgemeinsprachlich die Bedeutung "Vertrauen", "Anvertrauen", "Betrauung". In der italienischen Verwaltungssprache werde es darüber hinaus im Sinne von "Auftragserteilung" bzw. "Vergabe" (eines Auftrags der öffentlichen Hand oder einer Konzession) verwandt (de.pons.com/übersetzung/italienisch-deutsch/affidamento). Ebenso benutze der Gerichtshof das zum gleichen Wortstamm gehörende Wort "affidare" (Partizip Perfekt "affidato"), das allgemeinsprachlich "betrauen", "anvertrauen" oder "übertragen" bedeutet, im Sinne von (einen öffentlichen Auftrag oder eine Konzession) "vergeben" (EuGH, Urteil vom 11. Mai 2006, C-340/04, ECLI:EU:C:2006:308 Rn. 57 - Carbotermo) und das Wort "affidatario" im Sinne von "Auftragnehmer (EuGH,Urteil vom 17. Juli 2008, C-371/05, ECLI:EU:C:2008:410, Rn. 22). Diese Terminologie des Europäischen Gerichtshofs zur Definition des Wesentlichkeitskriteriums sei unverändert in Art. 12 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b, Abs. 3 UAbs. 1 lit. b der Vergaberichtlinie 2014/24/EU übernommen worden; in der italienischen Sprachfassung dieser Bestimmungen finde sich an der Stelle des deutschen Wortes "betraut" das Wort "affidato". Diesem Befund widersprächen auch nicht die Formulierungen in anderen Sprachfassungen der Richtlinie; das englische "to entrust", das französische "confier" und das spanische "confiar" meinten außer "anvertrauen" oder "betrauen" auch "beauftragen" bzw. "übertragen". Es sollte also offensichtlich in die endgültige Richtlinienfassung keine neue Begrifflichkeit eingeführt werden, die eine inhaltliche Änderung gegenüber der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beinhalten könnte. Eine dahingehende Annahme liege umso ferner als mittels eines neuen, in seinem Bedeutungsgehalt ungeklärten Tatbestandsmerkmals zusätzliche Rechtsunsicherheit in eine Bestimmung hineingetragen würde, welche ausweislich des Erwägungsgrundes 31 die bestehende Rechtsunsicherheit gerade beseitigen sollte. Die Benutzung des Wortes "betraut" dürfte daher lediglich auf die unreflektierte Übernahme der Eigenheiten der in der einschlägigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs benutzten italienischen Verwaltungssprache in die deutsche Richtlinienfassung zurückzuführen sein.
Zu berücksichtigen seien folglich nur solche Aufgaben, hinsichtlich derer eine Vergabe im Sinne der Terminologie der Carbotermo-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vorliege. Es müsse sich also im weiteren Sinne um einen Beschaffungsvorgang handeln, mit dem ein Bedarf des die juristische Person kontrollierenden öffentlichen Auftraggebers gedeckt werden solle. Ein öffentlicher Auftraggeber habe die Möglichkeit, seine im allgemeinen Interesse liegenden Aufgaben mit seinen eigenen administrativen, technischen und sonstigen Mitteln zu erfüllen, ohne gezwungen zu sein, sich an externe Einrichtungen zu wenden, die nicht zu seinen Dienststellen gehören. Dieser Gedanke könne auf diejenigen Fälle ausgedehnt werden, in denen der Vertragspartner eine rechtlich von dem öffentlichen Auftraggeber verschiedene Einrichtung sei, wenn der öffentliche Auftraggeber über die fragliche Einrichtung eine ähnliche Kontrolle ausübe wie über seine eigenen Dienststellen und diese Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen mit der oder den öffentlichen Stellen verrichte, die ihre Anteile innehaben. Der öffentliche Auftraggeber greift in solchen Fällen auf seine eigenen Mittel zurück (EuGH, Urteil vom 8. Mai 2014, C-15/13, EuZW 2014, 512 Rn. 25 - TU Hamburg-Harburg"). Bei den in §108 Abs. 4 Nr. 2 GWBgenannten Aufgaben müsse es sich also um eigene Aufgaben des öffentlichen Auftraggebers handeln, deren Wahrnehmung der Auftraggeber auf die juristische Person überträgt. Die Regelung des §108 Abs. 4 Nr. 2 GWBweiche folglich nur insoweit von der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ab, als an die Stelle der vom Gerichtshof geforderten Berücksichtigung aller qualitativen und quantitativen Umstände des Einzelfalls eine feste Grenze von 80 Prozent getreten sei.
(3) Der Senat schließt sich den vorgenannten Auffassungen insoweit an, als für die Betrauung mit der Ausführung einer Aufgabe im Sinne von § 108 Abs. 4 Nr. 2 GWB auch nach Ansicht des Senats erforderlich ist, dass die öffentlichen Auftraggeber der von ihnen kontrollierten juristischen Person eine eigene bisher in ihren Bereich fallende Aufgabe durch einen erkennbaren und inhaltlich festgelegten Akt zur Ausführung übertragen, ohne dass es hierzu eines Hoheitsakts oder eines Vertragsschlusses bedarf. Ausschlaggebend ist eine richtlinienkonforme Auslegung der Begrifflichkeit. Hiernach ist die Betrauung gleichzusetzen mit der Übertragung der Ausführung einer eigenen Aufgabe auf einen anderen. Bereits nach deutschem Sprachverständnis bedeutet das Verb betrauen, jemandem eine Aufgabe übertragen, damit er sie für einen erledigt. Diesen Bedeutungsgehalt haben auch die in anderen Sprachfassungen benutzten Worte "affidamenti" in italienscher, "confiées" in französischer und "entrusted" in englischer Sprache wie die Vergabekammer Rheinland in der zuvor zitierten Entscheidung zutreffend ausgeführt hat. Sie werden jeweils allgemeinsprachlich mit betrauen, anvertrauen oder übertragen übersetzt. Ein solches Verständnis findet in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine weitere Stütze, der den Begriff "betraut" im Sinne der Übertragung einer Aufgabe wie öffentlicher Dienstleistungen auf einen (privaten) Dritten verwendet (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2023, C-271/22, NZA 2024, 115 Rnrn. 16, 28 - Keolis Agen) beziehungsweise einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe auf eine Einrichtung (EuGH, Urteil vom 5. September 2024, C-109/23; NJW 2024, 3283 Rn. 41). Die ursprüngliche Übersetzung des englischsprachigen Kompromissvorschlags des Vorsitzenden des Rates vom 27. November 2012 spricht ebenfalls für eine solches Verständnis. So wird die Formulierung "more than 80 % of the activities of that legal entity are carried out in the performance of tasks entrusted to it by the controlling contracting authorities (...)" (Document 16725/12), in dem erstmals der Begriff "entrusted" verwandt wurde, mit "mehr als 80 % der Tätigkeiten dieser juristischen Person dienen der Ausführung von Aufgaben, die ihr von den die Kontrolle ausübenden öffentlichen Auftraggebern (...) übertragen wurden" übersetzt (Dokument 16725/1/12 REV vom 30. November 2012).
Dass es sich bei den übertragenen Aufgaben um originär dem öffentlichen Auftraggeber obliegende Aufgaben handeln muss, bestätigt Art. 2 Abs. 1 UAbs. 2 der Konzessionsvergaberichtlinie 2014/23/EU, der zum Verständnis der Regelungen über die Inhouse-Vergabe auch im Rahmen der Vergaberichtlinie herangezogen werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2019, C-285/18, NZBau 2020, 173 Rn. 47 - Stadt Kaunas). Danach können die Gebietskörperschaften wählen, ob sie "ihre Aufgaben von öffentlichem Interesse" selbst erfüllen oder "Wirtschaftsteilnehmer damit betrauen". Das Ergebnis, dass es sich um die Übertragung zum Aufgabenkreis der kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber gehörenden Aufgaben im Sinne einer, jedenfalls im weiteren Sinne Vergabe und demzufolge einer damit einhergehenden Erfüllungsverpflichtung der damit betrauten juristischen Person des Privatrechts handeln muss, steht im Einklang mit Erwägungsgrund 31 zur Vergaberichtlinie. Danach dient die Regelung zwar der Präzisierung der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, diese soll sich jedoch auf die Grundsätze stützen, die in der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dargelegt wurden. Nach dieser Rechtsprechung war - wie eingangs ausgeführt - allein der Umsatz ausschlaggebend, den das fragliche Unternehmen auf Grund der Vergabeentscheidungen, Konzessionserteilungen und anderen von der Körperschaft eingegangenen Rechtsbeziehungen der kontrollierenden Körperschaft erzielt (EuGH, Urteil vom 11. Mai 2006, C-340/04, NZBau 2006, 452 Rnrn. 65, 67 - Carbotermo).
(4) Die der Beigeladenen von der Antragsgegnerin und dem Land Nordrhein-Westfalen zugewandten institutionellen und projektbezogenen Fördermittel stellen danach keinen Umsatz und keine Kostenerstattung für Tätigkeiten der Beigeladenen dar, die der Ausführung von Aufgaben dienen, mit denen sie von der Antragsgegnerin oder dem Land Nordrhein-Westfalen betraut wurde. Die aufgrund der Zuwendungen erfolgten Forschungen sind keine Tätigkeiten der Beigeladenen, die ihr von der Antragsgegnerin und dem Land Nordrhein-Westfalen übertragen worden sind.
(a) Eine solche Aufgabenübertragung kann nicht in der Gründung der Beigeladenen durch die Antragsgegnerin und das Land Nordrhein-Westfalen mit dem in § 2 GesV festgelegten Gegenstand und Zweck der Gesellschaft gesehen werden. Nach § 2 Abs. 1 GesV ist es u.a. Aufgabe der Gesellschaft naturwissenschaftlich-technische Forschung und Entwicklung an der Schnittstelle von Mensch, Umwelt und Technologien zu betreiben und weitere nationale und internationale Aufgaben auf dem Gebiet der Grundlagen- und anwendungsnahen Forschung, insbesondere Vorsorgeforschung zu übernehmen oder sich hieran zu beteiligen. Damit wird der Beigeladenen aber keine konkrete Forschungsaufgabe übertragen, vielmehr wird ihr hierdurch lediglich eine umfassende wissenschaftliche Betätigung ermöglicht. Eine derartige (Grundlagen-)Forschung gehört zudem nicht zum Aufgabenkreis der Antragsgegnerin oder des Landes Nordrhein-Westfalen. Zum einen steht einer solchen umfassenden unmittelbaren Staatsforschung bereits die durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Freiheit der Forschung entgegen. Zum anderen obliegt der Antragsgegnerin als dem Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung ausdrücklich lediglich die Regelung der Förderung der Forschung, nach Art 91 b GG kann er mit den Ländern bei der Förderung der Forschung zusammenwirken. Eine Förderung zielt jedoch auf die Unterstützung einer fremden Tätigkeit. Gerade aus der Normierung der Förderung der Forschung Dritter als staatlicher Aufgabe folgt daher, dass die Forschung selbst nicht Aufgabe des Staates sein kann.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Bund im Rahmen evidenzbasierten Handelns wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen hat. Die Antragsgegnerin hat auch insoweit keinen eigenen Forschungsauftrag, sondern ihre Aufgabe als Normgeberin ist lediglich, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen treffen zu können (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2011, 1 BvR 1502/08, NVwZ 2011, 991 Rn. 38 - Fluglärmschutzgesetz). Hierfür werden die von anderen gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse ausgewertet. Dass sich die staatliche Genehmigungspraxis bei einer auf den "Stand von Wissenschaft und Technik" abstellenden Gesetzesvorgabe an dem nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für erforderlich Erachteten auszurichten hat (BVerfG, Beschluss vom 8. August 1978, 2 BvL 8/77, NJW 1978, 359, 362 - Schneller Brüter), gibt der Antragsgegnerin die Beachtung dieser Erkenntnisse, aber gerade nicht ihre Gewinnung auf. Daraus, dass sie als Genehmigungsbehörde bei sich widersprechenden Sachverständigengutachten in aller Regel nicht umhin kommt, zu wissenschaftlichen Streitfragen Stellung zu nehmen (BVerfG, Beschluss vom 8. August 1978, 2 BvL 8/77, NJW 1978, 359, 362 - Schneller Brüter), lässt sich ein allgemeiner Forschungsauftrag nicht ableiten. Anderes lässt sich auch aus der jüngsten, von der Beigeladenen angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht ableiten. Danach darf der Gesetzgeber zwar die bei mit erheblichen Ungewissheiten verbundenen wissenschaftlichen Erkenntnissen verbleibenden Entscheidungsspielräume nicht nach politischem Belieben ausfüllen, sondern muss den sich aus belastbare Daten ergebenden Hinweisen Rechnung tragen (BVerfG, Beschluss vom 24. März 2021, 1 BvR 2656/18, NJW 2021, 1723 Rn. 215 - Klimaschutzgesetz); er muss diese Ungewissheiten aber gerade nicht selbst einer Klärung zuführen.
Zwar schließt das Fehlen eines allgemeinen Forschungsauftrags es nicht aus, dass die Antragsgegnerin zur Vorbereitung, Unterstützung oder Umsetzung politischer Entscheidungen in den Zuständigkeitsbereich ihrer jeweiligen Ressorts fallende aktuelle gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Fragestellungen im Rahmen einer der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Entscheidungshilfen dienenden "Ressortforschung" aufgreift und insoweit auch Forschungseinrichtungen mit der Beantwortung konkreter Fragestellung beauftragt. Soweit die Antragsgegnerin diesbezüglich konkrete Forschungsaufträge an die Beigeladene vergeben haben sollte, wäre der durch diese erzielte Umsatz auch im Rahmen des Wesentlichkeitskriteriums zu berücksichtigen. Hierzu trägt sie aber nichts vor.
(b) Die Beigeladene wird nicht aufgrund der jeweiligen Zuwendungsbescheide von der Antragsgegnerin und dem Land Nordrhein-Westfalen mit der Ausführung bestimmter Forschungen betraut. Mit dem Erlass eines Zuwendungsbescheids überträgt die Antragsgegnerin keine eigene Aufgabe, sondern gewährt für eine vom Förderungsempfänger unterhaltene Einrichtung oder für ein vom Förderungsempfänger initiiertes Projekt eine finanzielle Unterstützung. Zwar sind die Zuwendungen zweckgebunden und dürfen folglich nur für bestimmte Forschungsprogramme verwendet werden. Damit ordnen die Zuwendungsgeber aber nicht - so wie für den Betrauungsakt erforderlich - aktiv dem Zuwendungsempfänger eine Aufgabe zu, die dieser auszuführen hat. Es ist nicht der Zuwendungsgeber der bestimmt, welche konkrete Forschung die Beigeladene betreiben soll. Es ist vielmehr die Beigeladene die den Inhalt und den Umfang der Forschung festlegt. Für die institutionelle Förderung entwickelt die Beigeladene ihre Forschungsprogramme, für die sie dann Fördermittel beantragt. Auch für die projektbezogene Förderung legt die Beigeladene den konkreten Forschungsgegenstand in ihrem Antrag auf Bewilligung von Fördergeldern fest. Überdies begründet der Zuwendungsbescheid keine Erfüllungsverpflichtung gegenüber der Antragsgegnerin und dem Land Nordrhein-Westfalen. Eine Zuwendung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Finanzierungsempfänger keine selbstständig durchsetzbare Verpflichtung eingeht, einen bestimmten Erfolg zu erzielen, sondern erhaltene Gelder bei nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch allenfalls zurückzahlen muss, (vgl. zur Abgrenzung Zuwendung - Auftrag: Senatsbeschluss vom 11. Juli 2018, VII-Verg 1/18, NZBau 2018, 628 Rn. 27). Der Beigeladenen ist es folglich freigestellt, von der Durchführung des Forschungsprojekts abzusehen. Im Falle der Nichtdurchführung müssen lediglich bereits erhaltene Mittel zurückgeführt werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 175 Abs. 2 i.V.m. § 71 Satz 1, Satz 2 GWB. Demnach trägt die Beigeladene die Kosten ihres unbegründeten Rechtsmittels, wobei es der Billigkeit entspricht, ihr auch die notwendigen Auslagen des Antragstellers aufzuerlegen. Neben der Beigeladenen ist aber auch die Antragsgegnerin billigerweise zur Kostentragung verpflichtet, nachdem sie sich durch die Rücknahme ihrer sofortigen Beschwerde mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2024 selbst in die Rolle der Unterlegenen begeben hat (BGH, Beschluss vom 25. September 2007, KVZ 22/07, BeckRS 2007, 17563; BGH, Beschluss vom 7.November 2006, KVR 19/06, NJW-RR 2007, 616 Rn. 2; Senatsbeschluss vom 20. Mai 2019, VII-Verg 60/18, BeckRS 2019, 44976 Rn. 6; Kühnen, in: Loewenheim/Meesen/Riesenkampff/ Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, § 78 GWB Rn. 7). Da diese Rücknahme vor Einleitung des schriftlichen Verfahrens und damit vor dem - dem Schluss der mündlichen Verhandlung entsprechenden - Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze noch eingereicht werden können, erfolgt ist, und im Verhältnis zur Antragsgegnerin infolgedessen auch keine Sachentscheidung ergeht, entspricht es der Billigkeit, die Kosten im Verhältnis 2/3 zu 1/3 zwischen der Beigeladenen und der Antragsgegnerin aufzuteilen.
Die Entscheidung über die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Demnach beträgt der Gegenstandswert fünf Prozent der Bruttoauftragssumme. Dabei ist zwar grundsätzlich auf die Summe des Angebots abzustellen, das der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren eingereicht hat, weil er mit dem Nachprüfungsantrag seine Chance auf den Auftrag wahren will (BGH, Beschluss vom 18. März 2014, NZBau 2014, 452 Rn. 7; Senatsbeschluss vom 10. Februar 2021, VII-Verg 22/20, BeckRS 2021, 8801 Rn. 56). Liegt aber - wie vorliegend - ein Angebot des Antragstellers nicht vor, ist auf den objektiven Wert des Auftrages, dessen Vergabe beabsichtigt ist, abzustellen. Hierfür bieten insbesondere die Schätzungen des Auftraggebers einen hinreichenden Anhaltspunkt. Bei einem fortgeschrittenen Verfahren können auch die in der späteren Angebotsphase von anderen Bietern erklärten Angebotspreise einen gewichtigen Anhaltspunkt für den Wert des zu vergebenden Auftrages bieten (Senatsbeschluss vom 17. Mai 2016, VII-Verg 12/16, BeckRS 2016, 13181 Rn. 3). Da vorliegend eine Direktvergabe an die Beigeladene beabsichtigt war, kann auf deren Angebot zurückgegriffen werden, das dem Senat inzwischen vorliegt.
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VK Nordbayern
Beschluss
vom 02.10.2025
RMF-SG21-3194-10-31
1. Verlangt der öffentliche Auftraggeber eine aktuell gültige EfBV-Zertifizierung, beziehen sich die Anforderungen auf den für die Leistungserbringung vorgesehenen Betriebsstandort.
2. Der Bieter muss konkrete Gründe darlegen, die den Anschein widerlegen, dass sein Angebot nicht ungewöhnlich niedrig ist. Dazu muss er seine Kalkulation und deren Grundlagen erläutern. Die Erläuterungen des Bieters müssen umfassend, in sich schlüssig und nachvollziehbar sowie gegebenenfalls durch geeignete Nachweise objektiv überprüfbar sein. Verbleibende Ungewissheiten gehen zu seinen Lasten.
3. Ist das Angebot des Bieter unauskömmlich, besteht grundsätzlich keine Verpflichtung zu einer weiteren Prüfung, ob der Bieter mit der Preisgestaltung wettbewerskonforme Ziele verfolgt und den Auftrag ordnungsgemäß ausführen kann, wenn sich der Bieter auf die Auskömmlichkeit beruft.
VK Nordbayern, Beschluss vom 02.10.2025 - RMF-SG21-3194-10-31
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle und der Beigeladenen.
3. Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung von Bevollmächtigten durch die Vergabestelle und die Beigeladene notwendig war.
4. Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt ### Euro.
5. Auslagen sind nicht angefallen.
Sachverhalt:
1. Mit Bekanntmachung vom ### leitete die VSt ein EU-weites offenes Verfahren zur Vergabe von Abfalllogistik/-entsorgungsdienstleistungen ### für den Zeitraum vom 01.01.2026 bis zum 31.12.2029 samt zwei jeweils zweijährigen Verlängerungsoptionen zu Gunsten der VSt ein. Die Ausschreibung erfolgte aufgeteilt auf zwei Lose. Im streitgegenständlichen Los 1 wurde die Sammlung von sperrigen Abfällen per Abrufsystem mit Betrieb eines Sperrmüll-Wiegesystems inkl. Sortierung von Wertstoffen (Kunststoffe, Altmetall und Altholz) ausgeschrieben. Los 2 betrifft die Sammlung von E-Geräten, Containertransporte und Gestellung einer Übergabestelle nach ElektroG.
Unter Ziffer 5.1.9 der Auftragsbekanntmachung (Eignungskriterien) wird für die gegenständliche Beschaffung u.A. eine aktuell gültige Zertifizierung nach EfBV (§ 56 KrWG), für ausländische Bieter ein gleichwertiger Nachweis verlangt.
Einziges Zuschlagkriterium ist ausweislich Ziffer 5.1.10 der Auftragsbekanntmachung der Preis.
Die Abfuhr des Sperrmülls erfolgt nach erfolgter Anmeldung im Abrufsystem. Die Bereitstellung erfolgt durch den Bürger getrennt in zwei Sorten (Altholz und Restsperrmüll). Die Abholung erfolgt innerhalb von zwei Wochen nach Anmeldung, bei Expressanmeldung erfolgt die Abfuhr innerhalb von drei Werktagen nach Anmeldung. Der Sperrmüll wird insgesamt verwogen und es werden Gebühren auf die Restsperrmüllmenge erhoben. Der Sperrmüll aus ### darf nicht gemischt mit Abfällen anderer Herkunft sortiert werden, um eine Vermischung zu vermeiden (BVB Los 1 Nr. 2.3, Nr. 8.4 sowie Nr. 18.1).
Nach erfolgter Einsammlung ist der Restsperrmüll in verschiedene Fraktionen zu sortieren (Sperrmüll zur Beseitigung, incl. Altholz AIV, Altholz Al bis III, Altmetall und Altkunststoffe (PE und PP, s. TVB Los 1 Ziffer 4.6). Die verschiedenen Fraktionen sind den von der VSt benannten Anlagen anzudienen (BVB Los 1 Nr. 2.3). Der Auftragnehmer ist zu einem sog. Fullservice-Angebot verpflichtet, muss also den Bürgern anbieten, sperrige Abfälle (kostenpflichtig) aus dem Gebäude zu bringen (BVB Los 1 Nr. 2.17).
Der Auftragnehmer ist verpflichtet, die nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und BayAbfG sowie allen anderen jetzt und künftig einschlägigen und gültigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften für die gewerbsmäßige Sammlung und den gewerbsmäßigen Transport von Abfällen notwendigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen vorzuhalten. Dazu gehört auch die Vorhaltung der Zertifizierung nach EfbV (§ 56 KrWG), ISO oder vergleichbar über die gesamte Laufzeit des Vertrags (BVB Los 1 Nr. 2.1).
Es kann die Anpassung der vereinbarten Entgelte verlangt werden, gemäß den Indizes für Tarifverdienste und Arbeitszeiten und der Erzeugerpreisindizes (BVB Los 1 Nr. 11). Dabei bleibt ein fixer Anteil X unverändert. Die Anteile L (Lohn/Gehälter), Anteil R (Reparatur/Wartung/Sonstiges) und Anteil D (Diesel/Kraftstoffe) unterliegen der Preisgleitung.
Die BGl ist jeweils Bestandsbieterin.
Nach dem Leistungsverzeichnis waren folgende Positionen zu bepreisen:

Zur Ermittlung des Wertungspreises sah das Leistungsverzeichnis folgende Formel vor:
Gemäß dem Leistungsverzeichnis weiden die Preise der Verlängerungsoptionen (2030-2033) zu 100 % gewertet.
2. Die ASt hat ein form- und fristgerechtes Angebot abgegeben.
Die ASt hat dabei ihren Fixkostenanteil mit 100 % gesetzt.
3. Mit Nachricht vom 02.04.2025 forderte die VSt die ASt zur Vorlage der Kalkulation bezogen auf die angegebenen Sortierkosten (Pos. 2 im Leistungsverzeichnis) an.
Mit Nachricht vom 03.04.2025 übermittelte die ASt die Kalkulation insoweit.
Mit Schreiben vom 07.04.2025 übermittelte die VSt der ASt weitere Fragen.
Unter anderem wurden folgende Fragen bzw. Punkte seitens der VSt aufgeworfen:
- detaillierte Anlagenbeschreibung mit Angabe der Sortierschritte, auch in Bezug auf das Vermischungsverbot.
- Angabe, von welchem Standort die Abfalleinsammlung erfolgt, Angabe, wo Abfalltransporte in der Kalkulation berücksichtigt sind bzw. Anforderung der insoweitigen Kalkulation.
- Angabe der Kalkulation der Automatisierung; Angabe, wie Sortenreinheit erreicht wird.
- Angabe, ob Kalkulation die Vertragsverlängerung und Steigerungsraten berücksichtigt.
Mit Schreiben vom 09.04.2025 antwortete die ASt hierauf.
Die ASt machte insoweit Angaben zur Systematik der Tourenplanung, zur Tagesleistung der Müllfahrzeuge, zu den vorgesehenen Einsatztagen und zu der vorgesehenen Sammellogistik.
Des Weiteren wurden zwei Referenzen angegeben.
Zur Sortierung werde die Anlage in ### genutzt, bei Störfällen die Anlage in ###.
Des Weiteren wurde erklärt, dass es in den ersten vier Jahren jährliche Lohnsteigerungen geben werde. In der restlichen Vertragslaufzeit gehe man von gleichbleibenden bzw. sinkenden Lohnkosten aus. Der Berechnungspreis der Kraftstoffkosten sehe einen Sicherheitszuschlag über die Laufzeit vor. Daneben verweise man auf den Großkundeneinkaufsvorteil.
Mit Schreiben vom 24.04.2025 lud die VSt die ASt zu einem Bietergespräch am 06.05.2025 u.A. mit dem Fachberater ein.
Über das Bietergespräch hat die ASt ein Protokoll angefertigt, das sie der VSt mit Schreiben vom 10.05.2025 übersandte. Im Anschreiben führt die ASt aus, dass sie von der Auskömmlichkeit des Angebots ausgehe; zudem wurde das Erreichen der Aufgreifschwelle bezweifelt. Weiter wurde ausgeführt, dass ein überragendes Interesse am Erhalt der zu Los 1 ausgeschriebenen Leistungen bestehe.
Laut dem Protokoll wurde insbesondere der von der ASt für die Sortierung angesetzte Sortierpreis thematisiert, der aus Sicht der VSt zu niedrig sei.
Laut dem Protokoll seien Leistungswerte vom derzeitigen Sperrmüllentsorger, der BGl, der ASt vorgelegt und besprochen worden.
Mit Schreiben vom 19.05.2025 nahm die VSt hierzu Stellung und übermittelte insbesondere Anmerkungen zum Protokoll. Die VSt gehe von einer fehlerhaften Kalkulation aus.
Mit Schreiben vom 22.05.2025 übermittelte die VSt der ASt eine Reihe von Fragen.
Insbesondere wurde die ASt zur Abgabe der Urkalkulation in Bezug auf die Abfuhrlogistik aufgefordert.
Weiter wurde insbesondere eine Stellungnahme zu den im Rahmen des Bietergesprächs übergebenen Leistungsdaten des derzeitigen Entsorgers erbeten.
Weiter wurde eine Auskunft dazu erbeten, auf welchen Referenzerfahrungen die angegebenen Leistungszahlen beruhen und warum diese auf den hiesigen Fall übertragbar sind.
Die von der ASt angegebene Sortierleistung liege deutlich über der anfallenden Sortiermenge. Es wurde abgefragt, wie sichergestellt wird, dass eine herkunftsgetrennte Sortierung erfolgt. Die Genehmigung für den Standort ### wurde angefordert.
Mit Schreiben vom 27.05.2025 antwortete die ASt hierauf.
Mit dem Schreiben wurde die Urkalkulation übermittelt.
Mit dem Schreiben wurde insbesondere ausgeführt, dass sich die Fahrzeugtechnik der ASt von der des Bestandsauftragnehmers deutlich unterscheide. Weiter wurde bestätigt, dass das vorgesehene Sammelsystem bei den genannten Referenzen bereits zum Einsatz gekommen ist. Es werde zu keinen Vermischungen mit Mengen aus anderen Herkunftsgebieten kommen. Im Hinblick auf die Thematisierung der Kapazität der angegebenen Sortieranlage werde eine herkunftsgetrennte Sortierung zugesagt. Mit dem Schreiben wurde eine Genehmigung (auszugsweise) zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur zeitweiligen Lagerung von Abfällen in ### übermittelt.
Insgesamt habe man auskömmlich kalkuliert, wäre jedoch im Hinblick auf das Interesse am Auftrag willens und als solide geführtes und finanziell rundum gesundes Unternehmen zugleich in der Lage, den Auftrag auch im Falle einer - wider Erwarten - defizitären Entwicklung durchzuführen. Es sei abschließend festzuhalten, dass im Zuschlagsfalle die ausgeschriebenen Leistungen über die gesamte Vertragslaufzeit einschließlich einer etwaigen Vertragsverlängerung ordnungsgemäß erbracht werden können.
4. Im Vergabevermerk vom 13.06.2025 wurde der vorgesehene Ausschluss der ASt bzw. der beabsichtigte Zuschlag an die VSt näher begründet.
Die Aufgreifschwelle sei erreicht. Der angegebene Angebotspreis (Jahrespreis) liege deutlich unter dem entsprechenden Preis der BGl. Der mit einer Preisentwicklungsprognose errechnete Wertungspreis der ASt liege noch einmal deutlich stärker unter dem entsprechenden Preis der BGl.
Es sei aufgefallen, dass die ASt bzgl. des Preises in Pos. 2 des LV (Sortierkosten) einen Preis in Ansatz bringe, der stark unter dem von der BGl hierfür angesetzten Preis liege. Die ASt gehe insoweit kalkulatorisch von einer hohen Gesamtjahres-Sortierleistung aus.
Es habe sich auch die Frage nach der Auskömmlichkeit bezogen auf die Preisbildung für die Sammellogistikleistung gestellt. Angesichts von Information über die Sammlung des derzeitigen Entsorgers habe die VSt die Überzeugung, dass auch die Sammellogistikleistung, wie sie die ASt vorsieht, nicht zum abgegebenen Preis erbracht werden könne. In der Folge sei es erforderlich gewesen, die Kalkulation der Logistikleistung einer Detailprüfung zu unterziehen.
Die ASt habe im Ergebnis den erforderlichen Nachweis (Verweis auf OLG Düsseldorf, U. v. 12.04.2023) bezüglich der Seriosität seines Angebots nicht erbracht. Nach Prüfung der Urkalkulation der ASt gehe die VSt davon aus, dass die von der ASt angesetzten Sammeltage nicht reichen, auch im Vergleich zur BGl. Die ASt habe zu diesem Sachverhalt nicht konkret Stellung genommen. Die von der ASt genannten Referenzen würden die erfolgte Durchführung der hier eingesetzten Sammelsystematik nicht belegen.
Die ASt habe nicht den Nachweis geführt, dass sie die angegebenen hohen Sortierleistungen erreicht. Der angegebene Sortierpreis sei nur plausibel, wenn in einer technischen Großanlage sortiert werde. Die sich für die ASt ergebende rechnerische Sortierkapazität werde durch die Ausschreibungsmenge nur zu einem kleinen Teil in Anspruch genommen. Es stelle sich die Frage, ob die Sortierung anderer Abfälle zur Kostendeckung beitragen könne.
Die Auskunft der zuständigen Stelle zu dem von der ASt benannten Standort ergebe, dass insoweit eine Sortierung derzeit nur in begrenztem Umfang möglich sei, weil die Genehmigung teilweise erloschen sei. Der Betrieb einer Sortieranlage mit dieser begrenzten Kapazität sei wirtschaftlich nicht darstellbar.
Als weitere Auffälligkeit wurde aufgeführt, dass die ASt sämtliche Kosten fix angesetzt haben, obgleich in den vorliegenden Kalkulationen u.A. von (verschiedenen) Preissteigerungen bei den Personalkosten in den ersten vier Jahren ausgegangen wird.
In der Gesamtschau habe die ASt nicht den erforderlichen und geforderten Nachweis geführt, dass die Leistung, wie sie ausgeschrieben ist, zum abgegebenen Preis erbracht werden könne. Vielmehr stütze eine Vielzahl von Erkenntnissen das vorliegende Ergebnis, dass unrealistische Annahmen den niedrigen Preis begründen. Es lägen Informationen vor, welche den Angaben des Bieters widersprechen.
In der Gesamtschau sei ein Ausschluss des Angebots zu Los 1 zwingend, da die Leistung zum abgegebenen Preis nicht erbracht werden könne.
5. Der ### der VSt beschloss am 21.07.2025, das Angebot der ASt auszuschließen und die BGl zu beauftragen. In der Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass die ASt aus Sicht der VSt nicht den erforderlichen und geforderten Nachweis führen konnte, dass die Leistung, so wie sie ausgeschrieben wurde, zum abgegebenen Preis erbracht werden könne. Die vorliegenden Erkenntnisse würden daher zu dem Ergebnis führen, dass unrealistische Annahmen den niedrigen Preis begründen würden. Aus diesem Grund sei das Angebot auszuschließen, da die Leistung zum abgegebenen Preis nicht erbracht werden könne.
6. Mit Schreiben vom 24.07.2025 teilte die VSt der ASt mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag auf die BGl zu erteilen. Der Ausschluss des Angebots der ASt sei zwingend, weil diese nicht den Nachweis geführt habe, dass die Leistung, wie sie ausgeschrieben ist, zum abgegebenen Preis erbracht werden kann. Die Begründung deckt sich im Wesentlichen mit der Begründung im Vergabevermerk.
7. Mit Schreiben vom 28.07.2025 erhob die ASt hiergegen Rüge.
Die Begründung deckt sich im Wesentlichen mit der Begründung des Nachprüfungsantrags.
8. Mit Schreiben vom 30.07.2025 wies die VSt die Rüge zurück.
9. Am 01.08.2025 stellte die ASt einen Nachprüfungsantrag und beantragte,
1. dem Antragsgegner zu untersagen, in dem europaweiten offenen Verfahren "Abfuhr sperriger Abfälle (Los 1), Abfuhr E-Schrott (Los 2)" (Kennziffer der Auftragsbekanntmachung im EU-Amtsblatt: ### Veröffentlichungsnummer der Bekanntmachung: ###) in Los 1 den Zuschlag auf das Angebot der ### zu erteilen;
2. dem Antragsgegner aufzugeben, im streitgegenständlichen Vergabeverfahren die Ablehnung der Zuschlagserteilung auf das Angebot der Antragstellerin zu Los 1 zurückzunehmen, das Vergabeverfahren bei Los 1 in den Stand der Angebotswertung zurückzuversetzen und - bei fortbestehender Beschaffungsabsicht - den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu Los 1 zu erteilen, zumindest die Preisaufklärung bzw. die im Rahmen von § 60 Abs. 3 Satz 1 VgV erforderliche Prognoseentscheidung betreffend das Angebot der Antragstellerin zu Los 1 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen;
3. der Antragstellerin gemäß § 165 GWB Einsicht in die Vergabeakten des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zu gewähren;
4. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen;
5. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten seitens der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
Es bestünden ernsthafte Zweifel daran, dass die VSt vergaberechtskonform in eine Preisprüfung eintreten durfte. Es bleibe insbesondere unklar, ob das angeführte Angebot des zweitplatzierten Bieters tauglicher Bezugspunkt for die vermeintliche Preisabweichung sein könne. Es bleibe insoweit auch offen, warum die VSt zunächst lediglich die Kalkulation hinsichtlich der Sortierkosten angefordert hat.
Die ASt habe die Preise aus ihrem Angebot zu Los 1 objektiv zufriedenstellend aufgeklärt, sodass der VSt die Ablehnung des Zuschlags auf das Angebot der ASt verwehrt sei. Die ASt habe ihre Sammelsystematik genügend erläutert. Die Leistungswerte des Bestandsauftragnehmers könnten nicht als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Die ASt habe hinreichend dargelegt, dass die zugrunde gelegten Sortierleistungen erreicht werden. Die VSt könne sich für ihre Position einer nicht zufriedenstellenden Aufklärung aufgrund unzureichend plausibilisierter Leistungswerte nicht auf den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 13.04.2023 stützen. Der Sachverhalt dieser Entscheidung - es geht um Gebäudereinigungsleistungen - sei nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Die VSt habe keine unvoreingenommene und ergebnisoffene Preisprüfung vorgenommen, sondern offensichtlich zielgerichtet auf das gewünschte Ergebnis hingearbeitet.
Es fehle an einer ordnungsgemäßen Prognoseentscheidung der VSt, dass die ASt auf Grundlage der angebotenen Preise nicht in der Lage ist, den Vertrag ordnungsgemäß zu erfüllen. Dies zeige sich insbesondere dadurch, dass die VSt im Schreiben vom 24.07.2025 davon spreche, dass der Ausschluss zwingend sei. Im Übrigen hätte eine Prognoseentscheidung vergaberechtskonform nur zu Gunsten des Angebots der ASt ausfallen müssen, zumal das Angebot der ASt als auskömmlich zu bewerten sei. Die ASt habe in den Schreiben vom 10.05.2025 und vom 27.05.2025 betont, dass sie ein überragendes Interesse am Erhalt der zu Los 1 ausgeschriebenen Leistungen habe, im Sinne eines wettbewerbskonformen Ziels. Des Weiteren habe die ASt im Schreiben vom 27.05.2025 hervorgehoben, dass sie als solide geführtes und finanziell rundum gesundes Unternehmen zugleich willens und in der Lage ist, den Auftrag - auch im Falle einer wider Erwarten -defizitären Situation bzw. Entwicklung vollumfänglich und ordnungsgemäß über die Vertragslaufzeit einschließlich einer etwaigen Verlängerung auszuführen. Dabei sei außerdem zu beachten, dass der gegenständlich zu Los 1 ausgeschriebene Auftrag im Gesamtauftragsportfolio der Antragstellerin nur einen kleinen Anteil ausmache. Gleichermaßen habe der mit dem hiesigen Auftrag erzielte bzw. erzielbare Umsatz nur einen entsprechend geringen Anteil am Gesamtumsatz der Antragstellerin. Selbst im Falle eines Defizits könne daher mit Blick auf die finanzielle Lage und die finanziellen Ressourcen der Antragstellerin kein Zweifel daran bestehen, dass die Prognose nur positiv zu Gunsten der Antragstellerin und einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung ausfallen könne.
Im Übrigen sei von Dokumentationsdefiziten auszugehen.
10. Mit Schreiben vom 05.08.2025 erwiderte die VSt hierauf und stellte folgenden Anträge:
1. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 1. August 2025 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens.
3. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner wird für notwendig erklärt.
11. Mit Schreiben vom 12.08.2025 begründete die VSt ihren Antrag näher. Im Wesentlichen wurde folgendes ausgeführt:
Die Sammelmenge müsse durch den Auftragnehmer an einem geeigneten und genehmigten Betriebsstandort in die Fraktionen Restsperrmüll, Altholz, Altmetall und Kunststoff sortiert und in Container verladen werden. Eine Vermischung der Sammelmenge mit Mengen sonstiger Herkunft sei auszuschließen, da die aussortierten Wertstofffraktionen an die durch ### im Rahmen weiterer Vergabeverfahren beauftragten Verwertungsbetriebe sortenrein angedient werden müssen.
Die Aufgreifschwelle sei erreicht. Das Angebot der BGl stelle einen tauglichen Relationsansatz dar. Es hätten keine Anhaltspunkte dafür bestanden, am Angebot der BGl zu zweifeln.
Die Preisprüfung sei ordnungsgemäß erfolgt. Nach deren Abschluss seien eine Reihe Auffälligkeiten verblieben, die die ASt nicht befriedigend habe aufklären können.
Insbesondere habe die ASt die veranschlagte Sammelleistung nicht zufriedenstellende erklären können.
Die ASt habe auch den niedrigen Sortierpreis nicht zufriedenstellend aufklären können. Für eine wirtschaftliche Sortierung bedürfte es den Angaben der ASt in der Urkalkulation nach eine deutlich höhere Sortiermenge als dort derzeit genehmigt sei.
Die ASt habe - entgegen der Vorgaben im Leistungsverzeichnis - ein Festpreisangebot angeboten und die Fixkostenanteile mit 100% beziffert. Dies, obwohl die ASt gemäß ihrer eigenen Kalkulation von Steigerungen sowohl bei Löhnen als auch beim Diesel ausgeht. Ausweislich der (Ur-) Kalkulationen beziehe sich die Steigerung lediglich auf die ersten vier Vertragsjahre. Eine Kalkulation der Folgejahre (Verlängerungsoptionen) enthalte die Kalkulation nicht. Die ASt gebe hierzu lediglich an, dass die Löhne nach Ablauf der Grundvertragslaufzeit nicht mehr steigen werden. Es sei festzustellen, dass die ASt mit der Kalkulation die Vorgaben des Preisblattes "umgehe".
Ausweislich der Angaben auf den Deckblättern der vorgelegten Urkalkulationen würden sich diese lediglich auf die Grundvertragslaufzeit von vier Jahren plus eine Verlängerungsoption beziehen. Ausgeschrieben seien neben der Grundvertragslaufzeit jedoch zwei (einseitige) Verlängerungsoptionen von jeweils zwei Jahren, die nur die VSt wahrnehmen könne. Kalkuliert seien lediglich die ersten vier Jahre Grundvertragslaufzeit, eine Kalkulation der Verlängerungsoptionen enthielten die Urkalkulationen nicht.
Zur Prognose- und Ausschlussentscheidung wurde folgendes vorgetragen:
Die VSt habe die Ergebnisse der Aufklärung und die durch die ASt eingereichten Angaben und Unterlagen umfassend gewürdigt und auf dieser Basis eine Prognose- und sodann eine Ausschlussentscheidung das Angebot der ASt betreffend getätigt. Dabei habe die VSt die Entscheidung nicht nur in einer Gesamtschau gewürdigt, sondern mit Blick auf die bestehenden Zweifel auch Rückschlüsse auf das Leistungsversprechen der ASt gezogen. Dies gehe aus der Dokumentation hervor. Dass diese Ausschlussentscheidung "zwingend" war, sei dem Umstand geschuldet, dass der Gesetzgeber in § 60 Abs. 3 Satz 1 VgV ein sog. gebundenes Ermessen bei weiterhin bestehenden Zweifeln vorgesehen habe (BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 - X ZB 10/16). Bei der Prognoseentscheidung komme der VSt ein Beurteilungsspielraum zu (OLG Hamburg, B. v. 06.09.2019, 1 Verg 3/19).
Eine Auskömmlichkeit des Angebotes unterstellt, wäre das Angebot gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 1, 4 bzw. 5 VgV auszuschließen. Denn die ASt habe sich nicht an die Vorgaben zur Kalkulation gehalten. Das Leistungsverzeichnis enthalte im Abschnitt Wertpreisberechnung klare Vorgaben zur Kalkulation. An diese Vorgabe habe sich die ASt nicht gehalten, sondern die gesamten Kosten in einen Fixkostenanteil kalkuliert.
12. Die Beiladung erfolgte am 14.08.2025.
13. Der ASt wurde am 20.08.2025 Akteneinsicht erteilt.
14. Mit Schriftsatz vom 22.08.2025 nahm die ASt erneut Stellung. Insbesondere wurde folgendes ausgeführt:
Die ASt habe mit Schreiben vom 10.05.20205 und 27.05.2025 ausdrücklich versichert, dass sie die Leistungen zu den angebotenen und aus ihrer Sicht auskömmlichen Preisen über die gesamte Vertragslaufzeit ordnungsgemäß ausführen kann und wird und zugleich auch betont, dass ein überragendes Interesse am Erhalt der zu Los 1 ausgeschriebenen Leistungen besteht. Die ASt habe im Schreiben vom 27.05.2025 auch betont, dass sie als solide geführtes und finanziell rundum gesundes Unternehmen willens und in der Lage ist, den Auftrag auch im Falle einer wider Erwarten defizitären Situation bzw. Entwicklung vollumfänglich und ordnungsgemäß über die Vertragslaufzeit einschließlich einer etwaigen Verlängerung auszuführen.
Das Erreichen der Aufgreifschwelle wird weiter bestritten.
Die Antragstellerin habe die Preise nachvollziehbar und zufriedenstellend aufgeklärt. Es werde bezweifelt, dass die VSt sich die Ergebnisse der durch den Fachberater durchgeführten Preisaufklärung zu eigen gemacht hat.
Dem Vortrag der VSt, dass die ASt nicht habe erklären können, wie sie die ihrer Kalkulation zugrundeliegende Sammelleistung erreichen könne, wurde entgegengetreten. Nach Informationen der ASt realisiere die BGl bei der Ausführung des Bestandsauftrags in erheblichem Maße Sonderleistungen auf Stundenlohnbasis.
Die Einwände der VSt gegen die benannten Referenzen seien unbegründet.
Die Anforderungen an die Sortierung seien entgegen den Behauptungen der VSt in den benannten Referenzprojekten nicht niedriger.
Die VSt habe auf Grundlage der Kalkulation der ASt errechnet, dass deren Sortierpreis kalkulatorische eine hohe Jahresmenge erfordere. Aus Sicht der VSt sei nicht ersichtlich, woher die erforderliche Menge komme. Hierzu wendet die ASt ein, dass der für die Sortierung erforderliche Standort ### im Aufbau sei und die Voraussetzungen dafür geschaffen würden, möglichst zeitnah die Mengenzielgröße zu erreichen. Bis dies erreicht sei, trage die ASt bewusst das Risiko, keinen Gewinn zu erzielen.
Der Standort ### sei für die Lagerung und die Sortierung von Sperrmüll genehmigt und geeignet. Derzeit sei eine Lagerung sowie eine Sortierung in gewisser Größenordnung pro Werktag zulässig. Es werde eine Genehmigung in deutlich erweiterter Größenordnung angestrebt. Es gebe Signale der Genehmigungsbehörde, dass von einer entsprechenden Genehmigungsfähigkeit auszugehen ist.
Hinsichtlich des von der VSt für die ASt angenommenen Fixpreisangebots könne ein Angebotsausschluss nicht begründet werden (unter Verweis auf OLG Frankfurt a. M., B. v. 01.10.2020, 11 Verg 9/20). Es obliege der Kalkulationshoheit des jeweiligen Bieters, welche Kostenbestandteile er in welchem Verhältnis fix setzt.
Es sei nicht ersichtlich, dass sich die VSt die Entscheidung ihres Fachberaters über Prognose und Ausschluss des Angebots der ASt zu eigen gemacht habe. Falls überhaupt von dem Vorliegen einer ordnungsgemäßen Prognoseentscheidung auszugehen sei, fehle es an einer ausreichenden Begründung. Insbesondere habe die VSt die Gesichtspunkte, die für eine ordnungsgemäße Leistungserbringung streiten, nicht berücksichtigt.
15. Mit Schriftsatz vom 02.09.2025 nahm die VSt erneut Stellung. Insbesondere wurde noch folgendes ausgeführt:
Die VSt habe sich die Empfehlung des Beraters mit Beschluss ### vom 21.06.2025 zu eigen gemacht.
Es bleibe dabei, dass das Angebot wegen Missachtung der Kalkulationsvorgaben auszuschließen ist. Das OLG Frankfurt a. M. gehe in der von der ASt zitierten Entscheidung davon aus, dass ein Verstoß gegen Kalkulationsvorgaben zum Ausschluss führt, habe allerdings in dem streitgegenständlichen Fall keine entsprechende Vorgabe in den Vergabeunterlagen gesehen, was vorliegend anders sei, da die im Preisblatt einzutragenden Werte explizit auch der Wertung der Angebote dienten. Die ASt habe in ihrer vorgelegten Kalkulation auch mit variablen Kosten gerechnet, was sich aber im Preisblatt nicht wiederfinde. Die ASt habe sich damit einen Wertungsvorteil verschafft.
Die ASt habe letztlich die auffällig hohe Sammelleistung nicht erklären können. In diesem Zusammenhang verkenne die ASt, dass die in Bezug auf die BGl thematisierten Sonderleistungen hier ohnehin erbracht werden müssen, da die Vergabeunterlagen hier zu einem Fullservice-Angebot verpflichten würden (Besondere Vertragsbedingungen Los 1 Nr. 2.17). Die Ausführungen bezogen auf die Plausibilisierung der Kalkulation des Preises für die Sortierung seien neu und könnten damit nach dem Abschluss der Preisprüfung keine Berücksichtigung finden. Die Immissionsschutzbehörde könne die Behauptungen in Bezug auf die Genehmigung so nicht bestätigen.
Insgesamt sei der ASt der Nachweis der Auskömmlichkeit des Angebots nicht gelungen. Vielmehr hätten sich Lücken in der Herangehensweise gezeigt, die die ASt bis zum Abschluss der Preisprüfung nicht ausräumen konnte.
Nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (B. v. 12.04.2023, Verg 26/22) würden Restzweifel bei der Aufklärung zwingend zum Ausschluss führen. Die VSt habe sehr wohl unter Berücksichtigung der Abwägungen die Prognoseentscheidung getroffen, dass eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht zu erwarten ist. Grundlage dafür seien die dokumentierten Befunde bzw. Unstimmigkeiten und Defizite in der Nachweisführung der ASt. Im Übrigen könne der Preis nach dem Vortrag des Bieters nur auskömmlich oder aus wettbewerbsökonomischen Gründen unauskömmlich sein.
16. Der BGl wurde am 04.09.2025 Akteneinsicht erteilt.
17. Mit Schriftsatz vom 1 1.09.2025 nahm die ASt erneut Stellung. Insbesondere wurde der Vortrag zu der Thematik, dass die ASt auch im Fall einer defizitären Entwicklung ordnungsgemäß leisten könne, vertieft. Die VSt habe dazu vorgetragen, dass der Preis nach dem Vortrag des Bieters nur auskömmlich oder aus wettbewerbskonformen Gründen unauskömmlich sein könne. Dem trete die ASt entgegen und ein solches ergebe sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 12.04.2023. Der Bieter könne sich auch in den Fällen, in denen er selbst von einem auskömmlichen Angebot ausgeht, zusätzlich auf wettbewerbskonforme Ziele berufen, um sich für den Fall abzusichern, dass der Auftraggeber zu der Einschätzung gelangt, dass der Preis unauskömmlich ist bzw. Zweifel hinsichtlich der Auskömmlichkeit verbleiben (unter Verweis auf VK Südbayern, B. v. 05.06.2018, Z3-3-3194-1-12-04/18). Das Angebot der ASt sei nicht wegen Missachtung der Kalkulationsvorgaben auszuschließen. Entgegen der Auffassung der VSt streite hierfür die zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. (B. v. 01.10.2020, 11 Verg 9/20). Entgegen der Auffassung der VSt sei der Vortrag der ASt im Nachprüfungsverfahren zur Thematik der Preisprüfung nicht als neu zu bezeichnen. In Bezug auf die Sammellogistik wies die ASt darauf hin, dass die nach den Vergabeunterlagen verpflichtend vorzusehenden Fullservice-Leistungen nicht während der regulären Sammeltour erbracht werden müssen.
18. Mit Schriftsatz vom 18.09.2025 nahm die BGl Stellung und beantragte,
1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 1. August 2025 zurückzuweisen;
2. der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen und Kosten der Beigeladenen, aufzuerlegen;
3. festzustellen, dass die Hinzuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter durch die Beigeladene notwendig war.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
Die BGl gehe davon aus, dass die ASt den Standort ### für die Sortierung benannt habe. Dieser verfüge jedoch nicht über eine Sortieranlage. Es werde bezweifelt, dass dieser Standort für die hier ausschreibungspflichtigen Sortierleistungen hinreichend geeignet, genehmigt und zertifiziert ist. Wenn die ASt den Standort ### nicht ursprünglich für die Leistungserbringung angeboten hätte, sondern stattdessen den Standort ###, läge eine zwischenzeitliche Angebotsänderung vor, die gem. § 15 Abs. 5 Satz 2 VgV zum Angebotsausschluss führen muss. Die ASt habe mit ihren Angebotserklärungen auch gegen die Kalkulationsvorgaben der Ausschreibung verstoßen, so dass ihr Angebot gem. § 57 Abs. 1 Nr. 1, 4 und/oder Nr. 5 VgV auszuschließen sei. Die BGl gehe davon aus, dass die ASt Preissteigerungserwartungen für variable Kosten gleichsam in den Fixkostenanteil verschoben hat. Es sei aufgrund der Struktur des Leistungsverzeichnisses und der anderweitigen Vorgaben in den Bewerbungsbedingungen unzweifelhaft, dass die Bieter für die variablen Kosten den ihnen zukommenden Anteil an der Preisgleitung in Gestalt eines Prozentsatzes zu kalkulieren und zu erklären hatten.
Zur Sammellogistik wurde ausgeführt, dass die geographische Strukturierung des Gebietes und die vertraglich vorgesehenen kurzen Abholfristen vorliegend eine Tourenplanung erschweren würden. Die thematisierten Fullservice-Leistungen würden durch gesondertes Personal der BGl erbracht. Im Übrigen werde die Sammelleistung regelmäßig nicht durch das Sammelvolumen der einzelnen Fahrzeuge, sondern durch die Zahl und Lage der Anfahrstellen limitiert.
19. Mit Schriftsatz vom 19. September 2025 nahm die VSt erneut Stellung. Im Wesentlichen wurde folgendes ausgeführt:
Die von der ASt einerseits behauptete Auskömmlichkeit und die andererseits behauptete Verfolgung wettbewerbskonformer Ziele würden sich nicht nur aus rechtlichen, sondern auch aus logischen Gründen ausschließen. Der ASt sei es im Übrigen bis heute nicht gelungen, nachvollziehbare Nachweise für ihre Auskömmlichkeit oder die Verfolgung wettbewerbskonformer Ziele vorzubringen; die ASt habe den Nachweis für die Verfolgung wettbewerbskonformer Ziele bei Unauskömmlichkeit des Angebots nicht erbracht. Die ASt habe zu ihren insoweitigen Behauptungen keine Nachweise erbracht. Der Vortrag zu dem Gesichtspunkt der Verfahrensherrschaft des ### wurde vertieft.
Der Vortrag zu dem Verstoß gegen die Kalkulationsvorgaben durch die ASt wurde vertieft. Der Vortrag zu der Genehmigungslage hinsichtlich der von der ASt benannten Sortieranlage wurde vertieft.
20. Mit Schriftsatz vom 24.09.2025 nahm die VSt erneut Stellung. Insbesondere wurde folgendes ausgeführt:
Die ASt habe mit dem Angebot lediglich ein EfbV-Zertifikat vorgelegt, das die Sortieranlage in ### gerade nicht beinhalte. Eine Abfrage des Entsorgungsfachbetrieberegisters habe ergeben, dass der Standort in ### immer noch nicht zertifiziert wurde. Die ASt habe mit ihrem Angebot eine Bescheinigung der ### vom 03. Dezember 2024 vorgelegt, aus der hervorgehe, dass der Zertifizierungsprozess diesen Standort betreffend derzeit noch andauern würde. Der Ausschluss des Angebots der ASt werde nun zusätzlich auf diesen Aspekt gestützt.
21. Mit Schriftsatz vom 24.09.2025 nahm die ASt erneut Stellung. Insbesondere wurde noch folgendes ausgeführt:
Der für die Sortierung vorgesehene Standort verfüge über alle für die Sortierung der verfahrensgegenständlichen Abfälle notwendigen Genehmigungen. Die ASt verfüge über eine EfB-Zertifizierung für alle ihre Standorte einschließlich des für die Sortierung der verfahrensgegenständlichen Abfälle vorgesehenen Standorts. Letzterer sei nach dessen Übernahme durch die ASt als bereits zuvor als Entsorgungsfachbetrieb zertifizierter Standort im üblichen Verfahren in das Efb-Zertifikat integriert und werde auch im Rahmen der anstehenden Neuausstellung im Zertifikat selbst aufgeführt werden.
22. In der mündlichen Verhandlung vom 26.09.2025 hatten die Beteiligten Gelegenheit, sich zur Sache zu äußern.
23. Mit Schriftsatz vom 30.09.2025 nahm die ASt erneut Stellung.
Es wurde die vollständige Genehmigung für den Standort ### übergeben. Weiter wurde eine Bescheinigung der ### vom 25.09.2025 betreffend den Standort ### übergeben.
Aus letzterer ergebe sich, dass der betreffende Standort- gültig bis zum 03.07.2025, mithin auch bei Angebotsabgabe - über eine andere Entsorgergemeinschaft zertifiziert war und der Standort nunmehr voraussichtlich im Oktober 2025 - mithin vor Leistungsbeginn - in das Efb-Zertifikat der Antragstellerin integriert werde.
Die ASt sei der Anforderung zur Vorlage einer aktuell gültigen Zertifizierung nach EfBV nachgekommen. Eine solche sei von der ASt unstreitig vorgelegt worden. Mit dem Wortlaut der diesbezüglichen Anforderung sei eine Auslegung dahingehend, dass von der mit Angebotsabgabe vorzulegenden Zertifizierung alle Standorte, an denen ausschreibungsgegenständliche Leistungen erbracht werden sollen, erfasst sein müssen, nicht vereinbar. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass mit dem Angebot nicht alle Standorte zu benennen gewesen seien und mithin mit einer solchen Auslegung eine abschließende Eignungsprüfung nicht möglich gewesen sei. Dafür streite auch, dass nach Ziffer 2.1 der Besonderen Vertragsbedingungen für die EfBV-Zertifizierung auf die Vertragslaufzeit abzustellen ist. Wenn die Auslegung der VSt zutreffen würde, würde es für die Eignungsprüfung im Hinblick auf Referenzen genügen, wenn die VSt schlicht die Vorlage von Referenzen fordern würde.
24. Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Verfahrensakte der Vergabekammer, das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, Bezug genommen.
Begründung:
Der zulässige Nachprüfungsantrag ist nicht begründet.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a) Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfungsverfahren nach § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 S. 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.
b) Die Vergabestelle ist öffentlicher Auftraggeber nach § 99 GWB.
c) Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 103 GWB.
d) Der Auftragswert übersteigt den Schwellenwert nach Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU (§ 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB).
Die ASt ist antragsbefugt, § 160 Abs. 2 GWB.
f) Die Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 GWB wurde beachtet.
g) Der Zuschlag wurde noch nicht erteilt, § 168 Abs. 2 S. 1 GWB.
2. Der Nachprüfungsantrag ist nicht begründet.
a) Der Ausschluss des Angebots der ASt wegen fehlender Eignung stellt keinen Vergaberechtsverstoß dar.
Ziffer 5.1.9 der Auftragsbekanntmachung verlangt für die gegenständliche Beschaffung eine aktuell gültige Zertifizierung nach EfBV (§ 56 KrWG), für ausländische Bieter einen gleichwertigen Nachweis.
Die Auftragsbekanntmachung ist nach dem objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bieter auszulegen (BGH, B. v. 07.01.2014, X ZB 15/13; OLG München, B. v. 21.04.2017, Verg 2/17). Es geht also darum, wie die betroffenen Fachkreise, also Unternehmen, die sich in der Branche der hier ausgeschriebenen Leistungen bewegen, diese Anforderung verstehen durften. Nach diesem Maßstab war die Anforderung hier so zu verstehen, dass das vorzulegende Zertifikat die für die Leistung vorgesehenen Standorte beinhaltet.
Das Entsorgungsfachbetriebezertifikat ist sowohl betriebs- als auch standortbezogen. Denn nach § 56 Abs. 3 S. 1 KrWG werden neben Anforderungen hinsichtlich der Zuverlässigkeit und der Fach- und Sachkunde des Personals auch Anforderungen hinsichtlich der Organisation, und der gerätetechnischen und sonstigen Ausstattung gestellt, die sich nach dem Wortsinn auf einen bestimmten Standort richten. Beispielsweise ist nach S. 4 Abs. 1 EfbV für jeden Standort eine Person für Leitung und Aufsicht zu bestellen. Weiterhin ist für jeden Standort ein Betriebstagebuch zu führen, § 5 Abs. 1 EfbV. Weiterhin gibt § 56 Abs. 3 S. 2 KrWG vor, dass in dem Zertifikat die zertifizierten Tätigkeiten des Betriebes, insbesondere bezogen auf seine Standorte und Anlagen genau zu bezeichnen sind. Schließlich ist für das Zertifikat vorgesehen, dass die Standorte im Zertifikat jeweils getrennt in je einer einzelnen Anlage aufzuführen sind. Weiter ist vorgesehen, dass die zertifizierten Tätigkeiten für jeden Standort gesondert aufzuführen sind, s. den amtlichen Vordruck nach Anlage 3 zu S 25 EfbV. Somit werden die inhaltlichen Anforderungen jeweils für die einzelnen Standorte des Betriebes zertifiziert.
Angesichts dieser Anforderungen bzw. dieser Vorgaben für den Zertifizierungsprozess, die Unternehmen, die sich derartigen Zertifizierungen unterziehen, bekannt sein müssen, bezieht sich die Anforderung der Vorlage eines aktuell gültigen EfB-Zertifikats auf die für die Leistungserbringung vorgesehenen Standorte. Dafür spricht der Sinn und Zweck der Anforderung und der rechtliche und fachliche Hintergrund der EfB-Zertifizierung. Damit werden bestimmte Anforderungen definiert, die gerade auch für die Standorte gestellt werden. Der Beleg dieser Anforderungen, das Zertifikat, wäre vor diesem Hintergrund für die VSt sinnentleert, wenn er nicht den für die Leistungserbringung vorgesehenen Standort umfassen würde. Dieses Verständnis steht mit dem Wortlaut der Anforderung in Einklang.
Diesem Ergebnis steht der Einwand der ASt nicht entgegen, dass auch gegenüber fachkundigen Bietern bei der Forderung von Referenzen regelmäßig nähere Festlegungen in der Auftragsbekanntmachung erforderlich sind. Denn hinsichtlich der Festlegung von Referenzanforderungen besteht ein gewisser Spielraum, während die Anforderungen an ein EfB-Zertifikat durch den Gesetzgeber detailliert festgelegt sind.
Da es der VSt darum geht, dass die zur Leistungserbringung vorgesehenen Standorte mit der Zertifizierung gewissen Standards entsprechen, gilt dieses Verständnis unabhängig davon, dass die Standorte nicht explizit abgefragt wurden und ggf. erst später bekannt werden. Im Rahmen der - berechtigten - Preisaufklärung hat die ASt ihr Angebot dahingehend konkretisiert, dass die Leistungserbringung vom Standort ### erfolge. Diese Angabe wird damit Vertragsbestandteil (s. auch Ziffer 1.3 der Besonderen Vertragsbedingungen). Die Tatsache, dass von den Bietern zunächst keine expliziten Angaben zu den Standorten gefordert wurden, entbindet diese nicht davon, die geforderten Anforderungen für die von den Bietern für die Leistungsausführung vorgesehenen Standorte einzuhalten. Weiterhin ist auch eine abschließende Eignungsprüfung möglich, wenn die Standorte (zunächst) nicht bekannt sind; umgekehrt ist die VSt aber auch nicht gehindert, in die Eignungsprüfung erneut einzutreten, wenn Informationen betreffend die Eignung noch bekannt werden (jedenfalls im offenen Verfahren besteht kein Vertrauensschutz hinsichtlich einer durchgeführten Eignungsprüfung, s. BGH, B. v. 07.01.2014, X ZB 15/13). In zeitlicher Hinsicht ergibt sich aus der Formulierung "aktuell", dass das für die Leistungserbringung vorgesehene Zertifikat zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe vorliegen muss. Dieses Verständnis ist vor dem Gesichtspunkt der Prüfbarkeit durch die VSt plausibel, zumal Zertifizierungen längere Zeit in Anspruch nehmen können. Das zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe durch die ASt vorgelegte EfB-Zertifikat umfasst den Standort ### nicht. Daran ändert auch die mit dem Angebot vorgelegte Stellungnahme des Zertifizierers vom 03.12.2024 nichts. Denn diese betrifft nicht das EfB-Zertifikat selbst für den Standort ###, sondern betrifft lediglich die vorgesehene Einbeziehung dieses Standorts In das E -Zertifikat, die zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe ausweislich der Stellungnahme noch nicht vollzogen war. An diesem Ergebnis ändert auch die nachgereichte Stellungnahme des Zertifizierers vom 25.09.2025 nichts. Auch diese weist keine Zertifizierung für den Standort ### um Zeitpunkt der Angebotsabgabe für die ASt aus.
Die Kammer ist überdies der Auffassung, dass die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz eine inhaltliche Nachbesserung von Unterlagen verbieten (OLG München, B. v. 21.04.2017, Verg 2/17; Ziekow/Völlink, § 56 VgV, Rn. 23). Auch diese Grundsätze sprechen letztlich dafür, dass grundsätzlich Eignungskriterien mit der Angebotsabgabe inhaltlich erfüllt werden müssen.
Diesem Verständnis steht die Formulierung, dass Zertifizierungen nach EfBV über die gesamte Laufzeit des Vertrages vorzuhalten sind (Ziffer 2.1 der Besonderen Vertragsbedingungen) nicht entgegen. Zunächst sind Anforderungen in der Bekanntmachung vorrangig gegenüber Anforderungen in den Vergabeunterlagen, zumal wenn die Auslegung aufgrund des Textes in der Bekanntmachung eindeutig ist. Es besteht allerdings vorliegend auch kein Widerspruch. Die in der zitierten Ziffer 2.1 aufgestellte vertragliche Anforderung, dass u. A. die Zertifizierung während der Laufzeit des Vertrages vorgehalten werden muss, ist angesichts der begrenzten Gültigkeitsdauer eines EfB-Zertifikats (§ 56 Abs. 3 KrWG) plausibel. Dies spricht nicht dagegen, das Vorhandensein eines solchen Zertifikats als Eignungskriterium aufzustellen und die Vorlage mit dem Angebot zu verlangen, um eine Prüfung zu ermöglichen.
b) Der von der VSt mit Nichteinhaltung der Kalkulationsvorgaben begründete und auf § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV gestützte Angebotsausschluss hält einer vergaberechtlichen Nachprüfung stand.
Das Leistungsverzeichnis enthält hinsichtlich der Eintragung des jährlichen Gesamtpreises Felder für den Anteil der Fixkosten, des Anteils Lohn/Gehälter, des Anteils Reparatur/Wartung/Sonstiges und des Anteils Kraftstoff. Diese vier Werte werden Vertragsbestandteil für die Preisanpassungsklausel. Zudem sind die Werte bedeutsam für die Wertungspreisberechnung. Für die Werte mit Ausnahme des Wertes für Fixkosten sind Preissteigerungsraten festgelegt, die der Berechnung des Wertungspreises dienen. Es kann dabei offenbleiben, ob das Leistungsverzeichnis damit Vorgaben trifft, in welchem Ausmaß Eintragungen bei den verschiedenen Werten vorzunehmen sind bzw. ob damit vorgegeben wird, dass bei allen Werten Eintragungen vorzusehen sind oder ob Bietern beispielsweise ermöglicht wird, ganz oder zu einem gewissen Teil Kosten als fix anzusetzen.
Denn nach Auffassung der Vergabekammer triff das Leistungsverzeichnis insoweit zumindest die Vorgabe, dass Kosten insoweit nicht den Fixkosten zugeordnet werden dürfen, wenn der Bieter insoweit selbst von Preissteigerungen ausgeht. Insofern verletzt der Bieter die Vorgabe der angeforderten Eintragungen und macht keine kalkulationsentsprechenden Angaben (in der von der ASt insoweit zu ihren Gunsten angeführten Entscheidung des OLG Frankfurt a. M., B. v. 01.10.2020, 11 Verg 9/20 bestand keine Abweichung zwischen der tatsächlichen und der angegebenen Gewichtung im Angebot des betreffenden Bieters).
So liegt der Fall hier. Die ASt hat keine Eintragung für den Wert Lohn/Gehälter vorgenommen. Die ASt geht jedoch in ihrer zu Position 2 vorgelegten Kalkulation von jährlichen Preissteigerungen für Personalkosten für die ersten vier Jahre aus. Die ASt geht auch in ihrer mit Schreiben vom 27.05.2025 übermittelten Kalkulation (in anderem Umfang) von Preissteigerungen für Personalkosten für die ersten vier Jahre aus.
c) Der Ausschluss des Angebots der ASt wegen Unauskömmlichkeit begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Gem. § 60 Abs. 3 S. 1 VgV darf der öffentliche Auftraggeber nach Prüfung bzw. Preisaufklärung den Zuschlag auf ein Angebot ablehnen, wenn ihm nach der Prüfung der Preis dieses Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheint und der Bieter die geringe Höhe des angebotenen Preises nicht zufriedenstellend aufklären kann.
Die VSt prüft die Angemessenheit des Preises anhand der im Zusammenhang mit der Angebotseinreichung vorliegenden oder angeforderten Unterlagen über die Preisermittlung des betreffenden Bieters. Reicht dies nicht aus, um die Angemessenheit befriedigend beurteilen zu können, gibt die VSt dem Bieter Gelegenheit, den Nachweis der Seriosität seines Angebots zu erbringen.
Dabei ist zu beachten, dass es Sache des Bieters ist, den Nachweis der Seriosität seines Angebots zu erbringen. Der Bieter muss konkrete Gründe darlegen, die den Anschein widerlegen, dass sein Angebot nicht seriös ist. Dazu muss er seine Kalkulation und deren Grundlagen erläutern. Die Erläuterungen des Bieters müssen umfassend, in sich schlüssig und nachvollziehbar sowie gegebenenfalls durch geeignete Nachweise objektiv überprüfbar sein. Verbleibende Ungewissheiten gehen zu seinen Lasten. (OLG Düsseldorf, B. v. 12.03.2023, Verg 26/22; Ziekow/Völlink, § 60 VgV, Rn. 8).
Ein Missverhältnis zwischen Preis und Leistung ist zu verneinen, sofern das betreffende Angebot tatsächlich auskömmlich, also kein Unterkostenangebot ist, oder zwar unauskömmlich ist, der betreffende Bieter mit der Preisgestaltung aber wettbewerbskonforme Ziele verfolgt, wie zum Beispiel das Bestreben, auf einem bislang nicht zugänglichen Markt oder bei einem bestimmten Auftraggeber mit einem Angebot Fuß zu fassen oder in prekärer Unternehmenslage einen Deckungsbeitrag zu den Gemeinkosten zu erzielen und der Bieter trotz Unauskömmlichkeit die Zuverlässigkeit nachweisen kann, den Auftrag bis zu einer längstmöglichen vertraglichen Befristung ordnungsgemäß auszuführen (OLG Düsseldorf a.a.O.).
Kann der öffentliche Auftraggeber die geringe Höhe des angebotenen Preises nicht zufriedenstellend aufklären, darf er den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen, § 60 Abs. 3 VgV. Die Berechtigung, den Zuschlag auf solche Angebote abzulehnen trägt dem Anliegen des Vergabewettbewerbs Rechnung, die wirtschaftlichste Beschaffung zu realisieren. Unangemessen niedrige Angebotspreise bergen insoweit gesteigerte Risiken, die sich in vielfältiger Weise verwirklichen können. Der Auftragnehmer kann infolge der zu geringen Vergütung in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und den Auftrag deshalb nicht vollständig ausführen. Der Schutz der öffentlichen Interessen setzt aber nicht erst bei derart gravierenden Gefährdungen ein. Öffentliche Interessen sind in schützenswerter Weise auch dadurch gefährdet, dass der betreffende Anbieter in Anbetracht des zu niedrigen Preises versuchen könnte, sich des Auftrags so unaufwändig wie möglich und insoweit auch nicht vertragsgerecht zu entledigen, durch möglichst viele Nachträge Kompensation zu erhalten oder die Ressourcen seines Unternehmens auf besser bezahlte Aufträge zu verlagern, sobald sich die Möglichkeit dazu bietet (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Die Entscheidung darüber, ob der Angebotspreis angemessen und der Bieter in der Lage ist, den Vertrag ordnungsgemäß durchzuführen, prognostiziert die VSt aufgrund gesicherter tatsächlicher Erkenntnisse, wobei ihr ein von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbarer Wertungsspielraum zukommt (OLG Düsseldorf a.a.O.). Die Nachprüfungsinstanzen bewerten nicht, ob das Angebot des Bielers auskömmlich ist oder nicht, sondern ob die Entscheidung der VSt auf Basis eines zutreffend und hinreichend ermittelten Sachverhalts und einer gesicherten Erkenntnisgrundlage getroffen wurde und im Ergebnis nachvollziehbar und vertretbar ist (Ziekow/Völlink, § 60 VgV, Rn. 14d).
Dem Auftraggeber ist ein rechtlich gebundenes Ermessen eingeräumt. Die Verwendung des Verbs "dürfen" in § 60 Abs. 3 VgV ist nicht so zu verstehen, dass es im Belieben des Auftraggebers stünde, den Auftrag trotz weiterbestehender Ungereimtheiten doch an den betreffenden Bieter zu vergeben. Die Ablehnung des Zuschlags ist vielmehr grundsätzlich geboten, wenn der Auftraggeber verbleibende Ungewissheiten nicht zufriedenstellend aufklären kann (OLG Düsseldorf, a.a.O.)
aa) In der Rechtsprechung der Vergabesenate sind Aufgreifschwellen anerkannt, bei deren Erreichen eine Verpflichtung des Auftraggebers angenommen wird, in eine nähere Prüfung der Preisbildung des fraglichen Angebots einzutreten. Diese Aufgreifschwelle ist nach der Rechtsprechung in der Regel bei einem Preisabstand von 20 Prozent zum nächsthöheren Angebot erreicht. Als Bezugspunkt kommt auch der Abstand zur Auftragswertschätzung in Betracht (OLG Düsseldorf, B. v. 12.03.2023, Verg 26/22).
Nach diesen Maßstäben ist hier die Aufgreifschwelle erreicht. Der bezifferte Abstand ist sowohl in Bezug auf die Jahrespreise als auch in Bezug auf die Wertungspreise deutlich überschritten; der Preisabstand gegenüber dem drittplatzierten Bieter liegt noch einmal darüber. Die Aufgreifschwelle wäre auch im Verhältnis zur Auftragswertschätzung deutlich überschritten.
bb) Die VSt ist hier - für die Kammer nachvollziehbar - von einem Unterkostenangebot ausgegangen.
Die VSt ist gem. Vermerk ihres Fachberaters vom 13.06.2025, den sich die VSt jedenfalls mit dem Kreistagsbeschluss vom 21.07.2025 zu eigen gemacht hat, von einem Unterkostenangebot ausgegangen.
Die Entscheidung ist im Vermerk vom 13.06.2025 ausführlich begründet. Die VSt hat ausführlich begründet, welche Zweifel an der Auskömmlichkeit des Angebots bzw. der Kalkulation auch nach Durchführung einer Aufklärung verbleiben.
Die VSt hat insoweit dokumentiert, welche Zweifel aus ihrer Sicht hinsichtlich des Preises für die Sortierung (Ziffer 2 des Leistungsverzeichnisses) und die insoweitige Kalkulation bestehen. Die VSt hat anhand der in der insoweit vorgelegten Kalkulation vorgesehenen Arbeitsstunden für die Kammer nachvollziehbar beziffert, dass die Kalkulation von einer Sortiermenge ausgeht, die deutlich über die hier nach der Ausschreibung anfallende Menge hinausgeht. Die ASt wurde hierzu mit Schreiben vom 22.05.2025 angehört und ist dem im Antwortschreiben vom 27.05.2025 und auch im weiteren Vortrag nicht substantiiert entgegengetreten. Des Weiteren hat die VSt ihre insoweitigen Zweifel aus Sicht der Kammer nachvollziehbar insbesondere damit begründet, dass die Genehmigungssituation des Standortes ### nur einen geringen Teil der Sortierkapazität bzw. Sortiermenge, die der Kalkulation zugrunde liegt, hergibt. Diese Zweifel an der Auskömmlichkeit hat die ASt nicht mit ihrem späteren nicht weiter substantiierten und belegten Vortrag, dass eine deutliche Ausweitung der Kapazitäten des Standorts ### auf die Zielgröße angestrebt sei und dass eine deutliche Ausweitung der Genehmigung über den derzeit von der VSt angegebenen genehmigten Sortierumfang angestrebt sei, widerlegt.
Die VSt hat insoweit ausführlich dokumentiert, welche Zweifel an der Auskömmlichkeit im Hinblick auf die Sammellogistik bestehen. Die VSt geht insoweit davon aus, dass die von der ASt angesetzte tägliche Sammelleistung unrealistisch hoch sei und nicht zu bewerkstelligen sei. Sie zieht dabei einen Vergleich zu den Leistungswerten des Bestandsauftragnehmers. Die ASt hatte der VSt dazu auf Nachfrage mit Schreiben vom 09.04.2025 ihre Sammellogistik geschildert und auch die täglichen Leistungsangaben genannt. Die ASt wurde von der VSt hierzu mit Schreiben vom 22.05.2025 angehört. Die ASt verwies insoweit zur Erklärung ihrer von der BGl abweichenden Leistungswerte auf den Einsatz einer anderen Fahrzeugtechnik, nahm dies jedoch in der mündlichen Verhandlung zurück. Die VSt hat auch Besonderheiten des Abfuhrgebiets wie kurze Abholfristen und die erforderlichen langen Strecken herausgestellt. Zu dem Einwand der ASt, dass die BGl nach ihrer Kenntnis in erheblichem Maße Sonderleistungen erbringe, hat diese irr der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass der nach den Ausschreibungsunterlagen geschuldete Transport der Abfälle von der Haushaltung zum Bereitstellungspunkt (Nr. 2.17 TVB) seitens der BGl durch gesondertes Personal und nicht durch das Personal des Sammelfahrzeugs erbracht werden. Die Einwände der ASt können die von der VSt aufgeführten Zweifel nicht entkräften.
Die VSt hat als Auffälligkeit der Kalkulation als Widerspruch festgestellt, dass die. ASt ihre Fixkostenanteile mit 100 % beziffert, obwohl bei den Kalkulationen von Steigerungen bei den Löhnen ausgegangen wird. Als Unklarheit wurde auch aufgeführt, dass die kalkulierte Lohnsteigerung in den von der ASt vorgelegten beiden Kalkulationen eine andere Größe hat, weiterhin, dass in den Zeiträumen der Verlängerungsoptionen dagegen nicht von Lohnsteigerungen ausgegangen wird. Die VSt hat im Hinblick auf die Bezifferung der Fixkostenanteile mit .100 % herausgestellt, dass dadurch die Preisdifferenz zwischen den Angeboten der ASt und der BG! über die Gesamtzeit weiter zunimmt und dass die Differenz zwischen dem Aufwand für die zu erbringende Leistung und der vertraglichen Vergütung weiter ansteigen wird. Die VSt hat weiterhin festgestellt, dass die VSt lediglich eine Kalkulation vorgelegt habet die die ersten vier Jahre des Vertragszeitraums betrifft.
Insgesamt erachtet die Kammer daher die Entscheidung der VSt, das Angebot der ASt nach durchgeführter Angebotsauswertung als unauskömmlich zu bewerten, für nachvollziehbar und von dem Wertungsspielraum der VSt gedeckt, zumal nach den dargestellten Grundsätzen die ASt in der Nachweispflicht ist und verbleibende Ungewissheiten zu ihren Lasten gehen.
cc) Die von der VSt aufgrund ihrer Einschätzung zur Unauskömmlichkeit des Angebots aufgrund der von der VSt aufgeworfenen Zweifel getroffene Prognoseentscheidung, dass die Leistung nicht zum abgegebenen Preis erbracht werden kann, ist aus Sicht der Kammer nachvollziehbar.
Nach Auffassung der Kammer war insoweit eine weitere Prüfung der Frage, ob die ASt trotz Unauskömmlichkeit die Zuverlässigkeit nachweisen kann, den Auftrag bis zu einer längstmöglichen vertraglichen Bindung ordnungsgemäß auszuführen, weil der Bieter mit der Preisgestaltung wettbewerbskonforme Ziele verfolgt, nicht erforderlich.
Denn nach Auffassung der Kammer ist eine Prüfung und Prognoseentscheidung insoweit grundsätzlich nicht erforderlich, wenn sich der Bieter auf die Auskömmlichkeit beruft. Dies liegt nach Auffassung der Kammer in der skizzierten Nachweispflicht und Beweislastverteilung im Rahmen der Preisaufklärung begründet; der Vortrag des Bieters muss überprüfbar sein. Dies liegt auch in der skizzierten Anforderung begründet, dass der Vortrag des Bieters im Rahmen der Preisaufklärung schlüssig und nachvollziehbar sein muss (OLG Düsseldorf, B. v. 12.03.2023, Verg 26/22; Ziekow/Völlink, § 60 VgV, Rn. 8). Aus diesen Gründen ist das von der Rechtsprechung aufgestellte Alternativverhältnis, wonach ein Missverhältnis zwischen Preis und Leistung bei Auskömmlichkeit oder Zuverlässigkeit trotz Unauskömmlichkeit wegen wettbewerbskonformer Gründe (OLG Düsseldorf a.a.O.) nicht vorliegt, so zu deuten, dass eine Prüfung der Zuverlässigkeit Pei Unauskömmlichkeit grundsätzlich nicht erfolgen muss, wenn sich der Bieter auf die Auskömmlichkeit beruft. Insbesondere ist insoweit eine Prüfung und Prognoseentscheidung zur Frage der Zuverlässigkeit trotz Unauskömmlichkeit nach Auffassung der Kammer nicht möglich, wenn der VSt eine Kalkulation vorliegt, die den Fall der Auskömmlichkeit betrifft. Die VSt kann dann das Risiko für die ordnungsgemäße Vertragserfüllung unter Berücksichtigung der vom Bieter für die Rechtfertigung der Unauskömmlichkeit vorgetragenen Gründe grundsätzlich nicht ordnungsgemäß abschätzen, wenn sie nicht die Höhe des kalkulierten Defizits kennt. Aufgrund der Nachweispflicht des Bieters kann diese Unschärfe nicht zulasten der VSt gehen und diese istgrundsätzlich nicht gehalten, in dieser Situation eine weitere Prüfung und Prognose wettbewerblicher Gründe zur Rechtfertigung der Unauskömmlichkeit vorzunehmen. Ein Vortrag, der sich - wenn auch nur hilfsweise - neben der Auskömmlichkeit auch auf die Zuverlässigkeit bei Unauskömmlichkeit stützt, ist grundsätzlich unschlüssig und widersprüchlich. Der vorliegende Fall ist dergestalt, dass die Kammer nach den dargestellten Grundsätzen zu einer weiteren Prüfung und Durchführung einer Prognoseentschejdung hinsichtlich von Gründen, die für die Rechtfertigung eines unauskömmlichen Angebots streiten, nicht verpflichtet war. Denn die von der VSt vorgelegte Kalkulation basiert auf dem Erzielen eines Gewinns. Die ASt hat diese Kalkulation und deren Richtigkeit im Verfahren verteidigt. Die ASt hat sich im Rahmen der Preisaufklärung auf Nachfrage auf die Auskömmlichkeit des Angebdts berufen (Schreiben vom 10.05.2025 und 27.05.2025). Auch im Nachprüfungsverfahren streitet die ASt für die Auskömmlichkeit. Die Abschätung des Risikos für die Vertragsausführung bei Unauskömmlichkeit angesichts dieses in die andere Richtung gerichteten Vortrags ist daher erschwert.
Aus den genannten Gründen kommt die Kammer auch im Hinblick auf die von der ASt zitierte Entscheidung der VK Südbayern (B. v. 05.06.2018, Z3-3-3194-1-12-04/18) zu der genannten Auffassung, dass grundsätzlich keine Verpflichtung zur Prüfung der Zuverlässigkeit bei Unauskömmlichkeit besteht, wenn sich der Bieter auf die Auskömmlichkeit beruft. Ungeachtet dessen steht die Entscheidung der VK Südbayern zu dieser Rechtsauffassung auch nicht in Widerspruch. Denn in dem von der VK Südbayern entschiedenen Falt ist die VSt von einer Auskömmlichkeit des Angebots ausgegangen. Die weiter angestellten hilfsweisen Überlegungen zur Durchführung des Auftrags im Fall der Unauskömmlichkeit gingen dort, soweit ersichtlich, von der VSt aus. Sie betreffen den hypothetischen Fall, dass ein Einnahmebestandteil, der bereits mit einem Sicherheitsabschlag bedacht ist, nicht zum Tragen kommt, wenn es insoweit nicht zu Einnahmen kommt. Dies war für die VSt abschätzbar, da dieser Einnahmebestandteil in der Kalkulation ausgewiesen war; der Fall des Nichteintritts von Einnahmen (Ausbleiben von ärztlichen Behandlungen am Oktoberfest) war weder von einem Handeln der VSt noch des Bieters abhängig. Die Entscheidung ist auch deswegen nicht übertragbar, da die VSt in ihrer Prognoseentscheidung maßgeblich auf das mit dem Auftrag verbundene Prestige, die Einzigartigkeit der Referenz und die erstmalige Übernahme des Auftrags, der seit weit über 100 Jahren von einem Konkurrenten durchgeführt wird, abgestellt hat. Die Entscheidung dürfte somit einen singulären Fall betreffen.
Aus den genannten Gründen kommt es für die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung der VSt, dass vorliegend die Ordnungsmäßigkeit der Vertragsausführung nicht erwartet werden kann, nicht mehr auf die Einschätzung der VSt zu den hilfsweise vorgetragenen Argumenten der ASt für die Rechtfertigung eines etwaig unauskömmlichen Angebots an. Die VSt hatte insoweit mit Schriftsatz vom 19.09.2025 vorgetragen, dass der Vortrag zum gewünschten Ausbau des Standorts ### nicht belegt sei; die ASt habe keine Belege zur Auslastung aus anderen Aufträgen und zu Genehmigungsanträgen vorgelegt. Der Genehmigungsbehörde des ### liege noch kein Genehmigungsantrag vor. Nach der Rechtsprechung käme es im Rahmen der Prognoseentscheidung nicht nur auf den Aspekt der wirtschaftlichen Schwierigkeiten an. Öffentliche Interessen sind in schützenswerter Weise auch dadurch gefährdet, dass der betreffende Anbieter in Anbetracht des zu niedrigen Preises versuchen könnte, sich des Auftrags so unaufwändig wie möglich und insoweit auch nicht vertragsgerecht zu entledigen, durch möglichst viele Nachträge Kompensation zu erhalten oder die Ressourcen seines Unternehmens auf besser bezahlte Aufträge zu verlagern, sobald sich die Möglichkeit dazu bietet (OLG Düsseldorf, B. v. 12.03.2023, Verg 26/22).
Aufgrund dieser Umstände ist die von der VSt getroffene Ausschluss- und Prognoseentscheidung im Hinblick auf den Aspekt der Unauskömmlichkeit für die Kammer nachvollziehbar. Die Ermessensausübung war nach Auffassung der Kammer korrekt. Die VSt hat die Gründe, die aus ihrer Sicht für den fehlenden Nachweis der Auskömmlichkeit sprechen, ausführlich hergeleitet. Darauf nimmt die Schlussfolgerung Bezug. Angesichts des rechtlich gebundenen Ermessens im Rahmen des § 60 Abs. 3 VgV ist die Entscheidung der VSt auch im Ergebnis ermessensgerecht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
a) Die ASt trägt die Kosten des Verfahrens, weil sie mit ihren Anträgen unterlegen ist (§ 182 Abs. 3 Satz 1 GWB).
b) Die Kostenerstattungspflicht gegenüber der VSt und der BGl ergibt sich aus § 182 Abs. 4 GWB.
c) Die Hinzuziehung von Bevollmächtigten war für die VSt und die BGl notwendig (§ 182 Abs. 4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG entspr.).
Es handelt sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach gelagerten Fall, so dass es der VSt und der BGl nicht zuzumuten war, das Verfahren vor der Vergabekammer selbst zu führen. Auch die ASt war gleichermaßen rechtsanwaltlich vertreten.
d) Die Gebühr war nach § 182 Abs. 2 GWB festzusetzen. Im Hinblick auf die Bruttoangebotssumme der Ast und unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von ### Euro Hinsichtlich des von den Verlängerungsoptionen erfassten Zeitraums (letzte vier Jahre) wurde die Bruttoangebotssumme mit 50 % berücksichtigt.
e) Der von der ASt geleistete Kostenvorschuss von 2.500,- Euro wird mit der zu zahlenden Gebühr verrechnet. Die ASt erhält über den Differenzbetrag eine Kostenrechnung i.H.v. ### Euro.
"Anmerkung" = Rüge?
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VK Sachsen-Anhalt
Beschluss
vom 07.04.2025
3 VK LSA 47-49/24
1. Die Antragsbefugnis fehlt, soweit der Antragsteller sich nur auf eine Absicht des Antragsgegners beruft, das Vergabeverfahren aufzuheben - insoweit ist weder ein Schaden bereits entstanden, noch droht ein solcher zu entstehen.*)
2. Für eine Rüge muss nach dem objektiven Empfängerhorizont dem betreffenden Vorbringen zweifelsfrei zu entnehmen sein, welcher Sachverhalt für vergaberechtswidrig gehalten und dass "Abhilfe" verlangt bzw. erwartet wird. Der Rügende muss eine ernsthafte, verbindliche und/oder konkrete vergaberechtliche "Beanstandung" zum Ausdruck bringen. Der Vergabestelle soll die Möglichkeit der Korrektur gegeben werden. Eine bloße Anmerkung oder die Äußerung einer Rechtsauffassung ist noch keine Rüge.*)
3. In den Fällen einer Präklusion aufgrund nicht erhobener Rüge ist auch das Vorbringen gegen einen Ausschluss wegen der nicht/nicht rechtzeitig gerügten Umstände ebenfalls präkludiert. Hier haben sich die vermeintlichen Vergaberechtsverstöße lediglich fortgesetzt.*)
VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.04.2025 - 3 VK LSA 47-49/24
Tenor:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens für die Amtshandlungen der Nachprüfungsbehörde.
3. Die Verfahrenskosten beziffern sich auf 750,00 Euro.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin schrieb im Wege der Öffentlichen Ausschreibung auf Grundlage der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) - Ausgabe 2019 das Vorhaben "Ausbau [...]" aus.
Die Schätzung des Gesamtauftragswertes belief sich auf einen Betrag in Höhe von [...] Euro netto.
Die öffentliche Bekanntmachung erfolgte u. a. am 17.07.2024 im eVergabe-Portal www.evergabeonline.de.
Die ausgeschriebene Leistung wurde in drei Lose aufgeteilt.
Der Bekanntmachung war unter Buchstabe w) hinsichtlich der Beurteilung der Eignung zu entnehmen:
"Präqualifizierte Unternehmen führen den Nachweis der Eignung durch den Eintrag in die Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. (Präqualifikationsverzeichnis). Bei Einsatz von Nachunternehmen ist auf gesondertes Verlangen nachzuweisen, dass diese präqualifiziert sind oder die Voraussetzung für die Präqualifikation erfüllen.
[...]
Sind die Nachunternehmen präqualifiziert, reicht die Angabe der Nummer, unter der diese in der Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. (Präqualifikationsverzeichnis) geführt werden. [...]
Darüber hinaus hat der Bieter zum Nachweis seiner Fachkunde folgende Angaben gemäß § 6a Abs.
3 VOB/A zu machen:
[...]
Auf gesondertes Verlangen sind vom Bestbieter und gegebenenfalls seinen Nachunternehmen für Bauleistungen sowie den Mitgliedern einer Bietergemeinschaft nachfolgende Nachweise und Erklärungen vorzulegen:
[...]
aktuell gültige Bescheinigung in Steuersachen / Finanzamt (falls nur im Original oder als beglaubigte Kopie gültig, Vorlage im Original oder beglaubigte Kopie)
[...]
Bei Vorlage eines gültigen Nachweises einer Präqualifikation bzw. Angabe einer gültigen Präqualifikationsnummer werden die bei der Präqualifizierungsstelle hinterlegten Nachweise und Erklärungen anerkannt.
Die auf gesondertes Verlangen vorzulegenden Nachweise, welche nur im Original oder als beglaubigte Kopie gültig sind, sind postalisch im Original oder als beglaubigte Kopie zu übermitteln. Alternativ können diese Nachweise im Original auch direkt in der Zentralen Vergabestelle abgegeben werden.
[...]
Die auf gesondertes Verlangen geforderten Nachweise und Erklärungen sind innerhalb von 5 Werktagen vorzulegen. Die Frist für die Nachreichung der geforderten Nachweise und Erklärungen kann im Ausnahmefall, gemäß § 8 (3) Satz 3 TVergG LSA, verlängert werden.
Werden uns die geforderten Nachweise und Erklärungen nicht fristgerecht vorgelegt, führt dies zwingend zum Ausschluss des Angebotes."
Aus dem Formblatt 211 einschließlich Anlage hierzu ergab sich, dass auf gesondertes Verlangen bestimmte Nachweise vom Bieter und ggf. seinen Nachunternehmern, so die aktuell gültige Bescheinigung in Steuersachen (falls nur im Original oder als beglaubigte Kopie gültig im Original oder als beglaubigte Kopie), vorzulegen waren.
Insgesamt gingen neun Angebote zur Angebotsfrist ein, wobei die Antragstellerin sich mit vier Hauptangeboten am Verfahren beteiligt hat.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist Hauptangebot 1 der Antragstellerin.
Mit E-Mail vom 26.09.2024 forderte die Antragsgegnerin sie auf, folgende Nachweise und Erklärungen bis zum 02.10.2024 nachzureichen:
"[...]
- aktuell gültige Bescheinigung in Steuersachen Finanzamt (falls die Bescheinigung nur im Original oder als beglaubigte Kopie gültig, Vorlage im Original oder als beglaubigte Kopie)
[...]
Von Ihrem Nachunternehmen für Bauleistungen ... sind folgende Nachweise nachzureichen:
[...]
- aktuell gültige Bescheinigung in Steuersachen Finanzamt (falls die Bescheinigung nur im Original oder als beglaubigte Kopie gültig, Vorlage im Original oder als beglaubigte Kopie)
[...]
Bei Vorlage eines gültigen Nachweises einer Präqualifikation bzw. Angabe einer gültigen Präqualifikationsnummer zur ausgeschriebenen Leistung werden die bei der Präqualifizierungsstelle hinterlegten Nachweise und Erklärungen anerkannt.
[...]
Erklärungen, welche nur im Original oder als beglaubigte Kopie gültig sind, sind postalisch im Original oder als beglaubigte Kopie ebenfalls bis zum 02.10.2024 an folgende Adresse zu übermitteln.
[...]"
Unter dem 30.09.2024 versicherte die Antragstellerin per E-Mail gegenüber der Antragsgegnerin, alle geforderten Bescheinigungen fristgerecht beibringen zu wollen. Für die Nachunternehmer teilte die Antragstellerin in diesem Zusammenhang ergänzend mit, dass alle geforderten Nachweise für sie bei der Präqualifizierungsstelle vorlägen oder anderweitig zur Verfügung gestellt würden. Einige im Original geforderte Unterlagen habe sie "sicherheitshalber" dem Antwortschreiben nochmal angehängt.
Ergänzend fügte die Antragstellerin der E-Mail folgende "Kurze Anmerkung" an:
"[...] Bei der PQ, der Präqualifizierung, wird die Eignung eines Unternehmens vollständig erfasst. Damit hat das Unternehmen die Sicherheit, nicht aus formellen Gründen, z. B. wegen fehlender Eignungsnachweise, aus einem Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden. [...]"
Mit Datum vom 01.10.2024 bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin um die noch ausstehende Übersendung von Nachweisen und Erklärungen, darunter die Bescheinigung in Steuersachen im Original der Nachunternehmer ... bis zum 02.10.2024.
Noch am selben Tag teilte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin mit, die nachgeforderten Unterlagen der vorstehenden Nachunternehmer seien postalisch auf dem Weg. Mit E-Mail vom 02.10.2024 verlängerte die Antragsgegnerin die Frist zur Vorlage der fehlenden Unterlagen auf den 08.10.2024, 11.00 Uhr.
Die Antragstellerin legte am 08.10.2024 Kopien der Bescheinigungen in Steuersachen der Nachunternehmer ... vor. Am 10.10.2024 übergab die Antragstellerin der Antragsgegnerin die Bescheinigungen in Steuersachen für diese Nachunternehmer im Original.
Im Rahmen der Angebotswertung vermochte die Antragsgegnerin kein zuschlagsfähiges Angebot zu ermitteln.
Mit Schreiben vom 02.12.2024 informierte sie daher die Antragstellerin gemäß § 19 Abs. 1 Tariftreue- und Vergabegesetz Sachsen-Anhalt (TVergG LSA) über die beabsichtigte Aufhebung des Vergabeverfahrens sowie die Nichtberücksichtigung ihres Angebotes 1 mit der Begründung, dass die Bescheinigungen in Steuersachen im Original von den Nachunternehmern ... zum (bereits verlängerten) Fristende nicht vorgelegen hätten. Aus diesem Grund sei das Angebot gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A auszuschließen.
Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 04.12.2024 ihren Ausschluss sowie die beabsichtigte Aufhebung des Vergabeverfahrens. Zur Begründung trug sie vor, die Antragsgegnerin verkenne, dass die im Informationsschreiben benannten Nachunternehmer präqualifiziert seien. Für die Vorlage der Steuerbescheinigungen im Original habe keine Grundlage bestanden, was die Antragstellerin weiter ausführte. Der Ausschluss sei demnach vergaberechtswidrig erfolgt.
Die Antragsgegnerin half der Rüge nicht ab und teilte dies der Antragstellerin mit Schreiben vom 11.12.2024 mit. In der Bekanntmachung seien alle Nachweise und Erklärungen aufgeführt worden, die auf gesondertes Verlangen seitens des Bestbieters und ggf. seiner Nachunternehmer vorzulegen gewesen seien. Die fehlenden Bescheinigungen in Steuersachen im Original seien in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen wirksam gefordert worden. Aufgrund der nicht fristgerechten Vorlage dieser Bescheinigungen von den Nachunternehmern ... sei das Angebot der Antragstellerin gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A sowie unter Anwendung von § 8 Abs. 2 Nr. 3 TVergG LSA von der Wertung auszuschließen gewesen. Ein Ermessensspielraum habe nicht bestanden. Die Antragsgegnerin teilte schließlich mit, mangels zuschlagsfähiger Angebote das Vergabeverfahren aufheben zu wollen.
Mit Schreiben vom 12.12.2024 wiederholte die Antragstellerin im Wesentlichen ihre Rüge. Auch liege für eine grundsätzlich mögliche Aufhebung des Vergabeverfahrens kein Aufhebungsgrund nach § 17 VOB/A vor.
Mit Schreiben vom 16.12.2024 stellte die Antragsgegnerin darauf ab, dass gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. w VOB/A in der Bekanntmachung festzulegen sei, auf welche Art und Weise Eignungskriterien und Nachweise für eine Eignungsprüfung herangezogen würden. Von diesen Vorgaben habe die Antragsgegnerin nicht einseitig abweichen können. Ein Verzicht auf die geforderten Nachweise stelle einen groben Verstoß gegen die Chancengleichheit und das Transparenzgebot dar. Aber selbst wenn die Forderung zur Vorlage der Bescheinigung in Steuersachen im Original vergaberechtswidrig gewesen wäre, sei die Antragstellerin mit diesem Vortrag präkludiert.
Daraufhin beantragte die Antragstellerin unter dem 23.12.2024 bei der 3. Vergabekammer die Nachprüfung des streitgegenständlichen Verfahrens. Die Kammer informierte die Antragsgegnerin hierüber mit Schreiben vom 27.12.2024.
Nach dem Vortrag der Antragstellerin richte sich der Nachprüfungsantrag gegen sämtliche der drei ausgeschriebenen Lose. Der Angebotsausschluss sei rechtswidrig erfolgt, da der Antragsgegnerin Präqualifikationsnachweise der betreffenden Unternehmen vorgelegen hätten. Die Antragstellerin habe die durch die Antragsgegnerin erst am 26.09.2024 vorgenommene Nachforderung der Eignungsunterlagen (im Original) für präqualifizierte Unternehmen mit E-Mail vom 30.09.2024 gerügt. Sämtliche präqualifizierte Unternehmen hätten ihre Eignung bereits nachgewiesen. Die Antragstellerin habe gleichwohl versucht, "ausdrücklich 'sicherheitshalber', d. h. ohne die Hoffnung auf eine Abhilfe der Rüge aufgegeben zu haben - unter erheblichen Anstrengungen, die geforderten Nachweise ... beizubringen." Insbesondere habe sie die Verletzung in ihren Rechten rechtzeitig gerügt. Es sei unschädlich, dass sie mit der E-Mail vom 30.09.2024 zugleich und ausdrücklich sicherheitshalber versucht habe, die nachgeforderten Unterlagen beizubringen. Die ordnungsgemäße Rüge setze eine Beanstandung voraus, die den gerügten Verstoß hinreichend konkret benenne und mit einer vollständigen und nachvollziehbaren Sachverhaltsdarstellung verbinde. Die Antragstellerin habe klar zu erkennen gegeben, dass sie die Anforderung für rechtswidrig erachte. Entsprechende Gründe habe sie dazu ebenfalls vorgetragen, wobei inhaltlich ein großzügiger Maßstab an eine ordnungsgemäße Rüge anzulegen sei. Die Äußerung der Antragstellerin könne nur dahingehend verstanden werden, dass sie die Antragsgegnerin zu einer Änderung habe veranlassen wollen. Darüber hinaus habe die Antragstellerin erstmals mit dem Schreiben vom 02.12.2024 von der Entscheidung der Antragsgegnerin Kenntnis erlangt, welches sie sodann mit Schreiben vom 04.12.2024 rechtzeitig gerügt habe. Auch die beabsichtigte Aufhebung habe die Antragstellerin nach Kenntnisnahme am 11.12.2024 mit Schreiben vom 12.12.2024 rechtzeitig gerügt.
Zur Begründung des Antrages äußerte die Antragstellerin im Weiteren die Ansicht, die Antragsgegnerin habe sie nicht ausschließen dürfen. Daneben trug sie etwa noch vor, dass bei objektiver Auslegung der Bekanntmachung, die insoweit keine eindeutige Festlegung enthalte, die Antragsgegnerin die Vorlage von Originalbescheinigungen lediglich von den Bietern verlangt habe, die zuvor ihre Eignung mit Einzelnachweisen und über Eigenerklärungen nachgewiesen haben.
Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf ein rechtsfehlerfreies Verfahren. Daher sei die Antragsgegnerin dazu gehalten, ihren erkannten Fehler zu korrigieren. Eine rechtswidrige Nachforderung rechtfertige keinen rechtswidrigen Ausschluss.
Die erkennende Kammer hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 14.02.2025 angehört und mitgeteilt, dass nach vorläufiger Prüfung der Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückzuweisen sei. Die Antragstellerin habe den vermeintlichen Vergaberechtsverstoß spätestens mit dem Erhalt des Nachforderungsschreibens der Antragsgegnerin vom 26.09.2024 im Sinne des § 19 Abs. 4 Nr. 1 TVergG LSA erkannt, jedoch nicht rechtzeitig gegenüber der Antragsgegnerin gerügt. Bei der E-Mail seitens der Antragstellerin vom 30.09.2024 an die Antragsgegnerin handele es sich eben nicht um eine Rüge, so dass die Antragstellerin mit der Geltendmachung der streitgegenständlichen Vergaberechtsverstöße in dem Rügeschreiben vom 04.12.2024 bzw. im Nachprüfungsantrag präkludiert sei. Darüberhinausgehende Vergaberechtsverstöße habe die Antragstellerin weder vorgetragen, noch seien diese ersichtlich. Im Übrigen fehle es hinsichtlich der beantragten Fortführung des Vergabeverfahrens bei fortbestehender Beschaffungsabsicht - wegen der von der Antragsgegnerin nur mitgeteilten Absicht zur Aufhebung des Vergabeverfahrens - an der Antragsbefugnis.
Hierzu erwiderte die Antragstellerin mit Schreiben vom 21.02.2024, dass sie der Ansicht der Vergabekammer nicht folge. Die Antragstellerin bekräftigte, dass sie die Nachforderung der Unterlagen mit E-Mail vom 30.09.2024 rechtzeitig gerügt habe. Diese habe den Anforderungen an eine Rüge genügt. Der E-Mail sei eindeutig zu entnehmen, dass die Antragstellerin von einem Nachweis der Eignung durch die Präqualifizierung ausgehe und die Anforderung von weiteren Eignungsnachweisen für nicht zulässig erachte. Dennoch habe sie versucht, die Nachweise vorzulegen, um keinen Rechtsverlust zu erleiden. Dies werde dadurch untermauert, dass die Antragstellerin die Unterlagen nur "sicherheitshalber" vorgelegt bzw. um Mitteilung gebeten habe, wenn "trotz ihres Hinweises auf die Präqualifizierung" die Antragsgegnerin weiterhin von fehlenden Unterlagen ausgehe. Daraus sei ersichtlich, dass die Antragstellerin mit dem Vorgehen der Antragsgegnerin nicht einverstanden gewesen sei und eine Korrektur des Fehlers habe erreichen wollen.
Außerdem habe die Antragstellerin zwei unabhängige Entscheidungen der Antragsgegnerin gerügt. Maßgeblich sei hier nicht die Nachforderung, sondern die Ausschlussentscheidung. Selbst bei Annahme der Rügepräklusion sei nach Ansicht der Antragstellerin der Ausschluss von der Reichweite dieser Präklusion nicht erfasst. Etwas anderes könne nur dann angenommen werden, wenn der Ausschluss die zwangsläufige Folge der vorherigen rechtswidrigen Entscheidung gewesen wäre. Sei jedoch eine erneute Entscheidung notwendig und sei die Antragsgegnerin insoweit nicht gebunden, so handele es sich um einen eigenständigen Verstoß, der separat gerügt werden könne und müsse.
Insoweit bezog die Antragstellerin die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 11.10.2007, Rs. C 241/06) in ihre Argumentation ein.
Im Übrigen verbleibe neben dem Angebot der Antragstellerin kein wertbares Angebot, sodass sich vorliegend die Annahme einer Rügepräklusion verfahrenshemmend statt (grundsätzlich) -beschleunigend auswirke. Hierzu führte die Antragstellerin ebenfalls Rechtsprechung an.
Die Antragstellerin beantragt daher sinngemäß,
1. bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzuführen,
2. bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren auf den Zeitpunkt vor Angebotswertung zurückzuversetzen und diese unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,
3. ihr Akteneinsicht zu gewähren, insbesondere im Hinblick auf die Dokumentation der Nachforderung und des Ausschlusses,
4. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären,
5. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung durch die Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat ihren Vortrag mit Schreiben an die Vergabekammer vom 10.01.2025 im Wesentlichen wiederholt, aber auch vertieft.
So seien nicht nur in der Bekanntmachung, sondern auch im Formblatt 211 bzw. der Anlage hierzu alle geforderten Nachweise und Erklärungen aufgeführt gewesen.
Die Antragstellerin habe also nicht erst mit dem Nachforderungsschreiben vom 26.09.2024 von der Notwendigkeit der Vorlage der Bescheinigungen im Original erfahren.
Innerhalb der Angebotsfrist habe sie die Eignungskriterien nicht gerügt. Die Nachricht der Antragstellerin vom 30.09.2024 sei keine Rüge gewesen, sondern nur ein Hinweis.
In diesem Zusammenhang sei auch festzustellen, dass die Antragstellerin innerhalb eines Zeitraumes von 65 Kalendertagen, zwischen der "Rüge" und der Versendung des Informationsschreibens nach § 19 Abs. 1 TVergG LSA kein Nachprüfungsverfahren oder sonstige rechtliche Schritte eingeleitet habe. Die Möglichkeit von Rücksprachen zur Klarstellung habe die Antragstellerin nicht genutzt.
Im Weiteren stellte die Antragsgegnerin - zum Teil wiederholend und unter Bezugnahme auf Rechtsprechung - ihre Auffassung zur Nachweisführung von präqualifizierten Bietern dar.
II.
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist unzulässig.
Die Antragsgegnerin ist öffentlicher Auftraggeber gemäß § 2 Abs. 1 TVergG LSA.
Die 3. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt ist gemäß den §§ 19 Abs. 2, 24 TVergG LSA i. V. m. der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Vergabekammern (Bek. des MW vom 17.04.2013 - 41-32570-17, veröffentlicht im MBl. LSA Nr. 14/2013) für die Nachprüfung des vorliegenden Vergabeverfahrens örtlich und sachlich zuständig.
Die Antragstellerin ist überwiegend antragsbefugt gemäß § 23 TVergG LSA i. V. m. § 160 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).
Sie hat durch die Abgabe eines Angebotes ihr Interesse am Auftrag dokumentiert und dargelegt, dass ihr durch die vermeintlich unzulässige Nachforderung der Bescheinigung in Steuersachen im Original für präqualifizierte (Nach-)Unternehmer - mit der Folge des Angebotsausschlusses - ein Schaden zu entstehen droht.
Der Antragstellerin fehlt die Antragsbefugnis allerdings insoweit, als sie sich auf die (bloße) Absicht der Antragsgegnerin beruft, das Vergabeverfahrens aufheben zu wollen. Insoweit ist der Antragstellerin durch die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften weder ein Schaden im Sinne des § 23 TVergG LSA i. V. m. § 160 Abs. 2 S. 2 GWB bereits entstanden, noch droht ein solcher zu entstehen.
Die Antragstellerin ist jedoch - entgegen ihrem Vorbringen - ihrer Rügeobliegenheit nicht nachgekommen. Sie ist mithin mit ihrem Vorbringen gemäß § 19 Abs. 4 Nr. 1 TVergG LSA präkludiert.
Danach ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrages erkannt und gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Werktagen schriftlich oder elektronisch gerügt hat.
Von einem positiven Erkennen bzw. einer positiven Kenntnis wird im Allgemeinen (erst) dann gesprochen, wenn dem Antragsteller zum einen die den Verstoß begründenden Tatsachen bekannt sind (Tatsachenkenntnis) und wenn er zum anderen zumindest i. S. einer "Parallelwertung in der Laiensphäre" erkennt, dass diese Tatsachen einen Verstoß gegen Vergabevorschriften darstellen bzw. den Schluss auf eine Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen rechtfertigen (Kenntnis der Rechtsfehlerhaftigkeit), (vgl. Carsten Nowak in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB § 160 Rn. 67; ähnlich - zu den Voraussetzungen für die Kenntniserlangung - auch Dicks/Schnabel in Ziekow/Völlink, 5. Aufl. 2024 GWB § 160 Rn. 43).
Diese Anforderungen in Bezug auf § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB können auf den wortlautgleichen § 19 Abs. 4 Nr. 1 TVergG LSA übertragen werden.
Dabei kann es dahinstehen, ob für die Antragstellerin der in Rede stehende Vergaberechtsverstoß bereits in der Bekanntmachung oder aus den Vergabeunterlagen zu erkennen war, denn spätestens mit dem Erhalt des Nachforderungsschreibens vom 26.09.2024 hatte sie positive Kenntnis von diesem Verstoß i. S. des § 19 Abs. 4 Nr. 1 TVergG LSA.
Dazu im Einzelnen:
Mit der E-Mail der Antragstellerin an die Antragsgegnerin vom 30.09.2024 hat sie zum einen klar zum Ausdruck gebracht, dass sie (spätestens) zu diesem Zeitpunkt von der Tatsache Kenntnis erlangt hatte, dass die Antragsgegnerin auch von präqualifizierten Unternehmen weitere Nachweise bzw. Bescheinigungen, hier insbesondere die streitgegenständliche Bescheinigung in Steuersachen im Original, fordert. Zum anderen war der Antragstellerin bewusst, welche Rechtsfolgen bzw. relevanten Fragestellungen sich aus dieser Forderung der Antragsgegnerin ergeben würden, zumal sie selbst darauf hingewiesen hat, dass ein präqualifiziertes Unternehmen nicht aufgrund fehlender Eignungsnachweise aus einem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden könne, da bereits im Rahmen der Präqualifizierung die Eignung eines Unternehmens vollständig erfasst werde.
Schließlich hat die Antragstellerin ihre eigene E-Mail vom 30.09.2024 im Nachprüfungsantrag selbst als "Rüge" bezeichnet und damit ihr inneres Bewusstsein über das Vorliegen eines Vergaberechtsverstoßes offenbart.
Aus den genannten Gründen ist es auch unerheblich, dass nach Ansicht der Antragstellerin die Bekanntmachung oder die Vergabeunterlagen hinsichtlich der Eignungsanforderungen nicht eindeutig gewesen seien.
Trotz dieses Bewusstseins hat die Antragstellerin den vermeintlichen Verstoß gegen Vergabevorschriften jedoch nicht - so wie sie meint - gegenüber der Antragsgegnerin gerügt.
Die E-Mail der Antragstellerin vom 30.09.2024 erfüllt nach Ansicht der erkennenden Kammer gerade nicht die an eine Rüge zu stellenden Anforderungen.
Generell wird bei einer Rüge vor allem verlangt, dass die Vergabestelle dem Schreiben durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (zweifelsfrei) entnehmen kann, welchen Sachverhalt der Rügende für vergaberechtswidrig hält und dass er "Abhilfe" verlangt bzw. erwartet oder die Beseitigung des angesprochenen Vergaberechtsfehlers fordert bzw. eine ernsthafte, verbindliche und/oder konkrete vergaberechtliche "Beanstandung" zum Ausdruck bringt. Es muss sich ergeben, dass der Rügende die Vergabestelle insoweit nicht lediglich zur Optimierung eines Vergabeverfahrens anregen will, sondern ihr hiermit die Möglichkeit gibt, den vorgetragenen Vergaberechtsverstoß zu korrigieren (vgl. Pünder/Schellenberg, a. a. O., Rn. 59).
Es ist zwar richtig, dass nicht zu hohe Anforderungen an eine Rüge zu stellen sind, aber die in diesem Zusammenhang bestehenden Mindestanforderungen wurden nicht erfüllt.
Auf welchen Sachverhalt die Antragstellerin abstellen will, ist der "Anmerkung" in der E-Mail vom 30.09.2024 zwar noch zu entnehmen, jedoch mangelt es hier an einer Rüge in dem vorgenannten Sinne. Die Antragstellerin hat nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie von der Antragsgegnerin eine Abkehr von der Nachforderung bzw. eine Korrektur des Nachforderungsschreibens erwartet. Das Gegenteil ist sogar der Fall, indem die Antragstellerin der Antragsgegnerin erklärt hat, "Wenn dennoch unvollständige Unterlagen vorliegen, [...] diese dann natürlich sofort vervollständigen." zu wollen.
Auch aus dem Hinweis der Antragstellerin, dass ein präqualifiziertes Unternehmen die Sicherheit habe, "nicht aus formellen Gründen, z. B. wegen fehlender Eignungsnachweise, aus einem Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden", lässt sich eine Rüge gegenüber der Antragsgegnerin nicht ableiten. Insoweit handelt es sich lediglich um die Mitteilung einer Rechtsauffassung oder eben nur um eine kurze "Anmerkung".
Eine Rüge kann auch nicht aus der von der Antragstellerin zusammenhanglos verwendeten Formulierung mit "sicherheitshalber" hergeleitet werden. Die seitens der Antragstellerin hier vorgenommene Interpretation, die Unterlagen seien nur "sicherheitshalber" beigebracht worden, "d. h. ohne die Hoffnung auf eine Abhilfe ihrer Rüge aufgegeben zu haben", teilt die Vergabekammer hier nicht. Die Antragstellerin hat lediglich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Anhänge "sicherheitshalber" nochmals beigefügt habe. Ein Abhilfebegehren war der E-Mail der Antragstellerin vom 30.09.2024 einschließlich der "Anmerkung" nicht zu entnehmen.
Insofern wurde - entgegen der Argumentation der Antragstellerin - nicht hinreichend deutlich, dass sie der Antragsgegnerin durch diese E-Mail Gelegenheit zu einer Korrektur ihres Verhaltens gegeben hat.
Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass die Antragstellerin den streitgegenständlichen Verstoß gegen Vergabevorschriften zwar spätestens mit Erhalt des Nachforderungsschreibens am 26.09.2024 erkannt, jedoch nicht gerügt hat. Darüberhinausgehende Vergaberechtsverstöße hat sie ebenso weder vorgetragen, noch sind diese sonst ersichtlich.
Selbst für den Fall, dass eine rechtzeitige und ordnungsgemäße Rüge erfolgt wäre, dürfte aus Sicht der Vergabekammer die Antragsgegnerin berechtigt gewesen sein, die in Rede stehenden Bescheinigungen nachzufordern. Hierauf war jedoch wegen der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags nicht einzugehen.
Auch gegen den Angebotsausschluss kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg wehren.
Entgegen ihrer Auffassung ist das dahingehende Vorbringen ebenfalls präkludiert.
Bei dieser Entscheidung der Antragsgegnerin haben sich die vermeintlichen Vergaberechtsverstöße lediglich fortgesetzt, die die Antragstellerin ungerügt gelassen hat.
Denn Folge der Rügepräklusion ist im Grundsatz neben der Unzulässigkeit des Antrags hinsichtlich der präkludierten Rüge selbst, dass der Antragsteller auch mit der Geltendmachung anderer (späterer) Vergaberechtsfehler ausgeschlossen ist, die sich als reine Folgefehler des nicht oder verspätet gerügten, mit diesem untrennbar zusammenhängenden Fehlers darstellen, d. h., in denen sich der präkludierte Fehler nur fortsetzt (vgl. hierzu OLG Rostock, Beschluss vom 30.09.2021, Az.: 17 Verg 3/21; OLG Naumburg, Beschluss vom 23.07.2001, Az.: 1 Verg 3/01; Ziekow/Völlink, a. a. O., Rn. 38).
So erstreckt sich die Präklusionswirkung mittelbar grundsätzlich auch auf andere (vermeintliche) Verstöße in demselben Verfahren, die nicht selbstständig geprüft werden können, ohne den nicht gerügten Sachverhalt aufzugreifen.
Die Antragstellerin hat die nachgeforderten Bescheinigungen nicht fristgerecht vorgelegt und im Nachhinein nach Ausschluss des Angebotes (wegen nicht fristgerechter Vorlage) geltend gemacht, es sei überhaupt nicht zulässig gewesen, die betreffenden Bescheinigungen im Original von einem präqualifizierten Unternehmen zu fordern.
Dieser Einwand ist der Antragstellerin jedoch verwehrt.
Aufgrund des Erkennens vor Einreichen des Nachprüfungsantrages hätte dieser Umstand gegenüber der Antragsgegnerin innerhalb einer Frist von zehn Werktagen schriftlich oder elektronisch gerügt werden müssen. Eine solche Rüge hätte der Antragsgegnerin Gelegenheit gegeben, den vermeintlichen Verstoß zu prüfen und gegebenenfalls etwaige Fehler zu korrigieren.
Unterbleibt die Rüge bis dahin, kann ein in einer möglicherweise unzulässigen Forderung von Nachweisen oder Erklärungen liegender Vergaberechtsverstoß nicht mehr mit Erfolg vor der erkennenden Kammer geltend gemacht werden, wenn der Antragsgegner das Angebot wegen nicht fristgerechter Vorlage von Nachweisen oder Erklärungen (nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A) ausschließt.
Die Auffassung der erkennenden Kammer wird auch nicht durch die seitens der Antragstellerin angeführte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urteil v. 11.10.2007 - Rs. C-241/06) erschüttert.
Nach dieser EuGH-Entscheidung laufe es den Rechtsmittelrichtlinien zuwider, wenn eine Ausschlussregelung, die Rechtsbehelfe gegen die Wahl des Vergabeverfahrens oder die Schätzung des Auftragswerts betrifft, so angewandt wird, dass der Bieter dadurch auch mit Rechtsschutz gegen Entscheidungen, die die Vergabestelle erst nach Ablauf der versäumten Frist getroffen hat, ausgeschlossen ist (siehe auch Immenga/Mestmäcker/Dreher, 6. Aufl. 2021, GWB § 160 Rn. 48).
Nach Auffassung der Vergabekammer kann das genannte EuGH-Urteil auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragen werden.
Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 21.02.2025 stehen - anders als in dem vom EuGH entschiedenen Fall - die seitens der Antragsgegnerin vorgenommene Nachforderung und der daran anschließende Ausschluss aufgrund nicht fristgerechter Vorlage der nachgeforderten Eignungsnachweise (als reiner Folgefehler) in einem untrennbaren Zusammenhang miteinander. Der Angebotsausschluss war hier zwangsläufig; auch bestand noch ein zeitlicher Zusammenhang mit der erfolglosen Nachforderung.
Hier ist auch entscheidend, dass entgegen der Ansicht der Antragstellerin der Antragsgegnerin hinsichtlich des vorgenommenen Ausschlusses kein Ermessen zustand.
Aufgrund nicht vollständig vorgelegter Nachweise war das Angebot der Antragstellerin gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A - i. V. m. § 8 Abs. 4 S. 1 TVergG LSA - zwingend durch die Antragsgegnerin auszuschließen.
Soweit die Antragstellerin pauschal meint, es könne vorliegend ohnehin nicht von einer Präklusion von Folgefehlern bei Vorhandensein nur eines einzigen Angebotes ausgegangen werden, geht sie fehl. Auch teilt die Vergabekammer hier nicht die Ansicht, dass diese Behauptung dadurch verstärkt werde, dass eine Präklusion ausschließlich prozessuale, nicht aber materielle Wirkung hat.
Das Unterlassen einer Rüge trotz bestehender Rügeobliegenheit hat keinen materiellen Anspruchsverlust - hier gegebenenfalls einen Schadensersatzanspruch vor den ordentlichen Gerichten - zur Folge, sondern führt lediglich dazu, dass der Antragsteller den nicht gerügten Vergabefehler im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren nicht mehr geltend machen kann, sein Antrag insoweit also unzulässig ist (vgl. u. a. Burgi/Dreher/Opitz/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160 Rn. 83).
Die Auffassung der Antragstellerin, dass den Präklusionsvorschriften dem Grunde nach eine Beschleunigungsfunktion zukommt, ist zwar zutreffend. Dies hat jedoch im Umkehrschluss nicht automatisch zur Folge, dass im Einzelfall nicht auch eine gegenteilige Wirkung eintreten kann.
Nach alledem hätte die Antragstellerin unter Beachtung einer Frist von zehn Werktagen den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß spätestens bis zum 09.10.2024 rügen müssen. Dies hat sie aber aus den oben genannten Gründen nicht getan.
Der Nachprüfungsantrag ist danach als unzulässig zurückzuweisen.
Dem Antrag auf Akteneinsicht konnte aus den oben dargestellten Erwägungen heraus nicht entsprochen werden. Die Antragstellerin hat über alle Unterlagen verfügt, die notwendig waren, um die fallentscheidenden Rechtsfragen hinsichtlich der Zulässigkeit zu beurteilen. Die Freigabe weiterer Unterlagen hätte dem Willen des Gesetzgebers widersprochen, die Gewährung der Akteneinsicht nicht zum Mittel weiterer Ausforschung des Auftraggeberverhaltens werden zu lassen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 19 Abs. 5 S. 1 - 3 TVergG LSA.
Danach werden gemäß § 19 Abs. 5 S. 1 TVergG LSA nur vom Antragsteller für Amtshandlungen der Nachprüfungsbehörde Kosten zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben, wobei sich die Höhe der Gebühren nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Nachprüfungsbehörde unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes der Nachprüfung bestimmt. Im Falle eines erfolgreichen Antrages werden keine Kosten erhoben (§ 19 Abs. 5 S. 4 TVergG LSA).
Unabhängig vom Erfolg des Nachprüfungsantrages wären die seitens der Antragstellerin ergänzend vor der 3. Vergabekammer gestellten Kostenanträge ohnehin abzulehnen, da es an einer gesetzlichen Grundlage hierfür fehlt.
Nach § 23 TVergG LSA werden von den Vorschriften des GWB ergänzend ausdrücklich nur diejenigen "des Teils 4 Kapitel 2 Abschnitt 2" entsprechend angewendet.
Dies sind ausschließlich die §§ 160 bis 170 GWB und schon von daher nicht § 182 GWB, welcher (in Abs. 3 und 4) die Erstattung der Kosten und Aufwendungen der Beteiligten regelt. Auf die Beurteilung der notwendigen Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten kommt es danach vorliegend auch nicht darauf an.
Damit besteht in unterschwelligen Nachprüfungsverfahren keine Möglichkeit, dem Antragsgegner die angefallenen Kosten des Antragstellers aufzuerlegen bzw. von ihm die Erstattung von Aufwendungen zu verlangen.
Die Antragstellerin hat vorliegend die Kosten des Verfahrens zu tragen, da das Nachprüfungsverfahren im Ergebnis keinen Erfolg i. S. v. § 19 Abs. 5 S. 4 TVergG LSA hatte und die Antragstellerin zu der Amtshandlung Anlass gegeben hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungskostengesetz des Landes Sachsen-Anhalt - VwKostG LSA).
Die Kostenregelung des § 19 Abs. 5 TVergG LSA ist abschließend.
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Wann stellt eine schwere Verfehlung die Integrität des Bieters infrage?
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VK Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss
vom 14.04.2025
3 VK 12/24
1. Eine die Integrität in Frage stellende schwere Verfehlung kommt bei der Verletzung vertraglicher Pflichten (z.B. auch bei der Verletzung der Auftragsausführungsbedingungen bei früheren öffentlichen Aufträgen) in Betracht, wenn diese eine solche Intensität und Schwere aufweisen, dass der öffentliche Auftraggeber berechtigterweise an der Integrität des Unternehmens zweifeln darf.
2. In der Regel setzt eine schwere Verfehlung eine schuldhafte Pflichtverletzung mit nicht nur unerheblichen Auswirkungen voraus; sie muss jedoch nicht notwendig den zwingenden Ausschlussgründen nahekommen.
3. Liegt eine nachweislich schwere Verfehlung vor, ist eine darüber hinaus gehende, auf den konkreten Auftrag bezogene Prognose, ob das Unternehmen den Auftrag zuverlässig erfüllen wird, nicht mehr zu fordern. Der Auftraggeber trifft - unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - nur noch die Ermessensentscheidung über den Ausschluss.
4. Der Ausschluss kann sich aber als unverhältnismäßig darstellen, wenn das Unternehmen zwischenzeitlich Maßnahmen der "Selbstreinigung" ergriffen hat.
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 14.04.2025 - 3 VK 12/24
Tenor:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Gebühr wird auf ... Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin führte für den Antragsgegner in der Vergangenheit die streitgegenständlichen Postdienstleistungen durch (Beförderung und Zustellung von ca. 500.000 Brief- und Paketsendungen im Jahr). Dieses Auftragsverhältnis wurde durch den Antragsgegner im Januar 2024 ordentlich und fristgemäß zum 31. Juli 2024 gekündigt. Am 28. Mai 2024 schrieb der Antragsgegner die Leistungen "Brief- und Paketversand für die Finanzämter in ... (EU-Amtsblattbekanntmachung vom ..., Veröffentlichungsnummer: ...; Vergabenummer: ...) als Offenes Verfahren nach der VgV aus. Als einziges Zuschlagskriterium war der günstigste Preis formuliert. Die Antragstellerin gab am 27. Juni 2024 fristgerecht ein Angebot ab.
Am 30. September 2024 hat der Antragsgegner die Antragstellerin nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB ausgeschlossen mit der Begründung, es bestünden hinreichende Zweifel an der Eignung der Antragstellerin zur Auftragsdurchführung. Vorausgegangen war ein Schriftwechsel mit widerstreitenden Darstellungen zu bisherigen Pflichtverletzungen der Antragstellerin. Daraufhin rügte die Antragstellerin am 9. Oktober 2024 den Ausschluss und die Nichtberücksichtigung ihres Angebotes. Der Antragsgegner hat hierauf am 20. November 2024 geantwortet und den Rügen nicht abgeholfen. Ein weiteres Rügeschreiben folgte am 29. November 2024, worauf der Antragsteller bis zum Eingang des Antrags nicht geantwortet hat.
Sie beantragt,
1. der Antragsgegnerin aufzugeben, in dem Vergabeverfahren "Brief- und Paketversand für die Finanzämter in ..." (EU- Amtsblattbekanntmachung vom 28.05.2024, Veröffentlichungsnummer: ... Vergabenummer: ...) die Antragstellerin und ihr Angebot vom 27.06.2024 nicht auf Grundlage der Mitteilung vom 30.09.2024 auszuschließen und das Verfahren in den Stand vor den Ausschluss der Antragstellerin und vor Prüfung und Bewertung der Angebote zurückzuversetzen;
2. die Antragsgegnerin bei fortbestehender Beschaffungsabsicht zu verpflichten, in dem Vergabeverfahren "Brief- und Paketversand für die Finanzämter in Mecklenburg-Vorpommern" (EU-Amtsblattbekanntmachung vom ... Veröffentlichungsnummer: ...; Vergabenummer:...), die Eignungsprüfung der Bieter und die Prüfung und Wertung der Angebote - unter Berücksichtigung der Antragstellerin und ihres Angebots vom 27.06.2024 - erneut vorzunehmen;
3. die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten seitens der Antragstellerin vor der Vergabekammer für erforderlich zu erklären;
4. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen.
Ferner beantragt sie Akteneinsicht gemäß § 165 GWB in die Akten des Antragsgegners.
Hierzu trägt sie vor:
Der Antragsgegner habe vergaberechtswidrig von einer Zuschlagserteilung abgesehen. Die Bedarfsstelle habe ohne substantiierte Begründung der Vergabestelle den Ausschluss aufgegeben und habe auch die Stellungnahme des Antragsgegners im Rahmen des Ermessens nicht gewürdigt.
Der Ausschlussgrund sei willkürlich gewechselt worden. Nachdem ein Ausschluss nicht auf § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB habe gestützt werden können, habe man sich ohne erneutes Ermessen für einen Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB entschieden.
Der Ausschlussgrund nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB sei nicht erfüllt. Es läge keine nachweislich schwere Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit vor, durch welche die Integrität des Unternehmens in Frage gestellt würde.
Der Ausschluss des Unternehmens der Antragstellerin mit Schreiben des Antragsgegners vom 30. September 2024 sei vergaberechtswidrig, beurteilungs- und ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig. Trotz der Einreichung eines vollständigen Angebots, in dem sämtliche transparent geforderten Eignungsnachweise gemäß der bekanntgegebenen Eignungskriterien enthalten seien (insbesondere auch die Eigenerklärung zum Nichtvorliegen von Ausschlussgründen), habe der Antragsgegner mitgeteilt, dass das Angebot der Antragstellerin nicht berücksichtigt werden könne und das Unternehmen vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen werden müsse, da begründete Zweifel an der Eignung des Unternehmens zur Auftragsdurchführung bestünden.
Die Antragstellerin bestreitet
- die Verletzung von Zustellfristen,
- eine Verletzung des Post- und Steuergeheimnisses,
- die Verletzung einer Pflicht zur ordnungsgemäßen Frankierung und Rechnungslegung,
- und die Verletzung von Rücksendefristen,
und bestreitet den vom Antragsgegner hierzu vorgetragenen Sachverhalt.
Die vorgebrachten vereinzelten Vertragsverletzungen würden sich in Anbetracht der Gesamtsendungsmenge im Promillebereich bewegen. Die Antragstellerin habe für den Antragsgegner im Jahr 2024 insgesamt ... Sendungen befördert und zugestellt. Gemessen an dieser Gesamtmenge würde die Reklamationsquote 0,0235% betragen. Die Antragstellerin würde nicht substantiiert vortragen, dass die vermeintliche schwere Verfehlung der Antragstellerin die Integrität bzw. Zuverlässigkeit des Unternehmens selbst in Frage stellen würde. Selbst bei einer unterstellten Richtigkeit der angeführten Pflichtverletzungen seien die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 3 nicht erfüllt.
Die Antragstellerin bestreitet die Verletzung von Laufzeitvorgaben. Unter Bezugnahme auf den Bieterfragenkatalog trägt sie weiter vor, die in § 5 Abs. 3 der Rahmenvereinbarung festgelegten Sendungslaufzeiten hätten im Rahmen des Vergabeverfahrens eine Anpassung erhalten. Die Vergabestelle habe insoweit im Hinblick auf eine diesbezügliche Bieterfrage ausdrücklich bestätigt, dass die tatsächlichen Sendungslaufzeiten sich lediglich an den gesetzlichen Bekanntgabefiktionen (zu jener Zeit am dritten Tag nach Aufgabe zur Post) orientieren müssten, nur darauf sei es dem Antragsgegner angekommen. Seit dem 01.01.2025 würde § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO n. F. eine Bekanntgabefiktion erst am vierten Tag nach der Aufgabe zur Post vorsehen.
In dem Ausschlussschreiben zur Rechtfertigung des Angebotsausschlusses habe der Antragsgegner gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB neue vermeintliche Pflichtverletzungen vorgetragen, zu denen die Antragstellerin zuvor nicht angehört worden sei und zu denen diese vor dem Angebotsausschluss keine Stellungnahme habe abgeben können.
Des Weiteren habe sie das Post- und Steuergeheimnis nicht verletzt. Ein fast drei Jahre zurückliegender Vorfall vom 6. Mai 2022 war zum Zeitpunkt des Ausschlusses bereits aufgeklärt worden. Mit einem Foto von vermeintlich hinterlassenen Behältern mit Post auf einem Hinterhof in ... sei in Wirklichkeit ein Umladevorgang aufgenommen worden. Die Mitarbeiter der Antragstellerin seien zwar nicht auf dem Foto, wohl aber in Sichtweite gewesen.
Vereinzelte Fehlfrankierungen und Rechnungskorrekturen könnten eine erhebliche oder dauerhafte mangelhafte Erfüllung der vertraglichen Pflichten nicht begründen. Der beweisbelastete Antragsgegner habe hinsichtlich der von der Antragstellerin bestrittenen Fehlfrankierungen und Rechnungskorrekturen auch nicht belegen können, dass und in welchem Umfang diese erfolgt seien. Der Antragsgegner könne auch eine Verletzung von Rücksendefristen nicht nachweisen.
§ 124 Abs. 1 Nr.3 GWB sei lediglich ein Auffangtatbestand. Ein Verhalten, das nach spezielleren Regelung nur unter bestimmten Bedingungen einen Ausschluss nach sich ziehen könne, könne nicht zugleich eine schwere Verfehlung darstellen.
Der Antragsgegner hält den Ausschluss für rechtmäßig und nimmt wie folgt Stellung:
Im Rahmen der fachtechnischen Wertung hat die Bedarfsstelle mit Schreiben vom 12. Juli und 23. Juli 2024 einen Ausschluss der Antragstellerin in Bezug auf die ausgeschriebene Leistung angeregt. Der Antragsgegner hat die Antragstellerin mit Anhörungsschreiben vom 26. Juli 2024 zum beabsichtigten Ausschluss im nunmehr streitigen Vergabeverfahren angehört. In der Anhörung hat der Antragsgegner keine Rechtsnorm für den streitigen Ausschluss angegeben und der Antragstellerin die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Mit Schreiben vom 14. August 2024 hat die Antragstellerin im Wesentlichen erwidert, den Altauftrag ordnungsgemäß erfüllt zu haben und die von ihr ergriffenen Maßnahmen zur Selbstreinigung dargestellt.
Mit Schreiben vom 11. September 2024 habe die Bedarfsstelle die von der Antragstellerin vorgetragenen technischen, organisatorischen und personellen Maßnahmen bewertet sowie weitere Vertragsverletzungen im Zeitraum Dezember 2023 bis Juli 2024 aufgezeigt und diese als Anknüpfungstatbestand für eine negative Prognose im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Erfüllung des nunmehr ausgeschriebenen Auftrags angeführt. Daraufhin habe der Antragsgegner die Antragstellerin mit Schreiben vom 30. September 2024 vom streitbefangenen Verfahren ausgeschlossen sowie die Selbstreinigungsmaßnahmen der Antragstellerin als ungeeignet bewertet und dies begründet.
Der Ausschluss sei aufgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB erfolgt. Dieser sei vorliegend anwendbar, soweit bei der Frage, was im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB eine "schwere Verfehlung" ist, die Wertungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB berücksichtigt werden (vgl. Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1 4. Auflage 2022 zu § 124 Rn. 23). Der öffentliche Auftraggeber hat unter Berücksichtigung des ihm eingeräumten Ermessens und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit das Angebot der Antragstellerin von der weiteren Teilnahme an dem nunmehr zur Überprüfung gestellten Vergabeverfahren ausgeschlossen, weil die Antragstellerin im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, durch die ihre Integrität infrage gestellt ist.
Streitbefangen war des Weiteren ein Schreiben der Antragstellerin vom 6. Dezember 2023 an das Finanzamt ... (Datei beginnend mit der Nr. 161, Anlage 1 Seite 46). wonach gemäß eigener Auskunft der Antragstellerin keine tägliche Zustellung erfolge, obwohl diese vertraglich zugesichert worden sei. (Nach § 5 Abs. 3 des Entwurfes der Rahmenvereinbarung, der mit den Auftragsunterlagen versandt worden war, erfolgt die Zustellung an Werktagen (einschließlich samstags), sofern nicht ein gesetzlicher Feiertag auf diesen Tag fällt.) Hierzu ist die Antragstellerin auch am 26. Juli 2024 angehört worden. Die Inhalte des Schreibens bestreitet sie mit Stellungnahme vom 14. August 2024. Der Ausschluss vom 30. September 2024 ist u. a. hierauf gestützt worden. Am 1. April 2025 hat sie eine Erklärung ihres Prokuristen beigefügt, der zufolge die Antragstellerin innerhalb ihres Zustellgebietes montags bis samstags zustellt.
In der Vergabeakte befindet sich eine Datei mit einer Dokumentation der Reklamationen. Des Weiteren wurde ein Testbriefverfahren durchgeführt, dessen Ergebnisse der Antragstellerin bekannt waren. Danach (Datei 161, Anlage 1 Seite 12) sind zwischen 15,98% und 25,26% der Testbriefe nicht innerhalb von drei Tagen angekommen, das ist ein Durchschnitt von 20,39%. Nach der Rechtslage ab 1. Januar 2025 wären immer noch durchschnittlich 11,04% der Briefe nicht fristgerecht angekommen (Subtraktion der Ergebnisse aus der vierten Spalte der genannten Tabelle und den Endergebnissen und Ziehung des Durchschnitts zwischen diesen drei Werten). 11 von 618 Briefen sind überhaupt nicht eingegangen, das entspricht 1,8%.
Zum weiteren Vorbringen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen. Der Akteneinsichtsbeschluss datiert vom 11. März 2025. Die mündliche Verhandlung fand am 2. April 2025 statt.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet. Der Antragsgegner durfte die Antragstellerin nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB vom Verfahren ausschließen. Aus der Funktion dieser Vorschrift als Auffangtatbestand ergeben sich Abgrenzungsprobleme zu anderen Regelungen in dieser Vorschrift, in diesem Fall zu § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB, der bei einer Kündigung wegen Verletzung der Vertragsausführungsbedingungen gilt. § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB ist jedoch anwendbar, soweit bei der Frage, was eine "schwere Verfehlung" ist, die Wertungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB berücksichtigt werden (vgl. Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar § 124 Rz. 23). Der fakultative Ausschlussgrund nach Nummer 3 hat auch nach der Gesetzesbegründung eine Bedeutung als Auffangtatbestand, der neben den anderen fakultativen oder zwingenden Ausschlussgründen anwendbar sein kann, wenn deren Voraussetzungen nicht oder nur teilweise vorliegen (BT-Drucksache 18/6281, S. 105).
Über den Ausschluss eines Bewerbers oder Bieters vom Vergabeverfahren entscheidet nach § 124 GWB der Auftraggeber. Ihm steht ein Beurteilungsspielraum im Hinblick auf die Voraussetzungen des Angebotsausschlusses zu. Der Beurteilungsspielraum des Auftraggebers bei den unbestimmten Rechtsbegriffen des § 124 Abs. 1 GWB unterliegt auch einer eingeschränkten Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen (Beck'scher Vergaberechtskommentar § 124 GWB Rz. 16). Nach den getroffenen Feststellungen war es zulässig, eine schwere Verfehlung im Sinne des Gesetzes anzunehmen.
Wenn § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB den Begriff der "Integrität des Unternehmens" aus dem Gemeinschaftsrecht übernimmt und ihn an die Stelle des bislang in den Vergabeordnungen verwendeten Begriffs der Zuverlässigkeit setzt, bedeutet dies nicht eine Verletzung rechtlicher Verpflichtungen. Die Verletzung muss nicht unbedingt Normen des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts betreffen (vgl. Beck'scher Vergaberechtskommentar § 124 Rz. 39). Nach der Gesetzesbegründung sollen auch Verstöße gegen besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags im Sinne von § 128 Abs. 2 GWB eine Verfehlung im Sinne von § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB begründen können (Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar § 124 GWB Rz. 42). Eine die Integrität in Frage stellende schwere Verfehlung kommt bei der Verletzung vertraglicher Pflichten (z.B. auch bei der Verletzung der Auftragsausführungsbedingungen bei früheren öffentlichen Aufträgen) in Betracht, wenn diese eine solche Intensität und Schwere aufweisen, dass der öffentliche Auftraggeber berechtigterweise an der Integrität des Unternehmens zweifeln darf. Das ist in aller Regel nicht der Fall, wenn es sich um "normale" vertragliche Beanstandungen handelt. Der Ausschluss darf keine Sanktion für alltägliche Probleme in der Vertragsabwicklung sein (vgl. Röwekamp/Kus/Portz/ Prieß § 124 GWB Rz. 38).
Die Integrität eines Unternehmens kann nur bei Pflichtverletzungen in Frage gestellt sein, die ein erhebliches Gewicht besitzen. Zum Teil wird vertreten, dass eine schwere Verfehlung den zwingenden Ausschlussgründen nahekommen muss. Dem ist aber schon deshalb nicht zu folgen, weil der Katalog der Straftaten, die zum zwingenden Ausschluss führen, selbst sehr unterschiedlich schwere Straftaten umfasst. In der Regel setzt eine schwere Verfehlung aber eine schuldhafte Pflichtverletzung mit nicht nur unerheblichen Auswirkungen voraus (Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar § 124 GWB Rz. 43). Entgegen der Annahme der Antragstellerin liegt in der Feststellung einer schweren Verfehlung, dass bestimmte Briefe nicht befördert wurden, falsch befördert wurden oder verspätet bei dem Adressaten eingetroffen sind, obwohl erhebliche Rechtsfolgen daraus resultieren, keine Verletzung des Beurteilungsspielraums.
Es kann dahinstehen, warum die Antragstellerin am 6. Dezember 2023 dem Finanzamt ... geschrieben hat, eine werktägliche Zustellung erfolge nicht und dies später dementierte. Auch wenn nur eine werktägliche Zustellung den Vertragsbedingungen entsprach, kann dieser Streitpunkt bei der Bewertung des Nachprüfungsantrags außer Acht gelassen werden. Denn auch die übrigen aktenkundigen Feststellungen rechtfertigen einen Ausschluss. Aus der Vergabeakte ist eine Vielzahl von Reklamationen ersichtlich, die nicht nur verspätete oder nicht erfolgte Sendung betrafen. Wegen der zu dieser Zeit geltenden Zustellungsfiktion der Abgabenordnung (AO), welche drei Tage betrug, wurden den betroffenen Steuerpflichtigen die Möglichkeiten, die Einlegung von Rechtsmitteln zu prüfen, verkürzt. Briefe eines Finanzamtes wurden mit dem Klischee einer gesetzlichen Krankenversicherung bedruckt. Ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe fand die Post auf einem Fensterbrett im Außenbereich. Nennenswerte Rückläufe aufgrund mangelnder Zustellbarkeit und einiges mehr wurden dokumentiert. Die Beanstandungen von Betroffenen werden als real und glaubwürdig eingestuft. Es ist nicht lebensnah, dass eine Vielzahl von Menschen, die sich nicht kennen, sich auf gleichförmige Vorwürfe einigen.
Die Antragstellerin sieht die Vertragsverletzungen unter Bezugnahme auf die gesamte Beförderung quantitativ im Bagatellbereich und legt hierzu eine Zahl vor (Seite 12 des Schriftsatzes vom 1. April 2025: 0,0235% Reklamationsquote). Ihre Fehlerquoten seien tolerabel, da sie mit ihrem Leistungsniveau deutlich über dem Leistungsniveau anderer Anbieter liegen würden. Zudem würde die AO seit dem 1. Januar 2025 eine neue Zustellungsfiktion vorsehen, die nunmehr vier Tage nach der Aufgabe zur Post beträgt. Nach dem Testbriefverfahren von Oktober bis Dezember 2023, dessen Ergebnisse der Antragstellerin mitgeteilt worden sind, waren 20,39% der Briefe in den ausgewählten Bezirken nicht innerhalb von drei Tagen zugestellt worden. 1,8% sind nicht angekommen. Das ist eine Quote von einer Erheblichkeit über der Bagatellgrenze.
Dem Antragsgegner stand nach dem Wortlaut des Gesetzes ("können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit", vgl. § 124 Abs. 1 Satz 1 GWB) auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen zu. Hierbei ist ihm kein Ermessensfehler, weder in Form eines Ermessensfehlgebrauchs noch in der Form eines Ermessensnichtgebrauchs unterlaufen. Eine Abwägung der Verhältnismäßigkeit muss auch die Zunahme der elektronischen Post berücksichtigen, wodurch immer weniger Papier-Post in immer größeren Arealen verteilt werden muss. Hieraus resultierende Schwierigkeiten auch bei anderen Anbietern sind den Mitgliedern der Kammer bekannt. Entscheidend für die Bewertung der Ermessensausübung durch den Antragsgegner war letztlich die Sensibilität der Sendungen. Die versandte Post eines Finanzamtes enthält Steuergeheimnisse und die Zustellungsfiktion setzt Rechtsmittelfristen in Gang mit der Folge, dass die Rechtsmittelfristen für die Betroffenen verkürzt sind. Dies sind alles Sachverhalte, die für einen Steuerpflichtigen im Falle eines Verstoßes sehr belastend sind. Bestimmend für die Reklamationsquote ist auch das jeweilige Temperament des betroffenen Bürgers oder Steuerberaters. Die Quote von Benachteiligten, die sich nicht beschweren, ist im Testbriefverfahren objektiver ermittelt.
Anders als von der Antragstellerin dargelegt, hat der Antragsgegner die Entscheidungsbefugnisse auch nicht in unzulässiger Form delegiert. Die vom Antragsteller zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 17. Februar 2022, Az.: 11 Verg 8/21) betraf die Ausschreibung eines Rahmenvertrags, durch den sich ein privater Dienstleister gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, eine Vermittlungszentrale für hoheitlich veranlasste Abschleppdienstleistungen zu betreiben. Diese verstößt gegen § 97 I GWB, wenn der private Dienstleister ein Vermittlungsregister für Abschleppunternehmen führen soll und wenn er insoweit Auswahlentscheidungen treffen muss (u. darf), die ausschließlich dem öffentlichen Auftraggeber obliegen. Zur Entscheidung stand daher eine andere Sachverhaltskonstellation. Behörden und Einrichtungen des Landes MV (Bedarfsstellen) sind grundsätzlich zur zentralen Beschaffung über das LAiV verpflichtet, soweit ein in der Beschaffungsrichtlinie festgelegter Auftragswert überschritten wird. Gleichwohl sind Stellungnahmen von Bedarfsstellen einzuholen. Selbst in dem Fall, in dem eine Bedarfsstelle im Einzelfall durch ihre Formulierungen Argumente vorbringt, die thematisch zur Ermessensausübung gehören, ist dies unschädlich, so lange die Vergabestelle ihr Ermessen selbst ausübt. Dies war hier der Fall, wie sich aus dem Ausschlussschreiben vom 30. September 2024 ergibt.
Eine Anhörung zu den Tatsachen, auf die der Ausschluss gestützt wird, ist im Gesetz nicht angeordnet. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin darf der Antragsgegner sein Ermessen auch auf neue oder später bekannt gewordene Tatsachen stützen (Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar § 124 GWB Rz. 22).
Liegt eine nachweislich schwere Verfehlung vor, ist eine darüber hinaus gehende, auf den konkreten Auftrag bezogene Prognose, ob das Unternehmen den Auftrag zuverlässig erfüllen wird, nicht mehr zu fordern. Der Auftraggeber trifft - unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - nur noch die Ermessensentscheidung über den Ausschluss (Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar § 124 GWB Rz. 44). Der Ausschluss kann sich aber als unverhältnismäßig darstellen, wenn das Unternehmen zwischenzeitlich Maßnahmen der "Selbstreinigung" ergriffen hat. Hierbei gelten die Maßstäbe des § 125 GWB, die Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind (Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar § 124 GWB Rz. 20). Nach der Vergabeakte hat es umfangreiche Gespräche zwischen Antragstellerin und Antragsgegner sowie der Bedarfsstelle gegeben. In der Folge hat die Antragstellerin nach eigenen Angaben umfangreiche technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen (Schreiben der Antragstellerin vom 14. August 2024). Diese haben jedoch nicht gegriffen (Schreiben der Bedarfsstelle vom 11. September 2024).
Die zum Zeitpunkt des Ausschlusses bereits beschlossene Änderung der AO, nach der die Zustellungsfiktion ab 1. Januar 2025 nicht mehr drei, sondern vier Tage betragen würde, spielt bei der Ermessensentscheidung im Rahmen von Verhältnismäßigkeitserwägungen eine besondere Rolle. Ein Ausschluss kann sich als unverhältnismäßig darstellen, wenn das Unternehmen Maßstäbe einhält, die - vom Tag des Ausschlusses aus gesehen - innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens als Gesetz in Kraft treten. Nach den Ergebnissen des Testbriefverfahrens wären selbst bei Zugrundelegung einer Zustellungsfiktion von vier Tagen ab Einlieferung der Post noch 11,04% der Sendungen nicht fristgerecht angekommen. Dies ist mit Blick auf die dargestellten Folgen für die betroffenen Steuerpflichtigen ebenfalls eine signifikante Größe außerhalb des Bagatellbereichs.
III.
Die Antragstellerin hat als unterlegene Partei die Kosten zu tragen. Für die Amtshandlungen der Vergabekammern werden nach § 182 Abs. 1 S. 1 GWB grundsätzlich Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB ist das Verwaltungskostengesetz - VwKostG - vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung anzuwenden. Es handelt sich hierbei um eine statische Verweisung auf eine Vorschrift in einer Fassung, die zwischenzeitlich außer Kraft getreten ist (Ziekow/Völlink § 182 GWB Rz. 4). Die Höhe der Gebühren wird in Anwendung der Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes auf Euro festgesetzt, weil die Angebotssumme zwischen 1.000.000,00 Euro und 2.000.000,00 Euro betrug.
Kosten für einen Verfahrensbevollmächtigten sind bei dem Antragsgegner nicht entstanden. Allgemeine Personalkosten, die einem Beteiligten entstanden sind, sind nicht erstattungsfähig. Für den Verlust an Zeit für die Abfassung und Begründung von Schreiben im Zusammenhang mit dem Verfahren kann ein Beteiligter keinen Ersatz verlangen, weil die allgemeinen Personalkosten für einen Mitarbeiter keinen konkreten Bezug zu einem bestimmten Nachprüfungsverfahren haben (Röwekamp/ Kus/Portz/Prieß § 182 GWB Rz. 40).
IV.
Gegen diese Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Oberlandesgericht Rostock, Wall straße 3, 1..8055 Rostock, einzulegen. Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt. Die Beschwerdeschrift muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Das gilt nicht für Beschwerden juristischer Personen des öffentlichen Rechts.
Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.
(VK Mecklenburg-Vorpommern Beschl. v. 14.4.2025 - 3 VK 12/24, BeckRS 2025, 28383 Rn. 38, beck-online)
Indikatives Angebot muss Mindestanforderungen einhalten!
Indikatives Angebot muss Mindestanforderungen einhalten!
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VK Mecklenburg-Vorpommern
Beschlus
vom 05.11.2025
3 VK 14/24
1. Ein indikatives Angebot kann je nach Ausschreibungsmodus verbindliche und unverbindliche Angaben enthalten. Soweit der Auftraggeber allerdings zwingende Anforderungen an die Angebote aufstellt, sind diese Anforderungen - dies gilt auch für indikative Angebote - zwingend zu beachten.
2. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Frage, ob ein Angebot von den Vergabeunterlagen abweicht, ist die Fassung des Angebots bei Ablauf der Abgabefrist. Bei Verhandlungsverfahren gilt dies wegen der Möglichkeit regelmäßig erst für das letztverbindliche Angebot, es sei denn, es handelt sich um zwingende Mindestanforderungen, die bereits im indikativen Angebot zu beachten sind.
3. Aus dem Umstand, dass der Inhalt der Angebote im Verhandlungsverfahren verhandelbar ist, folgt nicht, dass der Angebotsinhalt erst im Rahmen der Verhandlungen vom Bieter festgelegt werden kann.
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 05.11.2025 - 3 VK 14/24
Tenor:
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer in den Stand vor Ausschluss des Angebots der Antragstellerin zurückzuversetzen und unter Einbeziehung der Antragstellerin fortzuführen.
2. Der Antragsgegner ist von den Gebühren befreit. Er trägt die Aufwendungen der Antragstellerin. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin war notwendig.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner schrieb am
im Wege des Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb sechs Streifenboote See aus. Nach weiteren Verfahrensschritten hat die Antragstellerin am 28. August 2024 fristgerecht das streitbefangene Angebot abgegeben. Mit dem Angebot hat die Antragstellerin unter anderem die ausgefüllte Leistungsbeschreibung eingereicht. Nach Seite 4 der Bewerbungsbedingungen sollte mit dem Angebot ein unverbindlicher Generalplan eingereicht werden.
Mit Nachricht über das elektronische Vergabeportal vom 24. September 2024 bat der Antragsgegner um Aufklärung. Die Antragstellerin antwortete hierauf am 30. September 2024. Nachdem der Antragsgegner am 28. Oktober 2024 gemäß § 134 GWB mitgeteilt hatte, die Antragstellerin nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ausgeschlossen zu haben, rügte die Antragstellerin dies mit Schreiben vom 30. Oktober 2024. Am 9. Dezember 2024 teilte der Antragsgegner mit, der Rüge nicht abhelfen zu wollen.
Mit Schriftsatz an die Vergabekammer vom 23. Dezember 2024 beantragt die Antragstellerin:
1.den Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer in den Stand vor Ausschluss des Angebots des Antragstellers zurückzuversetzen und unter seiner Einbeziehung fortzuführen,
2.der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren,
3.die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin für notwendig zu erklären und
4.dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Hierzu trägt sie vor:
Der Ausschluss der Antragstellerin vom Vergabeverfahren sei rechtswidrig. Sie habe nicht nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ausgeschlossen werden dürfen, weil sie die zu beschaffende Leistung angeboten habe. Insbesondere habe sie kein in sich widersprüchliches Angebot abgegeben.
Zum Frischwassertank:
Nach dem Leistungsverzeichnis war ein Frischwassertank mit einem Fassungsvermögen von 150 Litern vorgesehen. Im Angebot habe die Antragstellerin bei einer mit "A" gekennzeichneten Position, folglich einem Ausschlusskriterium, "Ja" angekreuzt. Die Antragstellerin habe somit die erforderliche Erklärung abgegeben und sie zudem eindeutig beantwortet. Die Erklärung könne nur so verstanden werden, dass die Antragstellerin bei den zu beschaffenden Booten einen Frischwassertank mit dem geforderten Volumen anbieten würde. Zwar habe sie einen Generalplan mit 200 Litern Fassungsvermögen für Frischwasser eingereicht. Der Generalplan sei aber veränderbar, der abschließende Generalplan sei erst nach erfolgter Auftragsvergabe vorzulegen.
Auf Nachfrage des Antragsgegners vom 24. September 2024 habe sie am 30. September 2024 geantwortet:
"Es ist ein Tank mit einem Bruttofassungsvermögen von 200 l vorgesehen. Die Sensoren können so eingestellt werden, dass der Maximum Level Alarm bei 150 l auslöst. Auf Wunsch kann der Kunststofftank aber auch baulich auf ein Volumen von 150 l brutto verkleinert werden."
Zum Fahrerstand:
Auch wegen ihres Angebotsinhaltes zum Fahrerstand hätte die Antragstellerin ihrer Ansicht nach nicht ausgeschlossen werden dürfen.
Nach dem Ausschlusskriterium A 5.3.5.2.1.1 sei der Fahrerstand wie folgt anzuordnen:
- Bb.-Seite großes Fahrpult für Fahrer,
- Stb.-Seite kleines Pult für Beifahrer.
Die Antragstellerin habe an dieser Stelle "Ja" angekreuzt. Damit bestätigte die Antragstellerin, dass diese Anforderung erfüllt werde. Dies sei - wie beim Tank - eine eindeutige Antwort, die nur so verstanden werden könne, dass die Antragstellerin bei den zu beschaffenden Booten den Fahrstand wie verlangt anbieten werde. Diese Angaben seien durch den Antragsgegner in unzulässiger Weise relativiert worden. Zwar sei das Fahrpult im Generalplan tatsächlich mittschiffs angeordnet. Auch im Hinblick auf den Fahrstand sollte der einzureichende Generalplan unverbindlich sein und könne deshalb nicht als Widerspruch zum verbindlichen Angebotsinhalt eingestuft werden.
Der Antragsgegner beantragt,
1.den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,
2.der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Hierzu trägt er vor:
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig, aber unbegründet. Der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin sei rechtmäßig.
Zum Frischwassertank:
Die Vorgaben zum Frischwassertank seien in den Ausschreibungsunterlagen klar und unmissverständlich formuliert. Beide Beteiligten gingen davon aus, dass mit dem Fassungsvermögen eines Tanks der Bruttoinhalt (Überlaufvolumen) angegeben würde. Entgegen den Ausführungen in der Antragsschrift sei für den Antragsgegner nicht zweifelsfrei ersichtlich, welches Fassungsvermögen der von der Antragstellerin angebotene Frischwassertank tatsächlich habe. Die Angaben der Antragstellerin unter A.1.3.2.; A.1.3.2.1. und A.2.3.8.1. seien widersprüchlich. Der Widerspruch ließe sich auch nicht durch Auslegung aufklären oder auflösen. Da es sich bei diesem Kriterium um ein Ausschlusskriterium handeln würde, sei unklar, ob das Angebot der Antragstellerin vom 28. August 2024 die Voraussetzungen des Ausschlusskriteriums erfüllen würde.
Auch wenn es sich in diesem Fall um ein Verhandlungsverfahren handeln würde, war die nachweisliche Erfüllung aller Ausschlusskriterien bereits mit dem Erstangebot erforderlich, weil der Antragsgegner sich die Bezuschlagung auf das Erstangebot in den Vergabeunterlagen explizit vorbehalten habe. Zudem bedürfe die Aussage der Antragstellerin vom 30. September 2024 auf Nachfrage des Antragsgegners vom 24. September 2024 "Auf Wunsch kann der Kunststofftank auch baulich auf ein Volumen von 150 l brutto verkleinert werden." einer Rückäußerung durch den Auftraggeber. Eine solche Rückäußerung sei hier ausgeschlossen, da es sich um ein Ausschlusskriterium handele, welches bereits mit dem Angebot selbst zwingend erfüllt sein müsse. Es sei nicht klar gewesen, welches Fassungsvermögen der angebotene Frischwassertank gehabt habe. Dieser Widerspruch ließe sich auch nicht durch Aufklärung aufklären oder auflösen. Auf Nachfrage des Antragsgegners habe die Antragstellerin am 30. September 2024 hierzu geschrieben: "Auf Wunsch kann der Kunststofftank aber auch baulich auf ein Volumen von 150 l brutto verkleinert werden." Der Zusatz "auf Wunsch" beinhalte die Notwendigkeit einer Rückäußerung durch den Antragsgegner. Dies sei kein Angebot, dass mit einem "Ja" angenommen werden könne. Die von der Antragstellerin angebotene Leistung weiche deshalb hinsichtlich des Fassungsvermögens des Frischwassertanks von der Vorgabe des Ausschlusskriteriums ab.
Zum Fahrerstand:
Zulässigerweise habe der Antragsgegner in den Ausschreibungsunterlagen durch sein Leistungsbestimmungsrecht vorgegeben, dass das große Fahrpult für den Fahrer backbordseitig und das kleine Pult für den Beifahrer steuerbordseitig angeordnet werden müsse. Auch wenn es hier um ein Verhandlungsverfahren gehe, sei die nachweisliche Erfüllung aller Ausschlusskriterien bereits mit dem Erstangebot erforderlich. Dies begründe sich insbesondere dadurch, dass in den Vergabeunterlagen die Bezuschlagung auf das Erstangebot explizit vorbehalten worden sei. Das Angebot der Antragstellerin sei hinsichtlich der Anordnung des Fahrerstandes nicht eindeutig, sondern widersprüchlich. Es gebe Abweichungen zum Leistungsverzeichnis im Generalplan ausgeführte und im Konzept B 5 nach Nr. A.5.3.5.1.1 der Leistungsbeschreibung. Dieser Widerspruch ließe sich nicht aufklären oder auflösen. Mit Schreiben vom 24. September 2024 sei die Antragstellerin deshalb aufgefordert worden, anzugeben, wo das Fahrpult für den Fahrer und das Pult für den Beifahrer im Angebot angeordnet seien. In ihrer Antwort vom 30. September 2024 habe die Antragstellerin auf einen aktualisierten Generalplan verwiesen, bei dem der Stand für den Fahrer mittig angeordnet gewesen sei. Die Antragstellerin habe nicht eine geringfügige geänderte Anordnung vorgeschlagen, sondern eine zwingende Vorgabe missachtet.
Der Akteneinsichtsbeschluss datiert vom 15. Januar 2025. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2024 auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 21. Januar 2025 erklärt, auf eine mündliche Verhandlung verzichten zu wollen, wenn sie auf einen Hinweis der Vergabekammer Gelegenheit zur Stellungnahme erhalte. Nach zwei Hinweisen der Vergabekammer, vom 27. Januar 2025 und ergänzend vom 7. Februar 2025 hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 12. Februar 2025 weiter vorgetragen:
Zum Frischwassertank und zum Fahrerstand habe die Antragstellerin im Angebot eindeutig "Ja" angekreuzt. Dies könne nicht umgedeutet werden. Nach OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.06.2017 - VII Verg 7/17, NZBau 2017, 619 sei hier dann auf den Zeitpunkt des indikativen Angebots abzustellen, wenn der Auftraggeber eindeutig und unmissverständlich zwingende Mindestanforderungen aufgestellt habe. Dabei müsse sich zugleich aus den Vergabeunterlagen ergeben, dass die Mindestanforderungen bereits mit dem indikativen Angebot erfüllt sein müssen.
Der Antragsgegner hat daraufhin am 19. Februar 2025 vorgetragen:
Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 12. Februar 2025 genüge es hier nicht, mit dem Angebot jeweils ein Leistungsversprechen durch Ankreuzen von "Ja" unter A.1.3.2 und A.2.8.3.1, sowie A.5.3.5.2.1.1 der Leistungsbeschreibung abzugeben. Dies genüge deshalb nicht, weil wie aufgezeigt in den weiteren Teilen des Angebotes entgegenstehende Offerten enthalten seien, sowohl was das Fassungsvermögen des Frischwassertanks als auch die Anordnung der Pulte für den Fahrer und für den Beifahrer betreffe. Das Angebot sei insoweit nicht eindeutig und enthielte widersprechende sich gegenseitig ausschließende Offerten. Derartige Widersprüchlichkeiten bzw. Uneindeutigkeiten des Angebotes seien im Verhandlungsverfahren grundsätzlich folgenlos, weil hierüber noch regelmäßig Verhandlungen stattfinden, in denen dann die Widersprüchlichkeiten aufgelöst würden. Etwas Anderes gelte hier jedoch bezogen auf das Fassungsvermögen des Frischwassertanks als auch die Anordnung der Pulte für den Fahrer und für den Beifahrer, weil es sich um Mindestanforderungen bzw. Ausschlusskriterien handele. Diesbezüglich müsse hier das Erstangebot eindeutig sein und die Erfüllung der Mindestanforderungen bzw. Ausschlusskriterien zweifelsfrei aufzeigen und anbieten. Dies sei im Angebot der Antragstellerin vom 28. August 2024 nicht der Fall gewesen.
Weitere Einzelheiten zum Sachverhalt können den gewechselten Schriftsätzen entnommen werden.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet. Die Antragstellerin hätte nicht nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ausgeschlossen werden dürfen.
Der öffentliche Auftraggeber kann Aufträge im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb oder im wettbewerblichen Dialog vergeben, wenn die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers nicht ohne die Anpassung bereits verfügbarer Lösungen erfüllt werden können (§ 14 Abs. 3 Nr. 1 VgV). Der Antragsgegner hat diese Verfahrensart gewählt. Es war zum Erstangebot ein Mindeststandard zu erklären. Dieser wurde erfüllt. Ein indikatives Angebot kann je nach Ausschreibungsmodus verbindliche und unverbindliche Angaben enthalten. Soweit der Auftraggeber allerdings zwingende Anforderungen an die Angebote aufstellt, sind diese Anforderungen - dies gilt auch für indikative Angebote (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Juni 2017 Verg 7/17- ZfBR 2018, 89) - zwingend zu beachten.
Voraussetzung hierfür ist, dass die Mindestanforderungen - wie für alle Bereiche der Vergabeunterlagen erforderlich - eindeutig und unmissverständlich aufgestellt wurden (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3.3.2010 - VII-Verg 46/09, BeckRS 2016, 19890).
Dies war hier der Fall. Die Antragstellerin hat zwingende Mindestvoraussetzungen für ein ordnungsgemäßes Erstangebot erfüllt. Der Antragsgegner hat in seinen Bewerbungsbedingungen damit einen Mindeststandard festgelegt, den die Antragstellerin erfüllt hat. Die Antragstellerin hat in ihrem Erstangebot angeboten, was zwingend erforderlich war. In den Bewerbungsbedingungen heißt es zu Phase 2: "Die in der Leistungsbeschreibung festgelegten Mindestanforderungen (Ausschlusskriterien) und die im Leistungsverzeichnis aufgeführten Zuschlagskriterien sind nicht verhandelbar." Dort heißt es weiter: "Der Auftraggeber behält sich vor, den Zuschlag auf Basis der Erstangebote zu erteilen."
Ob das Angebot eines Bieters von den Vergabeunterlagen abweicht und diese damit »ändert«, ist durch Auslegung des Angebots gemäß §§ 133 und 157 BGB einschließlich sämtlicher Anlagen und Erläuterungen, etwaigen Datenblättern oder Konzepten etc. zu beurteilen. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist die Fassung des Angebots bei Ablauf der Abgabefrist, da das Angebot bis zu diesem Termin noch zurückgezogen werden kann und der Bieter somit erst ab diesem Zeitpunkt gemäß § 145 BGB an sein Angebot gebunden ist. Bei Verhandlungsverfahren gilt dies wegen der Möglichkeit, den Angebotsinhalt in den nächsten Verhandlungsrunden noch zu verändern (§ 119 Abs. 5 GWB), regelmäßig erst für das letztverbindliche sog. »final offer«, es sei denn, es handelt sich - wie hier - um zwingende Mindestanforderungen, die bereits im indikativen Angebot zu beachten sind (vgl. Röwekamp/Kus/Marx/Portz/Prieß Kommentar zur VgV § 57 VgV Rz. 55).
Nach der Legende zur Leistungsbeschreibung bedeutet "A" = Ausschlusskriterium. "E" bedeutet Entscheidungsantwort und wird wie folgt erläutert: "Die Antwort muss entweder "Ja" oder "Nein" lauten. Mit einen "Ja" bestätigt der Bieter, dass die Anforderung erfüllt wird." Aus dem Umstand, dass der Inhalt der Angebote im Verhandlungsverfahren verhandelbar ist, folgt nicht, dass der Angebotsinhalt erst im Rahmen der Verhandlungen vom Bieter festgelegt werden kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. März 2010 - VII-Verg 46/09, BeckRS 2016, 19890).
Ob die Ausschreibungsunterlagen unklar waren, mit der Folge, dass Unklarheiten zu Lasten des Auftraggebers gehen, musste nicht mehr entschieden werden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat für den Fall eines öffentlichen Bauauftrags entschieden, dass eine unklare Leistungsbeschreibung grundsätzlich nicht zu Lasten des Auftragnehmers geht (Urteil vom 12.09.2013, VII ZR 227/11). Nach dem OLG München (Urteil vom 30. November 2020, Verg 6/29) dürfen Bieter die Vergabeunterlagen auslegen, um den Willen des Auftraggebers zu ergründen. Verbleiben auch dann noch Unklarheiten und Widersprüche, so gehen diese zu Lasten des Auftraggebers. Noch nicht einmal dies ist für diesen Fall anzunehmen, weil die Mindestanforderungen hinreichend klar gekennzeichnet waren.
Zum Frischwassertank:
Mit der ausgefüllten Leistungsbeschreibung (Dateiname: 04_0_LB-Leistungsbeschreibung V2) hat die Antragstellerin an mehreren Stellen, unter A.1.3.2. und unter A.2.8.3.1 zugesagt, die Ausschlusskriterien zu erfüllen. Im Zweifelsfall gilt diese Erklärung. Alle anderen Erklärungen in dem Verfahren zum Frischwassertank waren nicht verbindlich. Die Darstellung im Generalplan war sowohl nach den Bewerbungsbedingungen (vgl. Seite 4 der Bewerbungsbedingungen, Version 2) als auch nach Nr. A.1.11.1 der Leistungsbeschreibung, der zu Folge ein abschließender Generalplan nach erfolgter Auftragsvergabe einzureichen ist, nicht verbindlich.
Zum Fahrerstand:
Darüber hinaus bestätigte die Antragstellerin im Angebot vom 28. August 2024 zwar durch Ankreuzen von "Ja" unter A.5.3.5.2.1.1 der Leistungsbeschreibung, dass das große Fahrpult für den Fahrer backbordseitig und das kleine Pult für den Beifahrer steuerbordseitig angeordnet wird. Dem Wortlaut des Leistungsverzeichnisses war deutlich zu entnehmen, dass auf dem Fahrstand auf der Backbord-Seite ein großes Fahrpult für den Fahrer und auf der Steuerbordseite ein kleines Fahrpult für den Beifahrer angeordnet werden soll. Die Anordnung des Fahrstandes war mit dem Buchstaben "A" gekennzeichnet. Dies bedeutet, dass es ein Ausschlusskriterium ist. Der Fahrstand war im Generalplan abweichend angeordnet. Danach befindet sich das große Fahrerpult für den Fahrer mittschiffs. Der Generalplan ist veränderbar und erst am Ende der Verhandlungen einzureichen (vgl. Seite 14 des Leistungsverzeichnisses, Referenz A.1.11.1., zur Unverbindlichkeit des Generalplans siehe auch Seite 4 der Bewerbungsbedingungen). In dem mit dem Angebot eingereichten Konzept B5 zur Referenz A.5.3.5.1.1 (Datei 05_Anlage 5 zur Leistungsbeschreibung _Beantwortung Fragenkatalog - ausgefüllt-) wird die Abweichung ebenso dargestellt, mit einem großen Fahrpult mittschiffs für den Fahrer.
Der Antragsgegner schildert zwar zutreffend, auf seine Nachfrage habe es keine klare Antwort der Antragstellerin gegeben, der zufolge Generalplan und das Konzept B5 an den Inhalt der Ausschlusskriterien angepasst würden. Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, in der alle essentialia negotii so bestimmt oder zumindest bestimmbar sind, dass die Annahme durch ein schlichtes "Ja" möglich ist (Mansel in: Jauernig, § 145 BGB, Rz. 2). Zu den essenziellen Konsensfragen gehörten aber die durch den Antragsgegner bestimmten und als solche in der Leistungsbeschreibung gekennzeichneten Ausschlusskriterien. Dies kann sich nicht durch weitere Nachfragen des Auftraggebers im Laufe des Verfahrens ändern.
III.
Der Antragsgegner hat als unterlegene Partei nach § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB die Kosten zu tragen. Für die Amtshandlungen der Vergabekammern werden nach § 182 Abs. 1 S. 1 GWB grundsätzlich Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB ist das Verwaltungskostengesetz - VwKostG - vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung anzuwenden. Für den Antragsgegner besteht eine Gebührenbefreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 Verwaltungskostengesetz.
Nach § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB hat der Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig. Die Notwendigkeit dieser Hinzuziehung ist jeweils nach den individuellen Umständen des einzelnen Nachprüfungsverfahrens zu beurteilen. Grundsätzlich ist hierbei zunächst auf die spezifischen Besonderheiten des Vergabenachprüfungsverfahrens abzustellen. Es handelt sich um eine immer noch nicht zum (weder juristischen noch unternehmerischen) Allgemeingut zählende, auch aufgrund vielfältiger europarechtlicher Überlagerungen wenig übersichtliche und zudem steten Veränderungen unterworfene Rechtsmaterie, die wegen des gerichtsähnlich ausgestalteten Verfahrens bei der Vergabekammer bereits dort prozessrechtliche Kenntnisse verlangt (Krohn in: Burgi/Dreher Beckscher Vergaberechtskommentar § 182 GWB Rz. 45 m. w. N.). Eine Ausnahme kann vorliegen, sofern sich die zu behandelnde Materie auf einen einfach gelagerten Sachverhalt beschränkt (vgl. Röwekamp/Kus/Portz/Prieß § 182 GWB Rz. 36). Die Hinzuziehung ist im Regelfall als notwendig anzuerkennen (Röwekamp/Kus/Portz /Prieß § 182 GWB Rz. 36). Die hier zu behandelnden Rechtsfragen waren jedenfalls nicht ganz einfach gelagert, so dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten notwendig war.
IV.
Gegen diese Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Oberlandesgericht Rostock, Wall straße 3, 1
8055 Rostock, einzulegen. Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt. Die Beschwerdeschrift muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Das gilt nicht für Beschwerden juristischer Personen des öffentlichen Rechts.
Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.
(VK Mecklenburg-Vorpommern Beschl. v. 25.2.2025 - 3 VK 14/24, BeckRS 2025, 28384 Rn. 36, beck-online)
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OLG Celle
Beschluss
vom 19.09.2025
13 Verg 7/25
1. Wenn in einem Oberschwellen-Vergabeverfahren für Postdienstleistungen, bei dem nach den Vergabeunterlagen eine Brutto-Angebotssumme unter Angabe der enthaltenen Umsatzsteuern anzubieten war, ein Bieter ein Angebot abgibt, bei dem er sich - anders als konkurrierende Bieter - auf seine Umsatzsteuerfreiheit für einen Teil der ausgeschriebenen Briefbeförderungsleistungen beruft, obliegt es der Vergabestelle im Rahmen der Angebotsprüfung (§ 56 VgV) festzustellen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Umsatzsteuerfreiheit vorliegen.*)
2. Sind die Postdienstleistungen als Ende-zu-Ende-Briefbeförderung ausgeschrieben, dürfte es sich bei der Briefbeförderung auch dann umsatzsteuerrechtlich um eine einheitliche Leistung handeln, wenn ein Bieter die angebotene Briefbeförderung in der Weise ausführen will, dass er die Briefe vorsortiert bei einem Post-Universaldienstleister einliefert und diesen als Subunternehmer mit dem weiteren bundesweiten oder regionalen Versand - als Teilleistung gemäß § 54 Abs. 1 PostG - beauftragt.*)
3. Besteht zwischen einem Post-Universaldienstleister und einem Tochterunternehmen eine Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, können Post-Universaldienstleistungen, die das Tochterunternehmen im Auftrag seiner Kunden erbringt, indem sie diese von dem Universaldienstleister ausführen lässt, grundsätzlich der Umsatzsteuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 11b UStG unterfallen.*)
4. Dabei ist für die Prüfung der Ausschlusstatbestände des § 4 Nr. 11b Satz 3 UstG auf das Auftragsverhältnis zwischen dem Tochterunternehmen und ihrem Auftraggeber abzustellen. Mithin kommt es darauf an, ob das Tochterunternehmen die Leistungen zu den durch die Bundesnetzagentur genehmigten Entgelten erbringt. Gewährt das Tochterunternehmen für Teilleistungen im Sinne des § 54 Abs. 1 PostG einen Mengenrabatt, müssen die hierfür nach der Entgeltgenehmigung erforderlichen Einlieferungsmengen durch die von dem jeweiligen Kunden versandten Briefe erreicht werden. Es genügt nicht, dass das Tochterunternehmen nach einer Konsolidierung mit den Briefen anderer Kunden insgesamt die jeweiligen Mindestmengen erreicht.*)
OLG Celle, Beschluss vom 19.09.2025 - 13 Verg 7/25
Tenor:
Es wird darauf hingewiesen, dass die sofortige Beschwerde und der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin begründet sein dürften.
Die Antragsgegnerin mag - zur schnellen Erledigung des Nachprüfungsverfahrens und zur Vermeidung weiterer Kosten - erwägen, das Verfahren in den Stand vor der Angebotsprüfung zurückzuversetzen.
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin betreibt ein Vergabeverfahren für Postdienstleistungen. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Nachprüfungsantrag gegen die beabsichtigte Zuschlagserteilung zu Gunsten der Beigeladenen, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Post AG.
Für ihr Angebot trug die Beigeladene im elektronischen Preisblatt für jede ausgeschriebene Briefart jeweils unterschiedliche Umsatzsteuersätze von unter 19% ein. In einer Anlage zu ihrem Angebot erläuterte die Beigeladene, sie dürfe näher bezeichnete Teilleistungen der ausgeschriebenen Ende-zu-Ende-Briefbeförderung umsatzsteuerfrei erbringen, weil sie als Konsolidierungsunternehmen alle Sendungen zur Zustellung bei der Deutschen Post AG einliefere und Teil des Unternehmens Deutsche Post AG gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sei. Demgegenüber unterlägen nur die postvorbereitenden Leistungen wie Abholung, Sortierung und ggf. Frankierung der Umsatzsteuer. In einer beigefügten Tabelle hatte die Beigeladene für jede Briefart die "Preisbestandteile ohne Umsatzsteuer für die Standardleistungen 'Teilleistungen' der Deutschen Post AG, entspricht dem Porto" mit einem Umsatzsteuersatz von 0%, die Preisbestanteile für ihre eigenen Dienstleistungen mit einem Umsatzsteuersatz von 19% sowie die daraus resultierenden "Stückpreise in Euro" mit jeweils unterschiedlichen Prozentsätzen für die "effektive Umsatzsteuer" angegeben. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren hat die Beigeladene hierzu erklärt, sie habe die Teilleistungen auf Basis der von der Bundesnetzagentur genehmigten allgemeinen Tarife der Deutsche Post AG kalkuliert und angeboten. Zwar habe sie die Preise nicht direkt aus der genehmigten Preisliste entnommen. Es handele sich aber um das DPAG-Porto, das auf Basis ihres konkreten Leistungskonzepts anfalle. Das von der Deutschen Post AG erhobene Porto hänge davon ab, welche Rabatte diese der Beigeladenen im Einzelfall nach den jeweiligen Umständen (Einlieferung beim Briefzentrum Abgang oder Eingang, Sendungsmenge) gewähre. Die Beigeladene habe auf dieser Basis einen Mischpreis ermittelt. Nach ihrem Geschäftsmodell gebe sie die Rabatte, die sie für die von ihr gebündelten Sendungsmengen aller Kunden erziele, unvermindert weiter, auf die individuellen Sendungsmengen einzelner Kunden komme es dabei nicht an.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig (§ 160 GWB), insbesondere ist die Antragstellerin mit ihrer Rüge - jedenfalls mit deren Kernpunkt - weder gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB noch gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert.
1. Die Vergabekammer ist insoweit zu Recht davon ausgegangen, dass die Antwort zur Bieterfrage Nr. 10 (der Beigeladenen) nur die formelle Zulässigkeit eines Angebots betrifft, bei dem Teilleistungen umsatzsteuerfrei angeboten werden sollen und das Angebot somit keinen einheitlichen Steuersatz von 19% aufweist. Die Antwort betrifft lediglich die Frage, wie das Angebot formell zu gestalten ist, wenn ein Bieter der Auffassung ist, Teilleistungen umsatzsteuerfrei erbringen zu dürfen. Weil das elektronische Vergabeblatt lediglich vorsieht, die Leistung zu einem einheitlichen Steuersatz anzubieten, hat die Antragsgegnerin gestattet, dass Bieter, die sich auf eine Umsatzsteuerfreiheit von Teilleistungen berufen wollen, dies mit Hilfe einer gesonderten Erläuterung darstellen.
Die Antragstellerin hat mit ihrer Beschwerdebegründung klargestellt, dass dieser formelle Aspekt nicht Gegenstand ihrer Rüge ist. Sie hat erklärt, Gegenstand ihrer Rüge sei nicht die Angebotsgestaltung mit Hilfe eines Beiblatts und dessen grundsätzliche Akzeptanz.
2. Die Rüge der Antragstellerin richtet sich dagegen, dass die Beigeladene sich zu Unrecht auf eine teilweise Umsatzsteuerfreiheit der angebotenen Postdienstleistungen berufe, ihr Angebot deshalb nicht - wie gefordert - den vollständigen Bruttopreis aufweise und daher von der Antragsgegnerin hätte ausgeschlossen werden müssen.
Insoweit ist die Antragstellerin nicht präkludiert, weil diese inhaltliche Prüfung der - erst noch einzureichenden - Angebote nicht Gegenstand der Antwort auf die Bieterfrage Nr. 10 war. Aus der maßgeblichen Sicht der Bieter hat die Antragsgegnerin mit ihrer Antwort nicht darüber entschieden, dass die Beigeladene umsatzsteuerrechtlich berechtigt sei, bestimmte Teilleistungen umsatzsteuerfrei zu erbringen. Es liegt aus Sicht der Bieter auf der Hand, dass die Antragsgegnerin sich nicht vorab festlegen wollte, inwiefern für die Beigeladene in Bezug auf bestimmte Teilleistungen ihres noch einzureichenden Angebotes tatsächlich eine Umsatzsteuerfreiheit bestehen könnte. Die inhaltliche Prüfung der eingereichten Angebote erfolgte erst in einer nachfolgenden Phase des Vergabeverfahrens. Mit der Antwort zur formellen Angebotsgestaltung war noch kein Präjudiz für die Annahme einer teilweisen Umsatzsteuersteuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 11b UStG verbunden. Zudem muss ein bloß mögliches künftiges vergaberechtswidriges Verhalten nicht vorsorglich gerügt werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Juni 2011 - VII-Verg 25/11). Daher war insoweit auch keine Rüge in Bezug auf die Antwort zu der Bieterfrage veranlasst.
III.
Der Nachprüfungsantrag dürfte auch begründet sein.
Die Vergabestelle hat bei der Angebotsprüfung - entgegen § 56 VgV - nicht geprüft, ob die Berechnung der anfallenden Umsatzsteuern im Angebot der Beigeladenen zutreffend ist und sich die Beigeladene zu Recht auf die teilweise Umsatzsteuerfreiheit der angebotenen Leistungen beruft.
1. Nach dem Leistungsverzeichnis war eine Brutto-Angebotssumme anzubieten, die sich aus der Summe der Nettopreise der einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses zuzüglich der Umsatzsteuer ergibt, die sich aus dem bei den einzelnen Positionen jeweils einzutragenden Umsatzsteuersatz errechnet.
Dabei liegt aus der für die Auslegung der Vergabeunterlagen maßgeblichen Sicht der angesprochenen Bieter auf der Hand, dass der im Angebot enthaltene Umsatzsteuerbetrag den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen muss (vgl. § 128 Abs. 1 GWB), damit sich kein Bieter durch eine gesetzeswidrige Verkürzung der Umsatzsteuern einen Wettbewerbsvorteil verschafft.
Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob im Fall der Bezuschlagung eines Angebots mit zu niedrigen Umsatzsteuern der dann rechnerisch zu niedrige Bruttobetrag vertraglich maßgeblich wäre oder eine Auslegung des Vertrages unter Umständen ergeben könnte, dass der angebotene Nettopreis zzgl. der tatsächlich abzuführenden Umsatzsteuern maßgeblich wäre.
2. Es war daher von der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Angebotsprüfung gemäß § 56 VgV festzustellen, ob der ausgewiesene Umsatzsteuerbetrag zutreffend ermittelt worden ist. Ist dies nicht der Fall, ist das betreffende Angebot zwingend auszuschließen (§ 57 Abs. 1 Nr. 4 und 5 VgV), weil der Bieter die Vorgabe, seine Leistung mit der gesetzlichen Umsatzsteuer anzubieten, nicht eingehalten hat.
a) Der Begriff der "Änderung" der Vergabeunterlagen i.S.d. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ist weit auszulegen. Betroffen sind Abweichungen sowohl hinsichtlich der Leistungsinhalte (Änderung des Leistungsverzeichnisses bzw. der Leistungsbeschreibung) als auch in Bezug auf die Vertragsbedingungen. Es dürfen also weder in rechtlicher noch in technischer oder zeitlicher Hinsicht Abweichungen von den vorgegebenen Kalkulationsgrundlagen im Angebot enthalten sein (Gabriel/Krohn/Neun VergabeR-HdB/Haupt, 4. Aufl. 2024, § 29 Rn. 26, beck-online).
Das Angebot der Beigeladenen hätte insoweit besonderer Überprüfung bedurft, weil sie in das elektronische Preisblatt nicht den gesetzlichen Umsatzsteuersatz von 19% eingetragen hatte, sondern niedrigere, von ihr errechnete "effektive Steuersätze". Eine eingehende Prüfung war insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 2 GWB) geboten, weil die von der Antragstellerin angebotene Netto-Angebotssumme niedriger und das Angebot der Beigeladenen nur deshalb preisgünstiger war, weil sie bei der Bildung des für die Wertung maßgeblichen Bruttopreises von einer teilweisen Umsatzsteuerfreiheit ihrer Leistungen ausging.
Dabei sind die gesetzlichen Voraussetzungen der von der Beigeladenen geltend gemachten Umsatzsteuerfreiheit von der Vergabestelle vollständig zu prüfen. Entgegen der von der Vergabekammer des Bundes vertretenen Auffassung (vgl. Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 16.06.2025 - VK 2 - 39/25) erstreckt sich diese Prüfung auch auf den Ausschlusstatbestand des § 4 Nr. 11b Satz 3 UStG. Die Vergabekammer des Bundes hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, der öffentliche Auftraggeber dürfe sich auf die Bescheinigung des Bundeszentralamtes für Steuern verlassen. Diese Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 11b Satz 2 UstG betrifft jedoch nicht die Frage, ob für die einzelnen Leistungen die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes vorliegen. Dass die spätere Umsatzsteueranmeldung von den Finanzämtern geprüft werden wird, entbindet die Antragsgegnerin - jedenfalls nach den hier vorliegenden Vergabebedingungen - ebenfalls nicht von der Prüfung der Frage, ob ein gesetzeskonformes Angebot vorliegt.
3. Die erforderliche Angebotsprüfung hat die Antragsgegnerin nicht vorgenommen.
a) Zwar hat die Antragsgegnerin zu Recht nicht schon aus formellen Gründen beanstandet, dass die Beigeladene die nach ihrer Auffassung umsatzsteuerfreien Bestandteile der angebotenen Leistung in einer Anlage zum Angebot gesondert auswies und für die angebotenen Positionen des Leistungsverzeichnisses - entgegen der ursprünglichen Intention der Antragsgegnerin - einen "effektiven Steuersatz" errechnete, den sie in das elektronische Preisblatt eintrug.
Wenn die Auffassung der Beigeladenen zur teilweisen Umsatzsteuerfreiheit der angebotenen Leistung zuträfe, war dies in dem Angebot zu berücksichtigen, wie sich auch aus der Antwort der Antragsgegnerin auf die Bieterfrage Nr. 10 ergibt. Wegen der Beschränkungen des elektronischen Preisblatts, bei dem die Steuerfreiheit von Teilleistungen nicht vorgesehen war, konnte die Beigeladene dies nur durch die Eintragung eines - fiktiven - "effektiven Steuersatzes" umsetzen, der sich aus dem Verhältnis der für den umsatzsteuerbefreiten Leistungsteils anfallenden Umsatzsteuern zu dem angebotenen Netto-Einzelpreis ergibt.
b) Die Antragsgegnerin hat aber - unter Verstoß gegen § 56 VgV - keine inhaltliche Prüfung der geltend gemachten teilweisen Umsatzsteuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 11b UStG vorgenommen.
c) Die fehlende Prüfung kann sich selbst dann auf das Vergabeverfahren ausgewirkt haben, wenn man mit der Beigeladenen davon ausginge, dass eine teilweise Umsatzsteuerfreiheit der angebotenen Leistungen grundsätzlich in Betracht käme. Denn auf der Grundlage der von der Beigeladenen insoweit vertretenen Rechtsauffassung wäre ihr Angebot jedenfalls nicht prüffähig.
Die von der Beigeladenen als umsatzsteuerfreie Preisbestandteile angegebenen Preise für Teilleistungen der Deutschen Post AG entsprechen nicht den Preisen, die in den Beschlüssen der Bundesnetzagentur zur Genehmigung von Entgelten der Deutschen Post AG vom 11. Dezember 2024 (Anlage A 11, Bl. 272 ff. VergK-A) und vom 29. April 2025 für die Teilleistungen Basis bzw. ID, bundesweiter und regionaler Versand, aufgeführt sind. In dem Angebot der Beigeladenen wird nicht erläutert, woraus sich die von ihr angegebenen Teilleistungspreise ergeben. Nach ihrem Vorbringen im vorliegenden Nachprüfungsverfahren hat die Beigeladene aus den genehmigten Teilleistungsentgelten für bundesweiten und regionalen Versand eigene "Mischpreise" gebildet. Von welchen Anteilen für bundesweit bzw. regional zuzustellende Briefe sie dabei ausgegangen ist und welche Sendungsmengen sie jeweils angenommen hat, ergibt sich nicht aus der dem Angebot beigefügten Aufstellung.
4. Gemäß § 178 Satz 2, § 168 Abs. 1 GWB wird der Antragsgegnerin daher antragsgemäß zu untersagen sein, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Das Verfahren wird bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor Prüfung der Angebote zurückzuversetzen sein.
5. Unabhängig von der Frage, ob die Beigeladene die für eine Prüfung der Umsatzsteuerfreiheit - auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung - erforderlichen Angaben (s.o. Nr. 3. c)) noch nachholen könnte, dürfte ihr Angebot auszuschließen sein, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine teilweise Umsatzsteuerfreiheit der angebotenen Leistungen nicht vorliegen dürften.
a) Bei der insoweit maßgeblichen Regelung des § 4 Nr. 11b UStG ist es durch das Postrechtsmodernisierungsgesetz indirekt zu einer Änderung gekommen. Bislang waren die von Konsolidierern an die Deutsche Post AG zu zahlenden Entgelte aufgrund der diesen gewährten Rabatte (günstigere Preise als die genehmigten Entgelte für Standardbriefe) nicht umsatzsteuerfrei. Weil diese Teilleistungen (§ 54 Abs. 1 PostG) aber nun zu den Universaldienstleistungen zählen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PostG), gibt es jetzt auch für diese Teilleistungen von der Bundesnetzagentur genehmigte Entgelte (s. Beschlüsse der Bundesnetzagentur zur Genehmigung von Entgelten der Deutschen Post AG vom 11. Dezember 2024 und vom 29. April 2025). Wenn diese nicht unterschritten werden und kein anderer Ausschlusstatbestand eingreift, besteht nun auch für diese Teilleistungen der Deutschen Post AG Umsatzsteuerfreiheit.
In der Literatur wird in Frage gestellt, ob diese Neuregelung zur Steuerfreiheit von Teilleistungen, die den besonderen Interessen bestimmter Wirtschaftsteilnehmer dienen, mit Art. 132 Abs. 1 a) der Mehrwertsteuer-System-RL vereinbar ist, wonach von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen als "dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten" (Kapitelüberschrift) von der Umsatzsteuer zu befreien sind (vgl. Sölch/Ringleb/Schüler-Täsch, 104. EL Juni 2025, UStG § 4 Nr. 11b Rn. 8, beck-online; Ulmenstein, MwStR 2024,588).
Diese Frage kann im Streitfall aber dahingestellt bleiben, wenn auch nach nationalem Recht keine Umsatzsteuerfreiheit besteht.
b) Fraglich ist schon, ob sich die Beigeladene auf eine teilweise Umsatzsteuerfreiheit berufen kann, soweit sie zur Ausführung des Auftrags Teilleistungen bei der Deutschen Post AG beauftragt. Dies kommt nur in Betracht, wenn die jeweilige Teilleistung umsatzsteuerrechtlich eine eigenständige Leistung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG darstellt.
aa) Grundsätzlich ist jede Leistung als eigenständige Leistung zu behandeln. Werden einem Leistungsempfänger von einem Unternehmer mehrere Lieferungen und/oder sonstige Leistungen erbracht, sind diese daher umsatzsteuerlich getrennt als mehrere selbstständige Leistungen zu behandeln. Andererseits dürfen einheitliche Leistungsvorgänge eines Unternehmers umsatzsteuerrechtlich nicht künstlich aufgespalten werden, wenn sie wirtschaftlich zusammengehören und ein einheitliches Ganzes bilden, weil die einzelnen Leistungselemente so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (BeckOK UStG/Peltner, 45. Ed. 30.6.2025, UStG § 1 Rn. 52, 53, m.w.N. zur EuGH-Rspr.). Für die Beurteilung ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen (Nr. 3.10 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE)).
Der Bundesfinanzhof hat im Fall eines Spar-Menüs entschieden, dass es sich bei der Ausgabe von Speisen und Getränken um zwei selbständige Lieferungen handele (BFH, Urteil vom 22. Januar 2025 - XI R 19/23 -, Rn. 27). Dies ergebe sich bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung schon daraus, dass der Kunde die Wahl habe, entweder nur eine Speise oder nur ein Getränk oder eine Kombination aus beiden als Menü zu erwerben. Jeder der Bestandteile hat danach für ihn einen eigenen Zweck und ist daher keine Nebenleistung. Daraus ergebe sich, dass beide Bestandteile nicht so eng miteinander verbunden seien, dass objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung vorliegt (BFH aaO).
bb) Im Streitfall dürfte es sich danach bei der angebotenen Briefbeförderung um eine einheitliche Leistung im Sinne des Umsatzsteuerrechts handeln.
Aus der maßgeblichen Sicht der Antragsgegnerin kommt es allein auf die ausgeschriebene Ende-zu-Ende-Briefbeförderung an. Für sie ist ohne Belang, inwiefern die Bieter - je nach Geschäftsmodell - alle Bestandteile der Leistung selbst erbringen oder Teile davon durch Subunternehmer ausführen lassen. Wirtschaftlich kommt es der Antragsgegnerin auf die - auch so einheitlich ausgeschriebene - vollständige Leistungserbringung an; die einzelnen Bestandteile als solche sind für sie nicht von Interesse. Anders als bei der o.g. Sparmenü-Entscheidung des Bundesfinanzhofs bietet die Beigeladene auch nicht die Möglichkeit an, einzelne Leistungsbestandteile separat zu erbringen. Die Konsolidierungsleistungen dienen der Beigeladenen nur dazu, die eigentliche Briefbeförderung - gebündelt mit den Briefen ihrer anderen Kunden - durch die Deutsche Post AG als Subunternehmerin zu deren rabattierten Entgelten erbringen zu lassen. Dies betrifft aber nur Interna der Beigeladenen bei der Auftragserfüllung. Eine Aufspaltung in Einzelleistungen ist nicht Gegenstand des Auftrags, der einheitlich nach den von der Antragsgegnerin vorgegebenen Vertragsbedingungen zu erbringen ist.
c) Selbst wenn die weitere Briefbeförderung ab Einlieferung bei der Deutschen Post AG als gesonderte Leistung im Sinne von § 1 UStG anzusehen wäre, lägen insoweit aber jedenfalls die Voraussetzungen der Umsatzsteuerfreiheit nicht vor.
aa) Zwischen der Beigeladenen und der Deutschen Post AG besteht zwar eine Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Beide sind deshalb umsatzsteuerrechtlich als ein Unternehmen zu behandeln. Die von der Beigeladenen bei der Deutschen Post AG im eigenen Namen beauftragten Teilleistungen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 54 Abs. 1 PostG) unterfallen daher als Universaldienstleistungen der Umsatzsteuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 11b UStG, soweit es sich um separate Leistungen handelt und kein Ausschlusstatbestand gemäß § 4 Nr. 11b Satz 3 UstG eingreift, sodass die Beigeladene sie ihren Kunden umsatzsteuerfrei in Rechnung stellen dürfte.
bb) Im Streitfall ist die Umsatzsteuerfreiheit jedoch gemäß § 4 Nr. 11b Satz 3 UStG ausgeschlossen. Im Ergebnis gilt die Umsatzsteuerfreiheit nicht, wenn die Universaldienstleistungen zu von den AGB der Deutschen Post AG abweichenden Qualitätsbedingungen oder zu günstigeren als den genehmigten Entgelten angeboten werden. Dies ist hier der Fall.
(1) Die Einhaltung dieser Voraussetzungen ist in Bezug auf die von der Beigeladenen gegenüber der Antragsgegnerin angebotenen Leistungen zu prüfen. Dies sind die Leistungen, deren Umsatzsteuerfreiheit festzustellen ist. Zu welchen Preisen die Deutsche Post AG im Innenverhältnis gegenüber der Beigeladenen abrechnet, ist aufgrund der Organschaft umsatzsteuerrechtlich ohne Belang.
Mithin kommt es - entgegen der Auffassung der Beigeladenen - darauf an, ob sie der Antragsgegnerin die Teilleistungen zu den genehmigten Entgelten anbietet. Das ist schon deshalb nicht der Fall, weil die Antragsgegnerin nach den Ausschreibungsbedingungen - bei Weitem - nicht die für eine Rabattgewährung nach der Entgeltgenehmigung erforderlichen Einlieferungsmengen erreicht.
Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine Umsatzsteuerfreiheit auch dann gewähren wollte, wenn ein Konzernunternehmen der Deutschen Post AG von Kunden mit Briefbeförderungen beauftragt wird, die die nach der Entgeltgenehmigung für eine Rabattgewährung erforderlichen Sendungsmengen nicht erreichen. Dies entspräche weder dem Wortlaut der Regelung noch der gesetzlichen Systematik bei einer Organschaft. Aufgrund der Organschaft sind die Beigeladene und die Deutsche Post AG umsatzsteuerrechtlich als Einheit anzusehen. Es kann daher bei der Beurteilung der Umsatzsteuerpflichtigkeit einer Leistung nur auf diejenige Leistung ankommen, die zwischen den Parteien der Leistungsbeziehung vereinbart ist. Hingegen ist insoweit ohne Belang, nach welchen Bedingungen sich die Beigeladene - innerhalb der Organschaft - der Deutschen Post als Subunternehmerin bedient. Es gilt insoweit nichts anderes, als wenn die Deutsche Post AG diese Leistungen selbst gegenüber der Antragsgegnerin erbrächte; auch dort käme es nur darauf an, welche Sendungsmengen die Antragsgegnerin befördern ließe.
Darüber hinaus sind die Vertragsbedingungen des Angebots der Beigeladenen - unter Berücksichtigung der nach den Vergabeunterlagen maßgeblichen Leistungsbeschreibung und der AGB der Antragsgegnerin - in einer Vielzahl von Punkten hinsichtlich der Qualitätsbedingungen nicht identisch mit den AGB der Deutschen Post AG, zu denen diese ihre Teilleistungen gegenüber der Beigeladenen erbringt. Dies betrifft insbesondere auch das von der Antragsgegnern geforderte Qualitätsmanagement mit einem Nachweisverfahren / einer Dokumentation (Nr. 7 der Leistungsbeschreibung) sowie die geforderte gesetzliche Haftung (Nr. 5 g), die in den AGB der Post teilweise abbedungen ist.
(2) Auch dann, wenn man - zu Unrecht - darauf abstellte, dass die Beigeladene ihren Kunden die rabattierten Entgelte, die ihr die Deutsche Post AG berechnet, umsatzsteuerfrei weiterberechnen darf, obwohl die Kunden selbst die Mindestmengen nicht erreichen, würden die Preise aufgrund der Mischkalkulation der Beigeladenen von den genehmigten Entgelten abweichen.
Anders als es die genehmigten Teilleistungsentgelte der Deutschen Post AG vorsehen, die zwischen der regionalen und der bundesweiten Briefbeförderung unterscheiden, bietet die Beigeladene - auf der Grundlage einer eigenen Mischkalkulation für beide Briefarten - einen einheitlichen Preis je Brief an, der unter dem Preis liegt, den sie selbst der Deutschen Post AG für die bundesweite Zustellung zu zahlen hat. Die in dem Angebot enthaltene Teilleistung Zustellung ist aufgrund dieser Mischkalkulation für einen bundesweiten Brief auch dann günstiger als das genehmigte Teilleistungsentgelt, wenn man auf die erhöhte Briefmenge abstellt, die die Beigeladene bei der Deutschen Post AG einliefert.
Es kommt hinzu, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Ausschreibung keine Zusagen gemacht hat, dass ein bestimmter Mindestanteil der Briefe regional zuzustellen ist. Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Anteil der bundesweit zuzustellenden Briefe höher ausfallen kann, als die Beigeladene in ihrer nicht offen gelegten Kalkulation unterstellt hat.
(3) Die vom Finanzamt ... erteilte Auskunft vom 5. Dezember 2024 (Anlage Bgl 2) steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Sie ist von der Beigeladenen schon nicht wirksam in das Verfahren eingeführt worden, weil sie - auch auf Hinweis des Senats auf den nicht gegebenen Geheimnisschutz - daran festgehalten hat, dass die Unterlage der Antragstellerin nicht bekannt gegeben werden dürfe. Darüber hinaus betrifft die Auskunft, die vor der maßgeblichen Entgeltgenehmigung der Bundesnetzagentur erteilt wurde, nicht den Sachverhalt des Streitfalls und sie enthält keine eigenen inhaltlichen Ausführungen. Es ist daher auch fraglich, inwiefern die pauschale Bestätigung des Finanzamts sich auf die konkrete Problematik des Streitfalls erstrecken würde. Darüber hinaus dürfte die Auskunft ohnehin keine Rechtsbindung bewirken.
(4) Hinsichtlich der angebotenen Einwurf-Einschreiben hat die Beigeladene auf Nachfrage des Senats eingeräumt, dass sie einen Preis angeboten hat, den sie - anders als verlangt - nur auf der Grundlage des genehmigten Entgelts für die "Zusatzleistung" Einschreiben kalkuliert hat, ohne das daneben immer anfallende Beförderungsentgelt für den Brief zu berücksichtigen.
Insoweit kann sich die Beigeladene nicht auf die Umsatzsteuerfreiheit für genehmigte Entgelte berufen, weil sie für die Gesamtleistung ein günstigeres Entgelt anbietet als genehmigt. Ob die Beigeladene ihr Angebot insoweit nach Maßgabe des § 57 Nr. 5 VgV berichtigen könnte, kann dahingestellt bleiben, wenn das Angebot schon aus den vorstehend aufgeführten Gründen auszuschließen ist.
Gleiches gilt für die Frage, ob - wie die Beigeladene meint - die in der Genehmigung der Bundesnetzagentur aufgeführte Entgeltermäßigung von 1% für Absenderfreistempelung bzw. DV-Freimachung auch in Bezug auf die Zusatzleistung Einschreiben gilt oder - was aus Sicht des Senats näher liegen dürfte - nur für das Entgelt für die Briefbeförderung.
(7) Ergänzend wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass unklar erscheint, was die Beigeladene für den Fall anbieten wollte, dass es bei der für sie als Subunternehmerin tätigen Deutschen Post AG zu Entgelterhöhungen kommt.
Es dürfte sich hierbei nicht um "gesetzliche oder andere formale Gegebenheiten" handeln, bei denen nach der Antwort der Antragsgegnerin auf die Bieterfrage der Beigeladenen eine nachträgliche Preisanpassung möglich sein sollte. Vielmehr handelt es sich um eine Kostenänderung, die - wie auch bei anderen Bietern in Bezug auf deren Subunternehmer - in den Risikobereich des jeweiligen Bieters fällt. Eine einseitige Bevorzugung des Geschäftsmodells der Beigeladenen durch ein spezielles Preisanpassungsrecht würde nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechen. Wie andere Bieter muss die Beigeladene eine mögliche Erhöhung ihrer Kosten bereits bei der Angebotskalkulation berücksichtigen.
Wenn somit nicht von einem Preisanpassungsrecht bei Entgelterhöhungen der Deutschen Post AG auszugehen ist, dürfte das Angebot der Beigeladenen dahin auszulegen sein, dass sie sich - ausschreibungskonform - kein solches Preisanpassungsrecht vorbehalten wollte. Selbst unterstellt, die umsatzsteuerfrei angebotenen Teilleistungspreise entsprächen initial den genehmigten Preisen, würden sie bei einer genehmigten Preiserhöhung der Deutschen Post AG deren dann geltende Teilleistungsentgelte unterschreiten, sodass die Beigeladene auch aus diesem Grund nicht für die gesamte Vertragslaufzeit eine Umsatzsteuerfreiheit in Bezug auf die ausgewiesenen Teilleistungspreise anbieten kann.
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VK Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss
vom 07.11.2024
3 VK 9/24
1. Das Unterbleiben einer angekündigten Änderungsbekanntmachung stellt (hier) keinen Vergabeverstoß dar.
2. Bieter haben keinen vergaberechtlichen Anspruch auf "Verschärfung" festgelegter Eignungskriterien.
3. Eigenerklärungen sind vom Bieter nur dann eigenhändig zu unterzeichnen, wenn der öffentliche Auftraggeber dies (vergaberechtskonform) fordert.
4. Zur Wahrung der Textform genügt bei juristischen Personen deren Bezeichnung. Die Angabe auch des Namens einer natürlichen Person ist nicht erforderlich.
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 07.11.2024 - 3 VK 9/24
Tenor:
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Sie trägt die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin war notwendig.
3. Die Gebühr der Vergabekammer wird auf Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Mit Bekanntmachung vom schrieb die Antragsgegnerin eine Rahmenvereinbarung über eine Prozessunterstützung im Kundenservice mit einem Höchstwert von Euro aus. Die Antragsgegnerin hat sich mit Angebot vom 18. Juli 2024 am Verfahren beteiligt. Am 6. August 2024 unterrichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin nach § 134 Abs. 1 GWB über ihre Absicht, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, und zwar am 19. August 2024. Zur Begründung wurde angeführt:
"Ihr Angebot soll aus folgenden Gründen nicht berücksichtigt werden:
Auf Ihr Angebot kann der Zuschlag nicht erteilt werden, weil Sie nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben haben (§ 58 Abs. 1 VgV).
Es liegt ein wirtschaftlicheres Hauptangebot vor.
Hierfür sind im Einzelnen folgende der in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen genannten Kriterien maßgebend:
- Preis
- Qualität (Konzept)
Erläuterungen: Es liegt ein niedrigeres Hauptangebot vor."
Am 12. August 2024 hat die Antragstellerin folgende Vergaberechtsfehler gerügt:
(1.) Bei Rahmenvereinbarungen habe der Auftraggeber in der Bekanntmachung die Schätzmenge/ den Schätzwert sowie die Höchstmenge/ den Höchstwert der zu liefernden Waren bzw. der zu erbringenden Dienstleistungen anzugeben. Hier erfolgten zwar Angaben zum Höchstwert, nicht jedoch zum geschätzten Auftragsumfang und zum Auftragsinhalt. Während des laufenden Vergabeverfahrens seien erhebliche Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden, die dann in der Version 2 hochgeladen wurden. Es sei der Hinweis erteilt worden, dass sich der Auftragswert um 30% erhöht habe; es sei eine Änderungsbekanntmachung in Aussicht gestellt worden. Diese sei dann jedoch nicht erfolgt.
(2.) Das Qualitätszuschlagskriterium "Vertragserfüllungskonzept" genüge nicht dem Transparenzgebot.
(3.) Der Mitbewerber sei von der Wertung auszuschließen gewesen, da er die mit dem Preisblatt geforderten Preise nicht angegeben hat. Seine tatsächlichen Preise habe er vielmehr im Rahmen einer Mischkalkulation auf andere Positionen umgelegt. Das Zuschlagskriterium Preis sei so aufgestellt worden, dass der Zuschlag nicht (oder allenfalls zufällig) auf das wirtschaftlichste Angebot erfolgen wird, weil bei der (Haupt-) Position 9 evident unrealistische Stunden zugrunde gelegt würden (in Wirklichkeit werden ca. 80fach so viele Stunden anfallen, als bei der Bewertung zu Grunde gelegt).
Der Antragstellerin sind am 13. August 2024 per E-Mail die von ihr erreichten Punkte mitgeteilt worden. Am 14. August 2024 wies die Antragsgegnerin die Rügen unter Angabe von Gründen zurück. Mit weiterem Rügeschreiben vom 16. August 2024 rügte die Antragstellerin
(4) Die Angaben auf Seite 8-10 der Verfahrensbedingungen seien unrichtig und intransparent, da mathematisch die dort dargestellte Punkteberechnung nicht aufgehen würde. Es würde nicht transparent dargestellt, nach welcher Formel die Punkte der Bieter ermittelt werden, die nicht den geringsten Preis angeboten haben.
(5) Nach § 122 GWB und § 42 Abs. 1 VgV habe der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Bewerber bzw. Bieter anhand der nach § 122 GWB festgelegten Eignungskriterien und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen nach den §§ 123 und 124 GWB sowie etwaiger Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB zu überprüfen, vorliegend hätten die Vergabeunterlagen jedoch keine Eignungsanforderungen enthalten.
(6) Der vom Bestbieter angebotene Preis sei ungewöhnlich niedrig im Sinne des § 60 VgV. Aus der mitgeteilten Preis-Punktevergabe ergebe sich, dass der Bestbieter den vergaberechtlichen Mindestlohn nach TVg M-V nicht einhalten werde.
Auf die Rügen (4) - (6) sei bislang keine Antwort eingegangen. Nach der Akteneinsicht trägt sie mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2024 weiter vor:
(7) Die Erklärung der Beigeladenen zum Mindestlohn, welche sie ihm Rahmen der Akteneinsicht (Akteneinsichtsbeschluss vom 26. September 2024) eingesehen habe, enthielte Formfehler, so dass diese auszuschließen sei.
Die Antragstellerin sei auch antragsbefugt. Insbesondere gebe es Ausnahmen von der Regel, dass die fehlende Zuschlagschance zu einer fehlenden Antragsbefugnis führe. Denn die Fehler seien so schwerwiegend, dass das Vergabeverfahren aufzuheben sei. Damit könne sie bei dieser Zurückversetzung des Verfahrens ein erfolgreiches Angebot abgeben und habe somit eine zweite Chance.
Die Antragstellerin trägt weiter vor, sie sei mit den Rügen nicht präkludiert. Denn die Vergaberechtsfehler müssten erkennbar gewesen sein. Dies seien sie nicht gewesen, weil die Feststellung von Erkenntnismöglichkeiten durch einen Durchschnittsbieter von einer Einzelfallwürdigung abhinge, die in diesem Fall zur Schlussfolgerung einer mangelnden Erkennbarkeit führen würde. Es habe der Antragstellerin zu jenem Zeitpunkt noch an juristischer Beratung gefehlt. Die Vergaberechtsfehler ergäben sich nicht durch Rechtsanwendung, sondern aus der Rechtsprechung, die aus dem Transparenzgrundsatz entwickelt worden sei.
Die Antragstellerin beantragt,
1.Das Vergabeverfahren aufzuheben,
2.der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren
3.die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten auf der Seite der Antragstellerin für notwendig zu erklären,
4.der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
1.Den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
2.den Antrag der Antragstellerin auf Akteneinsicht zurückzuweisen,
3.der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen,
4.die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin für notwendig zu erklären.
Die Rügen, welche die Ausschreibungsunterlagen betreffen, hat sie als präkludiert zurückgewiesen und weiter ausgeführt, warum sie inhaltlich - auch bei mangelnder Präklusion - aus ihrer Sicht nicht greifen können.
Weiter trägt sie vor:
Für den Auftrag, dessen geschätzter Wert ... Euro betrug, war das Ende der Angebotsfrist für den 17. Juli 2024 bestimmt. Im Verfahren sei eine Vielzahl von Bieteranfragen gestellt worden. Diese seien zeitnah und fortlaufend über die Bieterkommunikation von Subreport ELViS beantwortet worden.
Aufgrund einzelner Fragen wurden
- Die Verfahrensbedingungen angepasst,
- ergänzend eine Servicestatistik eingestellt,
- und die Leistungsbeschreibung sowie das Preisblatt angepasst.
Dabei sei darauf hingewiesen worden, dass nur diese Versionen der Angebotskalkulation zu Grunde zu legen sind.
Es habe keine unzulässige Mischkalkulation gegeben. Insbesondere habe es keinen auffällig hohen Stundensatz bei der Position 9 (des Preisblattes) gegeben. Der Preis der Beigeladenen sei nach § 60 VgV aufgeklärt worden. Die Beigeladene habe auf weitere Nachfrage ihre Auskünfte präzisiert. Die Auswertung der Antworten habe ergeben, dass die Beigeladene die geforderte Vertragsleistung zu den angebotenen Preisen erfüllen könne. Die vertragsgemäße und zuverlässige Durchführung der Leistung durch die Beigeladene sei danach vollumfänglich gewährleistet gewesen und das Angebot sei auch nicht in Marktverdrängungsabsicht abgegeben worden. Die Antragstellerin habe in der Gesamtwertung Platz 7 erreicht.
Die mündliche Verhandlung in Präsenz hat am 28.10.2024 stattgefunden. Die Beigeladene hat keine Stellungnahme abgegeben und an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen. Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
A. Zulässigkeit
Das Vergabenachprüfungsverfahren ist zulässig, auch wenn die Antragstellerin mit einigen Rügen präkludiert ist (Die Nummerierung in Klammern ist die aus dem Tatbestand:unter I.).
Zu Rüge Nr (1.).
Nach § 160 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB ist der Antrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung oder die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Umstritten ist, welcher Maßstab für die Erkennbarkeit des Vergabefehlers heranzuziehen ist. Nach einer Auffassung ist auf die individuellen Verhältnisse des Antragstellers, mithin auf einen subjektivierten Maßstab abzustellen. Nach anderer Auffassung ist bei der Erkennbarkeit auf einen durchschnittlichen, verständigen Bewerber oder Bieter und die von ihm zu erwartende übliche Sorgfalt, also auf einen objektiven Maßstab abzustellen. Dabei wird hervorgehoben, dass ein durchschnittlicher Bieter insbesondere nicht die Rechtsprechung der Vergabesenate und Vergabekammern kennen muss. Die Frage, welcher Maßstab der richtige ist, dürfte jedoch in der Praxis kaum je entscheidungsrelevant sein, da beide Maßstäbe in der praktischen Anwendung regelmäßig zu übereinstimmenden Ergebnissen führen dürften: Die individuellen Verhältnisse des Antragstellers, auf die der subjektivierte Maßstab Bezug nimmt, werden - da es sich beim Antragsteller normalerweise um einen fachkundigen Interessenten handelt - deckungsgleich sein mit dem Kenntnishorizont eines durchschnittlichen, verständigen Bewerbers (Horn/Hofmann in: Beck'scher Vergaberechtskommentar § 160 Rz. 55).
Die Angabe des Höchstwertes in der streitgegenständlichen Bekanntmachung ist für einen juristischen Laien hinreichend transparent, auch was die Erkennbarkeit angeht. Nach EuGH Urteil vom 17.6. 2021 - C 23/20 sind Art. 49 RL 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.2.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der RL 2004/18/EG sowie deren Anhang V Teil C Nr. 7, 8 u. 10 lit. a i.V.m. deren Art. 33 und den in Art. 18 Abs. 1 dieser RL genannten Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Transparenz dahingehend auszulegen, dass in der Bekanntmachung sowohl die Schätzmenge und/oder der Schätzwert als auch eine Höchstmenge und/oder ein Höchstwert der gemäß der Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren anzugeben sind und dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht ist (Veröffentlichung in Beck-Online, MMR 2021, 783; vgl. Leitsatz Nr. 1, Hervorhebung durch die Vergabekammer). Dies ist im Leitsatz so formuliert. Aufgrund dieser Erwägungen ist die zu beschaffende Leistung in diesem Fall jedoch nicht erneut auszuschreiben. Denn der EuGH ist nach den Ausführungen in der Begründung seiner Entscheidung der Auffassung, dass Schätzwert und Höchstwert durchaus in einer Gesamtangabe aufgeführt werden können (EuGH a.a.O. Rz. 77) und begründet seine Entscheidung weiter wie folgt: "dass der öffentliche Auftraggeber seine Pflicht zur Angabe des Umfangs der Rahmenvereinbarung verletzt hat, ist in einem solchen Fall nämlich deutlich genug, so dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der ein Angebot abgeben möchte, dies bemerken kann und somit als gewarnt anzusehen ist" (EuGH a.a.O. Rz. 89).
Indes kann ein Bearbeiter auf Bieterseite nicht unbedingt erkennen, welche juristischen Folgen eine angekündigte, aber nicht erfolgte Änderungsbekanntmachung hat.
Zu (2):
Ob die Anforderungen an ein Vertragserfüllungskonzept dem Transparenzgebot genügen, ist juristisch interpretationsfähig und damit für einen juristischen Laien nicht unbedingt erkennbar. Es ist denkbar, dass an diesem Punkt ein Bieter Verstöße gegen das Transparenzgebot nicht erkennt. Der überwiegende Teil der Rechtsprechung hält dabei an den geringen Anforderungen der Schadensdarlegung fest, sodass die Frage nach der tatsächlichen kausal verknüpften Auswirkung des Vergaberechtsverstoßes erst in der Begründetheit zu prüfen ist (u.a. OLG München BeckRS 2012, 23578; OLG Düsseldorf BeckRS 2012, 23822; Müller-Wrede GWB/Hofmann Rn. 31, Gabriel/Mertens, Beck'scher Online Kommentar § 160 Rz. 105).
Zu (3):
Mit der Behauptung, der Mitbewerber sei von der Wertung auszuschließen gewesen, da er die mit dem Preisblatt geforderten Preise nicht angegeben habe und die Behauptung, seine tatsächlichen Preise habe der Mitbewerber vielmehr im Rahmen einer Mischkalkulation auf andere Positionen umgelegt ist die Antragstellerin nicht präkludiert. Die Antragstellerin äußert die Vermutung die Beigeladene "wird für die Positionen 1, 6-8, 13-14 einen auffällig niedrigen Stundensatz angeboten haben, zur Position 9 jedoch einen auffällig hohen Stundensatz". Hierzu trägt sie vor, dass der fiktive Stundenaufwand von 25 Stunden bei der Position 9, so wortwörtlich im Schriftsatz: "evident unrealistisch" sei. Das ist zwar zur Substantiierung gerade noch ausreichend, um nicht auf das Geratewohl und ins Blaue hinein zu argumentieren. Zwar hätte es jedoch einem Branchenkenner bei der Lektüre der Unterlagen auffallen müssen, dass der Stundenaufwand bei einer Einzelposition unrealistisch ist. Auch die Formulierung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im Schriftsatz "evident unrealistisch" spricht für eine Erkennbarkeit. Die Antragstellerin bringt jedoch vor, dass sie mit einer unrealistischen Angabe nicht zwangsläufig die Vorstellung einer unzulässigen Mischkalkulation verknüpft habe.
Zu Nr. (4):
Die Angaben auf Seite 8-10 der Verfahrensbedingungen seien unrichtig und intransparent, da mathematisch die dort dargestellte Punkteberechnung nicht aufgehen würde. Es würde nicht transparent dargestellt, nach welcher Formel die Punkte der Bieter ermittelt werden, die nicht den geringsten Preis angeboten haben.
Mit diesem Vorbringen ist die Antragstellerin präkludiert (vgl. § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB). Die vom Antragsteller benannten Auffälligkeiten beim Zusammenzählen der Punkte sind nicht juristischer Natur. Ein durchschnittlicher Bieter hätte das dargestellte Problem und dessen Auswirkungen (siehe zu Rüge Nr. (1)) erkennen können.
Es wird nach Auffassung der Antragstellerin nicht transparent dargestellt, nach welcher Formel die Punkte der Bieter ermittelt werden, die nicht den geringsten Preis angeboten haben. Die Vergabebedingungen enthalten auf Seite 9 unter 11.3. folgende Passagen:
"Die Bewertung der Zuschlagskriterien erfolgt mittels Punkten von (1) bis (10)."
Weiter heißt es:
"Hinsichtlich der Punktevergabe beim Zuschlagskriterium "Preis" erfolgt diese linear absteigend im Verhältnis zum günstigsten Preis. Der günstigste Preis erhält dabei 10 Punkte. Bei gleichen Preisen wir den betroffenen Bietern die gleiche Punktzahl vergeben."
Die Interpolationsmethode ergibt sich aus den Worten "linear absteigend". Lineare Interpolation bezeichnet eine Methode, bei der zwei gegebene Datenpunkte durch eine Strecke verbunden werden (Quelle: Wikipedia). Wegen der Erkennbarkeit eines möglichen Problems für einen Bearbeiter auf Bieterseite ist die Antragstellerin auch mit dieser Rüge nach § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert. Ein Bearbeiter, welcher mit diesen Angaben nicht zurecht kommt, hätte unmittelbar auch ohne juristischen Rat erkennen müssen, dass er Nachfragen stellen muss.
Nr. (5):
Die Antragstellerin bringt weiter vor, nach § 122 GWB und § 42 Abs. 1 VgV habe der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Bewerber bzw. Bieter anhand der nach § 122 GWB festgelegten Eignungskriterien und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen nach den §§ 123 und 124 GWB sowie etwaiger Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB zu überprüfen, vorliegend hätten die Vergabeunterlagen jedoch keine Eignungsanforderungen enthalten. Mit dieser Rüge ist die Antragstellerin nicht präkludiert. Die Bewertung dieses Sachverhaltes ist eine juristische Frage, die sich einem an fachlichen Inhalten interessierten Laien nicht aufdrängen muss.
Nr (6).
Der vom Bestbieter angebotene Preis sei ungewöhnlich niedrig im Sinne des § 60 VgV. Aus der mitgeteilten Preis-Punktevergabe ergebe sich, dass der Bestbieter den vergaberechtlichen Mindestlohn nach TVgG M-V nicht einhalten werde. Die Antragstellerin hat die Rüge fristgerecht nach der Mitteilung über die von ihr erreichten Punkte erhoben.
Nr. (7):
Zum Vorbringen in Bezug auf die mangelnde Unterschrift der Eigenerklärung nach TVgG M-V war ein Rügeverfahren nicht erforderlich.
B. Begründetheit
Der Nachprüfungsantrag ist hingegen nicht begründet.
Zur Rüge Nr. (1):
Der gerügte Sachverhalt, eine Änderungsbekanntmachung sei angekündigt worden und dann nicht erfolgt, stellt keinen Verstoß gegen das Vergaberecht dar. Bisweilen ergeben sich nach Veröffentlichung der Bekanntmachung auch noch inhaltliche Änderungen im Verfahren, die die bekanntgemachten Angaben betreffen. Aufgrund der Bindungswirkung der Bekanntmachung muss der Auftraggeber in diesem Fall eine Korrekturbekanntmachung veröffentlichen (Krohn in Beck'scher Vergaberechtskommentar § 37 VgV Rz. 87). Das in Aussicht genommene Auftragsvolumen ist gemäß § 21 Abs. 1 S. 2 VgV so genau wie möglich zu ermitteln und zu beschreiben. Der öffentliche Auftraggeber hat gemäß § 21 Abs. 1 S. 2 VgV keinen Ermessensspielraum, ob er das geschätzte Auftragsvolumen bekannt gibt. Zudem verlangen die vergaberechtlichen Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung zusätzlich die Angabe einer abrufbaren Höchstmenge, für die die Rahmenvereinbarung maximal ausgelegt sein soll und ab deren Erreichen die Rahmenvereinbarung ausgeschöpft bzw. erledigt ist und keine weiteren Abrufe erfolgen dürfen. Das Unterlassen einer Angabe ist daher vergaberechtswidrig (Röwekamp/ Kus/ Marx/ Portz/ Prieß § 21 VgV Rz. 15). Eine Korrekturbekanntmachung in Aussicht zu stellen, die dann aber unterbleibt, ist in diesem Fall aber rechtlich ohne Auswirkungen geblieben. Es fehlt eine Kausalität für einen möglichen Schaden, ein Schaden war auch nicht dargelegt. Durch die Bieterfragen und -antworten waren alle notwendigen Angaben für die Erstellung eines Angebotes bekannt. Der Schaden muss grundsätzlich auf die Zuschlagschance bezogen sein (Horn/Hoffmann in: Beck'scher Vergaberechtskommentar § 160 Rz. 33).
Zu Rüge Nr. (2):
Das Qualitätszuschlagskriterium "Vertragserfüllungskonzept" genügt dem Transparenzgebot. Die Antragsgegnerin hat ihre Vorstellungen zum Vertragserfüllungskonzept auf Seite 9 der Verfahrensbedingungen (Nr. 11.2) formuliert. Sie hat den Höchstumfang (10 DIN A4 Seiten dargelegt und unter Bezugnahme auf die Leistungsbeschreibung zu den Inhalten in vier Spiegelpunkten Mindestanforderungen aufgestellt. Auf Seite 10 der Leistungsbeschreibung ist schließlich eine Bewertungsmatrix für die Zuschlagskriterien aufgestellt, die den Anforderungen der Rechtsprechung genügt. Insbesondere hätten die Noten nicht weiter unterlegt werden müssen, denn dies hätte bedeutet, dass Lösungskomponenten vorgegeben werden müssen, welche die Spielräume bei der Konzepterarbeitung weiter einengen (vgl. BGH Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, IBRRS, 2017, 1623, insbesondere Rz. 48). Dies war jedoch nach den Vorgaben in Nr. 11.2 ausdrücklich in dieser Detailtiefe nicht vorgesehen, was bereits an den Fragen beginnend mit den Worten "Was", "Wodurch" und "Wie" zu erkennen ist. Die Vergabestelle intendierte damit einen größeren Spielraum für die Konzepterarbeitung.
Zu Rüge Nr. (3):
Die Rüge, es habe eine unzulässige Mischkalkulation gegeben, ist ebenfalls nicht begründet. Es handelt sich um einen sog. Wertungspreis. Das Raster "25 Stunden" diente allein der Vergleichbarkeit der Angebote. Einer Vergabestelle steht grundsätzlich die Freiheit zu, auf welche Weise sie Vergleichswerte ermittelt. Die konkrete Wahl der Zuschlagskriterien ist ebenso wie die Wahl ihrer Gewichtung grundsätzlich dem Auftraggeber überlassen. Ihm steht nicht nur bei dem Wertungsvorgang, d.h. der Anwendung der Zuschlagskriterien ein Beurteilungsspielraum zu. Vergaberechtsfehlerhaft sind nur offensichtliche Beurteilungsfehler oder ein Ermessensfehlgebrauch (Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar § 127 GWB Rz. 33). Hierfür gibt es jedoch in diesem Fall keine Anhaltspunkte, weil diese Vorgehensweise keinen bestimmten Bieter bevorzugt. Die Erarbeitung einer Modellrechnung zu Vergleichszwecken ist gerade bei Rahmenverträgen, deren Umfang nicht genau vorhersagt werden kann, eine vertretbare Methode.
Zu Rüge Nr. (5):
Ebenfalls unbegründet ist das Vorbringen der Antragstellerin, die Vergabeunterlagen hätten keine Eignungsanforderungen enthalten. Es ist der Antragstellerin bekannt, dass eine Eigenerklärung zur Eignung nach dem Formblatt 124 LD VHB Bund 2017 (2019) abgefordert worden war. Es liegt am öffentlichen Auftraggeber zu bestimmen, welche Art und welches Niveau von Fachkunde und Leistungsfähigkeit für den jeweiligen Auftrag notwendig sind. Deshalb kann eine Verschärfung bzw. Anhebung vom Niveau der Eignungskriterien nicht über § 122 GWB durchgesetzt werden (Beck'scher Vergaberechtskommentar § 122 Rz. 54).
Nach § 122 Abs. 2 Satz 1 GWB ist ein Unternehmen geeignet, wenn es die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftrags festgelegten Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt. Schon vom Wortlaut der Vorschrift her ist es nicht zwingend, dass Eignungskriterien festgelegt werden, sondern nur dass, wenn Eignungskriterien festgelegt werden, diese auch zu erfüllen sind. Eine Festlegung ist danach keineswegs erforderlich. Ferner müssen Eignungskriterien nach dem Wortlaut der Vorschrift mit der ordnungsgemäßen Ausführung des Auftrags in Verbindung stehen. Die Entscheidung der Vergabestelle, mit dem genannten Formblatt zu arbeiten, ist demnach nicht zu beanstanden. Es enthält unter anderem Angaben zu Referenzen, zu der Zahl der zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Beschäftigten, zu Insolvenz und Liquidation und zum Nichtvorliegen von Ausschlussgründen.
Zur Rüge Nr. (6):
Zu dem Vorbringen, der vom Bestbieter angebotene Preis sei ungewöhnlich niedrig im Sinne des § 60 VgV und aus der mitgeteilten Preis-Punktevergabe ergebe sich, dass der Bestbieter den vergaberechtlichen Mindestlohn nach TVgG M-V nicht einhalten werde, hat die Vergabekammer die Dokumentation der Bearbeitung der Angebote durch die Vergabestelle eingehend geprüft und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sie alles zur Aufklärung der Preise erforderliche getan hat. Die Beigeladene ist aufgefordert worden, darzulegen und zu belegen, dass das Angebot auskömmlich ist, die ausgeschriebenen Leistungen mithin vertragsgerecht erbracht werden und damit die Wirtschaftlichkeit der Erbringung der Dienstleistungen gewährleistet ist.
Die Antragsgegnerin hat die Erklärungen der Beigeladenen hierzu geprüft und insbesondere Wert darauf gelegt, dass Anhebungen des Mindestlohns während der Vertragslaufzeit möglich sind. Sie kam zu dem Schluss, dass auch hierfür notwendige Puffer vorhanden sind. Anzeichen für eine Marktverdrängungsabsicht gab es nicht. Einzelne Preispositionen wurden mit 0,00 Euro bewertet, von den vierzehn Angeboten existieren aber nur drei Angebote, die keine 0,00 Euro Posten enthalten. Auffallende Preisunterschiede zwischen den Positionen konnten nicht festgestellt werden. Die Sorgfalt, mit der die Antragsgegnerin vorgegangen ist, gibt keinen Anlass, an den Ergebnissen der Aufklärung zu zweifeln. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 31. Januar 2017, X ZB 10/16) - Rettungsdienst - kann die Entscheidung auf Aspekte gestützt werden, die aus Gründen des Geheimschutzes nicht allen Verfahrensbeteiligen bekannt gemacht worden sind.
Zu Nr (7).
Formfehler in der Erklärung der Beigeladenen zum Mindestlohn:
Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin, die Erklärung der Beigeladenen zum Mindestlohn sei nach den Anforderungen des § 126 b BGB zu unterzeichnen gewesen, woran es in diesem Fall gemangelt hätte, hat die Beigeladene die Erklärung zum Mindestlohn formgerecht abgegeben.
Nach OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. 5. 2007 - VII-Verg 1/07 ist die Unterzeichnung einer Eigenerklärung nach Maßgabe des § 126 b BGB nicht notwendig, es sei denn es hat eine ausdrückliche Vorgabe gegeben (vgl. Ziekow/Völlink § 48 VgV Rz. 7).
In der Eigenerklärung befindet sich noch die Anmerkung: "Textform ausreichend". Bei juristischen Personen genügt deren Bezeichnung; die Angabe auch des Namens der natürlichen Person, die die Erklärung verfasst hat bzw. die den Text unterschrieben hätte, wenn ihre Unterschrift nicht wegen der vom Gesetz aus Gründen der Vereinfachung erlaubten Textform entbehrlich wäre, ist nicht erforderlich (BGH NJW 2010, 2945 (2946); OLG Brandenburg MMR 2022, 970 (972), Wendtland in: Beck OK § 126 b BGB Rz. 6).
Die Frage nach der "zweiten Chance" für nachrangig platzierte Bieter war damit nicht mehr zu prüfen. Sie stellt sich nur, wenn das Verfahren bei einem Vergaberechtsverstoß in ein früheres Stadium versetzt werden muss, welches zudem vor der Angebotsabgabe liegt. Nur in diesem Fall wäre die Wahrscheinlichkeit für den Antragsteller, den Auftrag zu erhalten, wieder gegeben gewesen, auch wenn er bislang Platz 7 belegt hat.
III.
Die Antragstellerin hat als unterlegene Partei nach § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB die Kosten zu tragen. Für die Amtshandlungen der Vergabekammern werden nach § 182 Abs. 1 S. 1 GWB grundsätzlich Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB ist das Verwaltungskostengesetz - VwKostG - vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung anzuwenden. Es handelt sich hierbei um eine statische Verweisung auf eine Vorschrift in einer Fassung, die zwischenzeitlich außer Kraft getreten ist (Losch in: Ziekow/Völlink § 182 GWB Rz. 4). Die Höhe der Gebühren beträgt in Anwendung der Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes ... Euro, weil die Angebotssumme zwischen ... Euro und ... Euro liegt.
Maßgeblich ist im Regelfall die Brutto-Angebotssumme des Antragstellers (Röwekamp/Kus/Portz/Prieß § 182 GWB Rz. 7; Krohn in: Beck'scher Vergaberechtskommentar § 182 Rz. 21). Da in diesem Fall aufgrund der Vorsteuerabzugsberechtigung der Antragsgegnerin nur Netto-Beträge angeboten wurden, wird hiervon ausgegangen. Aus Gründen der Billigkeit (vgl. § 182 Abs. 2 Satz 1 GWB) wird wegen der bei einer Rahmenvereinbarung zu erwartenden Unwägbarkeiten eine um 30% reduzierte Angebotssumme angenommen.
Nach § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB hat die Antragstellerin auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin war notwendig. Die Notwendigkeit dieser Hinzuziehung ist jeweils nach den individuellen Umständen des einzelnen Nachprüfungsverfahrens zu beurteilen. Grundsätzlich ist hierbei zunächst auf die spezifischen Besonderheiten des Vergabenachprüfungsverfahrens abzustellen. Es handelt sich um eine immer noch nicht zum (weder juristischen noch unternehmerischen) Allgemeingut zählende, auch aufgrund vielfältiger europarechtlicher Überlagerungen wenig übersichtliche und zudem steten Veränderungen unterworfene Rechtsmaterie, die wegen des gerichtsähnlich ausgestalteten Verfahrens bei der Vergabekammer bereits dort prozessrechtliche Kenntnisse verlangt (Krohn in: Burgi/Dreher Beck'scher Vergaberechtskommentar § 182 GWB Rz. 45 m. w. N.). Eine Ausnahme kann vorliegen, sofern sich die zu behandelnde Materie auf einen einfach gelagerten Sachverhalt beschränkt (vgl. Röwekamp/Kus/Portz/Prieß § 182 GWB Rz. 36). Die Hinzuziehung ist im Regelfall als notwendig anzuerkennen (Röwekamp/Kus/Portz /Prieß § 182 GWB Rz. 36). Die hier zu behandelnden Rechtsfragen waren jedenfalls nicht ganz einfach gelagert, so dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten notwendig war.
Für die Beigeladene sind keine Aufwendungen entstanden.
IV.
(Rechtsmittelbelehrung)
Preisaufklärung auch unterhalb der Aufgreifschwelle!
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VK Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss
vom 13.06.2024
1 VK 2/24
1. Der öffentliche Auftraggeber kann auch dann in eine Preisprüfung eintreten, wenn zwar die sog. Aufgreifschwelle nicht erreicht ist, das Angebot aber aus anderen Gründen konkreten Anlass zur Preisprüfung gibt.
2. Bei einem hinsichtlich des Gesamtpreises unauffälligen Angebot darf der Auftraggeber Aufklärung zu Einzelpreisen verlangen darf, wenn diese von den Preisen der Konkurrenten exorbitant abweichen und diese Abweichungen weder durch einen höheren Leistungsumfang noch durch Marktgegebenheiten oder -besonderheiten zu erklären sind.
3. Das Aufklärungsverlangen muss dem Bieter die Möglichkeit einräumen, die Zweifel des Auftraggebers zu widerlegen und darzulegen, dass er in der Lage ist, seine Leistungen auftragsgerecht zu erbringen.
4. Bei der Entscheidung über den Angebotsausschluss steht dem Auftraggeber ein Ermessen zu. Der Bieter hat einen Anspruch auf ordnungsgemäße Ermessenausübung.
5. Ein unzureichend begründetes Informationsschreiben kann vor Vertragsschluss "geheilt" werden und löst für sich genommen die Unwirksamkeitsfolge des § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB nicht aus.
VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 13.06.2024 - 1 VK 2/24
Tenor:
1. Die Nachprüfungsverfahren Ostorf - Los 1 (Az.: 1 VK 2/24); LankowWeststadt - Los 3 (Az.:1 VK 4/24) und Dreesch Wüstmark - Los 4 (Az.: 1 VK 5/24) werden zwecks gemeinsamer Entscheidung verbunden. Das Verfahren Az.: 1 VK 2/24 führt.
2. Der Nachprüfungsantrag im führenden Verfahren (gegen Los 1) wird zurückgewiesen.
3. Das Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der verbundenen Verfahren 1 VK 4/24 (Los 3) und 1 VK 5/24 (Los 4) wird eingestellt.
4. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Aufwendungen der Beigeladenen werden nicht erstattet.
5. Die Gebühr der Vergabekammer wird auf festgesetzt.
Gründe:
I.
Am 18.01.2024 veröffentlichte der Antragsgegner im Amtsblatt der EU die streitgegenständliche Ausschreibung von Bewachungsleistung im Stadtgebiet Schwerin in vier Losen betreffend verschiedener Stadtteile aus (Ostorf - Los 1; Werder straße Los 2; Lankow-Weststadt - Los 3 und Dreesch Wüstmark - Los 4). Zuschlagskriterium ist jeweils alleine der Preis. Verfahrensgegenständlich sind Los 1, 3 und 4.
Die Antragstellerin gab für das Los 1 das günstigste Angebot ab, nicht jedoch für Lose 3 und 4.
Hinsichtlich der Auskömmlichkeit der Bewachungs- und Sicherungsleistungen wurden je Liegenschaft/Objekt Angebotspreise in Form von monatlichen Pauschalen für die Bewachungs- und Sicherungsleistungen angeboten. Die Pauschalen setzen sich aus den jeweils zu leistenden monatlichen Dienststunden im Separatwachdienst, den Monatspauschalen für Revier-, Streifen und Schließdienst sowie den Aufschaltungs- und Überwachungsleistungen der Gefahrenmeldeanlagen zusammen. Je Liegenschaft und Nutzeranforderungen weichen die ausgeschriebenen Leistungen voneinander ab.
Am 26.02.2024 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin bezüglich der Lose 1, 3 und 4 zur Aufklärung "der Auskömmlichkeit des ungewöhnlich niedrigen Stundenverrechnungssatzes" die Langkalkulationen DLV_BV_Anlage_4 Stundenverrechnungssatz zum Separatwachdienst an. Die Langkalkulationen DLV_BV_Anlage_4 Stundenverrechnungssatz zum Separatwachdienst wurde von der Antragstellerin am 28.02.2024 über die Vergabeplattform fristgerecht eingereicht. In dieser Anlage bestätigte die Antragstellerin dem Antragsgegner, "dass die Kalkulationen vollumfänglich auskömmlich kalkuliert wurden".
Mit Schreiben vom 05.03.2024 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin zu einem Aufklärungsgespräch auf. In diesem Schreiben teilte der Antragsgegner mit, dass zur "Langkalkulation des Stundenverrechnungssatzes zum Separatwachdienst weiterer Aufklärungsbedarf" besteht. Zusätzlich forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, folgende Punkte in einem vor Ort Termin darzustellen und offene Fragen im Bietergespräch zu klären:
- Darstellung - Standorte für den Interventionsdienst - Einsatzzeiten - Anzahl Einsatzwagen
- Machbarkeit/Auskömmlichkeit/Darstellung technische Ausrüstung zur Auftragserfüllung in den Liegenschaften:
- WE10115 Finanzamt Schließdienst mit Kontrollgang
- WE10381 Finanzamt RIA Schließdienst
- WE10381 LAKD Stelling Str. Schließdienst und Streifendienst
- WE10398 Landesbibliothek Schließdienst mit Kontrollgang und Streifendienst
- WE18556 Justizministerium Revierkontrolldienst
- WE10136 Schließdienst mit Kontrollgang
Dieses Aufklärungsgespräch fand schließlich am 14.03.2024 statt.
Am 18.03.2024 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner folgendes mit: "mit Bezug auf die Inhalte des Aufklärungsgespräches am 14.03.2024 in Ihrem Hause erklären wir, nach umfassender Prüfung aller Vergabeunterlagen und der Kalkulationsgrundlagen unseres Angebots, wie folgt.
1. Kalkulationsgrundlage/Preisfindung für unsere Angebote zu den Losen 1, 2, 3 und 4 sind sämtliche Vergabeunterlagen, insbesondere das jeweilige Leistungsverzeichnis und die Leistungsbeschreibung eines jeden Loses.
2. In den Kalkulationsgrundlagen für unsere Angebote wurden alle anzuwendenden gesetzlichen, tariflichen und sonstigen Regelungen vollumfänglich berücksichtigt. Der eingereichte "DLV_BV_Anlage_4_Kalkulation_Stundenverrechnungssatz" wurde am 14.03.2024 zufriedenstellend hinsichtlich der Auskömmlichkeit und Wirtschaftlichkeit ausreichend erklärt.
3. Alle Angebotspositionen wurden so kalkuliert und aufgestellt, dass die geforderten Leistungen korrekt und kostendeckend ausgeführt werden können.
4. Neben der unter 2. beschriebenen, vollumfänglichen Kostendeckung aus gesetzlichen, tariflichen und sonstigen Regelungen, tragen unsere Angebote ihren eigenen Anteil zur Deckung der unternehmensbezogenen Kosten bei und sind gewinnbringend kalkuliert.
5. Für die Kalkulationen der mobilen Sicherungsdienstleistungen (Revierkontroll-, Schließdienst etc.) wurden alle Vorgaben aus Leistungsverzeichnis und Leistungsbeschreibung berücksichtigt. Insbesondere die zeitliche Lage der Leistungen, ihre Frequenz, ggf. einzusetzende technische Geräte und Inhalte der einzelnen Leistungen am/im Objekt.
Aufgrund nicht vorgegebener Mindestleistungszeiten an/in den jeweiligen Objekten wurden für die Kalkulationen eigene, den ausgeschriebenen Leistungsvorgaben entsprechende, Rechercheergebnisse zugrunde gelegt. Diese umfassen: vorgenommene Objektbesichtigungen, bereits bestehende und umfassende Orts- und Objektkenntnisse, Auswertung von Satellitenmaterial inklusive der Nutzung von Objektvermessungs- und Geoportalen sowie die entsprechend objektive Einschätzung von Vor-Ort-Leistungszeiten als langjährig zertifiziertes Fachunternehmen der Sicherheitsbranche. Somit sind auch alle mobilen Sicherungsdienstleistungen (Revierkontroll-, Schließdienst etc.) vollumfänglich auskömmlich, bedarfsgerecht und durchhaltefähig kalkuliert worden.
6. Gemäß der Vergabeunterlagen ist die "Ausgestaltung der einzelnen Aufgaben im Revierkontroll-/Streifendienst in nutzerspezifischen Einzeldienstanweisungen ausformuliert, die dem Auftragnehmer nach Auftragserteilung übergeben werden". Sollten sich nach Auftragsübernahme hieraus vereinzelte Mehrbedarfe an/in einzelnen Objekten herausstellen, welche aus den Vergabeunterlagen nicht erkenn- und kalkulierbar gewesen sind, wird zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer eine realbedarfsgerechte Nachtragsvereinbarung geschlossen werden."
Zudem wurde unter Punkt 7. die Anzahl der Mitarbeitenden in Vollzeit/Teilzeit und Anzahl der Mitarbeitenden mit Pflicht zur Kranken-, Renten und Arbeitslosenversicherung sowie die Anzahl der auf Abruf bei Nachunternehmen einsatzbereiten Mitarbeitenden mitgeteilt".
"Zusammenfassend wurde bestätigt, dass für die ... vollumfängliche Eignung sowie technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für die von der SBL ausgeschrieben Leistungen der Lose 1, 2, 3 und 4 besteht."
- Nur Los 1 -
Unter dem 26.04.2024 erhielt die Antragstellerin bezüglich Los 1 die Mitteilung gem. § 134 GWB, wonach ihr Angebot nicht bezuschlagt werden könne, weil "begründete, nicht ausgeräumte Zweifel bestehen bezüglich eines ungewöhnlich niedrigen Preises/ungewöhnlich niedriger Lebenszykluskosten" bestünden. Als Erläuterung führt der Antragsgegner in dem Schreiben an: "Ihr Angebot weist auffallend niedrige Monatspauschalen für den Streifen-, Revier- und Schließdienst sowie einen ungewöhnlich niedrigen Stundenverrechnungssatz für den Separatwachdienst auf. Zur Aufklärung des Angebotsinhaltes wurde die Langkalkulation Stundenverrechnungssatz für den Separatwachdienst nachgefordert, die fristgerecht am 28.02.24 eingereicht wurde. Auf Grund der immer noch bestehenden Zweifel gab es am 14.03.2024 ein Aufklärungsgespräch. Die Zweifel bezüglich der ungewöhnlich niedrigen Preise für den Stundenverrechnungssatz sowie für die Monatspauschalen des Revier-, Kontroll- und Streifendienstes wurden dabei nicht ausgeräumt. Gemäß 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A darf auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis oder mit unangemessen hohen oder niedrigen Kosten der Zuschlag nicht erteilt werden."
- Nur Los 3 und 4 -
Unter dem 26.04.2024 erhielt die Antragstellerin bezüglich Los 3 und 4 die Mitteilung gem. § 134 GWB, dass auf Ihr Angebot der Zuschlag nicht erteilt werden kann, weil Sie nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat.
- Los 1, 3 und 4 -
In ihren Nachprüfungsanträgen (hinsichtlich Los 1, 3 und 4) vom 06.05.2024 ist die Antragstellerin der Auffassung, dass in den Aufklärungsgesprächen sämtliche preisrelevante inhaltliche Aspekte ihres Angebots erläutert wurden. Dabei sei auf Einzelheiten ihrer Kalkulationen, sowohl der des Stundenverrechnungssatzes zum Separatwachdienst, ausführlich aber auch zu den Kalkulationen der mobilen Sicherheitsdienstleistungen der einzelnen Lose, eingegangen worden.
Dem Antragsgegner sei wiederholt, transparent und umfassend dargestellt worden, dass den Kalkulationen sämtliche einschlägige gesetzlichen, tariflichen und sonstigen Regelungen zugrunde liegen.
Darüber hinaus sei ausführlich erörtert worden, dass den Kalkulationen der mobilen Sicherheitsdienstleistungen alle Vorgaben Ihrer Ausschreibungsunterlagen (insbesondere die jeweiligen Leistungsverzeichnisse und Leistungsbeschreibungen je Los) zugrunde liegen. Hierbei sei insbesondere die zeitliche Lage der Leistungen, ihre Frequenz, ggf. einzusetzende technische Geräte und Inhalte der einzelnen Leistungen am/im Objekt vollständig berücksichtigt worden.
Aufgrund von, in den Leistungsverzeichnissen und Leistungsbeschreibungen je Los, nicht vorgegebenen Mindestleistungszeiten an/in den jeweiligen Objekten seien für die Kalkulationen eigene, den ausgeschriebenen Leistungsvorgaben entsprechende, Rechercheergebnisse zugrunde gelegt worden. Diese umfassten u.a. vorgenommene Objektbesichtigungen, bereits bestehende und umfassende Orts- und Objektkenntnisse, Auswertung von Satellitenmaterial inklusive der Nutzung von Objektvermessungs- und Geoportalen sowie die entsprechend objektive Einschätzung von Vor-Ort-Leistungszeiten als langjährig zertifiziertes Fachunternehmen der Sicherheitsbranche.
Dabei seien weitreichende Einblicke in am Einsatzort bereits bestehende Auftragserfüllungsstrukturen gegeben worden, aus welchen Synergieeffekte anwendbar werden würden. Ebenfalls seien die Wirtschaftlichkeit der vertragskonformen Erbringung der Dienstleistung am Einsatzort sowie die gewählten technischen Lösungen zur Kostenreduzierung präsentiert worden.
Aus den Darstellungen der Antragstellerin ginge zweifelsohne hervor, dass der niedrige Preis nicht ungewöhnlich niedrig ist, er in keinem Missverhältnis zur Leistung stünde, und sämtliche Leistungen für die gesamte Vertragslaufzeit vertragskonform, auskömmlich und gewinnbringend erbracht werden könnten.
Im Aufklärungsgespräch - ein diesbezügliches Protokoll liegt der Antragstellerin nicht vor - wurde vereinbart, dass die Antragstellerin zu markanten Gesprächspunkten eine weitere Erklärung an den Antragsgegner abgeben werde. Dem sei am 18.03.2024 per E-Mail nachgekommen worden.
Weitere Aufklärungsersuchen seitens des Antragsgegners wären nicht erfolgt, weshalb die Antragstellerin davon ausgehen müsste, dass sämtliche unbegründete Zweifel zu den Kalkulationen und den Leistungsausführungen ausgeräumt werden konnten. Insofern der Antragsgegner hier eigene Maßstäbe zugrunde lege und in seinem Ermessengebrauch zu anderen Einschätzungen komme, stelle dies Rechtsverletzungen dar.
Die Erläuterung/Begründung des Absageschreibens nach § 134 GWB sei rein pauschal und weder nachvollziehbar/überprüfbar noch substantiiert begründet. Inwiefern der Antragsgegner vermeintlich korrekt oder vielmehr fehlerhaft ermittelt/berechnet hat, dass unser Angebot "auffallend niedrige Monatspauschalen für den Streifen-, Revier- und Schließdienst sowie einen ungewöhnlich niedrigen Stundenverrechnungssatz für den Separatwachdienst aufweist" sei nicht nachvollziehbar.
Die fehlende Nachvollziehbarkeit werde insofern verstärkt, als dass unser Unternehmen im Los 1 und 2 mit vorgenannter Begründung ausgeschlossen wurde, bei gleichen Kalkulationen der Antragstellerin (Monatspauschalen für den Streifen-, Revier- und Schließdienst, und Stundenverrechnungssatz für den Separatwachdienst) der Zuschlag in Los 3 und Los 4 allerdings an einen anderen Bieter gehen soll. Somit müssten die dort vom Bestbieter angebotenen Preise niedriger als die vermeintlich "unangemessen niedrigen Preise" der Antragstellerin sein, gleichzeitig aber nicht als "auffallend, ungewöhnlich, unangemessen niedrig" identifiziert worden sein.
Die Antragstellerin beantragt in Ihrer Begleitemail zu den Nachprüfungsanträgen zu Los 1, 3 und 4:
"Rechtsschutz und Erteilung eines Zuschlagsverbots durch die Vergabekammer noch vor dem 08.05.2024. Folglich soll die vergaberechtswidrige Zuschlagsentscheidung überprüft und u.E. revidiert werden, der Zuschlag müsste infolgedessen an unser Unternehmen erfolgen."
In ihrem Schriftsatz der Nachprüfungsanträge beantragt die Antragstellerin zu Los 1,
"die Nachprüfung dieser fehlerhaften Vergabeentscheidung über den Aus schluss unseres Angebots sowie die beabsichtige Zuschlagserteilung auf das Angebot eines anderen Bieters, und fordern eine Vergabeverhinderung sowie eine korrekte Vergabeentscheidung."
In ihren Schriftsätzen der Nachprüfungsanträge zu den Losen 3 und 4 beantragt die Antragstellerin:
"Daher beantragen wir Rechtsschutz und Erteilung eines Zuschlagsverbots durch die Vergabekammer noch vor dem 08.05.2024. Folglich soll die vergaberechtswidrige Zuschlagsentscheidung überprüft und u.E. revidiert werden, der Zuschlag müsste infolgedessen an unser Unternehmen erfolgen."
Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 23.05.2024 zu den Losen 1, 3 und 4 jeweils, den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückzuweisen und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, hilfsweise festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung nicht notwendig war.
- Los 1 -
Zur Begründung seines Zurückweisungsantrags bezüglich Los 1 trägt der Antragsgegner im Wesentlichen vor: Das Angebot der Antragstellerin liege ca. 13% unter der internen Kostenschätzung der Vergabestelle und ca. 9% unter dem Angebot der Beigeladenen als zweitplatzierte Bieterin. Auch wenn der Angebotspreis der Antragstellerin somit (noch) nicht die regelmäßige Aufgreifschwelle von 15 - 20% Abweichung zum Bieter auf Rang zwei erreicht hatte, liege die Abweichung von der eigenen Kostenschätzung der Vergabestelle knapp unter 15%. Weil auch Auffälligkeiten in Einzelpositionen des Angebots der Antragstellerin festgestellt wurden, sei eine Aufklärung des Angebotspreises durch die Vergabestelle erforderlich gewesen. Bei der Beurteilung der Angebotspreise nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A zwar auf das Gesamtangebot und nicht auf die Einzelpreise abzustellen sei. Bei bestimmten und in sich abgeschlossenen Teilen des Angebotes, in denen die Preise in unangemessenem Verhältnis zu der betreffenden Teilleistung stehen, kann jedoch hiervon abgewichen werden.
Bei einem hinsichtlich des Gesamtpreises unauffälligen Angebot dürfe der Auftraggeber Aufklärung zu Einzelpreisen verlangen, wenn diese von den Preisen der Konkurrenten exorbitant abweichen und diese Abweichungen weder durch einen höheren Leistungsumfang noch durch Marktgegebenheiten oder -besonderheiten zu erklären sind. Entsprechende Abweichungen lägen sowohl in der Kalkulation des SVS, als auch bei den Zeitansätzen des Revier-, Kontroll- und Streifendienstes vor.
Zur Kalkulation des Stundenverrechnungssatzes (SVS) trägt der Antragsgegner vor, dass gemäß einer Empfehlung der Bundesfinanzdirektion West regelmäßig ein Aufschlag von mindestens 70% auf den Produktivlohn notwendig sei, um die Leistung auskömmlich zu kalkulieren (siehe Empfehlung Bundesfinanzdirektion West Zoll zur Durchführung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG), Mindestlohn in der Gebäudereinigung ab 1. Januar 2012 vom 14.02.2012).
Das Angebot der Antragstellerin liege, wie aus der Anlage 4 des Vergabevermerks vom 26.04.2024 ersichtlich, bei einem deutlich geringeren Aufschlag. Auffällig dabei sei der minimale Anteil in der Pos. 3 (Sonstige Kosten). Mit Blick auf die im Rahmen der Leistungserbringung erforderlichen einheitlichen Bekleidung des einzusetzenden Personals, der erforderlichen Zertifizierungen des Personals, dem Einsatz von PKW erscheine der Kalkulationsansatz der Antragstellerin in den sonstigen Kosten als nicht auskömmlich.
Insbesondere sei nicht plausibel, wie ohne entsprechenden Kalkulationsansatz die Registrierung im Bewacherregister sichergestellt werden kann, da nur geeignete Personen im Sicherheitsdienst arbeiten dürfen. Neben den erforderlichen personenbezogenen Daten ist für jede Person nachzuweisen, dass die fachliche Eignung für die Tätigkeit im Sicherheitsdienst vorliegt. Dafür ist ein Qualifikationsnachweis der Ausbildung nach § 34a GewO erforderlich. Erst nach der erfolgreichen Prüfung durch das Ordnungsamt und dem Landeskriminalamt wird die angehende Sicherheitskraft im Bewacherregister freigegeben. Insofern entstünden zwingend Fortbildungskosten für das Sicherheitspersonal, die jedoch in der Kalkulation der Antragstellerin nicht ersichtlich sind. Eine "Schulung" durch internes Personal, das ehrenamtlich bei der IHK tätig ist, sei dafür nicht ausreichend. Vor dem Hintergrund, dass nach Mitteilung des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW) die Gebühren für die Überprüfungen der Zuverlässigkeit von Sicherheitsmitgliedern um mindestens 285% gestiegen sind, sei eine Auskömmlichkeit der Kalkulation nicht gegeben oder zumindest mehr als zweifelhaft.
Darüber hinaus seien auch Schulungen und Unterweisungen für die Mitarbeiter als Aufzugswärter zu berücksichtigen.
Die fehlende Auskömmlichkeit eines Angebotes könne auch auf eine Unterschreitung des Mindestlohnes hindeuten.
Auch wenn in der Gegenüberstellung des Stundenverrechnungssatzes Separatwachdienst aller Bieter zu erkennen ist, dass der Kalkulationszuschlag bei allen Bietern unter der o.g. Empfehlung der Bundesfinanzdirektion West liegt, liege der Kalkulationsansatz der Antragstellerin zu Pos. 3 gravierend unter den Kalkulationsansätzen aller anderen Bietern und somit auch der Kalkulation der Beigeladenen. Das Angebot der Beigeladenen nähere sich bezüglich der Kalkulation des Stundenverrechnungssatzes jedenfalls deutlich der Empfehlung Bundesfinanzdirektion, weshalb der Zuschlag auf dieses Angebot erteilt wurde.
Bezüglich der Zeitansätze des Revier-, Kontroll- und Streifendienstes ist der Antragsgegner der Auffassung, dass auch die Zweifel an der Angemessenheit der Zeitansätze des Revier-, Kontroll- und Streifendienstes nicht ausgeräumt werden konnten.
Bereits aus liegenschafts- und gebäuderelevanten Aspekten seien die Fußwege innerhalb eines zu begehenden Gebäudes oder die Außenbegehung nicht in der kalkulierten Zeit umsetzbar. Die sich durch die Monatspauschalen ergebenen rechnerischen Einsatzzeiten zur Durchführung der ausgeschriebenen Leistungen sind so gering, dass diese tatsächlich nicht zu erbringen sind.
Im Leistungsverzeichnis ist die Lage der Liegenschaften, die Grundstückgröße, die Anzahl der Etagen, die Mindestanzahl der Kontrollpunkte, die Einsatzzeiten, die Anzahl der Kontrollen und die Aufgaben der Kontrollen beschrieben.
Als Berechnungsbeispiel sei die Liegenschaft Finanzamt ... - WE 10115 zu Grunde gelegt worden: Es handelt sich dabei um ein zweigeschossiges Verwaltungsgebäude in Form eines Kastells, bestehend aus 3 großen Flügelbauten, durch Haupt- und Ecktürmen miteinander verbunden, mit einer Fläche von 22.406 qm Gelände. Hierfür wurde von der Antragstellerin für den Schließdienst für morgens und abends mit Kontrollgang, von Montag bis Freitag eine Monatspauschale angeboten. Durch den Antragsgegner seien 252 Arbeitstage pro Jahr angesetzt, das entspricht 21 Tagen/Monat.
Basierend auf den örtlichen Gegebenheiten (Größe und Kubatur des Objekts) sei ein Schließgang in der zu Grunde gelegten Kalkulation rein tatsächlich nicht umsetzbar. Ähnliche Ergebnisse errechnen sich für die Liegenschaften Finanzamt ... RIA - WE 10119, das Landesamt für Kultur u. Denkmalpflege - WE 10381 sowie die Landesbibliothek Schwerin - Sondermagazin - WE 10398.
Im Aufklärungsgespräch erläuterte die Antragstellerin, die Liegenschaften nicht vor Ort besichtigt, sondern die Gebäude per Google Maps angesehen zu haben, aber dennoch in der Lage sei, die Leistung zu den sich rechnerisch ergebenden Zeiten vollumfänglich erbringen zu können.
Im nachgereichten Anschreiben vom 18.03.2024 zum Aufklärungsgespräch, erklärt die Antragstellerin zur Auskömmlichkeit: "Für die Kalkulationen der mobilen Sicherungsdienstleistungen (Revierkontroll-, Schließdienst etc.) wurden alle Vorgaben aus Leistungsverzeichnis und Leistungsbeschreibung berücksichtigt. Insbesondere die zeitliche Lage der Leistungen, ihre Frequenz, ggf. einzusetzende technische Geräte und Inhalte der einzelnen Leistungen am/im Objekt. Aufgrund nicht vorgegebener Mindestleistungszeiten an/in den jeweiligen Objekten wurden für die Kalkulationen eigene, den ausgeschriebenen Leistungsvorgaben entsprechende, Rechercheergebnisse zugrunde gelegt. Diese umfassen: vorgenommene Objektbesichtigungen, bereits bestehende und umfassende Ortsund Objektkenntnisse, Auswertung von Satellitenmaterial inklusive der Nutzung von Objektvermessungsund Geoportalen sowie die entsprechend objektive Einschätzung von Vor-Ort-Leistungszeiten als langjährig zertifiziertes Fachunternehmen der Sicherheitsbranche. Somit sind auch alle mobilen Sicherungsdienstleistungen (Revierkontroll-, Schließdienst etc.) vollumfänglich auskömmlich, bedarfsgerecht und durchhaltefähig kalkuliert worden."
Die vorgelegte Kalkulation sei weder realistisch noch umsetzbar, so dass die Auskömmlichkeit der Kalkulation nicht gegeben ist.
Die Abweichungen zur Kostenschätzung für den Revier- und Schließdienst, welche auf den bisherigen Verträgen zzgl. Tarifanpassungen basiert und die Abweichungen zur Beigeladenen (Bieter Rang 2), liegen weit über der Aufgreifschwelle von 20%. Die Antragstellerin habe einen zu niedrigen und nicht vertretbaren Stundenlohn sowie zu gering kalkulierte Ausführungszeiten für die Bewachungsleistung zum Revierkontroll-/Streifendienst angegeben. Dies steht den rechtlichen Vorgaben aus dem Kontext des Vergabemindestlohnes des Landes M-V als auch den branchenüblichen Kennzahlen im Bewachungsgewerbe (Bundesfinanzdirektion West Zoll Durchführung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG), Mindestlohn in der Gebäudereinigung ab 1. Januar 2012 vom 14. Februar 2012) entgegen.
Die relativ geringe Differenz zwischen dem Angebot der Antragstellerin zum Angebot der Beigeladenen mit dem nächstgünstigsten Angebot auf die Gesamtsumme ist darauf zurückzuführen, dass die Monatspauschalen im Vergleich zu den kostenintensiven Separatwachdienstpositionen in anderen Liegenschaften nur einen geringen Anteil am Gesamtangebot ausmachen.
Wegen der verbliebenen Unklarheiten zur Angebotskalkulation hinsichtlich SVS und der Zeitanteile für den Schließdienst konnte gemäß § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A auf das Angebot der Antragstellerin wegen unangemessen niedrigem Preis bzw. wegen unangemessen niedrigen Kosten der Zuschlag nicht erteilt werden.
Hinsichtlich der Angemessenheit der Kalkulation der Beigeladenen meint der Antragsgegner, dass die Kalkulation der Beigeladenen auskömmlich sei. Bestehende Fragen zur Kalkulation konnten im Aufklärungsgespräch von der Beigeladenen erläutert und beantwortet werden. Insbesondere wurde die Langkalkulation des Stundenverrechnungssatzes umfänglich dargestellt und erläutert. Es wurde dargestellt, dass für die Kalkulation der ausgeschriebenen Leistungen die Liegenschaften besichtigt worden seien. Ebenfalls seien Probeläufe für den Revier- und Schließdienst in den Liegenschaften durchgeführt worden. Des Weiteren konnte die Beigeladene im Gespräch glaubhaft darlegen, dass die firmeninterne feste Pauschale kostendeckend für die auftragsbezogenen Kosten sind.
Die anzuwendenden Sozialversicherungsbeiträge der Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der Pflegeversicherung und der Insolvenzgeldumlage liegen der Kalkulation der Beigeladenen vollumfänglich zugrunde (Protokoll Aufklärungsgespräch ... Notizen S. 2 Kalkulation Stundenverrechnungssatz vom 11.04.2024).
Die Verordnung über das Vergabeverfahren und das Verfahren zur Festlegung und Kontrolle von Mindestarbeitsbedingungen (Vergabe- und MindestarbeitsbedingungenVerfahrensverordnung - VgMinArbV M-V) vom 19.04.2024 ist am 14.05.2024 im Gesetz- und Verordnungsblatt Mecklenburg-Vorpommern verkündet worden.
Im Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom 18. Dezember 2023, im Artikel 1 Tariftreue- und Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern (TVgG M-V) wurde unter § 19 Übergangsregelungen festgelegt "Für Vergabeverfahren, die begonnen wurden, bevor die aufgrund der Ermächtigungen nach § 4 und § 16 Absatz 5 Satz 4 zu erlassenden Rechtsverordnungen in Kraft getreten sind, sind unter Absatz 2 die Mindest-Stundenentgelt-Verordnung vom 7. September 2018 (GVOBl. M-V S. 358), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Januar 2023 (GVOBl. M-V S. 442) geändert worden ist, weiter anzuwenden." Maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn des Vergabeverfahrens sei der Tag, an dem die Auftragsbekanntmachung abgesendet oder das Vergabeverfahren auf sonstige Weise eingeleitet wurde.
Somit finde der Mindestvergabelohn von 13,50 Euro für dieses Vergabeverfahren keine Anwendung.
In dem Aufklärungsgespräch wären somit die bestehenden Fragen der Vergabestelle vollständig ausgeräumt worden. Insbesondere bestehen keine Zweifel an der Angemessenheit und Auskömmlichkeit des Angebotes der Beigeladenen.
- Nur Los 3 und 4 -
Hinsichtlich Los 3 ist der Antragsgegner der Auffassung, dass bestehende Fragen zur Kalkulation im Aufklärungsgespräch von der Beigeladenen erläutert und beantwortet werden konnten. Insbesondere sei die Langkalkulation des Stundenverrechnungssatzes umfänglich dargestellt und erläutert. Es sei dargestellt worden, dass für die Kalkulation der ausgeschriebenen Leistungen die Liegenschaften besichtigt worden seien. Ebenfalls seien Probeläufe für den Revier- und Schließdienst in den Liegenschaften durchgeführt worden. Des Weiteren hätte die Beigeladene im Gespräch glaubhaft dargelegt, dass die firmeninterne feste Pauschale kostendeckend für die auftragsbezogenen Kosten sind.
Die anzuwendenden Sozialversicherungsbeiträge der Krankenversicherung, der Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der Pflegeversicherung und der Insolvenzgeldumlage lägen der Kalkulation der Beigeladenen vollumfänglich zugrunde.
Der Mindestvergabelohn von 13,50 Euro für dieses Vergabeverfahren fände keine Anwendung (siehe Argumentation zu Los 1).
In dem Aufklärungsgespräch hätten somit die bestehenden Fragen der Vergabestelle vollständig ausgeräumt werden können. Insbesondere bestünden keine Zweifel an der Angemessenheit und Auskömmlichkeit des Angebotes der Beigeladenen für Los 3.
- Los 1, 3 und 4 -
In Ihrer Replik vom 03.06.2024 trägt die Antragstellerin vor, dass weder Anlass zu der vorgenommenen Preisaufklärung bestand, noch die Voraussetzungen vorlägen, unter denen bei Prüfung der Angebotspreise nach § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A auf die Einzelpreise und nicht allein auf das Gesamtangebot abzustellen ist.
Weiterhin seien die Vergabeunterlagen mangelhaft, weil "Informationen zum Objekt, zur Größe des Geländes, sowie weitere Angaben zur Liegenschaft sich nur teilweise jeweils unter der ersten Ordnungsziffer zur jeweiligen Liegenschaft" finden ließen. Inwiefern die "Größe des Geländes" allerdings für die Kalkulation einer Revierkontroll/Schließdienstleistung als aussagekräftiges und eindeutig kalkulationsregelndes Kriterium herangezogen werden, könne der Antragsgegner nicht darstellen. Fachlich und kalkulatorisch sei diese Angabe ein kleiner zu berücksichtigender Teil in der Preisfindung. Tatsächlich ausschlaggebend seien allerdings die Angaben zu der Anzahl, Lage und Beschaffenheit der zu kontrollierenden Fenster, Türen und Tore der/des Gebäudes auf dem Gelände. Maßgeblich sei auch entsprechend die real vorzunehmende Handlung an/im Gebäude/Objekt. Diese Angaben bliebe der Antragsgegner in weiten Teilen der Vergabeunterlagen schuldig.
Darüber hinaus würden weitere Ausführungsinformationen vom Antragsgegner erst nach Auftragserteilung dem Auftragnehmer übergeben (Ausgestaltung der einzelnen Aufgaben in den nutzerspezifischen Einzeldienstanweisungen - siehe Muster, ungefüllt). Erst aus diesen nach Auftragserteilung zur Verfügung stehenden Einzeldienstanweisungen je Liegenschaft sowie der Auftragsimplementierung ergingen die realen Bedarfe der Schutzobjekte (Anzahl und Lage der zu kontrollierenden Fenster, Türen und Tore; real auszuführende Handlungen). Durch das Nichtvorliegen der Einzeldienstanweisungen in den Vergabeunterlagen ergebe sich für alle Bietenden gewisse unternehmerische Kalkulationsrisiken, die von den Unternehmen zu tragen wären. Es sei festzustellen, dass die "Probeläufe" als Argument in der Auskömmlichkeitsprüfung des Angebots der Beigeladenen durch die Antragsgegner positiv und wohlwollend bewertet wurden. Allein dies sei falsch, da ein solcher "Probelauf" aufgrund der o.g. fehlenden Einzeldienstanweisung (Erhalt erst nach Auftragserteilung) nicht hätte entsprechend des Realbedarfs der Schutzobjekte durchgeführt werden können. Sollte die Beigeladene allerdings über diese Unterlagen verfügen, Verfügbarmachung allein durch die Antragsgegner möglich, würde dies einen gravierenden Vergaberechtsverstoß darstellen, der zur Aufhebung der Vergabe führen müsste.
Die Einschätzung des Antragsgegners zur Kalkulation der Antragstellerin seien im Übrigen rein subjektiv.
Aus der Feinkalkulation sei ferner zu entnehmen, dass die Ansätze in Form von Zeit und Geld auf der Grundlage des LV bei der Preisfindung vollumfänglich berücksichtigt wurden. Es sei der Feinkalkulation zu entnehmen, dass in sehr auskömmlichen Größenordnungen auch Kosten für u.a. PKW-Fahrtkosten, Logistik und Tourenoptimierung, Dienstkleidung, Handy, OWKS/Deister und zusätzliche Sicherheitskleidung kalkuliert wurden. Die Erfahrungen der Antragstellerin resultierten insbesondere daraus, dass die Antragstellerin gegenwärtig der Dienstleister in Teilen der derzeitigen Lose 3 und 4 des Antragsgegners sind. In diesen Aufträgen befindet sich die Antragstellerin bereits im vierten Betriebsjahr, ohne jedwede Beanstandung seitens des Antragsgegner.
Die Antragstellerin habe nicht erklärt, dass von ihr die "aufgeführten Liegenschaften im Rahmen der Vergabe nicht besichtigt worden seien". Vertreter der Betriebs- und Einsatzleitung der Antragstellerin hätten sehr wohl Besichtigungen aller Objekte vorgenommen und somit auch auf diesem Weg ein Lagebild für die Angebotsabgabe eingeholt. Darüber hinaus bestünden teils umfassende Ortskenntnisse seitens der Antragstellerin, welche aus der derzeit laufenden Auftragsausführung in einigen Objekten aus Los 1 und Los 2 resultieren. Rein ergänzend wurden zur Aufstellung der auskömmlichen Kalkulation weitere Hilfsmittel hinzugezogen, wie die Auswertung von Satellitenmaterial inklusive der Nutzung von Objektvermessungs- und Geoportalen.
Der Antragstellerin läge auch kein Protokoll des Aufklärungsgesprächs vom 14.03.2024 vor, aus welchem auch der vorgenannte Punkt hätte hervorgehen können. Hätte der Antragsgegner der Antragstellerin ein Protokoll aus dem Aufklärungsgespräch zugestellt, hätte die Antragstellerin zu einer derartigen Notiz Stellung genommen und weiter aufgeklärt. Besonders fraglich sei das Nichtvorliegen eines Protokolls mit dem Wissen, dass der Beigeladenen (...) ein Protokoll ihres Aufklärungsgesprächs zur Verfügung gestellt wurde.
Für die branchenübliche und für den Einsatz notwendige Sach- und Fachkunde (gem. § 34 a GewO) fielen der Antragstellerin keine Kosten an, da alle zum Einsatz kommenden Mitarbeiter bereits über entsprechend erforderliche Qualifikation verfügen würden. Es fielen allerdings sehr wohl Kosten für interne Schulungen und Weiterbildungen an, welche ausreichend Berücksichtigung gefunden hätten.
Es liege offenkundig ein Missverständnis bei dem Antragsgegner vor. Der Betriebsleiter eines Sicherheitsunternehmens könne und dürfe keine Ausbildungen/eigenen Prüfungen zur brancheüblichen Sach- und Fachkunde (gem. § 34 a GewO) ausführen. Diese Sachkunde- und Unterrichtungsmaßnahmen obliegen ausschließlich der IHK.
Für die Separatbewachung keine PKW-Kosten anfallen, da es sich nicht um mobile Sicherheitsdienstleistungen handele.
Aus der beiliegenden, unternehmenseigenen Feinkalkulation (wurde von der Vergabestelle nicht zur Aufklärung abgefordert) ergebe sich die auskömmliche Berücksichtigung der vorgetragenen Themen wie einheitliche Dienstbekleidung, sowie Kosten für Anmeldungen/Registrierung im Bewacherregister, Ausbildungskosten etc.
Dass die Antragstellerin die korrekten und nicht "zu niedrigen und nicht vertretbaren" Stundenlöhne zur Anwendung gebracht hat, könne und müsse der Antragsgegner den eingereichten SVS/SVS lang entnehmen.
Die Antragstellerin geht davon aus, dass ein Aufklärungsfehler der Antragsgegner vorliegt. Es wurde der mit der Ausschreibung eingereichte und per Feinkalkulation abgeforderte SVS und SVS lang gesichtet. Dieser entspreche allerdings allein einem Basis-SVS aus der Feinkalkulation eines Objekts. Anhand des SVS und SVS lang lässt sich nicht die Preisfindung und Auskömmlichkeit der Pauschalpreise je Objekt und je Monat ergründen. Hier hätte die Antragsgegner einen SVS/SVS lang je Objekt abfordern müssen. Dies mache deutlich, wie in den Losen 3 und 4 die Vergabestelle mit zweierlei Maß messe und insofern nicht rein sachlich geprüft wurde. Auch aus diesen Gründen habe die Antragstellerin ebenfalls die Vergabeentscheidungen in den Losen 3 und 4 gerügt und in ein Nachprüfungsverfahren gegeben, da ein kausaler Zusammenhang aller 4 Lose in den Vergabeentscheidungen zu finden sei.
Eine tatsächliche Auskömmlichkeitsprüfung könne mithin ausschließlich am Kalkulationsweg der einzelnen Pauschalpreise je Monat je Objekt vorgenommen bzw. zurückgerechnet werden. Zurückgerechnet sodann durch die Zeit als Menge, mal den SVS zzgl. tariflicher Zuschläge. Somit hätte der Antragsgegner feststellen können und müssen, dass die realen Kalkulationszuschläge etwas über dem errechneten Prozentsatz des Antragsgegners liegen.
Unter dem 04.06.2024 hat die Kammer einen Hinweis zur vorläufigen Rechtsauffassung (insbesondere zum Prüfungsumfang der Kammer und zur Beweislastverteilung) gegeben, auf welchen hiermit vollumfänglich Bezug genommen wird.
Der Antragsgegner hat keine Stellungnahme abgegeben.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 11.06.2024 die Nachprüfungsanträge in den verbundenen Verfahren (Lose 3 und 4) zurückgenommen, da die Begründungen für die Nichtbezuschlagungen in den Losen 3 und 4 andere sind, als angenommen. An dem Nachprüfungsantrag zu Los 1 hält die Antragstellerin indes unter Wiederholung ihrer Argumentation fest, dass ihr Angebot von den der Konkurrenten nicht exorbitant abweiche und der Antragsgegner damit keine Aufklärungsmaßnahmen hätte einleiten dürfen. Sie hätte hinreichend und begründet vorgetragen, dass ihre niedrigen Preise nicht ungewöhnlich niedrig, sondern angemessen sowie auskömmlich kalkuliert wurden. Wenn der Antragsgegner ein Protokoll mit offenem Aufklärungsbedarf erstellt, und bereits hierin Tendenzen für fehlerhafte Ermessensausübung ersichtlich gewesen wären, wäre der Antragsgegner zur weiteren Aufklärung verpflichtet gewesen.
Die Antragstellerin beantragt im führenden Verfahren (Los 1) nunmehr:
"die Feststellung der Begründetheit des Nachprüfungsantrages, die Feststellung einer fehlerhaften Ermessensausübung durch die AG und die Aufhebung des Vergabeverfahrens. Hilfsweise wird die Rückversetzung in den Status der Angebotsprüfung beantragt."
Am 11.06.2024 hat sich für die Beigeladener ihr Verfahrensbevollmächtigte legitimiert und sich in seinem Schriftsatz dem Hinweis der Kammer angeschlossen.
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Parteien auf eine solche verzichtet haben.
Anträge auf Akteneinsicht wurden nicht gestellt.
Zu dem weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
II.
A. Die Kammer hat die bei ihr anhängigen Verfahren Ostorf - Los 1 (Az.: 1 VK 2/24); Lankow-Weststadt - Los 3 (Az.:1 VK 4/24) und Dreesch Wüstmark - Los 4 (Az.: 1 VK 5/24) gem. § 147 ZPO analog zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. § 147 ZPO ist mangels expliziter Vorschrift im 4. Teil des GWB im Vergabenachprüfungsverfahren analog anwendbar (OLG Naumburg, Beschl. V. 28.06.2204, Az.: 1 Verg 5/04). Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können. So aber liegt es hier. Die Lose 1, 3 und 4 stellen zwar rechtlich selbstständige Vergaben dar, stehen aber dennoch im rechtlichen Zusammenhang des Vergabeverfahrens des Antragsgegners mit der Nummer 24EOO02 ("Bewachung Schwerin"), in welchem jeweils der Antragsteller ein Angebot abgeben hat. In Los 1, 3 und 4 handelt es sich zudem um die gleiche Beigeladene.
B. Der Nachprüfungsantrag hat - hinsichtlich der nur noch streitig zu entscheidenden führenden Verfahrens (Los 1) - in der Sache keinen Erfolg.
1. Bei verständiger Würdigung der Anträge der Antragstellerin, nachdem was der Interessenlage entspricht und demnach vernünftig und gewollt ist, ist das Begehren der Antragstellerin dahingehend auszulegen, dass eine Wiederholung der Wertung der Angebote angestrebt wird und sich gegen die Nichtberücksichtigung ihres Angebots gem. § 60 VgV wendet. Dies hat auch die Stellungnahme der Antragstellerin zum rechtlichen Hinweis der Kammer bestätigt, in dem sie die Feststellung einer fehlerhaften Ermessensausübung und die Aufhebung des Vergabeverfahrens sowie hilfsweise die Rückversetzung in den Status der Angebotsprüfung beantragt.
2. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist die Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB eingehalten.
Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt. Die drittschützende Wirkung sowohl der Regelung über die Aufklärungspflicht als auch über die Vornahme der Prüfung durch den Auftraggeber ist mittlerweile anerkannt (Beck VergabeR/Lausen, 3. Aufl. 2019, VgV § 60 Rn. 19 m.w.N.).
3. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet.
Der Antragsgegner ist nicht zu einer Wiederholung seiner Wertungsentscheidung zu verpflichten, denn der Ausschluss der Antragstellerin war nicht vergaberechtswidrig.
a) Zunächst ist es rechtlich unschädlich, dass in der Mitteilung nach § 134 GWB der Antragsgegner auf § 16d VOB/A abstellt, obwohl es sich vorliegend nicht um eine Bauleistung handelt. Soweit es um den Umgang mit ungewöhnlich niedrigen Angeboten geht, ist § 16d EU Abs. 1 Nr. 1-4 VOB/A das Gegenstück zu § 60 VgV im Bereich der Bauvergaben (Ziekow/Völlink/Steck, 5. Aufl. 2024, VOB/A § 16dEU Rn. 2). Eine unterschiedliche Bedeutung der Vorschriften besteht nicht (BeckOK VergabeR/Queisner, 31. Ed. 1.2.2024, VgV § 60 Rn. 3).
Der Antragstellerin ist zuzugeben, dass die Begründung der Nichtberücksichtigung seines Angebots in der Mitteilung nach § 134 recht pauschal ist.
Die Unterrichtung eines Bieters darf sich nicht auf Leerformeln beschränken. Die Begründung muss den unterlegenen Bieter vielmehr in die Lage versetzen, seine Position im Vergabeverfahren zu erkennen und die Sinnhaftigkeit eines Nachprüfungsverfahrens zu prüfen. Es reicht dazu aber durchaus aus, wenn der öffentliche Auftraggeber z.B. die einzelnen Wertungskriterien aufgreift und mitteilt, dass beim Empfänger mit seinem Angebot in allen Wertungspunkten schlechtere Ergebnisse erzielt worden seien, als das für den Zuschlag vorgesehene Angebot oder die Zuschlagskriterien nebst Gewichtung benannt werden und erläutert wird, welchen Rang das jeweilige Angebot hat (MüKoEuWettbR/Fett, 4. Aufl. 2022, GWB § 134 Rn. 40).
Ob die Mitteilung die Anforderungen an § 134 Abs. 1 GWB erfüllt, kann jedoch dahinstehen denn, der Antragsgegner kann eine unzureichende Information heilen. Es kann vorliegend auch dahin gestellt bleiben, ob diese Heilung, da erst nach erfolgtem Zuschlag erfolgt, als verspätet anzusehen ist, denn ein unzureichend begründetes Informationsschreiben allein löst die Unwirksamkeitsfolge des § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB nicht aus. Denn es besteht unter Rechtsschutzgesichtspunkten hierfür kein Anlass, da der Bieter jedenfalls die Möglichkeit hat, sein subjektives Recht auf eine umfassende Information einzufordern und ggf. im Wege eines Nachprüfungsverfahrens zu erzwingen (VK Rheinland Beschluss vom 7.5.2019 - VK 12/19, BeckRS 2019, 32403, beckonline). Ohne Vertragsschluss kann eine "Heilung" noch im Nachprüfungsverfahren durchgeführt werden. Der effektive Rechtsschutz wird durch sie nicht beeinträchtigt (Burgi/Dreher/Opitz/Dreher/Hoffmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 135 Rn. 27).
b) Erscheinen der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, verlangt der öffentliche Auftraggeber vom Bieter Aufklärung, § 60 Abs. 1 VgV. Der öffentliche Auftraggeber prüft die Zusammensetzung des Angebots und berücksichtigt die übermittelten Unterlagen. Die Prüfung kann insbesondere betreffen:
1.die Wirtschaftlichkeit des Fertigungsverfahrens einer Lieferleistung oder der Erbringung der Dienstleistung,
2.die gewählten technischen Lösungen oder die außergewöhnlich günstigen Bedingungen, über die das Unternehmen bei der Lieferung der Waren oder bei der Erbringung der Dienstleistung verfügt,
3.die Besonderheiten der angebotenen Liefer- oder Dienstleistung,
4.die Einhaltung der Verpflichtungen nach § 128 Absatz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere der für das Unternehmen geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften, oder
5.die etwaige Gewährung einer staatlichen Beihilfe an das Unternehmen, § 60 Abs. 2 VgV.
Kann der öffentliche Auftraggeber nach der Prüfung gemäß den vorgenannten Absätzen 1 und 2 die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären, darf er den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen. Der öffentliche Auftraggeber lehnt das Angebot ab, wenn er festgestellt hat, dass der Preis oder die Kosten des Angebots ungewöhnlich niedrig sind, weil Verpflichtungen nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 nicht eingehalten werden, § 60 Abs. 3 VgV.
Diese Vorgaben hat der Antragsgegner eingehalten.
Ziel der Aufklärung ist es herauszufinden, ob das Angebot auf technisch, wirtschaftlich oder rechtlich fragwürdigen Annahmen basiert. Der Begriff des ungewöhnlich niedrigen Angebots ist durch die Rechtsprechung zur Vorgängerregelung des § 19 EG Abs. 6 VOL/A konkretisiert worden. Erforderlich zur Beurteilung ist eine wertende Einzelfallbetrachtung. Es gibt insbesondere keinen festen Prozentsatz der Abweichung des Angebots von einem Markt- oder Durchschnittspreis oder zum nachfolgenden Angebot. Von einem ungewöhnlich niedrigen Preis ist jedenfalls dann auszugehen, wenn der angebotene (Gesamt-) Preis eklatant von dem an sich angemessenen Preis abweicht, sodass eine genauere Überprüfung nicht im Einzelnen erforderlich ist und die Ungewöhnlichkeit des Angebotspreises sofort ins Auge fällt. Allein ein beträchtlicher Preisabstand zwischen dem zu prüfenden und den nachfolgenden Angeboten ist allerdings kein hinreichendes Merkmal, vielmehr bedarf es weiterer Anhaltspunkte dafür, dass der Niedrigpreis wettbewerblich nicht begründet ist. Der Maßstab für die Ermittlung eines angemessenen Preises und damit für die Beurteilung, ob ein Preis unangemessen niedrig ist, können Angebote anderer Bieter, Daten aus anderen Ausschreibungen, für vergleichbare Leistungen vom Auftraggeber gezahlte oder ihm angebotene Preise, eigene Kostenschätzungen und Kalkulationen beratender Ingenieurbüros sein (MüKoEuWettbR/Pauka/Frischmuth, 4. Aufl. 2022, VgV § 60 Rn. 3 ff. m.w.N.).
Soweit in der Rechtsprechung der Vergabesenate bestimmte Prozentbeträge genannt werden, mit denen der Abstand des vom Ausschluss bedrohten Angebots zum nächsthöheren Angebot oder eines sonstigen Bezugspunktes bemessen wird, handelt es sich um die Festlegung einer Aufgreifschwelle, deren Erreichen dem Auftraggeber Veranlassung gibt, den Angebotspreis zu überprüfen. Die Rechtsprechung zu der Aufgreifschwelle ist nicht einheitlich. Immerhin ist eine Schwelle von 20% wiederholt anerkannt worden. Vereinzelt wurden auch Spannen zwischen 10% und weniger als 20% als Aufgreifschwelle für ausreichend erachtet. In seiner Entscheidung vom 31.1. 2017 hat der BGH dazu nunmehr festgestellt, dass jedenfalls eine Aufgreifschwelle von 30% ausreicht, um den Auftraggeber zu einer Angemessenheitsprüfung zu veranlassen. Der BGH hat nicht entschieden, ob eine Schwelle von 20% "als unverrückbare Untergrenze anzusehen ist" oder ob und wann besondere Umstände im Einzelfall Aufklärungsbedarf auch bei geringeren Abständen indizieren können. Damit wird klargestellt, dass es, jedenfalls unterhalb einer Aufgreifschwelle von 30%, keine allgemeingültige Regel gibt, sondern die konkreten Umstände des jeweiligen Falls zu würdigen sind (Beck VergabeR/Lausen, 3. Aufl. 2019, VgV § 60 Rn. 11 m.w.N.).
Das Angebot der Antragstellerin liegt ca. 13% unter der internen Kostenschätzung der Vergabestelle und ca. 9% unter dem Angebot der Beigeladenen als zweitplatzierte Bieterin. Auch wenn der Angebotspreis der Antragstellerin nicht die regelmäßige Aufgreifschwelle von 15 - 20% Abweichung zum Bieter auf Rang zwei erreicht hatte, liegt die Abweichung von der eigenen Kostenschätzung der Vergabestelle immerhin knapp unter 15%.
Zutreffend geht der Antragsgegner davon aus, dass bei einem hinsichtlich des Gesamtpreises unauffälligen Angebot der Auftraggeber Aufklärung zu Einzelpreisen verlangen darf, wenn diese von den Preisen der Konkurrenten exorbitant abweichen und diese Abweichungen weder durch einen höheren Leistungsumfang noch durch Marktgegebenheiten oder -besonderheiten zu erklären sind (OLG Koblenz, Urteil vom 04.01.2018, Verg 3/17). Ein geringerer Preisabstand führt nicht zu einer Prüfpflicht, der Auftraggeber hat im Bereich zwischen 10% und 20% einen Beurteilungsspielraum, ob er das Angebot als ungewöhnlich niedrig ansieht und in die Aufklärung der Preise eintritt. Bei einem Preisabstand von unter 10% zum nächsthöheren Angebot besteht regelmäßig kein Anlass für eine Aufklärung der Angemessenheit der Preise. Der öffentliche Auftraggeber kann aber auch dann in eine Preisprüfung eintreten, wenn zwar die sog. Aufgreifschwelle nicht erreicht ist, das Angebot aber aus anderen Gründen - etwa weil der Angebotspreis unangemessen niedrig erscheint und zugleich z.B. Anhaltspunkte für eine Mischkalkulation bestehen - konkreten Anlass zur Preisprüfung gibt. Lediglich wenn es überhaupt keinen nachvollziehbaren Anlass für eine Preisprüfung gibt, kann schon ein Aufklärungsverlangen des öffentlichen Auftraggebers rechtswidrig sein, dabei kommt es aber immer auf die Umstände des Einzelfalls an (Ziekow/Völlink/Steck, 5. Aufl. 2024, VgV § 60 Rn. 4b-c m.w.N.).
Entsprechende Auffälligkeiten sind in der Kalkulation des SVS, als auch bei den Zeitansätzen des Revier-Kontroll- und Streifendienstes zu erkennen. Die Abweichungen zur Kostenschätzung, welche auf den bisherigen Verträgen zzgl. Tarifanpassungen basiert und die Abweichungen zum Bieter Rang 2, für den Revier- und Schließdienst, liegen laut Vergabevermerk - l-OM1120 - 24E0002S Los 1 weit über der Aufgreifschwelle von 20%.
Demgemäß erscheint es nicht sachfremd. Dass der Antragsgegner hier Aufklärungsmaßnahmen ergriffen hat.
Das Aufklärungsverlangen muss dem Bieter die Möglichkeit einräumen, die Zweifel des Auftraggebers zu widerlegen und darzulegen, dass er in der Lage ist, seine Leistungen auftragsgerecht zu erbringen (MüKoEuWettbR/Pauka/Frischmuth, 4. Aufl. 2022, VgV § 60 Rn. 8 m.w.N.).
Kann der Bieter keine hinreichende Begründung für sein ungewöhnlich niedriges Angebot geben, so darf der öffentliche Auftraggeber nach § 60 VgV das Angebot ablehnen. Bei diesem Tatbestand handelt es sich um einen Ermessenstatbestand. Der Bieter hat daher einen Anspruch auf ordnungsgemäße Ermessenausübung (MüKoEuWettbR/Pauka/Frischmuth, 4. Aufl. 2022, VgV § 60 Rn. 9 m.w.N.). Nach der Aufforderung trifft den Bieter eine Mitwirkungsobliegenheit. Seine Erklärungen müssen in sich schlüssig, nachvollziehbar und anhand geeigneter Belege objektiv überprüfbar sein. Verweigert der Bieter eine Aufklärung, hält er von der Vergabestelle gesetzte zumutbare Fristen zur Beantwortung nicht ein oder gibt er lediglich formelhafte, inhaltsleere Erklärungen ab, hat die Vergabestelle dies im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung gem. § 60 Abs. 3 S. 1 VgV über den Ausschluss des Angebots zu berücksichtigen. Hierbei ist dem Auftraggeber ein rechtlich gebundenes Ermessen eingeräumt: Die Ablehnung des Zuschlags ist grundsätzlich geboten, wenn der Auftraggeber aufgrund der unzureichenden Mitwirkungshandlung des Bieters verbleibende Ungewissheiten nicht zufriedenstellend aufklären kann. Führt der Auftraggeber in zulässiger Weise eine Aufklärung wegen ungewöhnlich niedrig erscheinender Preise durch und verlangt er die erforderlichen Informationen über die Preisbildung, muss nicht der Auftraggeber dem Bieter nachweisen, dass dessen Angebot unangemessen niedrig ist, vielmehr geht die Beweislast auf den Bieter über. Will dieser eine Entscheidung nach § 60 Abs. 3 S. 1 VgV über Ausschluss seines Angebots vermeiden, hat er Gründe darzulegen, die die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten zufriedenstellend aufklären (Ziekow/Völlink/Steck, 5. Aufl. 2024, VgV § 60 Rn. 8 m.w.N.). Beschränken sich bei einem ungewöhnlich niedrigen Angebot die Erklärungen des Bieters überwiegend auf generalisierende Aussagen (Organisation der Arbeitsabläufe sowie auf die Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter), kann das Angebot ausgeschlossen werden (VK Bund Beschluss v. 20.4.2005 - VK 1-23/05, IBRRS 2005, 1702, beck-online). Aus den Darstellungen der Antragstellerin im Rahmen der Aufklärung geht nicht hervor, dass der niedrige Preis nicht ungewöhnlich niedrig ist, er in keinem Missverhältnis zur Leistung stünde, und sämtliche Leistungen für die gesamte Vertragslaufzeit vertragskonform, auskömmlich und gewinnbringend erbracht werden könnten. In der Antwort auf das Aufforderungsschreiben des Antragsgegners zur Aufklärung der Langkalkulation, hat die Antragstellerin zwar reagiert, allerdings weicht der einkalkulierte Zuschlag auf den Produktivlohn deutlich von den Stundenverrechnungssätzen der anderen Bieter ab. Im Übrigen erschöpfen sich ihre Darlegungen in allgemeinen Darstellungen. So verwies sie im Aufklärungsverfahren im Wesentlichen auf die bisher eingereichten Unterlagen und auf ihre langjährigen Erfahrungen bzw. Vorgehensweise bei Aufträgen in der Branche. Weiter Aufklärungen hätte auch der Antragsgegner gerade nicht vornehmen müssen, sondern vielmehr die Antragstellerin, da sie darlegungs- und beweisbelastet ist. Insbesondere führen die in dem Aufklärungsgespräch festgehalten Mängel nicht zu einer weiteren Aufklärungspflicht der Antragstellerin, denn diese muss sich nicht auf langwierige Prozesse einlassen. Die einmalige Möglichkeit zur Aufklärung durch den Bieter genügt, zumal laut Protokoll des Aufklärungsgesprächs der Antragstellerin noch bis zum 20.03.2024 nachgelassen wurde, eine schriftliche Darstellung zu den besprochenen Punkten nachzureichen.
Soweit die Antragstellerin in ihrer Replik vom 03.06.2024 auf etwaige mangelhafte Vergabeunterlagen und ggf. verspäteten Ausführungsinformationen abstellt, so ist sie mit diesem Einwand gem. § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB präkludiert, da dies bis zum Ablauf der Angebotsfrist hätte gerügt werden müssen.
Inwieweit der Antragstellerin durch die Möglichkeit von Probeläufen der Beigeladen ein Nachteil entstanden sein soll, ist nicht nachvollziehbar, da die Antragstellerin selbst vorträgt, die Räumlichkeiten bereits umfangreich zu kennen. Insoweit verfängt der Vortrag der Antragstellerin auch nicht, wenn sie darauf hinweist, dass sie entgegen der Darstellung des Antragsgegners die Objekte besichtigt habe, denn die Ortskenntnisse der Antragstellerin dürften unstreitig sein. Es geht bei der Aufklärung auch nicht um die konkreten Ortskenntnisse, sondern um die konkrete Kalkulation. Der Vergabeakte ist ferner nicht zu entnehmen, dass der Beigeladenen Einzeldienstanweisung zur Verfügung gestellt wurden. Die Beigeladene hat nach dem Protokoll vielmehr selbstständig die Besichtigung in den Losen 3 und 4 vorgenommen.
Sofern die Antragstellerin nun im Nachprüfungsverfahren Feinkalkulationen einreicht, so hätten diese, bereits im Vergabeverfahren dem Antragsgegner im Rahmen der Aufklärung vorgelegt werden müssen. Wie oben bereits dargelegt, ist die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt darlegungs- und beweispflichtig gewesen. Die Kammer überprüft nun nur noch die Entscheidung des Antragsgegners auf etwaige Ermessensfehler zum Zeitpunkt der Entscheidung der Vergabestelle über die Angemessenheit der Preise.
Ein etwaig nicht übersandtes Protokoll zum Aufklärungsgespräch kann den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nicht begründen. Zum einen hätte dies gem. § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB im März/April 2024 gerügt werden müssen. Zum anderen stellt das Nichtübersenden eines Protokolls keinen Vergaberechtsverstoß dar, zumal die Antragstellerin die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme hatte und davon auch Gebrauch gemacht hat. Im Übrigen hat ausweislich der Vergabeakte in Los 1 kein Aufklärungsgespräch mit der Beigeladen stattgefunden, sodass auch nicht aus etwaigen Gründen der "Waffengleichheit" die Übersendung des Protokolls erforderlich gewesen wäre. Den Erwiderungen des Antragsgegners ist auch nicht zu entnehmen, dass ein Protokoll der Beigeladenen übersandt wurde. Dies ist auch der Vergabeakte nicht zu entnehmen.
Die aus Sicht der Kammer berechtigten Zweifel an der Kalkulation der Ausbildungs- bzw. Qualifizierungskosten hat die Antragstellerin auch im Nachprüfungsverfahren wieder nur pauschal mit dem Hinweis begründet, dass diese in ihrer Kalkulation berücksichtigt seien. Es liegt auch kein Missverständnis bei dem Antragsgegner vor. Er hat nicht behauptet oder vorgetragen, dass der Betriebsleiter eines Sicherheitsunternehmens die Prüfung nach § 34a GewO vornehme.
Der Vortrag, das eine tatsächliche Auskömmlichkeitsprüfung ausschließlich am Kalkulationsweg der einzelnen Pauschalpreise je Monat je Objekt vorgenommen bzw. zurückgerechnet werden könne ist unerheblich, denn selbst mit dieser Methode lägen die realen Kalkulationszuschläge der Antragstellerin nach ihrem Vortrag nur leicht über denen, welche der Antragsgegner angenommen hat.
Welche SVS der Antragsgegner in welcher Form abfordert unterliegt grundsätzlich dem Beurteilungsspielraum der Vergabestelle. Sofern die Antragstellerin nun etwaige andere Möglichkeiten aufzeigt, wäre es ihre Obliegenheit gewesen diese innerhalb des Aufklärungsverfahrens vorzutragen.
Im Ergebnis sind somit die von der Antragstellerin abgegebenen Erklärungen im Rahmen des Aufklärungsgespräches zur Auskömmlichkeit der Leistungsmaße ihres Angebots nicht geeignet gewesen, die erheblichen Zweifel des Antragsgegners an der Auskömmlichkeit der dem Angebot zugrundeliegenden Leistungsmaße zu entkräften.
Der Antragsgegner hat somit im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums das Angebot der Antragstellerin zu Los 1 zu Recht von der Wertung ausgeschlossen.
C. Hinsichtlich der zurückgenommenen Anträge bezüglich Lose 3 und 4 (verbundene Verfahren) war das Verfahren einzustellen.
III.
1. Die Antragstellerin hat im führenden Verfahren (Los 1) als unterlegene Partei nach § 182 Abs. 3 S. 1 GWB die Kosten zu tragen Für die Amtshandlungen der Vergabekammern werden nach § 182 Abs. 1 S. 1 GWB Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB ist das Verwaltungskostengesetz - VwKostG - vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung anzuwenden. Es handelt sich hierbei um eine statische Verweisung auf eine Vorschrift in einer Fassung, die zwischenzeitlich außer Kraft getreten ist (Ziekow/Völlink § 182 GWB Rz. 4).
2. Für den erledigten Teil (Los 3 und 4) erfolgt gemäß § 182 Absatz 3 Satz 5 GWB die Entscheidung, wer die Kosten zu tragen hat, nach billigem Ermessen. Für die Entscheidung nach billigem Ermessen ist grundsätzlich der voraussichtliche Verfahrensausgang bei summarischer Prüfung maßgeblich. Dass ein Antragsteller durch die Rücknahme stets auf seinen Rechtsschutz verzichtet und dadurch zum Ausdruck bringt, dass das verfolgte Rechtsschutzziel nicht mehr durchgesetzt werden soll, lässt sich nicht verallgemeinern. Davon kann nur dann ausgegangen werden, wenn der Grund für die Rücknahme darin liegt, dass die weitere Rechtsverfolgung als nicht mehr erfolgversprechend angesehen wird und eine Zurückweisung des Antrages vermieden werden soll. Dann führt bereits das Ergebnis der am voraussichtlichen Verfahrensausgang orientierten summarischen Prüfung zur Kostenlast des Antragstellers (Damaske in: Müller-Wrede, GWB-Kommentar, 1. Auflage, Datenbank VergabePortal, § 182, Rn. 79 f., m. w. N.). Die Antragstellerin hat die Anträge aufgrund des rechtlichen Hinweises der Kammer, wonach sie voraussichtlich unterlägen wäre, zurückgenommen. Mithin entspricht es der Billigkeit ihr auch für diesen Teil des Verfahrens die Kosten aufzuerlegen.
Erhoben wird eine einheitliche Gebühr, da durch die Verbindung der Verfahren ein einheitliches Nachprüfungsverfahren durchgeführt wird (OLG Naumburg, Beschl. V. 28.06.2204, Az.: 1 Verg 5/04).
Bei der Gebührenfestsetzung orientiert sich die Vergabekammer an der Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes. Maßgeblich ist im Regelfall die Angebotssumme des Antragstellers (Röwekamp/Kus/Portz/Prieß § 182 GWB Rz. 7). Richtet sich das Interesse des Antragstellers nicht auf den Gesamtauftrag, sondern zum Beispiel nur ein einzelnes Los, ist der Wert dieses Loses maßgeblich (Burgi/Dreher/Opitz/Krohn, 4. Aufl. 2022, GWB § 182 Rn. 21). Angesichts des addierten, von der Antragstellerin geschätzten, Gesamtwertes der Lose 1, 3 und 4 fällt grundsätzlich eine Gebühr von EUR an. Nach § 182 Absatz 3 Satz 4 GWB ist die Hälfte der Gebühr zu entrichten, wenn der Antrag sich vor Entscheidung der Vergabekammer durch Rücknahme oder anderweitig erledigt hat. Da Lose 3 und 4 (erledigter Teil) etwa 60 Prozent des Gesamtwertes ausmachen, ermäßigt sich für diesen Gebührenanteil die Gebühr um die Hälfte. Da auch keine mündliche Verhandlung erforderlich war, hält die Kammer insgesamt eine Gebühr von Euro für billig.
Nach § 182 Abs. 4 S. 1 GWB hat die Antragstellerin auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zu erstatten. Aufwendungen in diesem Sinne sind dem Antragsgegner jedoch nicht entstanden, da er nicht durch einen Verfahrensbevollmächtigten vertreten war. Allgemeine Personalkosten sind nicht erstattungsfähig (Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, § 182 GWB Rz. 40).
Die von der Antragstellerin geleisteten Vorschüsse jeweils in Höhe von 2.500 EUR werden mit der Gebühr verrechnet, die Differenz an die Antragstellerin ausgekehrt.
Nach § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind die Aufwendungen eines Beigeladenen nur erstattungsfähig, soweit sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterlegenen Partei auferlegt. Bei der Billigkeitsprüfung ist zunächst die Zielsetzung der Beteiligten im Nachprüfungsverfahren zu berücksichtigen. Soweit sich der Antragsteller bewusst und gewollt in einen Interessengegensatz zum Beigeladenen gestellt hat, entspricht es grundsätzlich der Billigkeit, bei Unterliegen des Antragstellers dem Beigeladenen einen Kostenerstattungsanspruch für seine notwendigen Verteidigungsmaßnahmen zuzuerkennen. Entscheidend ist dabei, inwieweit sich der Beigeladene aktiv in das Verfahren eingebracht und dieses durch substantiellen Vortrag gefördert hat (Burgi/Dreher/Opitz/Krohn, 4. Aufl. 2022, GWB § 182 Rn. 49). Vorliegend hat sich der Verfahrensbevollmächtigte erst nach Erteilung des rechtlichen Hinweises der Kammer zum Verfahren gemeldet und keinen weiteren substantiellen Beitrag zum Verfahren geleistet, sodass es nicht der Billigkeit entspricht, dass der Antragsgegner die Aufwendungen der Beigeladen tragen muss.
IV.
(Rechtsmittelbelehrung)
Einsatz von Subplanern rechtfertigt keine Generalplanervergabe!
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VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18.12.2024 - 3 VK 10/24
Änderung der Vergütungsmethode = Änderung des Gesamtcharakters?
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EuGH, Urteil vom 16.10.2025 - Rs. C-282/24
Wann sind Fremdreferenzen zurechenbar?
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VK Bund, Beschluss vom 18.07.2025 - VK 1-44/25
Wahl der falschen Vergabeverordnung ist ein Vergaberechtsverstoß!
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VK Bund, Beschluss vom 17.06.2025 - VK 2-35/25
Nachprüfungsantrag unzulässig: Keine Akteneinsicht!
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BayObLG, Beschluss vom 12.09.2025 - Verg 5/25
Gerüstbauarbeiten sind gesondert auszuschreiben!
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VK Bund, Beschluss vom 18.08.2025 - VK 2-63/25
Wie sind (Los-)Kombinationsangebote zu werten?
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VK Bund, Beschluss vom 28.08.2025 - VK 1-56/25
Direktvergabe wegen fehlenden Wettbewerbs?
Direktvergabe wegen fehlenden Wettbewerbs?
OLG Dresden, Beschluss vom 28.08.2025 - Verg 1/25
Leitfabrikate vorgegeben: Gleichwertigkeitsprüfung ist zu dokumen...
Leitfabrikate vorgegeben: Gleichwertigkeitsprüfung ist zu dokumentieren!
VK Bund, Beschluss vom 07.08.2025 - VK 2-59/25
Fremdreferenz als Eigenreferenz?
Fremdreferenz als Eigenreferenz?
VK Bund, Beschluss vom 23.04.2025 - VK 1-18/25
